Zusammenfassung
Es war dunkel. Dennoch war Santa Fe hell. Lichtbahnen fielen aus Fenstern und Türen in die riesige Plaza und lichteten die Nacht. Scharen von vergnügungssüchtigen, grölenden und johlenden Männern bevölkerten Gehsteige und Fahrbahnen. Dann und wann peitschte ein Schuss, den ein übermütiger Bursche in die Luft abfeuerte. Manchmal war es auch ein Schuss, der ein Leben auslöschte. In Santa Fe verging fast kein Tag ohne Schießerei und Blutvergießen.
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Der Unerbittliche
von Pete Hackett
Es war dunkel. Dennoch war Santa Fe hell. Lichtbahnen fielen aus Fenstern und Türen in die riesige Plaza und lichteten die Nacht. Scharen von vergnügungssüchtigen, grölenden und johlenden Männern bevölkerten Gehsteige und Fahrbahnen. Dann und wann peitschte ein Schuss, den ein übermütiger Bursche in die Luft abfeuerte. Manchmal war es auch ein Schuss, der ein Leben auslöschte. In Santa Fe verging fast kein Tag ohne Schießerei und Blutvergießen.
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© dieser Ausgabe 2020 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Der Unerbittliche
„Da stehen die zweihundertfünfzig gehörnten Biester“, sagte Allan Sheridan lächelnd, „und hier sind die Papiere.“ Er reichte Hunter Barkley den Umschlag aus braunem Papier. „Den Kaufpreis von 2500 Dollar habe ich quittiert. Wir können noch einen Drink auf das erfolgreiche Geschäft zu uns nehmen. Wollt ihr?“
Hunter und Jim Otis, sein Partner, sahen sich an. Otis schüttelte kaum merklich den Kopf und Hunter sagte: „Danke, Sheridan. Ein andermal vielleicht.“ Er schob den Umschlag ein und ließ seinen Blick über die grasenden Rinder gleiten. Sie trugen den Hufeisenbrand, und dem Kaufvertrag entsprechend war ihr Besitzer ein gewisser Jack Flaherty aus dem Lincoln County.
Nun war es Hunters und Jims Herde. Die beiden waren mit sich zufrieden. Zehn Dollar pro Rind war ein guter, fairer Preis.
„Wie ihr wollt“, sagte Sheridan, und es war offensichtlich, dass ihm die Ablehnung gelegen kam. Er hatte es plötzlich sehr eilig und nahm sein Pferd herum. „Glücklichen Trail“, wünschte er, dann gab er seinen beiden Begleitern einen Wink. Sie trieben die Pferde an und ritten zurück nach Santa Fe.
Jim Otis verzog den Mund. „Ohne die Papiere, die zweifellos echt sind, würde ich den drei Kerlen nicht ein einziges Rind abgekauft haben. Vom ersten Eindruck her hätte ich sie für lichtscheue Sattelstrolche gehalten, nicht aber für hart arbeitende, ehrliche Cowboys.“
„Der erste Eindruck täuscht eben oft, Jim“, versetzte Hunter und ritt hinüber zur Herde. Die Tiere grasten ruhig. Horn klapperte. Hin und wieder stieg Muhen oder Brüllen zum Himmel. Die Herde stand gut im Futter.
Jim folgte Hunter, holte auf und ritt neben seinem Partner her. Er sagte in den pochenden Hufschlag hinein: „Wir sollten so schnell wie möglich aufbrechen. In zehn - elf Tagen können wir zu Hause sein. Ich mache mir Sorgen wegen Isabel und Juanita. Es ist nicht gut, sie so lange in der Wildnis alleinzulassen.“
Hunter pflichtete ihm mit einem Nicken bei.
Sie umrundeten die Herde. Die Tiere standen auf der Ebene südliche von Santa Fe. Über den Berggraten im Osten stand die Sonne. Es war noch kühl. Dem Morgendunst nach zu schließen aber würde der Tag wieder heiß werden. Die Geräusche aus der Stadt wehten heran. Santa Fe war wirtschaftlicher Knotenpunkt und Umschlagplatz für Waren und Güter aller Art, Sitz des Gouverneurs und Stelldichein für Abenteurer und Glücksritter jeder Schattierung. Eine Stadt, in der das Leben pulsierte.
Als sie nach ihrem Rundritt wieder am Ausgangspunkt angelangt waren, gab Hunter zu verstehen: „Bleib bei der Herde, Jim. Ich besorge zwei Packpferde und Proviant und noch ein paar Dinge mehr, die wir brauchen auf dem Trail.“
„In Ordnung“, erwiderte Jim. „Wenn du zurückkehrst, brechen wir auf.“
Hunter wusste, wie sehr Jim sich um die Frau sorgte, mit der er seit über acht Jahren zusammenlebte und mit der er eine Tochter hatte. Isabel war Mexikanerin. Die Kleine hieß Juanita. Vor über einem halben Jahr hatten sie sich in der Nähe von Red Hill, einem kleinen Nest mitten in den Bergen weit im Westen New Mexikos, niedergelassen, ein Haus, einige Schuppen und Scheunen und Corrals errichtet, und vor einer Woche waren Hunter und Jim nach Santa Fe geritten, um Rinder zu kaufen.
Nach vielen ruhelosen Jahren des ziellosen Herumziehens hatten sie beschlossen, sesshaft zu werden und eine Ranch zu gründen.
Im Trab näherte Hunter sich der großen Stadt...
Als er über zwei Stunden später zurückkam, führte er zwei hochbeladene Maultiere an der langen Leine. Die Tiere trugen vom Hufnagel bis zum Campzeug alles, was sie auf ihrem Weg nach Südwesten brauchten. Zweihundert Meilen durch unwegsame Wildnis lagen vor ihnen. Zweihundert Meilen voller Strapazen und Gefahren.
Als die Sonne sich dem Zenit näherte, brachten sie die kleine Herde auf den Trail. Staub wolkte dicht, kroch unter die Kleidung der beiden Männer, knirschte zwischen ihren Zähnen und entzündete ihre Augen. Tausend Hufe wühlten den Boden auf, es war ein auf und ab knochiger Rücken. Bald nahm die Herde Marschordnung ein. Das Rumoren, das sie verursachte, schlug auseinander und ließ alle anderen Geräusche versinken. Nach und nach aber mäßigte es sich zu einem monotonen Brodeln, das an fernes Donnergrollen erinnerte.
Hunter führte den Leitbullen an der Longe. Die Herde zog in Keilformation dahin. Jim Otis ritt am Ende und sorgte dafür, dass keine Tiere zurückblieben. Er war dem wogenden Staub vollkommen ausgesetzt und hatte sich das Halstuch über Mund und Nase gezogen. Am nächsten Tag sollte Hunter als Dragrider der Herde folgen.
Das Land war hügelig, felsig, heiß und staubig. Die Herde zog eine deutliche Spur durch das harte, trockene Gras. Hier und dort wucherte auf den Hügelflanken dichtes, undurchdringliches Sumac-Dickicht, hauptsächlich aber bestand die kärgliche Vegetation aus Comas und Mesquitesträuchern.
Als die Sonne unterging und die Abenddämmerung den Tag nach Westen verscheuchte, lagerten sie in einem Talkessel, dessen Grund von einem plätschernden Bach zerschnitten und der ringsum von buckeligen Anhöhen begrenzt wurde. Die Longhorns drängten zum Wasser. Buschige Schwanzenden peitschten über den knochigen Rücken, die Senke war erfüllt vom Stampfen der Hufe, vom Muhen und Brüllen der Tiere.
Am Rand der Senke, etwas abseits von der drängenden und schiebenden Herde, schlugen Hunter und Jim ihr Camp auf.
„Ein guter Tag“, murmelte Jim, es klang mitgenommen und erschöpft, aber es lag auch Zufriedenheit im Tonfall seiner staubheiseren Stimme.
„Yeah“, antwortete Hunter einsilbig und begann, Feuerholz zu sammeln.
*
Es war dunkel. Dennoch war Santa Fe hell. Lichtbahnen fielen aus Fenstern und Türen in die riesige Plaza und lichteten die Nacht. Scharen von vergnügungssüchtigen, grölenden und johlenden Männern bevölkerten Gehsteige und Fahrbahnen. Dann und wann peitschte ein Schuss, den ein übermütiger Bursche in die Luft abfeuerte. Manchmal war es auch ein Schuss, der ein Leben auslöschte. In Santa Fe verging fast kein Tag ohne Schießerei und Blutvergießen. Aus der 'Santa Fe Dancing Hall' drang wilde Tanzmusik, aus den Saloons Geschrei und Gelächter. Die Stadt summte wie ein Bienenkorb. Bösartige Impulse füllten Santa Fe mit Lasterhaftigkeit und Todsünde.
Allan Sheridan, Cole Denton und Wade Morgan beobachteten die Wells & Fargo Bank. Nachdem sie Hunter und Jim die Herde verkauft hatten, beschlossen sie, die große Stadt zu verlassen und für einige Zeit unterzutauchen. Langsam wurde ihnen der Boden heiß unter den Fußsohlen hier in New Mexiko.
Es waren Banditen. Übles Grenzgesindel, das ohne mit der Wimper zu zucken für eine Handvoll Dollar ein Menschenleben auslöschte. Als Hunter und Jim den Kaufvertrag für die Herde unterzeichneten, konnten sie nicht ahnen, dass sie einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatten.
Der Erlös, den sie für die Herde erzielt hatten, reichte den Outlaws nicht, um für längere Zeit ein sorgenfreies Leben in Mexiko führen zu können. Und so hatten sie beschlossen, die Wells & Fargo Bank auszurauben und dann ihre Spur zu verwischen.
Sie observierten die Bank fast den ganzen Nachmittag lang. Auf den yardhohen Vorbau hatte sich einer der Wachmänner einen Stuhl hingestellt. Mit übereinandergeschlagenen Beinen saß er darauf, das Gewehr quer vor der Brust haltend, jeden Kunden scharf taxierend.
Soeben verließ ein dickleibiger Mann die Bank. Er wechselte ein paar Worte mit dem Gunman auf dem Vorbau, tippte an die Krempe seiner Melone und marschierte davon.
„Geh in den Hof, Cole“, murmelte Allan Sheridan zwischen den Zähnen.
Cole Denton setzte sich in Bewegung, schritt ein Stück den Gehsteig entlang, überquerte die Fahrbahn und verschwand auf der anderen Seite in einer Gasse.
Als Cole Denton mit der Dunkelheit verschmolz, war Wade Morgan an der Reihe. Einen Betrunkenen mimend torkelte er über die Plaza. Noch nahm der Wachmann keine Notiz von ihm. Betrunkene gehörten zum Stadtbild. Aufmerksam wurde er erst, als Wade Morgan seinen Fuß auf die Vorbautreppe setzte, sich mühsam auf das Geländer stützte, den linken Fuß nachzog, stolperte und der Länge nach vor ihm auf die Vorbaubohlen krachte.
Allan Sheridan kam über die Straße. Der Gunman von Wells & Fargo hatte nur Augen für den vermeintlich Sturzbetrunkenen. Er verzog angewidert das Gesicht, erhob sich und krümmte etwas seinen Oberkörper, als er grimmig hinausspuckte: „Du kannst wohl nicht mal mehr die Bank von einer Brandybude unterscheiden, Suffkopf. Steh auf und zieh Leine, oder ich trete dir in den Hintern.“
Wade Morgan wälzte sich auf den Rücken, lallte unartikulierte Worte, hickste, und mühte sich ab, auf die Beine zu kommen, fiel aber wieder nach hinten und gab unverständliche Laute von sich, gurgelte und stammelte.
Der Gunman beugte sich hinunter und packte ihn mit der Linken am Hemd.
Allan Sheridan schritt indessen an ihm vorbei in die Bank. Der Wachmann achtete kaum auf ihn. Er versuchte, Wade Morgan zum Rand des Vorbaus zu zerren, um ihn einfach über die Kante auf die Straße zu werfen. Seine Augen weiteten sich, sein Mund klappte auf, und über seine Lippen brach ein versiegender Ton, als er plötzlich einen harten Druck gegen den Leib verspürte, und ehe er seine Bestürzung überwinden konnte, zischte der vermeintlich Betrunkene mit glasklarer Stimme. „Zieh mich hoch, Buddy, und bleib schön vor mir. Was du auf dem Bauch spürst, ist nicht mein Zeigefinger, sondern der Lauf meines Sechsschüssers.“
Allan Sheridan war in der Bank verschwunden. Als die Tür hinter ihm zufiel, zog er völlig überraschend den Colt und schlug ihn auf den zweiten Wachmann an, der sich einen Stuhl neben die Tür gezogen hatte, so dass er den gesamten Schalterraum im Blickfeld hatte. Seine Wirbelsäule versteifte, im nächsten Moment wollte er aufspringen, aber da spannte Allan Sheridan den Hahn.
Die drei Clerks starrten Sheridan an wie eine außerirdische Erscheinung, als konnten sie nicht glauben, was sie sahen.
„Weg mit der Knarre!“, fauchte Sheridan. „Wenn du auch nur die geringste falsche Bewegung machst, puste ich dir das Hirn aus dem Schädel!“
Der Wachmann wusste, dass nur er gemeint sein konnte. Das Gewehr polterte auf den Fußboden. Mit dem zitternden Atemzug des lähmenden Erschreckens, der sich seiner Brust entrang, löste sich einen dumpfer Ton aus dem Mund des Revolvermannes, der ihm zwei Herzschläge lang wie ein dicker Kloß im Hals gesteckt hatte, und langsam - fast zeitlupenhaft langsam hob er die Hände.
In diesem Moment drängte Wade Morgan den anderen Gunman in den Schalterraum. Morgan drückte die Tür mit dem Fuß zu und schlug mit dem Colt den Burschen nieder. Und sofort lief er zur Hintertür, um sie aufzuriegeln. Cole Denton kam mit dem Colt in der Faust herein.
Seit Allan Sheridan die Bank betreten hatte, waren keine zwanzig Sekunden vergangen. Die drei Clerks standen da wie zu Steinsäulen erstarrt, und nur noch in ihren Augen war Leben. Cole Denton stieß brechend hervor: „Überfall! Packt alles Papiergeld ein! Steht nicht rum wie die Ölgötzen, sonst machen wir euch Beine.“
Er und Wade Morgan bedrohten mit ihren Colts die drei Angestellten, während Allan Sheridan den Gunman vor sich her auf die Schalter zutrieb. „Bringt die drei Narren auf Trab, verdammt!“, presste Sheridan hervor.
Cole Denton flankte über den Tresen. Er versetzte einem der entsetzten Clerks einen Stoß. Und jetzt fiel der Bann. Hilfesuchend fixierte der Angestellte den Gunman, aber dem hielt Allan Sheridan die Mündung des Colts unter das Kinn, und er senkte die Lider, um dem Clerk zu bedeuten, dass er tun sollte, was sie von ihm verlangten.
Er begann, alles Geld, das greifbar war, in einen Jutesack mit der Aufschrift 'Wells & Fargo Co.' zu stopfen.
„Ihr auch!“, herrschte Wade Morgan die anderen beiden an, und sie folgten hastig seiner Aufforderung, denn ihnen blieb die Rastlosigkeit, die Nervosität der Banditen nicht verborgen, und sie wollten es nicht herausfordern, dass einer der Kerle die Nerven verlor.
Dann lagen drei prallgefüllte Säcke auf dem Tresen.
„Das ist doch nicht alles!“, knirschte Allan Sheridan. „Im Tresorraum ...“
„Das ist genug!“, kam es kehlig von Cole Denton, dessen Nerven flatterten. Er warf einen der Säcke Wade Morgan zu, die beiden anderen raffte er an sich. „Verduften wir. Jeden Moment kann jemand aufkreuzen.“
„Okay.“ Allan Sheridan schlug zu. Der Gunman sackte mit einem verlöschenden Gurgeln zu Boden. „Geht vor uns her in den Hof“, zischte Allan Sheridan und winkte den Clerks mit dem Colt. „Und bleibt vernünftig. Ihr habt doch sicherlich Familien, die ...“
Einer der Clerks fühlte sich unbeobachtet. Seine Hände stießen unter den Tresen, wo eine Shotgun deponiert war. Aus den Augenwinkeln bemerkte Allan Sheridan diese Bewegung. Wade Morgan und Cole Denton hatten sich schon zur Hintertür gewandt. Mit einem wahren Donnerknall entlud sich Sheridans Colt. In dem Raum hörte es sich an wie ein Kanonenschuss. Die Wucht des Treffers trieb den Clerk zurück, er stürzte rücklings über einen Schreibtisch, sein Oberkörper rollte herum, fiel über die Kante und der Mann schlug haltlos am Boden auf.
„Nichts wie weg!“, peitschte Allan Sheridans heiseres Organ.
Sie hetzten zur Hintertür und drängten hinaus. Das Alarmgeschrei der Clerks folgte ihnen.
Wie von Furien gehetzt rannten sie durch die finstere Gasse stadtauswärts, wo sie ihre Pferde abgestellt hatten. Sie erreichten die Tiere, halfterten die Colts, stopften die Geldsäcke in die Satteltaschen und warfen sich in die Sättel. Die Tiere unter ihnen streckten sich. Und schon nach einigen Schritten fegten sie im stiebenden Galopp über das wellige Terrain der unwirtlichen Hügel- und Felslandschaft entgegen.
Hals über Kopf flohen sie nach Süden.
*
Virgil Hammond, der 42jährige Wells & Fargo-Agent der in Santa Fe niedergelassenen Station, sagte mit stählerner Härte: „Ich werde nicht ruhen, bis ich die drei Schufte geschnappt habe. Ihre Beschreibungen haben wir. Und wir wissen, dass sie in südliche Richtung abgehauen sind. Wahrscheinlich wollen sie nach Mexiko.“
Einer der Umstehenden nickte und murmelte: „Weston ist tot. Die drei Schufte sind reif für den Henker. Wird Wells Fargo eine Belohnung aussetzen?“
„Yeah - fünfhundert Dollar - für jeden“, gab Hammond spontan zu verstehen. „Ich nehme das zunächst auf meine Kappe, denke aber, dass man im Hauptquartier zustimmen wird.“
Hammond und ein weiterer Mann verließen die Bank. Draußen war die Plaza schwarz von Neugierigen. Sie standen Schulter an Schulter. Die Nachricht von dem Überfall war wie ein Lauffeuer durch die Stadt gegangen. Die Beschreibung der Banditen ging von Mund zu Mund.
Virg Hammond ließ seinen Blick über die Ansammlung schweifen und sagte: „Trommle alle verfügbaren Männer zusammen, Yates! Wir bilden ein Aufgebot und nehmen die Verfolgung auf. Lass für mich den Rappen satteln.“
„Wollen Sie es nicht lieber dem Gesetz überlassen, die drei zu jagen und zu stellen, Hammond?“, fragte ein Mann mit dem Sechszack an der Weste.
Hammond winkte ab. „Ihre Kompetenz endet an der Grenze des Santa Fe County, Sheriff. Ich hingegen ...“ Er brach ab, wischte noch einmal wegwerfend mit der Hand durch die Luft, und ging, um sich für den Ritt anzukleiden und zu bewaffnen.
Währenddessen stoben die drei Banditen nach Süden. Die Nacht war licht und klar. Soweit es die Anhöhen und Höhenzüge zuließen, war das Terrain auf eine Viertelmeile zu überblicken. Immer wieder sicherten sie auf ihrer Spur zurück, die sich dunkel, wie ein Strich, im struppigen Gras abzeichnete. Bis der laue Nachtwind ihre Fährte wieder mit dem feinen, puderigen Staub zuwehte, würden sicherlich Stunden vergehen.
Sie durften ihre Pferde nicht völlig verausgaben und ritten langsam. Cole Denton äußerte seine Bedenken: „Unserer Spur kann wahrscheinlich ein Blinder folgen. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir wünschen, dass unseren Gäulen Flügel wachsen. So aber müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen.“
„Wir müssen eben das letzte aus unseren Pferden herausholen“, entgegnete Wade Morgan. „Irgendwo in den Bergen verlieren sie unsere Spur und geben auf. Diese Stadtfräcke haben keine Ausdauer. Sie werfen sehr schnell die Flinte ins Korn.“
Allan Sheridan schwieg. Die deutliche Spur, die sie hinterließen, bereitete ihm Kopfzerbrechen. Morgans Zuversicht konnte er nicht teilen. Wells & Fargo beschäftigte erstklassige Leute. Das wusste er. Diese Burschen waren hart wie Stahl, ausdauernd wie Schweißhunde und zäh wie Sattelleder.
„Wenn sie unsere Fluchtrichtung kennen“, äußerte er schließlich, „begnügen sie sich nicht damit, auf unserer Fährte hinter uns herzureiten. Sie werden versuchen, uns den Weg zu verlegen.“
Sie versanken in trübsinnigen Überlegungen. Drei Stunden später, es war schon nach Mitternacht, erreichten sie einen schmalen, seichten Creek. An Gesteinsbrocken, die das Wasser im Laufe der Jahre frei gespült hatte, stauten sich die Fluten. Es rauschte, spritzte und gischtete.
Sie ließen ihre Pferde trinken, wuschen sich Staub und Schweiß aus den Gesichtern und füllten ihre Wasserflaschen. Als sie wieder auf den Pferden saßen, um ihre Flucht fortzusetzen, stieß Sheridan hervor: „Wir machen einen Umweg, Amigos, und reiten, soweit es möglich ist, im Flussbett nach Westen. So verwischen wir unsere Spur. Und dann trailen wir ins Catron County. Die beiden Narren, denen wir die gestohlene Herde verkauften, erzählten doch, dass sie dort unten, in der Nähe von Red Hill, eine Ranch gegründet haben. Dort verkriechen wir uns eine Zeitlang. Was meint ihr?“
Cole Denton lachte scheppernd. „Yeah“, rief er, „die Idee ist gut. Dort sucht uns keiner. Sollen sie ruhig an der Grenze auf uns warten.“
Also ritten sie im seichten Wasser nach Westen...
Es war ungefähr zwei Stunden nach Mitternacht, als das Aufgebot aus Santa Fe auf einem flachen Hügelrücken anhielt. Die Pferde standen müde und mit hängenden Köpfen.
Vor den Blicken der Reiter lag im vagen Mondlicht der gischtende und schäumende Fluss. Auf der anderen Seite dehnten sich öde Hügel und zerklüftete Felsen. Der Nachtwind hatte an Kraft gewonnen, wirbelte den Staub auf und trieb ihn vor sich her.
Virg Hammond hatte die Hände aufs Sattelhorn gestützt und beugte sich etwas vor. Seine Augen suchten das Land nach Süden hin ab, tasteten zwischen die Hügellücken, schweiften über die Höhenzüge hinweg, die vom Mond- und Sternenlicht versilbert wurden.
Über zwei Dutzend Männer waren mit ihm geritten. Die Hälfte davon arbeitete bei Wells & Fargo. Die andere Hälfte hatte die Aussicht auf die Prämie, die Hammond ausgesetzt hatte, in die Sättel getrieben.
„Die Spur endet am Fluss“, sagte Hammond. Er nagte nachdenklich an seiner Unterlippe.
Es war einige Zeit vergangen, ehe es ihnen gelungen war, die Fährte aufzunehmen. Und diese Verzögerung hatte den drei Banditen einen ziemlichen Vorsprung verschafft. Deutlich hatte die Fährte, nachdem sie sie aufgenommen hatten, im staubgepuderten Gras vor den Verfolgern gelegen. Sie führte schnurgerade nach Süden. Unbeirrt waren sie ihr gefolgt, Stunde um Stunde, Meile um Meile. Aber jetzt endete sie, und es zeigten sich bei den Männern erste Ermüdungserscheinungen und Unlust, aber auch Resignation.
Einer der Reiter drängte sein Pferd nach vorn und hielt neben Hammond. Ohne diesen anzusehen knurrte er mürrisch: „Sie sind im Flussbett geritten, um ihre Fährte auszulöschen. Ich denke, nun ist guter Rat teuer.“
„Wie soll ich das verstehen?“, fragte Hammond, und es klang sehr gereizt.
Der andere hob die Achseln, ließ sie wieder sinken und murmelte: „Die Kerle sind über alle Berge. Bis jetzt war ihre Flucht ziemlich wild und kopflos, und sie hinterließen eine deutliche Fährte. Hier aber haben diese dreckigen Sattelstrolche zu denken begonnen und ihre Spur verwischt. Die drei Schufte erwischen wir nicht mehr.“
„Sie meinen also, wir sollen aufgeben?“, ergrimmte sich Hammond.
„Ja, das ist meine Meinung.“ Der Sprecher nickte wiederholt, um so seine Worte zu unterstreichen. Mit Nachdruck setzte er hinzu: "Weiß der Teufel, in welche Richtung sie dem Fluss gefolgt sind. Wir sind auch gar nicht gerüstet für eine lange Verfolgungsjagd.“
Hammonds Oberkörper beschrieb eine halbe Drehung. Er stemmte seinen rechten Arm auf die Kruppe seines Braunen. Seine Lippen sprangen auseinander: „Wer von euch ist noch der Auffassung, dass wir aufgeben sollten?“
Die Männer starrten ihn an und schwiegen verbissen. Die Kälte der Nacht steckte ihnen in den Gliedern. Dunkle Ringe lagen unter ihren Augen, die Erschöpfung hatte ihre Lider entzündet. Ihr Schweigen brachte alles zum Ausdruck, was sich in ihren Gemütern abspielte. Sie hatten die Nase voll. Die Euphorie, mit der sie in die Sättel gestiegen waren, war erloschen. Sie wollten nicht mehr.
Stirnrunzelnd musterte Hammond das Rudel. Plötzlich stieß er hervor: „All right. Reitet zurück.“ Er wandte sich wieder nach vorn und fügte in Gedanken verächtlich hinzu: 'Hunde, die man auf die Jagd tragen muss, werden niemals gute Jagdhunde sein.'
„Und Sie, Hammond? Wollen Sie etwa nicht aufgeben?“, fragte einer und schniefte.
„Nein, bei Gott - nein!“ Jeder Zug in seinem kantigen Gesicht drückte unumstößliche Entschiedenheit aus, eine Entschlossenheit, die schon an Besessenheit grenzte. „Die drei haben nicht nur die Bank beraubt, sie haben einen Mann ermordet. Sie dürfen nicht ungestraft davonkommen.“
„Heiliger Rauch!“, entfuhr es einem der Männer. „Sie haben sich doch nicht etwa vorgenommen, den Hundesöhnen bis nach Mexiko zu folgen?“ Ein Blick in Hammonds Gesicht ließ ihn die Antwort ahnen. Er griff sich an die Stirn. „Das ist verrückt. Im Süden wimmelt es von Apachen. Auf mexikanischer Seite müssen Sie die Rurales fürchten. Diese Kerle schießen erst und stellen dann die Fragen.“
„Mein Entschluss steht fest“, versetzte Hammond hart, abschließend und mit Endgültigkeit im Tonfall. „Kehrt also um und versucht nicht, mich umzustimmen.“
Seine Stimme duldete keinen Widerspruch mehr. Er verströmte Unnachgiebigkeit. Und dem einen oder anderen von ihnen wurde in dieser Minute erst klar, dass dieser Virgil Hammond härter war als Stahl.
„Also reiten wir!“, schrie einer in das Hufestampfen, Schnauben, Klirren und Säuseln, das der Wind verursachte, hinein.
Sie wendeten die Pferde und ritten in loser Ordnung den Weg zurück, den sie gekommen waren. Hammond schaute ihnen nicht hinterher. Das Hufgetrappel entfernte sich. Hammond ruckte im Sattel. Ohne jede Hast lenkte er sein Pferd hangabwärts. Der Hufschlag der davonziehenden Kavalkade war versickert.
Der Wells Fargo-Mann fand einige Hufspuren im aufgeweichten Untergrund. Ratlosigkeit befiel ihn. Eine innere Stimme riet ihm, nach Westen zu reiten. Er folgte diesem Instinkt.
*
Es war in der Stunde vor Tagesanbruch, als die fünf Reiter die Geräusche der Herde vernahmen und ihren Pferden in die Zügel fielen.
„Wir haben sie!“, presste Jack Flaherty grimmig hervor. „Gnade ihnen Gott.“
Die Männer zogen ihre Gewehre aus den Scabbards und repetierten. Dann ritten sie auf die Lücke zwischen zwei Hügeln zu, aus der das Hörnerklappern und Muhen an ihre Ohren wehte. Im Schlagschatten saßen sie ab und leinten die Pferde an. Mit gedämpfter Stimme gab Jack Flaherty seine Anordnungen. Dann huschten sie auseinander und wurden eins mit der Nacht.
Jim Otis hatte die letzte Wache. Langsam umrundete er auf seinem Pferd die ruhenden Longhorns. Am Himmel begannen die Sterne zu verblassen. Die Dunkelheit im Tal wurde dichter, im Osten aber zeigte sich bereits der erste helle Schein. Jims Kinn war auf die Brust gesunken. Er war ahnungslos. Besonderer Wachsamkeit bedurfte es nicht. Der monotone Ritt um die Herde war einschläfernd. Es gab keinen Hinweis auf die Gefahr, die auf leisen Sohlen in den Talkessel schlich.
Als Jim einen Schemen aus der Dunkelheit kommen sah, als er seine Trägheit abschüttelte und mechanisch nach dem Gewehr im Sattelhalfter griff, war es zu spät. Eine Feuerblume platzte bei dem anderen auseinander, der Schuss sprengte die Atmosphäre in dem Tal, Jim spürte einen heftigen Schlag gegen die Brust und wankte im Sattel. Schlagartig riss sein Denken ab. Den Aufschlag am Boden spürte er schon nicht mehr.
Erschreckt vom Peitschen der Detonation und den rollenden Echos ruckten die Rinder in die Höhe, unruhiges Gewoge ging durch die Herde. Das Tosen, das tausend stampfende Hufe hervorriefen, schwoll an.
Hunter wurde von dem Schuss aus dem Schlaf gerissen. Er war sofort hellwach, schleuderte die Decke von sich, es riss ihn hoch - und eine metallische Stimme sprang ihn an: „Rühr dich nicht, dreckiger Mörder! Und streck die Flossen zum Himmel. Bei der geringsten unbedachten Bewegung pumpen wir dich voll Blei.“
Hunter erstarrte. Er war absolut perplex. Seine Gedanken wirbelten. Langsam, ohne von einem bewussten Willen geleitet zu werden, hob er die Hände in Schulterhöhe. Etwas Hartes drückte sich ihm auf die Wirbelsäule. Und dann trat ein zweiter Mann vor ihn hin. Ehe Hunter sich versah, bekam er einen brutalen Schlag ins Gesicht. Feurige Garben loderten vor seinen Augen in die Höhe, in seinem Kopf schien etwas zu explodieren, Tränen schossen ihm in die Augen, Blut rann von seiner aufgeplatzten Lippe über sein Kinn und zog eine dunkle Spur.
„Ihr gemeinen Mörder!“ Verschwommen, wie aus weiter Ferne, vernahm er die hassgetränkte, leidenschaftliche Stimme des Mannes, der ihn geschlagen hatte. „Du weißt hoffentlich, was dir blüht.“
Die Benommenheit nach dem Schlag wich von Hunter. Ein Ruck durchfuhr ihn, als verkrampfte sich etwas in ihm. Sofort verstärkte sich der Druck in seinem Rücken. „Mister“, ächzte er, und das Sprechen bereitete ihm Mühe, „ich weiß nicht, wovon Sie ...“
Er bekam die Faust des anderen in den Magen und krümmte sich nach vorn. Ein krachender Schwinger gegen das Ohr ließ ihn umkippen. Wieder krochen die Nebel der Benommenheit auf ihn zu, es gelang ihm nicht, seine Betäubung zu überwinden, das dumpfe Dröhnen in seinem Kopf wurde übermächtig. Er rollte auf den Rücken und stöhnte. Ein Gewehrlauf senkte sich auf seine Brust herab.
Jack Flaherty massierte sich die rechte Faust mit der hohlen linken Hand. Die Unruhe bei der Herde flaute ab. Die Nacht spuckte weitere Gestalten aus. Einer führte Jims Pferd. Quer über dem Pferderücken lag Jims schlaffe Gestalt. Der Bursche sagte rauh: „Es gibt niemand hier außer den beiden. Dieser Narr griff nach dem Gewehr und ich musste ihn erschießen.“
„Das bereitet dir doch gewiss keine Gewissenbisse, Willford?“, fragte Flaherty ohne jede Gemütsregung. „Der Strick wäre zwar angemessener gewesen für den Hundesohn, im Endeffekt aber ist es egal, auf welche Weise er in die Hölle geschickt worden ist. Ken, hol unsere Pferde. Stellt den hier auf die Beine.“
Klar und präzise kamen Flahertys Befehle. Harte, schwielige Fäuste packten Hunter, der noch immer nicht so richtig Herr seiner Sinne war, zerrten ihn in die Höhe und drehten ihm die Arme nach hinten. Er wurde gefesselt. Schmerzhaft schnitt die dünne Lederschnur in seine Handgelenke, die Blutzufuhr in seine Finger wurde abgeschnürt.
Jemand legte Holz in die Glut des niedergebrannten Lagerfeuers und blies hinein. Zaghaft leckten kleine Flammen über die zundertrockenen Zweige, dann flackerten sie höher, und schließlich geisterten zuckende Lichtreflexe über die Männer hinweg, die Hunter umstanden.
Hunter konnte wieder klar sehen, und es gelang ihm, einigermaßen Ordnung in seinem Denken zu schaffen. Plötzlich weiteten sich seine Augen, seine Lippen sprangen auseinander, aber der Schock ließ seine Stimmbänder versagen. Er hatte das Pferd am Rand des Lichtscheins wahrgenommen und den leblosen Körper quer über dem Pferderücken identifiziert. Sein Herz übersprang einen Schlag, und war dann nur noch als würgender Kloß in seinem Hals zu spüren. Er musste zweimal ansetzen, dann ächzte er: „Jim! Ihr - habt - ihn - erschossen! Gütiger Gott! Warum?“
„Er wartet sicher an der Höllenpforte auf dich, Mörder!“, stieg es unheilvoll und kalt aus Jack Flaherty Kehle. „Als ihr meine Männer aus dem Hinterhalt abgeknallt und ihnen die Herde geraubt habt - hat es dir da auch die Stimme verschlagen, du Bastard? Du wagst es, Gott anzurufen und fragst, warum wir mit euch Schuften nicht lange fackeln?“
Hunter war wie vor den Kopf gestoßen. Da waren Fassungslosigkeit und Erschütterung, gemischt mit Verständnislosigkeit und Verwirrung, da war aber auch der unbarmherzige Klammergriff der Angst, diese eisige Hand, die sein Herz umkrampfte und es zusammenpresste und die in seinen Eingeweiden wühlte.
„Bei allem, was mir heilig ist“, entrang es sich Hunter, als er die Tragweite dessen, was Flaherty regelrecht hinausgespuckt hatte, begriff. „Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen. Wir haben die Herde gekauft. 2500 Dollar bezahlten wir dafür. Die Männer, von denen wir sie übernahmen, hießen Sheridan, Denton und Morgan. Ich habe die Kaufpapiere in der ...“
Ansatzlos schlug Flaherty zu. Wieder traf er Hunter in den Magen. Hunter wurde die Luft mit seinem unbeherrschten Schrei aus den Lungen gedrückt. Eine Hand fuhr schmerzhaft in seine Haare und richtete ihn wieder auf. Hunters Atem ging japsend, rasselnd und stoßweise.
„Die Papiere, natürlich!“, dröhnte Flahertys unerbittliche Stimme. „Ich gab sie meinem Vormann, Tom Kellock, mit auf den Weg. Jetzt ist Kellock tot. Unbarmherzig niedergeknallt. Auch Sid Hannagan und Fred McMurray sind tot. Joe Sand schaffte es noch bis zur Ranch, im Hof aber fiel er tot vom Pferd. Das Blut meiner Männer ist auf dem Weg nach Santa Fe im Staub versickert. Und ihr Strolche habt es kaltblütig vergossen.“ Flaherty Stimme sank herab zu einem drohenden, fast besessenen Geraune. „Leugnen hilft dir nichts, Bandit, ebenso wenig wie jammern und winseln. Noch ehe die Sonne aufgeht, hängst du.“
Hufepochen wurde laut, dann schälte sich ein Reiter aus der Dunkelheit, der vier Pferde mit sich führte.
„Worauf warten wir, Boss?“, fragte einer.
„Okay. Beenden wir die Sache.“ Im Tonfall des Ranchers lag der unumstößliche Entschluss. „Hängt ihn auf.“
Sie schubsten und stießen Hunter zu einer der uralten, knorrigen Korkeichen, die vereinzelt im Tal wuchsen. Hunter wehrte sich, so gut es seine gefesselten Hände zuließen. Seine Zähne knirschten. Die Todesangst würgte ihn. Es war eine nüchterne, logische Angst, die der härteste und furchtloseste Mann im Angesicht des gewaltsamen Todes empfunden hätte. Der Gedanke, für die Schandtat anderer sterben zu müssen, erzeugte in ihm Schwindelgefühl. Und zur Angst gesellte sich Panik. Schrill setzte sie sich in seinem Verstand durch. Er stemmte sich gegen den derben Druck der Fäuste, die ihn hielten, trat nach einem der Kerle vor sich und fegte ihn von den Beinen. Der Stau, der sich in ihm gebildet hatte, brach sich mit einem wilden Aufschrei Bahn. Der Selbsterhaltungstrieb war stärker als alles andere. Er warf sich gegen den Cowboy zu seiner Linken und rammte ihm die Schulter in den Leib, wirbelte herum, wich einem Hieb mit dem Gewehrlauf aus und ließ das Bein hochschnellen. Der Bursche quittierte den Treffer mit einem gellenden Aufschrei, sein Oberkörper pendelte nach vorn.
Flaherty sprang Hunter an und riss ihn zu Boden. Und dann fielen sie über ihn her wie eine Meute hungriger Wölfe. Sie schlugen und traten auf ihn ein, und schon bald gab Hunter es auf, gegen diesen Irrsinn der brutalen Gewalt anzuschwimmen. Schließlich schwanden ihm die Sinne.
Die Männer von der Hufeisen Ranch traten keuchend zurück. Schweiß rann über ihre Gesichter. Einer nahm die Wasserflasche vom Sattel eines der Pferde, schraubte sie auf und entleerte den Inhalt über Hunters zerschlagenem, blutverschmiertem Gesicht.
Es verging einige Zeit, bis Hunter sich regte. Er stöhnte und gurgelte. Sogleich kam die Erinnerung, und mit ihr das Grauen. Seine Lage war aussichtslos. Flaherty und seine Männer waren fest davon überzeugt, dass er und Jim die Herde gestohlen und vier Cowboys ermordet hatten. Hoffnungslosigkeit befiel ihn. An seinem Körper gab es keine Stelle mehr, die nicht schmerzte. Die Flamme des Widerstandsgeistes war erloschen. Hunter war bereit, sich seinem Schicksal zu ergeben.
Sie zerrten ihn auf die Beine, die ihn kaum noch zu tragen vermochten. Als sie ihn zusammenschlugen, war das ein Ausbruch der niedrigsten Instinkte gewesen. Sie hatten ihrem vernichtenden Hass freien Lauf gelassen. Die Qualen waren fast unerträglich. Dennoch krächzte er unter Aufbietung allen Willens: „Es - es gibt eine Quittung. Sie - sie befindet sich bei den Kaufpapieren. Ehe ihr weitermacht, solltet ihr sie euch ansehen.“
Jemand legte ihm von hinten eine Schlinge um den Hals und zog sie eng. Der rauhe Hanf scheuerte auf Hunters Haut. Das Lassoende flog über den dicken, waagrechten Ast der Korkeiche.
„Bei Gott, ihr hängt einen Unschuldigen!“, keuchte Hunter erstickend. „Die Papiere sind in meinen Satteltaschen. Es ist ein brauner Umschlag.“
„Sieh nach, Warren!“ Flaherty stemmte die Fäuste in die Seiten und fixierte Hunter unter halbgesenkten Lidern hervor.
Warren McLeod brachte den Umschlag. Flaherty riss ihn auf. Seine Kiefer mahlten. Seine Züge muteten wie versteinert an. Und Hunter begriff, dass dieser Mann derart vom Hass besessen war, dass er weder Worten und Argumenten noch irgendwelchen Beweismitteln zugänglich war. Er sah die Papiere kaum an.
„Eine Fälschung“, sagte Flaherty herablassend. „Ihr wolltet ganz besonders clever sein, wie? Aber mich täuscht du nicht, Bandit. Also fahr zur Hölle!“
Flaherty nickte seinen Männern zu. Er kannte keine Gnade, kein Erbarmen - er kannte nur mitleidlose, unerbittliche Rache für den Tod einer Männer. Das machte ihn zu einer den niedrigsten Trieben gehorchenden Bestie.
Gerade, als sie Hunter auf eines Pferde hoben, das herangeführt worden war, peitschte ein Schuss. Die Kugel fuhr in den Stamm der Eiche und zerfetzte die Rinde. Die Hände, die Hunter hielten, ließen ihn los, er krachte schwer auf die harte Erde. Die Männer von der Hufeisen Ranch griffen nach den Colts, aber da dröhnte ein zweiter Schuss, und dieses Geschoss pflügte vor Jack Flahertys Stiefelspitzen in den Boden und schleuderte Erdreich gegen seine Schienbeine.
Die Hufeisen-Männer versteiften.
Details
- Seiten
- Erscheinungsjahr
- 2020
- ISBN (eBook)
- 9783738941036
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2020 (Juni)
- Schlagworte
- unerbittliche