Zusammenfassung
von Stefan Hensch
Der Umfang dieses Buchs entspricht 78 Taschenbuchseiten.
Zehntausend Jahre sind seit den ersten Schritten der Menschheit ins All vergangen. In vielen aufeinanderfolgenden Expansionswellen haben die Menschen den Kosmos besiedelt. Die Erde ist inzwischen nichts weiter als eine Legende. Die neue Hauptwelt der Menschheit ist Axarabor, das Zentrum eines ausgedehnten Sternenreichs und Sitz der Regierung des Gewählten Hochadmirals. Aber von vielen Siedlern und Raumfahrern vergangener Expansionswellen hat man nie wieder etwas gehört. Sie sind in der Unendlichkeit der Raumzeit verschollen. Manche errichteten eigene Zivilisationen, andere gerieten unter die Herrschaft von Aliens oder strandeten im Nichts. Die Raumflotte von Axarabor hat die Aufgabe, diese versprengten Zweige der menschlichen Zivilisation zu finden - und die Menschheit vor den tödlichen Bedrohungen zu schützen, auf die die Verschollenen gestoßen sind.
Die Kolonie des Sternenreichs auf Crest ist menschenleer, während die Infrastruktur von zahlreichen Androiden auf scheinbar besonders effektive Art und Weise aufrecht erhalten wird. Außerdem gibt es ein Funkfeuer, das die Besatzung der ICARUS auf das Haus des Physikers Stanley Carruthers aufmerksam macht. Was hat es damit auf sich und wohin sind die Kolonisten verschwunden?
Leseprobe
Fehler im System
Die Raumflotte von Axarabor - Band 55
von Stefan Hensch
Der Umfang dieses Buchs entspricht 78 Taschenbuchseiten.
Zehntausend Jahre sind seit den ersten Schritten der Menschheit ins All vergangen. In vielen aufeinanderfolgenden Expansionswellen haben die Menschen den Kosmos besiedelt. Die Erde ist inzwischen nichts weiter als eine Legende. Die neue Hauptwelt der Menschheit ist Axarabor, das Zentrum eines ausgedehnten Sternenreichs und Sitz der Regierung des Gewählten Hochadmirals. Aber von vielen Siedlern und Raumfahrern vergangener Expansionswellen hat man nie wieder etwas gehört. Sie sind in der Unendlichkeit der Raumzeit verschollen. Manche errichteten eigene Zivilisationen, andere gerieten unter die Herrschaft von Aliens oder strandeten im Nichts. Die Raumflotte von Axarabor hat die Aufgabe, diese versprengten Zweige der menschlichen Zivilisation zu finden - und die Menschheit vor den tödlichen Bedrohungen zu schützen, auf die die Verschollenen gestoßen sind.
Die Kolonie des Sternenreichs auf Crest ist menschenleer, während die Infrastruktur von zahlreichen Androiden auf scheinbar besonders effektive Art und Weise aufrecht erhalten wird. Außerdem gibt es ein Funkfeuer, das die Besatzung der ICARUS auf das Haus des Physikers Stanley Carruthers aufmerksam macht. Was hat es damit auf sich und wohin sind die Kolonisten verschwunden?
Copyright
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author / COVER AD3000 123rf Steve Mayer
© Serienidee Alfred Bekker und Marten Munsonius
© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
postmaster@alfredbekker.de
1
Taurus-System, Planet Crest, vor 320 Jahren
Stanley Caruthers sah auf das Buch vor sich. Der schwarze Ledereinband enthielt nun alle Gedanken, die die Nachwelt erfahren sollte. Mehr hatte er nicht mehr zu schreiben, deshalb klappte er das Buch zu.
Er stand auf und ging zu dem Sideboard, auf dem sich ein buntes Sammelsurium besonders erlesener und geistreicher Tropfen befand. Dann entschied sich der Professor für einen Glas und goss sich etwas vollsynthetischen Scotch ein. Die Infrastruktur auf Crest war noch nicht so weit gewesen, als das sie eine Destillerie hervorgebracht hätte und so wie die Dinge standen, würde sie das wohl auch niemals mehr. Ihm war es gleich, denn er selbst schätzte die synthetische Variante des Getränks fast mehr, als eine ursprüngliche Form.
Draußen hörte Caruthers das übliche Gejohle und die laute Musik und trat ans Fenster. Es waren so unglaublich viele dieser Irren da draußen, aber gottseidank waren sie niemals in irgendeiner Form aggressiv geworden, wenn man von dem Vorfall kurz vor Weihnachten absah. Und dieser Vorfall war wohl der Anfang vom Ende der noch jungen Kolonie auf dem Planeten gewesen.
Caruthers nahm einen großen Schluck des Drinks in seiner Hand. Auch damals waren die Verrückten nicht aggressiv gewesen, sondern hatten im besten Wissen und Gewissen gehandelt. Davon war zumindest Caruthers überzeugt, auch wenn es andere Stimmen dazu gab.
Eine schnelle Bewegung erregte das Interesse des Professors. Mit gerunzelter Stirn verfolgte er, wie ein Gleiter mit hoher Geschwindigkeit in den Park neben seinem Haus raste. Auf der Ladefläche drängelten sich zahlreiche Nackte und kreischten vor Vergnügen.
Der Fahrer beschleunigte den Gleiter und raste direkt auf eine Gruppe von Tannen zu. Sekunden vergingen, dann krachte das schwere Fahrzeug ungebremst gegen die Bäume und kam mit einem langanhaltenden Hupen zum Stehen. Anscheinend lag der Fahrer auf der Steuerkonsole, denn das Hupen riss nicht ab. Gleichzeitig wurden die Personen auf der Ladefläche wie Spielzeugfiguren herunter katapultiert und flogen durch die Luft, um dann irgendwo brutal auf dem Boden aufzuschlagen.
Caruthers beobachtete, wie sich einige von ihnen mit schmerzverzerrten Gesichtern und ungesund verdrehten Gliedmaßen wieder erhoben und sofort wieder gute Laune hatten. Andere blieben reglos auf dem Boden liegen, anderen krochen herum.
Ihr müsst doch wahnsinnige Schmerzen haben, dachte er. Ruhig blieb Caruthers hinter seinem Fenster stehen. Noch vor wenigen Monaten wäre er sofort aus dem Haus gestürzt, um den Verletzten zu helfen. Seitdem hatte der Akademiker aber einfach zu viel an Unsinn und Absurdität gesehen, als das er noch glauben würde, den Verletzten in irgendeiner Form helfen zu können.
Da sauste ein weiteres Fahrzeug heran. Es war eine blaue Limousine, in der viel zu viele Menschen saßen. Aus dem hinteren Fenster auf der rechten Seite hatte sich ein Passagier nach draußen gebeugte und hämmerte auf dem Dach des Wagens herum. Mit schreckgeweiteten Augen registrierte der Professor, dass der Gleiter mit voller Geschwindigkeit den gleichen Kurs fuhr, wie vorher der Andere.
Dann geschah es. Der Gleiter rollte rumpelnd über zwei auf dem Boden liegende Nackte, die es nicht mehr auf die Beine geschafft hatten, dann knallte die Limousine auf das Heck des ersten Fahrzeugs. Flammen zischten, dann verwandelten sich die beiden Gefährte in einen einzigen Feuerball, der die Überlebenden des ersten Unfalls zur Seite schleuderte. Gleichzeitig leckten aber auch die Flammen nach den nackten Menschen und setzte sie in Brand.
Caruthers wollte sich abwenden, schaffte es aber einfach nicht. Es war, als würde den Professor eine unsichtbare und höhere Kraft zum Zusehen verdammen.
Dann hörte er etwas. Es war ganz unzweifelhaft ein Gesang. Fragend blickte er die Szenerie ab, denn er konnte sich nicht erklären, woher der Singsang kam. Sein Verstand sträubte sich gegen das Offensichtliche, doch dann registrierte er es ganz unbestreitbar. Die Brennenden sangen, während die Flammen sich buchstäblich in ihre Körper hinein- und diese sogar aufzufressen begannen!
Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Er setzte das Glas an seine Lippen und leerte es in einem Zug. Wärme breitete sich ausgehend vom Magen in seinem ganzen Körper aus. Dann nickte er, doch diese Geste war nur für ihn selbst bestimmt.
Stanley Caruthers hatte genug gesehen und miterlebt. Langsam wandte sich der Professor vom Fenster ab und ging zu seinem Funkgerät, dass er vor einigen Tagen modifiziert hatte. Das Gerät würde nun seinen Dienst tun und das sehr lange, dafür sorgten die Solarzellen auf dem Dach und der Reaktor im Keller.
Caruthers schaltete das Gerät ein und augenblicklich erwachte auch ein Kleinstcomputer zum Leben und nahm seine Arbeit auf, sendete alle zehn Sekunden auf den wichtigsten Frequenzen die gleiche Botschaft. Damit war Caruthers zufrieden, die Nachwelt würde von dem erfahren, was auf diesem Planeten passiert war. Mehr gab es nicht mehr für ihn zu tun.
Der Professor setzte sich wieder an seinen Schreibtisch und zog die oberste Schublade auf, förderte einen großkalibrigen Pistole zutage und legte ihn vor sich auf die Tischplatte. Die Pistole bestand aus einem witterungsbeständigen Kunststoff und es handelte sich um keine Energiewaffe, sondern um eine Waffe, die Projektile aus einem Magazin in ihrem Kolben verschoss. Energiewaffen waren störungsanfälliger, deshalb waren die Teilnehmer der Crest-Mission allesamt mit diesen Waffen ausgestattet worden. Viele der Waffen waren, wie auch die von Caruthers, auch heute noch im Umlauf.
Der Professor spielte nochmals alle Optionen durch, kam aber zum gleichen Schluss, wie schon unzählige Male zuvor. Er würde sterben, da konnte es gar keinen Zweifel geben. Er hatte lediglich die Wahl zu entscheiden, wie er sterben wollte. Theoretisch würde er vielleicht noch einige Jahre leben können, denn seine biologische Uhr war noch nicht abgelaufen. Caruthers wollte einfach nicht als einer der wenigen Normalen nicht unter einem Volk aus völlig durchgedrehten leben. Aber auch diese Entscheidung hatte der Professor bereits hundertfach durchdacht. Jetzt ging es nur noch ausschließlich darum, ob er auch den nötigen Mut dazu besaß, seinen Entschluss umzusetzen.
Der Wissenschaftler legte seine Hand auf die Waffe vor sich. Er konnte niemanden um Hilfe bitten, denn wenn sein Funkspruch in Axarabor ankam, wäre er selbst bereits tot – also lange bevor auch nur ein einziges Raumschiff Kurs auf Crest setzte. Die Situation blieb gleich, egal wie er sie auch drehte und wendete.
Mit aller gebotenen Ruhe nahm Stanley Caruthers die Waffe vom Tisch und setzte sich die großkalibrige Pistole an seine rechte Schläfe. Caruthers schloss die Augen und drückte ab. Das Projektil durchdrang seinen Schädel, zerstörte das Gehirn des Wissenschaftlers irreparabel und trat mit einer großen Austrittswunde auf der linken Schädelseite wieder aus, um in ein Buch im Schrank neben Caruthers einzuschlagen. Der Oberkörper des Mannes schlug auf die Arbeitsplatte des Schreibtischs, während sein rechter Arm herunterrutschte und die große Pistole polternd auf die Erde fiel. Große Mengen von Blut sammelten sich auf dem Schreibtisch zu einer Lache, von der unaufhörlich einzelne Tropfen auf den Fußboden fielen.
2
Taurus-System, An Bord der ICARUS
Die ICARUS hatte soeben den Hyperraum verlassen und war im Taurus-System materialisiert. Wie immer war von der Abkürzung durch den Subraum nichts zu spüren gewesen. Doch seit der Erfahrung mit der gefährlichen Spezies der Rexiden hatte Commander J.T. Rollins deutlich mehr Respekt vor diesem Transportvorgang. Immer wieder hatte er sich gefragt, was wohl mit seinem ehemaligen ersten Offizier passiert war. Lieutenant Commander Jason Mind war nach dem Einsatz ebenso verschwunden, wie auch die Besatzung des Fernaufklärers LIND. Wobei der Begriff verschwunden, zumindest im Fall von Mind, etwas unspezifisch war. Der ehemalige Erste Offizier war spontan zur sagenumwobenen Sektion 4 versetzt worden, die innerhalb des Nachrichtendienstes der Raumflotte seit jeher Spezialaufgaben übernahm. Kurz zuvor hatte Commander J.T. Rollins das fragliche Vergnügen einer Begegnung mit dem Leiter der Sektion 4 gehabt. Admiral Andrew Van Doren hatte die ICARUS und ihre Besatzungsmitglieder unter Quarantäne gestellt.
Doch das war nun
schon Monate her und wahrscheinlich würde Rollins nie wieder in
Kontakt mit der Sektion 4 kommen.
Dafür beschäftigten den
Kommandanten der Fregatte ICARUS nun andere Fragen. Aus dem
Stellvertreterkrieg zwischen dem Sternenreich von Axarabor und den
Neranern im Vegas-System war nun ein offizieller Krieg in diesem
Quadranten des Reiches geworden. Zahlreiche Schiffe der Raumflotte
von Axarabor operierten bereits dort oder wurden auf einen Einsatz
vorbereitet. Deshalb hatte Rollins auch fest damit gerechnet, dass
die ICARUS ebenfalls gegen die Neraner in den Kampf geschickt
werden
würde. Doch erneut hatte das Oberkommando der Raumflotte sie mit
einer Erkundungsmission beauftragt.
„Mr. Zarkov, was sagen unsere Instrumente?“
„Keine interstellaren Flüge, keine interstellare Kommunikation. Lediglich auf dem Planeten Crest gibt es deutliche Anzeichen einer relativ intakten Infrastruktur und von Energiesignaturen!“
Rollins nickte. „Dann bringen sie uns mal ins Orbit des Planeten Crest, Mr. Lynch“.
„Die Kolonisation zum Planeten Crest war laut der Datenbank der Raumflotte eine relativ kleine Mission.“
J.T. sah seinen
neuen Ersten Offizier Jesper Decker an und nickte. „Sie wurde sogar
zu großen Teilen von einem Mäzen finanziert. Der Geldgeber erhoffte
sich mit der Finanzierung der Mission seinen Einfluss im
Sternenreich
zu erhöhen und große Gewinne.“
„Ist es ihm denn gelungen,
Sir?“
Commander Rollins
zuckte mit den Schultern. „Wie man es nimmt, er wurde dann
irgendwann in den Rat des Hochadmiral gewählt.“
„Schon
interessant, auf der einen Seite die große politische Karriere,
während der Kontakt zur finanzierten Kolonie dann irgendwann
abgerissen ist.“
„Sie wissen doch, wie das ist. Das Sternenreich ist größer als jedes einzelne seiner Mitglieder. Das gilt leider auch für eine ganze Kolonie, zumal wenn sie auch so bescheidene Umfänge wie die auf Crest hat!“
„Sir, wir empfangen eine Art Funkfeuer von der Planetenoberfläche!“
J.T. Rollins sah Zarkov, den Sensoroffizier, verwundert an. „Was verstehen Sie unter einer Art Funkfeuer?“
„Es ist eine sich
ständig wiederholende Nachricht. Meinen Informationen nach handelt
es sich um eine Sprachnachricht!“
Rollins zuckte mit den
Schultern. „Dann lassen Sie uns das doch mal hören, Mr.
Zarkov!“
„An den, der diese Nachricht empfängt. Peilen Sie den Standort dieses Signals an, dann erfahren Sie auch, was auf diesem Planeten geschehen ist!“, drang eine sonore Stimme aus den Lautsprechern der Brücke und wiederholte sich in einer Endlosschleife.
Rollins tauschte einen verwirrten Blick mit Decker aus. Sollte es ihnen in dieser Mission also wirklich so einfach gemacht werden? Rollins konnte es kaum glauben, denn wenn ihm seine Erfahrung eines gelehrt hatte, dann war es eine gesunde Skepsis. Oftmals versteckte sich nämlich auf dem Silbertablett nichts anderes, als eine hinterhältige Falle.
„Dann orten Sie mal den Ursprung des Signals!“
Wenige Sekunden später erschien auf dem großen Videoschirm der Brücke eine Karte von Crest, auf der die Quelle des Signals markiert war.
„Ich will keine Überraschungen erleben, Mr. Zarkov. Befindet sich irgendjemand oder irgendetwas in der mittelbaren Nähe des Zielgebietes?“
Zarkov bearbeitete fleißig die Konsole vor sich. „Wir registrieren lediglich einige Androiden in der Nähe. Ansonsten befindet sich dort nichts.“
Androiden, dachte Rollins. Möglicherweise lag dort der Hase im Pfeffer. „Was sind das für Androiden?“
Wieder bearbeitete Zarkov seine Konsole, dann erschienen die Typbeschreibungen auf dem Videoschirm der ICARUS. „Allesamt auf den ersten Blick alles harmlose Hilfsroboter“, kommentierte der Erste Offizier neben Rollins.
Der Kommandant nickte. Aber ob das bei näherer Betrachtung so bleiben würde? „Schauen Sie sich das mal genauer an, Jesper. Nehmen Sie vorsichtshalber ein paar Jungs von unserer Raumlandeinfanterie mit. Mir steht nicht der Sinn nach Überraschungen!“
3
Taurus-System, Planet Crest
Decker hatte sich für seine bewährte Körperpanzerung entschieden, die ihm sowohl ein normales Bewegungsausmaß, als auch einen gewissen Schutz bot. Im krassen Gegensatz dazu trugen die Männer der Raumlandeinfanterie ihre schweren Kampfanzüge, in denen sie sich nur dank der Servomotoren ihrer Exoskelette bewegen konnten. Sich irgendwie in diesen Anzügen zu bewegen, war die eine Sache. In einem solchen Ding zu kämpfen, war aber eine ganz andere Herausforderung. Nicht umsonst gehörte zur Ausbildung bei der Raumlandeinfanterie auch ein mehrwöchiger Basiskurs, um sicher und präzise mit den Exoskeletten umzugehen. Decker hatte sich aber bereits für ein solches Training beim Captain der Infanterie angemeldet, denn in Zukunft gehörten Außeneinsatze zu seinem täglich Brot als neuer Erster Offizier der ICARUS.
Das Shuttle wurde vom Piloten relativ ruhig zur Planetenoberfläche gesteuert, denn die Sensoren am Rumpf der Maschine sammelten fortlaufend Daten und der Bordcomputer wertete sie aus. Auf diese Weise erhielt das Außenteam bereits wertvolle Informationen, bevor es auch nur einen Fuß auf den Boden von Crest gesetzt hatte.
Was Decker durch die Fenster des Shuttles sah, gefiel ihm durchaus. Sanfte Hügelketten, grüne Wiesen, Flüsse, Nadelwälder und … Straßen.
Neugierig beugte sich der Lieutenant Commander im Sitz nach vorne, um besser sehen zu können. Er hatte erwartet, dass die Straßen längst von der Natur zurückerobert worden wären. Doch diese Straßen sahen aus, als wären sie kaum zwei Jahre alt.
„Bewundernswert, was Androiden über einen so langen Zeitraum vollkommen autark leisten können!“, kommentierte der Kommandant der Raumlandeinfanterie mit elektronisch verstärkter Stimme.
„Definitiv. Crest wirkt wie ein Ort, an dem man gerne seinen Jahresurlaub verbringen würde!“
Der Pilot
verringerte spürbar die Flughöhe. „Wir überfliegen das
Zielgebiet in wenigen Sekunden.“
Decker sah aus dem Fenster
links von ihm und auf dem Glas des Fensters sah er noch ganz kurz
die
Zielmarkierung davonhuschen, dann war das Shuttle auch schon
darüber.
„Es sieht alles ruhig aus, auch der Bordcomputer hat keine
Gefahrensituation erkennen können. Ich fliege noch einen Bogen,
dann
lande ich in unmittelbarer Nähe des Zielgebietes.“
Soweit verlief bisher alles ganz wie am Schnürchen. Decker hoffte jedoch, dass dies noch etwas so blieb. Wie alle anderen Besatzungsmitglieder der ICARUS schwirrten ihm noch die Eindrücke der letzten Missionen im Kopf herum.
Der Pilot flog den angekündigten Bogen und Decker atmete tief durch. Dann begann das Shuttle zu pulsieren und verharrte kurz in der Luft, bevor es sich langsam Richtung Erde abzusenken begann. Der Antigravitationsantrieb war vom Piloten eingeschaltet worden. Decker nickte dem Kommandanten der Raumlandeinfanterie zu. „Showtime!“
Die Infanteristen stürmten aus dem Shuttle und fächerten dann in zwei Gruppen auseinander. Decker ließ die Soldaten ihre Arbeit tun und folgte ihnen in etwas Abstand.
Auch das Zielgebiet war durchaus idyllisch zu nennen. Es handelte sich um einen der typischen kleine Siedlung, wie es sie auf den axaraborianischen Kolonien wahrscheinlich zu hunderttausenden Gab. Diese Art zu leben polarisierte die Menschen. Während die eine Gruppe das urbanere Umfeld einer Megacity bevorzugte, gab es ebenso viele Menschen, die ein Umfeld aus einzeln stehenden Häusern mit gepflegten Gärten vorzogen.
Er lief die Rampe des Shuttles hinunter und sah einige gepflegte Einfamilienhäuser, die an einen Park grenzten. Alles wirkte so, als wäre es noch bis gestern bewohnt gewesen. Aber die Bewohner waren vermutlich seit mehreren hundert Jahren verschwunden. Gerade als Decker darüber nachdachte, hörte er ein leises Motorgeräusch und drehte den Kopf in die betreffende Richtung.
Eine autonome Kehrmaschine mit orangefarbenem Signallicht reinigte die Straße und näherte sich langsam. Die Kolonisten waren zwar zahlenmäßig kein großer Verband gewesen, aber um das auszugleichen, hatte die Flotte ein relativ großes Kontingent Androiden in die Container des Hibernationsschiffs gepackt. Diese Blechkästen hatten also die ganze Zeit die Kolonie und sich selbst instandgehalten, das war wirklich absolut beeindruckend.
Doch in diesem Moment fuhr die Kehrmaschine eine seltsame Kurve, als wolle sie etwas auf der Straße ausweichen.
„Wir sind in Position, Lieutenant Commander!“, hörte Decker die Stimme des Lieutenants der Raumlandeinfanterie.
„Einen kurzen Moment noch!“
Decker rannte zu der Stelle, an der die Kehrmaschine eben noch gewesen und das seltsame Ausweichmanöver gefahren war. Als er die Stelle erreicht hatte, schluckte er.
Auf dem Asphalt lag ein menschliches Skelett. Das Gerippe lag auf dem Bauch und die Witterung hatte nur noch Fetzen von Kleidung übriggelassen. Decker wusste nicht, ob es sich dabei um eine Frau, oder einen Mann handelte. Es war nur klar, dass das Skelett schon lange dort lag. Die autonome Kehrmaschine hatte ausreichenden Abstand zu dem Leichnam gehalten. Dies entsprach auch der Programmierung ziviler Androiden, die nicht nur lebende Menschen um keinen Preis verletzten durften. Auch ethische Belange waren in den Quellcode der Androiden eingeflossen. Deshalb hatten die Androiden auch den Leichnam nicht angerührt. Decker zog seinen kleinen Handcomputer heraus und fotografierte das Skelett aus unterschiedlichen Perspektiven. Dann rannte er schnell zu dem umstellten Haus.
Als Decker den Einsatzbefehl gab, drangen die Raumlandeinfanteristen zeitgleich von hinten und vorne in das letzte Haus der Straße ein. Dabei war Effizienz das oberste Gebot. Die Vordertür fiel einem Hieb mit einer Energieklinge zum Opfer, während die Hintertür einfach mit einer gepanzerten Faust und der Kraft eines Exoskeletts in Splitter geschlagen wurde.
Dann waren die Infanteristen im Haus und durchsuchten es.
„Das Haus ist sauber, Lieutenant Commander. Keine Fallen, keine Gegner. Dafür sollten sie sich unbedingt das Wohnzimmer ansehen!“
Decker folgte der Schneise der Vernichtung und stand kaum zwanzig Sekunden später im Wohnzimmer des Einfamilienhauses. Über einem Schreibtisch war ein Leichnam zusammengesackt. Anders als vorhin auf der Straße fehlten hier die Witterungseinflüsse, deshalb war der Anzug des Mannes recht gut erhalten. Dies konnte man jedoch von der Leiche selbst nicht sagen, hier wie dort hatte der Zahn der Zeit und zahlreiche Insekten das Fleisch einfach so verschwinden lassen. Zurückgeblieben war lediglich ein verwestes Gerippe in einem dunklen Anzug. Auf dem Tisch und darunter hatten sich dunkle Flecken ausgebreitet, die aber längst eingetrocknet waren. Das Blut stammte vermutlich aus einer massiven Schussverletzung an der rechten Schläfe des Mannes, die er sich selbst mit einer Pistole zugefügt hatte, die nun unter dem Schreibtisch lag. Der Rest seines Kopfes lag am Boden, weil ihn die Muskelstränge nicht mehr hielten. Das alles war nun vor weit mehr als hundert Jahren passiert und hatte eigentlich keine Relevanz mehr für das Jetzt, aber dennoch hatte Decker einen Kloß im Hals. Dann dachte er wieder an das Funkfeuer, dass sie überhaupt erst in dieses Haus geführt hatte.
Der Blick des Ersten Offiziers fiel zur Schrankwand des Wohnzimmers, indem die Beleuchtung einer fast schon antiquierten Kommunikationsanlage stumm vor sich hin flackerte. Die Kommunikationseinrichtung tat immer noch ihren Dienst. Weiß Gott, wo die ihre Energie herbekommt, dachte Decker.
Der Tote hatte sie in sein Haus bestellt. Aber warum und wer war er überhaupt? Was hatte er ihnen zu sagen?
Details
- Seiten
- Jahr
- 2018
- ISBN (ePUB)
- 9783738925364
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2018 (Dezember)
- Schlagworte
- raumflotte axarabor fehler system