Lade Inhalt...

Raumschiff Rubikon 14 Der Gott der Nargen

©2018 240 Seiten

Zusammenfassung

Am Morgen einer neuen Zeit.

Der Krieg zwischen den organischen und anorganischen raumfahrenden Völkern konnte im letzten Moment abgewendet werden. Die Menschen jedoch sind nach wie vor fremdbestimmt und als die Erinjij gefürchtet, die sich in ihren Expansionsbestrebungen von nichts und niemandem aufhalten lassen.

Abseits aller schwelenden Konflikte kommt es im Zentrum der Milchstraße zu einer von niemand vorhergesehenen, folgenschweren Begegnung.

Eine unbekannte Macht hat sich dort etabliert. Schnell zeichnet sich ab, dass es sich um keinen "normalen" Gegner handelt. Die Bedrohung richtet sich nicht nur gegen die heimatliche Galaxie, sondern könnte das Ende allen Lebens bedeuten.

Die Geschichte des Kosmos, so scheint es, muss neu geschrieben werden …

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Raumschiff Rubikon 14 Der Gott der Nargen

Lars Urban

Am Morgen einer neuen Zeit.

Der Krieg zwischen den organischen und anorganischen raumfahrenden Völkern konnte im letzten Moment abgewendet werden. Die Menschen jedoch sind nach wie vor fremdbestimmt und als die Erinjij gefürchtet, die sich in ihren Expansionsbestrebungen von nichts und niemandem aufhalten lassen.

Abseits aller schwelenden Konflikte kommt es im Zentrum der Milchstraße zu einer von niemand vorhergesehenen, folgenschweren Begegnung.

Eine unbekannte Macht hat sich dort etabliert. Schnell zeichnet sich ab, dass es sich um keinen "normalen" Gegner handelt. Die Bedrohung richtet sich nicht nur gegen die heimatliche Galaxie, sondern könnte das Ende allen Lebens bedeuten.


Die Geschichte des Kosmos, so scheint es, muss neu geschrieben werden …



Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfredbooks und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© Cover: Nach Motiven von Pixabay, Adelind, Steve Mayer

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de



Prolog


Allein.

Vollkommene Isolation.

Ich spüre, dass die Verbindung zum großen Ganzen nicht mehr hergestellt werden kann. Etwas Gewaltiges ist geschehen. Etwas, das sich nicht nur auf mich oder den Planeten unter mir auswirkt. Ich kann mir das Phänomen nicht erklären, aber ich weiß, dass es bis weit über dieses Sonnensystem hinaus reicht. Mindestens bis zu meinem Heimatplaneten. Oder dorthin, wo er sich einst befunden hat.

Eine Welt ist verschwunden. Ausgelöscht mitsamt ihren Bewohnern. Und nur, weil ich mit anderen Aufgaben beschäftigt war, blieb mir erspart, dieses Schicksal mit dem Rest meines Volkes zu teilen. Ich konnte die Erschütterung spüren, die seine Vernichtung in mir freisetzte. Seitdem herrscht Schweigen. Ein Schweigen, so trostlos wie der Leerraum zwischen den Galaxien.

Emotionen sind meiner Art fremd. Gefühle – wie einige organische Lebensformen das nennen – sind nichts weiter als nutzloser Ballast, der die Entwicklung des Kollektivs behindert. Die Befindlichkeit eines Einzelnen ist unwichtig, wenn es darum geht, die Ziele der Gemeinschaft zu erreichen.

Doch was ist, wenn diese Gemeinschaft nicht mehr existiert? Wenn aus einem Einzelnen Teilstück plötzlich das verbliebene Ganze geworden ist? Gelten die ehemaligen Regeln und Ziele dann noch immer – selbst wenn sie mit einem Mal sinnlos geworden sind? Bin ich nicht mehr als ein überflüssiges Partikel, dessen einzige Pflicht es nur noch ist, das Schicksal meines Volkes zu vollenden und ihm in den Tod zu folgen? Ins Nichts ...

Bis zur nächsten Sonne ist es nicht weit. Es wäre ein Leichtes, Kurs darauf zu nehmen, mich in ihr glühendes Zentrum zu stürzen und in der Hitze der Kernfusion zu vergehen.

Aber wäre das nicht ein erbärmliches Ende für den letzten Vertreter eines Volkes? Ich weiß nicht genau, was mit den anderen geschehen ist, aber in einem bin ich mir sicher: Sie haben ihre Welt nicht kampflos aufgegeben. Zweifellos wehrten sie sich mit aller Kraft gegen die Ereignisse, deren letzte Konsequenz in der totalen Vernichtung meiner Art bestand. Mein Volk wurde im Kampf ausgelöscht – nicht durch feigen Suizid. Wie käme ich also dazu, eine solche Möglichkeit für mich selbst auch nur in Erwägung zu ziehen? Nein, ich muss meine Existenz als Aufgabe ansehen, das Vermächtnis meines – einst so mächtigen – Volkes fortzuführen.

Das große Ganze ist zerstört – also bleibt mir keine andere Wahl, als nach sonstigen Möglichkeiten für einen Neubeginn Ausschau zu halten. Die Zerstörung einer Welt trägt immer auch die Chance für den Aufbau einer neuen in sich. Weshalb also nicht gleich damit beginnen? Vielleicht sollte ich es als ein Zeichen betrachten, dass ich genau hier der Katastrophe entkommen bin. Als einen Fingerzeig, dass ich den Platz für einen Neuanfang bereits gefunden habe.

Die Eiswüste unter mir scheint nur darauf zu warten, dass jemand sie aus ihrem Kälteschlaf erweckt und neu formt. Auch ihre Bewohner – ein geradezu erbärmlicher kleiner Haufen Organischer – verhalten sich, als hätte der Permafrost sie mit einem lähmenden Panzer überzogen. Höchste Zeit, dass sich ihren jemand annimmt. Also werde ich mit ihnen in Kontakt treten.

Aber ich werde ihnen nicht als Gleicher unter Gleichen – oder gar als Bittsteller – begegnen. Denn trotz meiner Situation steht meine Macht der der Geflügelten gegenüber, wie ein Berg einem einzelnen Sandkorn. Bevor ich mich ihnen zu erkennen gebe, werde ich ihnen eine beeindruckende Demonstration meiner Stärke geben. Das Schauspiel, das sie schon bald zu sehen bekommen, wird noch über Generationen hinweg berichtet werden. Ich werde sie zum Handeln zwingen und ihnen keine andere Wahl lassen, als sich mit mir zu verbünden. Dann werden sie mich schon bald als das erkennen, was mein Volk schon seit langer Zeit für sie gewesen ist: die Herren, deren Führung sie sich anvertrauen sollen. Als letzter meiner Art werde ich auf ihren Planeten hinabfahren.

Mein Kommen wird in die Annalen des Planeten eingehen als die Ankunft eines weisen, charismatischen Führers, der mehr für sie sein kann als das. Ein gütiger ... Gott.



1. Kapitel


Jarvis stand bereits vor der Arrestzelle, als auch Cloud und Scobee dort eintrafen. Er empfing die beiden im bewaffneten Modus und mit einem wissenden Grinsen auf dem vorgetäuschten Gesicht.

Ich habe mir fast schon gedacht, dass ihr auch gleich hier auftauchen würdet“, verkündete er gutgelaunt. Seit Kargor ihm eine Hightechschuppe aus dem Arsenal der Bractonen überlassen hatte, war die Nachbildung so perfekt, als sei ein Spiegelbild aus dem Glas heraus in die Wirklichkeit getreten. „Es war klar, dass ihr auf keinen Fall versäumen wollt, wenn Dornröschen aus dem Schlaf erwacht.“ Er wies mit dem Kopf zu dem Durchgang, der mit einem transparenten Energieschirm abgesichert war. Ein Warnlicht, das über Zelleneingang pulsierte, wies auf die Gefahr hin, die ein Kontakt mit der unsichtbaren Strahlenwand mit sich brachte. „Aber ich fürchte, ihr kommt ein paar Minuten zu spät.“

Was soll das heißen?“ Cloud beschleunigte unwillkürlich seine Schritt. „Stimmt etwas nicht?“

Das kann ich mir nicht vorstellen.“ Scobee folgte ihm dichtauf. Aus dem Kaffeebecher, den sie in der Hand hielt, schwappten ein paar Tropfen dampfender Flüssigkeit auf den Boden. „Wenn es zu außergewöhnlichen Vorfällen gekommen wäre, hätte uns Sesha doch längst informiert.“

Was das betrifft, bin ich mir leider nicht mehr so sicher.“ Auf der Stirn des Commanders erschienen mehrere Falten. „Seit Kargor mehrfach an ihr rumgepfuscht hat, ist sie immer mal wieder für eine Überraschung gut. Dass es dabei auch mal leicht zu einer haarigen Situation kommen kann, brauche ich dir ja wohl nicht zu erklären.“ Cloud spielte damit auf die Tatsache an, dass es dem ERBAUER wiederholt gelungen war, Kontrolle über die gesamte RUBIKON zu erlangen, ohne dass die Bord-KI dagegen etwas unternehmen oder sich auch nur an ihre eigene Passivität erinnern konnte. Seitdem hatte es Vorkommnisse gegeben, die Clouds Vertrauen in die absolute Zuverlässigkeit Seshas einen ordentlichen Dämpfer verpasst hatten.

Alle Schiffbereiche unter Kontrolle!“, verkündete die KI in diesem Augenblick, als hätte sie gespürt, dass ein unaufgeforderter Lagebericht bestimmt kein Fehler sein konnte. „Alarmstufe grün.“

Bleib locker, John.“ Jarvis winkte ab. „Es gibt keinen Grund zur Aufregung. Ich habe lediglich gemeint, dass ihr zu spät seid, um dabei zu sein, wenn unser Gast aus der Paralyse aufwacht. Ich persönlich habe mir das freudige Ereignis allerdings nicht entgehen lassen. Schließlich hatte Sobek mir diesen Zustand auch zu verdanken.“ Er machte sich gar nicht erst die Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, dass es ihn mit sichtlichem Stolz erfüllte, aus dem Kampf mit dem Foronenoberen als Sieger hervorgegangen zu sein.

Wie hast du ihn vorhin genannt? Dornröschen ?“ Scobee blieb vor der Türöffnung stehen. In der kurzen Pause, die sich ihrer Frage anschloss, war das leise Knistern ionisierter Luft zu hören. Der Geruch von Ozon wehte ihr aus Richtung des Energieschirms entgegen. Allerdings war die Konzentration des Gases so gering, dass Sesha sich zu keinem regulierenden Eingreifen genötigt sah. „War das nicht die Geschichte, in der eine junge Dame mit einem Kuss aus dem Schlaf geweckt wird, nachdem ein Prinz sie in einem Gestrüpp gefunden hat?“ Als sich die GenTec ihm wieder zuwandte, hatte sie eines der verschnörkelten Tattoos, die sie anstelle von Augenbrauen besaß, amüsiert nach oben gezogen. „Oha, Jarvis, gibt es da vielleicht etwas, das du uns erzählen möchtest?“

Was meinst du –“ Jarvis verstummte mitten im Satz, als ihm schlagartig klar wurde, wie die neckende Bemerkung der jungen Frau zu verstehen war. „Boah, lieber würde ich jeden Quadratzentimeter der RUBIKON mit der Zungenspitze sauber machen, als diesem Kerl einen Kuss zu geben.“ Der Ekel ließ sein Gesicht in Bewegung geraten wie einen Teich, in den man einen Stein geworfen hatte.

Cloud konnte sich nur mit Mühe ein Grinsen verkneifen. Aber ihm war auch bewusst, dass ihr Verhalten aus der Zelle heraus aufmerksam verfolgt wurde. Deshalb durfte und wollte er sich kein Gebaren leisten, das seine Autorität auch nur im Geringsten infrage stellen konnte. Der Commander der RUBIKON räusperte sich und warf seinen beiden Begleitern einen mahnenden Blick zu. Scobee und Jarvis kannten ihren Freund gut genug, um den stummen Hinweis sofort zu verstehen. Ihre Gesichter wurden ernst, als sie einen knappen Schritt hinter Cloud Position bezogen.

Sobek hatte sich inzwischen von der pritschenähnlichen Liegefläche, die die KI in der Mitte des ansonsten kahlen Raums hatte entstehen lassen, erhoben. In seiner knöchernen Physiognomie war keine Regung zu erkennen, die einen Rückschluss darauf zugelassen hätte, was im Innern des Foronenführers vor sich ging. Cloud ertappte sich dabei, wie er sich insgeheim fragte, wie Sobeks Augen wohl ausgesehen hätten – vorausgesetzt, der hätte solche Sehorgane überhaupt besessen. Stahlblau , entschied er einen Sekundenbruchteil später, hart wie Metall und kalt wie Eis .

Was bist du nur für eine jämmerliche Kreatur, John Cloud , meldete sich in diesem Moment der Forone zu Wort. Hast du es wirklich nötig, mich in Gedanken mit den unzulänglichen Werkzeugen auszustatten, auf die du und deinesgleichen angewiesen seid? Bringt dich mein bloßer Anblick so aus dem Konzept, dass du dich in lächerliche Träumereien flüchten musst, um nicht den Verstand zu verlieren?

Da sich Sobeks Mundmembrane nicht bewegte, musste er seine hämische Botschaft auf telepatischem Weg übermittelt haben. Clouds Rücken straffte sich, denn die Stimme schien mitten aus seinem Schädel zu kommen. An der Art und Weise wie sich auch Scobee und Jarvis hinter ihm aufrichteten, erkannte er, dass die Gedanken der beiden ebenfalls nicht vom Eindringen ihres Gegenübers verschont geblieben waren.

Du hältst mich also für jämmerlich?“, entgegnete der Commander. „Wie würdest du dich dann selbst bezeichnen? Immerhin bist du ein Gefangener der Wesen, die du so abgrundtief verachtest. Dann kann es mit deiner eigenen Herrlichkeit ja auch nicht besonders weit her sein. Wenn du uns tatsächlich so überlegen wärst, wie du dir das immer einbildest, würdest du wohl kaum hier in der Zelle sitzen, während wir uns frei bewegen können. Oder siehst du das etwa anders?“

Noch dazu, weil das ja nicht das erste Mal ist, dass wir dir gehörig in den Foronenhintern getreten haben“, fügte Jarvis hinzu. Eine gehörige Portion Schadenfreude war in seiner Stimme nicht zu überhören. „Oder hast du vielleicht schon vergessen, dass wir es waren, die dir das Schiff abgenommen haben? Ziemlich peinliche Angelegenheit für einen Häuptling wie dich, wenn du mich fragst.“

Nichts ist vergessen! Die Stimme in ihren Köpfen kam einem wütenden Aufschrei gleich. Den Frevel, den ihr mir und unserem Volk angetan habt, werdet ihr büßen bis ans Ende eurer erbärmlichen Existenz – und noch darüber hinaus. Ihr werdet den Tag verfluchen, an dem sich unsere Wege gekreuzt haben.

Also, wenn es nur darum geht, kann ich dir versichern, dass mich die Erinnerung daran auch nicht gerade Freudentänze aufführen lässt.“ Jarvis schob sich so weit nach vorne, dass er direkt neben Cloud stand. „Es gibt nämlich mindestens eine Million anderer Zeitgenossen, mit denen ich es lieber zu tun habe, als mit dir und deinem ganzen arroganten Haufen.“ Sein Widerwille war nicht gespielt. Foronen waren dafür bekannt, dass sie anderen Lebensformen gegenüber pure Verachtung empfanden. Und Sobek war der schlimmste von allen. Als Anführer des ehemaligen Septemvirats hatte er nicht davor zurückgeschreckt, selbst engste Vertraute zu benutzen wie Figuren in einem kosmischen Schachspiel. Engste Vertraute – schon dieser Begriff war eigentlich purer Hohn für ein Wesen, das selbst seinem eigenen Schatten mit einer gehörigen Portion Misstrauen gegenübergestanden hätte. Verbündete waren für einen wie ihn nichts weiter als Mittel zum Zweck. Solange sie seinen Plänen nützlich waren, waren sie gerne geduldete Lakaien, die sich von ihm auch schon das ein oder andere Privileg erhoffen konnten. Doch wenn die Ziele, die Sobek sich gesetzt hatte, es verlangten, würde der Foronenführer nicht eine Sekunde zögern, seine Mitstreiter umgehend aus dem Weg zu räumen. Nicht wenige hatten das schon zu spüren bekommen. Das galt für Angehörige seiner Mannschaften genauso, wie für die Mitglieder der foronischen Führungsriege. Mecchit, einer der sieben Hohen und Sobeks Widersacher, hatte den Umstand noch am Leben zu sein, lediglich einer glücklichen Fügung und dem politischen Kalkül seines Konkurrenten zu verdanken.

Der gefangene Forone stürmte mit so gewaltigen Schritten auf den Zellenausgang zu, dass es den Anschein hatte, er würde direkt in den Energieschirm hineinlaufen. Doch unmittelbar vor der unsichtbaren Wand blieb Sobek stehen. Er beugte sich vorneüber, bis sein Gesicht auf der gleichen Höhe war wie das von Jarvis. Dir steht es nicht zu so zu reden, du erbärmlicher Wurm , dröhnte es auch in Clouds und Scobees Schädeln, obwohl die Worte vornehmlich an den ehemaligen Klon gerichtet waren. Immerhin hast du es einem Foronen zu verdanken, dass du noch immer so etwas wie ein Leben führen kannst. So jämmerlich es auch sein mag .

Hatte Sobek in Jarvis’ Bewusstsein gelesen oder hatte er lediglich einen Schuss ins Blaue abgefeuert? Tatsache war, dass er mit seiner Bemerkung haargenau einen wunden Punkt seines Gegenübers traf. Obwohl Jarvis nicht oft darüber sprach, wussten Cloud und Scobee ganz genau, wie es um ihren gemeinsamen Freund stand: Er litt noch immer unter dem Verlust seines ursprünglichen Körpers. Monts ehemalige Rüstung bot ihm zwar eine Fülle von Möglichkeiten, die einem Normalsterblichen ewig verwehrt sein würden. Aber die ihr innewohnende erstaunliche Wandlungsfähigkeit, die sie, außer zu einem Schutzanzug, auch zu einer Waffe, einem Transportmittel oder einem Werkzeug machte, ließ ihn trotzdem nicht vergessen, dass es sich bei der Nanorüstung letztendlich doch um eine Prothese handelte, auf die er für den Rest seines Lebens angewiesen sein würde. Dass Jarvis die winzigen Partikel die meiste Zeit so angeordnet hielt, dass ihr Erscheinungsbild seiner ehemaligen menschlichen Gestalt entsprach, ließ deutlich erkennen, dass er den alten Zeiten noch immer nachtrauerte.

Der ehemalige Klon erwiderte nichts. Doch John Cloud entging nicht der winzige Ruck, mit dem sich Jarvis’ Finger fester an den Abzug des Blasters legten. Der Commander beschloss, seinem Freund zu helfen, indem er ihn aus dem Fokus von Sobeks Interesse herausnahm. „Genug der ausgetauschten Höflichkeiten“, wandte er sich dem Gefangenen zu. „Es wird Zeit, dass wir endlich Klartext miteinander reden. Ich habe eine Menge Fragen. Du wirst mir dabei helfen, sie zu beantworten.“

Wie kommst du darauf, dass ich mich auf eine Zusammenarbeit mit euch einlassen würde?“, kam die verächtlich schnarrende Antwort aus der Sprechmembrane des Foronen.

Weil du kaum eine andere Möglichkeit hast. Schließlich bist du in unserer Gewalt. Das bringt mit sich, dass wir diejenigen sind, die die Spielregeln bestimmen. Egal, ob dir das passt oder nicht.“

John hat recht“, fügte Scobee hinzu. „Sieh dich nur mal gründlich um, Sobek. Ist dir überhaupt klar, wo du dich befindest? Wohin Jarvis dich gebracht hat, während du paralysiert warst?“

Einen kurzen Augenblick, in dem der gefangene Foronenführer innehielt, herrschte angespannte Stille. Dann überflutete ein einziges Wort das Bewusstsein der drei Menschen. SESHA!

Sehr gut. Du hast es also kapiert“, entgegnete Cloud durch den Nachhall des Aufschreis in seinem Schädel hindurch. „Auch wenn wir ihm mittlerweile den Namen RUBIKON gegeben haben, ist es noch immer das Schiff, auf dem du einmal das Sagen hattest –“

bevor du es uns gestohlen hast , fiel im Sobek ins Wort. Die Gedankenbotschaft schien unter der grenzenlosen Wut über die erlittene Schmach zu zittern. Wieder einmal wurde überdeutlich, welche Bedeutung das gewaltige Rochenschiff für den Foronen besaß. Die RUBIKON II war die Arche gewesen, mit der sie aus ihrer Heimatgalaxie Samragh vor der Bedrohung der Virgh geflohen waren. Nach ihrem Vorbild hatte die Ewige Stätte im Zentrum des Aquakubus 87 Schiffe derselben Bauart repliziert – die sogenannten HAKARs. Doch eine Kopie kam niemals an das Original heran, konnte es nicht ersetzen. Die Rückeroberung der SESHA war das oberste Ziel, das sich der Erste der Hohen Sieben gesetzt hatte. Hinter dieser Priorität musste alles andere zurückstehen. Die entscheidende Auseinandersetzung mit seinem Erzrivalen Mecchit genauso, wie das Zusammensein mit seiner Gefährtin Siroona. Sobek war geradezu besessen von der Idee, den symbolträchtigen Gleiter wieder in seine Gewalt zu bekommen – auch wenn das bedeutete, dass er den Großteil der HAKAR-Flotte bei dessen Verfolgung aufs Spiel setzen musste.

Cloud ging nicht weiter auf den Vorwurf ein. Er hatte die Nase gestrichen voll davon, dass Sobek sich einbildete, den Gesprächsverlauf bestimmen zu können. Es war höchste Zeit, dem arroganten Foronenführer beizubringen, dass er es nicht mit einem Haufen Ahnungsloser zu tun hatte. „Du hast uns verfolgt“, erwiderte er deshalb in ruhigem Tonfall. Als erfahrenem Commander fiel es ihm nicht schwer, sich seine Emotionen nicht anmerken zu lassen. „Du bist nach Andromeda aufgebrochen, weil du darauf gehofft hast, uns dort wiederzufinden.“

Doch auch daraus ist mal wieder nichts geworden“, fügte Jarvis hinzu, der nur auf eine Gelegenheit gelauert hatte, dem Foronen seine beleidigende Bemerkung zurückzahlen zu können. „Ziemlich schwache Leistung für einen großen Häuptling wie dich. Findest du nicht auch?“

Doch der Hohe beachtete ihn nicht. „Woher weißt du das?“, wollte er stattdessen wissen.

Von Siroona“, erklärte Scobee. „Versuche also gar nicht erst, uns irgendeine Lügengeschichte auftischen zu wollen. Wir würden dir sowieso nicht glauben.“

Siroona?“ Die Erwähnung des Namens ließ Sobek sich nach ihr umwenden. „Ist sie auch hier an Bord?“

Nein.“

Wo ist sie? Ist sie noch am Leben?“ Es war keine PSI-Begabung nötig, um die Gedanken des Foronenführers zu erraten. Sobeks Interesse entsprang nicht vornehmlich der Sorge um das Schicksal seiner ehemaligen Gefährtin, sondern der Hoffnung, in der Foronin eine Verbündete zu finden, die ihn aus seiner misslichen Lage befreite.

Du bildest dir doch wohl nicht ein, dass wir hier die Karten einfach auf den Tisch legen, ohne eine Gegenleistung dafür zu verlangen.“ Cloud machte eine Pause, in der er lässig einen Schluck von seinem Kaffee nahm. „Erst einmal erzählst du uns, was dir widerfahren ist. Wie bist du in die Anomalie auf A4 geraten, in der wir dich und den HAKAR gefunden haben? Erst wenn du uns das erklärt hast, bekommst du auch ein paar Antworten. Vielleicht ...“

Du willst mir also tatsächlich ein Geschäft vorschlagen?! In den Köpfen des Commanders und seiner beiden Begleiter explodierte ein dissonantes Geräusch, das etwas wie das höhnische Auflachen des Gefangenen darstellte. Wie kommst du darauf, dass ich mich auf so etwas einlassen würde? Meine Entscheidungen waren Gesetz. Ich habe es nicht nötig, dass sich dabei irgendjemand einmischt. Das war schon in der Gemeinschaft der Hohen Sieben so. So wird es auch bleiben. Daran werden ein paar dahergelaufene Kreaturen ganz bestimmt nichts ändern.

Habe ich es dir nicht gesagt?“ Scobee drehte sich mit einem Seufzen auf den Lippen zu Cloud um. „Dieser Kerl ist und bleibt ein Kotzbrocken. Ich frage mich sogar schon, ob es nicht ein Fehler war, ihn hierher zu bringen. Wir hätten wahrscheinlich nicht nur uns einen Riesengefallen getan, wenn wir ihn einfach seinem Schicksal überlassen hätten.“

Es liegt mir nicht, mich wie ein Gott aufzuführen, der über Leben und Tod entscheidet, wie es ihm gerade passt.“ Cloud strich sich über das markante Kinn. Ihm war durchaus bewusst, dass er sich schon mehrfach in Situationen befunden hatte, in denen es zu Auseinandersetzungen gekommen war, die seine Gegner nicht überlebt hatten. Schließlich gehörte er nicht zu der Sorte Mann, die allen Konflikten um jeden Preis aus dem Weg ging. Aber es widersprach seinen Prinzipien, es zu unnötigen Opfern kommen zu lassen, solange sich das in vertretbarem Rahmen vermeiden ließ. „Außerdem bin ich mir sicher, dass uns Sobek durchaus noch nützlich sein kann. Auch wenn es, zugegeben, momentan nicht unbedingt danach aussieht.“

Warum überlässt du ihn nicht einfach mir?“, schlug Jarvis vor. „Mir fällt bestimmt eine Methode ein, um in zum Plaudern zu bringen. Ich könnte ihn mir vorknöpfen, ohne dass er dem viel entgegenzusetzen hätte. Der Trojaner, den ich auf A4 in seine Rüstung eingespeist habe, ist dem Ding wohl nicht besonders gut bekommen.“ Ein spöttisches Grinsen schlich sich in sein Gesicht. „Obwohl – wenn ich es mir genau überlege, hat die Rüstung den Viren eine echte Verbesserung zu verdanken. Wie hast du sie noch genannt, Sobek? Ronfarr , richtig? Sie scheint durch meine Hilfe so etwas wie guten Geschmack entwickelt zu haben. Ansonsten hätte sie dich bestimmt nicht ausgespuckt wie einen alten Kaugummi.“

Du mieses Stück Dreck!“, brüllte der Foronenführer. „Das wirst du büßen!“ Bereit, seine Drohung sofort in die Tat umzusetzen, stürmte er Jarvis entgegen, ohne dabei auf das Energiefeld am Eingang der Zelle zu achten. Sobek war nur einen Schritt weit gekommen, als er bereits wieder abrupt stehen blieb. Um seinen Körper herum bildete sich eine Aura elektrischer Entladungen. Doch der Gefangene wich nicht zurück. Im Gegenteil, Sobek verstärkte sogar noch seine Bemühungen den unsichtbaren Wall zu durchdringen – was der mit einer ständig steigenden Energiezufuhr quittierte. Der Körper des Foronen begann wie unter Krämpfen zu zucken.

Was macht er da?“ Scobee prallte erschrocken zurück. „Wenn er nicht bald zur Vernunft kommt, wird er sich damit noch umbringen!“

Das hatte auch Cloud erkannt – und reagierte sofort. „Sesha“, befahl er, „setz den Gefangenen mit Paralysestrahlen außer Gefecht!“

Verstanden“, entgegnete die Bord-KI augenblicklich. Im selben Moment setzte aus der Decke des Raums eine Strahlenemission ein, die jeden Winkel der Zelle erreichte. Sobek bäumte sich ein letztes Mal auf – dann sank er bewusstlos am Eingang seines Gefängnisses zu Boden.

Kümmere dich um ihn, Sesha.“

In der Zellenwand öffnete sich eine Luke. Mehrere Spinnenbots kamen daraus hervor. Sie schleiften den ohnmächtigen Foronen zu der Stelle, an der kurz zuvor die Pritsche im Fußboden versunken war. Die mechanischen Helfer richteten den Gefangenen ausgestreckt auf dem Rücken aus, woraufhin die Lagerstatt erneut ausfuhr, bis sie die Höhe eines Bettes erreicht hatte. Nach ein paar letzten Korrekturen an der Position des Ohnmächtigen, zogen sich die Roboter wieder zurück. Sobek blieb so in der Zelle zurück, wie er nach seiner Rettung aus dem Friday-System dort angekommen war.

Wie geht es ihm?“, wollte Cloud von der KI wissen.

Einzelne Vitalfunktionen im grenzwertigen Bereich. Stabilisation bereits erfolgreich eingeleitet. Mit dem Auftreten einer lebensbedrohlichen Situation ist mit der Wahrscheinlichkeit von 0,0783 Prozent zu rech...“

Okay, das reicht“, unterbrach der Commander Seshas Bericht. „Sobek scheint also noch einmal davongekommen zu sein.“

Er ist ein ziemlich zäher Brocken.“ Scobee stieß lautstark die Luft durch die Nase aus. „Und das gilt bei ihm für viele Bereiche.“ Obwohl sie das niemals zugegeben hätte, musste sie sich eingestehen, dass sie die kompromisslose Zielstrebigkeit und auch das Durchhaltevermögen Sobeks insgeheim doch nicht unbeeindruckt gelassen hatten.

Ohne Zweifel.“ Cloud nahm den letzten Schluck von seinem Kaffee, verzog aber sofort angewidert das Gesicht, denn das Getränk hatte sich mittlerweile in eine ungenießbare, kalte Plörre verwandelt. „Ich verschwinde erst einmal wieder von hier. Schließlich habe ich noch mehr zu tun, als mich nur mit foronischen Dickschädeln zu beschäftigen.“

Was hast du vor?“

Ich will zu Jiim. Es gibt da ein paar Neuigkeiten, von denen ich möchte, dass er sie als einer der Ersten erfährt.“

Ich kann mir schon denken, worum es dabei geht,“ erwiderte Scobee mit verständnisvollem Schmunzeln. „Ich gehe dann schon mal in die Zentrale. Vermutlich wird es nicht lange dauern, bis du ebenfalls dort auftauchst, habe ich recht?“

Richtig geraten.“ Der Commander war manchmal selbst überrascht, wie gut sie einander verstanden. Nicht umsonst hatte es eine Zeitlang so ausgesehen, als könnte aus ihnen mehr werden als bloße Gefährten. Doch dann war ihnen klargeworden, dass eine einzigartige, aber platonische Freundschaft für sie der beste Umgang miteinander war. Er zwinkerte ihr gutgelaunt zu, bevor er sich zu Jarvis umwandte. „Was ist mit dir? Begleitest du uns?“

Nein.“ Der schüttelte den Kopf. „Ich denke, ich werde noch ein bisschen Babysitter für unseren Ehrengast spielen.“ Er deutete mit der Kinnspitze in Richtung des bewusstlosen Foronen.

Aber keine unabgesprochenen Aktionen.“ Cloud richtete den Zeigefinger wie einen Revolver auf seinen Freund. „Klar?“

Wie kommst du nur auf einen solchen Gedanken?“, fragte Jarvis mit gespielter Empörung. „Du kennst mich doch.“

Eben. Genau deshalb habe ich es ja gesagt.“ Cloud lachte amüsiert auf. „Also gut. Ich verlasse mich auf dich. Bis später dann.“ Er wandte sich um und ging gemeinsam mit seiner schönen, schwarzhaarigen Begleiterin auf den nächsten Türtransmitter zu.



Ich finde, es ist höchste Zeit, dass wir mal wieder was miteinander unternehmen.“ Jiim stand auf der Außenplattform des Baumhauses, das er gemeinsam mit Yael bewohnte. Die Nachbildung seines Heimatplaneten, die Sesha innerhalb der RUBIKON für die beiden Nargen erschaffen hatte, war so perfekt, dass Jiim hin und wieder tatsächlich vergaß, dass es sich dabei lediglich um eine Täuschung handelte. „Was hältst du zum Beispiel von einem Ausflug?“

Muss das sein?“, entgegnete Yael wenig begeistert. Obwohl die Schlafenszeit schon längst vorbei war, hing er noch immer träge in dem der Körperform der Flügelwesen angepassten Geschirr, das von der Decke der Behausung baumelte. „Eigentlich habe ich dazu überhaupt keine Lust.“

Also, das glaube ich jetzt nicht. Wir könnten auf dem Grund des Schrunds auf die Jagd gehen. Oder auch mal wieder in Richtung der Toten Stadt fliegen. Ich bin mir sicher, wir könnten eine Menge Spaß zusammen haben.“ Jiim breitete die Schwingen aus. „Nun mach schon. Du kannst doch nicht den ganzen Tag hier in der Hütte verschwenden.“ Mit ein paar gezielten Flügelschlägen sorgte er für Luftwirbel, die das Schlafgeschirr seines Sprosses zum Schaukeln brachten.

Weshalb denn nicht?“ Yael änderte zwar die Position, machte aber noch immer keine Anstalten, sich aus der pendelnden Konstruktion zu erheben. „Ich finde es nämlich sehr angenehm so.“

Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein.“ Jiim sah ihn ungläubig an. „Du willst also tatsächlich behaupten, dass du kein Interesse hast, auf die Jagd zu gehen, und stattdessen lieber hier oben Löcher in die Luft starrst?“

Löcher in die Luft ?!“

Das ist ein Ausdruck, den die Menschen manchmal verwenden. Und ich finde, der beschreibt dein momentanes Verhalten ziemlich gut. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich damit auch einverstanden bin. So viel Nichtstun ist doch schrecklich eintönig. An deiner Stelle hätte ich wahrscheinlich schon damit angefangen, mir vor lauter Langeweile die Federn auszurupfen.“

Wenn dir so langweilig ist, weshalb unternimmst du dann nicht einfach alleine etwas und lässt mich einfach in Ruhe?“, kam die mürrische Antwort aus der Hütte. „Geh doch zu Chex. Oder zu sonst einem von deinen angeblichen Freunden. Er hat bestimmt Zeit für dich. Schließlich bleibt ihm ja auch gar nichts anderes übrig ...“

Moment mal.“ Ein leises Rauschen war zu hören, als Jiim die Flügel wieder eng an den Körper anlegte. „Was soll das heißen?“

Das weißt du ganz genau.“

Eben nicht.“ Der Narge trat näher an den Eingang des Baumhauses heran. „Und deshalb wirst du es mir erklären. Und zwar auf der Stelle, verstanden?“

Vom Schlafplatz drang lediglich ein unverständliches Gemurmel herüber.

Yael, ich warte noch immer auf eine Antwort von dir. Aber nicht mehr lange. Wenn du also vermeiden willst, dass wir beiden ernsthafte Schwierigkeiten miteinander bekommen, würde ich an deiner Stelle schleunigst tun, was von dir verlangt wird.“

Na gut.“ Betont umständlich begann sich Yael seines Geschirrs zu entledigen. Jiim musterte ihn dabei eingehend. Er zuckte unwillkürlich zusammen, als sich sein Sprössling aufrichtete. Wieder einmal wurde ihm bewusst, dass sein Junges ein außergewöhnliches Exemplar war. Nicht nur, dass Yael trotz seines noch jugendlichen Alters bereits beinahe die Größe eines ausgewachsenen Nargen hatte. Auch die Gefiederfarbe unterschied sich deutlich von der jedes Artgenossen, dem Jiim im Lauf seines Lebens jemals begegnet war. Yaels Federn schimmerten golden, genauso wie seine Haut, und glich dadurch im Aussehen verblüffend seinem Elter. Bloß dass bei Jiim selbst das Erscheinungsbild verhältnismäßig einfach zu erklären war: Das Nabiss, die Rüstung, die er seinerzeit auf Kalser vom letzten Ganf empfangen hatte, war – aus welchen Gründen auch immer – untrennbar mit seinem Körper verschmolzen und sorgte so für einen goldenen Glanz. Da dies zu dem Zeitpunkt geschehen war, als er auch das Ei zur Welt gebracht hatte, aus dem schließlich Yael geschlüpft war, lag der Verdacht nahe, dass das Nabiss Einfluss auf die Gene des Jungnargen genommen hatte – obwohl das niemand mit absoluter Sicherheit sagen konnte. Yael kam mit hängenden Schultern herangetrottet und blieb eine Armeslänge von seinem Elter entfernt stehen. „Ich bin aufgestanden. Bist du jetzt endlich zufrieden, Orham?“

Obwohl seine zwei Herzen wütend gegen seinen Brustkorb hämmerten, versuchte Jiim sich seinen Ärger über die Respektlosigkeit nicht anmerken zu lassen. „Nein“, presste er aus seinem lippenlosen Mund hervor. „Nicht, bevor du mir nicht erklärt hast, was du damit gemeint hast, als du von meinen angeblichen Freunden gesprochen hast.“

Yael hob den Kopf. Für wenige Sekunden trafen sich ihre Blicke.

Willst du das wirklich wissen?“

Allerdings.“

Dann mache mir hinterher aber keine Vorwürfe, wenn du etwas zu hören bekommst, das dir nicht gefällt.“ Yael räusperte sich, denn seine Mundhöhle fühlte sich mit einem Mal staubtrocken an. „Also, ich habe Chex einen angeblichen Freund von dir genannt, weil er nicht echt ist. Er ist eine Computersimulation. Genauso wie der ganze Rest hier auch. Sesha hat alles gemacht. Den Schrund, die Nargensiedlung, ihre Bewohner ... einfach alles . Weshalb sollte ich dann Lust haben, hier irgendetwas zu unternehmen? Egal, ob ich auf dieser Welt in der Gegend herumfliege, mich mit jemandem unterhalte oder irgendwelche Tiere jage, es ändert sich doch sowieso nichts. Wahrscheinlich könnte ich sogar unsere Hütte in Kleinholz verwandeln, und am nächsten Tag würde sie wieder am selben Platz stehen, als wäre nichts geschehen. Ein Wort von dir würde genügen, damit Sesha sie wieder wie aus dem Nichts entstehen lässt. Manchmal komme ich mir vor, als gäbe es eine ...“ Er machte eine hilflose Geste, während er nach den passenden Worten suchte. „... eine lange, massive Kette. Ein Ende davon ist an meinem Hals befestigt, das andere hältst du fest in der Hand. Das Ding ist vielleicht unsichtbar, aber es ändert doch nichts an der Tatsache, dass ich mich damit immer nur im Kreis bewegen kann. Egal, was ich auch anstelle, ich komme immer wieder zu dem Punkt zurück, an dem ich angefangen habe. Glaubst du vielleicht, das macht mir Spaß? Nein, absolut nicht. Du hast mich vorhin gefragt, ob es nicht langweilig ist, den ganzen Tag im Schlafgeschirr herumzuhängen. Klar ist es das. Aber trotzdem nicht halb so langweilig, wie mich mit Dingen abzugeben, auf die ich sowieso keinen Einfluss habe – weil sie nämlich aus einem Rechner stammen.“

Jiim zuckte zusammen, als sei er von einem Peitschenhieb getroffen worden. Niemals hätte er damit gerechnet, dass Yael ihre gemeinsame Situation auf der RUBIKON in einem solch trüben Licht sah. War diese Stimmung lediglich eine Nachwirkung auf die Erlebnisse, die er auf Portas durchstehen musste? Yael war schließlich noch ein Kind – was auch bedeutete, dass seine Gefühlswelt noch nicht auf der festen Basis wie der eines Erwachsenen stand. Vielleicht waren Algorians Bemühungen, Yael von seinen traumatischen Erfahrungen zu befreien, doch nicht so erfolgreich gewesen, wie sie das zunächst gehofft hatten. Oder hatte die heftige Reaktion des Jungen eine ganz andere Ursache? War es am Ende ein Fehler gewesen, so weit entfernt von Kalser ein Ei auszubrüten – ohne zu wissen, ob er oder sein Nachkomme ihre Ursprungswelt jemals wiedersehen würden? Jiim spürte ein beklemmendes Gefühl in sich emporsteigen wie ein Schatten, der sich am hellen Tag urplötzlich vor die Sonne schiebt. Konnte es sein, dass er unbewusst aus egoistischen Motiven gehandelt und seinen Nachwuchs lediglich auf die Welt gebracht hatte, um damit seiner eigenen Einsamkeit zu entkommen?

Yael ...“, stieß er erschüttert hervor. „Bei Plephes, ich hatte ja keine Ahnung, wie du dich fühlst. Ich –“

Schon gut“, unterbrach ihn der Jungnarge. „Es gibt keinen Grund ein großes Drama aus der Sache zu machen. Wahrscheinlich verstehst du sowieso nicht, was ich dir damit sagen wollte. Die meisten können das nicht. Bis auf einen ...“

Aber dann müssen wir darüber reden. Solange, bis ich begriffen habe, um was es dir geht. Ich bin dein Elter, Yael. Dein Orham. Wenn du mit deinen Problemen nicht zu mir kommen kannst, wer soll dir denn sonst dabei beistehen? Ich möchte –“

Er verstummte, denn unterhalb des Baums, in dessen Krone sich ihre Behausung befand, war eine Bewegung zu erkennen. Direkt neben dem steil abfallenden Abgrund des Schrunds hatte sich eine Öffnung gebildet, als wäre ein Stück aus der restlichen Landschaft herausgeschnitten worden. Im Rechteck der Lücke war der Korridor eines Raumschiffs zu erkennen. Ein dunkelblonder Mann betrat Pseudokalser durch den Eingang, den die Bord-KI ihm geöffnet hatte, bevor der sich hinter ihm wieder lückenlos verschloss.

John Cloud blieb am Rand der Schrund-Illusion stehen und sah sich suchend um.

Jiim? Bist du irgendwo in der Nähe? Ich würde gerne mit dir reden!“

Der Narge trat auf die Plattform vor dem Baumhaus. „Ich bin hier oben, Guma Tschonk!“, rief er und winkte dem Commander der RUBIKON dabei zu. Dass er Cloud mit dem Namen anredete, den er auch schon bei ihrem ersten Aufeinandertreffen auf Kalser benutzt hatte, ließ einen Rückschluss auf seine innere Aufgewühltheit zu. Guma – diese Bezeichnung war nur ganz besonderen Personen in Jiims Bekanntenkreis vorbehalten. Echten Freunden. „Um was geht es denn? Ehrlich gesagt, du tauchst in einem ziemlich ungünstigen Augenblick auf. Ich habe nämlich gerade ein wichtiges Gespräch, das ich nur sehr ungern –“

Geh nur zu ihm“, hörte Jiim Yaels Stimme hinter sich. „Wir können uns später immer noch unterhalten.“

Der Narge wandte sich zu seinem Jungen um. „Bist du dir sicher?“

Klar. Es gibt bestimmt einen guten Grund, weshalb John hier aufgetaucht ist. Du weißt, dass er diese Welt als unsere Privatsphäre ansieht, in die er nur eindringt, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Also lass ihn nicht länger warten, sondern flieg zu ihm.“

Meinetwegen. Aber eines musst du mir versprechen, Yael, nämlich, dass unser Gespräch damit noch nicht zu Ende ist. Zu diesem Thema gibt es noch einiges zu sagen. Und ich werde –“

„– du wirst mich auch später noch hier wiederfinden. Schließlich bleibt mir ja auch gar nichts anderes übrig, nicht wahr?“ Yael zuckte resigniert mit den Schultern (eine Geste, die er sich bei seinen menschlichen Bekannten abgeschaut hatte), dann zog er sich wieder in das Innere der Hütte zurück.

Jiim warf ihm einen letzten gedankenverlorenen Blick zu, bevor er sich umdrehte und mit ausgebreiteten Schwingen über den Rand der Plattform fallen ließ.



Cloud wollte sich schon wieder aus Pseudokalser zurückziehen, als er die geflügelte Gestalt bemerkte, die sich über ihm vom Baumhaus löste und mit beeindruckender Geschwindigkeit angesegelt kam. Wenige Sekunden später stand Jiim bei ihm an der Abbruchkante des Schrundes.

Entschuldige bitte. Ich wollte dich nicht unnötig warten lassen.“

Obwohl sich die Physiognomie eines Nargen doch erheblich von der eines Menschen unterschied, kannte Cloud seinen Freund lange genug, um in seinem Gesicht ablesen zu können, dass etwas nicht in Ordnung war. Der Commander wusste außerdem, dass Jiim schon seit einiger Zeit von Sorgen gequält wurde – die seit der Geburt seines Nachkommen nicht weniger geworden waren. „Hat es Ärger gegeben?“, wollte er deshalb von ihm wissen.

Jiim erwiderte nichts. Aber die Art, wie er mit übertriebener Sorgfalt sein Gefieder ordnete, obwohl jede einzelne Flügelfeder akkurat an ihrem Platz saß, war eigentlich Antwort genug.

Cloud sah deutlich, dass es um den Seelenfrieden des Nargen nicht gut bestellt war. Es widerstrebte ihm, den Freund so leiden zu sehen. „Gibt es Schwierigkeiten mit Yael?“



Jiim stieß deutlich vernehmbar die Luft aus. In seinem Schädel wirbelten die Gedanken durcheinander wie Staubpartikel in einem Sandsturm. Die Vorhaltungen, die ihm Yael wenige Minuten zuvor gemacht hatte, hatten ihn schwer getroffen. Und das Schlimmste daran war, dass er damit gar nicht einmal so falsch lag. Die Welt, die Jiim seinem Jungen präsentiert hatte, war tatsächlich nur eine – wenn auch perfekte – Illusion. Kalser, so wie Jiim es kannte, war im Bauch der RUBIKON noch einmal neu erstanden. Sesha hatte alles nach seinen eigenen Vorgaben erschaffen. Aber genau da lag auch das Problem. Für den Jungnargen gab es nichts Neues zu entdecken, das sein Elter nicht wenigstens ansatzweise kannte. Er bekam sozusagen eine Second-Hand-Realität vor die Nase gesetzt. Kein Wunder, dass Yael sich um seine Freiheit betrogen fühlte.

Jiim spürte, wie sich seine Überlegungen im Kreis zu drehen begannen. Er musste mit jemandem darüber reden. Normalerweise wäre seine Wahl dabei wohl auf Chex gefallen. Aber der Narge musste sich eingestehen, dass Yaels wütende Worte auch bei ihm selbst Spuren hinterlassen hatten. Chex war zweifellos der geeignete Gesprächspartner, um mit ihm über alte Zeiten zu plaudern. Aber er war auch ein Teil genau der Illusion, die die ganze Problematik erst aufgeworfen hatte. War es dann nicht besser, die Herzen einem Freund auszuschütten, der die Situation mit einem gewissen Abstand beurteilen konnte? Als Jiim das Seufzen hörte, das in diesem Moment aus seiner Kehle drang, wusste er, dass die Entscheidung bereits gefallen war.

Wir hatten einen Streit. Dabei habe ich von Yael ein paar Dinge zu hören bekommen, mit denen ich nicht gerechnet hatte.“

Oha.“ John Cloud legte die Stirn in Falten, denn mit so etwas hatte er insgeheim schon gerechnet. „Willst du mir davon erzählen?“

Zuerst fing es eigentlich ganz harmlos an. Ich wollte ihn zu einem Ausflug überreden. Aber Yael hatte keine Lust. Als ich ihn nach dem Grund gefragt habe, hat er zunächst nur störrisch reagiert. Doch ich habe nicht lockergelassen.“

Woraufhin er dir ein paar unangenehme Sachen an den Kopf geworfen hat, nicht wahr?“ Der Commander lachte auf, als er seinen Freund erschrocken zusammenfahren sah. „Das war doch nur wieder eine menschliche Redensart. Selbstverständlich ist mir klar, dass Yael nicht mit der Hütteneinrichtung nach dir geschmissen hat. Ich wollte damit nur ausdrücken, dass er dir vermutlich seine Ansicht der Dinge mitgeteilt hat, ohne dabei Rücksicht auf deine Gefühle zu nehmen. Oder sehe ich das etwa falsch?“

Nein.“ Jiim machte eine ratlose Geste. „Yael hat mir vorgeworfen, dass ich ihn wie einen Gefangenen behandele. Dass ich ihn in Pseudokalser einsperre, ohne dass er die Möglichkeit hat, sich wirklich frei zu bewegen. Er glaubt, dass alles, was er tut, völlig sinnlos ist, weil es letztendlich nur einer Projektion entspringt, die Sesha für ihn bereitgestellt hat. Und mir gibt er die Schuld für seine Lage.“

Verstehe.“ Cloud fuhr sich nachdenklich durchs dunkelblonde Haar. „Das muss natürlich ein ziemlich harter Brocken für dich gewesen sein. Aber es gibt zwei Dinge, die du dabei auch bedenken solltest. Erstens, Yael scheint mir in einem Alter zu sein, in dem man mit sich selbst und erst recht mit anderen nur verdammt schwer klar kommt. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie das bei mir damals war. Wenn mir jemand etwas sagen oder Vorschriften machen wollte, bin ich dagegen Sturm gelaufen. Egal, ob der andere damit noch so richtig lag, ich habe erst einmal aus purem Trotz das Gegenteil behauptet. Dass ich mich dabei oft nicht besonders fair benommen habe, war mir in diesem Moment völlig gleichgültig. Gab es das bei dir nicht auch?“ Er legte den Kopf in den Nacken. „Wenn ich mich richtig an unser erstes Treffen auf Kalser erinnere, hattest du damals auch immer wieder deine Probleme mit Autoritäten. Aber du warst schon um einiges älter, als Yael das jetzt ist. Vielleicht hat er ganz einfach deine kämpferischen Gene geerbt. Wäre das denn wirklich ein so schrecklicher Gedanke für dich?“

Nein.“ Der Narge sah betreten unter sich. „Natürlich nicht.“

Na also. Yael ist in Ordnung. Du kannst davon ausgehen, dass er dich nicht absichtlich verletzen wollte. Und zweitens hat er vielleicht gar nicht einmal so Unrecht. Die Welt hier drinnen hat nun einmal tatsächlich ihre Grenzen. Da ist es doch ganz natürlich, dass er sich manchmal wie eingesperrt fühlt. Erst recht, weil es im ganzen Schiff keinen Artgenossen gibt. Außer dir natürlich. In einem Alter, wo er seinem Elter gern mal aus dem Weg gehen würde, ist das bestimmt keine einfache Situation für dein Junges. Yael müsste etwas Neues kennenlernen. Dann würde er sich garantiert auch wieder besser mit dir verstehen.“

Das ist einfacher gesagt, als getan.“ Jiim schüttelte das Gefieder, als wäre hätte ihn ein kühler Luftstrom gestreift. „Was soll ich ihm das denn bieten? Sobald ich mir etwas einfallen lassen würde, um ihn abzulenken, würde ich mir doch auch gleich wieder den Vorwurf einhandeln, dass ich ihn lediglich mit einer Welt manipulieren will, die meinen eigenen Vorstellungen entspricht. Damit wären wir doch genauso weit wie vorher.“

Nicht unbedingt.“ Clouds Lippen verzogen sich zu einem verschlagenen Grinsen. „Es gibt da nämlich eine Möglichkeit, wie das Problem in den Griff zu bekommen ist. Ohne dass dein Filius behaupten kann, dass du in ungerechtfertigter Weise deine Finger im Spiel hast.“

Jiim spitze Ohren richteten sich noch steiler auf. „Kann du mir das vielleicht auch ein bisschen genauer erklären?“

Nichts lieber als das. Du erinnerst dich doch bestimmt an das Versprechen, das ich dir gegeben habe. Dass wir bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit nach Kalser fliegen, um uns dort mal wieder ein bisschen umzusehen. Du hast mich dazu gedrängt, weil du neugierig warst, was unter dem Einfluss von Darnoks Entartungsfeld aus deinem Planeten geworden ist. Das kann ich nur allzu gut verstehen. Bei der Erde ging es mir schließlich genauso. Momentan gibt es nichts, was uns noch länger im Friday-System hält. Deshalb habe ich beschlossen, als nächstes Kalser anzusteuern. Ich bin fest davon überzeugt, dass Yael begeistert sein wird, den Planeten, von dem sein Orham stammt, endlich auch mal aus nächster Nähe sehen zu können. Oder bist du da anderer Meinung?“

Nein.“ Die unerwartete Nachricht ließ den Nargen unwillkürlich einen Schritt nach hinten machen. Mehrere Gesteinsbrocken lösten sich aus dem Rand des Abgrunds und verschwanden in der Tiefe. Auch Jiim geriet ins Taumeln. Nur weil er sofort seine Schwingen ausbreitete und zweimal kräftig mit den Flügeln schlug, gelang es ihm das Gleichgewicht doch noch zu halten. „Wie lange wird es dauern, bis wir bei Kalser ankommen?“, wollte er wissen, als er wieder festen Boden unter den Füßen hatte.

Kalser liegt im Scutum-Crux-Arm der Milchstraße. Wir befinden uns gerade im Perseus-Arm. Mit anderen Worten: Es ist nicht gerade ein Katzensprung. Ich werde Sesha also die Anweisung geben, dass wir die Strecke mit einer Transition hinter uns bringen.“

Jiim nickte. „Darf ich dich noch um einen Gefallen bitten, Guma Tschonk?“, fragte er, nachdem er eine knappe Minute in nachdenkliches Schweigen verfallen war.

Klar. Nur raus damit.“

Wäre es möglich, dass wir den Sprung nicht direkt dorthin machen, sondern an eine Stelle, die noch etwas davon entfernt ist? Ich würde mich nämlich gerne noch auf meine Rückkehr nach Kalser vorbereiten, wenn du verstehst, was ich meine.“

Das ist überhaupt kein Problem. Würden dir zehn Tage dafür genügen?“

Das wäre wirklich fabelhaft. Ich danke dir.“

Dafür nicht.“ Der Commander winkte ab. „Ich werde Sesha anweisen, dass sie die entsprechenden Koordinaten berechnet.“ Er trat an den Nargen heran und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Ich möchte bestimmt nicht aufdringlich sein, Jiim. Aber ehrlich gesagt habe ich schon gedacht, dass du dich freuen würdest, wenn du erfährst, dass wir Kalser ansteuern. Stattdessen scheint dich das Ganze eher zu bedrücken. Man könnte fast annehmen, dass du dich davor fürchtest dorthin zurückzukehren.“

Damit liegst du gar nicht mal so falsch“, gab der Narge leise zu. „Aber eines kannst du mir glauben: Die Sorgen mache ich mir nicht ohne Grund ...“



Quatschen sie noch miteinander?“, wollte Charly wissen. Er hockte im Baumhaus am Rand eines der Fenster, die von der Stelle, an der Cloud und Jiim standen, nicht einzusehen war. Seine menschliche Gestalt und die Flügel, die ihm aus dem Rücken wuchsen, ließen bei seinem Anblick an Engelsdarstellungen denken, wie sie vor Jahrzehntausenden auf der Erde verbreitet gewesen waren – wäre da nicht das verschlagene Grinsen auf den Lippen des halbwüchsigen Jungen gewesen.

Yael pirschte sich mit vorsichtigen Schritten auf die Plattform vor der Hütte hinaus. „Ja“, entgegnete er nach einem kurzen Blick in die Tiefe. „Sie stecken die Köpfe noch immer zusammen.“

Umso besser.“ Charly baumelte gutgelaunt mit den Beinen. „Dann sind wir wenigstens ungestört.“

Mir ist es auch lieber, wenn er dich hier nicht erwischt.“ Yael kam wieder in die Behausung zurück. „Denn dann könnte ich mir bestimmt wieder stundenlange Vorträge anhören. Darauf habe ich wirklich keine Lust.“

Klar. Die Erwachsenen können einem mit ihrem Gelaber wirklich gewaltig auf die Nerven gehen.“ Sein Besucher nickte bekräftigend. „Übrigens, das hast du wirklich hervorragend hinbekommen. Respekt.“

Was meinst du?“ Der Jungnarge sah ihn fragend an. „Die Flügel, die ich dir habe wachsen lassen?“ Er musterte seinen Freund eingehend von oben bis unten. Charly gehörte zweifellos zu den außergewöhnlichsten Geschöpfen, die die RUBIKON beherbergte. Er war, genauso wie Yael selbst, in Pseudokalser zur Welt gekommen – wenn auch unter viel mysteriöseren Umständen. Das Aussehen des Jungen setzte sich aus den äußerlichen Attributen der humanoiden Kreaturen zusammen, die im Angksystem an Bord des Rochenschiffs gekommen waren und mit denen der junge Narge seitdem in engerem Kontakt gestanden hatte. Für diese Relation gab es eine ebenso einfache wie ungewöhnliche Ursache: Yael hatte Charly erschaffen. Zunächst hatte es der Jungnarge selbst nicht begriffen – bis Charly ihm eines Tages höchstpersönlich gegenübergestanden hatte. Ihr erstes Aufeinandertreffen war nicht ganz problemlos verlaufen, aber mittlerweile hatte Yael freundschaftliche Gefühle für den draufgängerischen Charly entdeckt. Mit einem so waghalsigen, furchtlosen Begleiter an seiner Seite war jedes Gefühl von Langeweile schnell vergessen. Dass Charly seine eigene Kreation war, die er nach Belieben formen konnte, spielte dabei keine entscheidende Rolle. Yael brachte es fertig, dass der Junge wie ein greifbares, lebendes Wesen auftrat, aber es war auch kein Problem für ihn, Charly so vor anderen zu verbergen, dass nicht einmal die Detektoren der Bord-KI seine Anwesenheit registrierten. Wie er das fertig brachte, darüber war er sich selbst nicht im Klaren. Vielleicht hing es mit seinem unfreiwilligen Aufenthalt auf Portas zusammen, vielleicht auch mit der genetischen Besonderheit, die auch seinem Gefieder den außergewöhnlichen golden Farbton verliehen hatte. Letztendlich war der Grund dem jungen Nargen auch herzlich egal – solange er mit Charly einen Freund gefunden hatte, bei dem er sich verstanden fühlte, gab es keinen Grund unnötige Gedanken daran zu verschwenden. „Gefallen dir die Dinger?“

Und wie.“ Charly sprang zu Boden. Er flatterte ein paar Mal versuchsweise mit den Schwingen. Es dauerte einen Augenblick, bis er die Bewegung der Flügel synchronisiert hatte. Doch ohne die angeborene Eleganz eines Nargen gelang es ihm lediglich, einige Handbreit abzuheben, bevor seine rechte Flügelspitze in Yaels Schlafgeschirr geriet, das von der Hüttendecke baumelte. Charly geriet ins Taumeln und sackte zurück auf den Fußboden. Er verzog das Gesicht, als er bemerkte, dass mehrere Schwungfedern die Kollision nicht unbeschadet überstanden hatten und im rechten Winkel von seinem Flügel abstanden. „Mist. Wenn ich sie das nächste Mal ausprobiere, werde ich mir dafür wohl besser eine Stelle aussuchen, an der mehr Platz ist.“ Er faltete die Schwingen ungelenkt hinter seinem Rücken zusammen und stand auf. „Aber ich habe vorhin sowieso nicht die Flügel gemeint, als ich sagte, dass du es hervorragend hinbekommen hast. Es ging eigentlich um die Unterhaltung mit deinem Elter. Er hat total dumm geschaut, als du ihn dir vorgeknöpft hast. Alle Achtung, das hätte ich dir gar nicht zugetraut.“

Findest du? Ehrlich gesagt, ich habe mich schon gefragt, ob ich nicht ein bisschen zu gemein zu ihm war. Immerhin ist er mein Orham, und ich habe ihn nicht gerade fair behandelt.“

Das ist doch egal.“ Charly schnaubt verächtlich auf. „Behandelt er dich etwa fair? Schließlich zwingt er dich dazu, den größten Teil deiner Zeit in diesem Loch zu verbringen. Hat er dich jemals gefragt, ob du überhaupt Lust dazu hast? Nein! Er glaubt, dass er einfach über dich bestimmen kann, wie es ihm gerade passt. Und wenn du dich dann beschwerst, hast du eine Menge Ärger am Hals. Du hast genau das Richtige gemacht, als du ihm mal ordentlich die Meinung gegeigt hast.“

Aber es gibt doch auch einen Grund, weshalb ich mich hier aufhalten soll. Das ist die Welt, aus der wir ursprünglich stammen. Unser Heimatplanet. Jiim will, dass Kalser nicht völlig fremd für mich bleibt, sondern ich mich darauf zurechtfinden kann.“

He, Kumpel, kapierst du denn gar nicht, dass dein angeblich so selbstloser Orham gerade dabei ist, dich ganz gewaltig um den Finger zu wickeln?“ Charly verschränkte empört die Arme vor der Brust. „Weißt du denn, ob es auf Kalser tatsächlich so aussieht? Vielleicht macht er dir nur etwas vor. Es könnte doch sein, dass es dort noch viel mehr gibt, als ein paar Bäume, einen Abgrund und einen Haufen Steine. Vielleicht hat er seine Gründe, weshalb er dir das nicht zeigen will.“

Das kann ich mir nicht vorstellen.“ Yael schüttelte den Kopf. „Der Commander und Scobee haben mir Kalser auch so beschrieben, wie wir es hier sehen. Sie müssen es doch wissen, schließlich waren sie schon dort.“

Erwachsene ...“ Charly brachte es fertig, dass die Bezeichnung wie ein Schimpfwort klang. „Du musst endlich begreifen, dass die immer gemeinsam unter einer Decke stecken, wenn es darum geht, uns für blöd zu verkaufen. Das ist die reinste Verschwörung, das sage ich dir. Wahrscheinlich würden sich die Typen eher die Zunge abbeißen, als dem zu widersprechen, was dein Elter dir aufgetischt hat.“ Er baute sich dicht vor seinem Freund auf. „Du darfst einfach nicht alles glauben, was sie dir sagen. Oder willst du etwa behaupten, dass dir nicht aufgefallen ist, dass sie sich manchmal aufführen, als hätten sie dafür die Erlaubnis von Plepp … Peph … wie heißt noch mal dieser Gott, den dein Orham andauernd erwähnt?“

Plephes.“

Plephes ... Schmephes ... ist mir völlig egal. Wahrscheinlich ist der auch bloß so eine Erfindung von ihnen, um dich damit zu beeindrucken. Und du fällst auch noch drauf rein.“

Das tue ich nicht.“ Yael warf trotzig den Kopf in den Nacken.

Dann beweis es mir.“

Wie soll ich das machen?“

Das kann ich dir momentan auch nicht sagen.“ Charly schlenderte betont lässig zurück ans Fenster. Erst dort wandte er seinem Freund über die Schulter hinweg wieder das Gesicht zu. „Aber ich bin mir sicher, dass mir bei passender Gelegenheit schon etwas einfallen wird ...“



2. Kapitel


Siroona hatte sich auf eine Anhöhe unweit des Granogk zurückgezogen, wo sie nun am Boden kauerte. Obwohl das Klima auf Nar’gog mild und gemäßigt war und sie keinen Schutz gegen die Witterung benötigt hätte, trug die Foronin ihre Rüstung aus Nanoteilchen. Die Milliarden winzigster Partikel hatten sich als gleichmäßige Hülle um ihren Körper gelegt, die nur noch eine handtellergroße Stelle ihres augenlosen Gesichts freiließ. Früher einmal – Siroona schien diese Zeit so unendlich weit entfernt, dass ihr die Erinnerungen daran schon beinahe wie ein Traum vorkamen, der nach dem Erwachen immer weiter verblasste – hatte die Rüstung sie als eine Angehörige der Hohen Sieben ausgezeichnet. Als Mitglied der Führungsriege der Foronen hatte sie das Privileg besessen, einen solchen Panzer zu tragen, der seinem Besitzer umfassenden Schutz und ein Höchstmaß an Kraft verlieh. Kraft . Schon allein der Gedanke daran kam Siroona so vor, als würde sie sich selbst verspotten. Heute war die Rüstung kaum mehr als ein hochkomplexes Korsett, das ihren altersschwachen Körper stützte.

Was ist nur aus dir geworden , dachte Siroona in einem weiteren Anflug von Bitterkeit, wie er sie in den vergangenen Wochen immer öfter überkam. Eine jämmerliche Kreatur, die auf einem Hügel hockt, kaum fähig sich zu rühren. Ein Schatten deiner Selbst. Wenn die, die dich einstmals gefürchtet haben, dich in diesem Zustand sehen könnten, würden sie vor Genugtuung ein Freudenfest nach dem anderen veranstalten. Und sie hätten Recht damit. So wie es um dich bestellt ist, bestünde keine Veranlassung dafür zu warten, bis du tatsächlich gestorben bist. Genau betrachtet, bist du doch schon jetzt nicht mehr als ein lebender Leichnam.

Die Foronin richtete das Gesicht in die Ferne. Die Sonne Nar’gogs näherte sich unaufhaltsam dem Horizont. Obwohl sie sich selbst dafür verachtete, konnte Siroona nicht verhindern, dass eine weitere Welle von Selbstmitleid über sie hereinbrach. Glich ihr eigenes Schicksal nicht in erschreckendem Maß dem Weg dieser orangeroten Glutkugel? Auf ihrem Höhepunkt angelangt, besaß sie genug Energie, um ganze Welten damit zu versorgen – oder sie zu Asche zu verbrennen , fügte eine weitere Stimme am Rand ihres Bewusstseins augenblicklich hinzu –, aber dann begann unausweichlich der Abstieg. Ihre Kräfte würden immer weniger werden, bis nur noch ein schwaches Nachglühen davon zu spüren war, bevor es schließlich zum endgültigen Untergang kam. Natürlich gab es auch einen erheblichen Unterschied: Die Sonne würde sich schon bald wieder neu strahlend erheben – während ihrer eigenen Zukunft lediglich eine endlose Nacht bevorstand.

Lass endlich diesen sentimentalen Unsinn , ermahnte Siroona sich selbst. Du hörst dich ja schon beinahe so an, wie eine dieser primitiven Kreaturen, die glauben, dass sie im Zentrum des Universums stehen und alles andere sich um sie dreht. Die Wanderung der Sonne ist ein Ergebnis der Planetenrotation. Außerdem ist das Ding natürlich auch nicht unsterblich. Irgendwann wird es explodieren. Ein gewaltiger RUMMS ! – das war es dann gewesen. Es gibt also nicht den geringsten Anlass dazu, bei ihrem Anblick in kitschige Gefühlsduselei zu verfallen.

Du wirkst nachdenklich“, sagte in diesem Moment eine Stimme hinter ihr. „Gibt es dafür einen besonderen Grund?“ Als Siroona sich umwandte, sah sie, dass Porlac herangekommen war. Offenbar war sie so in ihren Grübeleien versunken gewesen, dass sie das Auftauchen des Jay’nac nicht bemerkt hatte – ein Fehler, der ihr früher so niemals unterlaufen wäre. Die Foronin versuchte, den Eindruck von Schwäche, den sie zweifellos bei Porlac hinterlassen haben musste, durch eine betont aufrechte Haltung, die sie sofort einnahm, wenigstens teilweise wieder wettzumachen.

Die Nanorüstung zog sich so weit von ihrem Gesicht zurück, dass sie die Mundmembrane freilegte. „Einen Grund?!“, schnarrte Siroona bissig. „Es gibt so viele, dass mindestens fünfzig eurer Standard-Chronopotenziale nötig wären, um sie alle aufzuzählen.“

Ich muss gestehen, du machst mich neugierig“, entgegnete Porlac, der keinerlei Anzeichen erkennen ließ, dass er sich von der ihm entgegengebrachten Feindseligkeit vertreiben lassen würde. „Ich habe Zeit – was eigentlich nicht verwunderlich ist, wenn man bedenkt, dass Keelon für uns arbeiten. Du kannst mir also in aller Ruhe erzählen, was dir im Kopf herumgeht.“

Siroona musterte ihn eine Weile schweigend, so, als müsste sie sich erst darüber klar werden, ob die Bemerkung ihres ungebetenen Besuchers vielleicht scherzhaft gemeint war. „Ich glaube nicht, dass du das verstehen könntest“, entgegnete sie schließlich abweisend.

Warum lässt du es nicht einfach auf einen Versuch ankommen? Schließlich hast du nichts zu verlieren.“

... außer auch noch dem letzten Rest meiner Selbstachtung“, stieß die Foronin so schnell hervor, dass sie ihre Äußerung im nächsten Augenblick auch schon wieder bereute. Du musst vorsichtiger sein, rief sie sich ins Gedächtnis. Es hat Zeiten gegeben, da hätte man dich nicht so schnell aus der Reserve locken können. Unwillkürlich kamen ihr die Geschehnisse im Septemvirat wieder in den Sinn. Innerhalb der foronischen Führungsriege war sie die Zweite gewesen. Hinter Sobek. In Anbetracht des erbarmungslosen Konkurrenzkampfes und der Intrigen, die unter den Hohen Sieben geschmiedet worden waren, hätte sie niemals ihre Stellung so erfolgreich behaupten können, wenn ihre Reaktionen vorhersehbar – und damit manipulierbar – gewesen wären. Ihre Widersacher hätten diese Schwachstelle sofort erkannt und gnadenlos ausgenutzt. Siroona war diese Taktik bestens vertraut – schließlich hatte sie sie oft genug selbst angewandt.

Das hört sich beinah so an, als würdest du mich für deinen Zustand verantwortlich machen.“

Gut erkannt“, ätzte die Foronenführerin. „Schließlich habe ich es dir zu verdanken, dass ich auf diesen Dreckklumpen verschleppt wurde, auf dem man keinen Schritt machen kann, ohne sich fragen zu müssen, ob man auf dem Planetenboden oder einem seiner Bewohner herumtrampelt.“ Siroona war das Unbehagen deutlich anzuhören, das sie den Jay’nac entgegenbrachte. Dieses Gefühl lag nicht nur in der absoluten Fremdartigkeit begründet, die dieser anorganischen Lebensform zu eigen war. Die Körper der Jay’nac basierten auf Siliziumverbindungen, die ihnen manchmal das Aussehen von lebendigen Steinen verliehen. Porlac und seine Artgenossen besaßen die Eigenschaft, die Form gewaltiger Gebilde anzunehmen, von denen sie bei Bedarf autark agierende Teilstücke abspalten konnten. Da sie auf diese Weise sogar mit Raumschiffen unterwegs waren, die zu einem großen Prozentsatz aus ihnen selbst bestanden, war es für jede andere Rasse tatsächlich nicht gerade einfach, immer zu erkennen, wann sie es mit toter Materie zu tun hatten, beziehungsweise wann ihnen ein Jay’nac gegenüberstand. Dass Porlacs Volk sich auch als maßgeblicher Drahtzieher für die Verdrängung der Foronen aus ihrer ursprünglichen Heimat, der Großen Magellanschen Wolke, herausgestellt hatte, schürte Siroonas Misstrauen noch zusätzlich. Die Machenschaften der Jay’nac waren letztendlich der Grund dafür gewesen, dass sie ins Exil zur Milchstraße aufgebrochen waren.

Du fühlst dich fremd. Das kann ich verstehen.“ Porlac nickte. „Das Gefühl muss noch schlimmer geworden sein, seit die Erinjij–Frau von hier abgeholt worden ist.“

Da täuschst du dich . Siroonas Antwort erfolgte so prompt, dass sie nicht einmal die Zeit fand, die Worte akustisch zu äußern, sondern sie direkt in das Bewusstsein ihres Gesprächspartners pflanzte. Ich vermisse diese jämmerliche Kreatur absolut nicht. Ganz im Gegenteil, ich sollte dieser goldenen Kugel sogar dankbar dafür sein, dass sie dafür gesorgt hat, dass sie mich mit ihren Unverschämtheiten nicht länger belästigen kann. Natürlich entsprach das nicht der vollen Wahrheit. Seit Scobee das fremde Gigantenraumschiff bestiegen hatte, hatte die Foronin noch oft an sie denken müssen. Siroonas Emotionen waren dabei ein seltsames Gebräu aus Neid und Wehmut gewesen. Neid, weil seit ihrer letzten Begegnung die Zeit scheinbar spurlos an der GenTec vorbeigegangen war. Scobees makellose Schönheit machte Siroona ihren eigenen körperlichen Verfall nur um so schmerzhafter bewusst. Das Gefühl von Wehmut kam hinzu, weil die beiden Frauen zwar immer ihre Konflikte miteinander gehabt hatten – wenn es um den Austausch verbaler Spitzen ging, hatten sie sich gegenseitig nichts geschenkt –, aber dadurch auch auf einer emotionalen Basis miteinander kommuniziert hatten, die die Foronin jedem anderen Wesen, das auf Nar’gog anzutreffen war, schlichtweg absprach. Seit Scobees Entführung war die Chance, in der Fremde einen Bündnispartner zu finden gegen Null gesunken – eine Erkenntnis, die noch zusätzlichen Ballast für das geschundene Gemüt der ehemaligen Foronenführerin bedeutete.

Porlac erkannte, dass er einen wunden Punkt seines Gegenübers getroffen hatte. Bei seiner Rolle als Unterhändler beim Friedensschluss mit den Satoga hatte er sich jedoch genügend diplomatisches Geschick angeeignet, um zu begreifen, dass es Situationen gab, in denen es durchaus von Vorteil war, nicht auf sein besseres Wissen zu beharren. „Wie du meinst“, erwiderte er deshalb. „Aber wenn das Verschwinden der Erinjij–Frau doch eine Erleichterung für dich ist, weshalb befindest du dich dann in einem so desolaten Zustand, dass deiner gesamten Existenz offenbar die Grundlage entzogen wird?“

Du Ahnungsloser.“ Aus Siroonas Sprechmembrane drang ein kratzendes Geräusch, das der foronischen Entsprechung eines bitteren Auflachens entsprach. „Sogar einem Klotz wie dir dürfte eigentlich nicht verborgen geblieben sein, was mit mir vor sich geht.“

Ich weiß nicht, wovon du sprichst.“

Die Foronin trat direkt vor ihn. Porlacs Verständnislosigkeit ließ eine grenzenlose Wut in Siroona aufbrodeln, die sie jede weitere Zurückhaltung vergessen ließ. Sie breitete die Arme aus. In ihrer Rüstung bildete sich ein vertikaler Riss, der von ihrem Schädel bis hinunter zum Boden reichte. In der Lücke der Nanopartikel, die an eine riesige, klaffende Wunde erinnerte, war ein knochiger, welker Körper zu erkennen. „Sieh mich an“, forderte Siroona den Jay’nac auf. „Das müsste dir als Antwort eigentlich genügen.“

Du ... verfällst .“

Besten Dank. Treffender hätte ich es selbst kaum ausdrücken können.“ Wieder erklang das dissonante Kratzen.

Ich wollte dich nicht beleidigen“, beteuerte Porlac. „Aber ist es denn nicht eine den organischen Lebensformen angeborene Eigenart, dass ihre Körper verschiedene Entwicklungsstufen der Zersetzung durchlaufen? Deswegen begreife ich nicht, weshalb dieser für eure Art so natürliche Prozess ein so außergewöhnliches Potenzial an emotionaler Belastungsenergie in dir freisetzt.“

Es hätte mich auch gewundert, wenn du das verstanden hättest.“ Der Zorn im Tonfall der Foronin machte zunehmend einer resignierten Klangfarbe Platz. „Vermutlich ist das etwas, was du schlichtweg nicht nachvollziehen kannst. Keiner von deinem Volk könnte das. Schließlich werdet ihr, im wahrsten Sinn des Wortes, alt wie ein Stein .“

Dann versuch es mir zu erklären.“

Meinetwegen.“ Siroona verstummte einen Augenblick, um ein Mindestmaß an Ordnung in das Chaos ihrer Gedanken zu bringen. Der mentale Befehl, den sie dabei an ihre Rüstung sandte, war nicht von der sonst üblichen Eindeutigkeit. Die Nanoteilchen begannen sich wie ein Haufen aufgeschreckter Insekten über ihrem Körper zu verteilen. Die Oberfläche des Harnischs schien wellenförmig zu pulsieren, bevor sich die Lücke in ihm schließlich doch noch schloss. Die Foronin sank erschöpft zu Boden. Erst nach einem schwachen Kopfschütteln gab die Hülle einen maskenhaften Ausschnitt ihres Gesichts wieder frei. „Der natürliche Prozess , wie du ihn nennst, ist nichts, was so einfach hinzunehmen ist“, begann Siroona mit ihren Erläuterungen. „Zumindest nicht für mich. Er geht nämlich mit einem irreversiblen Verlust von Kraft einher. Das Alter ist wie eine heimtückische, schleichende Krankheit, bei der es keine Aussicht auf Heilung gibt. Und wenn es etwas gibt, das ich schon immer zutiefst verachtet habe, dann war es Schwäche. Der Mangel an Stärke – egal, ob körperlicher oder geistiger Natur – war für mich stets ein deutliches Indiz für Unterlegenheit. Leben bedeutet Kampf. Deshalb wird der Stärkere immer über den Schwächeren triumphieren. Für den Verlierer habe ich höchstens Hohn übrig. Das war schon immer so, und daran wird sich auch nichts ändern. Selbst wenn mir immer klarer wird, was für ein erbärmliches Bild ich selbst mittlerweile abgeben muss.“

Ist das Urteil, das du über dich selbst sprichst, nicht zu streng?“

Absolut nicht“, widersprach die Foronin. Während ihres unfreiwilligen Aufenthalts auf Nar’gog hatte sie viel Zeit zum Nachdenken gehabt. Zuviel Zeit. Beim Rückblick auf ihr Leben war das Resümee reichlich bitter ausgefallen. „Die Fakten sprechen eindeutig gegen mich.“ Sie sah, dass Porlac Einspruch erheben wollte, brachte ihn aber mit einer energischen Geste zum Schweigen. Wie es aussieht, scheinst du deine Autorität doch noch nicht vollständig eingebüßt zu haben, stellte Siroona mit einem Anflug von Genugtuung fest. „Einst war ich eine der Hohen Sieben, bevor uns die Virgh ins Exil in eine andere Galaxis getrieben haben. Dort konnten wir nicht verhindern, dass ein Haufen Erinjij die Herrschaft über die SESHA übernommen hat. Es gelang uns zwar, unser Heiligtum kurzfristig zurückzuerobern. Aber der Plan, ein Band von Relaisstationen bis zum Andromedanebel zu erstellen, ging nicht nur schief, sondern hat uns wohl auch alle Schiffe gekostet. Das Schicksal unserer Führungsriege ist genauso ungewiss wie das unseres gesamten Volkes. Das ist mir während des Stasisschlafs auf RUDIMENT-2 immer klarer geworden.“

Während des Stasisschlafs?“ , wiederholte der Jay’nac verwundert. „Ist der für organische Lebensformen denn nicht mit einer Bewusstlosigkeit verbunden?“

Nicht für uns Foronen.“ Siroona versuchte die Erinnerungen daran, die nur darauf gelauert zu haben schienen, wie ein Rudel blutrünstiger Bestien über sie herzufallen, so weit wie möglich zurückzudrängen. Der zunächst lebensrettende Zustand der Stasis hatte sich in ihrem Fall schon bald als regelrechte Folter herausgestellt: Ein aktiver Geist, der in einem starren Körper zur Bewegungslosigkeit verdammt war, geriet schon bald an die Grenzen seiner Belastbarkeit. Erst recht, wenn sich der Zustand auf eine nicht absehbare Zeitspanne in die Länge zog. „Bevor ihr mich wieder aufgeweckt habt, stand ich mehrmals kurz davor, den Verstand zu verlieren, das kannst du mir glauben. Dann musste ich auch noch feststellen, dass trotz aller getroffener Vorsichtsmaßnahmen die Zeit nicht spurlos an mir vorübergegangen ist. Ich konnte nichts dagegen tun, dass ihr mich hierher verschleppt habt. Auf einen Planeten, dessen Fremdartigkeit mir die Ausweglosigkeit meiner Situation immer wieder neu bewusst werden lässt. Wie du siehst, war mein gesamtes Leben ein einziger Niedergang. Ein Verfall auf politischer, körperlicher und geistiger Ebene. Was ist denn aus mir geworden? Eine isolierte, alte Frau, die auf Nar’gog festsitzt und auf das Sterben wartet.“ Die Foronin senkte den Kopf. „Manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich den Tod regelrecht herbeisehne. Auch wenn ich mich frage, was mich dann erwartet. Außer dem endlosen schwarzen Nichts ...“ Sie sackte erschöpft noch weiter in sich zusammen.

Gibt es denn gar nichts, das dich am Leben festhalten lässt?“, wollte Porlac wissen.

So etwas wie eine Aufgabe, meinst du? Siroonas Stimme, die in sein Bewusstsein drang, war kaum mehr als ein Flüstern. Nein, auf Nar’gog bin ich zur Nutzlosigkeit verdammt. Und selbst wenn es die gäbe, glaube ich nicht, dass ich noch die Kraft dazu hätte, sie zu erfüllen. Ich bin verschlissen wie ein Stück veralteter Technik. Bloß, dass es für eine wie mich keine Ersatzteile gibt. Genauso ist es: nutzlos, ausgemustert und reif für die Verschrottung. Findest du nicht auch, dass das meine Situation ziemlich treffend beschreibt?

Porlac ging nicht auf ihre sarkastische Frage ein. „Nein, ich spreche von einem ganz anderen Gefühl.“ Er stockte, als würde ihm schlagartig bewusst, dass er gerade dabei war, sich auf ein Terrain vorzuwagen, das völlig neu für ihn war. Genauso neu, wie die Empfindungen, die ihn seit Neustem plagten, wie unsichtbare Stricke an ihm zerrten. Er hatte bisher noch mit keinem darüber gesprochen. Mit keinem anderen Jay’nac – und erst recht nicht mit einem Angehörigen der beiden organischen Lebensformen, die ebenfalls auf Nar’gog ansässig waren: Felorer und Keelon. Weshalb sollte ich mich dann ausgerechnet der Foronin offenbaren, die keine Verbündete, sondern lediglich eine Gefangene ist?, fragte sich Porlac. Als erfahrenem Diplomat fiel es ihm nicht schwer, seine Gedanken so abzuschirmen, dass sie nicht gegen seinen Willen ausspioniert werden konnten. Andererseits, Siroona hat auch preisgegeben, wie es um ihr Innerstes bestellt ist. Vielleicht kann sie mir dabei helfen, herauszufinden, was das alles zu bedeuten hat. „So etwas wie ein Drang, dem du kaum widerstehen kannst“, fuhr er schließlich fort. „Wie eine innere Stimme, die nach dir ruft und sagt, was du zu tun hast.“

Eine innere Stimme ?, fragte Siroona auf telepathischem Weg. Jede Wort fühlte sich an wie ein gehässiges Zuschnappen. Damit kann ich dir dienen. Wenn du also jemand suchst, der dir Befehle erteilt, kannst du dich gerne an mich wenden. Es wäre bestimmt eine nette Abwechslung, mal wieder jemanden zu haben, den ich herumkommandieren kann.

Es macht wohl keinen Sinn, mit dir über dieses Thema zu reden“, entgegnete Porlac gereizt. „Wahrscheinlich bist du dafür einfach zu alt und zu verbittert.“ Er blickte zum nächtlichen Himmel, als würden dort irgendwo die Antworten liegen, die die Foronin ihm nicht geben konnte – oder nicht wollte.

Siroona zuckte zusammen, denn sie begriff, dass sie zu weit gegangen war. Porlac hatte ihr keinen Anlass geboten, ihn in einer solchen Schärfe zu attackieren. Er hatte sich lediglich nach ihrem Befinden erkundigt, und bei seiner Besorgnis um sie schien es sich nicht nur um ein taktisches Manöver zu handeln. Die Unterhaltung mit ihm war die interessanteste Kommunikation gewesen, die sie seit langem geführt hatte. Und sie hatte nichts Besseres zu tun, als Porlac zu verprellen. Das war die dümmste sämtlicher möglicher Reaktionen gewesen. Wenn sie also nicht riskieren wollte, auf Nar’gog in vollständige Isolation zu geraten, war sie gut beraten, die von ihr aufgewirbelten Wogen so schnell wie möglich wieder zu glätten. „Es tut mir leid“, beteuerte Siroona. Warst das wirklich du, die das gerade gesagt hat? , meldete sich ihr Unterbewusstsein leise zu Wort. Wie weit ist es mit dir gekommen, dass du vor anderen Abbitte leistest. Das wäre dir früher niemals passiert. Im Gegenteil, du hättest jeden mit Verachtung gestraft, der angekrochen gekommen wäre, um um Vergebung zu winseln. Doch die Foronin zwang sich dazu, der Ermahnung keine Beachtung zu schenken. „Es war nicht meine Absicht, dich zu kränken. Bitte versuch, mir näher zu erklären, was es mit dieser inneren Stimme auf sich hat. Vielleicht begreife ich dann, was du mir sagen wolltest.“

Vielleicht ein anderes Mal.“ Porlac wandte sich ab. „Ich spüre, dass das Granogk nach mir ruft. Es scheint außergewöhnliche Entwicklungen zu geben, denn eine solche Zusammenkunft war nicht geplant.“ Ohne einen Hinweis zu geben, ob es sich dabei lediglich um eine Ausrede handelte, um einem weiteren Gespräch aus dem Weg zu gehen, wandte er sich ab und ließ Siroona einsam unter dem nächtlichen Sternenhimmel zurück.



3. Kapitel


Sesha. Status!“ Cloud saß in seinem Kommandositz, hatte den Deckel jedoch nicht geschlossen. „Wie lange dauert es noch bis zur Berechnung der Koordinaten für unser nächstes Ziel?“

Die Bord-KI entgegnete nichts. Stattdessen begannen endlose Zahlenreihen durch die Holosäule zu jagen, die sich in der Mitte des Sitzkreises gebildet hatte. Die Projektion erfolgte in einer solch rasenden Geschwindigkeit, dass die Einzelnen Ziffern zu leuchtenden Farblinien verschmolzen.

Cloud warf Scobee, die im Sessel links von ihm saß, einen kurzen Seitenblick zu. Die GenTec antwortete mit einem besorgten Nicken. Obwohl kein einziges Wort gefallen war, wusste jeder von ihnen, was dem anderen durch den Kopf ging. Doch um die anderen drei Anwesenden in der Zentrale – Jelto, Aylea und Cy – nicht mit voreiligen Äußerungen zu beunruhigen, trafen sie die stille Übereinkunft, es zunächst bei der nonverbalen Kommunikation zu belassen.

Ich habe dich etwas gefragt, Sesha!“ Die Stimme des Commanders nahm einen energischen Unterton an. „Wie sieht es mit den Koordinaten aus?“

Bestens“, erwiderte die KI in dem ihr charakteristischen femininen Tonfall. „Sie scheinen sich in meinem Speicher wie zu Hause zu fühlen.“

Cloud zog eine Augenbraue in die Höhe. „Sehr witzig, Sesha, wirklich. Bei der passenden Gelegenheit werden wir auch ganz bestimmt über diese Bemerkung lachen. Aber könntest du in der Zwischenzeit deine Angaben etwas präzisieren? Wie lange dauert es, bis wir bei Kalser eintreffen?“

Transition vom Angksystem in den Scutum-Crux-Arm erfolgt in Nullzeit. Anschließendes Streaming bis zum Endziel erfolgt in 10,735 ... Korrektur: in 9,735 Erdtagen.“

Danke, Sesha. Bereite alles für den Sprung vor.“ John Cloud räusperte sich, bevor er den nächsten Befehl gab. „Dann möchte ich, dass du die gesamte Zentrale vorübergehend als Privatbereich einordnest. Das heißt, dass ich keinen Kommentar von dir erwarte. Auch sämtliche Aufzeichnungen sind dir untersagt. Ich werde dir über den entsprechenden Tastencode auf der Konsole mitteilen, wenn ich neue Anordnungen für dich habe.“

Verstanden“, entgegnete die Bord-KI knapp. Ein dumpfes Knacken war zu hören, als sie einen Augenblick später die Verbindung unterbrach. Das Geräusch, das einem alten Röhrenradio hätte entstammen können, war ihr Kommentar zu der ungewöhnlichen Anweisung des Commanders. Gleichzeitig erschien auf der Holosäule eine betont neutrale Abbildung der Milchstraße.

Schätze, das hat ihr nicht gepasst.“ Aylea stand von ihrem Sitz auf. „Gab es einen bestimmten Grund, sie so vor den Kopf zu stoßen?“ Die Zwölfjährige kam Cloud entgegen. Da sie dabei den kürzesten Weg zu seinem Platz nahm, durchschritt sie die Projektion und wirkte wie ein gigantisches Wesen, das urplötzlich aus der Mitte einer Galaxie hervorbrach.

Ich finde, Sesha benimmt sich in der letzten Zeit reichlich merkwürdig.“ Auch Cloud hatte sich aus seinem Kommandosessel erhoben. Zunächst sah er nur Aylea an, doch dann ließ er den Blick auch über die restlichen Anwesenden wandern, als Zeichen, dass er auch von ihnen einen Stellungnahme erwartete. „Oder wollt ihr etwa behaupten, dass euch das noch nicht aufgefallen ist? Und ich spreche jetzt nicht nur für ihre Vorliebe für schlechte Witze, die sie für sich entdeckt zu haben scheint.““

Jelto war der Erste von ihnen, der das Wort ergriff. „Na ja, ein paar Merkwürdigkeiten gab es da schon.“ Der Florenhüter wiegte den Kopf hin und her. „Vor ein paar Tagen hat sie beispielsweise die Zusammensetzung der dem Gießwasser zugesetzten Nährstoffe einfach geändert, ohne mir auch nur einen Ton davon zu sagen. Es war nichts Ernstes und mir ist es auch noch rechtzeitig aufgefallen, bevor ein Schaden an den Pflanzen entstehen konnte. Aber bisher war so etwas noch nie vorgekommen.“ Die Sorge um das Wohl seiner Hydroponischen Gärten ließ seine Aura ins Zittern geraten wie eine Kerzenflamme, die einem Luftzug ausgesetzt war.

Mir ist es kaum besser ergangen“, pflichtete ihm Cy bei. Die Stimme des Pflanzenwesens wurde von einem entrüsteten Rascheln überlagert. „Das Licht, dem ich mich regelmäßig aussetze, um meine Photosynthese ein bisschen in Schwung zu bringen, war urplötzlich auf einem so hohen Energielevel, dass ich froh sein kann, dass meine Blätter keinen bleibenden Schaden genommen haben. Als ich Sesha gefragt habe, ob sie vor hat mein Chlorophyll zum Verdampfen zu bringen, war ihr das zwar sichtlich unangenehm, macht die Sache aber auch nicht besser.“

Das hört sich nicht gut an.“ John Clouds Miene verfinsterte sich zusehends. „Bisher waren es bloß ein paar Kleinigkeiten. Aber wenn das so weitergeht, wird es nicht mehr lange dauern, bis die ersten größeren Probleme auftreten. Dann hört der Spaß auf. Auf einem Schiff wie der RUBIKON muss man sich auf die Bord-KI verlassen können. Hundertprozentig. Ansonsten kann es in einer kritischen Situation schnell zu einer Katastrophe kommen. In meiner Verantwortung als Kommandeur kann und will ich das nicht riskieren. Erst recht nicht, seit die Zahl der Besatzung um mehr als das Hundertfache angewachsen ist.“

Habt ihr denn feststellen können, seit wann Sesha nicht mehr richtig tickt?“, erkundigte sich Aylea – und brachte John Cloud damit unwillkürlich zum Schmunzeln. Obwohl das blonde Mädchens über den scharfen Verstand einer Erwachsenen verfügte, verfiel es immer mal wieder in eine kindliche Ausdrucksweise.

Wenn mich nicht alles täuscht hat es angefangen, als Kargor in ihr herumgepfuscht hat“, entgegnete Scobee an Clouds Stelle. Das war allerdings nur eine sehr gezügelte Beschreibung der damaligen Vorkommnisse. Nachdem der Bractone auf die RUBIKON gekommen war, hatte er nicht nur die Kontrolle über die KI, sondern über das gesamte Schiff übernommen. „Sie hat sich danach nicht einmal daran erinnert, dass er sie zumindest zeitweise lahmgelegt hatte. Hinterher war sie einfach nicht mehr die alte.“

Schön und gut. Das heißt, wir haben eine Vermutung, was das Problem verursacht haben könnte.“ Jelto verschränkte die Arme vor der Brust. „Aber was bedeutet das jetzt genau für uns? Welche Konsequenzen hat das für das Leben an Bord – und für Sesha?“

Alle Gesichter wandten sich fragend John Cloud zu.

Dem war durchaus klar, dass ihm als Commander des Rochenschiffs die Aufgabe zufiel, eine Entscheidung zu treffen. Da er sich bereits vorher Gedanken über diese Problematik gemacht hatte, wusste er, dass es in ihrer Situation eigentlich nur eine einzige vernünftige Vorgehensweise gab. „Die Systeme müssen neu kalibriert werden“, verkündete er mit entschlossener Miene. „Und zwar so schnell wie möglich.“

Aber ist Sesha nicht selbst für eine solche Aufgabe zuständig?“, wandte Aylea ein.

Details

Seiten
Jahr
2018
ISBN (ePUB)
9783738924886
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Dezember)
Schlagworte
raumschiff rubikon gott nargen
Zurück

Titel: Raumschiff Rubikon 14 Der Gott der Nargen