Lade Inhalt...

Ein galaktischer Feind

von Alfred Bekker (Autor:in)
©2018 190 Seiten

Zusammenfassung

Ein galaktischer Feind
von Alfred Bekker

Die Menschheit und das Imperium der Luhr kämpften gemeinsam gegen die Invasion der räuberischen Okargs. Unzählige Planeten wurden verwüstet.
Der Terraner Linley versucht zu erforschen, ob im Hintergrund vielleicht noch eine viel schlimmere Bedrohung lauert…

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jack Raymond, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


image
image
image

Ein galaktischer Feind

image

von Alfred Bekker

––––––––

image

DIE MENSCHHEIT UND das Imperium der Luhr kämpften gemeinsam gegen die Invasion der räuberischen Okargs. Unzählige Planeten wurden verwüstet.

Der Terraner Linley versucht zu erforschen, ob im Hintergrund vielleicht noch eine viel schlimmere Bedrohung lauert...

––––––––

image

ALFRED BEKKER IST EIN bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jack Raymond, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

image
image
image

Copyright

image

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

image
image
image

1

image

Lanat war ein Luhr.

Genauer gesagt: Ein Blauer Luhr.

Und er hatte eine besondere Begabung.

Er konnte sich an Zeiten und Geschehnisse erinnern, die sich ereignet hatten, lange bevor er einst aus seinem Ei geschlüpft war.

Ein genetisches Erinnerungsvermögen nannten das die Geem. So hieß die Wissenschaftler-Kaste der Luhr.

Aber nicht einmal die fortgeschrittene Wissenschaft der Geem konnte dieses Phänomen bis jetzt wirklich zufriedenstellend erklären.

Diese Gabe war einfach da.

Sie war von Anfang an Teil von Lanats Existenz gewesen.

Eine Gabe, die auch unter den Luhr selten war.

Lanats Kopf drehte sich etwas zur Seite. Die Facettenaugen wirkten starr und kalt. Die Fühler bewegten sich. Die Beißwerkzeuge rieben leicht gegeneinander, was ein Geräusch erzeugte, dass für menschliche Ohren ziemlich durchdringend geklungen hätte.

Versenkung....

Das war es, was Lanat jetzt versuchte.

Versenkung in die Erinnerung der Jahrtausende...

*

image

ER STEUERTE EIN KAMPFRAUMSCHIFF. Seine Gedankenimpulse gaben dem System die Befehle. Sein oberes Extremitätenpaar bewegte sich zwar, aber das hatte ebensowenig etwas mit der Steuerung des Kampfraumers zu tun wie die Bewegungen seiner Fühler. Alles ging über das telepathische Interface.

Zusammen mit hunderten anderer Raumschiffe des Luhr-Imperiums flogen sie den Angreifern entgegen.

Die Angreifer - das waren die Okargs.

Wie aus heiterem Himmel waren sie aufgetaucht und waren über die bewohnten Welten der Galaxis hergefallen.

Sie führten Krieg, um des Krieges Willen.

Sie brauchten keinen Grund dafür. Und ihr Krieg hatte auch kein Ziel, außer den der Vernichtung selbst. Der Wille zur Vernichtung anderer war anscheinend Teil ihrer Kultur.

Lanat löste den Feuer-Impuls aus.

Die Energiewaffen seines Kampfraumes spuckten tödliche Strahlen aus.

Ein menschlicher Beobachtrer wäre an die Feuerzunge eines Drachen aus der irdiochen Mythologie erinnert gewesen.

Die Zielerfassung geschah auf eine fast intuitive Weise.

Lanat sah das erste der feindlichen Schiffe explodieren.

Volltreffer!, dachte er.

“Weitere 150 Feind-Einheiten materialisieren aus dem Hyperraum”, erreichte ihn über das telepathische System-Interface eine Nachricht.

Die Übermacht war gewaltig.

Die Raumschlacht tobte. Aber so groß die Übermacht der Okargs auch sein mochte, diesmal würden sie vernichtend geschlagen werden. Ein Okarg-Schiff nach dem anderen verglühte im Feuer der Luhr Flotte.

*

image

DIES SIND NICHT MEINE Erinnerungen!, musste sich Latan erneut klarmachen. Ich war nicht der Pilot des Kampfraumers in der Schlacht gegen die Okarg. Das war ein anderer! Ein Vorfahre...

Sehr lange hatte der Krieg gegen die Okarg gedauert.

Und er war längst beendet.

Die Okarg waren inzwischen besiegt.

Ihr Planet war besetzt worden. Die Menschen - auch Terraner genannt - versuchten dort, eine neue, friedliche Ordnung zu etablieren. Mit welchem Erfolg, das war in Latans Facettenaugen zweifelhaft. Denn er glaubte nicht daran, dass die Okargs zu so etwas wie Frieden fähig waren.

Aber ein Frage blieb: Waren die Okargs der uralte Feind?

Jener uralte, gesichtslose Feind, der die Luhr im Laufe ihrerer Geschichte immer wieder heimgesucht hatte?

Dieser uralte Feind hatte die Sonnen der Luhr-Planeten in Supernovae verwandelt.

Dazu waren sie im Stande gewesen.

Die Überlieferungen waren allerdings spärlich.

Und bislang gab es keine Beweise, dass die Okargs überhaupt dazu in der Lage waren, Sonnen in Supernovae zu verwandeln.

Die Okargs besaßen viele furchtbare Waffen. Ihre Körper wurden von Hyperraumblasen umgeben, sodass man ihre Gestalt nur schattenhaft erkennen konnte - gleichgültig, ib es nun ein Facettenauge der Luhr oder ein menschliches Auge war, das sie betrachtete.

Aber die Tatsache, dass es diese Hyperraumblasen gab, zeigten eine besondere Affinität zu diesem übergeordneten Kontinuum. Und mit einer Technik, die auf dessen Verständnis beruhte, konnte man sich durchaus theoretisch vorstellen, wie man die Verwandlung von Sonnen in Novae als Waffe einsetzen konnte.

Allerdings gab es nicht einen einzigen dokumentierten Fall, in dem die Okargs das wirklich getan hatten.

Der alte Feind jedoch schon...

War das nur eine Legende?, dachte Latan. Ich glaube nicht... Und ich glaube auch nicht, dass die Okargs mit dem alten Feind aus der Vergangenheit identisch sind!

Latan rieb seine Beißwerkzeuge intensiver gegeneinander.

Dies sind nicht meine Erinnerungen!, rief er sich noch einmal sehr deutlich ins Bewusstsein.

Er musste in den genetischen Kollektiv-Erinnerungen seiner Vorfahren weiter zurückgehen.

Sehr viel weiter.

Weiter als 2000 Jahre....

(Wenn man in irdischen Maßstäben rechnete!)

Aber das ging einfach nicht.

*

image

UNZÄHLIGE FÜHLERPAARE erzeugte ein leichtes Rascheln, wenn sie sich heftig bewegten. Ein Geräusch, das wenig später von dem durchdringenden Chor aus schabenden Beißwerkzeugen überlagert wurde.

Ein Mensch auf einer fremden Welt unter Extraterrestriern...

Commander Linley bedauerte, dass er keine Ohrstöpsel auf diese Mission mitgenommen hatte.

Man hätte in diesem Augenblick unter all den Luhr sein eigenes Wort nicht verstehen können.

Aber das war keineswegs ein Kommunikationshindernis, denn die Luhr kommunizierten telepathisch.

Bin ich wirklich der Diener zweier Herren?, ging es Commander  Linley durch den Kopf. Er diente der Regierung der Erde - aber auch dem Imperium der Luhr. Und eine gewisse Berechtigung hatte diese Bezeichnung auch. Schließlich war er als Terraner Mitglied des Hohen Rates des Luhr-Imperiums.

Ein einzelner humanoider Abgeordneter unter 500 reptilienähnlichen, mit Libellenköpfen ausgestatteten und etwa 2,50 m großen Luhr, deren Beißwerkzeuge geräuschvoll gegeneinander rieben, deren Fühler sich unablässig bewegten und deren Facettenaugen das einfallende Licht auf eigenartige Weise reflektierten.

Aber Linleys Worte wurden im Rat inzwischen sehr ernst genommen.

Und das lag nicht nur an der freundschaftlichen Beziehung, die ihn mit Auarach, dem noch nicht einmal seit einem terranischen Standard-Jahr regierenden neuen Herrscher des Luhr-Imperiums verband. Linley hatte sich allgemein Respekt unter den Luhr erworben. Seitdem er mit dem ihm unterstehenden Forschungsraumschiff EXP-1 das Sharr-System, die alte Heimat der Luhr, erreicht hatte, war es ihm gelungen, intensive Kontakte zu diesem Volk herzustellen. Seine eingehende Beschäftigung mit ihrer Kultur hatte es möglich gemacht, eine Brücke zwischen Terranern und Luhr zu schlagen. Eine Brücke, die sich bis heute als stabil erwiesen hatte, waren die Luhr doch gegenwärtig die zuverlässigsten Verbündeten der Menschheit.

Eine Tatsache, die nicht zuletzt durch den Umstand gestützt wurde, dass es einen gemeinsamen Feind gab: Die insektoiden Okargs, auch Schatten genannt, die die Galaxis mit ihrem Vernichtungsfeldzug heimgesucht hatten.

Immer wieder hatten die Luhr im Verlauf ihrer Geschichte ihre Heimatsysteme verlassen müssen, wenn deren Sonnen durch einen unbekannten Feind zur Explosion gebracht worden waren.

Wer dieser Feind war, blieb letztlich unklar.

Viele glaubten, dass es sich um die Okargs handelte. Aber Linley hegte erhebliche Zweifel daran. Und mit diesen Zweifeln war er keineswegs allein.

Die Luhr waren Richtung Andromeda aufgebrochen, um endlich eine dauerhafte Heimat zu finden. Linley hatte dabei den Geleitschutz befehligt. Aber das Unternehmen war fehlgeschlagen. Zwischen der Milchstraße und Andromeda hatte die sogenannte Specterfront, eine Energiebarriere, die etwa 245 000 Lichtjahre in den Leerraum hineinragte, den Exodus der Luhr  zumindest vorerst gestoppt.

So hatte die kosmische Reise der Luhr zunächst im Darr-System ihr vorläufiges Ende gefunden. 17 Planeten umkreisten den 360 Millionen Kilometer durchmessenden roten Riesen, das Zentralgestirn dieses weit draußen im Leerraum zwischen den Galaxien gelegenen Systems. Vier von ihnen waren von den Luhr mit ihrer überlegenen Technologie umgeformt worden. Die Wasserwelten Darr VIII und IX dienten als Lebensmittelproduzenten. Auf Darr VII, auch Taark genannt, was so viel wie „Herberge“ bedeutete, hatten die Luhr Wohnstätten für die sie begleitenden Terraner errichtet. Dort herrschten für Menschen angenehme klimatische Bedingungen.

Darr VI schließlich, der auf den Namen Teer getauft worden war, stellte das Zentrum dessen dar, was als das Luhr-Imperium bezeichnet wurde.

Teer war die Wohnwelt der Luhr.

Und hier befanden sich auch der Regierungssitz des Luhr-Herrschers Auarach und der Tagungsort des Rates der 500.

Linley blickte kurz auf sein Chrono.

Nach irdischen Maßstäben waren es noch zwei Stunden bis zur nächsten Sitzung dieses Rates. Einer Sitzung, in der es um äußerst wichtige Fragen gehen würde, von deren Entscheidung die Zukunft des Luhr-Volkes abhing.

Linley war schon seit Stunden damit beschäftigt, sich auf diese Sitzung mental vorzubereiten und an seiner Rede zu feilen.

In meiner Situation ist es besonders schwierig zu argumentieren, dachte er. Die Lage des Imperiums hat sich stabilisiert, die Wirtschaft boomt, und nach dem Ende der verheerenden Energiestürme in der Galaxis könnten wir auch wieder daran denken, weitere Planeten zu kolonisieren.

Linley lächelte mild.

Du hast wirklich „wir“ gedacht, als du über die gegenwärtige Lage der Luhr sinniertest!, ging es ihm durch den Kopf. Ein Blick in den Spiegel hätte dich eines Besseren belehren können, meldete sich ein leicht sarkastischer Kommentator in seinem Hinterkopf. Oder hast du je einen Luhr mit grauen Haaren auf dem Libellenkopf gesehen?

Linley unterdrückte ein Gähnen.

Er hatte jetzt viele Stunden am Stück und in höchster Konzentration gearbeitet, sich schier den Kopf über einzelne Formulierungen zerbrochen.

Und das bei einem Publikum, das so etwas wie eine „Sprache“ im herkömmlichen Sinn gar nicht kennt, rief er sich ins Gedächtnis, denn die Luhr verständigten sich über semitelepathische Bildimpulse. Normalerweise brauchte ein Mensch einen gut konfigurierten Translator, um mit den Libellenköpfen in Kontakt treten zu können. Seit Linley zum Mitglied des Luhr-Imperiums und dessen Rat der 500 geworden war, besaß er jedoch ein Implantat, das ihm eine direkte Kommunikation mit ihnen ermöglichte.

Auf diese Weise hatte er aber auch ein besonderes Gespür dafür entwickelt, wie er durch die Benutzung herkömmlicher Standard-Sprech-Worte, telepathische Bildimpulse erzeugen konnte, die auf die Luhr besonders überzeugend und eindrucksvoll wirkten.

Wahrscheinlich werde ich irgendwann in der Lage sein, ein Standardwerk über die rhetorische Wirkung telepathischer Bildimpulse zu verfassen, dachte Linley.

Er ging auf die große Fensterfront zu.

Die Räumlichkeiten, die man ihm innerhalb des Regierungskomplexes zur Verfügung gestellt hatte, waren perfekt an seine menschlichen Bedürfnisse angepasst worden.

Linley atmete tief durch, ließ den Blick hinaus schweifen.

Darr, die rote Riesensonne, deren Aussehen Linley immer schon an Beteigeuze erinnert hatte, stand wie eine riesige überreife Blutorange am Himmel von Teer und tauchte die Gebäude des Regierungskomplexes in ihr mildes, rötliches Licht.

Die Sehnsucht der Luhr nach einer endgültigen Heimat war groß. Linley wusste das nur zu gut. Und gerade jetzt, da die Okarg-Gefahr beseitigt war, glaubten viele von ihnen, sich gewissermaßen zurücklehnen zu können.

Linley schmunzelte unwillkürlich bei diesem Gedanken.

Ein sich zurücklehnender Luhr!, überlegte er. Ein Bild, das man sich nur schwer vorstellen kann, wenn man sich die körperliche Gestalt eines Luhr ansieht! Es wäre interessant, zu sehen, welche telepathischen Bildimpulse es auslöst. Möglicherweise könnte es eine Reaktion hervorrufen, die eine Analogie zu dem darstellt, was wir Terraner Humor nennen.

Ein Summton riss Linley aus seinen Gedanken.

Er wandte den Blick. Eine Anzeige machte deutlich, dass jemand den Raum zu betreten wünschte und lieferte auch gleich eine 3-D-Projektion des Gastes.

Der Gast war allerdings kein gewöhnlicher Luhr.

Seine Haut schimmerte kobaltblau.

„Lanat!“, flüsterte Linley und gab eine Bestätigung ab, damit der Gast eintreten konnte.

Lanat war der erste Vertreter einer neuen Luhr-Art gewesen, dem noch viele weitere gefolgt waren. Aus einer vergessenen Puppe geschlüpft, hatte er sich nach seinem Geburtsplaneten benannt. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Luhr waren die „Blauen“ nur etwa zwei Meter groß und sowohl gegen die Auswirkungen der Strahlenstürme als auch die sogenannte Specterfront resistent.

Eine Schiebetür öffnete sich.

Lanat trat ein.

Seine Projektion hingegen löste sich in Nichts auf.

„Sei gegrüßt, Linley“, signalisierte der Blaue Luhr.

Linleys Implantat sorgte dafür, dass die Bildimpulse des Blauen für die Weiterverarbeitung innerhalb des menschlichen Gehirns in Worte umgewandelt wurden. Gewiss waren damit noch lange nicht sämtliche Kommunikationsprobleme beseitigt. Aber das Implantat arbeitete natürlich wesentlich bedeutungsgenauer als jeder noch so leistungsfähige Translator es vermocht hätte.

„Sei gegrüßt, Lanat.“

Eine der Sitzschalen veränderte ihre Form automatisch so, dass sie sich der Körperform des Blauen Luhr perfekt anpasste.

„Nicht mehr lange, und die Sitzung des Hohen Rates beginnt, Linley.“

„Ich habe mich bis eben darauf vorbereitet.“

„Ich zweifle nicht daran, dass auch dir klar ist, wie wichtig diese Sitzung ist. Ich befürchte, dass der Frieden der Eivater der Agonie werden könnte.“

Linley nickte.

Eine Geste, die das Implantat nicht in Bildimpulse übersetzen konnte. Aber Lanat war mit der Kultur der Terraner vertraut genug, um sie deuten zu können. Manchmal imitierte er sie sogar.

„Dein Volk sehnt sich danach, endlich Ruhe und Frieden zu finden“, sagte Linley, im Vertrauen darauf, dass sein Implantat die konzentrierten Gedanken adäquat übertrug. „Und das Darr-System scheint dafür ein geeigneter Ausgangspunkt zu sein.“

„Uns stehen alle Möglichkeiten offen, Linley. Seit dem Verschwinden der Specterfront wäre selbst eine Weiterreise nach Andromeda möglich, auch wenn viele jetzt der Meinung sind, dass ein weiterer Exodus nun nicht mehr vonnöten sei. Aber das Luhr-Imperium könnte auch innerhalb kürzester Zeit weitere Planeten in der Milchstraße besiedeln. Du weißt, wie schnell unser Nachwuchs heranwächst.“

„Ja, das weiß ich.“

Die biologische Dynamik, die die Luhr an den Tag zu legen vermochten, war vermutlich der entscheidende Grund dafür, dass diese Spezies bisher überlebt hatte. Innerhalb kürzester Zeit konnten sie einen durch Kriege oder Katastrophen entstandenen Bevölkerungsverlust wieder ausgleichen.

Lanats Existenz war der beste Beweis dafür.

Der Blaue Luhr war kaum älter als ein Jahr.

„Ich denke, wir teilen dieselben Sorgen, Linley“, signalisierte Lanat.

„Ich glaube, dass die Luhr weiterhin vor dem verborgenen Feind auf der Hut sein müssen, Lanat. Es ist überhaupt nicht gesagt, dass dieser Feind mit den Okargs identisch war.“

„Ich stimme deiner Einschätzung zu.“

„Zweitausend Jahre reichen die Aufzeichnungen eures Volkes zurück. Warum nicht weiter?“

„Wenn wir weiterreichende Aufzeichnungen besäßen, würde uns das bei der Einschätzung der gegenwärtigen Lage zweifellos sehr helfen.“

„Ich befürchte, dass die Unbekannten erneut zuschlagen und auch Darr in eine Supernova verwandeln könnten, so wie sie es mit jenen Systemen getan haben, in denen ihr zuvor gesiedelt habt.“

„Wie du schon sagtest, dieser Feind ist unsichtbar, Linley. Er hat kein Gesicht. Und das macht es für viele schwer, an seine Existenz zu glauben.“ Eine kurze Pause folgte. Linley empfing Bildimpulse, die ihn an die Raumschlachten gegen die Okargs erinnerten, an denen auch er selbst teilgenommen hatte.

2300 Luhr-Schiffe, begleitet von 100 terranischen S-Kreuzern waren seinerzeit in Richtung Andromeda aufgebrochen und in der Specterfront gestrandet. Weiter als 300 000 Lichtjahre war diese Flotte nicht gelangt. Zu allem Überfluss waren sie auch noch in Kämpfe mit Okarg-Verbänden verwickelt worden, die ihnen gefolgt waren.

Das Darr-System war ihre Rettung gewesen.

Lebensspenderin, so ließ sich der Name dieser Sonne in gebräuchliches Standard-Sprech übersetzen.

Eine rote Riesensonne mitten im intergalaktischen Nichts, die darüber hinaus auch noch jene Strahlungskomponenten aufwies, von denen die herkömmlichen Luhr abhängig waren.

Eine Abhängigkeit, die den Luhr schon in der Vergangenheit immer wieder zum Verhängnis geworden war. Denn wenn die Strahlungszusammensetzung einer Sonne, auf deren Planeten sie gesiedelt hatten, sich änderte, so bedeutete dies eine Fortsetzung ihres Exodus. Eine derartige Veränderung konnte als Folge natürlicher Prozesse auftreten, die selbst die überlegene Technik der Luhr nicht zu beeinflussen wusste. Oder aber durch Manipulationen des unbekannten Feindes, von dem man geglaubt hatte, er sei mit den insektoiden Okargs identisch.

Die Blauen Luhr stellten in dieser Hinsicht so etwas wie die materialisierte Zukunftshoffnung für die gesamte Spezies dar.

Denn sie waren unabhängig von diesen Strahlenkomponenten, und es gab Hinweise darauf, dass die Blauen so etwas wie die ursprüngliche Form der Luhr verkörperten.

Doch auch die Antwort auf diese Frage lag wohl in der Vergangenheit ...

Zweitausend Jahre aufgezeichnete Geschichte, dachte Linley. Für ein Volk, dessen Individuen eine Lebenserwartung von fast vierhundert Jahren besaßen, war das ein Nichts. Es musste einen Grund dafür geben, dass das Wissen der Luhr um seine eigene Vergangenheit nicht weiter zurückreichte.

Zudem hatten die Luhr auch zu Beginn ihrer Geschichte bereits über eine Hochkultur mit entsprechend fortgeschrittener Technologie verfügt.

Es war undenkbar, dass so etwas aus dem Nichts heraus entstand, ohne dass dem eine jahrtausendelange Entwicklung vorausgegangen war.

„Wir teilen also in Vielem die Analyse der gegenwärtigen Situation, Linley“, erklärte Lanat. „Und ich denke, dass wir uns auch über die daraus zu ziehenden Konsequenzen schnell einig werden.“

„Gewiss.“

„Wie dir sicherlich nicht entgangen sein dürfte, ist das Verhältnis zwischen Blauen und normalen Luhr etwas gespannt.“

„Nach meinem Gefühl hat es sich bereits wieder deutlich verbessert, seit unter der Nachkommenschaft etwa gleich viele kobaltblaue und herkömmliche Luhr aus den Eiern schlüpfen.“

„Dennoch gibt es da manchmal gewisse ...“, Linley nahm ein paar unklare Bildsymbole wahr, mit denen er trotz seines Implantats zunächst nichts anzufangen wusste. „... Kommunikationsschwierigkeiten.“

Ein flüchtiges Lächeln spielte jetzt um Linleys Lippen. Er verstand sehr gut, was sein extraterrestrisches Gegenüber mit dieser Formulierung meinte.

Auarach, der gegenwärtige Herrscher des Luhr-Imperiums war Lanats Eivater. Das traf auch auf unzählige andere Luhr zu, die die Gene des Herrschers in sich trugen, aber Lanat war „anders“ gewesen. Der Erste der strahlungsunabhängigen Blauen, jener neuen Luhr-Unterart, der wahrscheinlich die Zukunft gehörte. Wenn man das, was Lanat als Kommunikationsschwierigkeiten bezeichnet hatte, in menschliche Begriffe übersetzen wollte, so konnte man vielleicht von einer Art Vater-Sohn Konflikt sprechen.

Unter den blauen Luhr hatte Lanats Wort Gewicht.

Aber viele der „Alten“ schienen sich unbewusst durch ihn und die anderen Blauen bedroht zu fühlen.

Lanat fuhr fort:„Es ist dir sicher auch aus deiner Kultur bekannt, dass nicht immer nur das reine Argument entscheidet, sondern auch der Umstand, von welchem Individuum es vorgebracht wird.“

Linley nickte.

„Das ist richtig.“

„Ich möchte dich ermutigen, deine Standpunkte mit Nachdruck vorzubringen, Linley.“

„Worauf du dich verlassen kannst!“

„Auf dich, einen Fremden, wird man eher hören als auf mich, der in den Augen der Alten vielleicht voreingenommen wirkt.“

Meint er das allgemein – oder in Wahrheit eher auf seinen Eivater Auarach bezogen?, ging es Linley durch den Kopf.

„Ich verstehe, Lanat. Aber ich glaube, du unterschätzt deinen Einfluss im Rat der Fünfhundert gewaltig.“

Es war schwer, wenn nicht gar unmöglich, aus dem Gesicht eines Luhr irgendwelche Gemütsreaktionen ablesen zu wollen. Die großen Facettenaugen sahen Linley auf eine Weise an, die auf einen Terraner nur als unbeteiligt und kalt erscheinen konnte.

Eine Pause des Schweigens folgte, ohne dass irgendwelche semitelepathischen Bildimpulse übertragen wurden.

Was geht in ihm vor?, fragte sich Linley. Er kannte die Luhr und ihre Verhaltensweisen inzwischen gut genug, um sich in ihr Inneres weiter einfühlen zu können, als das je einem anderen Menschen gelungen war.

Natürlich nur bis zu einem gewissen Grad.

Denn die Wahrnehmungsweise eines Luhr unterschied sich erheblich von jener der Menschen.

Sein eigentliches Anliegen hat er noch nicht vorgebracht!, erkannte Linley schließlich.

Er sollte recht behalten.

Lanat erhob sich von seiner Sitzschale, schritt auf Linley zu und blieb in einer Entfernung von kaum einem Meter vor ihm stehen.

Eine Reihe unklarer Bildimpulse erreichte den Commander. Impulse, mit deren Übersetzung das Implantat offenbar zunächst seine Schwierigkeiten hatte.

„Ich möchte dich um etwas bitten, Linley. Einen ... Gefallen ...“

„Nur zu, Lanat“, forderte Linley den Blauen auf. „Sag, was du auf dem Herzen hast ... Äh, sorry, ich hoffe diese bildliche Redeweise wird jetzt richtig übertragen.“

„Vielleicht erklärst du mir später mal, was genau ein Herz ist, Linley. Aber im Augenblick gibt es Dringenderes als den Austausch von Kenntnissen über die menschliche Physiologie.“

image
image
image

2

image

Linley betrat als einer der Letzten die Ratshalle, in dem das oberste Gremium des Luhr-Imperiums tagte. 500 Paare von Facettenaugen und Fühlern! Linleys Blick glitt über die Menge der Ratsmitglieder. Hier und da bewegten sich insektenartige Beißwerkzeuge an den Libellenköpfen.

Linley nahm seinen Platz ein.

Sein Implantat in der Brust übersetzte die allgegenwärtigen semitelepathischen Schwingungen für ihn.

Der Begriff Euphorie bezeichnet eine gute Stimmung trotz schlechter Lage!, rief sich Linley in Erinnerung.

Seiner Ansicht nach passt dieser Begriff exakt auf die vorherrschenden Emotionen, die unter den Mitgliedern des Hohen Rates anzutreffen waren.

Linley würde sich ziemlich ins Zeug legen müssen, um hier etwas ausrichten zu können.

Auarach, der Luhr-Herrscher und Linleys persönlicher Freund hatte bereits seinen Platz eingenommen.

Die Sitzung wurde eröffnet.

Es gab zunächst eine allgemeine Aussprache über die gegenwärtige Lage des Luhr-Imperiums.

Ein „Redner“ namens Charrar ergriff das „Wort“.

Er gehörte mit seinem Alter von über 400 Erdenjahren zu den Ältesten in der Versammlung. Bislang hatte Linley kaum je erlebt, dass Charrar sich zu Wort meldete. Üblicherweise gehörte Charrar eher zu jenen Ratsmitgliedern, die aus dem Hintergrund heraus wirkten. Das Wort dieses alten Luhr hatte Gewicht im Hohen Rat. So viel hatte Linley inzwischen mitbekommen.

Charrar genoss großes Ansehen.

Warum greift er ausgerechnet heute in die Debatte ein?, fragte sich Linley.

Charrar stellte seine Sicht der gegenwärtigen Lage dar.

„Lange ist es her, seit unser Volk sich in einer ähnlich positiven Situation befunden hat“, signalisierte er. „In den letzten fünf Generationen war das nicht mehr der Fall.“

Fünf Generationen!, dachte Linley, während er die Signale Charrars empfing. Fünf Luhr-Generationen entsprachen bei einer Lebenserwartung von etwas mehr als 400 Jahren einer Zeitspanne von gut 2000 Standard-Terra-Jahren. Genau die Zeitspanne, die die gesamte überlieferte Geschichte dieses Volkes umfasste.

Ihr wisst doch gar nicht, woher ihr kommt, und wer ihr wirklich seid!, ging es Linley durch den Kopf.

Charrar breitete einen Rückblick auf die jüngsten Ereignisse der Luhr-Geschichte vor den Mitgliedern des Hohen Rates aus.

Linley glaubte dabei, in den Impulsen des Alten durchaus so etwas wie Pathos, beziehungsweise eine Luhr-Entsprechung dafür erkennen zu können.

„Das Darr-System bietet ideale Lebensbedingungen für uns. Die Strahlungskomponenten dieser Sonne, die wir zu recht die Lebensspenderin nennen, ermöglichen jenen, die mit der herkömmlichen Luhr-Gestalt aus ihren Eiern geschlüpft sind, eine sorgenfreie Existenz. Teer, unser Wohnplanet, hat sich mehr und mehr in einen Ort verwandelt, der wie die Idealvorstellung einer Heimat aller Luhr wirken muss. Unsere Wirtschaft boomt. Seit Langem haben wir nicht mehr derartig viele Güter produzieren und mit anderen Völkern austauschen können. Insbesondere den Handel mit unseren terranischen Freunden möchte ich hier erwähnen, der trotz großer Distanz zwischen Darr und Sol an Schwung gewann. Wir werden durch den Ausbau dieser Handelsbeziehungen unseren Wohlstand weiter vermehren.“

Zustimmende Signale kamen vom Auditorium.

Die Bildimpulse, die Charrar aussandte, zeigten eine rosige Zukunft des Luhr-Imperiums.

„Wir sind von jeher ein Volk des Friedens gewesen“, fuhr Charrar fort. „Niemand kann daran zweifeln, und seitdem der furchtbare Feind allen Lebens, die schattenhaften Okargs, nun endlich besiegt sind, steht der Errichtung einer galaktischen Zone des Friedens, der Verständigung und des florierenden Handels nichts mehr im Wege.“

Die zustimmenden Signale wurden noch stärker. Nur vereinzelt gab es skeptische Impulse oder solche, die indifferent waren.

Linleys Blick ruhte eine Weile auf Auarach, dem Herrscher aller Luhr. Seine Fühler bewegten sich leicht. In den Facettenaugen blitzten Lichtspiegelungen auf.

Auf ihn wird es im Endeffekt ankommen, wusste Linley.

Aber die Signale, die bislang von dem Luhr-Herrscher ausgingen, waren bestenfalls indifferent.

„Der Weg nach Andromeda stünde uns jetzt offen, seit die Barriere der Specterfront nicht mehr vorhanden ist“, erklärte Charrar weiter. „Aber es gibt keinen Grund mehr, diese Reise in die Ungewissheit fortzusetzen. Vielversprechender erscheint mir, vom Darr-System aus damit zu beginnen, wieder Planeten innerhalb der Milchstraße zu besiedeln. Konzentrieren wir uns darauf, den Nachwuchs großzuziehen und unsere Wirtschaft weiter zu entfalten. Unser Volk braucht jetzt eine Ruhepause der Erholung. Seit fünf Generationen hat es das für uns nicht mehr gegeben ...“

Ein Schwall positiver Signale brandete auf und stellte eine Art Entsprechung menschlichem Applaus dar.

Es folgten eine ganze Reihe zustimmender Beiträge, die alle in dasselbe Horn stießen. Mit den Okargs, so der Tenor, war der uralte Feind endlich besiegt, der das Volk der Luhr so lange heimgesucht und immer wieder von neuem zum Exil gezwungen hatte.

Der Hinweis einer einzelnen semitelepathischen Stimme, es lägen noch keinerlei Erkenntnisse darüber vor, wie es die Okargs eigentlich geschafft hatten, das jeweilige Heimatgestirn der Luhr so zu manipulieren, dass es jeweils in unnatürlich kurzer Zeit zur Nova entartet war, wurde kaum weiter beachtet.

Sie neigen dazu, nur das wahrzunehmen, was ihren geheimen Wünschen entspricht, überlegte Linley. In diesem Punkt schienen ihm die von ihrer körperlichen Erscheinung her so fremdartig wirkenden Luhr auf geradezu unheimliche Weise menschlich zu sein.

Liirs, der oberste Geem, schloss sich Charrars Meinung an.

Die Auffassung, dass die Okargs nicht der uralte Feind seien, entspringe reiner Spekulation. „Niemand“, so Liirs, dessen Rang auf Terra dem eines Wissenschaftsministers entsprochen hätte, „kann bisher auch nur einen wirklich schlüssigen Beweis dafür vorlegen, dass der uralte Feind uns noch immer nachstellt und unser Volk zu vernichten trachtet. Wir dürfen uns nicht länger zu Sklaven unserer kollektiven Furcht machen! Der einzige Gegner, den wir neben einzelnen, versprengten Okarg-Gruppen, die die neue Ordnung auf Harag nicht akzeptieren wollen, noch zu fürchten haben, ist tief in unseren Hirnen verborgen. Es ist unsere Furcht, die irrationale Angst vor einem Gegner, der es lange verstanden hat, sich im Verborgenen zu halten und aus seiner wahren Gestalt ein finsteres Mysterium zu machen.“ Liirs’ Bildimpulse machten einen geradezu beschwörenden Eindruck.

Linley konnte an den Reaktionen ablesen, wie groß der Eindruck war, den Liirs Vortrag auf die Anwesenden machte. Der oberste Geem vertrat im Fall der Abwesenheit den Herrscher des Luhr-Imperiums.

Ein Umstand, der Liirs Worten zusätzliches Gewicht verlieh.

Ich werde mich ziemlich ins Zeug legen müssen!, ging es dem grauhaarigen Commander durch den Kopf. Sein Blick glitt kurz in Lanats Richtung. Der Blaue hat schon gewusst, warum er mich vorpreschen lässt und selbst in der Deckung verharrt. Ich hoffe nur, dass diese Strategie auch aufgeht.

Dann erhielt schließlich Linley das Wort.

Der einzige Nicht-Luhr im Rat der Fünfhundert trat an den Rednerplatz und wandte sich an das Auditorium.

„Freunde“, so begann er zu sprechen und das Implantat sorgte dafür, dass diese Worte in entsprechende Bildimpulse umgesetzt wurden. „Als Fremder bin ich eurem Volk begegnet, inzwischen aber werde ich als einer der Euren akzeptiert. Euer Schicksal ist mit dem Meinen untrennbar verbunden. Und so würde ich nichts lieber glauben, als dass die rosige Zukunftsvision, die der weise Charrar vor uns ausbreitete, eines Tages Wirklichkeit wird.“

Linley machte eine kurze Pause, versuchte die Reaktion der Luhr abzuschätzen. Er stellte fest, dass das unmöglich war.

Zweifele nicht an dir und deiner Fähigkeit, die Seelen dieser Libellenköpfe zu erreichen!, durchzuckte es ihn. Du musst es einfach versuchen. Mehr kannst du nicht tun.

„Auch ich sehe die Verwirklichung dieser Vision in greifbarer Nähe. Aber nicht sofort. Gewiss, ich teile die Analyse des weisen Charrar, was die Beurteilung der gegenwärtigen Lage angeht. Die Wirtschaft des Darr-Systems hat in der Tat einen sehr beachtlichen Aufschwung genommen, der wohl in der Geschichte des Luhr-Imperiums einzigartig sein dürfte. Und niemand empfindet mehr Freude über die Tatsache, dass sowohl Luhr als auch Terraner jetzt frei sind von der Bedrohung durch die Schatten. Doch das sollte niemanden blind und träge werden lassen. Keineswegs darf jetzt eine Phase der Selbstzufriedenheit und Ruhe anbrechen. Das wäre eine Entwicklung, die genau in die falsche Richtung ginge!“

„Aber ist es nicht gerechtfertigt, die jetzt frei gewordenen Ressourcen für die weitere Entwicklung unserer Kultur zu nutzen?“, meldete sich einer der Luhr zu Wort und unterbrach Linley damit.

„Durch den Sieg über die Okargs und das Florieren der Wirtschaft gibt es tatsächlich freiwerdende Ressourcen im Luhr-Imperium. Aber diese Ressourcen dürfen wir nicht verschwenden. Sie müssen für einen einzigen Zweck gebündelt werden: nämlich den unsichtbaren Feind zu finden, der das Volk der Luhr schon so oft aus seinen Heimatsystemen vertrieb.“

„Aber diesen Feind kennen wir!“, wurde aus dem Auditorium heraus signalisiert.

Linleys Bewusstsein wurde mit Bildimpulsen überflutet, die sein Implantat gar nicht erst zu übersetzen brauchte.

Die Bilder zeigten Okargs.

Insektoide Ungeheuer, die von einer wabernden Hyperraumblase umgeben wurden. Sie ließ die Okargs wie Schatten erscheinen. Ein Umstand, der ihnen diesen Beinamen eingetragen hatte.

„Viele von euch glauben, dass die Okargs diese uralten Feinde waren ...“, sagte Linley.

Eine Flut von Signalen schlug ihm entgegen.

„Ein Feind, der jetzt besiegt und unter Kontrolle ist!“

„Nie wieder kann er uns gefährlich werden!“

„Der Sieg war vollkommen!“

„Keine unserer Sonnen wird je wieder zur Nova entarten, es sei denn im natürlichen Verlauf eines Sternentodes!“

Linley hob die Arme.

Niemand unter den anwesenden Luhr war in der Lage, diese Geste in irgendeiner Form angemessen zu interpretieren. Aber vielleicht war genau das der Grund dafür, dass die Impulse plötzlich abebbten.

Die volle Aufmerksamkeit des Auditoriums war von einem Augenblick zum anderen wiederhergestellt.

„Es gibt nicht den geringsten Beweis dafür, dass wirklich die Okargs jene uralten Feinde der Luhr waren, die immer wieder für Vertreibung sorgten. Auch ich würde gerne glauben, dass es so ist! Aber wenn wir uns jetzt in Sicherheit wiegen, bekommt dieser Feind vielleicht die Gelegenheit, zum entscheidenden Schlag gegen das Luhr-Imperium auszuholen. Einem Schlag, der diesmal tödlich sein könnte.“

„Wie steht es denn deinerseits mit Beweisen?“, signalisierte jemand.

Und dieser Zwischensignalisierer bekam Unterstützung.

„Ja, welche Anhaltspunkte sprechen dafür, dass deine Meinung mehr ist, als bloße Verbreitung von Angst?“

Messerscharf haben sie meinen schwachen Punkt erkannt!, überlegte Linley.

„Fünf Generationen reichen eure Überlieferungen zurück ... So habt ihr zu Beginn der Existenz eures Volkes bereits über eine fortgeschrittene Technik verfügt, die normalerweise nur in einer jahrtausendelangen kulturellen Evolution entwickelt werden kann! Vielleicht wurde der Umstand, dass ihr keine weiter in die Vergangenheit reichenden Überlieferungen besitzt, durch Manipulation herbeigeführt. Wir wissen es einfach nicht. Aber ich bin überzeugt davon, dass der Schlüssel zu eurer Zukunft in der Vergangenheit liegt. Was war die Ursache des grausamen Konfliktes, den eure Vorfahren mit dem unbekannten Feind ohne Gesicht ausgetragen haben? Es muss doch einen Grund für diesen Vernichtungsfeldzug gegeben haben, der gegen euer Volk geführt wurde. All das liegt im Nebel eurer Vergangenheit.“

„Ich bin dagegen, dass die Luhr sich mit ihrer Vergangenheit beschäftigen, anstatt in die Zukunft zu blicken!“, signalisierte eines der Ratsmitglieder aufgebracht. „Du bist ein Forscher, Linley! Aber willst du dein Interesse an historischer Erkenntnis die Zukunft unseres Volks bestimmen lassen? Dazu sage ich: Nein!“

Linley fuhr äußerlich ungerührt fort: „Ein großer, von der Menschheit bis heute als bedeutungsvoll angesehener Terraner namens Cicero hat dazu gesagt: Nicht zu wissen, was geschah, ehe man geboren wurde, bedeutet, immer Kind zu bleiben.“

Offenbar war das eine Analogie, die sich gut in die Bildimpulse der Luhr übersetzen ließ und vielen von ihnen plausibel erschien. Zumindest ließen die zahlreichen zustimmenden Signale Linley darauf schließen.

„Ich frage euch, will das Volk der Luhr in dem Stadium eines frisch geschlüpften Jungen verharren, das sein Wissen noch nicht erhalten hat?“ Linley unterstützte seine Ausführungen mit einem theatralischen Kopfschütteln, obgleich er wusste, dass der Großteil seines Publikums mit dieser Geste nichts anzufangen wusste. Selbst auf Terra hatte das Kopfschütteln keinen einheitlichen Bedeutungsgehalt und konnte je nach regionaler Kultur jeweils Verneinung oder Bejahung bedeuten.

Aber auch diese Geste erfüllte für Linley ihren Zweck. Sie fesselte die Aufmerksamkeit der Luhr. Dutzende von Fühlerpaaren bewegten sich gleichzeitig.

Linley fuhrt fort: „Angesichts der großartigen Errungenschaften der Luhr-Kultur kann ich nicht glauben, dass ihr euch mit dem Stadium der Unwissenheit wirklich zufrieden geben wollt.“

Ein Signal-Chaos entstand jetzt. Beißwerkzeuge bewegten sich scheinbar unkontrolliert. In einem irdischen Parlament wären wohl tumultartige Szenen die passende Entsprechung gewesen. Es dauerte eine Weile, bis die Sitzung in ruhiger Manier fortgesetzt werden konnte.

Der Herrscher selbst ergriff jetzt das Wort.

Auarach wandte sich direkt an Linley.

„Was wäre deiner Ansicht nach zu tun, Freund Linley?“

Linley musterte Auarach einige Augenblicke lang.

Die Signale, die der Herrscher ausgesandt hatte, entsprachen tatsächlich lediglich einer vollkommen neutral gefassten Frage.

Es war nicht erkennbar, wo derzeit Auarachs Sympathien lagen.

„Man müsste eine Expedition ausrüsten und mit den entsprechenden Mitteln versehen, um endlich Licht in die Vergangenheit der Luhr zu bringen. Ein vielversprechender Ansatzpunkt wäre in meinen Augen das Heimatsystem der Okargs. Nach der Machtergreifung der Cardos und dem damit verbundenen starken terranischen Einfluss, dürfte es möglich sein, Zugang zu einigen uns bisher verschlossenen Aufzeichnungen zu erhalten. Dann hätten wir in der Frage, ob die Okargs die uralten Feinde waren vielleicht etwas mehr Gewissheit ...“

„Wärst du eventuell bereit, die Leitung einer derartigen Expedition zu übernehmen, Freund Linley?“, stellte Auarach jetzt die nächste Frage.

Linley schluckte.

„Natürlich wäre ich das!“, verkündete er und war sich nicht so recht sicher, ob der beinahe feierliche Tonfall, den er dabei an den Tag legte, auch in die richtigen Bildimpulse übertragen wurde.

„Ein solches Unternehmen wäre reine Verschwendung“, meldete sich Charrar.

Aber die Zustimmung zu seiner Position war inzwischen deutlich verhaltener geworden.

„Ich habe alles gesagt, was zu sagen war“, beendete Linley seinen Beitrag. „Es ist nichts hinzuzufügen, außer der Bitte, dieser Expedition zuzustimmen. Nicht um meinetwillen. Nicht deshalb, weil ich mir noch irgendwelche weiteren Lorbeeren an mein Forscherhaupt heften wollte, sondern weil der Schlüssel zu eurer Zukunft, meine Freunde, in eurer Vergangenheit liegt!“

Die Signale der Zustimmung mischten sich mit jenen der Skepsis, als Linley den Platz des Redners verließ und sich wieder ins Publikum einreihte.

Kein eindeutiges Stimmungsbild!, wurde ihm klar.

Aber er war sich doch einigermaßen sicher, mit seinem Beitrag Eindruck gemacht zu haben.

Jetzt liegt es nicht mehr in meiner Hand, dachte er.

Ein Gegenredner ließ sich das Wort erteilen und führte in den schönsten semitelepathischen Bildern vor, wofür man die Mittel, die ansonsten für die von Linley vorgeschlagene Expedition aufgebracht werden mussten, viel sinnvoller verwenden könnte.

Noch mehrmals wechselten sich Rede und Gegenrede ab. Aber zu Linleys Erleichterung stellte sich heraus, dass der Terraner durchaus nicht der Einzige im Rat der 500 war, der eine Expedition befürwortete.

Niemals zuvor hatte Linley eine derartig leidenschaftlich und heftig geführte Debatte im Rat erlebt. Vielleicht war das eine Folge des verhältnismäßig sicheren Status, in dem sich das Luhr-Imperium befand. Not und Gefahr führten zwangsläufig eher zu Einigkeit und Geschlossenheit.

Linley verfolgte den weiteren Sitzungsverlauf gebannt.

Lanat hielt sich dabei noch immer auffallend zurück.

Und dabei ist er es gewesen, der mich darum gebeten, ja mich geradezu dazu gedrängt hat, eine Expedition vorzuschlagen!, erinnerte sich Linley. Er wartet auf Auarach, erkannte er dann einen Augenblick später. Bevor der Herrscher sich nicht geäußert hat, wird Lanat es auch nicht tun.

Die Debatte zog sich noch eine Weile hin.

Dann endlich schlug die Stunde Auarachs.

Eine Atmosphäre gespannter Aufmerksamkeit erfüllte die Ratshalle, als er das Wort ergriff.

„Die Bilder, die ich gesehen habe, bewegten mich tief“, begann der Luhr-Herrscher seinen Beitrag. „Am tiefsten aber bewegten mich jene, die mein Freund Linley uns sandte. Ich bin wie er inzwischen überzeugt davon, dass wir nicht ruhen dürfen, bis wir unsere Vergangenheit kennen und wissen, wer jener Feind ohne Gesicht war, der unserem Volk so viel Leid zugefügt hat. Wenn wir dieser Frage jetzt nicht nachgehen, könnten wir es schon in kürzester Zeit bitter bereuen. Oder wollen wir riskieren, erneut ins Exil getrieben zu werden, weil ein Unbekannter auch die Lebensspenderin Darr zu einer Nova werden lässt?“

Eine Woge der Zustimmung schlug dem Herrscher der Luhr entgegen.

Er gibt den Ausschlag, dachte Linley. Er wandte den Blick in Richtung Lanats, der die Szenerie mit seinen kalten Facettenaugen beobachtete. Seine Fühler waren so gut wie regungslos. Ein Zeichen für äußerste Selbstbeherrschung und Anspannung, wie Linley inzwischen herausgefunden zu haben glaubte. Aber sicher war er sich da nicht.

Die Entscheidung war gefallen.

Die Stimmung im Rat kippte endgültig zugunsten der Expedition.

Auarach nahm das mit deutlichen Signalen der Befriedigung zur Kenntnis.

„Deinem Vorhaben steht nichts mehr im Wege, Freund Linley“, wandte sich der Herrscher des Luhr-Imperiums an den Terraner. „Wir werden einen offiziellen Beschluss des Rates dazu verabschieden.“

Jetzt schlug Lanats Stunde.

So lange er sich zuvor auch zurückgehalten hatte, nun ergriff er entschlossen das Wort.

„Wir haben unserem Freund Linley zum Dank für seine Verdienste, die er sich zweifellos um unser Volk erworben hat, ein Raumschiff übereignet, die GHONDRA. Ich bin dafür, dass vor dem Aufbruch von Linleys Expedition die Bewaffnung verstärkt wird. Insbesondere erscheint mir die Ausrüstung mit den neuartigen terranischen Destroyern sinnvoll. Niemand weiß, welchen Gefahren die GHONDRA auf ihrer Expedition begegnen wird...“

So jung er ist, so meisterhaft hat er taktiert!, durchfuhr es Linley. Denn Lanats Vorschlag traf zu diesem Zeitpunkt auf breite Zustimmung.

„Dreißig unserer besten Geems sollten die Expedition begleiten“, forderte er des Weiteren.

Auarachs Fühler bewegten sich heftig.

„Ich nehme an, auch du selbst möchtest an dieser Mission teilnehmen, Lanat!“

Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.

Lanat sandte Signale der Zustimmung.

„Ja – zusammen mit neun weiteren Blauen.“

„Es ist nichts dagegen einzuwenden“, erklärte Auarach und wandte den Libellenkopf in Linleys Richtung. „Es sei denn, du, als Leiter der Expedition und Kommandant der GHONDRA hättest etwas dagegen!“

Linley schmunzelte und schüttelte den Kopf.

Gerade noch rechtzeitig erinnerte er sich daran, dass diese Geste für den Großteil der Luhr nicht als Antwort erkennbar war.

„Natürlich habe ich nichts gegen Lanats Unterstützung! Im Gegenteil. Ich begrüße sie!“

image
image
image

3

image

Am nächsten Teer-Tag flog Linley zurück nach Taark, der „Herberge“ für die Terraner, die die Luhr bis ins Darr-System begleitet hatten.

Sofort nach Linleys Rückkehr wurde mit den Vorbereitungen für die Expedition der GHONDRA begonnen.

Das ehemalige Flaggschiff des Luhr-Imperiums, das Commander Linley als persönliches Eigentum überantwortet worden war, glich einer Art Ellipse von 500 Metern Länge. Die EXP-1, das Forschungsschiff, dessen Kommandant Linley nominell noch immer war, diente seitdem als Beiboot des gigantischen Luhr-Raumers.

Beide Einheiten mussten vor Beginn der Expedition mit den neuartigen terranischen Destroyer-Kanonen ausgerüstet werden. Im Zuge des terranisch-luhrschen Technologietransfers, war das Knowhow dieser Waffe auch den Luhr zur Verfügung gestellt worden, so dass es keine Schwierigkeit war, diese Umrüstung im Darr-System vorzunehmen.

Innerhalb weniger Tage musste das zu machen sein.

Chief Ericsson, der Bordingenieur der EXP-1-Crew war in dieser Hinsicht jedenfalls sehr optimistisch.

Fünf Destroyer vom Kaliber 5 cm sollten in die GHONDRA eingebaut werden. Auf der EXP-1 würden zwei dieser Kanonen künftig zur Standard-Ausrüstung gehören.

„Ich hoffe wirklich, dass wir nicht in die Lage kommen, diese Dinger benutzen zu müssen, Commander“, äußerte Ericsson auf einer von Linley einberufenen Lagebesprechung.

„Wir sind zwar hier im Darr-System ein bisschen vom Schuss, aber nach allem, was ich mitbekommen habe, ist die Cardo-Regierung auf Harag extrem terrafreundlich“, äußerte sich Sybilla Casalli, die Alien-Expertin der EXP-1. „Ich nehme nicht an, dass wir im Kerrg-System auf irgendwelche nennenswerte Schwierigkeiten stoßen werden. Es ist eher davon auszugehen, dass man uns unterstützt.“

„Wollen wir’s hoffen“, meinte Linley.

Sybilla Casalli hob die Augenbrauen. „Am guten Willen der neuen Regierung auf Harag würde ich nicht zweifeln.“

Linley lächelte mild. „Nein, aber vielleicht an ihrer Durchsetzungskraft. Die Okargs sind besiegt. Endgültig. Aber das heißt nicht, dass die Lage auf Harag schon vollkommen unter Kontrolle ist.“

Am Tag vor dem Aufbruch der GHONDRA ließ Auarach sich noch einmal nach Teer bringen. Er suchte Linley auf.

Der Herrscher der Luhr begrüßte Linley auf eine Weise, die vermutlich die luhrsche Form von Herzlichkeit darstellte.

„Freund Linley, ich wollte dich nicht auf diese wichtige Mission schicken, ohne noch einmal mit dir Gedanken ausgetauscht zu haben.“

„Es ist eine Ehre für mich, diese Mission übertragen bekommen zu haben.“

„Meinst du, weil du von deinen biologischen Anlagen her kein Luhr bist?“

Von deinen biologischen Anlagen her, ließ Linley die Worte seines Gegenübers in seinem Bewusstsein widerhallen. Ein Gedanke, der selbst nach der Umwandlung der Bildimpulse durch den implantierten Transformer noch interpretiert werden musste. Man kann das so verstehen, dass er mich – von den biologischen Tatsachen abgesehen – als Luhr ansieht, ging es Linley durch den Kopf.

„Es hat zu Anfang meiner Mitgliedschaft im Rat der Luhr durchaus Vorbehalte gegen mich gegeben, Auarach“, gab Linley zu bedenken.

„Aber dieser Auftrag müsste dir klarmachen, dass so etwas endgültig der Vergangenheit angehört, Freund Linley.“

„Ja, ich weiß.“

„Die Erforschung unserer Geschichte – es gibt für unser Volk kaum eine Mission, die sich damit messen ließe.“

„Das ist mir durchaus klar, Freund Auarach.“

„Wir haben dich damit betraut. Nicht, um dir einen Gefallen zu erweisen oder dir zu schmeicheln, sondern weil du zweifellos derjenige bist, der diese Mission am ehesten zum Erfolg führen kann.“

„Ich hoffe, dass ich diese hohen Erwartungen zu erfüllen vermag, Freund Auarach.“

„Daran solltest du nicht einen Fühler-Ruck lang zweifeln. Das Imperium der Luhr wird in Gedanken bei dir sein.“

“Über Überlicht-Richtfunk werden wir in Verbindung bleiben, Freund Auarach“, versprach Linley.

image
image
image

4

image

Die GHONDRA, das ehemalige Flaggschiff der Luhr-Flotte, stellte das Modernste dar, was die Supertechnik dieser Libellenköpfe zu bieten hatte. 30 der besten Geems, wie die Wissenschaftler-Kaste bei den Luhr bezeichnet wurde, begleiteten die Mission. Desgleichen die Besatzung der EXP-1. Der terranische Forschungsraumer befand sich in einem Spezialhangar an Bord der GHONDRA und würde gegebenenfalls als Beiboot fungieren.

Lanat und 9 seiner blauen Luhr waren als letzte vor dem Start an Bord der GHONDRA gegangen. Lanat verfügte über das gesamte genetische Gedächtnis der Luhr-Spezies. Er war damit geboren worden und stellte auf diese Weise selbst eines der wichtigsten Geschichtsarchive der Luhr dar.

Aber auch dieses lebendige Archiv reichte nicht weiter zurück als fünf Generationen.

Linley befand sich während der Startphase im Leitstand der GHONDRA. Obgleich es sich um ein Routinemanöver handelte, war hier seiner Ansicht nach der Platz des Kommandanten.

Die GHONDRA erhob sich von der Oberfläche der Gastwelt Teer, verließ bald darauf die Atmosphäre und erreichte den freien Raum.

Auf dem Hauptbildschirm im ganz vorne am Bug der GHONDRA gelegenen Leitstand war das Zentralgestirn des Darr-Systems zu sehen. Die rote Riesensonne hatte die acht- bis neuntausendfache Leuchtkraft von Sol. Ihre Masse war gigantisch. Ein gewaltiger kosmischer Fusionsreaktor. Ihre rötliche Scheibe nahm den Großteil des Schirms ein.

„Dann wollen wir die Maschine mal unter Dampf nehmen!“, meldete sich Bordingenieur Ericsson von seinem eigenen Leitstand im Maschinenraum aus zu Wort. Sein Gesicht erschien auf einem Nebenschirm.

Linley lächelte mild.

„Ich bin froh, dass wir darauf nicht angewiesen sind.“

Ericsson hob die Augenbrauen. „Worauf?“

„Auf Dampf.“

Ein Schmunzeln machte sich auf allen menschlichen Gesichtern in der Zentrale bemerkbar. Nur Lanat, der blaue Luhr, der sich ebenfalls seit einigen Augenblicken hier aufhielt, konnte mit dieser Reaktion der Terraner wenig anfangen. Linley fragte sich, in welche Bildimpulse Lanats Transformer-Implantat die Standard-Sprech-Worte der menschlichen Besatzungsmitglieder wohl übertragen mochte.

Eine Folge etwas verwirrter Impulse erreichte Linley.

„Das war ein Witz, Lanat.“

„Ich hatte mich über den plötzlich auftretenden mangelnden Sachverstand des Bordingenieurs auch schon sehr gewundert“, musste der Blaue zugeben.

„Alles fertig für die Transition“, meldete indessen Ericsson.

Der erste Offizier Lee Lewis blickte von seinem Terminal auf. „Wir haben eine ziemlich lange Reise vor uns. Aber es ist schön, zur Abwechslung mal wieder den Himmel voller Sterne zu sehen!“

image
image
image

5

image

Nach mehreren Transitionen erreichte die GHONDRA das Kerrg-System, die Heimat der Okargs.

Rund 26 000 Lichtjahre bis zum Sol-System!, ging es Linley durch den Kopf. Also fast schon zu Hause.

Noch vor Kurzem hatte hier eine der furchtbarsten Raumschlachten in der astronautischen Ära der Menschheit stattgefunden. Ein Verband aus sämtlichen terranischen Raumkreuzern sowie Martin Takeners NOVA GALACTICA hatte das Kerrg-System angegriffen, um die Gefahr durch die Okargs endlich zu beseitigen. Die Terranische Flotte hatten einen hohen Blutzoll entrichten müssen. Vierzehn Kreuzer waren von den Okargs vernichtet worden, bevor es den Terranern schließlich gelang, die Werftanlagen für die sogenannten Schattenstationen auszuschalten.

Das erst hatte das Schicksal der Okargs besiegelt.

Die von künstlichen Hyperraumblasen umgebenen Insektoiden waren besiegt worden und die Rückkehr der Cardos nach Harag stellte so etwas wie eine gewisse Garantie dafür dar, dass der Frieden auch hielt. Die Cardos stellten die ausgereifte Form der Okargs dar. Sie ähnelten über zehn Meter großen Libellen. Vor zehntausend Jahren waren die Cardos von ihrer mutierten und mit künstlichen Hyperraumblasen ausgestatteten Jungzucht nahezu vernichtet worden. Nur wenige hatten sich vor den äußerst aggressiven Okargs zu jener Zeit in den Untergrund zu retten vermocht.

Jetzt aber waren die Cardos zurückgekehrt und übten wieder die Herrschaft über Harag aus.

Tatkräftig unterstützt wurden sie dabei von ihren terranischen Verbündeten, die der Cardo-Regierung im übrigen 150 Titan-Raumer zur Verfügung gestellt hatten.

„Wir erreichen in wenigen Augenblicken ein stabiles Orbit um Harag“, riss die Stimme vom 1. Offizier Lee Lewis den Commander der GHONDRA aus seinen Gedanken heraus. Lewis besetzte im Moment die Pilotenkonsole.

Sein gegenwärtiger Kopilot Yorneh ergänzte: „Alles scheint normal zu sein. Ich erwarte keine Schwierigkeiten.“

„Sehr gut“, meinte Linley.

„Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie man jetzt auf uns reagiert“, sagte Lewis, der mit leicht angespannter Miene auf die Bildprojektion des Planeten Harag blickte. „Die Infrastruktur der Okarg-Raumkontrolle dürfte weitgehend zerstört sein, und ob sich das neue Cardo-Regime schon gut genug etablieren konnte, um dafür einen Ersatz zu installieren, kann ich nicht einschätzen, Commander.“

„Wir werden sehen“, murmelte Linley. Der grauhaarige Commander stellte eine Verbindung zur Funk-Z her. John Jokovitch, der Funktechniker der GHONDRA, hatte wie die meisten anderen Terraner, die sich zur Zeit an Bord des des Luhr-Raumers befanden, Linley bereits gedient, als dieser noch Commander des Forschungsraumschiffs EXP-1 gewesen war. „Versuchen Sie Kontakt mit der Cardo-Regierung aufzunehmen, John.“

„In Ordnung, Sir.“

Ortungsoffizier Conway meldete sich.

„Drei Raumer nähern sich. Es handelt sich zweifellos um ehemalige Titan-Raumer, die die terranische Regierung den Cardos zur Verfügung gestellt hat. Wir werden aufgefordert, uns zu identifizieren.“

Linley nickte.

Sein nachfolgender Befehl richtete sich an die Funk-Z.

„Senden Sie die entsprechenden Signale, John!“

„Aye, aye, Sir!“

Wenig später erschien die Projektion eines Cardo-Kopfes, der dem einer irdischen Libelle sehr ähnlich war. Im Gegensatz zu den Okargs, die untereinander in einer mit vielen Klicklauten durchsetzten Sprache kommunizierten, ähnelte die Verständigung der erwachsenen Cardo-Form dieser Spezies jener der Luhr. Es wurden Gedanken zu mentalen Bildimpulsen umgewandelt. Dabei handelte es sich nicht um Telepathie im klassischen Sinn, denn weder Luhr noch Cardos waren in der Lage, die Gedanken eines Menschen gewissermaßen abzuhören. Aber die konzentrierten Gedanken eines Cardo waren für Menschen verständlich. Umgekehrt konnten Menschen, wenn sie sich genügend konzentrierten, auch von den Cardos verstanden werden.

In diesem Fall allerdings erreichte die GHONDRA eine akustische Botschaft in fließendem Standard-Sprech.

Das Translator-Programm des ehemaligen Titan-Raumers musste dafür gesorgt haben.

„Hier spricht der Cardo-Commander der provisorischen Raumkontrolle von Harag. Ihre Identifikationsdaten haben wir erhalten. Wir hoffen, dass Sie sich dem Planeten Harag in friedlicher Absicht nähern.“

Der Bildausschnitt der von dem Ex-Titan-Raumer gesendeten visuellen Projektion änderte sich. Ein Teil der Zentrale des Raumers wurde sichtbar.

Okargs besetzten die meisten Konsolen.

Die Insektoiden waren durch die künstliche Hyperraumblase, die sie zeitlebens umgab, kaum zu sehen. Nur wenn sie sich bewegten, hatte man den Eindruck eines fließenden, dunklen Schattens. Daher ihr Name.

Erst zukünftige Okarg-Generationen würden ohne diese Hyperraumblase leben können, die einen Teil der Manipulation darstellte, die mit dieser Spezies durchgeführt worden war.

Der Anblick der Schatten versetzte Linley unwillkürlich einen Stich.

Zu frisch waren noch die Erinnerungen an die brutalen Kämpfe mit dieser erbarmungslosen Krieger-Spezies.

Ein Cardo führt das Kommando, meldete sich eine beruhigende Stimme in Linleys Hinterkopf. Es besteht objektiv kein Anlass zur Beunruhigung.

Eine weitere Gestalt trat jetzt in den Bildausschnitt, der sich erneut veränderte.

Neben dem Cardo wirkte diese Gestalt geradezu lächerlich klein.

Ein Terraner.

„Commander Linley! Hier spricht Major Brent Roberts. Wie Sie sehen, unterstützen wir die Cardo-Regierung, wo es nur geht. In Ihren Identifikationsdaten war kein Auftrag der TF enthalten.“

„Ich bin in einer offiziellen Mission des Luhr-Imperiums hier.“

„Interessant. Und was ist das für eine Mission?“

„Wir erbitten die Öffnung der historischen Datenarchive auf Harag für uns. Für das Volk der Luhr ist es von existentieller Bedeutung zu wissen, ob mit den Okargs der sogenannte uralte Feind besiegt worden ist, der sie seit ewigen Zeiten von einem Sonnensystem zum nächsten hetzt.“

Major Brent Roberts hob die Augenbrauen.

„Existieren daran denn irgendwelche Zweifel?“

„Es gibt solche Zweifel, Major. Und falls sie sich bewahrheiten, bedeutet das für die Luhr, dass sie noch immer nicht sicher sind.“

Major Brent Roberts wandte sich an den Cardo-Kommandanten des aus drei ehemaligen Titan-Raumern bestehenden Verbandes. Was die beiden untereinander an Kommunikation austauschten, wurde nicht zur GHONDRA übertragen.

Die Translatorstimme des Titan-Raumers meldete sich wieder zu Wort und übersetzte die Gedankenimpulse des Cardos in gut verständliches Standard-Sprech.

„Ich sehe keinen Grund, warum Ihnen die Erfüllung Ihrer Wünsche versagt werden sollte“, erklärte der Cardo. „Ich werde in dieser Frage die gegenwärtige Regierung kontaktieren und mich dann wieder melden.“

Die Bildprojektion von der Zentrale des Titan-Raumers, der sich nun in Diensten der Cardo-Regierung befand, verblasste.

„Der Anblick raumfahrender Okargs beunruhigt mich“, äußerte der erste Offizier Lewis.

Linley lächelte mild.

„Wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt von einem Anblick sprechen kann! Man sieht die Schatten ja kaum.“

„Gerade das erweckt ja diese Ängste“, meldete sich Sybilla Casalli zu Wort. Die Exo-Ethnologin hatte soeben die Zentrale betreten und den letzten Teil des Gesprächs mitbekommen.

„Ich denke, wir können darauf vertrauen, dass die Cardo die Lage unter Kontrolle halten“, sagte Linley.

Sybilla Casalli blieb neben Linley stehen.

Sie deutete dorthin, wo soeben noch die Projektion des Cardo-Kommandanten der provisorischen Raumkontrolle im Kerrg-System zu sehen gewesen war.

„Wie ich sehe, haben Sie meine Hilfe nicht benötigt, Commander!“

Linley hörte den feinen Unterton sehr wohl, der in Sybillas Stimme mitschwang.

Sie ist beleidigt, dachte Linley. Auch wenn Sie das niemals zugeben würde: Ich kenne sie inzwischen gut genug, um diese Krankheit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit diagnostizieren zu können. Und das ganz ohne telepathische Begabung.

„Mit friedliebenden Cardos zu verhandeln, das bekomme ich gerade noch selbst hin“, lächelte er. „Aber der Moment wird schon noch kommen, da ich auf Ihre Mitarbeit angewiesen bin.“

Sybilla Casalli lag noch eine Erwiderung auf der Zunge. Doch sie kam nicht mehr dazu, sie zu äußern.

John Jokovitch, der Funker der GHONDRA, kam ihr zuvor.

„Wir empfangen eine Nachricht.“

„Die Antwort dieses Raumkontroll-Kommandanten?“

„Nein, Sir. Diese Botschaft wurde direkt von der Planetenoberfläche gesandt.“

„Dann lassen Sie mal hören.“

„Ja, Sir.“

Die Projektion eines weiteren Cardo-Gesichts erschien. Für terranische Augen waren die Köpfe dieser mit ihrer mittleren Größe von zehn Metern gigantischen Insektoiden schwer unterscheidbar. Bei einer direkten Gegenüberstellung mit einem dieser Wesen lag das natürlich unter anderem auch an den Größenverhältnissen. Die Größe des Cardos entsprach einem fünfgeschossigen Haus, dessen Dach von der Augenhöhe eines Menschen aus schließlich auch nicht besonders gut zu sehen war. Darüber hinaus war die menschliche Wahrnehmung natürlich nicht auf die Unterscheidung der feinen, Individualmerkmale in den Gesichtern der Cardos trainiert.

„Mein Name ist Nachtflieger“, kam es über das Translatorsystem. „Ich bin der Sprecher der Cardo-Regierung von Harag und autorisiert, Ihnen einen Landeplatz zuzuweisen. Die Koordinaten wurden bereits übertragen.“

„Ich danke Ihnen“, erwiderte Linley.

„Ich denke, dass wir für Ihr Problem eine Lösung finden werden.“

Die Projektion verschwand.

„Na, das nenne ich mal einen konstruktiven Ansatz“, kommentierte Ericsson die Botschaft des Cardos, der sich selbst Nachtflieger genannt hatte.

image
image
image

6

image

Die ellipsenförmige GHONDRA senkte sich in die wolkenverhangene Atmosphäre von Harag, sank immer tiefer durch gigantische Wolkenberge, aus denen heraus sich die atmosphärischen Spannungen durch Gewitter von ungeheurer, jedes irdische Maß übersteigende Heftigkeit entluden.

„Tut mir leid, Sir, aber die Oberfläche ist fast vollkommen von einer dichten Wolkendecke verhängt. Die Bilder auf den Sichtschirmen sind daher etwas eintönig!“, meldete sich Ortungsoffizier Conway zu Wort.

Lee Lewis grinste.

„Glücklicherweise ist es für die GHONDRA kein Problem, ihren Kurs auch ohne optischen Kontakt zum Zielgebiet zu finden.“

Eine Projektion baute sich auf, zeigte zunächst den gesamten Planeten. Blinkende Punkte markierten die gegenwärtige Position der GHONDRA sowie den Ort, auf den die gegebenen Zielkoordinaten passten.

„Der Ort, an dem wir landen werden, wird laut des von den Cardos übersandten Datensatzes als Raumhafen Drei bezeichnet“, erklärte Conway mit Blick auf seine Anzeigen. „Es dürfte allerdings wohl der einzige zur Zeit einigermaßen funktionierende Raumhafen auf Harag sein. Ich orte zahlreiche Titan-Raumer.“

„Das müssen die Einheiten sein, die Raumflotten-Commander Martin Takener den Cardos zur Verfügung gestellt hat“, murmelte Linley. Für die besiegten Okargs, deren Raumstationen und -werften komplett zerstört waren, würde die Raumfahrt auf absehbare Zeit nicht aus eigener Kraft möglich sein. Daher hatte Takener ihnen die 150 auf Terra inzwischen ausrangierten Einheiten zur Verfügung gestellt. Die Aufbauarbeit der neuen Regierung musste schließlich unterstützt werden, damit Harag nie wieder zu einem galaktischen Unruheherd wurde.

Die GHONDRA setzte weich auf.

„Wir befinden uns im sogenannten Raumhafen Drei“, erläuterte Ortungsoffizier Conway. „Dieser Raumhafen ist umgeben von einer größeren Stadt. Teilweise sind Zerstörungen auszumachen. Dahinter beginnt ein Dschungelgebiet.“

„Danke, Conway“, antwortete der Commander.

Der größte Teil der Oberfläche von Harag war mit dampfenden, feuchtheißen Dschungeln bedeckt. Die Niederschlagsmengen, die hier vorherrschten, waren enorm. Die Luftfeuchtigkeit musste nahe hundert Prozent liegen. Insgesamt glich das Klima dem in den tropischen und subtropischen Regionen der Erde.

Genau diese Lebensbedingungen waren für die Okargs ideal. Mit Vorliebe hatten sie sich auf Welten angesiedelt, in denen ähnliche klimatische Parameter vorzufinden waren, wie auf ihrer Ursprungswelt.

Linley gab seine Befehle. Er wandte sich an Lee Lewis. „Ich möchte, dass Sie mich begleiten, I.O.“

„Jawohl, Sir“, nickte dieser.

„Während meiner Abwesenheit hat der zweite Offizier Cromwell das Kommando auf der GHONDRA. Ich hoffe nicht, dass es zu irgendwelchen Komplikationen kommt. Captain Casalli und Sergeant Hastings gehören ebenfalls zum Landeteam.“ Linleys Blick richtete sich nun an Lanat. „Du gehörst natürlich auch dazu, Lanat. Es wäre außerdem gut, wenn uns ein oder zwei Geems begleiten könnten, die über besondere Fähigkeiten bei der Decodierung von Archivdaten verfügen. Wir wissen nicht, welche technischen Standards wir in dieser Hinsicht hier vorfinden.“

„Deine Worte zeugen von Vernunft und Umsicht, Mensch Linley“, übersetzte der in Linleys Brust implantierte Transformer die semitelepathischen Bildimpulse des Blauen.

Die Interpretation der Signale ist ziemlich gedrechselt!, fiel dem Commander auf. In der Regel war das ein Zeichen dafür, dass der vollständige Bedeutungsgehalt sich einer verbalen Übertragung entzog. Zwischentöne! So würde man das unter Menschen wohl nennen.

Die relativ nervös wirkenden Fühlerbewegungen des Blauen Luhr machten Linley nachdenklich. Vertraue deiner Intuition, Linley! So schlecht war dein Einfühlungsvermögen in die Luhr-Psychologie bisher ja nicht!

„Es löst unangenehme Emotionen in dir aus, die Heimatwelt jener Spezies zu betreten, die deiner eigenen Spezies ein derart grausamer Gegner war“, sagte Linley in ruhigem Tonfall.

Der Transformer übertrug diese Botschaft in Bildimpulse.

Der Blick der großen Facettenaugen des Blauen wirkte auf sein terranisches Gegenüber kalt.

Niemand wusste besser als Linley, dass dies nichts weiter als eine anthropozentrische Fehlinterpretation darstellte.

Ein Unvermögen, im Blick eines Luhr so lesen zu können wie in den Augen eines Menschen.

Die ersten Signale Lanats waren verwirrend und unklar. Der Transformer hatte seine Mühe. Für Linley war das ein Anzeichen dafür, dass seine Vermutung zutraf.

Schließlich brachte Lanat hervor: „Der Mensch Linley hat gut erfasst, was in meinem Bewusstsein vor sich geht.“ Eine Pause folgte. Schließlich fuhr er fort: „Du weißt, ich glaube nicht daran, dass die Okargs mit dem uralten Feind identisch sind.“

„Deswegen sind wir hier!“

„Aber auf der anderen Seite wünsche ich mir kaum etwas so sehr, als dass sich genau das hier auf Harag herausstellt!“

Linley nickte langsam.

Eine Geste, die zumindest Lanat inzwischen zu interpretieren wusste.

„Ich denke, ich verstehe, was du meinst, Lanat.“

image
image
image

7

image

Wenig später trat Linley zusammen mit Sybilla Casalli, dem Ersten Offizier Lee Lewis, Sergeant Hastings, sowie Lanat und einigen der Geems auf das Landefeld.

Der Himmel war ein verwaschenes Muster unterschiedlichster Grauschattierungen. Es grollte leicht. Die Luft war geradezu erdrückend. Das Atmen fiel Linley schwer. Schon nach wenigen Augenblicken vermisste er die angenehm klimatisierten Räume der GHONDRA.

Schweißperlen standen ihm auf der Stirn.

Den anderen Terranern erging es nicht besser.

„Was für ein Glück! Wir haben wohl gerade eine Regenpause erwischt!“, sagte Lee Lewis.

Sergeant Hastings verdrehte die Augen. „Wenn das kein gutes Omen ist!“

Einige Titan-Raumer waren am Rande des Landefeldes positioniert.

Außerdem war ein einzelner terranischer Raumkreuzer zu sehen.

Terra zeigt deutlich Flagge!, ging es Linley durch den Kopf. Offenbar war das auch notwendig.

Die Verhältnisse auf Harag waren ganz offensichtlich noch weit von einem Zustand entfernt, der die Bezeichnung Stabilität verdient gehabt hätte.

Der Betrieb des Raumhafens schien auf ein Minimum reduziert zu sein. Die Wiederaufnahme des Raumhandels steckte wohl noch in den Kinderschuhen. Kampfroboter vom sogenannten Humanoid-Roboter-Typ patrouillierten überall herum. Insbesondere der Bereich um die GHONDRA war regelrecht abgeriegelt worden.

Nur wenige Schatten waren zu sehen. Offenbar wollten die neuen Machthaber sie nicht zu zahlreich in den sicherheitsrelevanten Bereichen haben. Eine Haltung, die Linley nur allzu gut verstand.

Das flüchtige Flimmern der Halbraumfelder, die die Okargs für menschliche Augen fast unsichtbar machten, wirkte nach wie vor beunruhigend auf den Commander.

Die Cardos trauen ihrer manipulierten Brut noch nicht so recht, erkannte der grauhaarige Commander. Zumindest scheinen sie sich wesentlich wohler zu fühlen, solange die Okargs unter der Aufsicht terranischer Kampfroboter stehen.

Ein Großraumschweber näherte sich dem Landefeld, senkte die Flugbahn und landete schließlich nur wenige Meter von Linley und seinen Leuten entfernt.

Der Ausstiegsschott öffnete sich.

Ein Mann in der Uniform der TF trat ins Freie.

Er ging auf Linley und die Seinen zu, salutierte und nannte vorschriftsmäßig Rang und Namen.

„Captain Rajiv Dawson. Ich habe den Auftrag Sie und Ihre Delegation zu einem offiziellen Vertreter der Cardo-Regierung zu bringen.“

„Danke Captain“, antwortete Linley.

Lee Lewis wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sergeant Hastings ging es nicht besser. Die Kombination klebte schon nach wenigen Augenblicken am Körper.

Lediglich Lanat und die beiden ihn begleitenden Geems hatten keinerlei Probleme mit der Hitze.

„Kommen Sie an Bord des Schwebers, Commander. Der ist wenigstens angenehm klimatisiert.“ Captain Dawson atmete tief durch. „Diese Schwüle hier bringt mich noch um. Da sehnt man sich danach, mal zur Abwechslung auf einem Eisplaneten stationiert zu werden oder eine Pauschalreise in die heimatlichen Antarktis zu gewinnen!“

Details

Seiten
Jahr
2018
ISBN (ePUB)
9783738921489
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Juli)
Schlagworte
feind

Autor

  • Alfred Bekker (Autor:in)

Zurück

Titel: Ein galaktischer Feind