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Die Raumflotte von Axarabor #17: Notruf zwischen den Sternen

©2018 100 Seiten
Reihe: Axarabor, Band 17

Zusammenfassung

Notruf zwischen den Sternen
Die Raumflotte von Axarabor - Band 17

von Konrad Carisi

Der Umfang dieses Buchs entspricht 71 Taschenbuchseiten.

Zehntausend Jahre sind seit den ersten Schritten der Menschheit ins All vergangen. In vielen aufeinanderfolgenden Expansionswellen haben die Menschen den Kosmos besiedelt. Die Erde ist inzwischen nichts weiter als eine Legende. Die neue Hauptwelt der Menschheit ist Axarabor, das Zentrum eines ausgedehnten Sternenreichs und Sitz der Regierung des Gewählten Hochadmirals. Aber von vielen Siedlern und Raumfahrern vergangener Expansionswellen hat man nie wieder etwas gehört. Sie sind in der Unendlichkeit der Raumzeit verschollen. Manche errichteten eigene Zivilisationen, andere gerieten unter die Herrschaft von Aliens oder strandeten im Nichts. Die Raumflotte von Axarabor hat die Aufgabe, diese versprengten Zweige der menschlichen Zivilisation zu finden - und die Menschheit vor den tödlichen Bedrohungen zu schützen, auf die die Verschollenen gestoßen sind.

Mein Name ist Kartek Tezal, und ich bin vor einiger Zeit raus aus der Flotte von Axarabor, doch als Reservist bleibt mir nichts anderes übrig, als auf einen Notruf zu regieren, der mich in ungeahnte Gefahren bringen sollte ...

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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Notruf zwischen den Sternen

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DIE RAUMFLOTTE VON Axarabor -  Band 17

von Konrad Carisi

Der Umfang dieses Buchs entspricht 71 Taschenbuchseiten.

Zehntausend Jahre sind seit den ersten Schritten der Menschheit ins All vergangen. In vielen aufeinanderfolgenden Expansionswellen haben die Menschen den Kosmos besiedelt. Die Erde ist inzwischen nichts weiter als eine Legende. Die neue Hauptwelt der Menschheit ist Axarabor, das Zentrum eines ausgedehnten Sternenreichs und Sitz der Regierung des Gewählten Hochadmirals. Aber von vielen Siedlern und Raumfahrern vergangener Expansionswellen hat man nie wieder etwas gehört. Sie sind in der Unendlichkeit der Raumzeit verschollen. Manche errichteten eigene Zivilisationen, andere gerieten unter die Herrschaft von Aliens oder strandeten im Nichts. Die Raumflotte von Axarabor hat die Aufgabe, diese versprengten Zweige der menschlichen Zivilisation zu finden - und die Menschheit vor den tödlichen Bedrohungen zu schützen, auf die die Verschollenen gestoßen sind.

Mein Name ist Kartek Tezal, und ich bin vor einiger Zeit raus aus der Flotte von Axarabor, doch als Reservist bleibt mir nichts anderes übrig, als auf einen Notruf zu regieren, der mich in ungeahnte Gefahren bringen sollte ...

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Copyright

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EIN CASSIOPEIAPRESS Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© Serienidee Alfred Bekker und Marten Munsonius

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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ICH SEUFZE UND LEHNE mich zurück. Mein Magen rumort nach dem Gesöff, was man mir letzte Nacht aufgeschwatzt hat. Es sei für Belakaria nicht gefährlich, hatte dieser zweiköpfe Barkeeper gesagt. Oder war ich schon so dicht gewesen, dass ich glaubte, er hat zwei Köpfe? Es gibt eine Spezies mit zwei Köpfen, aber ich komme ums Verrecken nicht auf den Namen. Ein Summton lässt meine Kopfschmerzen anschwellen. Ein Freund von mir in der axaraborianischen Flotte nannte das immer einen Kater. Was dieses Gefühl mit einer Speise für die menschliche Ernährung zu tun hat, weiß ich nicht. Auf Vectorianis II gab es leckere gebratene Katzen, angeblich geklont aus DNS-Profilen, die von Axarabor selbst stammen.

Ich spaziere langsam durch mein Schiff ASHOKA ins Cockpit.

„Du siehst nicht gut aus“, stellt Vera fest. Eigentlich heißt sie V3-RA, aber daraus haben wir vor langem Vera gemacht.

„Ich fühl mich auch nicht so“, brumme ich und lasse mich in den Pilotensitz fallen. Ihr Körper ist geformt wie der einer weiblichen Menschenfrau, aber es fehlen die Haare. Damit sieht sie mehr aus wie eine Belakaria-Frau. Meine Spezies stammt von Menschen der Zentralwelten ab, hat sich aber mit genetischen Eingriffen massiv an Belak, unsere Heimatwelt, angepasst. Das ist aber schon Jahrtausende her. Wir sind somit nur insoweit mit den Menschen von Axarabor verwandt, wie die Menschen auf Axarabor mit den Schweinen, die sie essen.

Ich nehme die Nachricht, die der Summton angekündigt hatte, an und vor mir in der Luft erscheint ein zweidimensionales Hologramm eines uniformierten Axarabor-Menschen.

„General Obesko“, sage ich und nehme unwillkürlich Haltung im Sitzen ein. Soweit es halt geht. Der Mann ist Mitte vierzig mit grauen Schläfen und einem lichter werdenden Haarkranz. Das kompensiert er durch einen beeindruckenden Bart.

„Hauptmann Kartek Tezal“, begrüßt er mich.

„Reserve-Hauptmann Tezal“, korrigiere ich reflexartig. Seine Augenbraue zuckt in die Höhe. Das hätte ich wohl nicht sagen sollen.

„Jetzt nicht mehr, Hauptmann Tezal.“

„Sir? Präzisieren Sie das bitte!“

„Sie sind hiermit in den aktiven Dienst zurückberufen.“

Ich lächle gezwungen.

„Bei allem Respekt, Sir, ich bin vor zwei Jahren ausgeschieden aus dem aktiven Dienst. Inzwischen bin ich ein respektierter Bergungsschiff-Captain und Privatunternehmer.“

„Hauptmann Tezal“, fährt der General ungerührt fort. „Sie haben das Kleingedruckte gelesen, als Sie frühzeitig ausgetreten sind. Dafür, dass Sie Ihre diversen Modifikationen, Eigentum der Flotte sowie einen verzinsten Kredit abzahlen dürfen, verpflichteten Sie sich, ein Leben lang Reserveoffizier zu werden. Seit einem halben Jahrhundert bedeutet dies, wann immer ich will, kommen Sie, sobald ich pfeife. Solange der gewählte Hochadmiral nicht wechselt, wird sich da sicher auch nichts ändern. Haben wir uns verstanden?“

„Ja, Sir.“

„Gut. Dasselbe gilt für Ihre Kollegin V3-RA. Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie bei Ihnen ist?“

„Ja, Sir“, meldete sich Vera und bewegte sich leicht vor, um in den Erfassungsbereich der Kameralinse zu kommen.

„Ich sende Ihnen ein Datenpaket mit der üblichen Verschlüsselung. Das Passwort der Verschlüsselung ist das Datum Ihres Ausscheidens aus dem Dienst. Alles weitere finden Sie dort. Im Sinne der Geheimhaltung: viel Glück! General Obesko Ende“

Er beendete die Verbindung und ich sitze ratlos da, während eine kleine blinkende Anzeige auf dem Bildschirm vor mir sagt, dass die Meldung angekommen ist.

Vera seufzt und nimmt mich leicht von hinten über die Stuhllehne hinweg in den Arm.

„Das hat ja nicht lange gedauert.“

„Was?“, frage ich.

„Dass Sie uns in Ruhe lassen. Nur du und ich.“

Ich nicke langsam.

„Wir haben gewusst, dass wir aus dem Militär nicht so leicht rauskommen.“

Sie gibt mir einen Kuss mit ihren synthetischen Lippen. Für einen Menschen sieht sie aus wie eine blauhäutige glatzköpfige Frau. Soweit passt sie gut zu mir.

„Ich bin dir dankbar“, flüstert sie mir ins Ohr.

Ich nicke nur, sage nichts dazu. Ich bin durchaus auch deswegen Reserveoffizier, weil ich Schulden beim Militär habe: Streng genommen ist Vera Eigentum der Flotte. Dass sie eine sogenannte echte künstliche Intelligenz über die Jahre erworben hat, ändert daran nichts. Somit war es teuer, sie auszulösen.

„Sehen wir mal an, was uns geschickt wurde.“ Ich gleite mit meinen feingliedrigen Fingern über die Bildschirmkontrollen. Meine dunkelblaue Haut ist leicht rissig, das muss am Alkohol liegen.

Vor mir in der Luft erscheint ein Bildschirm, eine Projektion auf der die Daten aufgezeigt werden.

„Also“, fasse ich für Vera zusammen, die sich in den Sitz des Co-Piloten setzt. „Wir sollen nach PKM-324-HM, ein System nicht weit von uns. Es gibt einen Notruf.“

„Was interessiert das Militär denn?“

„Es ist eine Kennung, der Notruf weist auf ein Kolonieschiff hin, das sich angeblich vor fast fünftausend Jahren von Axarabor aufgemacht hat. Der Kontakt brach wenige Jahrzehnte danach ab, es war eine turbulente Zeit damals. Laut den Akten, die echt nicht gerade ausführlich sind, weiß man nicht mal, ob die Kolonisten ihr Ziel erreichten.“

„Nun denn“, sagte Vera und begann Einstellungen vorzunehmen. „Ich setzte einen Kurs.“

Ich nicke nur erschöpft. Die Kopfschmerzen sind noch erheblich.

Also stehe ich auf und wanke in Richtung Küche. Die Kombüse ist ein kleiner, zwei mal zwei Meter umfassender Raum, in dem ein Nahrungsmittelaufbereiter den größten Platz einnimmt. Manchmal bereitet mir Vera auch etwas zu. Sie selbst benötigt keine Nahrung, legt aber großen Wert darauf, dass ich nicht nur Nährpräparate zu mir nehme. In einem Fach finde ich die Schmerzmittel und schlucke zwei Tabletten.

Eine Weile stehe ich stumm da und warte darauf, dass sie ihre Wirkung tun. 

Die Kolonisation von Axarabor aus ist immer in Wellen verlaufen. Der Weltraum ist endlos, immer wenn es zu größeren Streitereien kam, sind einige Beleidigte losgezogen und haben eine Kolonie gründen wollen. Im Verlauf der Jahrtausende waren das einige, die in unterschiedlichen Wellen mit ganz unterschiedlichen Zielen loszogen. Es gibt eine eigene Abteilung bei der Raumflotte von Axarabor, die sich diesen Kolonisationswellen angenommen hat. Sie durchforsten Archive, um Anhaltspunkte zu finden, wo Kolonien sein müssten. Sofern Kapazitäten frei sind, senden sie Schiffe dorthin und versuchen herauszufinden, was aus den Kolonisten wurde. Es gibt tausende Welten dort draußen, die möglicherweise von Menschen besiedelt wurden und von denen niemand auf Axarabor weiß. Meine persönliche Meinung: Wenn die Kolonien sich nie nach Hause gemeldet haben, wollten sie keinen Kontakt mehr. So ist das manchmal, wenn man sich auseinanderlebt, man sollte sich in Ruhe lassen.

„Wir sind gleich da, es ist nur ein kurzer Sprung“, stellt Vera fest. Ihre Stimme dringt durch die Lautsprecher zu mir und reißt mich aus meinen Gedanken. „Komm besser auf die Brücke.“

Ich nicke und registriere erst dann, dass sie mich ja nicht sehen kann.

„Ist gut“, rufe ich, da man durch das kleine Schiff meine Stimme im Cockpit hören kann.

Im Cockpit sitzt Vera im Co-Pilotensessel. Vor uns ist ein wilder Wirbel aus Farben, den der Überlichtsprung mit sich bringt. Es gibt diverse Antriebssysteme im Universum, je nachdem was ein Individuum aushalten kann. Manche Spezies beschleunigen langsam auf Lichtgeschwindigkeit und interessieren sich kaum für die dabei immer mehr gestauchte Strahlung, die ihre Schiffe durchdringt. Wir hingegen bevorzugen wie viele andere Welten im Sternenreich von Axarabor lichtschnelle Reisen.

„Wir gehen auf Unterlicht“, stellt sie fest, begleitet von dem Piepen der Kontrollen. Vor uns verzerrt sich alles, als wir in den Normalraum zurückwechseln.

„Wir sind bei gut 0,3 Prozent Lichtgeschwindigkeit, bremsen langsam ab“, gibt sie die Anzeigen wieder.

„Empfangen wir den Notruf?“

„Ja, warte“, sagt sie und holt ein entferntes Objekt auf den Schirm. Es liegt zwischen uns und der Sonne des PKM Systems, so dass es sich mit scharfer Silhouette abzeichnet vor dem Licht des roten Riesen.

„Ist das ein Schiff? Spektralanalyse.“

„Laut der Spektralanalyse ist es vermutlich ein künstliches, also geschaffenes Objekt. Ein Raumschiff unbekannter Bauart, das keinerlei Energie emittiert.“

Ich setzte mich auf den Pilotensitz und korrigiere den Kurs, so dass wir abbremsen, je näher wir dem Objekt kommen. Da der Weltraum größtenteils aus mehr oder weniger leerem Raum besteht, ist das passende Abbremsen, ohne Unmengen von Energie zu verbrauchen, eine kleine Kunst für sich - meiner Meinung nach.

„Dann sehen wir uns das mal an.“

Das Objekt kommt währenddessen langsam näher, so dass die Zoomstufen immer weiter zurückgestellt werden können.

„Schick eine Standard Grußbotschaft, die die gängigen Verkehrssprachen und Axaraborianisch enthält. Vielleicht ist ja wer da, der antwortet.“

Ich warte, während Vera die Nachrichten sendet. Das Schiff ist den Messwerten nach ziemlich groß. Während unser kleiner Frachter geformt ist wie ein umgedrehter Dreizack, bei dem in der mittleren Zacke der Antrieb steckt, ist das fremde Schiff eher wie ein gigantischer Regenschirm. Ich schmunzele bei dem Vergleich unwillkürlich, aber er passt. Das Objekt ist lang und hat einen schirmartigen Aufbau. Laut Scannerdaten ist dieser Schirmbereich aus einer anderen Legierung als der Rest. Möglicherweise dient dieses Schiff zur Expedition in stark strahlende Gebiete? Oder soll der Strahlung entgegengewirkt werden beim Beschleunigen auf Überlicht?

Ich lasse das Spekulieren lieber.

„Antworten sie?“

„Nein“, erwidert Vera. „Es gibt keinerlei Signale, die emittiert werden, bis auf den Notruf. Der allerdings ist nur eine standardisierte Textbotschaft in mehreren Sprachen, unter anderem Axaraborianisch. Aber alt. Soweit stimmt der Notruf mit dem überein, was uns die Flotte geschickt hat.“

„Es ist also entweder ein Schiff der Kolonisten oder eines ihrer Nachfahren.“

„Beides ist möglich“, stimmt Vera zu. Sie betätigt einige Kontrollen. Eine Weile sitzen wir schweigend da, während wir dem Schiff langsam näher kommen.

„Allerdings ...“, nimmt sie den Faden wieder auf, „geben die Scannerdaten keinen Anlass dafür, dass es sich um eines der Original-Siedlerschiffe handelt.“

„Haben wir Vergleichsdaten?“, frage ich verdutzt. „So alte?“

„Nein, wie die Kolonistenschiffe dieser Zeit aussahen, steht nicht in den Akten. Allerdings gibt es einige Messdaten, die nahelegen, dass das Schiff nicht älter als fünfzig Standard-Axaraborjahre alt ist.“

„Reagieren Sie auf unsere Rufe?“

„Bisher auf keinen.“

„Gibt es Energie-Signaturen? Irgendwas, das nahelegt, dass dort Leben ist?“

„Ein Teil der Hauptenergieversorgung scheint beschädigt zu sein“, erklärt Vera und lenkt den Kamerafokus auf eine Narbe, die den Schiffsrumpf überzieht und einen schwachen Einblick ins dunkle Innere gewährt. „Ich denke mal, das hat damit zu tun. Muss ein massiver Treffer gewesen sein.“

„Wenn wir Pech haben, reichte der“, brumme ich. Sie streicht mir mit ihrer blauen Synthetik-Hand über die Wange.

„Dann ist es auch schnell erledigt.“

Ich nicke. Meine schwarzen irislosen Augen mustern sie.

„Hast ja recht“, stimme ich zu und konzentriere mich wieder auf den Anflugvektor. „Aber ich hab da trotzdem ein ganz mieses Gefühl.“

Wir kommen dem fremden Schiff immer näher. Die Scannerdaten werden besser, aber letztlich liefert die Abtastung keine Erkenntnisse. Der Notruf scheint automatisiert und an Bord reagiert niemand.

„Da ist ein Hangar“, sagt Vera und zeigt mir auf der Vergrößerung des Kamerabildes mit einer bunten Markierung, welche Stelle sie meint. „Dieser Riss, von dem Treffer, der öffnet dir hier den Hangar.“

„Ist aber knapp“, bemerke ich und lasse den Computer eine Simulation laufen. Meinem Augenmaß nach wird es hinhauen, aber wir reden hier von vielleicht zwanzig Metern Toleranz auf jeder Seite. Das fremde Schiff ist ziemlich groß, unser kleiner Frachter passt sicher locker dreimal in den Hangar. War es wohl ein Kriegsschiff?, geht mir durch den Kopf.

„Willst du es probieren?“

Ich nicke stumm. Was bleibt mir anderes übrig, wenn da niemand mehr ist, der sich meldet. Es ist nicht die erste Schiffshavarie, nach der ich bei einer Bergung dabei bin. Allerdings waren wir damals mit einem Kriegsschiff der Flotte und ausreichend Ausrüstung dabei.

„Okay, probieren wir es“, sage ich und drehe das Schiff um seine eigene Achse, damit wir durch den Spalt passen. Als wir uns dem Riss in der Außenhülle nähern, lässt Vera die Scheinwerfer am Bug aufleuchten.

Im Inneren kann man kleine Teile herumfliegen sehen, vielleicht sind auch Leichen darunter. Das ist schwer zu sagen. Auch ein kleiner Gleiter schwebt dort durch den Raum. Vermutlich gab es auf dem Schiff einmal künstliche Schwerkraft. Wie ein Schiff, das um die eigene Achse rotiert, um durch die Fliehkräfte Schwerkraft zu erzeugen, sieht es nicht aus.

Ein Annäherungsalarm schrillt los, als wir uns dem Riss nähren und das System erkennt, wie knapp es wird.

Kommentarlos deaktiviert Vera den Alarm. Sie weiß, dass sie sich auf mich verlassen kann.

Angespannt betätige ich die Kontrollen und verringere unseren Schub. Den Rest lasse ich uns einfach treiben. Das Schöne an der Schwerelosigkeit ist ja, dass ohne Gravitationsquelle ein Objekt einfach weitertreibt. Schwierig ist es nur, weil das Ding vor uns auch treibt. Jetzt ist die Öffnung ganz nahe. Ich kann auf dem Bildschirm vor mir die Zacken sehen, wo das Metall aufgerissen wurde. 

„Hier müssen gewaltige Kräfte gewütet haben“, sage ich, mehr zu mir selbst als zu Vera. Es ist beinahe so, als könnte ich den Arm ausstrecken und den Riss berühren. Das ist natürlich eine Illusion, wir befinden uns in der Mitte unseres Raumschiffes und die Bildschirme zeigen die Heckkameras. Es gibt bei den Axarabor-Menschen diese fremdartige Eigenheit, Heckscheiben einzubauen. Mochten sie noch so gut und technisch fortgeschritten sein, ein belakarianisches Raumschiff bekam, egal wie groß es war, kein einziges Sichtfenster. Wozu auch? Die Nostalgie eines Luftfahrzeugs nachahmen?

„Wir sind durch“, unterbricht Vera meine Gedanken und ich atme beruhigt auf. „Schwenk die Strahler.“

Sie lässt die Suchscheinwerfer am Bug hin und her wandern und beleuchtet den Hangar. Es ist eine Art lang gezogene Halle, mit einigen seitlich abzweigenden Landebuchten. In manchen liegen fährenartige Schiffe, mehrere Jäger fliegen herum. Leichen sind ebenfalls in der Luft.

„Lebenszeichen?“, frage ich und ahne die Antwort bereits.

„Keine.“

„Hmm“, brumme ich. „Da ist gut“, stelle ich fest und gebe etwas Schub.

Ich habe eine Stelle ausgemacht, an der ich landen kann. Die Landekufen können, wenn nötig, magnetisiert werden und halten uns somit am Boden fest, auch ohne Schwerkraft.

Ich schalte die Kontrollen ab und lehne mich zurück.

„Dann raus, oder?“, frage ich.

Vera nickt. „Wir müssen sehen, was wir herausfinden.“

Ich ziehe mir einen Raumanzug an, der meiner zwei Meter hohen, feingliedrigen Gestalt gerecht wird, und setzte einen Helm auf. Ich hasse diese Kugel aus Kunststoff, auch wenn sie mir eine ziemliche Sichtfreiheit gewährt. Auf Höhe meiner Schläfen sind kleine Lampen angebracht, ebenfalls an meinen Handgelenken. Somit kann ich in mehrere Richtungen leuchten.

Vera trägt naturgemäß keinen, da sie schlicht nicht atmet. Lediglich eine Art Overall hat sie angezogen. Er ist robuster als er aussieht. Genau genommen ist er eine Art Lebewesen, denn sein Gewebe ist durchsetzt mit den Zellen einer Spezies von Gero II, was dafür sorgt, dass die Kleidung sich selbst reparieren kann, wenn sie reißt. Mein Anzug ist aus einem ähnlichen Gemisch.

Wir gehen in die kleine Luftschleuse unseres Schiffes und warten ab, während der Sauerstoff entzogen wird.

Vera hat einen kleinen Handcomputer dabei, mit dem sie sofort, als das Schott sich öffnet, zu scannen beginnt.

„Die Toten sind Menschen“, stellt sie fest. „Axarabor-Menschen, jedenfalls nahe genug dran, um als solche zu gelten.“

Ich will auf einen zugehen, um ihn umzudrehen und ihm ins Gesicht zu sehen, doch Vera hält mich auf.

„Kartek“, sagt sie und ich halte inne. Ihr Blickt trifft meinen.

„Sie starben an Dekompression. Besser nicht zu genau hinsehen.“

Ich nicke. Was viele unterschätzen, ist, dass es im Weltall nicht nur relativ gesehen kalt ist. Wegen des fehlenden Drucks, ist der Siedepunkt sehr viel höher. Ohne Raumanzug kocht das Blut und die Adern platzen auf, das ist meist kein schöner Anblick. Da sieht ein Schusswundenopfer meiner Erfahrung bei der Flotte nach besser aus.

„Starben alle durch Dekompression?“

„Sieht bisher so aus.“

„Vielleicht wurde das Schiff dann nur beschädigt. Eine Eroberung lohnte dann nicht mehr. Komm, suchen wir die Brücke. Irgendwo muss schließlich jemand etwas aufgezeichnet haben.“

„Und wenn sie keine Logbücher führen?“, fragt Vera. „Nicht alle Zivilisationen tun das.“

„Das ist richtig, aber das sind Axarabor-Menschen-Nachfahren. Du weißt doch, was man sagt: Die rosahäutigen Menschen reden am meisten.“

Sie schmunzelt und wir gehen weiter.

Meine Füße stecken in Stiefeln mit magnetisierter Sohle, was mir ermöglicht, bequem zu gehen und nicht hopsen zu müssen. Bei Vera ist es ähnlich.

Wir erreichen ein schweres Schott, das den Ausgang in den Rest des Schiffes verweigert.

„Laut diesen Messwerten ist auf der anderen Seite eine Atmosphäre“, stellt Vera fest. „Allerdings verhindert wohl ein Sicherheitsprotokoll, dass du den Druck entweichen lässt, indem du es öffnest.“

Ich höre nur mit halbem Ohr zu während, ich meine Umgebung betrachte. 

„Da“, zeige ich und leuchte mit der Handgelenklampe auf ein anderes Schott, das halb geöffnet ist.

Wir klettern unter dem Schott hindurch und landen in einem Bereich, der eine Umkleide für die Piloten und Techniker sein könnte. Auch hier erwartet uns wieder ein geschlossenes Schott.

„Kannst du rausbekommen, warum dieses Schott klemmt?“, frage ich und deute auf das halb offene Schott. „Dann könnten wir das hier als Schleuse nutzen. Das Schott zu und das System müsste erlauben, dass wir das Innenschott öffnen.“

„Ich kann es probieren“, sagt Vera und hebt ihren Handscanner. Sie tritt zur Türsteuerung.

„Ich glaube, die Hauptenergie ist ausgefallen, als das Schott sich schließen wollte. Allerdings ...“

Sie schüttelt den Kopf. „Ich kann das System nicht zwingen, das Schott zu schließen. Aber ich kann etwas anderes tun.“

Sie schiebt ihren Ärmel hoch und öffnet eine kleines Segment ihres Unterarms. Dann holt sie aus einer Tasche an ihrem Gürtel ein Kabel, verbindet es mit ihrem Arm und steckt es an die Konsole.

„Glücklicherweise ist ihre Schaltelektronik nicht völlig fremd“, stellt sie fest.

„Nimmst du etwa deine Energie?“

„Keine Sorge, Liebling“, sie zwinkert mir zu. „Ich habe eine Menge Energie.“

Ich lache. Vera würde nichts tun, was sie ehrlich gefährden würde, das musste sie mir schwören.

Sie verzieht das Gesicht als die Tür auf einmal ruckartig nach unten schnellt. „Erledigt.“

Ich drehe mich um und versuche, das andere Schott zu öffnen. Die Konsole hat noch ein wenig Energie, verweigert aber noch immer das Öffnen. Ich lache, als mir eine Idee kommt. In meinem Rucksacktornister sind zwei lange Flaschen, in denen ein Sauerstoffgemisch komprimiert darauf wartet, in den Anzug gepumpt zu werden. Ich löse eine Flasche heraus.

„Komm mal mit dem Scanner her“, sage ich. Als Vera neben mir steht und mich erwartungsvoll ansieht, sage ich. „Wo ist vermutlich der Sensor, durch den das Kontrollfeld seine Daten bekommt?“

Sie scannt die Umgebung und deutet schlussendlich auf eine Stelle in der Wand nahe bei mir. Ein Segment ist dunkler als die Verschalung drumherum.

„Dort.“

„Gut.“

Ich trete darauf zu und lasse Sauerstoff aus meiner Flasche direkt darauf entweichen. „Betätige die Türsteuerung.“

Vera versucht es und erst verweigert die Anzeige eine Reaktion, dann auf einmal öffnet sich das Schott und mit einem Knall wird Sauerstoff aus dem Korridor in den Raum gezogen. Ich schwanke ein wenig und schließe die Flasche wieder an meinen Tornister an. Hier drin ist keine künstliche Schwerkraft, im Korridor aber schon, allerdings ist sie schwach. Mir wird flau im Magen.

„Ich habe inzwischen einen Treffer in der Datenbank, was den Schiffsaufbau angeht.“

„Ist es ein bekannter Typ?“

Details

Seiten
Jahr
2018
ISBN (ePUB)
9783738920543
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Juni)
Schlagworte
raumflotte axarabor notruf sternen
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Titel: Die Raumflotte von Axarabor #17: Notruf zwischen den Sternen