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Großband #7 - Chronik der Sternenkrieger: Acht Sternenkrieger Romane

von Alfred Bekker (Autor:in)
©2018 1000 Seiten

Zusammenfassung

Großband #7 - Chronik der Sternenkrieger: Acht Sternenkrieger Romane
von Alfred Bekker

Dieses Buch enthält folgende Science Fiction Abenteuer:

Commander Reilly 13: Einsatzort Roter Stern

Commander Reilly 14: Im Licht des Roten Sterns

Commander Reilly 15: Die Weisen vom Sirius

Commander Reilly 16: Die Flotte der Qriid

Commander Reilly 17: Ein Raumkapitän der Qriid

Commander Reilly 18: Commander der STERNENKRIEGER

Commander Reilly 19: Eine Kolonie für Übermenschen

Commander Reilly 20: Kampfzone Tau Ceti

Im Jahr 2234 übernimmt Commander Willard J. Reilly das Kommando über die STERNENKRIEGER, ein Kampfschiff des Space Army Corps der Humanen Welten. Die Menschheit befindet sich im wenig später ausbrechenden ersten Krieg gegen die außerirdischen Qriid in einer Position hoffnungsloser Unterlegenheit. Dem ungehemmten Expansionsdrang des aggressiven Alien-Imperiums haben die Verteidiger der Menschheit wenig mehr entgegenzusetzen, als ihren Mut und ihre Entschlossenheit.

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

Cover: STEVE MAYER

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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Großband #7 - Chronik der Sternenkrieger: Acht Sternenkrieger Romane

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von Alfred Bekker

Dieses Buch enthält folgende Science Fiction Abenteuer:

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COMMANDER REILLY 13: Einsatzort Roter Stern

Commander Reilly 14: Im Licht des Roten Sterns

Commander Reilly 15: Die Weisen vom Sirius

Commander Reilly 16: Die Flotte der Qriid

Commander Reilly 17: Ein Raumkapitän der Qriid

Commander Reilly 18: Commander der STERNENKRIEGER

Commander Reilly 19: Eine Kolonie für Übermenschen

Commander Reilly 20: Kampfzone Tau Ceti

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IM JAHR 2234 ÜBERNIMMT Commander Willard J. Reilly das Kommando über die STERNENKRIEGER, ein Kampfschiff des Space Army Corps der Humanen Welten. Die Menschheit befindet sich im wenig später ausbrechenden ersten Krieg gegen die außerirdischen Qriid in einer Position hoffnungsloser Unterlegenheit. Dem ungehemmten Expansionsdrang des aggressiven Alien-Imperiums haben die Verteidiger der Menschheit  wenig mehr entgegenzusetzen, als ihren Mut und ihre Entschlossenheit.

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ALFRED BEKKER IST EIN bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

Cover: STEVE MAYER

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Copyright

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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Chronik der Sternenkrieger – Die Raumflotte der Erde

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von Alfred Bekker

Commander Reilly 13-16

Sammelband

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DIESES BUCH ENTHÄLT folgende Science Fiction Abenteuer:

Commander Reilly 13: Einsatzort Roter Stern

Commander Reilly 14: Im Licht des Roten Sterns

Commander Reilly 15: Die Weisen vom Sirius

Commander Reilly 16: Die Flotte der Qriid

Im Jahr 2234 übernimmt Commander Willard J. Reilly das Kommando über die STERNENKRIEGER, ein Kampfschiff des Space Army Corps der Humanen Welten. Die Menschheit befindet sich im wenig später ausbrechenden ersten Krieg gegen die außerirdischen Qriid in einer Position hoffnungsloser Unterlegenheit. Dem ungehemmten Expansionsdrang des aggressiven Alien-Imperiums haben die Verteidiger der Menschheit  wenig mehr entgegenzusetzen, als ihren Mut und ihre Entschlossenheit.

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ALFRED BEKKER IST EIN bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

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Commander Reilly #13: Einsatzort Roter Stern

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Chronik der Sternenkrieger

Science Fiction Roman von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 139 Taschenbuchseiten.

Im Jahr 2234 übernimmt Commander Willard J. Reilly das Kommando über die STERNENKRIEGER, ein Kampfschiff des Space Army Corps der Humanen Welten. Die Menschheit befindet sich im wenig später ausbrechenden ersten Krieg gegen die außerirdischen Qriid in einer Position hoffnungsloser Unterlegenheit. Dem ungehemmten Expansionsdrang des aggressiven Alien-Imperiums haben die Verteidiger der Menschheit  wenig mehr entgegenzusetzen, als ihren Mut und ihre Entschlossenheit.

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ALFRED BEKKER IST EIN bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

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Übersicht über die Serie “Chronik der Sternenkrieger”

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in chronologischer Reihenfolge

Einzelfolgen:

Commander Reilly 1: Ferne Mission (Handlungszeit 2234)

Commander Reilly 2: Raumschiff STERNENKRIEGER im Einsatz

Commander Reilly 3: Commander im Niemandsland

Commander Reilly 4: Das Niemandsland der Galaxis

Commander Reilly 5: Commander der drei Sonnen

Commander Reilly 6: Kampf um drei Sonnen

Commander Reilly 7: Commander im Sternenkrieg

Commander Reilly 8: Kosmischer Krisenherd

Commander Reilly 9: Invasion der Arachnoiden

Commander Reilly 10: Das Imperium der Arachnoiden

Commander Reilly 11: Verschwörer der Humanen Welten

Commander Reilly 12: Commander der Humanen Welten

Commander Reilly 13: Einsatzort Roter Stern

Commander Reilly 14: Im Licht des Roten Sterns

Commander Reilly 15: Die Weisen vom Sirius

Commander Reilly 16: Die Flotte der Qriid

Commander Reilly 17: Ein Raumkapitän der Qriid

Commander Reilly 18: Commander der Sternenkrieger

Commander Reilly 19: Eine Kolonie für Übermenschen

Commander Reilly 20: Kampfzone Tau Ceti

Commander Reilly 21: Prophet der Verräter

Commander Reilly 22: Einsamer Commander

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TERRIFORS GESCHICHTE: Ein Space Army Corps Roman (Handlungszeit 2238)

Erstes Kommando: Extra-Roman (Handlungszeit 2242)

Erster Offizier: Extra-Roman (Handlungszeit 2246)

Chronik der Sternenkrieger 1 Captain auf der Brücke  (Handlungszeit 2250)

Chronik der Sternenkrieger 2 Sieben Monde 

Chronik der Sternenkrieger 3 Prototyp

Chronik der Sternenkrieger 4 Heiliges Imperium

Chronik der Sternenkrieger 5 Der Wega-Krieg

Chronik der Sternenkrieger 6 Zwischen allen Fronten

Chronik der Sternenkrieger 7 Höllenplanet

Chronik der Sternenkrieger 8 Wahre Marsianer

Chronik der Sternenkrieger 9 Überfall der Naarash

Chronik der Sternenkrieger 10 Der Palast

Chronik der Sternenkrieger 11 Angriff auf Alpha

Chronik der Sternenkrieger 12 Hinter dem Wurmloch

Chronik der Sternenkrieger 13 Letzte Chance

Chronik der Sternenkrieger 14 Dunkle Welten

Chronik der Sternenkrieger 15 In den Höhlen

Chronik der Sternenkrieger 16 Die Feuerwelt

Chronik der Sternenkrieger 17 Die Invasion

Chronik der Sternenkrieger 18 Planetarer Kampf

Chronik der Sternenkrieger 19 Notlandung

Chronik der Sternenkrieger 20 Vergeltung

Chronik der Sternenkrieger 21 Ins Herz des Feindes

Chronik der Sternenkrieger 22 Sklavenschiff

Chronik der Sternenkrieger 23 Alte Götter

Chronik der Sternenkrieger 24 Schlachtpläne

Chronik der Sternenkrieger 25 Aussichtslos

Chronik der Sternenkrieger 26 Schläfer

Chronik der Sternenkrieger 27 In Ruuneds Reich

Chronik der Sternenkrieger 28 Die verschwundenen Raumschiffe

Chronik der Sternenkrieger 29 Die Spur der Götter

Chronik der Sternenkrieger 30 Mission der Verlorenen

Chronik der Sternenkrieger 31 Planet der Wyyryy

Chronik der Sternenkrieger 32 Absturz des Phoenix

Chronik der Sternenkrieger 33 Goldenes Artefakt

Chronik der Sternenkrieger 34 Hundssterne

Chronik der Sternenkrieger 35 Ukasis Hölle

Chronik der Sternenkrieger 36 Die Exodus-Flotte (Handlungszeit 2256)

Chronik der Sternenkrieger 37 Zerstörer

Chronik der Sternenkrieger 38 Sunfrosts Weg (in Vorbereitung)

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SAMMELBÄNDE:

Sammelband 1: Captain und Commander

Sammelband 2: Raumgefechte

Sammelband 3: Ferne Galaxis

Sammelband 4: Kosmischer Feind

Sammelband 5: Der Etnord-Krieg

Sammelband 6: Götter und Gegner

Sammelband 7: Schlächter des Alls

Sammelband 8: Verlorene Götter

Sammelband 9: Galaktischer Ruf

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SONDERAUSGABEN:

Der Anfang der Saga (enthält “Terrifors Geschichte”, “Erstes Kommando” und

Chronik der Sternenkrieger #1-4)

Im Dienst des Space Army Corps (enthält “Terrifors Geschichte”, “Erstes Kommando”)

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DRUCKAUSGABE (AUCH als E-Book):

Chronik der Sternenkrieger: Drei Abenteuer #1 -12 (#1 enthält Terrifors Geschichte, Erstes Kommando und Captain auf der Brücke, die folgenden enthalten jeweils drei Bände und folgen der Nummerierung von Band 2 “Sieben Monde” an.)

Ferner erschienen Doppelbände, teilweise auch im Druck.

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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Prolog

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Hans Benson, Vorsitzender des Humanen Rates, in einem Interview im Sommer 2236, vier Monate nach dem Putschversuch durch Rendor Johnson und der Abwehr der Wsssarrr-Invasion des Sonnensystems:

FRAGE: Mister Benson, sehen Sie durch die Tatsache, dass es letztlich die Flotte der Fulirr war, die die Invasion der Wsssarrr beendete, jetzt eine gewisse diplomatische Abhängigkeit zum Sternenreich des Nalhsara?

ANTWORT: Nein, davon kann keine Rede sein. Wir sind unabhängig, werde unsere eigene Politik machen und uns den Aufgaben widmen, die jetzt anstehen. Dazu gehört natürlich in erster Linie alles, was mit den Aufräumarbeiten im Sol-System und dem Krieg die Qriid zu tun hat. Die Situation ist nach wie vor sehr ernst, und wir müssen alle unsere Kräfte bündeln, um den Bestand der Humanen Welten für die nächsten Jahre zu sichern.

FRAGFE: Lassen Sie mich noch einmal auf meine ursprüngliche Frage zurückkommen...

ANTWORT (gereizt): Wir werden dadurch, dass die Fulirr uns geholfen haben, keineswegs zu ihren Vasallen – wenn es das ist, worauf Sie hinauswollen. Aber es gibt wirklich wichtigere Dinge, als diese, eher hypothetische Frage.

FRAGE: Viele sehen diese Frage gar nicht so als hypothetisch an. Mehrere Mitglieder des Humanen Rates haben in ihren Reden nach der Gegenleistung gefragt, die die Fulirr für ihre Hilfe erwarten!

ANTWORT: Wir haben freundschaftliche Beziehungen. Aber es gibt keine konkrete Gegenleistung. Die Fulirr sind nicht die Ersatz-Söldner für das Space Army Corps.

FRAGE: Was ist mit einer Beteiligung der Humanen Welten am Krieg der Fulirr gegen die K'aradan? Es ist doch bekannt, dass die Fulirr seit langem diplomatisch darauf hinarbeiten, uns als Bündnispartner zu gewinnen. Wird es jetzt – unter den veränderten Bedingungen dazu kommen?

ANTWORT (noch gereizter): Ich weiß nicht, was Sie von veränderten Bedingungen daherfaseln und weshalb Sie das nachplappern, was irgendwelche selbsternannte Weisen im Mediennetz von sich geben!

FRAGE: Dann können Sie definitiv ausschließen, dass die Humanen Welten auf Seiten des Nalhsara eingreifen?

ANTWORT: Jeder militärisch einigermaßen ausgebildete Beobachter wird Ihnen bestätigen, dass sich die Humanen Welten im Moment nun wirklich alles andere leisten können – nur keinen Zwei-Frontenkrieg. Die Invasion der Wsssarrr hat doch gezeigt, wie nahe das die solare Menschheit an den Abgrund gebracht hat. Ist das Antwort genug?

FRAGE: Ich stelle fest: Definitiv ausgeschlossen haben Sie die Unterstützung der Fulirr nicht.

ANTWORT: Wenn Sie die eine oder andere Rohstofflieferung schon als kriegswichtige Unterstützung ansehen...

FRAGE: Gibt es da nicht einen fließenden Übergang? Soweit ich weiß, werden derzeit alle Handelskontakte mit dem Reich der K'aradan auf den Prüfstand gestellt und unsere Außenvertretung bereitet einen Erlass vor, der sämtliche Waren, die ins Reich von Aradan exportiert werden – viele sind es ja ohnehin bislang nicht! – daraufhin untersucht, ob sie waffentaugliche Technologien enthalten!

ANTWORT: Das ist mir jetzt zu dumm. Diese Fragen waren auch nicht abgesprochen. Sie können auf meine Freigabe für dieses Interview lange warten...

FRAGE: Ich habe nur das gefragt, was sich auch die Öffentlichkeit fragt!

ANTWORT: Das Gespräch ist beendet. Schluss. Aus.

FRAGE: Mister, Benson, wir danken Ihnen für das Gespräch.

ANTWORT: Wenn Sie das senden, haben Sie eine Klage am Hals, die Sie und Ihren Sender finanziell nie wieder auf einen grünen Zweig kommen lässt!

FRAGE: Mal sehen, was unser Justiziar dazu sagt, Mister Benson.

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AUS DEN PRIVATEN AUFZEICHNUNGEN von Hans Benson (unveröffentlicht, Freigabe frühestens 50 Jahre nach Tod des Verfassers):

Von dem Moment an, das das erste keilförmige Fulirr-Schiff im Sonnensystem der Erde auftauchte, um die Wsssarrr mit Antimaterie hinauszubomben, hatten die Humanen Welten ihre diplomatische Unabhängigkeit faktisch verloren. Unsere Souveränität war eine Fiktion, der wir selbst nur allzu gern glaubten. Dass die Fulirr sofort nach Einstellung der Kampfhandlungen wieder in ihr Nalhsara zurückkehrten mindert an dieser Aussage nichts. Und ebenso wenig die Tatsache, dass die Sauroiden in einem scheiterten: Sie schafften es nicht, durch einen Putsch eine ihnen genehmere Regierung einzusetzen.

*

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AUS EINEM MEMORANDUM von Brendon Margolis, Sicherheitsbeauftragter von Julian Lang, dem Vorsitzenden des Humanen Rates, November 2251:

Während im Sol-System sich die Invasion der Wsssarrr ereignete und sich die Humanen Welten ihre dünne Existenzbasis beinahe durch einen Putsch selbst zerstörten, wurde bei New Hope verzweifelt um den Bestand dieses fragilen Sternenreichs gekämpft. Heute wissen wir, dass uns die Fulirr durch ihre Unterstützung des Putsches erst in die Lage brachten, dass wir uns von ihnen helfen lassen mussten.

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COMMODORE MINTON DERREKS in einem Referat zur sicherheitspolitischen Lage der Humanen Welten während einer Sitzung des zentralen Verteidigungsstabes des Sol-Systems. Die Aufzeichnung erfolgte illegal und durch Unbekannte. Sie war vom 3.3.2237-4.6.2238 im Mediennetz zu finden:

Auch ohne den Putsch hätte die Wsssarrr-Invasion das Ende der Humanen Welten bedeutet. Die Fulirr haben uns geholfen. Seien wir ihnen dankbar.

Aber es wäre vollkommen naiv anzunehmen, sie würden uns dafür nicht irgendwann die Rechnung präsentieren.

Im Moment können wir uns darauf herausreden, dass die Qriid-Gefahr noch lange nicht gebannt ist und wir mit weiteren Angriffswellen des Heiligen Imperiums rechnen müssen. Wir können weiter ins Feld führen, dass es durchaus auch im Interesse des Nalhsara liegt, dass die Humanen Welten ein stabiles Bollwerk gegen das Qriid-Reich bilden, da ansonsten absehbar wäre, dass sich der Kreuzzug dieser religiös fanatisierten Rasse früher oder später auch gegen die Fulirr richten würde.

Sehen wir den Gegebenheiten realistisch ins Auge: Die Menschheit war nicht in der Lage, ihre Sicherheit aus eigener Kraft zu gewährleisten und auch wenn sich derzeit die politische Klasse noch scheut, dies offen auszusprechen, bringt uns das in eine gewisse Abhängigkeit.

Ich sehe auf Dauer keine realistische Möglichkeit, die Humanen Welten aus dem Konflikt zwischen dem K'aradan-Reich und den Fulirr herauszuhalten.

Als besonders unglücklich empfinde ich die Tatsache, dass wir die Entscheidung, auf welche Seite des Konfliktes wir uns stellen, nicht selbst treffen konnten. Denn – wie immer ein künftiges Engagement der Humanen Welten zugunsten des Nalhsara auch aussehen mag – die Menschheit wird damit in diesem Konflikt den Aggressor und nicht den Angegriffenen unterstützen. Das spricht den Werten, auf denen der Bund der Humanen Welten von Sol und die Verfassungen seiner Mitgliedsplaneten aufgebaut sind, Hohn.

Ich weiß, dass ich damit weit in die Zukunft vorausgreife.

Aber wenn Aggression unterstützt wird, ist das nicht nur in unserem Verhältnis zu anderen extraterrestrischen Völkern bedenklich – ich denke da an das noch fragile Bündnis (falls dies denn überhaupt der Richtige Ausdruck sein sollte) zu den Ontiden, auf deren weiteren Willen zur friedlichen Koexistenz wir angewiesen sind.

Ich denke, dass die Unterstützung von militärischer Aggression für die Zukunft auch en nicht zu unterschätzender Sprengsatz für das Binnenverhältnis der Mitgliedsplaneten untereinander sein kann.

Die Gegensätze einzelner Planeten oder Planetengruppen – ich nenne hier nur stellvertretend die Drei Systeme mit Genet an der Spitze – zu den Institutionen und der Gesetzgebung des Bundes ist schon heute augenfällig. Und ich möchte den Tag erleben, da Teile der Humanen Welten aus dem Bund herausbrechen und sich Menschen von unterschiedlichen Welten in einem militärischen Konflikt gegenüberstehen, weil sie glauben, ihre Vorstellungen von Recht und Unabhängigkeit mit Gewalt durchsetzen zu können.

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1. Kapitel: Nach der Schlacht ist vor der Schlacht

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Das Zentrum der Kampfformation von Space Army Corps Schiffen bildete eine Einheit der Dreadnought-Klasse. Zylinderförmig war sie, wie nahezu alle im Space Army Corps, die während des ersten Qriid–Krieges verwendet wurden. Die 834 m lange Dreadnought trug den Namen TARRAGONA und stand unter dem Kommando von Commodore Ray Malmgren. 421 Gauss-Geschütze besaß die TARRAGONA an jeder ihrer vier Breitseiten oben, unten, rechts und links. Flankiert wurde sie von einigen Kreuzern, Zerstörern und Leichten Kreuzern. Zusammen bildeten sie einen kompakten Verband, der sich in der Nähe des Zwergplaneten New Hope D 334 formiert hatte. New Hope war das wichtigste System am Rande des sogenannten Niemandslandes zwischen dem von den Humanen Welten beanspruchten Territorium und dem sich ständig ausdehnenden Grenze des Heiligen Imperiums der vogelartigen Qriid. Milliarden Menschen lebten dort, insbesondere auf New Hope II und III.

Die Klasse der Zwergplaneten war im frühen einundzwanzigsten Jahrhundert eingeführt worden – ein  Akt, der den Planeten Pluto im Sol-System seines Planetenstatus beraubt hatte.

So war der aus rötlichem, marsähnlich wirkendem Gestein bestehende Zwergplanet New Hope D 334 auch nicht in die Planetenzählung des Systems eingegangen. Das D hinter seinem Namen stand für „Dwarf“ („Zwerg“) und die Zahl dahinter gab Auskunft darüber, um den wievielte Zwergplanet des New Hope Systems es sich handelte. Entscheidend für die Nummerierung war dabei schlicht und ergreifend die zeitliche Reihenfolge der Entdeckung.

Die Formation von Space Army Corps Schiffen bei D 334 war nur eine von mehreren Dutzend weiterer ähnlicher Formationen, die zusammengenommen einen gedachten Abwehrschild um das System bildeten. Dazu gab es noch Reserven an Space Army Corps Schiffen, sowie die ins Space Army Corps integrierten Kräfte der lokalen Systemverteidigung.

Ein Verband von recht schnellen Qriid-Schiffen näherte sich der TARRAGONA und dem von ihr angeführten Verband. Um Treffer durch die geballte Feuerkraft ihrer Gegner zu vermeiden, flogen die Qriid in einer möglichst weit auseinander gezogenen Formation, so dass sie möglichst kein kompaktes Ziel abgaben. Die Space Army Corps Schiffe verfolgten jedoch genau die entgegengesetzte Taktik... Sie mussten einen kompakt positionierten Verband bildeten, um die eigene Feuerkraft wirkungsvoller zur Geltung bringen zu können. Sobald sich der Gegner weit genug genähert hatte, würden die über achthundert Kanonen der Dreadnought TARRAGONA ihre tödliche Ladung herausschleudern. Hunderttausende von würfelförmigen, überaus durchschlagskräftigen Gauss-Geschossen wurden dann durch den Abschuss aus einer der Gauss-Kanonen auf halbe Lichtgeschwindigkeit beschleunigt.

New Hope – hier griffen die Qriid seit Wochen fast ununterbrochen an und hofften auf einen Durchbruch. Mit ihren Industriekapazitäten war dieses System innerhalb weniger Jahrzehnte zu einem der wichtigsten innerhalb der Humanen Welten avanciert.

Dass die Qriid hier einen Angriffspunkt suchten, lag auf der Hand. Schließlich versuchten sie stets, die von ihnen eroberten Welten so schnell wie möglich in ihre eigene industrielle Kriegsproduktion einzubinden. Mit New Hope in ihrer Hand hätten sie eine Produktionsbasis gehabt, von der aus Truppenverbände im ganzen Sektor hätten versorgt werden können. Ein Brückenkopf zur endgültigen Niederwerfung der Humanen Welten.

Das eine Raumkugel von hundert Lichtjahren durchmessende Sternenreich der Menschheit stand am Abgrund. Die letzten Angriffswellen der Qriid auf New Hope hatten unter den Space Army Corps Schiffen hohe Verluste gefordert. Die zahlenmäßig überlegenen Qriid-Verbände hingegen schienen nahezu unerschöpfliche Reserven zu haben. Nach Kampfpausen von mehreren Tagen tauchten immer neue Raumverbände auf den Ortungsschirmen auf und materialisierten aus dem Zwischenraum.

So auch jetzt.

Nur 1,5 Astronomische Einheiten vom Verband der TARRAGONA entfernt trat ein weiterer Verband von 16 Qriid-Schiffen ins Normaluniversum ein. Allerdings würden diese Schiffe erst in einigen Stunden in die Kämpfe eingreifen können. Sie traten mit ungefähr vierzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit ins Einsteinuniversum und mussten erst einmal eine längere Bremsphase hinter sich bringen, um nicht wie Geschosse an ihren Gegnern vorbeizuschnellen. Die Trefferwahrscheinlichkeit eines Passiergefechts bei hohen Geschwindigkeiten lag nämlich auf beiden Seiten und völlig gleichgültig vom eingesetzten Waffensystem bei Null Komma und einer Folge weiterer Nullen, die so groß war, dass die Ziffern, die danach folgten mehr einer Möglichkeit im mathematischen und nicht im praktischen Sinn entsprachen.

Die erste Angriffswelle der Qriid eröffnete nun das Feuer. Die grünlich schimmernden Strahlen ihrer Trasergeschütze zuckten durch das All. Ihre Treffsicherheit auf größere Entfernungen war deutlich höher als die Gauss-Geschütze, die von den Einheiten der Humanen Welten benutzt wurden. Deren Einsatz hatte noch keine Sinn. Dafür hatte Commodore Ray Malmgren, der gleichzeitig Kommandant der Dreadnought TARRAGONA war, den Befehl gegeben, Raketen abzuschießen. Und zwar schon beim ersten Auftauchen der qriidischen Angriffsflottille. Die Raketen suchten sich ihre Ziele selbst mit Hilfe von Sensoren. Sie waren auf die Signaturen von Qriid-Schiffen programmiert, aber über Funk bestand jederzeit die Möglichkeit einer Korrektur. Der Kurs der feindlichen Einheit ließ sich in etwa vorausberechnen und so die Punkte, an denen sich der Raketenkurs und der Kurs eines Angreiferschiffs schnitten.

Der Großteil der Raketen wurde natürlich von den Nahbereichs-Trasern der Qriid getroffen und zerstört. Aber selbst wenn nur ein kleiner Teil der Lenkwaffen ihre Ziele erreichten, war das schon ein Erfolg. Und da die Raketen im kosmischen Maßstab gesehen winzigste Objekte waren, die trotz ihrer Antriebssignatur nicht ganz leicht zu orten waren, konnte man davon ausgehen, dass zumindest einige von ihnen ihr Ziel auch erreichten.

Oder zumindest so nahe herankamen, dass sie bei einer Explosion, die durch die Bekämpfung mit qriidischen Traserstrahlen ausgelöst wurde, immer noch erheblichen Schaden an dem angreifenden Qriid-Schiff anzurichten vermochten.

Eines der Qriid-Schiffe wurde durch eine Rakete voll getroffen. Es platzte auseinander und die glühenden Trümmerteile irrlichterten wie Sternschnuppen durch das All. Eine weitere Rakete wurde von den Qriid nicht früh genug bemerkt. Der Breitband-Traserstrahl brachte die Rakete zur Explosion. Die Außenhülle des Qriid-Schiffs wurde auf einer Länge von zehn Metern aufgeschmolzen. Brände breiteten sich im Inneren des Schiffs aus. Wenig später war es manövrierunfähig. Mit einem chaotisch schlingernden Kurs drang es in jene Zone ein, die bereits von den Gauss-Geschützen der Space Army Corps Schiffe erfasst wurde. Das Feuer der Gauss-Projektile durchlöcherte es wie einen Schweizer Käse. Die Wuchtgeschosse drangen in die Außenhülle ein und zogen Kanäle mit einem Durchmesser von zehn Zentimetern mitten durch das Schiff. Die meisten dieser auf halbe Lichtgeschwindigkeit beschleunigten Projektile traten auf der den Space Army Corps Einheiten abgewandten Seite des Schiffs wieder aus – jetzt auf 0,24 LG abgebremst. Damit waren sie immer schnell genug, um auch noch weitere Objekte zu durchschlagen, falls sich diese in der Nähe befanden. Nur wenige Gauss-Geschosse blieben im Inneren des getroffenen Schiffs stecken, etwa wenn sie auf besonders harte Elemente trafen, die sie dann zwar auch durchdrangen, die aber für eine Abbremsung des Geschosses sorgten, die es auf eine Endgeschwindigkeit brachte, die nicht mehr ausreichte, um die Außenhülle von innen durchschlagen zu können. Manchmal konnte man dann sehen, wie sich Beulen aus der dem Gegner abgewandten

Seite herausdrückten. Das Außenmaterial, aus dem Qriid-Schiffe gefertigt waren, war zwar nicht ganz so dick wie die Panzerzungen der Space Army Corps-Einheiten, dafür aber flexibler und leichter formbar, sodass es auch bei extremen Verformungen, die geschlossene Struktur erhielt.

Natürlich nur innerhalb gewisser Toleranzgrenzen.

Die Qriid nutzten den taktischen Vorteil einer weit auseinandergezogenen Angriffsformation, die dem Geschosshagel der Space Army Corps Schiffe einfach weniger Angriffsfläche bot. Außerdem hielten sie sich möglichst nur am Rand jener Zone, in der die Salven der Space Army Corps Einheiten ihre volle Feuerkraft entfalten konnten. So flogen die Qriid keinen einfachen Frontalangriff. Die meisten Kurse der Angreifer glichen einer Kurve. Man näherte sich den Verbänden der Humanen Welten zunächst an und nahm dann einen gebogenen Kurs. Eine Kurve, die so eng wie möglich sein musste – das Maximum dessen, was die momentane Geschwindigkeit des Qriid-Schiffes in dieser Hinsicht gerade erlaubte. Bestenfalls konnte das eine Art Hyperbel-Bahn ergeben. Ziel war es dann, so schnell wie möglich die gefährliche Zone wieder zu verlassen, in der ihnen die Projektile nur so um die Ohren flogen. Nachdem sie dann einen Bogen geflogen waren, griffen sie erneut an.

Dieses taktischer Verhalten war in den mittlerweile zahllosen Gefechten, die sich Space Army Corps Schiffe inzwischen mit den Streitkräften des Heiligen Imperiums geliefert hatten, immer wieder zu beobachten gewesen. In den taktischen Stäben des Space Army Corps wurde das Manöver auch mitunter als Standard-Geier-Sturzflug bezeichnet, was auf höherer Ebene nicht so gern gehört wurde. Trotz der Tatsache, dass man es bei den Qriid mit einem religiös fanatisierten, unbarmherzigen Gegner zu tun hatte, der keinerlei Kompromisse einging und sich auf einer heiligen Mission wähnte, wollte man jedoch jeden Anflug von Rassismus vermeiden. Auch und gerade im Space Army Corps.

Dutzende von Qriid-Schiffen flogen dieses Manöver und sorgten dabei für einen möglichst großen Abstand untereinander.

Sie feuerten die ganze Zeit über mit ihren Traserkanonen dabei.

Die TAMERLAN, ein Zerstörer, der sich auf der Steuerbordseite der TARRAGONA in der Formation der bei D 334 positionierten Space Army Corps Flottille eingeordnet hatte, wurde von einem Traserstrahl voll erwischt. Ein zweiter Strahl – abgegeben von einem anderen Angreifer-Schiff – erfasste es ebenfalls. Die TAMERLAN explodierte. Captain Brenda McClellan blieb noch nicht einmal mehr Zeit für einen Notruf, geschweige denn  dafür, Rettungskapseln oder gar Landefähren auszusetzen. Die Außenhülle der TAMERLAN wurde auf breiter Front aufgeschmolzen. Wolken aus kondensierender Atemluft traten ins All. Dann brachen Brände aus, fraßen sich in rasender Geschwindigkeit fort. Die TAMERLAN verwandelte sich in eine Atomsonne. Ein Leichter Kreuzer in unmittelbarer Nähe wurde mit schweren Beschädigungen aus der Formation herausgekegelt. In einer chaotischen Bahn, bei der sich der Leichte Kreuzer überschlug und sich wie ein in die Luft geworfener, länglicher Stein drehte. Da er damit in die Schusslinie der eigenen Verbände geriet, konnten die einen Teil ihrer Feuerkraft jetzt nicht mehr einsetzen. Trümmerteile der TASMERLAN wurden gegen die Dreadnought TARRAGONA geschleudert. Es gab mehrere kleinere Schäden an der Außenhülle. Ein Dutzend Gauss-Geschütze wurden so verbogen, dass sie nicht mehr einsatzfähig waren.

Es gab weitere Treffer der Qriid. Der Schwere Kreuzer ATLANTIS VIII bekam durch Traser-Dauerbeschuss so schwere Schäden, dass eine komplette Geschützbreitseite nicht mehr eingesetzt werden konnte. Ein weitere Schwerer Kreuzer wurde manövrierunfähig und meldete einen schweren Brand in der Triebwerkssektion. Eine Evakuierung wurde vorbereitet. Zwei Leichte Kreuzer zerplatzten unter dem Traserbeschuss und verwandelten sich in kleine Atomsonnen. Die Formation der Verteidiger wurde im wahrsten Sinn des Wortes auseinandergesprengt. 

Während die Schiffe der ersten qriidischen Angriffswelle mehr und abdrehten und sich aus den Schusslinien der Space Army Corps Schiffe entfernten, näherte sich bereits die zweite Welle. Bis zu ihrem Eintreffen im Schussbereich der Gauss-Geschütze würden noch Stunden vergehen. Aber es war illusorisch anzunehmen, dass die Formation bei New Hope D 334  sich bis dahin wieder positioniert hatte. Also traf Commodore Ray Malmgren eine folgenschwere Entscheidung. Eine Entscheidung, die kein Zurück erlaubte.

Er gab den Befehl zu einem Space Army Corps Manöver, das den Codenamen „Degenspitze“ trug. 

Der Degen war eine um 1680 aufkommende Stichwaffe aus der prä-spacialen Zeit der Erde. Diese mit einer vierkantigen, ausschließlich zum Stich geeigneten Klinge ausgestattete Waffe war vor allem unter Offizieren oft getragen worden – als reine Zierwaffe in manchen terrestrischen Armeen bis ins frühe einundzwanzigste Jahrhundert. Das Manöver, das Malmgren nun einleitete, glich in übertragenem Sinn dem Stich mit einer Degenspitze.

Die Dreadnought TARRAGONA – benannt nach James Tarragona, dem Begründer der lokalen Erdverteidigung, als deren Nachfolgeorganisation sich das Space Army Corps  in gewisser Weise empfand – drehte sich und verließ mit maximaler Beschleunigung die Formation. Der Kurs zielte exakt auf den Verband der heranrückenden zweiten Qriid-Angriffswelle ab. Noch waren diese Angreifer relativ nahe beieinander. Erst wenn sie sich der von Gauss-Geschossen gefährdeten Zone näherten wurde die Formation bei den Qriid maximal aufgespreizt, um die Trefferwahrscheinlichkeit herabzusetzen.

Die TARRAGONA hielt nun genau auf die Angreifer zu, flog auf das Zentrum des Pulks von Angreifer-Schiffen zu.

Gleichzeitig lösten sich auch die anderen noch kampffähigen größeren Einheiten aus der Formation und bildeten einen Cordon, um die beschädigten oder gar havarierten Schiffe zu schützen. Ein Teil der Leichten Kreuzer, die die Masse der eingesetzten Schiffe ausmachten, reihten sich in diesen Cordon ein, dessen Formationsdichte um einiges geringer war, als es bei der traditionellen Kampfformation von Space Army Corps Schiffen als üblich angesehen wurde.

Die verbleibenden Leichten Kreuzer kümmerten sich hingegen um die Aufnahme von Rettungskapseln oder ausgesetzten Landefähren. Oder sie evakuierten überlebende Besatzungsmitglieder direkt von den angeschossenen Schiffen.

Die TARRAGONA näherte sich indessen sehr schnell dem Pulk der Angreifer, deren Geschwindigkeit bereits erheblich heruntergebremst war...

Die ersten Traser-Schüsse wurden bereits auf die Dreadnought abgefeuert. Fünfzig Jagdgeschütze hatte die TARRAGONA am Bug. Die Zahl der Geschütze war bei den Leichten Kreuzern normiert, aber bei den größeren Einheiten – insbesondere den Dreadnoughts gab es Schwankungen, sowohl was die Größe, als auch was die Zahl der Geschütze betraf.  Allerdings gab es derzeit in den Diensten des Space Army Corps keine Dreadnought unter einer Länge von 800 Metern und einer Geschützzahl von dreihundert pro Breitseite.

Ein paar Trasertreffer im Bugbereich sorgten für den zwischenzeitlichen Ausfall einiger Systeme. Außerdem war die Hälfte der Jagdgeschütze nach dem ersten Treffer eingeschmolzen und es gab eine Hüllenschmelzung, die eine Ausdehnung von fünf Quadratmetern aufwies. Für die Reparatur- und Abwehrmechanismen der TARRAGONA war das kein unlösbares Problem. Die Gauss-Geschütze im Bug wurden ohnehin – wie alle anderen Waffen von der Brücke aus bedient. So konnte der Sektor problemlos evakuiert und abgeschottet werden. Ein Reparaturtrupp in schweren Raumanzügen sorgte dafür, dass die aufgeschmolzene Stelle im Rumpf, durch die so gut wie die gesamte Atemluft der Sektion entwichen war, rasch wieder geschlossen wurde. Man benutzte dazu Platten aus einem Metall-Plastik-Gemisch, das sich leicht verarbeiten und gut abdichten ließ. Es war zwar nicht unbedingt dazu geschaffen, Traserfeuer lange standzuhalten, aber dass bis auf den Meter genau exakt dieselbe Stelle einen weiteren Treffer erhielt, war so gut wie ausgeschlossen.

Fünf leicht verletzte Besatzungsmitglieder waren die Bilanz dieses Treffers. Die in der betroffenen Sektion Diensttuenden Offiziere und Mannschaften konnten sich allesamt in Sicherheit bringen, bevor der Druck so weit abfiel, dass ein Überleben nicht mehr möglich war.

Aus den Raketensilos der TARRAGONA wurden nun Dutzende von Raketen abgefeuert, die sich ihre Ziele unter den auseinanderstrebenden Qriid-Schiffen suchen würden.

Dann erreichte das Schlachtschiff der Dreadnought-Klasse den Pulk und Commodore Malmgren übergab die Schiffskontrolle an den Waffenoffizier. Die TARRAGONA begann sich um die eigene Achse zu drehen, während aus den Hunderten von Gauss-Geschützen an ihren vier Breitseiten Abertausende von Projektilen herausspuckten. Ein wahrer Hagelschauer von ultraschnell, beschleunigten, würfelförmigen Wuchtgeschossen schlug auf den Schiffen der Qriid ein. Die ersten beiden zerplatzten nach verheerenden Treffern in die Energieerzeugungs- und Antriebssektion. Ein weiteres torkelte manövrierunfähig durch das All, nachdem es ein paar Gauss-Treffer erlitten hatte.

Die Qriid-Schiffe hatten durchschnittlich eine Größe, die mit den Leichten Kreuzern des Space Army Corps vergleichbar war. Es gab nur wenige Einheiten, die von ihrer Kampfkraft und der Stärke ihrer Bewaffnung her den Schweren Kreuzern oder den Zerstörern äquivalent waren.

Ein Dreadnought-Schlachtschiff war daher durchaus in der Lage, mit einer weit überlegenen Anzahl feindlicher Schiffe fertig zu werden. Die Feuerkraft übertraf manchmal jene ganzer Verbände kleinerer Einheiten, zumal diese Feuerkraft auch noch einer zentralen Koordination unterlag und daher in ihrer Wirkung noch verstärkt wurde.

Die TARRAGONA schnitt eine Schneise der Verwüstung in die Reihen der Qriid-Schiffe. Diese versuchten, die gerade im Zuge ihres Bremsmanövers nach dem Austritt aus dem Zwischenraum gedrosselte Geschwindigkeit wieder mit Maximalwerten zu beschleunigen, um aus dem unmittelbaren Einflussbereich des Gauss-Feuers zu gelangen.

Dabei feuerten sie weitere Traser-Schüsse auf die TARRAGONA ab. Hier und da gab es den Ausfall des einen oder anderen Dutzends von Gauss-Geschützen zu beklagen. Die ausgefahrenen Läufe der Geschütze verschmolzen, wenn sie lange genug in den Wirkungsbereich eines Traser-Strahls gerieten. Damit sie nicht mehr eingesetzt werden kontern, reichte es schon, wenn sich relativ geringfügige Verformungen oder Veränderungen des Durchmessers ergaben. Es gab ein elektronisches Sensorsystem, dass ständig dafür sorgte, dass dies überprüft wurde. Ansonsten bestand nämlich die akute Gefahr, dass ein Schuss im wahrsten Sinn des Wortes nach hinten losging. Bei den ersten Prototypen der Gauss-Geschütze war das durchaus häufiger vorgekommen. Die Wucht des Geschosses richtete sich dann ganz oder teilweise gegen das eigene Schiff. Unter ungünstigsten Umständen, konnte der Schiffsrumpf auf breiter Front aufgerissen und eine gesamte Breitseite vollkommen unbrauchbar werden. Eine Totalhavarie war dann in der Regel die Folge.

Die TARRAGONA hatte stark abgebremst. Je langsamer sie durch die Reihen der feindlichen Schiffe flog, desto effektiver konnte sie die überlegene Durchschlags- und Feuerkraft ihrer Geschützkapazitäten ausnutzen.

Nur ein kleiner Teil der angreifenden Qriid-Einheiten gelangte jetzt noch bis zu dem neu formierten Verband bei New Hope D 334. Und deren Angriffe konnten die im Cordon positionierten Einheiten einigermaßen abwehren, sodass die Evakuierungen der havarierten Einheiten und die Aufnahme von Rettungskapseln und ausgesetzten Beibooten reibungslos vonstatten gehen konnten.

Als das Dreadnought-Schlachtschiff den Pulk der Qriid-Schiffe durchflogen hatte, hatten die Ionentriebwerke inzwischen auf 0,7 LG abgebremst. Mit dieser Geschwindigkeit war es durchaus möglich eine Kurve zu fliegen, die eine relativ rasche Rückkehr zum Ausgangspunkt des Manövers bei D334 gewährleistete. Denn dieser Punkt musste unbedingt gehalten werden. In den strategischen Überlegungen des Space Army Corps Kommandostabs für das New Hope System spielte er entscheidende Rolle bei der Sicherung des gesamten inneren Bereichs dieses Sonnensystems.

Die TARRAGONA durfte sich daher nicht allzu weit von D 334 entfernen, zumal die Evakuierungen ansonsten vielleicht auf längere Sicht nicht durchgeführt werden konnten, sobald sich die Qriid-Schiffe wieder geordnet hatten oder eine neue Angriffsflottille auftauchte.

Und letzteres war genau in diesem Moment der Fall. Der Ortungsoffizier der TARRAGONA meldete Commodore Ray Malmgren das Auftauchen von insgesamt zwei Dutzend Qriid-Raumern in einem Abstand von 2 AE in senkrechter Richtung zur Systemebene.

Dieser Verband näherte sich also gewissermaßen „von oben“, wenn man die Ausrichtung der künstlichen Schwerkraft an Bord des Dreadnought-Schlachtschiffs in dieser Hinsicht als Maßstab nahm.

Die TARRAGONA kehrte also zurück. Einzelne Qriid-Einheiten aus dem mehr oder minder zersprengten Verband näherten sich dem Cordon der Schweren Kreuzer und Zerstörer.

Hier und da gab es Treffer auf beiden Seiten. Eines dieser Qriid-Schiffe wurde zerstört, den anderen gelang es, sich wieder zu entfernen, ehe sie den Gauss-Geschützen der Space Army Corps-Einheiten zu nahe kamen. Es machte sich nun bemerkbar, dass die Trefferwahrscheinlichkeit bei vereinzelten Qriid-Einheiten ungleich geringer war, als wenn man eine ganze Formation von Angreifern vor sich hatte. Mit dieser Strategie der Nadelstiche versuchten die Taktiker der Qriid offenbar die verbliebene Restflotte bei D 334 so lange zu beschäftigen, bis die von dem 2 AE senkrecht zur Systemebene gelegenen Austrittspunkt aus angreifenden frischen Einheiten den Ort des Kampfgeschehens erreicht hatten.

Die Cordon-Formation der Space Army Corps Einheiten auseinandersprengen oder den Verband vertreiben konnten diese einzelnen Einheiten nicht. Aber sehr wohl waren sie dazu in der Lage, zu verhindern, dass die Space Army Corps Schiffe bei D 334 eine zur Abwehr der neuen Angreifer besser geeignete Formation einnehmen konnten.

Schwere Schäden wurden indessen vom Zerstörer MONTGOMERY gemeldet. Das Schiff hatte einen Traserstrahl in die Triebwerkseinheit bekommen. Der Sandström-Antrieb hatte nichts abbekommen, dafür war der Ionenantrieb hinüber. Ein Brand fraß sich jedoch in benachbarte Sektoren voran und es war noch nicht klar, ob das Schiff aufgegeben werden musste oder eventuell gerettet werden konnte. Das hing davon, ob es gelang, ein Übergreifen des Brandes auf die Sektion zur Energieerzeigung zu verhindern.

Die TARRAGONA änderte den Kurs. Sie flog nun nicht mehr auf direktem Weg auf D 334 zu, sondern, hielt auf einen Rendezvouspunkt zu, an den auch die gerade aus dem Zwischenraum getretenen Qriid-Schiffe erreichen würden. 

Das Schlachtschiff schickte sich auf diese Weise an, den angreifenden Einheiten den Weg abzuschneiden und zu einem Zeitpunkt die Konfrontation zu suchen, in dem die Spreizung des Verbandes noch nicht so weit fortgeschritten war.

Der Kommandant dieser Qriid-Flottille schien ein außergewöhnliches taktisches Genie zu sein, denn er erfasste diese hinter der Kursänderung der TARRAGONA stehende Absicht recht schnell.

Er gab daher den Befehl, die Spreizung schon sehr viel früher vorzunehmen, als dies normalerweise bei angreifenden Qriid-Verbänden der Fall war.

Die Qriid-Raumer strebten auseinander und entfernten sich so weit es ging voneinander. Die Flagg-Einheit ihres Verbandes berechnete dabei die Kurse, die die einzelnen Schiffe zu nehmen hatten, um jeweils Positionen mit maximaler Entfernung voneinander zu erreichen.

Durch diese vorzeitige Spreizung des Qriid-Verbandes verlängerte sich jedoch für so gut wie alle Schiffe dieser Flottille der Weg bis D 334.

Sie würden länger brauchen, um den Ort des Kampfgeschehens zu erreichen, später eingreifen können und vor allem wären ihre Angriffe nicht so massiert.

Die Taktik Malmgrens hatte also schon jetzt bis zu einem gewissen Grad Erfolg.

Der Rendezvouspunkt änderte sich natürlich geringfügig durch die Kursänderungen der Qriid-Schiffe. Vor allem  war es schwieriger zu berechnen, wo die TARRAGONA vermutlich auf die größte Anzahl von gegnerischen Schiffen treffen würde, wobei es immer darauf ankam, wie viele davon auch tatsächlich im Hochwirkungsbereich ihrer Gauss-Geschütze waren.

Aber um so etwas zu errechnen gab es an Bord der TARRAGONA einen leistungsfähigen Bordrechner, der mehrere Punkte angab, die als Zielpunkte taktisch interessant sein konnten. Aus dieser Entfernung war eine Kursänderung von wenigen Grad ein Unterschied beim Zielpunkt von über einer AE. Commodore Malmgren musste die Vor- und Nachteile der verschiedenen Zielpunkte miteinander abwägen und traf eine vorläufige Entscheidung. So lange man noch relativ weit entfernt war, konnte man diese Entscheidung auch durch eine leichte Kursänderung wieder revidieren. Selbst bei hoher Geschwindigkeit. Je weiter man sich jedoch näherte, desto schwieriger wurde dies.

Die fünf unabhängigen Ionentriebwerke des riesigen Schlachtschiffs ließen den Boden auf der Brücke erzittern. In den Sektionen rund um den Maschinentrakt war es noch schlimmer. Dort befanden sich die Aufenthalts- und Freizeiträume und man war wohl davon ausgegangen, dass sich dort während eines Gefechts ohnehin niemand aufhielt. Daher hatte man an der Schallisolierung gespart. Dort herrschte ein unerträgliches Dröhnen und alle möglichen Teile in der Wandverkleidung vibrierten.

Aber das war nicht einmal die schlimmste Kinderkrankheit, die so mancher vom Space Army Corps eingesetzter Schiffstyp aufwies, wie Commodore Ray Malmgren durchaus bekannt war. Es hatte wenig Sinn, sich darüber zu beschweren. Die Ohren derer, die das nötige Geld für Verbesserungen hätten freigeben müssen, waren traditionell schwerhörig und davon abgesehen dämmerte ohnehin erst seit dem Beginn des Qriid-Krieges einem größeren Teil der Öffentlichkeit auf den Humanen Welten, wie wichtig das Space Army Corps für das Überleben dieses noch auf sehr wackeligen Füßen stehenden Sternenreichs der Menschheit war.

Stunden des Wartens folgten.

Stunden, in denen niemand mit seinen Geschossen den Gegner erreichen konnte. Stunden, in denen man aufeinander zuflog und Kurs leicht modifizierte, um sich entweder taktische Möglichkeiten zu eröffnen oder diese anzutäuschen, um auf der anderen Seite eine falsche Annahme nahezu legen.

Ray Malmgren zog sich in dieser Zeit in den Raum des Captains zurück und übergab das Kommando dem Ersten Offizier. Viel verkehrt machen konnte der in dieser Phase des Gefechts nicht.

Malmgren musste allein sein.

Einen Augenblick die Gedanken ordnen, um wieder klar beieinander zu sein, wenn es darum ging innerhalb von Augenblicken Entscheidungen zu treffen, die womöglich nicht nur entscheidend für den Sieg oder die Niederlage waren.

Die auch nicht nur über das Schicksal der Besatzungen jener Schiffe entschieden, die zum Verband der TARRAGONA gehörten.

Es ging um das ganze System.

Und vielleicht war sogar das noch nicht einmal der richtige Maßstab, um diese Schlacht zu betrachten. Eigentlich ging es um die Humanen Welten insgesamt, denn wenn New Hope fiel – das war allen Beteiligten klar – dann würde es sehr schwer sein, die Qriid noch aufzuhalten. Eine derartige industrielle Basis auf einem aus Sicht der Qriid entfernten Brückenkopf konnte man sich nur wünschen. Vielleicht gab es nach der Systemeroberung ein paar kampffreie Wochen oder gar Monate, in denen die Qriid lediglich darangingen, die Industrieanlagen des Systems kompatibel zu machen.

Malmgren genehmigte sich einen Syntho-Drink mit starkem Koffein-Anteil. Das wirkte belebend. Wahrscheinlich hat es bei mir schon gar keine Wirkung mehr, dachte er. Der Koffein-Gehalt war dreimal so hoch wie bei dem antiken Getränk namens Kaffee, an dem sich die Menschheit bis ins einundzwanzigste Jahrhundert hinaus berauscht hatte. Aber diese Zeiten waren ebenso vorbei wie jene, in denen sich die Damen des Rokoko durch den Genuss von Kakao die Stimmung verbesserten oder den Schlaf hinausschoben – manchmal aber auch nur die Redseligkeit förderten. Kaffee wurde im Jahr 2236 nur noch von Nostalgikern getrunken.

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Die Schiebetür öffnete sich und Fähnrich Noel Sakur betrat den Raum des Captains.

„Setzen Sie sich, Sakur!“, sagte Malmgren.

„Captain, ich habe so eben erfahren, dass die Machtübernahme durch eine Gruppe putschender Offiziere aus Fulirr und Geheimdienst gescheitert sein soll. Es gibt unklare Meldungen darüber. Aber die Anzeichen verdichten sich.“

Malmgren atmete tief durch.

Ob er über diese Nachricht erleichtert oder beunruhigt sein sollte, war ihm noch nicht ganz klar. Während das Space Army Corps bei New Hope ums Überleben kämpfte, hatte es außerdem eine Invasion der Wsssarrr im Sol-System gegeben. Und genau diesen Moment hatte sich eine zu allem entschlossene Gruppe unter der Führung des Chefs der Galaktischen Abwehr Rendor Johnson zu nutze gemacht, um etwas zu tun, was sie wohl seit langem plante.

Die Macht im Bund der Humanen Welten von Sol an sich zu reißen.

Normalerweise war während eines Gefechtes strikte Funkstille zu halten – abgesehen von den codierten Transmissionen, die unmittelbar zu Führung des Gefechts notwendig waren. Andere Nachrichten durften nicht abgesetzt werden, da selbst private Transmissionen dem Gegner möglicherweise Informationen über Zustand und Kampffähigkeit des Schiffes zu liefern in der Lage waren.

Genauso wenig durften Nachrichtenströme empfangen werden, die nicht am Terminal des Funkoffiziers geprüft wurden. Schließlich war es durchaus möglich, sich Computerviren einzuhandeln, oder das Opfer von bewussten Fehlinformationen zu werden.

Die Nachrichten aus dem Sol-System hatte Malmgren bisher so weit es ging unterdrückt. Viele der Besatzungsmitglieder stammten aus diesem für die Menschheit noch immer wichtigsten Sonnensystem oder hatten zumindest Verwandte und Bekannte dort. Malmgren hatte einfach vermeiden wollen, dass sich einzelne Besatzungsmitglieder nicht mehr auf ihre Jobs an Bord der Dreadnought konzentrieren konnten.

In einer Situation, die einem praktisch permanenten Gefecht glich, das jeweils nur stundenweise unterbrochen wurde, war das seiner Meinung nach ein zu hohes Risiko.

Außerdem konnte Malmgren nicht so recht abschätzen, wie hoch die Sympathien der Putschisten bei der Besatzung waren. Seine eigene Meinung war durchaus zwiespältig. Eine effektivere Gesamtregierung der Humanen Welten, als sie bisher durch den Humanen Rat und dessen Vorsitzenden Hans Benson ausgeübt worden war, war seiner Meinung nach durchaus sinnvoll. Aber als Malmgren davon erfahren hatte, dass Rendor Johnson offenbar der führende Kopf bei der Sache war, hatte sich bei im die Waage der Argumente auf der anderen Seite gesenkt. 

Er kannte Johnson durch die Zusammenarbeit in verschiedenen Stäben, und er hielt ihn einfach nicht für den Typ eines verantwortungsvollen Anführers.

Fähnrich Sakur war abkommandiert worden, um von einer Nebenfunkzentrale im Maschinentrakt aus die Newsdaten des System-Netzes von New Hope zu verfolgen. Technisch war dieser Arbeitsplatz vom diensthabenden Funkoffizier abgekoppelt und konnte von diesem auch nicht kontrolliert werden. Außerdem hatte Sakur – der durchaus das Zeug zu einem guten Informatiker in der freien Wirtschaft gehabt hätte, das Datennetz so manipuliert, dass auch dann, wenn gerade kein Gefechtszustand war, Nachrichten über die Situation im Sol-System herausgefiltert und zu ihm umgeleitet wurden.

„Der Putsch dürfte vorbei sein“, sagte Sakur.

„Beobachten Sie die Situation noch bisschen.“

„Ja, Sir.“

„Und sagen Sie zu keinem ein Wort.“

„Nein, Sir.“ Fähnrich Sakur studierte genau das Gesicht seines Captains. Commodore Malmgren war für einige Augenblicke in Gedanken versunken.

Auf der Mitte seiner hohen Stirn hatte sich eine tiefe Furche gebildet. Die Augenbrauen, die eigenartigerweise sehr viel dunkler als sein fast weißblondes Haar waren, zogen sich zu einer Schlangenlinie zusammen und berührten sich nun beinahe in der Mitte.

Ein Ruck ging durch den Commodore.

„Ist noch etwas, Fähnrich?“

„Sir, ich bitte Ihnen eine Frage stellen zu dürfen.“

„Bitte!“

„Für welche Seite hätten Sie sich entschieden?“, fragte der Fähnrich.

Malmgren lächelte verhalten. Seine Anspannung schien sich etwas zu lösen.

„Wie gut, dass ich mir über diese Entscheidung wohl nicht mehr den Kopf zerbrechen muss, Fähnrich Sakur.“

„Das heißt, Sie wussten es noch nicht?“

„Die Situation erfassen und improvisieren...“

„Steht das nicht in der Lehrbuchdatei des Space Army Corps, Captain!“

„Wie ich sehe, ist die Ausbildung auf Ganymed doch nicht spurlos an Ihnen vorüber gegangen, Fähnrich. Ja, Sie haben Recht. Das sollte die Maxime eines jeden Space Army Corps Angehörigen sein. Die Schwierigkeit liegt im ersten Teil.“

„Die Situation erfassen...“

„Ich glaube, niemand kann im Moment wirklich von sich behaupten, die Situation erfasst zu haben. Und aus dieser Entfernung ist das noch schwieriger, als wenn man jetzt in unmittelbarer Nähe des Sol-Systems wäre...“

„Vielleicht haben Sie Recht, Sir.“

Ein Signal ertönte.

Der eigentliche Funkoffizier der TARRAGONA erschien auf einem Teil des Bildschirms, der bei Bedarf als Touchscreen die gesamte Tischfläche einnahm.

„Sir, wir sind in wenigen Minuten in Gefechtsdistanz.“

„Danke, Funk. Ich bin gleich auf der Brücke.“

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Die TARRAGONA erreichte jenen Rendezvouspunkt, an dem die größte Zahl von gegnerischen Einheiten anzutreffen war. Wieder drehte sich das Schiff um die eigene Achse und begann Gauss-Geschosse zu spucken. Mehrere der angreifenden Qriid-Einheiten wurden schwer getroffen. Atomsonnen erhellten für Minuten die Schwärze des Alls und überstrahlten sogar das Zentralgestirn – die Sonne New Hope.

Die Schussfrequenz wurde auf das Äußerste erhöht. Gleich Dutzende von würfelförmigen Geschossen durchlöcherten die gegnerischen Einheiten und viele von ihnen hatten anschließend nicht Energie genug, um auch noch weitere Schiffe zumindest zu beschädigen. Gleichzeitig wurden Raketen abgesetzt. Der Vorrat daran ging zur Neige. Commodore Malmgren war dieser Umstand durchaus bewusst und eigentlich hätte längst ein Transporter die Flottille bei D 334 mit Nachschub in dieser Hinsicht versorgen müssen.

Was die Gauss-Projektile anging, so waren die Munitionsvorräte an Bord einer Dreadnought so immens, dass die TARRAGONA die Kampfhandlungen wohl noch mehrere monatelang in ähnlicher Intensität hätte fortsetzen können, ohne dass ihr dies in puncto Munition an die Substanz gegangen wäre.

Um die eigene Achse kreisend drang die TARRAGONA in den Pulk der feindlichen Schiffe hinein, schraubte sich regelrecht zwischen die Qriid-Schiffe und zog eine breite Schneise der Vernichtung.

Mit gewisser zeitlicher Verzögerung begannen auch einige der Raketensprengköpfe zu explodieren und ihr Ziel zu finden.

Dann bekam die TARRAGONA einen Treffer in die Zentralsektion, wo die Energieversorgung untergebracht war. Der Traser-Strahl fraß sich durch die Außenhülle und verschmorte mehrere der Konverter, die sich dort befanden. Es kam zu einem Brand. Eine Explosion ließ den ganzen Trakt unpassierbar werden. Der Bordrechner fiel zeitweise aus, die Waffensteuerung versagte und die künstliche Schwerkraft funktionierte auch im Notmodus nicht mehr.

Treffer über Treffer folgten jetzt. Die TARRAGONA vermochte sich nicht zu wehren, da die Geschütze einfach nicht mehr reagierten. Die Notstromversorgung sprang zwar an, aber die Schäden an den Rechnern waren so groß, dass es Stunden gedauert hätte, um sie zu reinitialisieren. Es wurde versucht, den Bordrechner zu überbrücken, doch all das dauerte viel zu lang. Ein Grund dafür war der Ausfall der Kommunikation. Botschaften mussten zum Teil mündlich von  Besatzungsmitgliedern von einer Sektion in die andere überbracht werden, weil es einfach keine Möglichkeit mehr gab, über Interkom zu kommunizieren.

Die Qriid-Schiffe hatten nun die Möglichkeit, innerhalb der nächsten Stunde, sehr nahe an die TARRAGONA heranzukommen, diesen riesigen, blutrünstigen Koloss, der jetzt scheinbar wehrlos im All trieb. Blind. Manövrierunfähig. Nicht einmal in der Lage ein Beiboot auszusetzen, da sich die Hangartüren nicht öffnen ließen. Commodore Malmgren gab den Befehl, Rettungskapseln auszusetzen. Ein Akt der Verzweiflung. Es war fraglich, ob überhaupt eine dieser Kapseln den Weg ins freie All finden würde. Sie wurden durch Schächte abgeschossen. Die Rettungskapseln der TARRAGONA hatten ein eigenes Antriebsaggregat. Eine Art Minirakete, die dafür sorgte, dass die Kapsel sich möglichst schnell vom Mutterschiff entfernte.

Aber da das ganze viel zu chaotisch ablief, gab es kaum Hoffnung, dass sich allzu viele würden retten können.

Weitere Brände breiteten sich im Schiff aus. Die automatischen Löschvorrichtungen versagten durchgehend. Teile platzten jetzt aus der Außenhaut der TARRAGONA heraus. Flammen schlugen wie Feuerzungen hinaus ins All und machten den Angreifern klar, dass dieser Gigant kurz davor stand, erlegt zu werden.

Die Strahlungswerte stiegen an.

Das bewirkte, dass sich nun sogar die Qriid-Schiffe etwas auf Distanz hielten.

Die Hecksektion verwandelte sich zuerst in eine Atomsonne. Das Schiff brach in der Mitte auseinander. Die Aggregate, die eigentlich zur Energieerzeugung gedacht waren, rissen es nun entzwei. Die Heckhälfte flammte auf und verging in einer Atomreaktion. Heller als das Zentralgestirn von New Hope leuchtete dieser aufwallende Glutball, den selbst die Kälte des Alls nicht schnell abzukühlen vermochte.

Die Bughälfte der TARRAGONA taumelte noch ein paar zehntausende Kilometer führer- und steuerlos durch das All. Sie zog eine Fontäne aus kondensierender Atemluft und anderen Gasen hinter sich her. Vor alle Kühlgase aus den Triebwerksektionen. Teile brachen heraus. Konverter und Sandströmaggregate machten sich als glühende Metallblöcke selbstständig, die dann relativ schnell verloschen. Eine Explosion sprengte den Bug ab. Dann verwandelte sich auch der gesamte vordere Teil der TARRAGONA in einen Glutball, der hell aufleuchtete und dann in sich zusammenfiel.

Augenblicke später war da nichts mehr.

Nur ein paar Trümmer, die – noch etwas nachglühend – wie Irrlichter durch das All zogen.

New Hope D 334 war zu klein und massearm, um sie anziehen zu können.

In vielen tausend Jahren würden diese Trümmer die Stratosphäre eines der größeren New Hope-Planeten erreichen und dort wohl endgültig verglühen.

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Anfang 2237 n. Chr.

Zehn Monate später...

Lieutenant Irina Bergdorff stand vor der großen Projektionsfläche, die in Pseudo-3-D-Qualität die Video-Sequenzen vom Ende der TARRAGONA während der Schlacht von New Hope präsentierte. Die Aufnahmen waren vom Zerstörer GETTYSBURG gemacht worden und später für dieses Programm bearbeitet worden. Ein Programm, dass den Benutzer dazu in die Lage versetzen sollte, alle taktischen Optionen, die im Verlauf der Schlacht bei New Hope eine Rolle gespielt hatten beurteilen zu können. Eine Analyse einzelner Teilabschnitte gehörte zu den Standardaufgaben, die angehende Stabsmitglieder, aber auch angehende Raumkommandanten im Dienst des Space Army Corps zu bewältigen hatten.

Das Bild der explodierenden TARRAGONA gefror.

Lieutenant Irina Bergdorff stand vor ihrer Konsole. Sie hatte mit ihren Fingern ein paar Sensorpunkte auf dem Touchscreen berührt, aber jetzt kamen ihre Eingaben ins Stocken.

Auf einem Nebenfenster der Bildschirmwand wurden Daten angezeigt. Daten über Schiffsstärken, Schiffstypen, Einsatzfähigkeit, Besatzungsstärke, Besatzungszusammensetzung und so weiter. Alles Dinge, die bei militärischen Entscheidungen im Rahmen jener Schlacht eine entscheidende Rolle gespielt hatten. Komplexes und vernetztes Denken ist das, was wir brauchen!, hatte Lieutenant Bergdorff die Stimme ihres Taktiklehrers an der Ganymed-Akademie noch im Ohr. Aber dieser Grundkurs war schon so lange her. Im Moment ist gar nichts in meinem Kopf!, dachte sie. Weder vernetzte noch irgendwelche anderen Gedanken. Alles weg. Das Netz hatte wohl ein paar Löcher...

Sie wirkte wie gelähmt. Die Angst zu scheitern war groß. Die Angst, den Anforderungen nicht zu genügen. Es war immer dasselbe mit ihr. Wenn sie in einer Prüfungssituation steckte, dann war all das, was sie sich angelesen, antrainiert, in mühevollem Training selbst beigebracht hatte, plötzlich weg und diese furchtbare Lähmung überfiel sie. Und es gab nichts, was man dagegen tun konnte. Im Rückblick fragte sie sich, wie sie ihre Abschlussprüfungen in der Schule überhaupt hatte schaffen können. Und vom Abschluss der Ganymed-Akademie für angehende Offiziere des Space Army Corps einmal ganz abgesehen. Bei der Prüfung zum Fähnrich war sie einmal durchgerasselt. Ihr Testergebnis hatte beim ersten Anlauf unter dem Minimalwert gelegen, obwohl sie zuvor von ihren damaligen Vorgesetzten immer als eine der besten ihres Jahrgangs eingestuft worden war. Sie hatte einen zweiten Versuch gehabt. Einen Versuch, von dem sie wusste, dass er ihr letzter sein würde, denn mehr als zwei Versuche sahen die Statuten einfach nicht vor- wer es beim zweiten Mal nicht schaffte, der war eben ungeeignet zum Lieutenant. Irina Bergdorff hatte einfach aufgegeben und sich gesagt, dass sie es sowieso nicht schaffen würde. Also spielte es auch keine Rolle, wie sie abschnitt. Das erstaunliche war, dass sie ihre Prüfung zum Lieutenant mit Bravour geschafft hatte. Vielleicht sollte ich das jetzt auch wieder so machen!, ging es ihr durch den Kopf. Immer das Schlimmste erwarten und dann überrascht sein, dass es doch nicht eintrifft.

„Ich glaube, es hat keinen Sinn, wenn wir jetzt weitermachen“, sagte eine Stimme aus dem Hintergrund.

Ein Mann in der blauen Space Army Corps Kombination eines Admiral trat hinter seiner Konsole hervor, auf der er mitverfolgt hatte, was Lieutenant Bergdorff eingegeben hatte.

Es war Gregor Raimondo, der jüngste Admiral des Space Army Corps. Die Gerüchte, dass er auf irgendeine Weise in den Putschversuch vor zehn Monaten verwickelt gewesen war, waren noch immer nicht ganz verstummt. Aber während Rendor Johnson, der Anführer der Verschwörer inzwischen abgeschirmt an einem geheimen Ort untergebracht war und unter Arrest stand, schien an Gregor Raimondo alles abzuperlen, was seinen blütenreinen Ruf auch nur irgendwie beschmutzen konnte.

Hydrophobie, dachte Lieutenant Bergdorff. Das war die Bezeichnung für eine charakteristische Eigenschaft einer ganzen Werkstoffgruppe. Werkstoffe, die nicht nass werden konnten, selbst wenn man sie unter Wasser tauchte. Silikone gehörten dazu, weswegen sie seit fast dreihundert Jahren als Korrosionsschutz eingesetzt wurden. Genau so ist Raimondo, dachte Bergdorff. An ihm perlte alles ab, ganz gleich wie tief er auch immer selbst im Dreck gesteckt haben mochte. Eine Eigenschaft, die man entweder bewundern oder einfach nur  verständnislos darüber den Kopf schütteln konnte, denn sie war ganz offensichtlich nicht jedem gegeben.

Mir zum Beispiel nicht!, dachte Irina. Aber es gibt da sicher auch Gegenstück. Und das passt dann wohl eher zu meinem Charakter und meinem bisherigen Leben... Scheint so, als hätte ich da ein nicht so besonders tolles Los gezogen...

„Ihre taktische Analyse ist reichlich konfus“, sagte Raimondo. „Ich weiß nicht weshalb, aber es ist so. Und wenn Sie von der Personalverwaltung des Space Army Corps in den taktischen Stabsdienst wechseln wollen oder vielleicht sogar daran denken, vielleicht eines Tages selbst mal Kommandantin eines Raumschiffs zu werden, dann kann man sich so einen Mist nicht leisten. Tut mit Leid, aber ich sage ganz offen, wie ich die Dinge sehe, Lieutenant. Und ich tue Ihnen auch keinen Gefallen, wenn ich irgendetwas beschönige, glauben Sie es mir.“

„Ich habe durchaus nichts gegen Offenheit, Sir“, sagte Lieutenant Bergdorff, die jetzt noch angespannter wirkte, als zuvor an der Konsole.

„Ich verstehe das allerdings nicht ganz“, gestand Raimondo. „Ich weiß eigentlich, dass Sie es drauf haben und in der Beurteilung von Menschen vertue ich mich eigentlich nur sehr selten, wie ich in aller Unbescheidenheit sagen möchte.“

„Ich habe auch keine Ahnung, weshalb es heute einfach nicht läuft.“

„Dieser Eignungstest zum Laufbahnwechsel dürfte Sie eigentlich nicht vor unmögliche Anforderungen stellen, Lieutenant.“

„Ich weiß.“

„Und was ist es dann, das Sie so konfus macht? Ich sage Ihnen eins: Vielleicht sollten Sie darüber nachdenken, das Space Army Corps ganz zu verlassen.“

Irina Bergdorff runzelte die Stirn.

„Sir, bei allem Respekt. Dass dieser Test nicht das Gelbe vom Ei war, habe ich schon gemerkt, kurz nachdem ich ihn angefangen hatte. Eigentlich hätte ich schon nach den ersten Minuten gar nicht weitermachen brauchen, weil ich gleich wusste, dass es heute nichts werden würde...“

„Eine optimistische Einstellung zur Sache, die sie da haben, Lieutenant.“ Der ironische Unterton in Raimondos Worten war nicht zu überhören.

Fehlt nur noch, dass er sagt: Mit dieser Einstellung sollten Sie aber besser kein Gefecht beginnen, Lieutenant! selbst mit dreifacher Überlegenheit nicht!

Das Schlimme an der Sache war, dass Raimondo eigentlich Recht hatte. Irina wusste es. So hatte es keinen Sinn.

„Quittieren Sie den Dienst, Lieutenant. Das, was Sie momentan in der Personalverwaltung des Space Army Corps machen, macht Ihnen keinen Spaß – und das, was Sie aus welchen Gründen auch immer unbedingt anstreben, das können Sie nicht. Dazu sind Sie einfach nicht geeignet. Jedes Gefecht ist eine Prüfung. Eines, in dem nur zwei Zensuren verteilt werden: Leben oder Tod. Und dem müssen Sie sich stellen!“

Das sagt ausgerechnet ein Admiral, der seine Karriere ganz bestimmt nicht auf den Kommandostühlen irgendwelcher Raumschiffe, sondern in gemütlichen Stabscasinos auf der Erde gemacht hat!, ging es Irina jetzt ziemlich ärgerlich durch den Kopf. Was erdreistete sich dieser Admiral eigentlich? Jemand, der seinen Aufstieg, wie man so sagte, vor allem seinen guten Beziehungen zur politischen Führungsebene der Humanen Welten zu verdanken hatte!

„Bei allem Respekt, Sir, Sie mögen sich ja vielleicht ein Urteil darüber erlauben können, was meine taktische Analyse der Schlacht von New Hope taugt – oder auch eben nicht! Aber was meinen Job in der Personalveraltung angeht, haben Sie nicht die geringste Ahnung von dem, was ich tue.“

Raimondo sah sie einige Augenblicke lang nachdenklich an.

Er schien keineswegs beleidigt wegen dieses Widerspruchs zu sein. Vielleicht hat er darauf sogar insgeheim gewartet!, ging es Irina durch den Kopf. Möglicherweise war das das Ziel seiner Worte! Mich zum Widerspruch herauszufordern. Wenn es so war, dann ist zumindest seine Taktik aufgegangen...

Raimondo ging an ihre Konsole und schaltete das Programm ab.

„Die Schlacht von New Hope ist Gott sei Dank geschlagen“, sagte er. „Und obwohl die TARRAGONA im Traserfeuer verglühte, konnte sowohl D 334 gehalten, als auch die Schlacht gewonnen werden...“

„Gewonnen?“, fragte Irina. „Ich weiß nicht, ob man angesichts der immensen Verluste von einem Sieg sprechen kann.“

„Angesichts der Tatsache, dass die Verluste des Gegners noch größer und verheerender waren und vor allem, wenn man  bedenkt, dass die Qriid ihre damaligen Ziele nicht erreichen konnten, dann war das tatsächlich ein Sieg. Zumindest nach meiner Analyse. Ich weiß, dass Sie Ihrem Naturell nach eher die pessimistische Sichtweise vorziehen.“

„Sir, Sie müssen sehr gut in den Zusatzkursen gewesen sein, die man während der Ausbildung in Psychologie belegen kann!“, erwiderte Lieutenant Bergdorff – wohl wissend, dass es zu jener Zeit, als Raimondo ausgebildet wurde weder Zusatzkurse noch überhaupt eine Ganymed-Akademie gegeben hatte.

Raimondo verzog das Gesicht zu einem dünnen Lächeln.

„So wie ich das sehe, gibt es für Sie zwei Möglichkeiten. Entweder Sie treten noch einmal an und schaffen diesen Test, so wie es Ihren Fähigkeiten entspricht – und zwar mit Bravour – oder Sie verlassen das Space Army Corps, denn Ihre Tätigkeit in der Personalverwaltung macht Ihnen offensichtlich keinen Spaß.“

„Ach, Sie können jetzt auch schon per Ferndiagnose die  Motivation eines Ihnen nicht direkt unterstellten Offiziers erkennen, dem Sie zuvor nie dienstlich begegnet sind? Erstaunlich, Admiral!“

„Ich bin Ihrer Arbeit begegnet, Lieutenant“, erwiderte Raimondo. Seine Stimme hatte jetzt einen ruhigeren, versöhnlichen Tonfall.

Er nahm einen Handheld-Rechner von der Magnethalterung an dem zu seiner Admirals-Kombination gehörenden Gürtel. Mit einem Knopfdruck aktivierte er das Gerät und hielt es ihr hin.

„Das hier hatte ich jetzt aus dienstlichen Gründen zu lesen. Gründen, die nichts damit zu tun hatten, dass ich Ihren Test bewerten sollte. Sehen Sie selbst, Lieutenant Bergdorff.“

Irina starrte auf das Display.

„Das ist die Vermisstenliste der SOLARC DEFENDER 11 unter dem Kommando von Lieutenant Ukasi, der entsprechende Bericht dazu und diverse Ergänzungen.“

„Ich sehe nichts Außergewöhnliches.“

„Ich zitiere: Diese Personen werden seit dem 11. März 2252 im Zusammenhang mit den Kampfhandlungen im Sol-System vermisst... Na, fällt Ihnen nichts auf? Der 11. März 2252 ist erst in sechzehn Jahren. Ich weiß nicht, wo Sie mit Ihren Gedanken waren, ob in der Zukunft oder sonst wo. Jedenfalls nicht bei Ihrem Job. Und der Bericht selbst strotzt noch vor weiteren Schlampigkeiten. Ich weiß nicht, ob das repräsentativ für die Art und Weise ist, wie Sie dort Ihren Job machen, aber ich habe mich über Sie informiert. Sie können mehr. Aber dazu muss die Motivation stimmen und das tut sie nicht. Also wenn Sie sich selbst einen Gefallen tun wollen, dann springen Sie entweder über Ihren Schatten oder verschonen Sie das Space Army Corps mit Ihrer Anwesenheit, schlechten taktischen Analysen und noch schlechteren Berichten über Vermisste...“

Eine dunkle Röte überzog Irina.

Eine Röte, die halb aus Scham geboren, als ein Ergebnis des Zorns war, der sich in den letzten Minuten in ihr aufgestaut hatte.

Aber das ärgerlichste an dem, was Raimondo ihr sagte war, dass er möglicherweise Recht hatte...

Wenn sie ganz tief in sich hineinblickte, dann musste sie zumindest die Möglichkeit eingestehen, dass es so sein konnte.

Ein Summton, der von Raimondos Kommunikator ausging, erlöste sie von der Notwendigkeit, dieses Gespräch länger fortsetzen zu müssen.

Raimondo nahm das Gespräch entgegen. Wer auf dem Minidisplay des Armbandkommunikators zu sehen warf, konnte Irina nicht erkennen, aber es musste jemand wichtiges sein, denn selbst Raimondo nahm nun instinktiv Haltung an, obwohl die militärischen Umgangsregeln des 23. Jahrhunderts dies eigentlich nur bei persönlicher Begegnung vorsahen – keinesfalls aber bei einem Gespräch per Kommunikator.

„Sie entschuldigen mich jetzt bitte, Lieutenant.“

„Natürlich Admiral.“

„Melden Sie sich morgen bei mir. 10.00 Uhr Orbital-Standard-Zeit, Raum C332, hier auf Spacedock 1.“

Irina war überrascht.

„Was...?“

„Wir sprechen morgen darüber Lieutenant.“

„Ja, Sir.“

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2. Kapitel: Dark Wanderer Station

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Dark Wanderer Raumstation, 52 Lichtjahre von der Erde entfernt im Grenzgebiet der Humanen Welten, Anfang 2237...

„Ich bin Dr. Jack Metz und komme gerade von der Far Galaxy Akademie auf Sedna, Sol System.“

„Hier sind Sie nur Jack. Gewöhnen Sie sich dran. Hier reden sich alle mit Vornamen an.“

„Ja, Sir.“

„Und es sagt auch niemand Sir.“

„Ja, S... Okay!“

„Das ist Ihr erster Job, oder?“

„Nun, meine Promotion...“

„Habe ich gelesen. Nichts Weltbewegendes. Okay, aber nicht mehr. Sie werden hier optimale Arbeitsbedingungen vorfinden.“

„Davon habe ich schon gehört.“

Dark Wanderer war ein Planet ohne Sonne. Ob er möglicherweise in einer gravitätischen Bindung zu einem der Nachbargestirne stand und eines oder mehrere davon in einer sehr weiten, irregulären Umlaufbahn umkreiste, wusste man noch nicht. Aber um das zu beurteilen reichte wohl auch der Beobachtungszeitraum einfach noch nicht aus. Die Position von Dark Wanderer war im Grenzgebiet zum Nalhsara, wie sowohl das Territorium als auch die Allgemeinheit der wahlfähigen Fulirr bezeichnet wurde.

Die nächste von diesen Sauroiden beherrschte Welt war ganze 1,5 Lichtjahre entfernt.

Aber das wäre allenfalls ein Grund gewesen, eine Spionagestation auf Dark Wanderer zu errichten. Der Geheimdienst hatte sich dafür ausgesprochen, dies auch zu tun, aber die Mittel dafür waren nicht freigegeben worden. Der Humane Rat empfand es als unvernünftig, derzeit Mittel für Lauschoperationen auszugeben, die sich nicht gegen die Qriid richteten. Und nachdem das Eingreifen einer Fulirr-Flotte dafür gesorgt hatte, dass das Sol-System nicht von den Wsssarrr erobert worden war, schien es noch weniger Gründe dafür zu geben, das Sternenreich der Sauroiden genauer zu beobachten. Zumindest nicht, solange man nicht genügend Mittel dazu hatte.

Die Station auf Dark Wanderer war eine reine Forschungsstation. Sie wurde vom Far Galaxy Konzern betrieben und da dieser auch die Akademie auf Sedna unterhielt, war es kein Wunder, dass Jack Metz nach seinem Studium und der Promotion auf Sedna nun auch hier seinen ersten Assistenten-Job bekam. Nebenbei konnte er dann seine zweite Promotion durchbringen, habilitieren oder sonst was tun, was seine Karriere als Wissenschaftler förderte.

Denn dass er eine große Kariere vor sich hatte, daran zweifelte eigentlich niemand, der ihn etwas näher kennen gelernt hatte.

Dark Wanderer war ein idealer astronomischer Beobachtungsposten. Kein Licht eines grellen Zentralgestirns störte die Aufnahmen des Observatoriums. Es gab nichts, was in irgendeiner Weise den Blick auf den Kosmos verfälschte oder verstellte. Gleichzeitig mochte Dark Wanderer ja sehr finster sein, aber der Planet war ziemlich rohstoffreich und – wie man inzwischen herausgefunden hatte, ziemlich dicht von Leben bevölkert. Allerdings war dieses Leben nur auf der Basis von Mikroben vorhanden.

Es gab einen Ozean auf Dark Wanderer, dessen obere Schichten zugefroren waren. Ursprünglich hatte man gedacht, dass unter den ersten tausend Metern Eispanzer einfach nur weitere tausend Meter folgen würden. Aber das war keineswegs der Fall. Unter dem Eis gab es riesige Wasserreservoire.

Diese Reservoire wurden durch die relativ hohe Temperatur flüssig gehalten, die am Grund des Ozeans herrschte. Dort gab es Quellen von heißem Schwefel, der ins Wasser drang und Grundlage eines schwefelbasierten Stoffwechsels in der Tiefe dieser lichtlosen See waren.

Dark Wanderer empfing von keinem seiner Nachbargestirne mehr Energie als in paar Lux Helligkeit am Nachthimmel. Das war alles. Allerdings strahlte er selbst sehr viel mehr als es diesem bescheidenen Wert entsprochen hätte ins All.

Hier hatte sich auf Mikrobenbasis ein Öko-System gebildet, das völlig Licht unabhängig war.

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Jack Metz lebte sich einigermaßen ein. Seine Aufgabe waren astronomische Beobachtungen und deren Auswertung. Nichts Weltbewegendes. Eigentlich hatte er erwartet, etwas mehr gefordert zu werden. Er überlegte sich, ob er vielleicht nebenbei in noch einem weiteren Fach promovieren sollte. Über das Datennetz der Humanen Welten wurden da ein paar hochinteressante Kurse angeboten...

Aber da gab es noch etwas anderes, was ihn gefesselt hatte, seit die Wsssarrr-Invasion das Sol-System heimgesucht hatte.

Zu den Objekten, die vor zehn Monaten das Zentrum des menschlichen Siedlungsgebietes bedroht hatten, hatte ein Raumschiff von gewaltigen Ausmaßen gehört, das äußerlich die Spinnenform eines Arachnoiden aufwies.

Dessen Oberflächenstruktur war auf Nano-Ebene einem permanenten Wandel unterworfen, der wiederum keineswegs zufällig war, sondern einem komplizierten mathematischen Muster folgte.

Metz hatte dieses Muster identifizieren können.

Es musste sich um ein Resonanzphänomen handeln – die Resonanz eines fünf- oder mehrdimensionalen Impulses. Vielleicht wurde durch eines der Antriebs- oder Energieerzeugungsaggregate ein Resonanzfeld erzeugt, das so etwas hervorbrachte. Möglicherweise handelte es sich aber auch um den für die derzeitigen technischen Möglichkeiten der Menschheit wahrnehmbaren Anteil eines Kommunikationsimpulses. Jack Metz war bei der Beantwortung dieser Frage in der Zwischenzeit nicht weitergekommen, was auch damit zu tun hatte, dass dieser Riesen-Arachnoide das Sonnensystem der Erde verlassen hatte.

An Bord die Besatzung des SOLAR DEFENDER 11 unter dem Kommando des frischgebackenen Lieutenant Robert Ukasi als Gefangene.

Im Mediennetz hatte man das eine oder andere über diese Geschichte finden können, allerdings hielt sich die Berichterstattung in engen Grenzen, was einfach damit zu tun hatte, dass die Schicksale von Ukasi und seiner Crew zwar bedauerlich sein mochten – es gab aber im Zuge der Wsssarrr-Invasion und des Qriid-Krieges eine Reihe mindestens genauso tragischer und zum Teil unaufgeklärter Schicksale, sodass sich die öffentliche Anteilnahme an diesem Fall relativierte. Wenn einem schon etwas zustößt, dann doch am besten in  einer ruhigen Zeit – sonst läuft man Gefahr, dass das eigene Unglück kaum bemerkt wird!, dachte Metz dazu.

Für das Space Army Corps war es trotz aller Bemühungen ein Rätsel, wohin der Riesen-Arachnoide verschwunden war. Da er sich mit seinen Erkenntnissen gemeldet hatte, war er auch darauf angesprochen worden, ob er nicht an der Beantwortung dieser Frage mitarbeiten wolle.

Zusammen mit einer Forschergruppe an der Far Galaxy Akademie auf Sedna hatte sich Jack fast zehn Monate lang darum bemüht, den Code, der hinter den mathematischen Mustern vermutet wurde, zu entschlüsseln. Vielleicht ließ das ja sogar Rückschlüsse auf den Zielort des Riesen-Arachnoiden zu. Wenn es sich tatsächlich um die Resonanz eines abgesetzten Kommunikationssignals handelte, war diese Möglichkeit gar nicht so abwegig.

Denn wer sagte, dass der Riesen-Arachnoide das Sol-System einfach nur in heilloser Flucht verlassen hatte?

Die Wsssarrr hatten im Inneren der Sonne eine Art Arche geparkt, die den Fortbestand dieses Volkes nach einer wahrscheinlichen Vernichtung durch die Qriid in einem anderen Raumsektor hatte sichern sollen. Aber das schloss ja keineswegs aus, dass es nicht anderswo weitere Wsssarrr-Kolonien gab, zu denen der Riesen-Arachnoide Kontakt aufgenommen hatte.

Immerhin schienen die Arachnoiden wie keine anderes Volk, auf das die Menschheit bisher gestoßen war, sich die technischen Artefakte zu nutze machen zu können, die ein uraltes Volk hinterlassen hatte, das mit ungeheurer Überlegenheit vor etwa einer Million Jahren weite Teile der Galaxis beherrscht haben musste.

Man durfte schon von daher die Wsssarrr in keiner Weise unterschätzen.

Jack Metz erinnerte sich noch gut an die erste Begegnung mit Gregor Raimondo, während er in das gesamte Szenario eingeführt und über die Dinge informiert worden war, die eigentlich strengster Geheimhaltung unterlagen.

Das war kurz nach dem Putsch, als sich die Dinge im Sol-System innerhalb von ein paar Wochen zumindest äußerlich wieder normalisierten – auch wenn die Schäden immens waren.

Ein dünnes Lächeln erschien auf Jack Metzs Gesicht, während die Erinnerung an diese Begegnung in ihm aufstieg.

Ein kahler Konferenzraum auf der Far Galaxy Akademie auf Sedna. Ein Admiral unter Druck, der sich der einen oder anderen öffentlichen Auseinandersetzung um seine Rolle zu stellen hat.

Und doch ist er nach Sedna gekommen.

Mit einer Raumyacht, die nicht ihm gehört, sondern offenbar einem seiner geheimnisvollen Gönner, über die man in den Foren des Solaren Mediennetzes öffentlich spekuliert. Ein Mann, der das offenbar als eine Petitesse ansieht und schon an die übernächsten Schritte denkt, anstatt sich voll und ganz den Anforderungen des Tages zu stellen.

Er scheint zu wissen, dass das alles an ihm abperlen wird wie Wasser an Silikon.

Beschränkungen und Grenzen akzeptiert er nicht, was ihm mit einem guten Forscher gemein ist. Aber das seltsamste ist, dass er sich vollkommen sicher zu sein scheint, dass er damit ohne Probleme durchkommen wird. Es ist diese Gewissheit, die den Erfolg zu einer Self-fullfilling Prophecy macht...

Da ist kein Platz für Zweifel.

Zumindest nicht nach außen hin.

Aber mittlerweile könnte man denken, dass er selbst das erste Opfer seiner eigenen Selbstsuggestion ist...

„Ich bin kein Wissenschaftler im Dienst des Space Army Corps oder des Geheimdienstes oder der Humanen Welten, Admiral!“

„Aber Sie sind nun mal damit hervorgetreten, dass Sie diesen mathematischen Code erkannt haben und daran arbeiten, ihn zu entschlüsseln, Dr. Metz.“

„Zwischen dem Far Galaxy Konzern und dem Space Army Corps scheint es ein paar undichte Stellen zu geben!“

Ein hintergründiges Lächeln huscht über Metzs ansonsten etwas angestrengt wirkendes Gesicht. In seinen Augen blitzt es. „Gehen Sie davon aus, das alles, was sie an Verschwörungstheorien über den militärisch-industriellen Komplex jemals im Datennetz gelesen haben sollten, nicht der Wahrheit entspricht, sondern eine phantasielose Untertreibung ist.“

„Das klingt nicht gerade beruhigend, Sir.“

„Wir leben nicht unbedingt in ruhigen Zeiten, Dr. Metz. Vielleicht neigen Sie dazu, das im Elfenbeinturm Ihrer Wissenschaften etwas zu vergessen.“

„Ich denke nicht, dass Sie sich herbemüht haben, um mit mir über die Verstrickung des Wissenschaftlers in seinen soziokulturell-politischen Kontext diskutieren wollen, oder?“

„Ich will einfach nur Ihre Hilfe, Dr. Metz. Ob Sie mir helfen, weil Sie ein Herz für die Besatzungsmitglieder der Solar Defender 11 und ihre Angehörigen haben oder weil Sie die zugrunde liegende theoretische Frage interessiert, soll mir gleichgültig sein. Sie sind eines der größten Talente auf ihrem Gebiet und scheinen gerade eine sehr kreative Phase Ihrer Karriere zu haben...“

Die Blicke beider Männer begegnen sich.

Raimondo ist jemand, der genau zu wissen scheint, was er sagen muss, um damit beim Gegenüber eine ganz bestimmte Wirkung zu erzielen.

Der Gedanke an die beinahe schon offene Manipulation erzeugt so etwas wie einen unterschwelligen Widerstand. Aber es ist längst zu spät.

Spätestens die nächsten Worte sind ein Köder, dem man nicht widerstehen kann. Zumindest nicht, wenn man jung ist, am Anfang seiner Karriere steht, Großes vorhat, vor Ehrgeiz und Erkenntnisdrang brennt und Jack Metz heißt.

„Sie und Ihre Forschungsgruppe bekommen alles, was Sie brauchen. Jede personelle oder materielle Unterstützung, die Sie für nötig halten.“

„Und woher kommen diese Mittel?“

„Machen Sie sich über die mathematischen Muster einer Nano-Struktur Gedanken, Dr. Metz – und am Besten über sonst gar nichts. Alles andere ist meine Aufgabe und die überlassen Sie dann auch bitte mir.“

Seine Worte sind vom Tonfall der Endgültigkeit durchdrungen. Zumindest DIESE Worte. Da gibt es keinen Raum für Widerspruch. Da gibt es noch nicht einmal die denkbare Möglichkeit zu diesem Angebot einfach nein zu sagen.

Und wie war Metz dann nach Dark Wanderer gekommen? Warum hatte das Paradies für einen angehenden Forscher so schnell seinen Reiz verloren? Noch bevor man ihm überhaupt einen Apfel angeboten hatte, an dem er sich hätte versündigen können...

Metz räumte seine Sachen in den Spind seiner Kabine. Die Verhältnisse auf der Dark Wanderer Station waren extrem eng. Es gab zwar Einzelkabinen, aber die waren sehr klein und glichen besseren Wandschränken. Jeder Zentimeter hatte irgendeine genau umrissene Funktion und wurde ausgenutzt.

Die Arbeit in der Forschungsgruppe, die er geleitet hatte, hatte unter jedem denkbaren Aspekt gestimmt. Es waren die richtigen Leute, es waren durch Raimondos Unterstützung genug Mittel da und man hatte die beste technische Unterstützung, die man sich denken konnte.

Aber eine Sache hatte nicht gestimmt. Die Gruppe war erfolglos gewesen.

Irgendwann hatte Metz für sich entschieden, musste man die Sackgasse verlassen, auch wenn sie noch so komfortabel sein mochte.

Es hatte keinen Sinn, vor einem Geheimnis wie das Kaninchen vor der Schlange zu stehen und eine Frage so lange durch den Wolf der Erkenntnistheorie zu drehen, bis man nicht mehr wusste, wonach man suchte. Also hatte Metz sein Engagement beendet.

Und jetzt war er ihr.

Auf Dark Wanderer.

Einem Punkt, der zwar nicht am Ende der Welt, aber immerhin am Ende der Humanen Welten lag.

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Sie bekommen die Privatcodierung meines Kommunikators, dann können Sie mich jederzeit erreichen, Metz!“

„Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen, Admiral, aber ich denke nicht, dass ich Gebrauch von dieser Codierung machen und mich umentscheiden werde.“ 

„Man kann nie wissen.“

„Natürlich nicht.“

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Die Tage auf Dark Wanderer waren vor allem mit Aufgaben im Observatorium gefüllt. Es gab ein paar Exo-Biologen an Bord der Station, die regelmäßig mit einer Raumfähre den Planeten selbst aufsuchten, um dort das bizarre Öko-System unter die Lupe zu nehmen. Unterstützt wurden sie von einem Geologen-Team, das den natürlichen Atomreaktor im Kern des Planeten untersuchen sollte. Dass es solche natürlichen Reaktoren gab, wusste man seit langem. Schwere Elemente wie Uran sanken bei der Planetenentstehung ab und bildeten kritische Massen. Im Inneren der Erde gab es eine solche Energiequelle ebenso wie im Inneren des Jupiter, der einiges mehr an Energie abstrahlte, als er von der Sonne empfing.

Auf Dark Wanderer ergab sich nun die einmalige Möglichkeit, diesen Effekt – mangels eines Zentralgestirns – völlig unverfälscht untersuchen zu können. Alles, was an Wärmeenergie den Ozean unter den Eisflächen von Dark Wanderer zu eine Hort des Lebens machte, konnte ja nicht von außen auf den Planeten transferiert worden sein. Die einzige Energiequelle war der eigene Kern und der natürliche Reaktor, der sich dort in der Frühzeit des Planeten gebildet hatte.

Wie genau die ausgesehen hatten hatte und woher Dark Wanderer ursprünglich stammte, war eine der Fragen, die sich die Wissenschaftler stellten.

Metz war vor allem mit Fernbeobachtungen beschäftigt. Auf Grund der Eigenbewegung von Dark Wanderer konnte man ungefähr zurückverfolgen, aus welchem Gebiet der Planet gekommen war. Und ein Isotopenvergleich schränkte auch die Zahl der Sonnen ein, aus deren System er durch eine Katastrophe unbekannten Ausmaßes vor Jahrmilliarden herausgerissen wurde.

Auch Materie-Vergleiche mit anderen Planeten in der näheren kosmischen Umgebung zählten zu den Aufgaben, die dabei anfielen. Ein Großteil davon fiel in Metzs Bereich.

Nach gut einen Monat hatte er sich eingelebt und an seine neue Arbeit gewöhnt. An die Kollegen weniger. Und daran, dass ihn alle Jack nannten schon gar nicht.

Da stieß er auf die Aufzeichnung eines Fernortungsmoduls im Dark Wanderer Observatorium.

Eine Anomalie war darauf zu erkennen.

Strukturmuster auf der Oberfläche eine Planeten, die einem bestimmten Schema folgten.

Sein Instinkt sagte Metz sofort, dass er hier etwas hatte, was genauer untersucht werden musste. Etwas, das ihm bekannt vorkam und dass er deswegen nicht nur einer eingehenden chemischen und physikalischen, sondern vor allem einer mathematischen Untersuchung zuführte. Der Rechner auf Dark Wanderer war nicht so leistungsfähig wie das Modell, das ihm auf Sedna zur Verfügung gestanden hatte. Außerdem musste er sich die Kapazität mit den anderen dort stationierten Wissenschaftlern teilen. Gerade die Geologen brauchten jede Menge davon und es gab dauernd Streit um die Verteilung mit anderen Forschungsgruppen.

Metz offenbarte sich niemandem. Es war zu abseitig, was er entdeckt hatte: Schwankungen im Infrarotspektrum eines Himmelskörpers, der zehn Lichtjahre entfernt war und eine rote Riesensonne umkreiste. Und diese Schwankungen entsprachen in ihrem mathematischen Muster genau jenen, die die Oberflächenstruktur des Riesen-Arachnoiden auf Nano-Ebene zeigte.

„Ich glaube, ich werde noch mal zum Glauben der Qriid konvertieren und eines Tages annehmen, dass die Handschrift des Schöpfers in jedem Atom zu erkennen ist!“, sagte er, bevor er die private Kommunikator-Codierung von Admiral Raimondo anwählte.

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3. Kapitel: Zielpunkt Roter Stern

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Schön, dass Sie da sind, Lieutenant Bergdorff“, sagte Admiral Raimondo, nachdem Irina eingetreten war.

Sie hatte Haltung angenommen, wie es sich für einen rangniederen Offizier gehörte. Raimondo gestattete ihr bequem zu stehen und sich an den auf den ersten Blick vollkommen schmucklosen Tisch zu setzen. In Wahrheit handelte es sich bei diesem Tisch um einen riesigen Touchscreen, den Raimondo allerdings im Moment deaktiviert hatte.

„Die Sache mit der Crew der SOLAR DEFENDER 11 ist mir seit der Schlacht um das Sol-System nicht aus dem Sinn gegangen, wie Sie sich denken können, Lieutenant.“

„Mir auch nicht, Sir. Schließlich habe ich den Bericht verfasst – wenn auch etwas schlampig, wie Sie hernach betrachtet durchaus zurecht feststellten, Sir.“

„Ihre Fähigkeit zur Selbstkritik ehrt Sie, Lieutenant.“

„Danke, Sir.“

„Ich habe mit Ihrem direkten Vorgesetzten gesprochen und wir sind übereingekommen, Ihnen eine Aufgabe zu übertragen, die Sie etwas mehr fordert, als Sie das bisher gewohnt waren.“

„Sir, meinen Test zur Laufbahn...“

„Den können Sie erneut ablegen, wenn diese Sache erledigt ist. Danach sind Sie sich dann nämlich vielleicht etwas mehr darüber im Klaren, was Sie eigentlich wollen.“

Irina schwieg.

Sie wusste nicht so recht, was Sie von Raimondos Worten zu halten hatte. Wahrscheinlich ist es das Beste, einfach erst einmal abzuwarten, was er eigentlich will!, ging es ihr durch den Kopf.

„Ich habe die Mitteilung eines jungen Wissenschaftlers namens Metz erhalten, dass dieselben mathematischen Muster, die er im Nano-Bereich an der Oberflächenstruktur des Riesen-Arachnoiden entdeckte, offenbar auch noch anderswo im Universum zu finden sind. Dieses Muster ist aber so individuell, dass es sich vermutlich um eine Spur handelt, die uns zeigt, wohin das Riesenschiff der Wsssarrr verschwunden ist.“

„Und wo ist das, Sir?“

Admiral Raimondo aktivierte den Touchscreen. Eine Sternenkarte war dort zu sehen. Zahllose farbige Markierungen leuchteten auf. Raimondo zoomte einen Bereich nahe der Grenze zwischen Nalhsara und Humanen Welten heran. „Es handelt sich um das System einer roten Riesensonne, die von den Fulirr Barasamdan genannt wird. Es gibt dort einen Stützpunkt der Fulirr sowie eine Orbitalsiedlung. Auf diplomatischer Ebene ist das alles abgeklärt. Commander Willard Reilly wird mit dem Leichten Kreuzer STERNENKRIEGER dieses System anfliegen, um diplomatische Kontakte auf unterer Militärebene aufzunehmen.“

„Sind wir jetzt mit den Fulirr verbündet?“, fragte Irina etwas irritiert.

Raimondo zögerte mit seiner Antwort. „Die offizielle Sprachregelung in dieser Sache sieht anders aus.“

„Das habe ich mir gedacht.“

„Ich habe aber keine Lust, mir einen Knoten in die Zunge zu reden, daher verweise ich Sie auf die Verlautbarungen im Mediennetz, falls Sie dieses Gewäsch interessiert.“

Irina hob die Augenbrauen. So empfindlich, Admiral?, überlegte sie und konnte sich gerade noch davor hüten, diese Bemerkung nach außen dringen zu lassen.

„Was wäre exakt der Umriss meines Auftrags?“, fragte sie sachlich.

Die Aussicht, ihre Tätigkeit in der Personalverwaltung für schätzungsweise ein paar Wochen ad acta legen zu können, gefiel ihr. 

„Sie werden sich mit allen Umständen, die mit dem Verschwinden des Riesen-Arachnoiden zu tun haben, noch einmal eingehend auseinandersetzen. Da Sie den Bericht verfasst haben, dürften Sie in dieser Hinsicht ja eine ganz gute Grundlage haben. In drei Tagen bricht die STERNENKRIEGER auf. Sie werden sich an Bord begeben und diesen Flug als Offizier mit Sondermission begleiten. Alles Nähere finden Sie in einem Datenfile, das in Ihrem dienstlichen Mailpostfach liegen dürfte. Gibt es noch Fragen?“

„Nein, Sir.“

„Dann können Sie jetzt wegtreten.“

„Ja, Sir!“

Lieutenant Irina Bergdorff nahm Haltung an, drehte sich auf dem Absatz um und verließ den Raum, während Admiral Raimondo noch einen Blick auf die Darstellung des Barasamdan-Systems  auf dem Touchscreen warf.

Aus Ihnen wird vielleicht doch noch mal was, Jack Metz!, überlegte er. Was Irina Bergdorff betraf, so war er sich da noch nicht hundertprozentig sicher.

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Aus dem persönlichen Logbuch von Commander Willard J. Reilly, Captain des Leichten Kreuzers STERNENKRIEGER im Dienst des Space Army Corps  der Humanen Welten, Anfang 2237:

Ich habe die Eingaben in die Logbücher in den letzten Tagen  etwas vernachlässigt, was gewiss mit den hektischen Umständen unseres Starts von Spacedock 1, Erdorbit zu tun hatte. Die STERNENKRIEGER wurde in den Monaten nach der Schlacht gegen die Wsssarrr einer Grundüberholung unterzogen, obgleich ihr Einsatz an so manchen Brennpunkten der Qriid-Front sicherlich vonnöten gewesen wäre. Aber ein paar grundlegende Reparaturen ließen sich einfach nicht länger aufschieben. Der Verschleiß durch den permanenten Einsatz in Kampfsituationen kostet eben seinen Tribut. Auch das beste Material ermüdet. Von der Ermüdung der Besatzung will ich an dieser Stelle gar nicht reden.

Während der Großteil der Besatzung in den letzten Monaten zeitweilig auf Posten der lokalen Raumverteidigung versetzt wurden und ihren Urlaub abfeierten, oblag es mir zusammen mit den Offizieren, die Reparaturen zu überwachen. Insbesondere  ein neuartiger Lademechanismus für die Gauss-Projektile machte uns zuerst arge Kopfschmerzen. Inzwischen ist das Problem aber gelöst. Näheres dazu findet sich im Logbuch des L.I., so dass ich mir an dieser Stelle weitere Ausführungen zu dieser Sache sparen kann.

Nachdem die Schlacht um New Hope einen für die Humanen Welten zumindest vorläufig glücklichen Ausgang nahm, ist der Krieg gegen die Qriid in eine zumindest etwas weniger heiße Phase getreten. Offenbar sind auch die Ressourcen der anderen Seite nicht unerschöpflich.

Dass zumindest erscheint mir tröstlich.

Was die Folgen des Putschversuchs durch Rendor Johnson und seine Anhänger angeht, so sind die Folgen zwar äußerlich weitgehend beseitigt und man hat dafür gesorgt, dass im Regierungsviertel keinerlei Spuren der Kämpfe mehr zu sehen sind, die dort ausgefochten wurden. Aber auf anderer Ebene wird uns dieses Ereignis noch lange wie ein übermächtiger Schatten folgen.

Als unmittelbare Konsequenz ist zunächst einmal das allgemeine Misstrauen zu nennen, das bis in die untersten Ebenen der Space Army Corps Mannschaften hineingeht. Wer stand insgeheim auf welcher Seite? Von wie vielen werden wir nie erfahren, ob sie vorhatten, die Verschwörer zu unterstützen oder nicht.

Der Putsch ist an vielem gescheitert.

Vor allem ist da die eigene Unzulänglichkeit des Anführers zu nennen, aber der zweitwichtigste Punkt dürfte die Entschlossenheit der im Sol-System seinerzeit befindlichen Space Army Corps Raumkommandanten sein, die neue Regierung weder anzuerkennen noch zu unterstützen. Ich spreche hier allerdings ausdrücklich von den Raumkommandanten – nicht von den Offizieren der Stäbe und des Apparats, deren Haltung zum größten Teil bis heute sehr undurchsichtig ist.

Namen zu nennen verbietet sich mir – aber während meine Haltung gegen den Putsch durch meine Handlungsweise vor zehn Monaten allgemein offenbar wurde, ist die Haltung der meisten meiner Vorgesetzten mir durchaus nicht so eindeutig klar. Und das ist ein Faktor, der Misstrauen schafft. Wer gehörte dazu, wer nicht? Dazu kommt noch, dass die Sicherheits- und Geheimdienste der Humanen Welten ihre Aufgabe überpenibel zu erfüllen versuchen. Man kann das aus der Binnenperspektive nachvollziehen. Der Putsch wurde maßgeblich von Leuten aus den Reihen dieser Dienste getragen und so macht sich ein allgemeines Gefühl der Unsicherheit breit.

Der Humane Rat hat eine Kommission zur Untersuchung aller Vorfälle eingesetzt, die irgendwie mit dem Putsch in Zusammenhang stehen. Ich will an dieser Stelle nicht respektlos erscheinen, aber wir wissen doch alle, wozu solche Kommissionen im Stande sind. Man kann schon froh sein, wenn sie keinen allzu großen Schaden anrichten und nicht zu viele Steuergelder verschwenden.

Als Admiral Raimondo mir den Auftrag gab, das Barasamdan-System im Nalhsara anzufliegen, muss er meine Gedanken geahnt haben: War er auch dabei? Will er mich jetzt zu einem weit entfernten Einsatzort schicken, weil ihm meine Anwesenheit im Sol-System als zu gefährlich erscheint, solange seine eigene Rolle bei diesem Umsturzversuch noch nicht restlos geklärt ist?

„Es geht darum, diesen Ukasi und seine Crew zurückzuholen“, sagt er und ich glaube ihm das sogar. Ich will es ihm glauben, dass es wirklich nur darum geht. „Und der Offizier, den Sie für diesen Einsatz zugeteilt bekommen, hat sich eingehend mit der Sache befasst. Sie können auf Lieutenant Bergdorffs Kompetenz bauen.“

„Das freut mich“, lautet meine Erwiderung.

Ich erkundige mich noch, wie genau nun unser Verhältnis zu den Fulirr zu definieren ist und bekomme ein paar Antworten, die mir nicht weiterhelfen.

Aber ich sehe auch ein, dass er sich vielleicht nicht klarer ausdrücken KANN, auch wenn er das gerne würde.

„Trauen Sie einfach Ihrem Instinkt, Commander Reilly. Der hat Sie doch noch nie getrogen, oder?“

„Nicht, dass ich wüsste!“

„Na, also! Sie werden das schon richtig machen.“

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Leider war es nicht möglich, die neuen Besatzungsmitglieder oder jene, die in einer neuen Rangstufe Teil unserer Crew sind, vor Antritt der Mission dementsprechend zu würdigen. So hole ich dies am zweiten Tag nach der Abreise nach. Ungefähr eine Woche Sandström-Flug liegen vor uns. Eine Woche, in denen man so etwas machen kann wie Logbücher vervollständigen und Neue begrüßen.

Da war zunächst einmal natürlich der von Admiral Raimondo angekündigte Offizier mit Sonderaufgaben – Lieutenant Irina Bergdorff.

Ich vermag sie bisher noch nicht recht einzuschätzen. Aber irgendetwas stimmt mit ihr nicht, das sagt mir mein Instinkt. Leider bin ich kein Olvanorer wie mein Bruder Dan.

Dann sähe ich vielleicht klarer und könnte schon an irgendwelchen winzigen Zuckungen der Haut oder dergleichen erkennen, wo das Problem liegt.

So bin ich auf den gesunden Menschenverstand und den überaus ergiebigen Grundkurs Psychologie bei der Ausbildung an der Akademie von Ganymed angewiesen, um solche Fragen zu beurteilen. In der Praxis überlasse ich sie dann am besten meinem Bauch und finde hinterher eine logische Erklärung dafür, wieso ich nur zu dieser oder jenen Auffassung kommen konnte.

Ich glaube, die meisten machen das so, es gibt nur niemand zu.

Lieutenant Bergdorff hatte sich sehr sorgfältig auf ihre Mission vorbereitet, was ich in einem späteren Einzelgespräch mit ihr bemerkte.

Bei der Begrüßung in dem kleinen Konferenzraum, der gerade Platz genug bietet, dass alle Offiziere sich dort versammeln können und gleichzeitig als Captain’s Room fungiert, wirkte sie sehr steif und unnahbar.

Wie jemand, der innerlich ahnt, dass er am falschen Platz ist. Anders kann ich das nicht erklären.

Lieutenant Abdul Rajiv hingegen wirkte sehr gelöst. Der ehemalige Fähnrich an Bord der STERNENKRIEGER kehrte nach einem  mehrmonatigen Intermezzo an einer anderen Dienststelle, die mir im Moment entfallen ist, an Bord der STERNENKRIEGER zurück.

Diesmal als Offizier und in der Funktion eines Rudergängers. Lieutenant Rajiv hatte sich für die Stelle des Rudergängers beworben, nachdem Lieutenant Clifford Ramirez diesen Posten verließ.

Zunächst dachte Ramirez daran, ganz aus dem Space Army Corps auszuscheiden, um sich mehr seiner Familie auf dem Merkur zu widmen. Für ein paar Monate war er nominell sogar aus dem Dienst geschieden, aber er konnte seinen Vorsatz nicht lange durchhalten. Raimondo hatte ihm den Posten eines Ersten Offiziers angeboten und die Beförderung zum Lieutenant Commander mit der Aussicht, in absehbarer Zeit ein eigenes Kommando übernehmen zu können, falls er sich bewährte.

Da konnte er nicht widerstehen.

Und wer würde schon daran zweifeln, dass Lieutenant Fernand sich in seiner neuen Aufgabe bewähren wird?

Tatsächlich vollkommen neu an Bord der STERNENKRIEGER war Fähnrich Noel Sakur. Er hatte zuvor an Bord des Dreadnought-Schlachtschiffs TARRAGONA unter dem Kommando von Commodore Ray Malmgren gedient.

Das Schiff war während der Schlacht von den Qriid zerstört worden.

Nur eine einzige Rettungskapsel wurde später von den eintreffenden Hilfsverbänden der Xabo an Bord genommen, die im Übrigen ja auch beim Ausgang der Schlacht zu unseren Gunsten eine nicht unwesentliche Rolle spielten.

Fähnrich Sakur war damit der einzige Überlebende einer Besatzung von fast 900 Mann, die an Bord der TARRAGONA Dienst getan hatten.

Er sollte seine Ausbildung an Bord der STERNENKRIEGER abschließen und spätestens in einem Jahr seine Prüfung zum Lieutenant machen.

„Seien Sie herzlich willkommen an Bord, Fähnrich Sakur“, sagte ich. „Wie ich an Ihren Beurteilungen sehe, verfügen Sie ja über erhebliche Fähigkeiten im Umgang mit Kommunikations- und Rechnertechnik.“

„Ich will nicht übertreiben“, sagte er.

„Dann wäre der Posten eines Funkers doch an sich für Sie prädestiniert, meinen Sie nicht auch?“

„Eigentlich habe ich meine Karriere etwas anders geplant, Sir.“

„So?“

„Nach meiner Zeit als Fähnrich möchte ich als Lieutenant Waffenoffizier auf einem Leichten Kreuzer werden....“

„Und später streben Sie sicherlich ein eigenes Kommando an?“

„Auf einem Schlachtschiff der Dreadnought-Klasse.“

Was man auch immer über ihn sagen mochte – weder Bescheidenheit noch mangelnder Ehrgeiz gehören zu den Eigenschaften, die für ihn kennzeichnend sind.

Bei anderer Gelegenheit äußerte er mal, das sein Vorbild Admiral Nelson sei – nicht der Admiral Nelson der lokalen Wega-Verteidigung aus dem letzen Jahrhundert, sondern der antike Nelson aus der Präspacialen Epoche der irdischen Geschichte.

Aber vielleicht kann man Großes nur erreichen, wenn man sich Großes vornimmt.

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Nachtrag.

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Im Moment liege ich auf der schmalen Pritsche in meiner Kabine und sehe das Relief an, das ein Wikingerschiff auf hoher See darstellt.

Ich hatte mir einst ausbedungen dieses Relief in die Kabinenwand einsetzen zu lassen. Ein Privileg, das man dem Ersten Captain des ersten Leichten Kreuzers neuen Typs zugestand.

Meine Gedanken sind bei Robert Ukasi – ehemals Fähnrich an Bord der STERNENKRIEGER und jetzt mit der Crew der SOLAR DEFENDER 11 verschollen. Der Aufklärung seines Schicksals und des Schicksals der anderen Besatzungsmitglieder seines Schiffs dient unter anderem diese Mission.

Ich hoffe nur, dass wir nicht von Anfang an auf verlorenem Posten stehen und nur einer Chimäre nachjagen.

Meinem Eindruck nach ist es ein besonderes Schuldgefühl, dass Raimondo der Besatzung der Solar Defender 11 gegenüber empfindet und dass ihn nach jedem Strohhalm greifen lädst. Es ist im Moment tatsächlich möglich, ohne größere Sicherheitsbedenken diesen Strohhalm zu ergreifen, da sich der Qriid-Krieg in einer Phase leichter Abkühlung befindet.

Momentan zumindest.

Niemand von uns weiß, wie lange das anhält und dies ist auch keineswegs die erste Phase dieser Art, die wir erleben.

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4. Kapitel: Ankunft bei Verbündeten

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Austritt dem Sandström-Raum!“, meldete Lieutenant Abdul Rajiv, der neue Rudergänger der STERNENKRIEGER. „Austrittsgeschwindigkeit beträgt 0,41 LG. Bremsmanöver wird eingeleitet. In acht Stunden und 42 Minuten können wir in die Umlaufbahn von Barasamdan III einschwenken.“ 

„Alle Systeme arbeiten einwandfrei“, meldete Lieutenant Commander Thorbjörn Soldo. Der Erste Offizier der STERNENKRIEGER glich einem blonden Wikinger. Er stand an seiner Konsole und nahm ein paar Schaltungen vor. Auf seiner Stirn erschien eine Falte, als er dann auf die Anzeige blickte.

„Ist irgendetwas, I.O.?“, erkundigte sich Commander Willard J. Reilly.

„Ich messe hier eine geringfügige Erhöhung des Alpha Faktors beim Sandströmaggregat“, erklärte Soldo. „Nichts Besorgniserregendes, aber ich werde mich mal beim L.I. erkundigen, was das auf sich hat.“

Soldo stellte eine Kom-Verbindung zum Maschinentrakt her. Das mollige Gesicht von Lieutenant Catherine White, der Leitenden Ingenieurin erschien auf einem Nebenbildschirm rechts von Soldo.

Der Erste Offizier erkundigte sich nach dem erhöhten Alpha-Faktor.

„Sie haben vollkommen Recht“, bestätigte White. „Damit hängt auch die leicht erhöhte Austrittsgeschwindigkeit zusammen, die allerdings noch im absolut harmlosen Bereich liegt. Ich nehme an, dass das mit der Neukalibrierung auf Spacedock 1 und dem Einsetzen der neuen Alpha-Generatoren zu tun hat. Leider war keine Zeit, sie zu testen.“

„Ich schlage vor, dass Sie versuchen, die Kalibrierung wieder so hinzubekommen, dass wir Normalwerte haben“, sagte Soldo.

„Aye, aye, Sir. Kann aber etwas dauern.“

„Da wir nicht vorhaben, das System gleich wieder fluchtartig zu verlassen, dürfte das kein Problem sein. Soldo Ende.“ 

Commander Reilly schlug die Beine übereinander und lehnte sich in seinem Kommandantensessel zurück. Auf dem Panorama-Schirm der STERNENKRIEGER erschien das Bild der roten Riesensonne Barasamdan. Lieutenant Sara Majevsky, an Bord der STERNENKRIEGER für Ortung und Funk zuständig, schaltete die Darstellung auf einen höheren Zoomfaktor. Jetzt füllte die rote Riesensonne fast zwei Drittel des Schirms aus. Insgesamt achtzehn Planeten besaß diese Sonne, dazu kamen noch 36 Zwergplaneten und insgesamt 123 Monde sowie fast 2000 Asteroiden.

Planet Nummer I würde in absehbarer Zeit von der sich ausdehnenden roten Riesensonne erfasst und absorbiert werden. Barasamdan I hatte bereits drei seiner insgesamt vier Monde an sein Zentralgestirn verloren. Die Anziehungskraft des Roten Riesen hatte sie einfach aus der Umlaufbahn des Planeten gerissen. Barasamdan I war ein erdähnlicher Planet, der früher wahrscheinlich auch einmal eine Atmosphäre und Ozeane gehabt hatte.

Aber die sich ausdehnende Sonne hatte all das schon vor einigen Millionen Jahren verdampfen lassen. Heute gab es nur noch eine Atmosphäre, die einem industriell erzeugten Vakuum auf der Erde entsprach und einen mittleren Luftdruck von 10 Hoch minus 6 Millibar aufwies. Dass diese Atmosphäre zu fast fünfzig Prozent aus Sauerstoff bestand nützte niemandem und förderte allenfalls noch die Korrosion der Metalle im Boden, der von einem roten Gesteinsboden überzogen wurde.

Planet II war sicher auch einmal bewohnbar gewesen. Die Atmosphäre bestand zu dreißig Prozent aus Sauerstoff, was den Betrieb jeglicher Art von Verbrennungsmaschinen zu einer gefährlichen Angelegenheit machte. Früher hatte es auch auf Nummer II ausreichend Wasser gegeben, aber inzwischen waren 99 Prozent der Oberfläche von Wüste bedeckt und die Temperaturen konnten im Äquatorbereich auf über 100 Grad Celsius ansteigen. In diesem Glutofen war nur noch sehr eingeschränktes Leben möglich. Die Fulirr hatten hier nicht einmal eine Forschungsstation. Stattdessen gab es nur ein paar Beobachtungssatelliten im Orbit und eine Raumwerft auf einem der Monde, die diesen Planeten umkreisten. Der Planet selbst wurde von Skorpionartigen Wesen besiedelt, die allenfalls halbintelligent waren. Ab und zu flogen fulirr’sche Prospektoren Nummer II an, um ein paar seltene Phosphor-Isotope zu fördern.

Die Hauptwelt des Systems war Nummer III.

Hier herrschten Bedingungen, die man durchaus als erdähnlich bezeichnen konnte. Commander Reilly ließ sich die Daten auf dem Display seiner Konsole noch einmal anzeigen, darunter auch eine schematische Übersicht über den inneren Bereich des Systems, worunter man den Bereich bis zu Planet III verstand. Zwischen Nummer III und IV war nämlich eine unverhältnismäßig große Lücke, die von einem Asteroidengürtel gefüllt wurde.

Lieutenant Sara Majevsky zoomte den Planeten Nummer III näher heran.

Er sah aus wie eine Orange mit ein paar grünlich-blauen Schimmelstellen.

„Die Masse entspricht in etwa jener der Erde“, berichtete Thorbjörn Soldo. „Es herrscht eine Schwerkraft von O,989 g.“

„Na, dann sind wir ja alle ein paar Gramm leichter, wenn wir den Fuß auf die Oberfläche setzen“, lautete Commander Reillys Kommentar. „Irre ich mich oder sehen diese Strukturen da den Kanälen des Mars ziemlich ähnlich?“ 

„Mit dem Unterschied, dass es sich tatsächlich um Kanäle handelt“, erklärte Soldo. „Die elefantoiden Intelligenzen, die auf Nummer III beheimatet sind, haben damit das Wasser aus den wenigen noch verbliebenen Binnenmeeren in weite Gebiete verteilt, die sonst Wüste geworden wären.“

„Dann hat Nummer III wohl auch schon unter der zunehmenden Ausdehnung des Roten Riesen zu leiden“, stellte Reilly fest.

Lieutenant Commander Soldo nickte. „Irgendwann wird sich der rote Stern so aufgeblasen haben, dass seine Außenhülle weit über Nummer III hinausgeht und wahrscheinlich sogar noch einen Gutteil des Asteroidengürtels verschluckt. Bis dahin wird es auf den inneren Welten beständig heißer und trockener.“

Reilly erhob sich von seinem Kommandantensessel. „Lieutenant Majevsky?“

„Ja, Sir?“

„Ich möchte, dass Bruder Padraig auf die Brücke kommt.“

„In Ordnung, Sir.“

„Außerdem sagen Sie bitte Lieutenant Bergdorff Bescheid. Sie hat im Moment zwar keine offizielle Funktion hier auf der Brücke, aber ich möchte mir ungern nachsagen lassen, dass ich Sie übergangen habe.“

„Aye, aye, Captain.“

„Und noch was: Beginnen Sie schon mal mit der Oberflächenabtastung von Nummer III. Lieutenant Bergdorff wird das ohnehin anmahnen. Suchen Sie nach allem, was auch nur entfernte Ähnlichkeit mit dem Riesen-Arachnoiden hat.“

„Ja, Sir!“

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Wenig später trafen Lieutenant Bergdorff und Bruder Padraig auf der Brücke ein.

Den Olvanorer-Mönch, der an Bord der STERNENKRIEGER die Funktion eines wissenschaftlichen Beraters erfüllte, wollte Commander Reilly gerne dabei haben, wenn es zur Kontaktaufnahme mit den Fulirr kam. Sie hatten auf Nummer III eine Station, die jedoch ziemlich abseits der Siedlungsgebiete der Elefantoiden lag, wie man schon bei der Sicht aus dem Weltraum erkennen konnte. Darüber hinaus hatten sie einen der drei Monde des Planeten besetzt und nutzten ihn als Flottenstützpunkt.

Das außergewöhnliche diplomatische Geschick der Olvanorer war bekannt – und dieses hatte der Orden in der Vergangenheit ja auch schon dazu genutzt, um in entfernte und unerforschte Gebiete der Galaxis vorzudringen, die irdischen Kriegsschiffen wie der STERNENKRIEGER wohl noch lange verschlossen bleiben würden. Ohne Waffen und nur mit ihrem Glauben und der Wissenschaft als Rüstzeug machte sich dieser Wissenschaftler-Orden daran, die Grenzen des bekannten Universums etwas nach außen zu verschieben. Und obwohl die Umgebung, in die Angehörige des Forscher-Ordens häufig gestellt wurden, absolut feindselig war, gelang es ihnen immer wieder zu vermitteln.

Vor allem glaubte man ihnen ihren absoluten und unbedingten Pazifismus, so dass sie für niemanden eine Bedrohung darstellten. Im Gegensatz zu fast allen Handelsschiffen waren die Schiffe der Olvanorer nämlich unbewaffnet.

Etwa anderes war es natürlich, wenn sich ein Olvanorer an Bord eines Kriegsschiffs im Dienst des Space Army Corps befand. Eigentlich war das schon ein Widerspruch in sich. Der Dienst im Space Army Corps widersprach all den Grundsätzen, denen der Wissenschaftler Orden zu folgen versuchte. Aber Bruder Padraig schien mit dieser widersprüchlichen Position, in der er sich zweifellos befand, seinen ganz persönlichen  Frieden gemacht zu haben.

Ein Teil der Befehlshierarchie war er nicht. Zumindest nicht offiziell und auch wenn er  die Privilegien eines Offiziers besaß, solange er seinen Dienst an Bord verrichtete, so war er doch letztlich nicht an die Befehle seiner Vorgesetzten gebunden. Den Einsatz von Waffen beispielsweise lehnte Bruder Padraig komplett ab. Auch auf Außenmissionen trug er niemals Handfeuerwaffen und was den Einsatz der Gauss-Geschütze an Bord der STERNENKRIEGER anging, so war er dafür nicht zuständig.

„Wir nehmen gleich Kontakt mit der Verwaltung des Nalhsara auf, dass in diesem System die Oberhoheit ausübt“, erklärte Commander Reilly. „Ich möchte, dass Sie das Kommunikationsverhalten der anderen Seite analysieren. Gegebenenfalls können Sie auch eingreifen, falls ich grobe Fehler machen sollte, die Ihrer Meinung nach die Mission gefährden.“

„Dazu müsste ich ehrlicherweise erst einmal wissen, was überhaupt die Mission ist, Captain.“

„Es geht darum den Frieden zu erhalten.“

Bruder Padraig lächelte hintergründig. „Das haben im Allgemeinen alle Eroberer gesagt.“

„In unserem Fall ist die Wahrscheinlichkeit von Eroberungen relativ gering, Bruder Padraig!“, erwiderte Reilly.

„Wir erhalten ein Willkommensprotokoll der Fulirr-Station auf dem Mond Barasamdan III A“, meldete Sara Majevsky. „Sie trägt übrigens die Bezeichnung ‚Bastion des Nalhsara’.“

„Was den militärischen Zweck unterstreicht!“, meldete sich Waffenoffizier Lieutenant Chip Barus zu Wort. „Wenn ich mir die Daten über Barasamdan so ansehe, dann sieht das für mich nicht so aus, als würden die Fulirr ernsthaft erwägen, das System zu besiedeln. Auf den äußeren Planeten gibt es noch nicht einmal Stationen.“

„Nach allem, was wir wissen sind die Fulirr im Vergleich zu ihren K'aradan-Nachbarn nicht sehr zahlreich“, erklärte Bruder Padraig. „Von daher ist wohl mit einer Kolonisierung durch Massen von Fulirr in nächster Zeit nicht zu rechnen. Ich denke Lieutenant Barus liegt mit seiner Vermutung richtig: Die strategische Lage des Systems ist der entscheidende Faktor gewesen, um sich hier festzusetzen.“

Reilly wandte sich an Majevsky.

„Erwidern Sie mit einer Grußbotschaft, Lieutenant.“

„Aye, aye, Sir.“

„Und bitten Sie um direkten Kontakt.“

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Wenig später wurde direkter Funkkontakt zur Bastion des Nalhsara hergestellt. Auf dem Panorama-Schirm der STERNENKRIEGER erschien die Gestalt eines ungefähr ein Meter sechzig großen Sauroiden. Er trug eine Hose und ein tunikaartiges Gewand, das mit einer Vielzahl von Orden behängt war.

Die Arme ließ dieses Gewand frei.

Es wurde durch einen Umhang komplettiert. Der Fulirr hatte die Arme vor der Brust verschränkt.

Er öffnete sein Maul und für einen Moment waren seine beiden Zungen zu sehen. Die Riechzunge kam etwas weiter hervor.

Ein Reflex aus einer Zeit, als die Vorfahren der Fulirr wohl auf diese Weise Notiz voneinander genommen hatten. Leider konnte man den Geruch eines Individuums nicht per Funk übertragen.

„Ich grüße Sie“, sagte der Fulirr. „Mein Name ist Tamrrrad. Ich führe das Kommando auf der Bastion des Nalhsara sowie im gesamten Barasamdan-System.“

„Seien Sie gegrüßt, Kommandant Tamrrrad“, erwiderte Commander Reilly.

Eigentlich hatte Reilly einen anderen Kommandanten erwartet. Aber da bei den Fulirr sämtliche Ämter nur auf Zeit und durch Wahlen vergeben wurden, konnte sich die Besetzung einzelner Funktionen mitunter sehr schnell ändern. Kein anderes Volk, das die Menschheit bisher kennen gelernt hatte, verfügte über eine derart gut funktionierende Technik zur Fernübertragung von Signalen.

So konnte sich jeder Fulirr ständig an den zahllosen Abstimmungen beteiligen, sofern er in der Lage war, die entsprechende Technik zu bedienen und damit seinen Willen unmissverständlich kundzutun.

Eine radikale Form von Basisdemokratie, die die Fulirr manchmal etwas herablassend auf jene blicken ließ, die ihrer Meinung nach ihr politisches Leben in Systemen geordnet hatten, die autoritär und undemokratisch waren. Die sich selbst als demokratisch ansehenden Humanen Welten gehörten dazu. Für einen Fulirr stellte die dort geübte Praxis von Wahlen und ein repräsentativ zusammengesetztes Gremium wie der Humane Rat keine wirkliche Volksherrschaft dar.

Zumindest nicht so, wie ein Fulirr diese verstand.

Allerdings hätten sie ohne zu zögern mitgeholfen, die Menschheit dem autoritären Regime eines Putschisten wie Rendor Johnson unterzuordnen!, ging es Reilly durch den Kopf. Für die Außenpolitik scheinen offenbar andere Gesetze zu gelten.

„Ich bin Commander Willard J. Reilly, Captain des Leichten Kreuzers STERNENKRIEGER im Dienst des Space Army Corps “, erklärte Reilly. „Wir sind hoch erfreut Ihre Gäste sein zu dürfen.“

„Wie ich höre, sind Sie auf der Suche nach einem Schiff, das die Form eines Riesen-Arachnoiden besitzt und in der Endphase der Kämpfe in Ihrem Heimatsystem zu flüchten vermochte.“

„Leider mit ein paar Gefangenen an Bord“, bestätigte Reilly.

„Klären Sie mich auf, Commander Reilly. Die Vereinbarungen, die auf diplomatischer Ebene getroffen wurden, sind mit meinem Vorgänger besprochen worden und da ich erst wenige Namdan-Standard-Tage im Amt bin, muss ich mich erst einarbeiten, wie Sie sicher verstehen werden!“

„Natürlich.“

Die Angelegenheit war höchst delikat.

Falls der Riesen-Arachnoide tatsächlich irgendwie im Territorium des Nalhsara gestrandet war, hatten die Sauroiden natürlich das größte Interesse daran, dieses einmalige Raumschiff in ihren Besitz zu bringen.

Zwar waren durch die Messungen von Jack Metz Hinweise darauf vorhanden, dass sich das Schiff im Barasamdan-System befand oder zumindest befunden hatte – aber die Fulirr hatten keinerlei Informationen an die Humanen  Welten weitergegeben, die diese Interpretation stützten.

Und schließlich hatten Metzs Messungen ja auch nur festgestellt, dass es auf Barasamdan III irgendetwas gab, was exakt die selben mathematischen Muster erzeugte, wie sie auf Nano-Ebene auf der Oberfläche des Riesen-Arachnoiden messbar gewesen waren.

Gerade, als Commander Reilly damit beginnen wollte, die Sache aus Sicht der Humanen Welten vorzutragen, wandte sich ein anderer Fulirr-Würdenträger, der sich weder vorgestellt noch in das Gespräch eingeschaltet hatte, an den Kommandanten. Er beugte sich zu Tamrrrad so vor, dass er direkt in dessen Ohr sprach. Für einen Moment wurde der Audio-Stream der Übertragung unterbrochen, wie auf einer eingeblendeten Anzeige im linken unteren Eck des Panorama-Schirms zu sehen war.

Reilly wandte indessen den Blick an Bruder Padraig.

„Was ist da los?“

„Ich würde sagen, auf der anderen Seite ist man sich noch nicht so recht darüber einig, welche Strategie man uns gegenüber nun verfolgen soll. Spricht man offen über den Verbleib des Riesen-Arachnoiden oder hält man uns raus, was heikel wäre. Schließlich wollen die Fulirr auf lange Sicht unsere Unterstützung gegen die K'aradan. Und nachdem ihre unterstützende Rolle beim Rendor-Johnson-Putsch bekannt wurde, gibt es in dieser Hinsicht wieder sehr deutlichen Gegenwind in den Humanen Welten.“

„Glauben Sie, dass die andere Seite das überhaupt zur Kenntnis genommen hat?“, fragte Barus.

„Die beobachten die Menschheit viel genauer, als die meisten unter uns sich das klarmachen“, nickte Bruder Padraig.

Lieutenant Bergdorff wirkte sehr angespannt – vor allem, nachdem der Audio-Stream auch nach fast einer Minute nicht wiederhergestellt war und zwischen Tamrrrad und dem zweiten Fulirr eine regelrechte Diskussion ausgebrochen war.

„Ich hoffe, Sie geben um Ukasis Crew willen nicht klein bei und bestehen darauf, dass wir uns auf der Oberfläche umsehen dürfen, Captain“, wandte sie sich an Reilly.

„Ich habe nicht die Absicht, klein bei zu geben“, sagte Reilly. „Aber wir werden diplomatisch vorgehen müssen – wohl oder übel, Lieutenant.“

„Natürlich.“

„Jetzt müsste man Lippen lesen können“, mischte sich Lieutenant Commander Thorbjörn Soldo in das Gespräch ein. „Obwohl – wenn ich das recht bedenke, haben diese Echsen gar keine Lippen...“

„Audio-Stream ist wieder hergestellt, Funkphase frei!“, meldete Lieutenant Sara Majevsky.

Der zweite Fulirr entfernte sich nun aus dem Bereich, den der Bildausschnitt zeigte. Die Riechzunge des Fulirr-Kommandanten der Bastion des Nalhsara zuckte nervös hervor.

Schließlich sagte Tamrrrad: „Ich schlage vor, dass wir alles weitere unter etwas angenehmeren äußeren Umständen in meinem Empfangsraum, hier in der Station besprechen“, schlug der Sauroide nun vor. „Ich heißen Sie gerne auf der Bastion des Nalhsara willkommen.“

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Eine halbe Stunde später berief Commander Reilly die Offiziere in den Konferenzraum. Lediglich Kommunikationsoffizier Lieutenant Sara Majevsky blieb auf der Bücke, um das Kommando zu führen.

Die Posten der anderen Brückenoffiziere wurden dabei von Fähnrichen eingenommen. Fähnrich Noel Sakur hatte bereits während der Sandström-Flugphase immer wieder einmal für eine Schicht den Posten des Kommunikations- und Ortungsoffiziers eingenommen.

Dies war nun sein erster regulärer Einsatz an Bord der STERNENKRIEGER während einer Unterlichtphase – was mit dem Dienst während eines Sandström-Fluges kaum vergleichbar war. Insbesondere die Ortung stellte während des Sandström-Fluges so gut wie keine Anforderungen, die über Routine und das Kontrollieren einiger Werte hinausgingen. Sobald ein Space Army Corps Schiff sich allerdings wieder im Normaluniversum befand und versuchte, im Unterlichtflug ein bestimmtes Ziel anzusteuern, sah das ganz anders aus.

Lieutenant Rajiv wurde von Fährenpilot Moss Triffler vertreten, der dies sogar während der Schlacht gegen die Wsssarrr mit Bravour erledigt hatte. Auch wenn Triffler – als Seiteneinsteiger aus der Privatwirtschaft im Space Army Corps – nicht den entsprechenden militärischen Rang vorweisen konnte, den man normalerweise von einem guten Rudergänger erwartete – so war er doch einfach ein exzellenter Pilot, bei dem die Größe des Raumschiffs, das er steuerte, letztlich von untergeordneter Bedeutung war.

„Die Fulirr haben uns gegenüber bisher nicht zugegeben, dass sich der Riesen-Arachnoide auf ihrem Territorium befindet“, stellte Lieutenant Bergdorff fest.

„Aber das Problem unserer vermissten Crew ist doch auf höherer, diplomatischer Ebene angesprochen worden“, hielt Reilly dem entgegen.

„Die Reaktion war eher hinhaltend. Man hat uns Unterstützung zugesagt...“

„...was man als Indiz dafür nehmen könnte, dass sich der Riesen-Arachnoide nicht hier befindet“, stellte Chip Barus fest.

„Oder nicht mehr hier“, ergänzte Lieutenant Rajiv. „Möglicherweise ist das Ding hier havariert und dann abgeschleppt und irgendwo verborgen worden, wo die Fulirr in aller Ruhe die technischen Raffinessen dieses Riesenschiffs auswerten können.“

„Fragt sich nur, weshalb man uns dann nicht über das Schicksal der Crew aufklärt“, meinte Commander Reilly.

„Möglicherweise hat Ukasis Crew zuviel über die fremde Technik erfahren, beziehungsweise reicht es auch schon, um dies anzunehmen, um sie zunächst einmal vor uns verborgen zu halten“, glaubte Barus.

„Ihre Vermutungen gehen alle in die falsche Richtung“, behauptete Irina Bergdorff. „Den Ortungsdaten nach, die Dr. Metz aufgezeichnet hat, war zumindest zu dem Zeitpunkt auf diesem Planeten eine Quelle für Resonanzen vorhanden, deren Muster exakt denen der Oberfläche des Riesen-Arachnoiden entsprechen! Und da diese Muster mindestens so individuell sind wie die Signatur eines x-beliebigen Raumschiffs, die wir auch zweifelsfrei erkennen und identifizieren können, muss meiner festen Überzeugung nach der Riesen-Arachnoide auf Barasamdan III gewesen sein. Wahrscheinlich auf der Oberfläche, möglicherweise auch in einem Stratosphärenorbit.“

„Er muss jetzt noch immer hier sein“, erklärte jetzt Bruder Padraig im Brustton der Überzeugung. „Ich habe Lieutenant Majevsky etwas über die Schulter geschaut. Die Muster wurden vom Rechner eindeutig identifiziert. Sie waren in den atmosphärischen Schwankungen der elektrischen Ladungen ebenso zu sehen wie in feinsten Strukturveränderungen des Bodens...“

„Allerdings konnte der Riesen-Arachnoide bisher nicht geortet werden“, stellte Soldo klar. „Aber warten wir, bis wir eine komplette Drehung des Planeten um die eigene Achse miterlebt haben...“

Reilly wandte sich an Bruder Padraig. „Halten Sie es denn für möglich, dass diese Resonanz durch den gesamten Planeten dringen und sogar auf der gegenüberliegenden Seite bemerkbar ist?“

„Nun, ein Fortsetzen der Resonanz könnte über die Atmosphäre geschehen. Was die Bodenphänomene angeht, so müsste ich das genauer untersuchen. Möglich ist das im Prinzip. Vor allem wenn der Ursprungsimpuls stark genug war.“

„Was könnte diesen Ursprungsimpuls ausgelöst haben?“

Padraig hob die Schultern.

„Irgendein sehr aktives Aggregat innerhalb des Riesen-Arachnoiden. Die stärkste Signatur wird meistens durch die Energieerzeugungssysteme verursacht. Wenn Sie also von einem fremden Raumschiff nichts anderes orten können, als eine bestimmte Emission, weil alles andere abgedämpft wurde, dann stammt diese Emission mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit von der Energieerzeugung. Da finden im Zweifel die größten chemischen Umwandlungsprozesse, die stärkste Partikelemission und auch die größte Freisetzung von elektromagnetischen Impulsen statt.“

„Widmen Sie sich dem Phänomen, Bruder Padraig“, befahl Reilly. Sein Blick ging weiter zu Lieutenant White. „Ich nehme an, es ist kein Problem, wenn er einen der Kontrollräume im Maschinentrakt benutzen kann.“

„Nein, Sir“, beeilte sich Catherine White zu sagen.

Sie hatte eine persönliche Schwäche für den Olvanorer. Von Verliebtheit zu sprechen wäre vielleicht zu viel gesagt gewesen. Aber sie fühlte einfach eine tiefe Verbundenheit zu dem wissenschaftlichen Berater der STERNENKRIEGER Crew. So als ob sie beide sich schon sehr viel länger gekannt hätten, als es ihrer bisherigen Dienstzeit an Bord des Leichten Kreuzers entsprach. Wer weiß!, dachte White nicht zum ersten Mal. Vielleicht wird ja tatsächlich einmal mehr draus...

Glücklicherweise kannte der Orden der Olvanorer im Gegensatz zu anderen Mönchsorden nicht das Gebot des Zölibats.

Hin und wieder hatte White in ihren Tagträumen schon mal darüber nachgedacht, wie es wäre, als Frau eines Olvanorers auf irgendeiner fernen Welt, die natürlich von Außerirdischen mit grotesken Riten bewohnt wäre, die Notstromaggregate zu reparieren. Eine Vorstellung dir ihr einerseits durchaus gefiel. Aber fürs erste war dafür in ihrem Lebensplan kein Platz. Sie hatte sich vorgenommen Karriere im technischen Dienst des Space Army Corps zu machen. Eines Tages die Maschinenraumcrew eines Dreadnought-Schlachtschiffs unter sich haben.

Das wäre es doch gewesen.

So um die hundert Mann hatte der L.I. eines Dreadnought unter seinem Kommando und die Triebwerksanlage übertraf an ingenieurtechnischer Herausforderung sicher so manche Produktionsanlage am Boden.

White freute sich darauf, Bruder Padraig mal wieder in der Nähe ihres eigenen Arbeitsplatzes zu wissen. Sie hatte ihn bei früheren Einsätzen auch oft bei seiner wissenschaftlichen Arbeit unterstützt – denn diese Arbeit hatte fast immer auch eine technische Seite, die bewältigt werden wollte.

Aber diesmal hatte der Olvanorer leider andere Pläne.

„Captain, ich würde lieber eine der Landefähren benutzen, Sir. Bei Messungen vom Schiff aus muss man immer damit rechnen, dass es zu Verfälschungen durch die elektromagnetischen Emissionen des Schiffes kommt. Bei einer Landefähre ist dieser Effekt sehr viel geringer.“

Commander Reilly hatte nichts dagegen einzuwenden. „Wie Sie wollen. Allerdings müssen wir darüber mit den Fulirr zunächst reden. Ich möchte nicht, dass es diplomatische Verwicklungen gibt.“

Dieser Ansicht war auch Bruder Padraig.

„Wenn ich jetzt ausgeschleust werden würde, hätte ich Geschwindigkeit genug drauf, um Barasamdan III nur wenige Stunden nach der STERNENKRIEGER zu erreichen.“

„Ich hatte eigentlich gehofft, dass Sie mich diplomatisch bei diesem Tamrrrad unterstützen, Bruder Padraig...“

„Nun, die Gabe, an zwei Orten gleichzeitig zu sein gehört leider nicht zu meinen Fähigkeiten, Captain.“

Reilly nickte. „Wie ich Sie kenne, beherrschen Sie das irgendwann auch. Aber Ihre Messungen haben Vorrang. Wir müssen wissen, was die Ursache dieses Resonanzphänomens ist.“

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Nur eine Viertelstunde später wurde die Landefähre L-1 ausgeschleust. Die STERNENKRIEGER hatte immer noch eine Geschwindigkeit von fast 0,3 LG, als die L-1 ausgesetzt wurde.

An Bord waren außer Bruder Padraig noch Fähnrich Sakur, der hier seid Geschick im Umgang mit den Kommunkations- und Ortungssystemen unter Beweis stellen konnte, sowie Pilot Moss Triffler.

Die Fulirr hatten nach einer entsprechenden Anfrage, die Commander Reilly an Kommandant Tamrrrad gerichtet hatte, nichts gegen die Ausschleusung der L-1 einzuwenden. Allerdings war ausdrücklich noch keine Landeerlaubnis für die Planetenoberfläche erteilt worden. Darüber müsse gesondert beraten werden, so hatte es geheißen.

Ob das nur ein Vorwand oder gelebte Demokratie war, konnte von außen schlecht beurteilt werden.

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5. Kapitel: In der Bastion des Nalhsara

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Stunden später flog die STERNENKRIEGER den Mond Barasamdan III A an, wo sich der Stützpunkt Bastion des Nalhsara befand.

Commander Reilly ließ die Landefähre L-2 ausschleusen, nachdem man eine Landeerlaubnis für den Haupthangar der Bastion bekommen hatte. Pilot Ty Jacques steuerte das Shuttle. Außer dem Captain waren noch Lieutenant Bergdorff und Sergeant Saul Darren an Bord. Letzterer war der Kommandant der an Bord der STERNENKRIEGER stationierten zwanzigköpfigen Einheit von Marines. Er hatte für die Sicherheit von Commander Reilly und Lieutenant Bergdorff zu sorgen. Darren trug nur einen leichten Kampfanzug und war mit einem Nadler bewaffnet. Eigentlich hätte der Mann mit dem energischen Blick und der hohen Stirn es befürwortet, noch mindestens zwei Marines mitzunehmen, aber Commander Reilly wollte auf keinen Fall die andere Seite durch martialisches Imponiergehabe verstimmen.

Ernsthaft rechnete der Captain der STERNENKRIEGER auch nicht mit Sicherheitsproblemen.

Aus dem Weltraum betrachtet machte die Bastion des Nalhsara einen imposanten Eindruck. Fast der gesamte Mond Barasamdan III A war offenbar unterhöhlt und mit Anlagen durchdrungen worden. Überall an der Oberfläche des Mondes waren Geschützbatterien zu orten. Es handelte sich dabei um Projektilwaffen zur Abwehr von Angreifern im Nahbereich, die allerdings wohl nur den Bruchteil der Durchschlagskraft hatten, den die Gauss-Geschosse aufwiesen. Wirkungsvoller waren da schon die Raketenabschussrampen. Den Ortungsdaten nach, waren sämtliche Raketen mit Antimateriesprengköpfen besetzt. Die Mini Black Holes, die bei deren Detonation entstanden, konnten sicher ganze Flotten von K'aradan-Schiffen hinter die Schwärze des Ereignishorizontes ziehen und verdampfen lassen.

„Ich würde sahen, das ist eine ausgebaute Festung“, stellte Ty Jacques fest, der die Ortungsdaten noch einmal überprüfte.

„Das Gebiet der K'aradan ist nur wenige Lichtjahre entfernt“, stellte Sergeant Darren fest. „Es ist also kein Wunder, dass sie gut gerüstet sind.“

„Ja – allerdings wundert mich die Ausrichtung mancher Geschütze“, stellte Jacques fest. 

Er aktivierte eine schematische Übersicht, auf der das erkennbar wurde.

Commander Reilly runzelte die Stirn.

„Sehen Sie, was ich meine, Sir? Fast die Hälfte der Antimaterie-Raketensilos ist auf die Oberfläche des Planeten ausgerichtet.“

„Wenn man die Rotation bedenkt...“

„Die gibt es nicht, Captain. Mond III A ist so dicht an seinem Mutterplaneten, dass die Eigenrotation des Mondes mit der seines Planeten synchronisiert ist. III A wendet der Planetenoberfläche immer dieselbe Seite zu – wie beim Erdmond.“

„Und bei einem eventuellen Angriff eine Antimaterie-Waffe zwischen Mond und Planet zu zünden wäre selbstmörderisch“, stellte Reilly fest. Wenn es also K'aradan-Schiffen im Fall eines Angriffs gelungen wäre, in die Zone zwischen Mond III A und Barasamdan III zu gelangen, wären sie nur mit konventionellen Waffen zu bekämpfen gewesen. Die dorthin ausgerichteten Raketen waren aber eindeutig mit Antimateriesprengköpfen bestückt. Die entsprechenden Signaturen waren eindeutig. Der Bordrechner der L-2 gab eine Identifizierungswahrscheinlichkeit von über 99 Prozent an.

„Ich schätze, wenn wir jetzt einfach noch eine Runde um Mond III A fliegen, um uns das alles noch einmal aus der Nähe anzusehen, wäre das reichlich auffällig, oder?“, meldete sich nun Sergeant Darren zu Wort.

„Das ist auch nicht unbedingt nötig“, glaubte Ty Jacques. „Wir können von unserer gegenwärtigen Position aus zwei Drittel der relevanten Oberfläche des Mondes ortungstechnisch erfassen. Wenn wir unserem Kurs einen leichten Bogen geben sogar noch mehr. Und ob die Raketen, die jetzt noch im Ortungsschatten liegen, ebenfalls auf die Oberfläche ausgerichtet und mit Antimateriesprengköpfen bestückt sind, ändert an der grundsätzlichen Frage an die Adresse der Fulirr gar nichts.“

„Eine Frage, die uns die Echsengesichter wohl kaum beantworten werden!“, glaubte Darren.

Reilly nickte.

Wer immer für die Ausrichtung dieser Waffen verantwortlich war, er beabsichtigte die Zerstörung des gesamten Planeten. Zumindest wird diese Katastrophe in Kauf genommen!, wurde es Reilly klar. Und vielleicht ist das der Grund dafür, dass die Fulirr selbst auf diesem – eigentlich doch recht passablen Planeten, nur eine einzige und wahrscheinlich schnell zu evakuierende Station betreiben...

„Fliegen Sie Ihren Bogen, Mister Jacques“, sagte der Captain der STERNENKRIEGER laut.

„Aye, aye, Sir.“

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Außer Reilly, Bergdorff, Jacques und Darren befand sich noch Dr. Miles Rollins an Bord der L-2. Der Schiffsarzt interessierte sich besonders für Exo-Medizin und exobiologische Studien, die er neben seiner regulären Funktion als Schiffsarzt an Bord der STERNENKRIEGER betrieb.

Und da das generelle Wissen der Menschheit über Kultur und Physiologie der Fulirr nach wie vor nur sehr holzschnittartig war, konnte es auf keinen Fall schaden, wenn jemand am Außenteam teilnahm, der erstens das bereits vorhandene Wissen parat hatte und zweitens in der Lage war, es noch etwas zu erweitern.

An der bisherigen Diskussion hatte sich Rollins nicht beteiligt. Stattdessen war er damit beschäftigt gewesen, seine Instrumente – Bioscanner und Diagnosegerät – zu justieren und die Feinkalibrierung vorzunehmen.

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Zur gleichen Zeit...

Tamrrrad blickte auf den kleinen Bildschirm im Büro des Kommandanten der Bastion des Nalhsara, während seine Riechzunge nervös aus dem lippenlosen Echsenmaul herausleckte.

Die Fähre der Menschen näherte sich.

Tamrrrad kam dieser Besuch höchst ungelegen. Aber es war ein Beschluss des Nalhsara, dass die Kontakte zur Menschheit unbedingt gefördert werden sollten. Die Hilfe bei der Abwehr der Wsssarrr war ein wichtiger Schritt gewesen, um die Humanen Welten langsam aber sicher als Bündnispartner zu gewinnen. Es reichte ja schon, wenn zumindest ausgeschlossen war, dass sich dieses kleine Sternenreich auf die andere Seite stellte und das Nalhsara dadurch in einen Zwei-Fronten-Krieg geriet.

Ein Machtfaktor war das Sternenreich der Menschheit in Tamrrrads Augen nicht. Zumindest keiner, den man fürchten brauchte. Ebenso wenig hatte es für die Fulirr einer besonderen militärischen Anstrengung bedurft, um die Wsssarrr aus dem zentralen Sonnensystem dieses Volkes zu vertreiben, dem man immerhin zugestehen musste, dass es in letzter Zeit einen gewissen Aufschwung genommen hatte.

Eine Schiebetür öffnete sich und sein Stellvertreter Shrrromwuarrr trat ein. Bei der letzten Kommandantenwahl hatte Tamrrrad ihn haushoch besiegt. Das nahm Shrrromwuarrr ihm noch immer übel, weswegen immer eine gewisse Spannung zwischen ihnen herrschte – obwohl das eigentlich gegen die gute demokratische Tradition verstieß, nach der Mehrheitsentscheidungen unbedingt zu akzeptieren und nicht als persönliche Werturteile gewertet werden sollten. Aber die Wirklichkeit sah natürlich anders aus.

Hass und Missgunst unter Wahlkandidaten für dasselbe Amt waren an der Tagesordnung. Das Schlimme war, dass sie häufig genug dazu gezwungen waren, nach der Wahl zusammenzuarbeiten. Nicht selten sogar in umgekehrter Position in der Hierarchie!

„Wir sollten die Strategie für das Gespräch mit den Menschen festlegen“, sagte Shrrromwuarrr. „Zum Beispiel sollten wir festlegen, wie offen wir zu ihnen sein sollten.“

„Ich denke, dass sie nur das wissen müssen, was sich nicht vor ihnen verheimlichen lässt“, erklärte der Kommandant der Station Bastion des Nalhsara. Tamrrrad wandte den Kopf in Richtung seines Stellvertreters. Abgesehen von der hervorzuckenden Riechzunge waren keinerlei Regungen in seinem Echsengesicht zu erkennen. Er wird alles tun, um auch diese Angelegenheit zu meinem Nachteil zu wenden!, ging es Tamrrrad durch den Kopf. Ich werde auf der Hut sein müssen, sonst beantragt er im Handumdrehen eine Wahl und nutzt die Gunst irgendeines Augenblicks, um mich von meinem Posten zu entfernen!

Das System warf nun einmal so. Und es gab derzeit auch abgesehen von einer kleinen, sektiererischen Minderheit niemanden, der dafür eingetreten wäre, das System der totalen Volksherrschaft im Sinne einer höheren Effektivität zu reformieren.

„Sie kennen die Vorgaben, die uns die Beschlüsse des Nalhsara gemacht haben“, sagte Shrrromwuarrr.

Aus seinen Worten klingt das wie eine Drohung!, dachte Tamrrrad. Es schwang da immer die Drohung mit, ein eventuelles Versagen oder Fehlverhalten des Vorgesetzten sofort für den nächsten Wahlkampf zu nutzen. Aber dasselbe galt natürlich, wenn der Kommandant unpopuläre Maßnahmen durchzuführen hatte und dann mit ihnen identifiziert wurde. Manchmal blieb einem dann nichts anders übrig, als schnell einen Wahlantrag zu stellen, eine Abstimmung durchführen zu lassen, bei der man dann ruhig unterliegen durfte, um so der öffentlichen Identifikation mit der Maßnahme zu entgehen. Anschließend konnte man sich ja relativ leicht wieder durch eine erneute Wahl in sein Amt einsetzen lassen.

„Möchten Sie die Verhandlungen mit den Menschen führen, Shrrromwuarrr?“, fragte Tamrrrad.

Ein Angebot, das auf den ersten Blick großzügig war.

In Wahrheit war genau dies Tamrrrads Gegenangriff gegen seinen immer selbstbewusster auftretenden Stellvertreter. Es gab zwei Möglichkeiten für Shrrromwuarrr. Er konnte das Angebot mit dem Hinweis ablehnen, dass er für diese Aufgabe nicht demokratisch durch das Nalhsara legitimiert sei. Das konnte man ihm später im Wahlkampf aber als Flucht vor der Verantwortung auslegen. Die andere Möglichkeit war, dass er annahm – und dann all die Schwierigkeiten in Kauf nehmen und sich persönlich anrechnen lassen musste, die mit der Übertragung dieser Verantwortung einher gingen.

Tamrrrad musterte sein Gegenüber eingehend. Seine Riechzunge befand sich dicht an der Grenzmembran seines Echsenmauls. Er wollte seine Neugier durch das offene Herausstrecken der Riechzunge nicht offenbaren. Aber natürlich nahm er über verschiedene Duftstoffe, die Fulirr ständig verbreiteten, wichtige Informationen über die gemütsmäßige Verfassung seines Gegenübers in sich auf. Zufrieden registrierte Tamrrrad den ansteigenden Stress-Pegel bei Shrrromwuarrr. Ich hätte das schon längst machen sollen!, ging es ihm durch den Kopf. Dann wäre mein werter Stellvertreter vielleicht nicht so vorwitzig geworden, dass er schon glaubt, er könnte mich jederzeit ersetzen – wobei seine Fähigkeiten nicht einmal die Hälfte meines Niveaus erreichen!

Shrrromwuarrr ging in die Falle.

Es blieb ihm überhaupt keine andere Wahl.

Er deutete eine Verneigung an.

„Es ist mir eine große Ehre, Kommandant.“

Und die mangelnde demokratische Legitimation durch das Nalhsara stört dich nicht?, ging es Tamrrrad voller Sarkasmus durch den Kopf.

„Gut. Dann werden Sie die Fremden empfangen. Sie haben übrigens einen Kommandanten geschickt, der dem Umsturzversuch auf der Erde sehr ablehnend gegenüberstand. Sein Name ist fast unaussprechlich. Willard J. Reilly.“

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Die L-2 flog in den Haupthangar der Station Bastion des Nalhsara ein. Shuttle Pilot Ty Jacques leistete hier eine hervorragende Arbeit, denn der Hangar war zwar größer als irgendein Hangar irgendeiner Orbitalwerft, die Commander Reilly und seine Crew je gesehen hatten – aber dafür war es hier ziemlich voll. Die Raumschiffe der Fulirr standen eng beieinander. Einheiten jeder Größe waren darunter. Auf so engem Raum zu manövrieren und zu starten schien für die Echsenartigen überhaupt kein Problem zu sein.

Ein kleines Detail, in dem sich einfach ihre technische Überlegenheit uns gegenüber zeigt!, überlegte Reilly. Zumeist wurde bei einem technischen Vergleich zwischen Menschheit und Nalhsara immer nur auf die Fähigkeit der Sauroiden zur Herstellung von Antimateriebomben geschaut. Aber diese Überlegenheit zeigte sich in Wahrheit auch in vielen Kleinigkeiten. Von der Technik zur Daten- und Funkübertragung bis zu der verwendeten Computertechnik, die jener der Menschheit um eine Generation voraus war.

Endlich hatte die L-2 auf dem Boden aufgesetzt. Das Hangartor schloss sich inzwischen und die Schleusenfunktion des Hangars setzte ein. Das Innere wurde mit Atemluft gefüllt. Das geschah mit einer Geschwindigkeit, die jeder Ingenieur von der Erde für schier unmöglich gehalten hätte.

„Faszinierend“, stellte Ty Jacques in einer Haltung offener Bewunderung fest. „Sehen Sie Captain, die pressen über besondere Düsen so viel Atemluft in den Hangar, dass hier eigentlich Verhältnisse wie in einem ultrastarken marsianischen Wirbelsturm herrschen müssten – aber das gleichen sie durch geschickten Einsatz von Antischwerkraft wieder aus. Sie müssen enorm leistungsfähige Rechner besitzen, um diese Koordination so gut hinzubekommen! Mein Respekt!“

Reilly sah seiner Mission mit eher gemischten Gefühlen entgegen. Was die Aufklärung des Schicksals von Ukasi und seiner Crew anging, stand er als Bittsteller da. Und ansonsten hatte Reilly nichts in der Hand, was er den Fulirr anbieten konnte – denn diplomatische Verhandlungshoheit besaß er nicht einmal in einem sehr begrenzten Sinn. Reilly konnte sich eigentlich nicht vorstellen, dass der anderen Seite dies nicht bekannt war. Wie gut genau die Abhörtechnik der Fulirr funktionierte, davon konnte man sich auf der Erde wohl gar keinen richtigen Begriff machen. Und die Botschaft des Nalhsara war ganz gewiss auch ein Zentrum der Spionage.

Dr. Rollins schien Reillys Gedanken zu erraten, als er den Captain der STERNENKRIEGER darauf ansprach. „Denken Sie immer daran, dass die etwas von Ihnen wollen, Sir! Sie wollen, dass wir ihre Verbündeten werden!“

„Und sie wissen wahrscheinlich genau, dass ich darüber gar nichts zu entscheiden habe“, sagte Reilly. „Und genau das ist eines der Probleme, die ich jetzt vor mir sehe.“

„Sie werden das schon hinkriegen, Captain“, sagte Rollins zuversichtlich.

Reilly lächelte dünn. „Wo ich sogar ohne einen Olvanorer auskommen muss?“

„Was das diplomatische Talent angeht, sind Sie doch fast selbst schon ein Olvanorer!“, meinte Rollins. Das war wohl scherzhaft gemeint. Aber Commander Willard J. Reilly konnte über diesen Punkt irgendwie nicht lachen.

Genau das wäre ich ja liebend gerne selbst geworden!, ging es ihm durch den Kopf. Dass stattdessen sein Bruder Dan vom Orden auserwählt worden war und man ihn nicht einmal näher geprüft hatte, war ein Stachel, der bis heute tief in seiner Seele saß. Viel tiefer, als er es sich selbst eingestehen mochte. So ist das wohl. Manchmal ist man noch neidisch auf Dinge, die man inzwischen in Wahrheit gar nicht mehr haben will!

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Sergeant Darren verließ als erster das Schiff, nachdem erstens die Ortungswerte erdähnliche Außenbedingungen im Hangar anzeigten und zweitens eine Botschaft der Fulirr ausdrücklich darauf hinwies, dass dies nun möglich sei.

Darren sah sich etwas um, begutachtete die Umgebung mit einem Ortungsgerät und kam zu dem Schluss, dass keinerlei Sicherheitsbedenken bestanden. Zuvor hatte Dr. Miles Rollins noch kurz eine Keimanalyse der Atemluft durchgeführt, um abschätzen zu können, ob vielleicht irgendeine Gefahr durch unbekannte Mikroorganismen bestand.

„Ich nehme mal an, dass ich wieder den besonders aufregenden Job bekomme, auf die Fähre aufzupassen und hier funktechnisch die Stellung zu halten“, vermutete Pilot Ty Jacques.

Commander Reilly lächelte amüsiert. „Und Sie meinen, dass Ihr Talent damit verschwendet ist, Mister Jacques?“

„Kann man daran ernsthaft zweifeln, Sir?“

„Dann fragen Sie bei den Fulirr an, ob es irgendwelche Kommunikationshindernisse für unsere Kommunikatoren gibt. Falls nicht können Sie uns begleiten.“

„Aye, aye, Sir.“

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Wenig später traten auch Reilly, Rollins, Jacques und Lieutenant Irina Bergdorff in den Hangar, der wirklich riesige Ausmaße hatte. Mehrere der größten Kathedralen auf der Erde hätte man hier bequem nebeneinander stellen können und das Innere des Hangars wäre noch lange nicht ausgefüllt gewesen.

In einer Höhe von zwanzig Metern öffnete sich ein Innenschott.

Die Delegation der Fulirr schwebte auf einer Antigravscheibe mit einem Durchmesser von gut dreißig Metern sanft in die Tiefe. Ein Fulirr-Würdenträger in farbenfroher Uniform und mit zahlreichen Orden und Ehrenzeichen an der Brust, die dort fast keinen Platz mehr ließen, wurde von Wächtern flankiert. Sergeant Darren analysierte, das sie Projektilwaffen trugen, deren Wirkungsgrad irgendwo in der Mitte zwischen Gauss-Gewehr und Nadler liegen mussten.

„Ich schlage vor, wir probieren das nicht aus!“, sagte Reilly.

„Es ist unmöglich, dass ein technisch so hoch entwickeltes Volk wie die Fulirr die 5-D-Resonanzmuster nicht auch angemessen hat“, war Lieutenant Irina Bergdorff überzeugt. „Ehrlich gesagt beginne ich mich zu fragen, weshalb das Nalhsara, wenn es doch ein Bündnis mit uns eingehen will, uns nicht mit mehr Offenheit über das Schicksal unserer Leute aufklärt.“ 

„Vielleicht aus demselben Grund, aus dem sie ihre Antimaterie-Raketenrampen auf ihren eigenen Planeten richten“, meinte Reilly. „Ist ja auch nicht gerade das, was man unter einer konventionellen Verteidigungsformation versteht, oder?“ Commander Reilly sah sie an und Irina Bergdorff erwiderte diesen Blick kurz.

„Ist irgendetwas, Captain?“

„Nein“, murmelte Reilly. „Es ist nichts.“

Was ist die Kraft, die sie treibt?, ging es ihm dabei durch den Kopf. Vielleicht ist es einfach die Kraft, die ein negativ geladenes Teilchen in einer positiv geladenen Umgebung entwickelt. Die Kraft eines Partikels, das definitiv weiß, dass es nicht am richtigen Platz ist.

Indessen setzte die Antigrav-Plattform sehr sanft auf dem Boden auf. Wie sie gesteuert wurde, war nicht zu sehen. Jedenfalls bediente keiner der Sauroiden, die sich auf ihr befanden, irgendeine Fernbedienung oder eine andere Art von Mechanismus. Angesichts der Rechnerleistung, über die ihre Technik verfügen kann, steuern sich diese Dinger vielleicht vollkommen selbst, dachte Reilly. Aber jetzt fange ich wohl schon an, mir das Nalhsara der Fulirr wie ein technologisches Utopia vorzustellen – wo es das ja auf politischem Gebiet mit seinen legendären Mitbestimmungsmöglichkeiten für jeden Einzelnen schon zu sein scheint...

Die nur etwa einen Meter sechzig großen Fulirr traten von der Antigrav-Plattform herunter.

Ihr Anführer machte eine Geste, die Reilly als etwas verwirrend empfand. Eine Folge von zischenden Lauten entrang sich der Kehle des Fulirr. Angesichts des Gezisches hatte Reilly immer den instinktiven Reflex zurückzuzucken, da er befürchtete von Speichel getroffen zu werden.

Diese Befürchtung war allerdings objektiv unbegründet, wie sich herausstellte. Der Anführer der Fulirr hatte seinen Speichelfluss gut unter Kontrolle.

„Seien Sie gegrüßt in der Bastion des Nalhsara!“, kam es aus Reillys in den Armbandkommunikator integrierten Translator. „Ich bin Shrrromwuarrr, der stellvertretende Kommandant der Bastion. Ich grüße Sie im Auftrag und mit dem Wohlwollen von Kommandant Tamrrrad, der Sie auch noch treffen wird.“

„Dann richten Sie Kommandant Tamrrrad meine herzlichsten Grüße aus“, erwiderte Commander Reilly.

Auf Seiten der Fulirr herrschte auf einmal Schweigen.

Ein Schweigen, das irgendwie einen betretenen, verlegenen Eindruck machte, zumindest auf Reilly. Habe ich da diplomatisch irgendwie daneben gegriffen, ohne mir was dabei gedacht zu haben?, ging es ihm durch den Kopf. Andererseits war das angesichts einer nahezu völligen Unkenntnis der Fulirr’schen Gestik und Mimik sehr schwer zu beurteilen. Auch möglich, dass ich gerade einen Ausbruch sauroider Heiterkeit miterlebe und es gar nicht bemerke...

Der stellvertretende Kommandant Shrrromwuarrr schaltete seinen Translator ab und tauschte sich mit einem seiner Begleiter so leise aus, dass auch Reillys Gerät nicht mehr genug Sprachmaterial bekam, um noch den Sinn des Gesagten auch nur annähernd erfassen zu können.

„Irgendetwas scheint unsere Gastgeber verwirrt zu haben“, stellte Dr. Miles Rollins fest. „Mein Diagnose-Scanner zeigt eine deutliche Erhöhung verschiedener Stoffwechselfunktionen bei unseren Sauroiden Freunden...“

„Na, ob sie unsere Freunde werden, müssen wir erst noch abwarten!“, mischte sich Sergeant Saul Darren in das Gespräch ein.

„Haben Sie das nicht schon?“ Irina Bergdorffs Bemerkung klang ziemlich spitz. Sie hob sowohl das Kinn als auch die Augenbrauen. „Ich meine, sie haben immerhin das Sol-System verteidigt - oder etwa nicht? Auch wenn es wohl für immer ein  wunder Punkt in der Historie des Space Army Corps  bleiben wird, dass wir das nicht aus eigenen Kräften schaffen konnten. Ihr Eingreifen zu unseren Gunsten ist nun mal eine Tatsache.“

„Wir sollten unsere Dankbarkeit trotzdem nicht übertreiben“, fand Sergeant Saul Darren, dessen Gesicht wie gemeißelt aussah. „Die haben letztlich auch nichts anderes getan, als ihre Interessen zu verfolgen. Das sollten wir nie vergessen.“

„Vor allem sollten wir nicht vergessen, dass wir hier nicht allein sind und keineswegs abschätzen können, wie gut die Akustik der fulirr’schen Translatoren ist!“

„Ihre Ohren sind jedenfalls zweifellos sehr viel leistungsfähiger als die eines Menschen“, stellte Dr. Rollins unmissverständlich fest.

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Die Fulirr schienen sich wieder beruhigt zu haben.  Shrrromwuarrr schaltete seinen eigenen Translator wieder ein und ergriff das Wort.

„Wir verstehen die Bezugnahme auf das Herz unseres Kommandanten nicht, aber wir versichern Ihnen, dass medizinisch gesehen alle seine Organe in einem einwandfreien Zustand sind und bedanken uns für die höflich-besorgte Nachfrage um die Gesundheit unseres Kommandanten. Das wird ihn freuen und tief rühren.“

Ich habe nur das Wort herzlich gebraucht!, durchfuhr es Reilly. Offenbar hatte das von den Fulirr verwendete Translator-System mit dem Idiom der Menschen so seine Schwierigkeiten. Fast tröstet einen das – angesichts ihrer sonstigen technischen Überlegenheit!, dachte Commander Reilly.

Shrrromwuarrr deutete auf die Antigrav-Plattform. „Kommen Sie! Als unsere Gäste sind Sie bei uns in allen Ehren willkommen. Ich möchte Ihnen die Zentrale unserer Station zeigen und dann mit Ihnen in angenehmerer Umgebung über die Dinge sprechen, die uns beiden wichtig sind.“

„Ich folge gerne Ihrem Vorschlag“, erwiderte Commander Reilly in der Hoffnung, nicht gleich wieder in ein Neues Fettnäpfchen zu treten.

Was deren Zahl anging, so ging die wohl generell beim Kontakt so unterschiedlicher galaktischer Völker gegen den Wert von unendlich.

„Kommen Sie auf unsere Flügel der Allgemeinheit“, forderte Shrrromwuarrr und deutete auf die Antigrav-Platte.

„Gerne“, sagte Commander Reilly. Ich hoffe nur, dass man da nicht im hohen Bogen herunterfliegt!, ging es ihm gleichzeitig durch den Kopf. Aber was diese Saurier schaffen, bekomme ich auch hin!

Die Delegation der Menschen trat also zusammen mit den Fulirr auf die Flügel der Allgemeinheit. Die Antigrav-Scheibe erhob sich langsam. Im ersten Moment glaubte Reilly, sein Gleichgewicht zu verlieren, aber dann spürte er, wie sich unsichtbare Hände um seine Füße und Unterschenkel zu legen schienen. Zumindest hatte er das Gefühl. In Wirklichkeit handelte es sich wohl um auf der Basis des Antigravs erzeugte Stabilisator-Felder.

Die Menschen auf den Flügeln der Allgemeinheit waren überrascht, wie stabil sie dadurch auf der Antigrav-Scheibe standen. Die Gefahr, sich zu Tode zu stürzen, war wirklich gleich null. Dabei wurde die Beweglichkeit im vollen Umfang erhalten. Es war nämlich keineswegs so, das die Stabilisator-Felder den Betreffenden an die Oberfläche der Antigrav-Scheibe fesselten. Stattdessen konnte man jederzeit seine Füße heben. Das ganze funktionierte ganz ähnlich den Magnetstiefeln, die man in der irdischen Raumfahrt vor Einführung des Antigravs verwendet hatte.

Die Flügel der Allgemeinheit trugen Reilly und sein Außenteam hoch empor. Ein Innenschott öffnete sich. Es teilte sich dazu in der Mitte an einer unregelmäßigen, scheinbar wie ein Riss aussehenden Linie. Diese Linie ähnelte einem der Schriftzeichen, die Reilly an mehreren der Orden- und Ehrenzeichen an Shrrromwuarrrs Brust entdeckt hatte.

Die Flügel der Allgemeinheit flogen durch das Schott, das sich dahinter sofort wieder schloss.

Vollkommen lautlos.

Der Korridor glich einer breiten Straße. Mehrere Flügel der Allgemeinheit konnten hier problemlos aneinander vorbei – entweder nebeneinander oder übereinander.

„Der gesamte Mond ist von Anlagen der Bastion des Nalhsara durchdrungen“, erklärte Shrrromwuarrr. „Wir haben hier eine starke Verteidigungsstellung errichtet, die in der Lage ist, das Barasamdan-System jederzeit gegen die K'aradan zu verteidigen.“

Sind nicht eigentlich die Fulirr die Aggressoren in diesem Konflikt?, überlegte Reilly, wobei er sich natürlich davor hütete, irgendeinen Kommentar in dieser Richtung abzugeben. Schließlich war es nicht seine Absicht, die Verhandlungen gleich von vorn herein zum Scheitern zu bringen. Wahrscheinlich ist es wohl immer eine Frage der Perspektive, wer wen als Aggressor betrachtet!

Tatsache war allerdings, dass die gesamte Region um das Barasamdan-System in sehr ferner Vergangenheit einmal Teil des K'aradan-Imperiums gewesen war, dass früher noch weit größere Ausmaße gehabt hatte, als in der Gegenwart.

„Wann hat es hier den letzten K'aradan-Angriff gegeben?“, fragte Reilly.

„Oh, das ist schon fast ein halbes Jahr her. Dafür war der dann auch um so heftiger“, berichtete Shrrromwuarrr. „Glücklicherweise ist es unseren Truppen gelungen, die Feinde zurückzudrängen. Die Macht der Finsternis hat uns dabei geholfen.“

„Sie meinen damit die Antimaterie-Waffen, nicht wahr?“

Ein zischender Laut kam aus Shrrromwuarrrs Kehle und mischte sich mit einem dumpfen Gurgelgeräusch. Gleichzeitig schnellte für den Bruchteil eines Augenblicks die Riechzunge hervor.

„Was sollte ich wohl sonst meinen?“, gab er zurück.

Der Translator brachte das mit einer ziemlich arroganten, unfreundlichen Konnotation herüber.

Ich werde mal annehmen, dass das nur mit denn Unzulänglichkeiten des Translatorsystems zu tun hat!, sagte sich Reilly.

„Ich habe gesehen, dass ein Teil der Abschussrampen der Bastion des Nalhsara auf den Planeten Barasamdan III gerichtet ist. Können Sie mir das erklären?“

„Muss ich Ihnen das erklären?“, antwortete Shrrromwuarrr mit einer Gegenfrage.

„Meine Offiziere und ich haben uns nur den Kopf über die Frage zerbrochen, was Sie dort mit Antimateriesprengköpfen treffen wollen! Selbst wenn die dort beheimateten Lebensformen einen Aufstand gegen Ihre Station entfachen  sollten, die Sie da unten betreiben und danach trachten, Ihre Oberhoheit abzuschütteln...“

„Was mit den Köpfen Ihrer Offiziere geschehen ist, tut mir aufrichtig leid, Commander Reilly. Ich hoffe, für Ihre Köpfe gab es die nötige medizinische Hilfe, was innerhalb Ihres Menschen-Nalhsaras ja nicht unbedingt an jedem Ort hinreichend und auf bestem Standard gewährleistet ist, wie ich gehört habe. Und was Ihre Vermutungen im Hinblick auf Aufstände unter den Einheimischen von Barasamdan III angeht, so kann ich Ihnen versichern, dass es so etwas nicht gibt und nie gegeben hat!“

Man brauchte kein Experte in der Gestik und Körpersprache der Fulirr zu sein, um zu erkennen, dass Reilly da offenbar einen sehr wunden Punkt getroffen hatte. Was ist da an der Oberfläche los?, fragte sich der Kommandant der STERNENKRIEGER. Die Ortungsergebnisse waren zumindest bis zum Eintreffen der L-2 auf der Bastion des Nalhsara ziemlich unauffällig gewesen – sah man einmal von den seltsamen Resonanzmustern ab. Aber darum kümmerte sich ja Bruder Padraig und sein Team und Commander Reilly hoffte, schon sehr bald etwas Neues von dem Olvanorer in dieser Sache zu hören.

Schließlich waren diese Muster vielleicht der Schlüssel, um doch noch das Schicksal von Ukasi und seiner Crew aufklären zu können. Dass sie noch am Leben waren, wagte Reilly kaum zu hoffen.

Es herrschte einige Augenblicke Schweigen zwischen Menschen und Fulirr, während die Flügel der Allgemeinheit durch den Korridor rasten und auch an einer Kreuzung zweier genauso breiter Flure nicht Halt machte. Offenbar tauschten die einzelnen Flügel untereinander Signale aus, die verhinderten, dass es zu Kollisionen kam.

„Was sind das für Wesen, die Barasamdan III bewohnen?“, fragte jetzt Dr. Rollins an den stellvertretenden Kommandanten der Station gewandt.

„Rüsselträger“, erklärte Shrrromwuarrr. Dann folgten einige erfolglose Übersetzungsversuche dessen, was der Sauroide danach noch hinzufügte, bis der Translator schließlich den passenden Begriff gefunden hatte. 

„Elefantenartige.“

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6. Kapitel: Muster und Geister

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Tryskwyn stieß einen durchdringenden Trompetenstoß aus und erzeugte tief in seiner Kehle einen Laut, der so niederfrequent war, dass er selbst für das akustische Spektrum, das den elefantoiden Embaan zur Verfügung stand, an der Grenze des Wahrnehmbaren lag. Ein zweiter Trompetenstoß folgte – diesmal aus einem dreitönigen Akkord bestehend. Nur Glücksbringer konnten so etwas.

Und Tryskwyn war einer.

Der viereinhalb Meter hohe, auf tempelartigen Beinen gehende Embaan-Bulle war in höchstem Maß erregt. Diese Muster!, ging es ihm durch den gewaltigen Schädel. Überall diese Muster... Die Geister sind nahe!

Embaan hatte zwei mächtige Stoßzähne, die selbst für einen Bullen ausgesprochen imposant waren. Sechs Tonnen  Körpergewicht brachte er auf die Waage.

Er ging auf vier Beinen. Anders konnte wohl selbst die einfallsreichste Evolution keine Lösung zum sicheren Transport der gewaltigen Körperfülle bieten.

Da ein Embaan seine Vorderbeine nicht als Arme benutzen konnte und sich dementsprechend an deren Enden auch keinerlei Greiforgane entwickelt hatten, war diese Funktion im Lauf der embaanischen Entwicklung vom Rüssel übernommen worden.

Dieser teilte sich etwa in der Mitte in zwei unabhängige Arme. Manchmal auch in drei Arme. Das war unterschiedlich, wobei man den seltenen Fall eines Dreiarms als Glücksfall bezeichnete. Dreiarmige waren der Gemeinschaft besonders verpflichtet und sie der Gemeinschaft, denn sie waren die Boten des Glücks und dieses Glück gehörte dem ganzen Stamm.

Nicht nur einem einzelnen und auch nicht nur einer einzelnen Sippe.

Gerade über diesen Punkt gab es häufig Streit unter den Sippen und dann wurde ein Palaver abgehalten. Zumeist draußen in der Wüste, denn ansonsten wären die dabei auftretenden Bodenschwingungen gerade für sensibel veranlagte Kinder oder schwächere Mitglieder der Gruppe kaum erträglich gewesen.

Und ein Palaver ohne Bodenschwingungen war undenkbar. Die Emotionen gingen dann zumeist sehr hoch, sodass es fast immer um Fragen ging, die für jeden Teilnehmer von unmittelbarer Wichtigkeit waren. 

Tryskwyn war ein Glücksbringer. Das äußere Zeichen dafür war unübersehbar. Er besaß nämlich drei Riecharme, in die sich sein Rüssel teilte und mit deren Enden er feinste Arbeiten auszuführen vermochte. Die Keramik der Embaan war jedenfalls hoch entwickelt und brauchte einen Vergleich mit den Produkten anderer, auf ähnlicher Kulturstufe stehender Völker nicht zu scheuen. Und das, obwohl über 99 Prozent aller Embaan lediglich einen Rüssel besaßen, der sich in zwei Riecharme teilte.

Tryskwyn war einer der wenigen Glücksbringer des Clans. Und vor allem sorgte er dafür, dass die Geister nicht Überhand nahmen. Das war nicht immer ganz einfach.

Es gab einfach zu viele von ihnen.

Tryskwyns Stamm lebt am Niederkanal, der tief in die Wüste hineinführte. Rechts und links des Kanals gab es einen fruchtbaren Streifen Land.

Aber man brauchte nicht weit gehen, um diese lang gestreckte Kanaloase hinter sich zu lassen. Dann kam man in Regionen mit gelbem Staub, rotem Staub und manchmal auch solche, in denen es kaum Staub gab, sondern dafür nur hartes Gestein. Fels, den der unablässige, heiße Wüstenwind bereits kahl genagt hatte, wie es die aufdringlichen Kylyk-Ratten mit den Prybykymyn-Stauden zu machen pflegten, wenn man sie nicht früh genug vertrieb.

Aber die Kylyk-Ratten – so groß wie ein sauroider Außenweltler – waren nicht das Hauptproblem. Sie kamen aus der Wüste und wenn man sie konsequent verfolgte, verschwanden sie dorthin auch wieder. Es gab im Inneren der Wüste unterirdische Wasserreservoire, wie auch den Embaan des Niederkanals bekannt war, auch wenn es lange her war, dass einer von ihnen sich weit genug in diese trocken-heißen Weiten vorgewagt hatte, um sie zu erreichen.

Mancher unter den heute lebenden Embaan hatte daher den latenten Verdacht, dass es sich bei den Wasserreservoiren lediglich um eine Legende handelte.

Nicht um etwas Reales, Greifbares.

So wie die Geister, von denen schließlich jeder sehen konnte, dass sie wirklich existierten.

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Seit mindestens 100 Generationen siedelte der Ryry-Stamm am Niederkanal. Das war seit dem großen Krieg der Glücksbringer gewesen. Ein Krieg, der mehr Opfer gekostet hatte, als jeder Krieg davor oder danach. Ursprünglich hatte der Ryry-Stamm an den sanften Ufern des nördlichen Großsees gesiedelt.

Aber die Erinnerung daran war zu einer Legende geworden. Das Land am Großsee hatte sprachlich zu einem Synonym für Idealzustände aller Art verwandelt. Ab und zu gab es Reisende, die von dort kamen und manchmal reisten auch Angehörige des Ryry-Stammes zum Großsee.

Jeder wusste, dass es dort inzwischen auch nicht viel besser war als am Niederkanal. Das Problem der Salzablagerungen an den Ufern war am Großsee sogar noch viel gravierender. 

„Die Welt stirbt“, sagte Myrwynyw, der Stammesälteste, ein Embaan-Bulle, der mit 3 Embaan-Kühen und vierundzwanzig Embaan-Kälbern einen Familienverband bildete. Leider war unter den Embaan-Kälbern derzeit kein einziger Glücksbringer.

Die Hoffnungen des Clan ruhten daher auf der trächtigen Embaan-Kuh Zyrzyry. Es gab schon erste Vorwürfe, die sich gegen den Stammesältesten richteten. Er habe die ihm angetrauten Kühe auf Grund seiner ungezügelten Begierde ausgewählt und nicht ausreichend darauf geachtet, ob deren Vorfahren Eltern von Glücksbringern gewesen waren. Und schlimmer noch! Myrwynyw habe auch anderen Heiratswilligen in seinem Stamm zu wenig Auflagen bei der Partnerwahl gemacht.

Aber Myrwynyw weigerte sich, einen Zusammenhang zwischen der von ihm eingeführten größeren Mitbestimmung bei der Partnerwahl und dem Rückgang des Anteils von Glücksbringern in seinem Stamm anzuerkennen.

Früher war es das Recht und die Aufgabe der Clan-Ältesten gewesen, einer Verbindung entweder zuzustimmen oder diese Zustimmung zu verweigern. Myrwynyw hatte dagegen die Regel eingeführt, dass niemand gegen seinen Willen zu einer Verbindung gezwungen werden dürfe.

„Die Welt stirbt“, wiederholte der Stammesälteste sinnend und dabei hatte er seine drei Rüsselarme ineinander verschränkt. Er war auch ein Glücksbringer, aber heute sagten viele in seinem Stamm, dass er nur so aussehe. Tatsächlich hätte er dem Stamm kein Glück gebracht.

Ein Grunzen ertönte aus den Kehlen von zehn Embaan-Kolossen, die um den Feuerplatz herum saßen. Es war ein Laut der Zustimmung. Ein Laut, der außerdem ihren eigenen seelischen Schmerz darüber zum Ausdruck brachte, dass offenbar alles im Niedergang begriffen war. Dass es von Jahr zur Jahr schwieriger wurde die Felder zu erhalten. Dass die Temperatur anstieg und dass der fruchtbare Streifen Land zu beiden Ufern des Niederkanals immer schmaler wurde. Es war kein dramatischer Rückgang. Nichts, worüber man sich in einem oder in fünf Jahre Sorgen machen musste. Aber in zehn Jahren auf jeden Fall. Wenn es sehr schlimm kam, dann mussten die Ryry vielleicht den Niederkanal verlassen und sich irgendwo anders ein Territorium suchen. Aber freiwillig würde es  ihnen niemand geben. Und der geringe Anteil an Glücksbringern handicapte sie im Krieg.

Der tödliche Ruf eines Glücksbringers war um ein Vielfaches stärker und intensiver als dies bei einem gewöhnlichen Embaan der Fall war. Wenn ein Glücksbringer ihn ausstieß, starben zehnmal so viele Feinde, als wenn dies ein Embaan mit nur zwei Rüsselarmen tat. Und sogar die Geister reagierten schneller darauf.

Die beste Garantie dafür, dass ein Stamm sich durchsetzen und eines der kleiner werdenden fruchtbareren Territorien für sich erobern und halten konnte, war also ein hoher Anteil an Glücksbringern.

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Tryskwyn näherte sich dem Platz, an dem sich die Gruppe von Ryry-Bullen niedergelassen hatte. Jetzt in der Dämmerung wurde es kühler und wenn erst die Sterne am Himmel funkelten, konnte es sogar empfindlich kalt werden – trotz der mörderischen Hitze am Tag. Früher, so berichtete die Legende, hatte es Wolken am Himmel gegeben. Wolken, die aus beseeltem Wasser bestanden hatten und verhinderten, dass es in der Nacht zu kalt und am Tag zu heiß wurde. Aber die Wolken hatten der Macht hinter der Welt den Dienst gekündigt und waren verschwunden.

So zumindest berichtete es die Legende.

Inzwischen sahen die meisten Embaan es eher so, dass das Verschwinden der Wolken eine Folge des Klimawandels war, dem ihr Planet schon seit Generationen unterworfen war. Ein Wandel, der vermutlich durch die zunehmende Ausdehnung der Sonne verursacht wurde. Es hatte schon vor fünf oder sechs Generationen Embaan-Mathematiker gegeben, die dazu in der Lage gewesen waren, den Umfang ihres Planeten, den Abstand zur roten Riesensonne und den Umfang dieses riesigen, gut ein Drittel des Horizonts ausmachenden Glutballs zu errechnen.

Dass die Sonne wuchs, daran konnte niemand zweifeln, der den Gesetzen der Logik traute.

Aber inzwischen traute ihr die Mehrheit der Embaan. Früher war die Logik als etwas angesehen worden, was dem Glauben an die Macht hinter der Welt widersprach. Inzwischen sahen das die Schamanen der Macht hinter der Welt jedoch nicht mehr so. Vielmehr nahmen sie an, dass diese Macht auch die Logik geschaffen und ihrer Schöpfung damit eine Sprache gegeben hatte, mit der man sie in all ihrer Vielfalt erfassen konnte.

Selbst die Welt der Geister ließ sich mit der Mathematik und der Sprache der Logik beschreiben, wie man inzwischen festgestellt hatte. Also musste sie tatsächlich universell sein.

Tryskwyn ließ sich bei der Bullengruppe nieder. Es machten sofort einige Nicht-Glücksbringer für ihn Platz. Obwohl Tryskwyn noch relativ jung war und noch nicht einmal eine eigene Gruppe von Kühen um sich gescharrt und eine Familie gegründet hatte, genoss er auf Grund seines Glücksbringer-Status hohes Ansehen.

Dass dieser Glückbringer-Bulle noch immer keine einzige Gefährtin erwählt hatte, war ihm bereits sehr kritisch vorgehalten worden – und es war natürlich Wasser auf die Mühlen jener Angehörigen des Ryry-Stammes, die den Stammesältesten Myrwynyw wegen seiner liberalen Hochzeitspraxis kritisierten. Hätte man nicht dafür sorgen müssen, dass dieser junge, gesunde Glücksbringer wenigstens ein oder zwei Embaan-Kühe erwählte? An Angeboten von edlen Embaan-Familien mit vielen Glücksbringern in ihren Reihen, hatte es nicht gemangelt. Und es war auch keineswegs so, dass die von ihren Familien angebotenen Kuh-Töchter zu unattraktiv gewesen wären! Nicht einmal einen streitsüchtigen Charakter hätte man ihnen nachsagen können und in einem Fall wäre sogar eine Glücksbringer-Kuh dabei gewesen, was die Chance auf Nachwuchs mit drei Rüsselarmen natürlich erheblich erhöht hätte.

Schon murmelten manche im Stamm, dass Tryskwyn vielleicht gar keine natürliche Leidenschaft für Embaan-Kühe empfinde, sondern stattdessen zu den wenigen Embaan-Bullen gehörte, die sich lieber mit anderen Bullen verbanden.

Im Großen und Ganzen wurde Homosexualität bei den meisten Stämmen toleriert. Da es üblich war, dass ein Bulle zumeist mehrere Kühe in seinem Familienverband hatte, war eine optimale Gebärauslastung aller Kühe des Stammes auch dann gewährleistet, wenn sich ein kleiner Teil der Bullen ganz von ihnen zurückhielt.

Bei Glücksbringer-Bullen galt diese Neigung jedoch selbst unter dem liberalen Regiment des Stammesältesten Myrwynyw  als Sakrileg gegen die Pläne der Macht hinter der Welt und als Affront gegen den Stamm.

Tryskwyn fühlte zwar keine solche Neigung, war aber dennoch noch nicht bereit, sich zu binden und für eine Familie zu sorgen. Es gab eine Leidenschaft, die noch stärker war, als sie bisher selbst die attraktivsten Glücksbringer-Kühe in ihm hatten erwecken können.

Die Leidenschaft für die Logik.

Für die Mathematik.

Für all das, was es herauszufinden und zu entdecken gab. Insbesondere interessierte ihn die Welt der Geister, deren Rätsel auch die weisesten Embaan aller Stämme nicht hatten lösen können.

Geisterseher, so nannte man ihn manchmal.

Ein Ehrentitel für jeden Mathematiker und Logiker in den Reihen der Embaan, aber ein Schimpfwort für Glücksbringer, denn die Aufgabe eines Glücksbringers war es, den Stamm zu schützen und Glück zu bringen.

Sei es in Form von Territorien, sei es in Form totgerufener Feinde in der Schlacht oder in Form von zahlreichen Schwangerschaften unter den Kühen seines Haushaltes, aus denen dann wieder ein hoher Anteil weiterer Glücksbringer hervorging.

„Des freut uns, dich in unserer Runde zu sehen, Glücksbringer“, wurde Tryskwyn vom Stammesältesten Myrwynyw angesprochen. „Was ist dein Begehr?“

„Ich wollte noch einmal mein Anliegen vortragen und um Erlaubnis für die Reise zum Ursprung des Riesenkäfer-Geistes erbitten.“

Der Stammesälteste ließ ein dumpfes Grollen hören, das aus den Tiefen seiner riesigen Lunge kam. Tryskwyn spürte die Vibrationen des Bodens. Und er wusste gleich, dass es sinnlos gewesen war, noch einmal nachzufragen.

„Hat jemals ein Geist irgendeine konkrete Gefahr dargestellt?“, fragte der Stammesälteste nun. „Ist es jemals einem Geist gelungen, stofflich zu werden und mehr Störungen zu verursachen, als das er einem lästig wird?“

„In der Legende...“

„In der Legende! Genauso ist es! Aber diese Legenden sind vielleicht nur Geschichten, Glücksbringer Tryskwyn! Geschichten, deren Aufgabe es eher war, die Langeweile an den nächtlichen Feuern zu vertreiben und die Jugend dazu zu erziehen, auf eine gründliche Geisterreinigung der eigenen Wohnräume zu achten. Aber es besteht keine Notwendigkeit, ihr Geheimnis zu erfahren.“

„Aber nie zuvor haben wir einen Achtbeinigen Riesenkäfer-Geist am Himmel gesehen! Noch dazu einen, der golden schimmerte!“

Alle Geister hatten sechs Beine. Sie sahen aus wie Käfer und keiner von ihnen war länger als ein Embaan-Rüssel mitsamt seinen Rüsselarmen.

Aber dieser Geist war anders gewesen.

Schon die Fähigkeit zu fliegen hatte ihn von allen unterschieden, die Tryskwyn bisher gesehen hatte.

„Der Stammesälteste hat Recht“, sagte ein anderer Bulle. Er hieß Gymyn und genoss großen Respekt. Einerseits auf Grund seines Alters, da man unter den Embaan davon ausging, dass viel Klugheit dazugehörte, um ein langes Leben zu führen. Andererseits deshalb, weil er selbst ein Glücksbringer war und seinem Stamm in vielen Schlachten gedient hatte. Seine Heldentaten waren legendär – und sein Todesruf auch.

Unter seinen Kindern und Kindeskindern waren wiederum zahlreiche weitere Glücksbringer, wodurch er seinem Stamm abermals gedient hatte. Er war einer der schärfsten Kritiker der gegenwärtigen Freizügigkeit bei der Partnerwahl, wobei manche argwöhnten, dass diese betonte Oppositionshaltung auch durch persönliche Erlebnisse geprägt war.

So war Gymyn nie als Kritiker einer liberalen Partnerwahl-Praxis ohne einen starken Einfluss des Clans aufgefallen, bis er selbst vor kurzem und trotz seines hohen Alters um eine junge Kuh geworben hatte, die kaum dem Kälbchenstatus entwachsen war.

Mit der Familie war Gymyn schon so gut wie einig gewesen. Schließlich war er als Glücksbringer per se der Schwarm aller Embaan-Kuh-Schwiegermütter.

Allerdings hatte man die Rechnung ohne die junge Embaan-Kuh-Tochter gemacht. Sie hatte dem edlen, in Ehren gealterten Glückbringer und Stammeshelden einen jungen Bullen vorgezogen und dies mit persönlicher Neigung begründet. Dass dieser Jungbulle aus einer Familie stammte, die in den fünf Generationen nicht einen einzigen Glücksbringer hervorgebracht hatte, war für Gymyn einer Demütigung gleichgekommen.

Seitdem kritisierte er Myrwynyws Neuerungen, wo er nur konnte.

„Ein Glücksbringer sollte bei seinem Stamm bleiben und für seine Sicherheit sorgen“, sagte Gymyn mit aller Entschiedenheit, obwohl ihm eine Entscheidung über Tryskwyns Anliegen gar nicht zustand. Schließlich war Gymyn ja nicht der Stammesälteste – und als Glücksbringer war er sogar von diesem Führungsamt innerhalb des Stammes ausgeschlossen.

Stammesältester zu sein und Glücksbringer – dass sei zuviel Glück auf einmal, so hieß es in den Überlieferungen der Rechtssätze der Macht hinter der Welt, die einst der Stammesgründer Ryry in Form einer mit Schriftzeichen bestickten Decke erhalten hatte.

Natürlich waren längst nicht mehr alle Bestimmungen von Ryrys Decke in Kraft und gerade unter Myrwynyws Leitung hatte sich ja mehr im Stamm der Ryry geändert, als in den tausend Generationen zuvor.

Aber dass ein Glücksbringer, dessen Stellung im Stamm ohnehin schon übermächtig war, nicht auch noch die Führung übernehmen sollte, war ein Grundsatz, der wohl auch heute noch von der Mehrheit aller Embaan geteilt wurde, denn zumindest in so gut wie allen Niederkanalstämmen gab es ähnliche Bestimmungen. Selbst die Legende über die beschriftete Decke, die der Stammesgründer erhalten hatte, wurde von den Nachbarstämmen mit nur geringen individuellen Abweichungen erzählt. 

Gymyn selbst konnte Myrwynyw also nicht in seinem Amt ablösen. Obwohl er sich dazu durchaus in der Lage gefühlt hätte und außerdem optimistisch genug war, anzunehmen, dass er trotz seines fortgeschrittenen Alters Myrwynyw um eine ganze Anzahl von Jahren überleben würde. Glücksbringer hatten eine Lebensspanne, die unter normalen Umständen nämlich um etwa ein Drittel länger war als die eines gewöhnlichen Embaan.

„Von Glücksbringer zu Glücksbringer – schlag dir deine Reise ins Ungewisse aus dem Kopf!“, meinte Gymyn an Tryskwyn gerichtet. „Du wirst damit nur deinem Stamm schaden!“

„Gymyn kann sich wirklich jeder Glücksbringer zum Vorbild nehmen“, stimmte ein weiterer Bulle zu. Ein Normal-Embaan, der zu den getreuen Gefolgs-Bullen des Stammesältesten zählte.

Tryskwyn wunderte es nicht, dass die Stimmung am Feuer gegen ihn und seine Ideen war. Aber auch wenn er sich in der Vergangenheit dem Willen des Stammes gefügt hatte, so war er jetzt nicht bereit dazu, einfach klein bei zu geben. Er hatte sich vorgenommen zu kämpfen und alles in die Waagschale zu legen, was es auf seiner Seite an Argumenten gab.

„Habt ihr nicht auch den fliegenden Riesenkäfer mit den acht Beinen gesehen?“, rief er. Eine rhetorische Frage. Niemand hatte dieses Ereignis übersehen können. Der ganze Niederkanal und selbst der Oberkanals und die Stämme an der Südküste des Großsees waren darüber in einen kurzzeitigen Aufruhr geraten. „Ihr müsst seine Rufe gehört haben. Ihr müsstet die Muster gesehen haben, die es auf seiner Oberfläche erzeugte. Und es müsste euch klar gewesen sein, dass dieser Geist der erste seit tausend Generationen war, der tatsächlich stofflich gewesen ist!“

„Das ist eine Theorie“, hielt dem der Stammesälteste entgegen. „Eine Theorie, die einige mathematisch begabte Schamanen vertreten, die stattdessen lieber bei der Macht hinter der Welt für eine höhere Rate von Glücksbringer-Geburten beten sollten, anstatt sich mit der Welt der Geister zu befassen, die letztlich auf uns kaum einen Einfluss hat!“

„Da bin ich anderer Meinung!“, sagte Tryskwyn. „Wenn dieser große Geist mit seinen acht Beinen es schaffen konnte, in unsere stoffliche Welt einzutreten, dann könnten das in Zukunft auch andere Geister versuchen – so wie sie es der Legende nach in früheren Zeitaltern einmal konnten!“

„Es gibt keinen Beweis dafür, dass diese Legenden wahr sind“, sagte der Stammesälteste. „Genauso wie ich nicht glaube, dass von diesem Riesengeist, der über unser Land schwebte, eine reale Gefahr ausgeht! Von unseren Nachbarn, dem Wyry-Stamm allerdings schon! Und der hat im Moment fast doppelt so viele Glücksbringer wie wir! Also werden wir uns darauf einstellen müssen, dass die Wyry früher oder später ihr Territorium auf unsere Kosten vergrößern werden!“

Tryskwyn hatte wie alle Ryry natürlich von dieser Bedrohung gehört. Im Moment führte der Wyry-Stamm noch Krieg gegen zwei kleinere Stämme des Oberkanals, die sich als ziemlich widerborstig erwiesen und um keinen Preis bereit waren, von ihrem Territorium etwas abzugeben. Aber sobald diese Auseinandersetzungen einmal beigelegt waren – und niemand zweifelte ernsthaft daran, dass durch einen Sieg der Wyry geschehen würde – dann bestand für die Ryry eine ernste Gefahr.

Verschiedentlich hatte es deswegen Vorschläge gegeben, die Wyry anzugreifen, solange diese noch Teile ihrer Kräfte im Krieg mit den Oberkanal-Stämmen gebunden hatten.

Aber für eine solche Entscheidung hatte Myrwynyw der Mut gefehlt.

„Mögen die Schamanen und Gelehrten dem Phänomen der Geister mit Hilfe der Mathematik oder des Glaubens auf den Grund gehen, wie es ihnen beliebt!“, sagte Myrwynyw „Aber eines steht fest: Das ist eindeutig nicht die Aufgabe eines Glücksbringers. Also untersage ich dir eine Reise und alle weiteren Aktivitäten in diese Richtung!“

„Warst nicht du es, der bei seinem Amtsantritt gesagt hat, dass jeder seinen Neigungen folgen müsse?“, antwortete Tryskwyn. Alle hielten in diesem Moment den Atem an, denn normalerweise entsprach es nicht dem guten Ton, noch einmal nachzuhaken, wenn der Stammesälteste in so eindeutig ablehnender Weise bereits Stellung genommen hatte.

Aber Tryskwyn wollte jetzt alles auf einen Trompetenstoß setzen.

So wie beim Todesruf in der Schlacht.

„Ja, das habe ich gesagt“, stimmte der Stammesälteste zu. „Aber damit meinte ich nicht, dass man jegliche Pflichten gegenüber dem Stamm vernachlässigen dürfe, sondern nur, dass es für Bullen wie für Kühe möglich sein muss, sich einen Gefährten oder eine Gefährtin der eigenen Neigung zu nehmen, anstatt sich dem Diktat des Clans beugen zu müssen!“

„Hört! Hört!“, mischte sich Gymyn ein. „Man sieht ja, wozu das geführt hat! Wenige Glücksbringer und eine aufmüpfige Jugend, die sich mehr für Geister mit acht Beinen interessiert, als dafür, die Pflicht gegenüber dem Stamm zu erfüllen!“

„Es ist nun mal meine Neigung, dieses Geheimnis zu ergründen und ich glaube kaum, dass die Mittel der Gelehrsamkeit dazu ausreichen“, stellte Tryskwyn fest. „Und ich glaube, dass diese Neigung für den Stamm genauso nützlich sein könnte, wie die Geburt vieler Glücksbringer.“

Myrwynyw stieß einen dröhnenden Laut aus, der den Boden erzittern ließ und seine Heiterkeit zum Ausdruck brachte.

„Wie willst du dieses abseitige Interesse, das sehr wohl allein mit den Mitteln des Geistes befriedigt werden könnte, mit den Interessen der Allgemeinheit begründen, Tryskwyn?“, fragte der Stammesälteste amüsiert. „Ich will deine Argumente hören, auch wenn ich kaum glaube, dass ich ihnen zuzustimmen vermag.“

„Wenn ich das Geheimnis des achtbeinigen Riesenkäfer-Geistes ergründen würde, dann gehörte es nicht nur mir, sondern auch dem Stamm.“

„Das ist selbstverständlich“, beschied ihm der Stammesälteste.

„Aber überleg doch mal, wie sehr uns das über allen Stämmen des Niederkanals hervorheben würde! Es würden Abgesandte anderer Stämme kommen, um von uns dieses Geheimnis zu erfahren und wir könnten es ihnen teuer verkaufen! Außerdem würden viele denken, dass die Geister vielleicht auf der Seite des Ryry-Stammes sind und es dann nicht mehr wagen, uns anzugreifen.“

„Aber jeder weiß, dass den Geistern unsere Welt meistens vollkommen gleichgültig ist“, wandte Myrwynyw ein.

Tryskwyn wedelte mit seinen großen Ohren. „Aber müsste das denn unbedingt so bleiben?“, fragte er. „Wir sehen doch, dass die Geister mächtige Waffen besitzen. Dass sie in Schiffen fliegen, die bis zu den Sternen zu schweben vermögen, dass sie Waffen besitzen, gegen die selbst ein Todesruf nichts wäre...“

„Aber alles Dinge, die in unserer Welt nicht wirken!“

„Weil die käferartigen Geister keinen Zugang zu unserer Seite der Welt haben“, erwiderte Tryskwyn. „Aber falls es uns gelingen sollte, die anderen Stämme davon zu überzeugen, dass wir jederzeit die Macht hätten, genau dies zu tun, hätten wir ein ideales Mittel, um sie einzuschüchtern!“

Myrwynyw schwieg.

Und Gymyn schlug amüsiert mit einem seiner stempelartigen Beine auf den Boden, sodass eine tiefe Sandkuhle dabei entstand. „Du selbst warst ja immer schon gut darin, deine persönlichen Neigungen und Begierden als Dienst an der Allgemeinheit und am Stamm zu tarnen“, lachte der alte Glücksbringer und wandte sich damit an Myrwynyw. „Aber jetzt, so scheint es mir, hast du deinen Meister in dieser fragwürdigen Disziplin gefunden!“

„Genau jetzt!“, fuhr der Stammesälteste dröhnend dazwischen. Er breitete seine Ohren aus. Eine Autoritätsgebietende Geste. Außerdem hob er den Kopf, sodass seine Stoßzähne noch besser zur Geltung kamen, deren Benutzung allerdings als barbarisch galt.

Schließlich gab es elegantere Methoden, um seinen Gegner zu töten.

Am einfachsten war es, ihn einfach zu rufen.

„Hör jetzt, Glücksbringer Tryskwyn! Ich bin in meiner Amtszeit als Stammesältester in der Tat angetreten, um dem Einzelnen mehr Freiheiten zu verschaffen und das Glück eines jeden zu mehren, auf dass er nicht gezwungen sei, seine kostbare Lebenszeit mit einer zänkischen Kuh oder einem sturen Bullen zu verbringen, der einem die Tage zur Hölle macht! Aber das jemals jemand die Freiheiten so ausnutzen würde, dass er in Leidenschaft zu einem achtbeinigen Riesenkäfer entbrennt, anstatt in der von der Natur vorgesehenen Weise und darüber hinaus nichts dabei findet, seine Verteidigungspflichten zu vernachlässigen, um eine Reise mit ungewissem Ziel anzutreten, hätte ich nicht für möglich gehalten! Es muss ein Zeichen des moralischen Verfalls sein! Die Werte des Stammeswohls und der Loyalität zur Allgemeinheit scheinen über die Maßen in Vergessenheit geraten zu sein und das in einer Weise, die ich nicht tolerieren werde.“

„Du missverstehst mich, Stammesältester!“, erwiderte Tryskwyn.

„Nein, ich missverstehe dich ganz und gar nicht!“, widersprach dieser. „Ich begreife sehr wohl, was dein Begehr ist – und ich werde es nochmals ablehnen. Damit fordere ich dich nun auf, mein Wort zu akzeptieren und es nicht länger öffentlich zu hinterfragen! Auch das ist ein Schaden für den Stamm. Auf Ryrys Decke steht: Wer den Anführer anzweifelt, nimmt dem Stamm die Kraft! Und genau das tust du in diesem Augenblick. Jetzt schere dich hinweg und denke gut über deine Worte nach. Ich hingegen werde tun, als wären Sie nie gesprochen worden. Du bist jung und es soll in Zukunft kein  Nachteil für dich werden, dass du so unbedacht gesprochen hast!“

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Tryskwyn entfernte sich von der Feuerstelle der Bullen.

Ohnmächtige Wut pochte in ihm. Er spürte den heißen Drang, den Todesruf selbst an seinem eigenen Stammesoberhaupt durchzuführen oder ihm gar die Stoßzähne in den Leib zu rammen.

Natürlich hätte er diesem Drang niemals nachgegeben. Es wäre dem Gipfel an Unzivilisiertheit gleichgekommen. Kein Embaan hätte so gehandelt. Selbst in der größten Not und nach dem tiefsten Verdruss nicht.

Was soll ich tun?, ging es ihm durch den Kopf.

Er blickte zum Himmel. Die rote Riesensonne überstrahlte auch in der Nacht den Horizont. Sie hing wie ein fernes Glutband da, das den Horizont umsäumte, sodass man den Eindruck haben konnte, dass da irgendwo in der Wüste eine Feuerwand sich erhoben hatte. Aber das war natürlich eine Illusion.

Keine Illusion war es jedoch, dass die Tage und Nächte immer länger wurden. Die Embaan-Mathematiker eines Großsee-Stammes hatten das längst nachgewiesen und ihre Berechnungen waren inzwischen von den Gelehrten vieler anderer Stämme bestätigt worden.

Der Heimatplanet der Embaan verlor an Rotationsgeschwindigkeit. 

Irgendwann würde er sich gar nicht mehr drehen.

Die Welt der Embaan veränderte sich. Aber wie es schien waren all diese Veränderungen nur zum Schlechten. Am Ende stand das Schreckensbild eines ewig währenden Tages und einer genauso ewig währenden Nacht auf der entgegengesetzten Hemisphäre des Planeten. Selbst die Mathematik war nicht in allem eindeutig. Unter den Gelehrten der Embaan gab es durchaus unterschiedliche Meinungen darüber, wie lange diese Zeit des Schreckens wohl noch in der Zukunft liegen mochte. Manche glaubten, dass die Ausdehnung der Sonne zuvor bereits den gesamten Planeten verschlungen hätte. Andere hatten Zeiträume zwischen wenigen Jahrzehnten und mehreren Jahrmillionen errechnet. Das lag wohl daran, dass einfach die den Berechnungen zu Grunde liegenden Grunddaten noch teilweise völlig ungesichert waren.

Tryskwyn fragte sich, ob die Geister wohl genauso von diesen Dingen betroffen waren wie die Embaan. Eines haben sie uns immerhin voraus, ging es dem junge Glücksbringer durch den Kopf. Sie können mit ihren Schiffen ins All fliegen. Genau wie die Außenweltler.

Eine Weile hatte Tryskwyn sehr stark darauf geachtet, ob er bei den Geistern irgendwelche Anzeichen dafür finden konnte, dass sie vielleicht im Begriff waren, den Planeten zu verlassen.

Verstärkte Flugaktivitäten wären dafür zum Beispiel ein Indiz gewesen.

Aber von alledem war nichts zu bemerken gewesen. Auch gab es keinerlei Anzeichen für das Vorhandensein einer großen Furcht. Die Geister bauten ihre fantastischen Geisterbauwerke, die so stofflich wirkten, dass man aufpassen musste, sie im normalen Alltagsleben auszublenden. Jeder Embaan konnte das. Es war eine Frage der Konzentration.

Ausblenden war leicht.

Vertreiben schien schwerer – und letzteres klappte eigentlich auch nur innerhalb der eigenen befestigten Wohnanlagen der Embaan, die zumeist aus künstlich aufgeworfenen Erdhügeln bestanden, deren Inneres ausgehöhlt und entsprechend befestigt wurde. Diese Hügeldörfer wurden dann noch einmal durch größere Wälle abgegrenzt. Manchmal verirrten sich Geister ins Innere dieser Wälle, dann musste man sie forttreiben, was mit Hilfe entsprechender Rufe auch problemlos möglich war.

Außerhalb hatte man jedoch keinerlei Herrschaft über sie. Was dort anders war, wusste man nicht. Nichteinmal die bestechende Logik der Mathematik, dieser brillanten Sprache des Universums, in der sich die Macht hinter der Welt selbst auszudrücken vermochte, konnte das erklären. Es war einfach so.

Aber niemand setzt Bauwerke so sorglos fort, die doch so fragil und verletzlich erscheinen, wenn er glaubt, dass die Welt in Kürze untergeht, dachte Tryskwyn. Also nahm er an, dass zumindest die käferartigern Geister von einem viel längeren Fortbestand des Planeten ausgingen – und zwar in einer Form, die ihnen die Weiterexistenz ermöglichte. Andererseits sind unsere Existenzvoraussetzungen vollkommen unterschiedlich, überlegte Tryskwyn. Vielleicht ist es einfach so, dass sie Grund zum Optimismus haben - und wir nicht!

Während der junge Glücksbringer sich von den Bullen am Feuer entfernte, hörte er noch eine Weile ihren Unterhaltungen zu, die ihn nicht nur als akustische Botschaft, sondern auch noch durch feinste Bodenvibrationen erreichten, die ein Embaan außer über die empfindlichen und auch für die extremen Niederfrequenzbereiche ausgelegten Ohren, sondern genauso über ebenso sensitiven Sohlen der stempelartigen Füße wahrzunehmen vermochte.

Unter Umständen sogar über sehr lange Distanzen.

Die Vibrationen, die durch die Schlachten des Wyry-Stammes gegen die Oberkanalstämme ausgelöst wurden, erschütterten zum Beispiel auch hier noch leicht den Boden und bildeten dadurch eine Art Hintergrundrauschen.

Auch dieser Hintergrund ließ sich ausblenden.

Genau wie die Geister.

Letztlich war alles eine Frage der Konzentration.

Geistige Disziplin.

Das war das Schlüsselwort. Das, worauf es letztlich ankam.

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Tryskwyn ging ans Kanalufer. Das Licht der Monde spiegelte sich darin. Und manchmal konnte man am klaren Himmel wandernde Lichter sehen. Das waren die Sternen- und Luftschiffe der echsenartigen Außenweltler. Es gab mitten in der Wüste einen Ort, an dem Sie eine Siedlung errichtet hatten. Hin und wieder landeten sie auch an den Kanälen oder Meeren. Manchmal nahmen sie Kontakt zu den jeweiligen Embaan-Stämmen auf. Es kam mitunter sogar zu einem Austausch von Waren. Zumindest im geringen Ausmaß.

Da sich die Außenweltler weit abseits hielten, sah sie keiner der Ältesten in den Embaan-Stämmen wirklich als eine Bedrohung, der man hätte begegnen müssen. Sie ließen die Embaan in Ruhe und mischten sich in der Regel nicht in deren Angelegenheiten ein.

Die Embaan taten umgekehrt dasselbe.

Eines war den Embaan allerdings schon aufgefallen.

Außenweltler schienen generell nicht in der Lage zu sein, die Welt der Geister zu sehen...

Spirituell minderbemittelt lautete das Urteil der Schamanen. Und das, obwohl auch ihnen die Sprache der Macht hinter der Welt - die Mathematik nämlich – keineswegs unbekannt zu sein schien!

Tryskwyns Großvater hatte davon berichtet, wie zu seiner Jugendzeit ein Schiff der Außenweltler in der Nähe seines Dorfes gelandet wäre.

Für Tryskwyns Großvater war dies – neben der Schlacht gegen den Bybymywy-Stamm – das größte Ereignis seines Lebens gewesen, weswegen er auch immer wieder davon berichtet hatte.

Die Außenweltler landeten mit einem ihrer Sternenschiffe und hielten die Embaan wohl für recht primitive Lebensformen, die fast mit Tieren gleichzusetzen waren. Die Embaan wiederum ließen an ihrer Verachtung auch keinen Zweifel, denn dass die Außenweltler offensichtlich geisterblind waren, das war schon nach kurzer Zeit eine Gewissheit. Seitdem hatte sich die Redewendung blind wie ein Außenweltler fest in den Sprachgebrauch aller Embaan-Stämme bis weit hinauf zum Großsee eingebürgert.

Umso erstaunter waren die Außenweltler dann aber, als sie feststellten, dass die Embaan offenbar über mathematische Fähigkeiten verfügten, die ihren eigenen nicht viel nachstanden. Immer wieder ließen sie Embaan komplizierteste Gleichungen lösen und waren dann jedes Mal erstaunt, wenn es den anfangs also primitiv angesehenen Wilden gelang, diese mit einer Leichtigkeit zu lösen vermochten, die die echsenartigen Fremden in Erstaunen versetzte.

Dass die mathematischen Fähigkeiten eines durchschnittlich begabten Embaan die eines Außenweltler weit überstiegen, wie sich herausstellte – und am Ende nicht einmal von den Außenweltlern selbst bestritten wurde – erklärten sich viele Embaan seitdem mit dem Umstand, dass die Außenweltler Maschinen zur Lösung mathematischer Probleme einsetzten. Die Inanspruchnahme dieser Hilfe bedeutete zwar eine Entlastung der Gehirne, aber sie schien die Ursache der geistigen Trägheit zu sein, die die Embaan bei den Außenweltlern immer wieder festgestellt hatten.

Oder wie war es sonst erklärlich, dass ein Außenweltler in der Regel nicht in der Lage war, sich die ersten 20 000 Primzahlen zu merken oder die Zahl Pi nur mit technischen Hilfsmitteln auf die zweihunderste Stelle auszurechnen vermochte.

Etwas, dass einen Embaan-Geist nicht einmal dann anstrengte, wenn er gleichzeitig noch die Geister ausblenden musste und vielleicht sogar auch noch die extremen Bodenvibrationen einer Schlacht, die am Oberkanal gerade ausgerufen wurde.

Nur in einem waren die echsenartigen Außenweltler den Embaan zweifellos überlegen.

Sie wussten einfach ihre mathematisch-naturwissenschaftlichen Erkenntnisse besser in die Entwicklung einer Technologie umzusetzen.

Sie hatten ein Naturgesetz kaum erkannt, da fiel ihnen auch schon eine Möglichkeit der technologischen Ausnutzung ein.

Das war bei den Embaan deutlich anders.

Über die Gründe hatte sich Tryskwyn schon häufig den Kopf zerbrochen, aber er war auf keine auch nur annähernd plausible Erklärung gestoßen.

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Tryskwyn setzte einen Weg am Ufer entlang durch feuchten Sand. Selbst in Ufernähe war an vielen Regionen des Niederkanals die Vegetation bereits zurückgegangen. Das Wasser versalzte. Irgendwann würde vielleicht eines Tages auch noch der Kampf um die unterirdischen Wasserreservoire im Inneren der Wüste entbrennen. Gerüchten zu folge sollten sie gegenwärtig von den Verlorenen Stämmen genutzt werden, die dort zu überleben trachteten. Darunter verstand man Stämme, die ihr Territorium an den Kanälen und Seen verloren hatten, aber weder fähig gewesen waren, sich ihr Gebiet zurückzuerobern, noch willens, sich den Siegern zu ergeben, wonach diese ihnen dem Alten Gesetz der Macht hinter der Welt nach, Schutz, Nahrung und Aufnahme in ihren eigenen Stamm hätten gewähren müssen.

Füttere deine Feinde von gestern, auf dass es dir morgen gut ergehe, so lautete der Satz, der auf den heiligen Gesetzesdecken hunderter Stämme am gesamten Nieder- und Oberkanal bis hinauf zum Großsee stand, wobei man im Allgemeinen sagte, dass die Stämme am Großsee die Einhaltung dieser Regel nicht mehr so genau nahmen, wie es die Tradition eigentlich erforderte. Die Überbevölkerung an verschiedenen Uferabschnitten des Großsees sowie des langen Kleinsees waren dafür wohl verantwortlich. Der Kampf um die besten Plätze an denen man überleben konnte wurde härter.

Mit jedem Tag, an dem der Planet langsamer und die Sonne größer wurde ein kleines bisschen mehr.

Das war nun einmal der Lauf der Dinge und es gab wohl nichts, was diese Entwicklung aufhalten konnte.

Der feine Sand am Ufer ordnete sich auf eine ganz charakteristische Weise zu Mustern. Einflüsse der Geisterwelt waren das. Kein Außenweltler konnte das erkennen, aber für Tryskwyn war es schwer, diese Eindrücke auszublenden, um nicht fortwährend von ihnen abgelenkt zu werden. So stark konturiert waren die Muster schon seit vielen Jahren nicht mehr, dachte er. Als er noch klein gewesen war, hatte er so deutliche Muster zuletzt gesehen. Damals, als er noch ein kleines Glücksbringerkalb gewesen war, von den erwachsenen Bullen und Kühen wie eine Art erwarteter Messias verehrt und verhätschelt, von den Gleichaltrigen aber eher mit Neid und Missgunst bedacht.

Er erinnerte sich an die Worte seines Großvaters, der ihm zu erklären versucht hatte, weshalb das so war. Die Welt des Stofflichen und die Welt der Geister seien nicht immer gleichweit von einander entfernt. Wenn sie sich besonders nahe seien, dann könne man diese Muster auch mit besonderer Deutlichkeit erkennen.

„Und was bedeutet es, wenn sich die Welt des Stofflichen und die Welt der Geister besonders nahe sind?“, hatte Tryskwyn daraufhin gefragt.

„Das bedeutet nichts“, war die Antwort gewesen. „Es hat keinerlei Folgen für uns. Nur die Schamanen fangen dann an, Gebete an die Macht hinter der Welt zu sprechen, damit sich der Abstand beider Welten wieder vergrößert und verhindert wird, dass sie eins werden.“

„Waren sie das denn schon einmal?“

„Was?“

„Eins.“

„Es soll vor langer Zeit einmal Übergänge zwischen ihnen gegeben haben. Aber das ist nur eine Geschichte.“

„Erzähl sie mir trotzdem.“

„Wenn du willst.“

Und dann hatte Tryskwyns Großvater damit angefangen, all die schrecklichen Geschichten über Geister zu erzählen, die von Geistern handelten, die in die Welt des Stofflichen eindrangen und dort allerlei Unheil anrichteten.

„Man sollte diese Geschichten nach ihrer literarischen Qualität beurteilen“, fand sein Großvater. „Sie sind allemal spannender, als wenn unser Stammesältester am Lagerfeuer mit seinen Großtaten prahlt, von denen genauso zweifelhaft ist, ob sie jemals stattgefunden haben!“

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Vibrationen im Boden ließen Tryskwyn aufmerken. Sie standen in der Regelmäßigkeit ihres Auftretens in einer komplizierten mathematischen Beziehung zu den Mustern im Sand. Das sah Tryskwyn sofort. Er starrte auf den Boden und anstatt dass er diese Vibrationen ausblendete, um weiterhin ungestört seinen düsteren, von Depression und Wut gezeichneten Gedanken nachzuhängen, ging er der akustisch-haptischen Spur geistig nach, die durch die Vibrationen gelegt wurde.

Er wandte den Kopf in Richtung der fernen Berge im Süden, die tief in der lebensfeindlichen Wüste lagen.

In einem Bereich, den Angehörige der Niederkanalstämme zuletzt vor zwanzig oder dreißig Generationen betreten hatten, als der Niederkanal nicht irgendwo in der Wüste ein jämmerliches Ende fand, sondern sich noch ein ganzes Stück weiter Richtung Süden hingezogen hatte und dort in einen See mündete, der inzwischen ausgetrocknet war.

Eine weitere Beute der wachsenden Sonne und ihrer tödlichen Kraft.

Jetzt sahen die meisten Embaan der Niederkanalstämme die Strecke bis zu den Bergen als zu weit - und daher zu gefährlich an. Außerdem gab es dort kein lohnenswertes Ziel.

Von irgendwo dort kommen die Vibrationen!, erkannte Tryskwyn. Und es sind Vibrationen dabei, die völlig untypisch für Embaan sind! Vibrationen, wie sie von technischen Geräten der Außenweltler ausgelöst werden!

Am Himmel sah man nun eines der Himmelsschiffe der Außenweltler herannahen – so nahe, dass man sogar mehr als nur die Lichter erkennen konnte.

Das Himmelsschiff flog sehr tief.

Tryskwyn berechnete im Kopf, wo und wann das Schiff landen würde, wenn es seine gegenwärtige Geschwindigkeit beibehielt.

Es fliegt die Station der Außenweltler an!, dachte der Glücksbringer. Kann das alles Zufall sein?

Die mathematische Wahrscheinlichkeit sprach dagegen, dass Phänomene, die sowohl räumlich als auch zeitlich zusammentrafen nichts miteinander zu tun hatten.

Die überdeutlichen Muster sind ungefähr zur selben Zeit das erste Mal aufgetaucht, als der achtbeinige Geisterkäfer am Himmel erschien!, rief sich Tryskwyn ins Gedächtnis zurück. Und seitdem gibt es auch die verstärkten Aktivitäten der Außenweltler. Seitdem haben sie so viele Maschinen in ihre Siedlung gebracht, die all diese irritierenden Vibrationen verursachen und seitdem fliegen so viele ihrer Himmelsschiffe dorthin...

Und noch ein Gedanke kristallisierte sich immer deutlicher in ihm heraus.

Ein Gedanke, der seit der Zeit, da der achtbeinige Riesengeisterkäfer am Himmel erschienen war, immer stärker geworden war, bis er ihn ganz zu beherrschen begonnen hatte.

Ich muss dort hin, um herauszufinden, was dort geschieht!

Sein Entschluss stand fest.

Mit oder ohne den Segen des Stammes – das war ihm zwar nicht gleichgültig, aber wenn der Stammesälteste ihm die Zustimmung verweigerte, dann war er nun notfalls auch bereit, sich darüber hinwegzusetzen.

Es ging jetzt nur noch darum, wie er seinen Plan in die Tat umsetzte.

Es gab nur eine einzige Person, der er sich offenbaren konnte.

Seiner Mutter.

Tryskwyn beschleunigte seine Schritte, um sie aufzusuchen.

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Das Licht einer Fackel flackerte unruhig, als Tryskwyn den Raum betrat. Der größte Teil eines Embaan-Hauses lag in der Tiefe der Planetenkruste verborgen. Der aufgeworfene Hügel stellte nur einen Bruchteil dar. Je tiefer man sich ins Planeteninnere hineingraben konnte, desto besser bei extremen Hitzeperioden während des Tages – denn hier unten herrschte Tag und Nacht ein erstaunlich gleichmäßiges Klima. Die Baukunst der Embaan hatte Tausende von Generationen gebraucht, um zu dieser Perfektion zu finden.

Der Gang, der in die Tiefe führte und den Tryskwyn soeben hinter sich gelassen hatte, war breit genug, so dass sich zwei erwachsene Embaan-Bullen dort ohne Probleme oder unabsichtliche Verletzungen durch die gewaltigen Hauer, aneinander vorbeigehen konnten.

Auf Grund der Tatsache, dass Embaan nicht eben zu den kleinsten Lebensformen ihres Planeten zählten, konnte daher auch der Bau eines einzelnen Clans schon erhebliche Ausmaße einnehmen.

Als Tryskwyn den Raum betrat, in dem sich seine Mutter aufhielt, bemerkte er sofort den Geist.

Einem großen Käfer gleich kauerte er da und es schien nicht so ganz klar zu sein, was er hier eigentlich suchte.

Manchmal hatte Tryskwyn den Eindruck, dass die Geister einfach nur extrem neugierig waren.

Dieser Geist rieb seine unappetitlich wirkenden Beißwerkzeuge gegeneinander. Das Geräusch, das dabei eigentlich hätte zu hören sein müssen, war nicht zu hören.

Der Käferartige wedelte mit seinen Fühlern und dem vorderen Extremitätenpaar herum. An letzterem befanden sich kleine, aber offenbar sehr effektiv einzusetzende Greiforgane. Verschiedene Gegenstände befanden sich an einem Gürtel, den der Insektoide um seinen Leib geschnallt hatte.

Tryskwyn stieß einen tiefen, brummenden Laut aus. Die Luft wurde über den dreigeteilten Rüssel geführt.

Schon im nächsten Moment hatte Tryskwyn sein Ziel erreicht.

Der Geist erschrak dermaßen, dass sein nichtmaterieller Astralkörper regelrecht zusammenzuckte. Dann lief er davon. Er spurtete los. Er rannte einfach durch den ihn im Weg stehenden jungen Glücksbringer hindurch.

Es entstand ein dreitoniger Akkord.

Tryskwyn versuchte dabei die Lautstärke in Grenzen zu halten. Schließlich musste nun wirklich nicht jeder im Lager mitbekommen, wo er gerade hingegangen war.

Davon abgesehen kam es bei diesem Ruf auch gar nicht auf die Lautstärke an, sondern auf die Kraft, mit der der jeweilige Rufer ausgestattet wurde. Eine Kraft, die, falls dies in der Absicht des Rufers lag sogar töten konnte, wie sich in ungezählten verlustreichen Schlachten unter Embaan immer wieder zeigte.

Auf die Lautstärke kommt es wirklich am wenigsten an!, ging es Tryskwyn durch den Kopf, während er seinen Ruf so sehr verstärkte, dass sich das Entsetzen des Geistes noch steigerte.

Da der Geist ja nicht stofflich geworden war, wunderte Tryskwyn dies auch nicht weiter.

Er wandte ein Stück den Kopf, um dem im Vergleich zur Körpergröße der Embaan recht kleinen Käferartigen nachsehen zu können. Dann ertönte ein kehliger Laut des Triumphs aus seinem Maul, das er dazu vollständig öffnete.

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Ich danke dir, mein Sohn“, sagte Pyrypy, seine Mutter. „Diese Geister sind im Moment sehr aufdringlich und kommen immer öfter durch die Befestigungsanlagen.“

„Ich weiß, darum habe ich mit ihm kurzen Prozess gemacht.“

Seine Mutter hob ihre beiden Rüsselarme. Eine Geste der Zustimmung.

Sie selbst war keine Glücksbringerin.

Aber in der Reihe ihrer Ahnen waren viele von ihnen und dementsprechend angesehen war auch sie und ihre Nachkommenschaft. Die Geburt des Glücksbringer-Kalbes Tryskwyn hatte ihr dabei natürlich einen ganz besonderen Status gesichert.

„Die Kräfte deines Rufes sind eben doch größer als die meinen“, sagte sie. „Und selbst, wenn die Geister ihre aufdringliche Phase haben und uns sogar in unseren Häusern aufsuchen, hören sie auf dich auf eine Weise, die ich immer nur bewundern kann.

„Du übertreibst...“

„Nein, ich sage nur, was jeder sehen und nachprüfen kann.“

„Ich bin ein Glücksbringer. Da ist das nicht schwer.“

„Die Talente sind ungerecht verteilt“, gestand Pyrypy zu. „Das ist aber angesichts der anderen Übel, unter denen die Welt leidet eines der weniger schlimmen.“

„Kommt vielleicht immer darauf an, wer das beurteilt und wie derjenige selbst mit Talent gesegnet ist“, erwiderte Tryskwyn.

Ihr wohlwollender Blick ruhte auf ihm und sie sagte schließlich: „Ich werde nicht versuchen, mit dem Scharfsinn eines Glücksbringers konkurrieren zu wollen. Das wäre dann Dummheit in Vollendung.“

„Aber gerade deinen Scharfsinn brauche ich jetzt“, sagte Tryskwyn. „Ich brauche nämlich deinen Rat.“

Nein, dachte Tryskwyn. In Wahrheit brauchst du diesen Rat nicht. In Wahrheit bist du längst entschlossen, dich über die Gesetze der heiligen Decke Ryrys hinwegzusetzen. Du brauchst nur noch jemanden, der dich in deiner Ansicht, das Richtige zu tun, bestätigt – und da sie das so oft und von klein auf getan hat, soll sie das jetzt wiederholen. So einfach ist das...

Der Tonfall Pyrypys wurde ernster. Sie sprach gedämpft. Der Großteil dessen, was sie sagte war nur noch über die Vibrationen des Bodens wahrnehmbar. „Was hast du vor, mein Sohn?“

Ahnte sie etwas von seinen Plänen?

Dass er den Stammesältesten zuvor mehrfach gebeten hatte, ihm die Reise zu gestatten war bekannt und ein allgemeines Tagesgespräch innerhalb des Stammes.

Und sie musste inzwischen auch erkannt haben, wie stark dieser Wunsch einfach in ihm war. So stark, dass es einfach keinen Sinn hatte, sich innerlich weiter dagegen auflehnen zu wollen.

In knappen Worten sagte Tryskwyn ihr dann, was er beabsichtigte.

Er machte dabei keinerlei Umschweife und kam gleich zur Sache.

Anschließend schwieg sie eine ganze Weile und aus Respekt wartete Tryskwyn dieses Schweigen erst einmal ab, so schwer es ihm auch fallen mochte.

„Ich weiß nicht, was es ist, dass dich so sehr von anderen Glücksbringern deines Alters unterscheidet“, sagte sie schließlich. „Ich weiß nur, dass es sinnlos ist, etwas dagegen zu unternehmen. Genauso wie es sinnlos sein dürfte, dich von deinem Plan abhalten zu wollen. Ich kenne dich schließlich länger, als jeder andere. Und ich kann mir über deinen Charakter durchaus ein Urteil erlauben.“ Sie schwieg erneut. Während sie die Luft durch ihre beiden Rüsselarme hinausblies entstand ein stöhnender Laut, der ein non-verbaler Ausdruck ihres Unbehagens war, dass sie bei dem Gedanken empfand, dass ihr Glücksbringer-Sohn sich in frecher, ja selbstherrlicher Weise über die Regeln des Stammes und den Willen des Stammesältesten hinwegsetzte.

„Hast du die Folgen bedacht, mein Sohn?“

„Von welchen Folgen sprichst du? Dass der Stammesälteste vielleicht sehr wütend auf mich ist?“

„Er könnte dich zu einem Verlorenen machen. Dich ächten und aus dem Stamm ausschließen, weil du seine Weisungen missachtest hast!“

„Ich weiß. Aber das ist meines Wissens noch nie mit einem Glücksbringer geschehen!“

„Meines Wissens hat auch noch kein Glücksbringer das getan, was du dir vorgenommen hast!“

„Wenn ich zurückkehre, wird Myrwynyw nach einiger Zeit akzeptieren, was ich getan habe. Der Zeitpunkt hängt wahrscheinlich davon ab, wann der Krieg zwischen unseren Myry-Nachbarn und den Stämmen des Oberkanals zu Ende geht und er dann in einem zwangsläufig folgenden Krieg zwischen Ryry und Myry auf die Hilfe eines starken Glücksbringers angewiesen ist!“ Ein gurgelnder Laut der Heiterkeit kam aus Tryskwyns Kehle. „Jeder weiß doch, wie schlecht unser Stamm gegenwärtig mit Glücksbringern gesegnet ist!“

„Baue nicht zu sicher auf dein Privileg“, warnte ihn Pyrypy. „Es ist genauso gut möglich, dass unser Stammesältester fürchtet, dass nun andere Glücksbringer deinem Beispiel folgen werden und er deshalb ein sehr hartes Exempel statuieren muss. Dann wärst du für den Rest deiner Tage ein Ausgestoßener. Niemand dürfte dir Hilfe angedeihen lassen und kein Stamm, der Ehre hat, dürfte dich aufnehmen. Ich hoffe, du bist dir darüber im Klaren, was das bedeutet.“

„Und bist du dir darüber im klaren, was es bedeutet, wenn ich hier bleibe und nichts tue?“

„Du würdest deine Neigung der Pflicht opfern. Das haben Generationen von Ryry vor dir getan. Das ist nichts besonderes, sondern der Normalfall, bevor Myrwynyw kam und alles anders machen wollte. Wir sehen, was er damit angerichtet hat. Vielleicht ist ihm das inzwischen sogar selbst klar – nur ist es jetzt schon fast zu spät, um daran noch etwas ändern zu können.“

„Es ist seltsam...“

„Was?“

„Dass du seine Partei ergreift. Und das fast mit denselben Worten.“

„So ist er also tatsächlich zur Vernunft gekommen und hat seinen früheren Ideen nun offenbar abgeschworen. Das ist gut so. Aber was dich angeht, so kann ich dich nur warnen. Dass ich dich nicht vor den Gefahren zu bewahren vermag, die deine eigenen Entscheidungen heraufbeschwören, ist mir klar.“

Jetzt war es Tryskwyn, der eine ganze Weile schwieg und es war Pyrypy, die dieses Schweigen in aller Geduld abwartete.

„Ich werde es trotzdem tun“, sagte Tryskwyn schließlich.

„Das habe ich befürchtet“, sagte seine Mutter. „Befürchtet und erwartet. Ich habe hier noch eine gute Schutzdecke. Du solltest sie eigentlich zum Gedenktag deiner Geburt bekommen und ich bin auch noch nicht ganz mit den Verzierungen fertig. Aber ich habe so dicht gewebt, dass sie dich sicher vor dem gefährlichen unsichtbaren Licht schützen wird, das die Sonne in immer größerer Intensität abstrahlt und mit der sie selbst die dicke Haut der Embaan verbrennt.“

„Ich danke dir!“, antwortete Tryskwyn – sichtlich bewegt.

„Und außerdem kannst du meinen besten Last-Skorpion haben. Der Stammesälteste wird mich zwar zur Rede stellen, wenn er davon erfährt, aber das soll mir gleichgültig sein. Wenn ich auch davon ausgehe, dass du das Falsche tust, so will ich doch nicht, dass du dabei nicht genügend Wasser zum Trinken dabei hättest! Du kannst meinem Last-Skorpion die anderthalbfache Wassermenge aufladen wie einem gewöhnlichen Angehörigen seiner Art!“

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Noch in der Nacht brach Tryskwyn auf. Er warf sich die Sonnenschutzdecke über, die ihn in der Nacht auch vor der Kälte bewahren würde.

Jeder Embaan beherrschte es, so eine Decke mit den greiffähigen Enden der Rüsselarme zu packen und sich auf den Rücken zu werfen. Die Decken waren sehr fein gewebt – auf eine Art und Weise, die den Stoff an der groben, großporigen Haut der Embaan haften ließ. 

Tryskwyn hatte sich seinen Umhang übergeworfen und anschließend den Last-Skorpion mit Wasserbehältern aus den Häuten von Sandwühlschlangen beladen.

Das Exemplar, das seine Mutter ihm überließ, maß zweieinhalb Beinlängen eines ausgewachsenen Embaan. Scherzhaft hatte sie gemeint, dass man sich schon fast selbst auf ihn setzen konnte.

Aber das war natürlich nicht einmal im Ansatz möglich.

Ein ausgewachsener Bulle wie Tryskwyn hätte gar nicht einen seiner stempelartigen Füße auf den Panzer des Skorpions ablegen dürfen. Der Panzer wäre sofort eingedrückt worden und manchmal bestraften Embaan ungehorsame Last-Skorpione so.

Eine Sitte, die bei den Stämmen des langen Kleinsees Gang und Gäbe war und auch noch von manchen Stämmen des Großsees ausgeübt wurde.

Aber am Nieder- und Oberkanal hielt man sie für barbarisch und verzichtete darauf. Insbesondere die Ryry hatten hier strenge Ansichten.

Behandele deinen Last-Skorpion, wie du selbst behandelt werden möchtest. Denn trägt er nicht das, was du tragen müsstest?, so lautete ein Satz aus der Gesetzesdecke, die Ryry von der Macht hinter der Welt erhalten hatte. Manche Stämme des Nordens nannten die Ryry daher auch spöttisch Tierfreunde, was als durchaus ernsthafte Beleidigung gemeint war.

Die Ryry hatten daraus jedoch einen Ehrentitel gemacht.

Schließlich verstand sich kein anderer Stamm auf das Züchten von Last-Skorpionen so gut wie dieser Stamm. Sie beherrschten dadurch das Transportwesen zu Lande auch in den Gebieten vieler Nachbarstämme.

Und mochte an den Küsten der Seen noch das Schiff als Transportmittel dominieren, so galt das im Landesinneren schon nicht mehr.

Die Kanäle boten zwar ein eigentlich hervorragendes Verkehrsnetz zu Wasser, aber das Problem war, dass es immer häufiger vorkam, dass Teile dieses Kanalnetzes wegen der großen Trockenheit versandeten.

Immer häufiger gab es Stellen, die für den Schiffsverkehr nicht oder nur noch mit Einschränkungen passierbar waren.

Auch dies hatte zu dem großen Aufschwung des Last-Skorpions und seiner Zucht beigetragen.

Die Preise, die heute für einigermaßen lastentaugliche Tiere erzielt werden konnten, hatten sich innerhalb der letzten zehn Jahre verfünffacht.

Vor wenigen Jahrzehnten noch hatte es insbesondere an den Ufern der großen Seen oder im Mündungsbereich der Kanäle Stämme gegeben, die ganz auf den Einsatz von Last-Skorpionen verzichtet hatten, da ihnen ihre Haltung, Pflege, Aufzucht und Erziehung einfach zu langwierig und schwierig erschienen.

Doch diese Zeiten gehörten endgültig der Vergangenheit an.

Der gemeine Last-Skorpion hatte seinen Siegeszug angetreten und nahezu in jeder Embaan-Siedlung auf dem gesamten Planeten gab es auch eine gewisse Anzahl dieser nützlichen Tiere.

Tryskwyn  verließ sein Heimatdorf im Schutz der Dunkelheit.

Die Monde schimmerten am Himmel und wirkten wie eine überdimensionale Perlenkette. In den großen Seen gab es Muscheln, die Perlen produzierten, die dann sehr mühsam geerntet werden mussten.

Perlensucher galten zusammen mit den Geschichtenerzählern und Mathematikern als Künstler. In letzter Zeit gab es unter den Niederkanalstämmen allerdings auch zunehmende Bestrebungen, den Gesang und die Musik als gleichwertige Kunstform anzuerkennen.

Aber eine Mehrheit konnte diesem Ansinnen nicht folgen.

Tryskwyn persönlich im Übrigen auch nicht.

Schließlich konnte nun wirklich jeder Töne machen.

Das war nun wirklich alles andere als eine Kunst!

Da hätte man ja auch die Aufnahme von Nahrung oder die Ausscheidung derselben zur Kunst erheben können!

Der Last-Skorpion, den Tryskwyn hauptsächlich mit Wassersäcken sowie einigen wenigen persönlichen Sachen beladen hatte, hörte exakt auf die Rufe, mit denen Tryskwyn ihn dirigierte.

Manchmal war von diesen Rufen nur ein leichtes Brummen oder gar lediglich ein paar Bodenvibrationen zu spüren. Wirkliche Könner konnten ihre Tiere lenken, ohne dass man davon etwas hörte. Schließlich wusste jeder, dass das Entscheidende an einem Ruf nicht das war, was man hören konnte.

Es kam auf den Anteil an, der nicht von den Ohren, sondern einem anderen, mit ihnen zweifellos verwandten Sinn wahrgenommen wurde, über dessen Sitz sich die Gelehrten der Embaan bis heute nicht einig waren.

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Tryskwyn hatte das Dorf der Ryry bereits lange hinter sich gelassen. Er korrigierte jetzt etwas die Richtung und der Skorpion gehorchte sofort.

Manche, die ihren Tieren nicht vertrauten, entfernten ihnen die Giftstacheln. Aber unter den Ryry lehnte man das kategorisch ab.

Wer seinem Last-Skorpion den Giftstachel entfernte, zeigte damit nur, dass er nicht in der Lage war, die Tiere richtig zu rufen.

Davon abgesehen, war es unter den Ryry und anderen Embaan-Stämmen des Niederkanals durchaus üblich, das Gift der Tiere in regelmäßigen Abständen abzumelken.

Aber nicht aus Furcht davor, dass sich vielleicht ein Last-Skorpion der Kontrolle seines Herrn entziehen konnte, sondern weil man dieses Gift als Grundstoff zur Herstellung verschiedener Heilmittel nutzen konnte.

Tryskwyn hatte keine Ahnung, wann sein Last-Skorpion das letzte Mal abgemolken worden war.

Es war ihm auch gleichgültig.

Im Grunde hatte es sogar seine Vorteile, wenn ein Tier noch genug Gift in seinen Reservoiren hatte, um sich verteidigen zu können - zum Beispiel gegen die mitunter ziemlich aggressiven wildlebenden Artgenossen der Last-Skorpione, die die Wüste bevölkerten.

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Tryskwyn machte erst im Morgengrauen eine kurze Pause und genehmigte sich dabei ein paar Schlucke aus einem der Wassersäcke. Das Wasser schmeckte bitter, was daran lag, dass es in Säcken aus den Häuten von Sandwühlschlangen transportiert wurde.

Aber dieser bittere Beigeschmack hatte auch etwas Beruhigendes, denn man konnte sicher sein, dass Wasser, das in Sandwühlschlangenhautsäcken gelagert wurde, nicht verdarb.

Tryskwyns Rast dauerte nur kurz.

Er lauschte den Geräuschen der Nacht, nahm die Bodenvibrationen einiger Sandwühlschlangen und einer Herde von wilden Großskorpionen wahr.

Erstaunlicherweise war die Wüste noch immer ein Ort voller Leben. Aber das würde sich ändern, wenn sich die rote Sonne noch weiter ausdehnte.

Nichteinmal das Leben der Wüste würde sich dem anpassen können, was dem Planeten bevorstand.

Von dem Standpunkt aus betrachtet, dass das die gesamte Existenz auf ihr Ende zielt, ist es sinnlos überhaupt etwas zu tun, dachte Tryskwyn und fragte sich, ob es wirklich ratsam war, sich diesen Standpunkt zu eigen zu machen, wie er sich unter den Embaan weit verbreitet hatte.

Erschreckend weit, dachte er.

Aber dagegen konnte man nichts unternehmen.

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Tryskwyn nutzte die frühen Stunden des Tages, bis die Sonne zur Gänze am Himmel stand und das Land in einen Glutofen verwandelte.

Jetzt war es noch erträglich kühl und man konnte den Last-Skorpion mit einigem Geschick im Rufen zu Höchstleistungen anstacheln.

Ein paar Stunden später war das beim besten Willen nicht mehr möglich.

Dann konnte man nur noch darum kämpfen, dass die Kondition der Tiere nicht nachließ. Eine Strategie, den Tag zu überleben war es dann, sich einzugraben.

Allein die Vorstellung erschien Tryskwyn unangenehm. Aber andererseits war man dann vor der Hitze einigermaßen sicher. Angeblich schafften es so die Angehörigen der Verlorenen Stämme, auf diese Weise in der Wüste zu überleben.

Tryskwyn trieb den Last-Skorpion mit einem gezielten Ruf voran. Dass dieser Ruf schon sehr viel Kraft erforderte, war ein Zeichen dafür, dass der Skorpion müde wurde und eigentlich eine längere Erholungspause gebraucht hätte.

„Die wirst du bekommen“, sagte Tryskwyn laut. Last-Skorpione waren natürlich nicht der Sprache mächtig und es hatte auch keinen Sinn, zu versuchen, sie ihnen beizubringen.

Trotzdem war es eine alte Tradition der Ryry, mit den Skorpionen so zu reden, als ob sie in der Lage gewesen wären, einen zu verstehen.

Für den Stamm der Ryry war diese Umgangsweise einfach nur eine Form, Respekt auszudrücken. 

Respekt für eine Kreatur, die mit den Embaan in einer Art Symbiose lebte. Jeder gab dem anderen wozu er fähig war und so erhöhten beide einander die Überlebenswahrscheinlichkeit.

Grund genug, dieses Tier zu ehren.

ENDE

wird fortgesetzt...

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Commander Reilly #14: Im Licht des Roten Sterns

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Chronik der Sternenkrieger

Science Fiction Roman von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 100 Taschenbuchseiten.

Im Jahr 2234 übernimmt Commander Willard J. Reilly das Kommando über die STERNENKRIEGER, ein Kampfschiff des Space Army Corps der Humanen Welten. Die Menschheit befindet sich im wenig später ausbrechenden ersten Krieg gegen die außerirdischen Qriid in einer Position hoffnungsloser Unterlegenheit. Dem ungehemmten Expansionsdrang des aggressiven Alien-Imperiums haben die Verteidiger der Menschheit  wenig mehr entgegenzusetzen, als ihren Mut und ihre Entschlossenheit.

––––––––

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ALFRED BEKKER IST EIN bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

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Übersicht über die Serie “Chronik der Sternenkrieger”

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in chronologischer Reihenfolge

Einzelfolgen:

Commander Reilly 1: Ferne Mission (Handlungszeit 2234)

Commander Reilly 2: Raumschiff STERNENKRIEGER im Einsatz

Commander Reilly 3: Commander im Niemandsland

Commander Reilly 4: Das Niemandsland der Galaxis

Commander Reilly 5: Commander der drei Sonnen

Commander Reilly 6: Kampf um drei Sonnen

Commander Reilly 7: Commander im Sternenkrieg

Commander Reilly 8: Kosmischer Krisenherd

Commander Reilly 9: Invasion der Arachnoiden

Commander Reilly 10: Das Imperium der Arachnoiden

Commander Reilly 11: Verschwörer der Humanen Welten

Commander Reilly 12: Commander der Humanen Welten

Commander Reilly 13: Einsatzort Roter Stern

Commander Reilly 14: Im Licht des Roten Sterns

Commander Reilly 15: Die Weisen vom Sirius

Commander Reilly 16: Die Flotte der Qriid

Commander Reilly 17: Ein Raumkapitän der Qriid

Commander Reilly 18: Commander der Sternenkrieger

Commander Reilly 19: Eine Kolonie für Übermenschen

Commander Reilly 20: Kampfzone Tau Ceti

Commander Reilly 21: Prophet der Verräter

Commander Reilly 22: Einsamer Commander

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TERRIFORS GESCHICHTE: Ein Space Army Corps Roman (Handlungszeit 2238)

Erstes Kommando: Extra-Roman (Handlungszeit 2242)

Erster Offizier: Extra-Roman (Handlungszeit 2246)

Chronik der Sternenkrieger 1 Captain auf der Brücke  (Handlungszeit 2250)

Chronik der Sternenkrieger 2 Sieben Monde 

Chronik der Sternenkrieger 3 Prototyp

Chronik der Sternenkrieger 4 Heiliges Imperium

Chronik der Sternenkrieger 5 Der Wega-Krieg

Chronik der Sternenkrieger 6 Zwischen allen Fronten

Chronik der Sternenkrieger 7 Höllenplanet

Chronik der Sternenkrieger 8 Wahre Marsianer

Chronik der Sternenkrieger 9 Überfall der Naarash

Chronik der Sternenkrieger 10 Der Palast

Chronik der Sternenkrieger 11 Angriff auf Alpha

Chronik der Sternenkrieger 12 Hinter dem Wurmloch

Chronik der Sternenkrieger 13 Letzte Chance

Chronik der Sternenkrieger 14 Dunkle Welten

Chronik der Sternenkrieger 15 In den Höhlen

Chronik der Sternenkrieger 16 Die Feuerwelt

Chronik der Sternenkrieger 17 Die Invasion

Chronik der Sternenkrieger 18 Planetarer Kampf

Chronik der Sternenkrieger 19 Notlandung

Chronik der Sternenkrieger 20 Vergeltung

Chronik der Sternenkrieger 21 Ins Herz des Feindes

Chronik der Sternenkrieger 22 Sklavenschiff

Chronik der Sternenkrieger 23 Alte Götter

Chronik der Sternenkrieger 24 Schlachtpläne

Chronik der Sternenkrieger 25 Aussichtslos

Chronik der Sternenkrieger 26 Schläfer

Chronik der Sternenkrieger 27 In Ruuneds Reich

Chronik der Sternenkrieger 28 Die verschwundenen Raumschiffe

Chronik der Sternenkrieger 29 Die Spur der Götter

Chronik der Sternenkrieger 30 Mission der Verlorenen

Chronik der Sternenkrieger 31 Planet der Wyyryy

Chronik der Sternenkrieger 32 Absturz des Phoenix

Chronik der Sternenkrieger 33 Goldenes Artefakt

Chronik der Sternenkrieger 34 Hundssterne

Chronik der Sternenkrieger 35 Ukasis Hölle

Chronik der Sternenkrieger 36 Die Exodus-Flotte (Handlungszeit 2256)

Chronik der Sternenkrieger 37 Zerstörer

Chronik der Sternenkrieger 38 Sunfrosts Weg (in Vorbereitung)

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SAMMELBÄNDE:

Sammelband 1: Captain und Commander

Sammelband 2: Raumgefechte

Sammelband 3: Ferne Galaxis

Sammelband 4: Kosmischer Feind

Sammelband 5: Der Etnord-Krieg

Sammelband 6: Götter und Gegner

Sammelband 7: Schlächter des Alls

Sammelband 8: Verlorene Götter

Sammelband 9: Galaktischer Ruf

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SONDERAUSGABEN:

Der Anfang der Saga (enthält “Terrifors Geschichte”, “Erstes Kommando” und

Chronik der Sternenkrieger #1-4)

Im Dienst des Space Army Corps (enthält “Terrifors Geschichte”, “Erstes Kommando”)

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DRUCKAUSGABE (AUCH als E-Book):

Chronik der Sternenkrieger: Drei Abenteuer #1 -12 (#1 enthält Terrifors Geschichte, Erstes Kommando und Captain auf der Brücke, die folgenden enthalten jeweils drei Bände und folgen der Nummerierung von Band 2 “Sieben Monde” an.)

Ferner erschienen Doppelbände, teilweise auch im Druck.

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Copyright

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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1. Kapitel: Erkenntnisse

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Wir schwenken jetzt in ein reguläres Orbit um Barasamdan III ein“, stellte Moss Triffler, Pilot der Landefähre L-1 fest. „Bremsmanöver ist abgeschlossen. Geschwindigkeit liegt bei 0,0013 LG.“

Bruder Padraig war viel zu sehr auf seine Arbeit an der Ortung beschäftigt, um auf Trifflers Meldung zu achten.

Fähnrich Noel Sakur assistierte ihm.

Sakur war nicht so besonders glücklich über seinen Dienst an Bord der STERNENKRIEGER.

Er hatte das Gefühl, dass man ihn auf eine ruhige Mission fernab vom Kampfgeschehen abschieben wollte.

Sicher in bester Absicht.

Schließlich waren die Erlebnisse während der Schlacht um New Hope traumatisch und er hatte die Tatsache, dass er der einzige Überlebende des Dreadnought-Schlachtschiffs TARRAGONA war auch noch nicht richtig verarbeitet.

Wenn er schlief, sah er seine Mannschaftskameraden vor sich oder sprach mit Commodore Malmgren.

Und manchmal hatte er sich auch während der über eine Woche dauernden Sandström-Phase dabei ertappt, dass er sich auf die TARRAGONA zurückversetzt fühlte, glaubte, den letzten Angriff irgendwie abwehren zu müssen, der das Schlachtschiff zerstört hatte.

Diese Folgen seiner Erlebnisse waren vollkommen normal und Sakur befand sich – wie es für Angehörige des Space Army Corps nach Kampfeinsätzen Pflicht war – unter psychologischer Beobachtung – einer Aufgabe, die der Schiffsarzt Dr. Rollins übernahm. Allerdings bestand auch die Möglichkeit einen Mitarbeiter des Psychologischen Dienstes des Space Army Corps über Sandström-Funk zu kontaktieren, so fern sich die STERNENKRIEGER nicht gerade in einer Mission befand, während der Funkstille zu halten war.

„Es ist faszinierend!“, stellte Bruder Padraig fest. Der Olvanorer wurde schon seit Stunden von einer Euphorie ohnegleichen erfasst. Er zoomte ein bestimmtes Areal von der Planetenoberfläche auf einem der Nebenschirme heran. „Sehen Sie sich das an, Fähnrich!“

„Ehrlich gesagt sehe ich nur ein Stück Wüste“, meinte Sakur. Er schaltete an seiner Konsole herum. „Die wechselnden Strukturmuster auf Nano-Ebene sind nicht stärker als an anderen Stellen des Planeten.“

„Nur, dass sie keineswegs nur auf die Nano-Ebene beschränkt sind“, stellte Bruder Padraig fest. „Ich war lange Zeit einfach zu blind, um es zu sehen. Aber vielleicht liegt es auch einfach daran, dass wir Menschen Infrarotstrahlung lediglich als Wärme spüren, aber nicht ihre Verteilung sehen können...“

„...es sei denn, man erstellt ein Infrarotbild, das die Temperaturwerte in Farbwerte überträgt!“, vollendete Sakur.

„Sie sagen es!“

Bruder Padraig drückte auf einen Sensorknopf. „Sehen Sie die Muster? Fraktale Strukturen in der Temperaturverteilung. Man kann sie erst erkennen, wenn man die Empfindlichkeit auf mehr als ein Zehntausendstel Grad stellt, was man es normalerweise bei der Oberflächenortung nicht tut, da bereits Temperaturunterschiede von einem tausendstel Grad in ein gestochen scharfes Bild übertragen und das menschliche Auge nicht in der Lage ist, noch feinere Differenzierungen wahrzunehmen...“

„Der Computer allerdings schon“, murmelte Sakur.

Die fraktalen, sich selbst ähnlichen Strukturen waren nicht zu übersehen. Die Strukturen, die auf Nano-Ebene existierten, bildeten sich auch in Fraktalen ab, die die Größe von Fußballfeldern hatten.

Und sie alle waren periodisch ablaufenden Veränderungen unterworfen.

„Die Werte an 5-D-Strahlung sind auf einem gemäßigten Niveau“, meinte Sakur.

„Ja, eigentlich müssten sie viel höher sein, wenn wir davon ausgehen, dass es auf dieser Welt Artefakte der Erhabenen gibt! Schon der goldene Riesen-Arachnoide müsste eigentlich dafür sorgen, wenn man die Vergleichswerte heranzieht, die während der Schlacht um das Sol-System aufgezeichnet wurden.“

„Können wir daraus schließen, dass sich der Riesen-Arachnoide gar nicht auf Barasamdan III befindet, wie wir erst angenommen haben?“, mischte sich nun Moss Triffler ein. „Der Oberflächen-Scan ist zwar noch nicht komplett abgeschlossen, aber bisher war das Ergebnis negativ. Und eigentlich müssten wir in jedem Fall so etwas wie eine Signatur des Riesenschiffs orten können!“

„Mal davon abgesehen, dass es gewaltige Ausmaße hat und ohnehin schwer zu verstecken sein dürfte“, stimmte Bruder Padraig zu.

Sakur zuckte mit den Schultern.

„Es sei denn, es wäre unter Sand begraben, was nicht ausgeschlossen ist. Den Klima-Rohdaten nach muss es in den Wüstengebieten zu ganz gewaltigen Sandstürmen kommen, die Sandmassen transportieren, die wir uns kaum vorstellen können.“

„Auf jeden Fall wären sie schlimmer als auf dem Mars, denn die Atmosphäre von Barasamdan ist um sein Vielfaches dichter“, murmelte Bruder Padraig.

Er lehnte sich in seinem Schalensitz zurück. „Mir gehen diese Muster nicht aus dem Kopf. Es sind Resonanzen, das steht für mich ziemlich fest. Aber wie übertragen sie sich und wo findet man das eigentliche Signal?“

„In einem höherdimensionalen Kontinuum“, sagte Sakur.

„Das sagen Sie so leicht dahin“, meinte Bruder Padraig.

„Man müsste von den Resonanzmustern auf die eigentliche Botschaft schließen können“, meinte Sakur. „Durch ein mathematisches Verfahren, von dem ich zugegebenermaßen keine Vorstellung besitze.“

„So weit waren wir doch schon!“, mischte sich Moss Triffler ein. „Aber ich frage mich, ob wir nicht einfach versuchen sollten, die auftretenden Muster nicht als die naturgemäß unvollständige Information einer Resonanz zu betrachten, sondern sie schlicht ergreifend als den eigentlichen Code behandeln - und mal sehen, was dabei herauskommt.“

„Nichts“, stellte Bruder Padraig fest. „Diese Forschungsgruppe um Dr. Metz hat in dieser Hinsicht schon nichts herausfinden können, was irgendeinen Sinn gemacht hätte. Und die hatten Computerkapazitäten und einen Zeitrahmen zur Verfügung, von dem wir nur träumen können.“

„Scheint so, als würden uns einfach noch wichtige Basisinformationen fehlen“, sagte Sakur.

„Ja“, murmelte Bruder Padraig.

Ein Gedanke ging ihm dabei durch den Kopf.

Was, wenn wir einer Chimäre nachgejagt sind und das ganze tatsächlich GAR KEINE Bedeutung hat?

Die fraktalen Muster von Schneeflocken stellen im engeren Sinn schließlich auch keinen Code dar, den man direkt entschlüsseln könnte... Manchmal ist ein Muster eben auch nur das, was der Mensch erkennen will. Man denke nur an die angeblichen Gesichter auf der Oberfläche des Mars, von denen man in der frühen irdischen Weltraum-Ära glaubte, es handele sich um gigantische Monumente.

Eine Art Sphinx im kosmischen Format.

In Wahrheit waren es nur Felsen.

Das menschliche Gehirn arbeitete nun mal so, dass es überall nach einer Ordnung suchte. Die Gestalttheorie nannte das eine Gestalt. Gesichter, Codes, vertraute Strukturen...

Vielleicht sind wir nur Opfer der Arbeitsweise unserer Hirne geworden!, dachte Bruder Padraig nicht zum ersten Mal.

„Wir müssten auf die Planetenoberfläche, wenn wir der Sache auf den Grund gehen wollen“, sagte Moss Triffler. „Vielleicht können Sie ja mal Ihr Verhandlungsgeschick dazu einsetzen, dass uns die Echsenköpfe doch noch eine Landeerlaubnis geben.“

„Eigentlich sieht man von hier oben alles, was es zu sehen gibt“, erwiderte Sakur anstelle des in sich versunken dasitzenden Olvanorer-Mönchs.

Bruder Padraig veränderte noch einmal die Einstellungen seines Displays. Die Darstellung wurde nun mit höherem, Zoomfaktor gezeigt. Der Olvanorer ließ sich nebeneinander ein Infrarot- und ein Röntgenbild einer bestimmten Region anzeigen. Die Muster waren auf beiden Darstellungen eindeutig identifizierbar.

„Die periodischen Strukturveränderungen in den Mustern scheinen in einer bestimmten Region ihr Zentrum zu haben“, stellte er laut fest. „Und ausgerechnet dort befindet sich eine Station der Fulirr.“

„Ehrlich gesagt habe ich nie angenommen, dass die Fulirr dieses Phänomen übersehen haben“, gab Triffler zurück.

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Commander Reilly und sein Außenteam befanden sich in der gewaltigen Zentrale, von der aus die Bastion des Nalhsara befehligt wurde. Riesige Bildschirme boten in einem kuppelartigen Raum einen Rundumblick. Daneben gab es noch Holosäulen.

Mindestens hundert Fulirr waren hier hochkonzentriert beschäftigt.

Commander Reilly erkannte Kommandant Tamrrrad wieder, der gemessenen Schrittes auf ihn zutrat.

Sein Stellvertreter Shrrromwuarrr stellte Reilly dem Kommandanten pflichtschuldig vor. Die Namen und Funktionen der anderen Außencrew-Mitglieder hatte sich Shrrromwuarrr allerdings nicht merken können.

Aber darin sah Reilly keinerlei Affront.

Er selbst hatte sich ebenfalls nicht alle Namen merken können, die ihm genannt worden waren. Notfalls konnte man sie in der Aufzeichnung des Translators suchen.

„Ich hoffe, Sie fühlen sich bei meinem geschätzten Stellvertreter Shrrromwuarrr in guten Händen“, sagte Tamrrrad.

„Durchaus“, nickte Reilly.

Heißt das, ich werde nur mit der Nummer zwei verhandeln können?, ging es ihm dabei durch den Kopf. Offenbar... Ich kann nur hoffen, dass dieser Shrrromwuarrr auch mit den nötigen Kompetenzen ausgestattet ist und tatsächlich Entscheidungsgewalt hat!

Bei den Fulirr war es immer schwer zu durchschauen, wie weit die Entscheidungskompetenz eines Verhandlungspartners tatsächlich reichte.

Im Allgemeinen war der Ermessensspielraum aber eher eng bemessen. Bei wichtigen Entscheidungen wurde abgestimmt. Wie man unter diesen Umständen eine offenbar doch recht gut funktionierende militärische Hierarchie aufbauen konnte, war Commander Reilly vollkommen schleierhaft.

Aber vielleicht werden wir ja eines Tages tatsächlich in dieser Hinsicht von den Fulirr lernen, dachte er.

Ausgeschlossen war das nicht, obwohl insbesondere im Space Army Corps die Begehrlichkeiten der Militärs eher darauf abzielten, von den Fulirr das Geheimnis der Antimaterie-Bombe zu bekommen.

Reilly ließ den Blick schweifen und bemerkte anhand der Darstellungen auf der Rundumsicht des Kuppelschirms sowie den Holosäulen, dass offenbar der dritte Planet der roten Riesensonne unter der Kontrolle eines ausgesprochen engmaschigen Beobachtungsnetz stand.

Ein junger Adjutant nahm vor dem Kommandanten der Bastion des Nalhsara Haltung an.

Die Meldung, die er machte, wurde von Reillys Translator nur bruchstückhaft übertragen.

Tamrrrad wandte sich daraufhin an Reilly. „Sie entschuldigen mich. Meine Pflichten rufen. Aber Sie werden ja gut betreut. Im Übrigen wird sich die Zusammenarbeit zwischen unseren Völkern in Zukunft ohnehin als etwas Normales darstellen, das keinen offiziellen Rahmen mehr verlangt, sondern sich in erster Linie nach den praktischen Erfordernissen der jeweiligen Operation richtet...“

Er neigte ein wenig den Kopf. Dann nahm Tamrrrad Haltung an. Seine geballte vierfingrige rechte Hand bildete eine Faust, die er mit einer zackig wirkenden Bewegung an sein linkes Schulterblatt anlegte.

Bei ihm klingt das so, als sollte das Space Army Corps in Zukunft eine Unterabteilung der Streitkräfte des Nalhsara bilden!, wurde es Commander Reilly klar.

Eine deutliche Portion Skepsis mischte sich in seine Haltung gegenüber seinen echsenartigen Gesprächspartnern ein. Es ist durchaus möglich, dass hier zwei Seiten einfach aneinander vorbeireden und etwas völlig anderes meinen, wenn von Bündnis und Zusammenarbeit die Rede ist.

Diese Befürchtung hegte Commander Reilly schon seit der Schlacht im Sol-System, als die Fulirr in letzter Sekunde dafür sorgten, dass die Wsssarrr aus dem Heimatsystem der Menschheit vertrieben wurden. 

„Ich danke Ihnen für den freundlichen Empfang“, sagte Commander Reilly.

„Betrachten Sie diese Station als Ihr Zuhause, Commander Reilly“, sagte Tamrrrad. „Wir haben Ihrer Flotte geholfen, einen üblen Feind zu vertreiben, der beinahe Ihre...“ Er suchte nach dem entsprechenden Wort. Der Translator schien da weniger Schwierigkeiten zu haben, sonst wären aus dem Display von Reillys Armbandkommunikator ein paar sprachliche Alternativen verzeichnet gewesen. Aber die Schwierigkeit schien ganz allein auf Tamrrrads Seite zu liegen und Commander Reilly fragte sich, worin sie eigentlich bestand. „...beinahe das Zentrum Ihrer aufstrebenden Kultur vernichtet hätte. Aber ich bin überzeugt, dass sich unsere Waffenbrüderschaft auch in Zukunft noch des Öfteren bewähren wird!“

„Hoffen wir, dass wir keine Zukunft erleben müssen, in der es nötig ist, das unter Beweis zu stellen!“, erwiderte Reilly ausweichend. Für die Fulirr schien das Zustandekommen eines formellen Bündnisses gar nicht mehr in Frage zu stehen. Das einzige Problem, dass jemand wie Tamrrrad noch sah, war wohl, wie man die Streitkräfte der Humanen Welten möglichst reibungslos in die Pläne des Nalhsara integrieren konnte. Die Sache war beschlossen.

Zumindest von den Fulirr.

Uns wird niemand fragen, dachte Reilly nicht ohne ein gewisses Maß an Verwunderung über die Selbstgefälligkeit, mit der die sauroiden Verhandlungspartner aufzutreten pflegten.

„Ich bin jetzt leider gezwungen, mich tatsächlich von  Ihnen zu entfernen“, sagte Tamrrrad, nachdem er erst einen kurzen Blick mit Shrrromwuarrr und anschließend mit seinem Adjutanten gewechselt hatte.

Irgendwie konnte Reilly das Gefühl nicht loswerden, dass Tamrrrads Worte nichts weiter als ein Vorwand waren. 

Er überlässt uns seinem Stellvertreter, stellte Reilly in Gedanken fest. Das konnte man nun interpretieren, wie man wollte...

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Bruder Padraig meldete sich per Kommunikator bei Reilly. In knappen Worten berichtete er den Stand der Erkenntnisse.

„Sir, wir müssten die Möglichkeit haben, uns dort unten umzusehen“, sagte der Olvanorer.

„Gibt es inzwischen irgendwelche konkrete Hinweise auf den Riesen-Arachnoiden?“

„Ich denke, es ist notwendig, sich auf der Oberfläche umzusehen. Die Einheimischen sind intelligente Elefantoide. Es müsste möglich sein, mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Und falls der Riesen-Arachnoide hier gewesen ist, wird denen etwas aufgefallen sein!“

„Ich tue, was ich kann, Bruder Padraig“, versprach Commander Reilly.

Er unterbrach die Verbindung.

In diesem Augenblick ertönte ein Alarmsignal. Es schrillte durch die Zentrale der Bastion. Tamrrrad war jetzt in seinem Element. Er gab Dutzende von Befehlen, von denen Reilly nur die wenigsten nachvollziehen konnte.

„Wenn Sie mich fragen, die Bastion scheint gerade angegriffen zu werden!“, stellte Sergeant Darren fest.

„Die K'aradan!“, entfuhr es Lieutenant Bergdorff.

Reilly aktivierte den Kommunikator und stellte eine Verbindung zur STERNENKRIEGER her.

Soldos Gesicht erschien auf dem Mini-Display. 

„Hier spricht der Captain. Gibt es irgendwelche Anzeichen eines Angriffs durch die K'aradan?“

„Nein, Sir. Es ist alles ruhig hier. Und vor allem ist weit und breit kein Raumschiff zu orten, das hier nicht hingehört. Allerdings scheint bei euch auf Mond III A einiges los zu sein! Den Signaturen und dem Anstieg des Energiepegels nach sieht das für mich fast so aus, als würde sich die Bastion des Nalhsara gefechtsbereit machen!“

„Genau das tut sie, I.O.!“, gab Reilly zu verstehen.

Shrrromwuarrr, der sich zuvor einige Minuten lang wenig um seiner Gäste gekümmert hatte und von der allgemeinen Aufregung in der Zentrale angesteckt worden war, wandte sich nun wieder an Reilly und sein Team.

„Sie nehmen Kontakt mit Ihrem Schiff auf?“

„Ja“, sagte Reilly. „Und denke nicht, dass es dagegen etwas einzuwenden gibt.“

„Versichern Sie Ihren Leuten, dass unsere Maßnahmen nichts mit Ihnen zu tun haben. Es besteht kein Anlass, dass Ihre Besatzung nervös wird.“

Reilly wandte sich kurz dem Gesicht des Ersten Offiziers auf dem Display zu. „Haben Sie das gehört, I.O.?“

„Ja, Sir.“

Reilly hob den Kopf und sah Shrrromwuarrr direkt in die Augen. „Sehen Sie, ich bin es, der nervös wird, ehrenwerter stellvertretender Kommandant. Vielleicht könnten Sie uns Ihre Maßnahmen erklären, dann würden sie uns weniger bedrohlich erscheinen.“

„Nicht jetzt“, bestimmte Shrrromwuarrr.

Er wurde durch einen der Fulirr-Offiziere abgelenkt, der ihn etwas fragte, was vom Translator nicht erfasst wurde.

„Scheint, als hätten wir uns für unseren Besuch einen ungünstigen Zeitpunkt ausgesucht“, stellte Dr. Miles Rollins fest. Er blickte auf sein Diagnosegerät. „Jedenfalls ist es interessant, Fulirr im Zustand von erheblichem Stress zu beobachten und das dann sogar noch mit den geeigneten Instrumenten aufzeichnen zu können.“

„Ein Gegner, der den Meistern der Antimaterie-Bombe Stress macht, dürfte auch für uns ein äußerst harter Brocken sein“, meldete sich nun Sergeant Saul Darren zu Wort.

„Ihre Blutdruckwerte sind bedenklich, Sergeant“, stellte Dr. Rollins fest. „Und erst einmal diese Cortisol-Ausschüttungen...“

Der Kommandant der Marines-Einheit an Bord der STERNENKRIEGER verzog grimmig das Gesicht und bleckte dabei die Zähne. Dr. Rollins zog Darren manchmal wegen dessen hervorgekehrten Posen eines harten Marineinfanteristen auf.

„Ich gebe zu, dass ich beunruhigt bin, Dr. Rollins“, knurrte er. „Und anstatt, dass Sie sich über mich lustig machen, sollten Sie besser Ihr Superhirn etwas anstrengen und darüber nachdenken, was hier eigentlich bisher vor uns verborgen wird!“

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Soldo hatte im Sessel des Captains Platz genommen. Auf dem großen Panorama-Schirm auf der Brücke der STERNENKRIEGER war so gut wie nichts mehr von der Schwärze des Weltalls zu sehen. Drei Viertel des Schirms wurden von der roten Riesensonne eingenommen. Im Vordergrund konnte man Barasamdan III und seine Monde als runde Schatten erkennen.

„Sir, die Fulirr schleusen jetzt ein Dutzend Kriegsschiffe mittlerer Größe aus“, stellte Lieutenant Sara Majevsky fest.

Sie ließ ihre Finger über die Sensorfelder ihres Touchscreens tanzen und modifizierte leicht die Einstellungen des Ortungssystems so wie die optische Darstellung auf dem Panorama-Schirm. Der Zoom wurde etwas verkleinert. Dafür teilte sich ein Bereich des Schirms ab.

Dort erschien jetzt eine schematische Übersicht.

Sie veranschaulichte, welche Formation die keilförmigen Kriegsschiffe der Fulirr nach kurzer Zeit einnahmen.

„Sie formieren sich als Cordon gegenüber dem Planeten Nummer III!“, stellte Lieutenant Chip Barus überrascht fest. „So als müssten sie sich gegen einen Gegner verteidigen, der von dort kommt!“

„Und? Ist auf der Oberfläche von Barasamdan III irgendetwas festzustellen, das auch nur im Entferntesten wie die Vorbereitung eines Angriffs wirkt, Lieutenant Majevsky?“, wandte sich Soldo an die Offizierin für Ortung und Kommunikation.

Majevsky schüttelte den Kopf und strich sich mit einer beiläufigen Handbewegung eine Strähne aus dem Gesicht.

„Negativ, Sir.“

„Was ist mit dem Auftreten von 5-D-Resonanzen?“, hakte Lieutenant Commander Thorbjörn Soldo nach.

„Leicht erhöhte Werte“, antwortete Lieutenant Majevsky. „Allerdings war bisher keine Quelle dafür zu orten.“

„Eigentlich müsste da eine riesige Anlage der Erhabenen sein“, glaubte Soldo, während er auf das Display jener Konsole blickte, die zum Sessel des Captains gehörte. Auf Soldos Gesicht bildete sich eine tiefe Furche auf der Stirn. „Was geht hier nur vor sich?“, murmelte er – mehr zu sich selbst als zu den anderen Mitgliedern der Brücken-Crew.

„Es sieht für mich aus wie ein Kampf gegen Geister“, lautete Barus’ Kommentar. „Ein Schattengefecht ohne Gegner. Ob das Ganze vielleicht ein Manöver ist?“

„Lieutenant Majevsky, stellen Sie mir eine Verbindung zur L-2 her“, befahl Soldo.

„Aye, aye, Sir!“, bestätigte die Kommunikations- und Ortungsoffizierin. „Soll ich die Transmission auf das Display Ihrer Konsole schalten?“

„Ja“, nickte Soldo. „Und gehen Sie über einen verschlüsselten Kanal.“

„In Ordnung.“

Ob das unsere Kommunikation tatsächlich schützt, ist natürlich zweifelhaft!, ging es dem Ersten Offizier der STERNENKRIEGER durch den Kopf. Wie weit die fulirr’sche Technik in der Lage war, die Funk-Codes des Space Army Corps zu knacken war nicht bekannt. Aber auf Grund der Tatsache, dass dieses Volk ganz generell einen gewissen technischen Vorsprung vor der Menschheit besaß, konnte man davon ausgehen, dass es im Einflussbereich ihrer Funktechnik keine absolut sichere Kommunikation geben konnte.

Sie sollen ruhig darüber Bescheid wissen, was uns durch die Köpfe geht!, überlegte Soldo. Vielleicht ist das gar nicht schlecht. Sie wollen uns schließlich als Verbündete und wenn sie das ernst meinen - woran man nach dem Einsatz der Nalhsara-Flotte im Sol-System ja wohl nicht mehr ernsthaft zweifeln kann – dann werden sie in Zukunft mit einbeziehen müssen, welchen Eindruck ihre undurchsichtigen Handlungen bei uns hinterlassen...

Das Gesicht von Bruder Padraig erschien wenig später auf dem Display der Konsole des Captains.

„Sir?“, meldete sich der Olvanorer.

„Wie schätzen Sie Ihre Lage ein, Bruder Padraig?“

„Gegenwärtig als unbedenklich. Wir haben keinen Grund zu der Annahme, dass die Formation der Fulirr-Flotte irgendetwas mit uns zu tun hat.“

„Gibt es irgendwelche auffälligen Beobachtungen an der Oberfläche?“

„Wir sind uns noch nicht sicher, aber es könnte sein, dass die Fulirr auf Planet III damit beginnen, ihre Station zu evakuieren. Es ist zwar noch kein einziges Shuttle vom Boden abgehoben, aber von insgesamt zehn Maschinen, die die Fulirr dort unten haben, sind bereits neun in einen Status versetzt worden, der sich als startbereit definieren lässt. Gleichzeitig wurde das Energieniveau der Station selbst extrem abgesenkt.“

In diesem Moment meldete sich Lieutenant Majevsky zu Wort.

„Sir, zwei Raumfähren der Fulirr sind von der Station aus gestartet.“

Soldo atmete tief durch.

„Lassen Sie Verbindung zu Bruder Padraig als Dauerkonferenz bestehen, Lieutenant“, befahl er.

„Jawohl, Sir.“

„Mister Barus?“

„Sir?“

„Stellen Sie Gefechtsbereitschaft her. Wenden Sie der Bastion des Nalhsara die Breitseite zu.“

„Aber...“

„Es ist leider nicht möglich, den Rat des Captains in dieser Sache einzuholen, Lieutenant. Wenn die Fulirr uns tatsächlich als zukünftige Verbündete gewinnen wollen, werden Sie uns einweihen müssen – andernfalls werden wir einfach so handeln, wie es uns normalerweise die Dienstvorschriften des Space Army Corps vorschreiben!“

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Commander Reilly und seine Außencrew wurden von Shrrromwuarrr in einen salonartigen Raum geführt, der von drei Seiten mit holographischen Wänden versehen war, die den Weltraum auf ihre Oberfläche projizierten – und das in perfekter Drei-D-Qualität, sodass man den Eindruck hatte, mitten im Weltraum zu stehen.

Shrrromwuarrr schien immer nervöser zu werden und Commander Reilly war sich noch nicht so ganz im Klaren darüber, woran das eigentlich lag. Hatte es mit der allgemein angespannten Situation zu tun, die mit einer Bedrohung zu tun hatte, über die die STERNENKRIEGER-Crew bisher einfach noch nicht genug wusste, oder war da noch etwas anderes?

Zum Beispiel irgendetwas Persönliches zwischen Shrrromwuarrr und seinem Vorgesetzten - falls das überhaupt die richtige Charakterisierung ihres Verhältnisses auf dienstlicher Ebene sein sollte!

Reilly ließ die Szenerie in der Zentrale der Bastion des Nalhsara noch einmal, Revue passieren und hatte das Gefühl, der Lösung ganz nahe zu sein, sie aber aus irgendeinem Grund nicht erkennen zu können. Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen – muss das wirklich sein?

Unterdessen wurde den menschlichen Gästen ein Getränk angeboten. Ein Fulirr, der sich als Heremsherrrak vorstellte, sprach Reilly an. „Ich bin der Leitende Lebensmittelingenieur der Station und wir haben uns alle Mühe gegeben, Ihnen ein Angebot an Getränken zusammenzustellen, dass in Vielfalt und Qualität dem entsprechen dürfte, was Sie von anderen sozialen Anlässen auf Ihren Heimatwelten gewohnt sind.“

„Ich danke Ihnen sehr für Ihre Mühe!“, erwiderte Reilly, war aber eigentlich mit den Gedanken noch immer bei dem etwas eigenartigen Verhältnis zwischen Shrrromwuarrr und seinem Vorgesetzten, dem Kommandanten Tamrrrad.

Heremsherraks Ruhe schien Reilly nur zur Schau getragen. In Wahrheit war er genau wie alle Fulirr in der Bastion des Nalhsara mit den Gedanken bei der unbekannten Gefahr, die sich zweifellos auf dem Planeten manifestieren musste.

„Uns ist bekannt, dass Ihre Art das Einnehmen von Getränken zu einem Anlass sozialer Kommunikation macht oder umgekehrt betrachtet viele Ihrer sozialen Rituale ohne die Einnahme von Getränken kaum denkbar wären“, fuhr Heremsherrrak fort. „Wir haben daher eine Liste von Getränken zusammengestellt, die wir nach den bei Ihnen üblichen Rezepten zu synthetisieren vermochten. Allerdings war sich selbst ein langjähriger Botschafter auf der Erde nicht absolut sicher, was die jeweils passende Zuordnung der Getränke zu bestimmten Interaktionsformen angeht. Wir wären Ihnen also sehr dankbar, wenn Sie uns in dieser Frage aktiv unterstützen würden, denn es ist keineswegs in unserer Absicht, bei Ihnen einen Affront zu begehen.“

Sergeant Darren, der dies mitbekam, schüttelte nur den Kopf und raunte an Lieutenant Bergdorff gewandt: „Da musste aber der gesamte soziologische Wortschatz unseres Translatorsystems bemüht werden, um das zu übersetzen.“

Die Menschendelegation erhielt schließlich einen nachgemachten Syntho-Drink, wie der ansonsten auf der Erde oder an Bord von Space Army Corps Schiffen zur Standardbestückung von Getränkeautomaten gehörten.

Am liebsten hätte Willard Reilly die Getränke zurückgewiesen, denn es lagen ihm im Moment ganz andere Wünsche auf dem Herzen, als einen Syntho-Drink mit dem stellvertretenden Kommandanten der Station zu sich zu nehmen. Aber das wäre von den Fulirr wohl als extrem unfreundlich aufgefasst worden und so nippte er wenig später an seinem Glas.

Der leitende Lebensmittelingenieur zog sich danach mit ein paar Floskeln zurück.

Anschließend wandte wieder Shrrromwuarrr das Wort an seine Gäste. Reilly bemerkte dabei den winzigen Knopf an seinem Ohr. Offenbar trug er dort einen Funkempfänger, über den er ständig informiert wurde.

„Ich höre soeben, dass Ihr Schiff Gefechtsbereitschaft hergestellt hat“, sagte Shrrromwuarrr.

Reilly ging nicht direkt darauf ein.

Es konnte gut sein, dass sein Gegenüber ihn durch eine falsche Antwort nur bloßstellen wollte. Er durfte also nicht offenbaren, dass er von dem, was Shrrromwuarrr behauptete, gar nicht wusste, ob es stimmte. Wenn er jetzt den Kommunikator betätigte, um Soldo zu befragen, offenbarte das Schwäche und mangelnde Koordination.

„Nun, wäre denn eine Gefahr denkbar, die nur den ausgeschleusten Fulirr-Schiffen gilt – und nicht genauso auch der STERNENKRIEGER?“, fragte Reilly.

„Ich versichere Ihnen nochmals, dass das Verhalten unserer hiesigen Flotte absolut keinen feindseligen Charakter hat. Jedenfalls nicht gegen Sie und Ihresgleichen.“

„Gegen wen denn dann?“

Shrrromwuarrr schwieg.

Reilly erkannte, dass sich sein Gegenüber mit den Gedanken nicht ganz bei der Sache war.

Und dann fielen Commander Reilly die Zusammenhänge auf einmal wie Schuppen von den Augen.

Er will Tamrrrads Nachfolger werden – wie jeder Stellvertreter!, erkannte er. Aber während sein ärgster Feind gerade die Gelegenheit nutzt, sich als ein Mann der Tat zu profilieren, ist Shrrromwuarrr gezwungen, sich um Gäste zu kümmern. Abgesehen vom Lebensmittelingenieur und uns wird niemand hinterher beurteilen und wertschätzen können, wie gut oder schlecht er das macht, weil das gesamte Interesse auf diese plötzlich auftretende Gefahr gerichtet ist!

Es war also viel einfacher, als Reilly zunächst gedacht hatte.

Shrrromwuarrr hatte nicht nur Angst vor dieser unbekannten Gefahr, so wie gegenwärtig wohl alle Fulirr innerhalb der Bastion des Nalhsara. Zusätzlich sah er auch noch seine Wahlchancen mit jedem Augenblick schwinden, in dem nun Tamrrrad durch die Umstände Gelegenheit hatte, sich als tatkräftiger und entschlussfreudiger Kommandant zu profilieren.

Kein Wunder, dass er schlechte Laune hat!, dachte Reilly.

„Ich appelliere an Sie, weihen Sie uns ein“, forderte Reilly nun unmissverständlich von seinem Gastgeber. Er hatte es einfach satt, weiter mit diplomatischen Samthandschuhen vorzugehen. Der Weg der Olvanorer war nicht immer derjenige, der am besten zum Ziel führte. „Andernfalls werde ich an meine Regierung melden müssen, dass man uns mit großem Misstrauen begegnete und uns nicht im Geringsten dabei geholfen hat, unsere verschollene Crew wieder zu finden. Und das würde Ihr Bild in unserer Öffentlichkeit sehr zum Nachteil beeinflussen.“

„Bündnisentscheidungen werden in Ihrem System durchaus auch mal gegen die Bevölkerungsmehrheit getroffen“, erwiderte Shrrromwuarrr.

„Darauf würde ich mich nicht verlassen.“

„Hören Sie. Ich will nicht unhöflich erscheinen, Commander Reilly, aber...“

„Nein, hören Sie mir jetzt mal zu, stellvertretender Kommandant! Der Riesen-Arachnoide, der nach der Schlacht im Sol-System fliehen konnte, war hier im Barasamdan-System. Das werden Sie nicht bestreiten können. Die Beweise dafür sind Lichtjahrweit anmessbar. Eine Forschungsstation hat dieses System unter intensiver Fernbeobachtung gehabt... Sie können es einfach nicht leugnen.“

Shrrromwuarrr machte eine Pause von fast einer halben Minute. Seinen Syntho-Drink hatte er lediglich aus Höflichkeit mitgetrunken, denn unter den Fulirr – so hatte Commander Reilly in einigen Dateien gelesen, die aus den Datenbeständen der Olvanorer-Brüderschule auf Sirius III stammten – war es eigentlich verpönt, in der Öffentlichkeit Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Was feste Nahrung anbetraf, sah das anders aus.

Schließlich fragte Shrrromwuarrr: „Hat die Menschheit den mit Ihnen verbündeten Xabo vielleicht alle Geheimnisse verraten? Haben Sie die Technologie der Gauss-Geschütze mit ihnen geteilt? Nein! Und das, obwohl dies doch durchaus sinnvoll hätte sein können, weil es den Xabo dann effektiver möglich gewesen wäre, auf Seiten der Menschheit in den Krieg gegen die Qriid einzugreifen.“

Seine Argumentation verriet zumindest, dass Shrrromwuarrr recht gut über die Menschheit informiert war.

Von der Sache her gab es kaum etwas, was sich dagegen sagen ließ.

„Sie wollen die Technologie des Riesen-Arachnoiden für sich selbst haben, nicht wahr?“

„Stünde sie uns nicht auch zu – mal gesetzt den hypothetischen Fall, dass dieses Raumfahrzeug tatsächlich den Weg hier her gefunden hätte!“

Reilly nickte. „Ja, das mag sein. Aber alles, was wir wollen ist den Verbleib jener Crew klären, die an Bord dieses Riesenraumers gelangte und dort vermutlich in Gefangenschaft gehalten wurde. Das ist alles. Den Riesen-Arachnoiden können Sie meinetwegen haben!“

„Ich glaube kaum, dass Sie jetzt für Ihre Regierung sprechen können.“

„Was ist mit diesem Riesenschiff nun geschehen“, ließ Reilly nicht locker. „Sie gehen kein großes Risiko ein, wenn  wir uns zur Diskretion verpflichten. Aber die Angehörigen der Verschwundenen sollten nach all den Monaten, die sie nun schon verschollen sind, endlich Gewissheit darüber haben, was mit ihnen geschah...“

Erneut schwieg der Fulirr. Er ließ sich auf einem der neuen Sitzmöbel nieder, die der Physiognomie der Fulirr genau angepasst waren.

„Wir werden über diese Frage noch mal sprechen“, erklärte der Fulirr schließlich. „Aber erst, wenn die Gefahr von außen vorüber ist.“

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2. Kapitel: Das Land der Geister

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Eine leichte Vibration weckte Tryskwyn.

Er hatte sich für die heißesten Stunden des Tages in den Sand eingegraben.

Der Last-Skorpion hatte ihm dabei geholfen. Die Riesen-Skorpione waren hervorragende Grabkräfte.

Tryskwyn hingegen merkte, dass er dabei etwas aus der Übung war. Seine Grube glich am Ende eher einem etwa drei Meter hohen Sandhügel als einer wirklichen Grube. Dementsprechend warm blieb es dadurch auch unter dem Sand, den er sich mit ausholenden Bewegungen seiner vier Extremitäten auf den Rücken geschleudert hatte.

Dem feinen Gewebe seiner Schutzdecke machte das nichts aus.

Die Weberarbeiten der Embaan waren dermaßen dicht, dass Sandkörner dort nicht einzudringen vermochten.

Der Schutz durch den Sand wirkte sich aber dennoch positiv aus. Andernfalls hätte Tryskwyn damit rechnen müssen, dass ihm spätestens am zweiten oder dritten Tag seiner Reise die Haut in verbrannten Fetzen vom Körper hing. Außerdem gab es den Verdacht, dass es die Entstehung von dauerhaften, unheilbaren Geschwüren begünstigte, wenn man sich zu sehr dem Sonnenlicht aussetzte.

Diese Theorie war zwar umstritten und ein Teil der Gelehrten bezweifelte, dass ihr die mathematisch-statistische Grundlage fehlte, aber sie hatte auf viele Stämme gerade am unteren, die Wüste hineinragenden Bereich des Niederkanals immerhin so viel Eindruck gemacht, dass es zur allgemeinen Verhaltensregel geworden war, den Aufenthalt im Freien in den Mittagsstunden möglichst zu vermeiden.

Die Vibrationen wurden stärker, setzten sich nun überdeutlich im Boden fort.

Selbst in dem lockeren, durch Tryskwyns Grabarbeiten aufgewühlten Sand waren sie deutlich zu spüren, was für die Panik sprach, die den Last-Skorpion erfasst haben musste.

Außerdem sandte er eine Antwort.

Eine Antwort war eine Botschaft, die im Prinzip über denselben Sinneskanal ausgetauscht wurde wie es bei einem Ruf der Fall war. Aber bei einem Last-Skorpion war unter den Embaan grundsätzlich nur von einer Antwort die Rede und niemals von einem Ruf, denn sie besaß natürlich keinerlei befehlenden Charakter.

Außerdem sollte damit der Unterschied zwischen den Embaan und allen anderen höheren Lebewesen, die auf dem Planeten beheimatet waren, hervorgehoben werden.

Viele Lebewesen auf dieser Welt, die von den Embaan einfach nur Welt genannt wurde, aber von den Außenweltlern als dritter Planet einer Sonne mit dem Namen Barasamdan bezeichnet wurde, besaßen diesen Sinn, der sie befähigte Rufe zu verstehen oder mitunter sogar Antworten zu geben. Ob sie auch die Fähigkeit hatten, wie die Embaan Geister zu sehen,  war umstritten und hatte wiederholt zu heftigen Disputen zwischen den Gelehrten geführt.

Tatsache war aber, dass die Außenweltler auf diese Weise nicht zu kommunizieren vermochten. Sie waren taub für den Ruf, sie gaben keine Antwort und sie waren blind für die Geister, was einen Zusammenhang eigentlich nahe legte.

Die Antwort des Last-Skorpions kam eher einem irren Schrei gleich. Er hatte offenbar etwas wahrgenommen, dass bei ihm tiefes Entsetzen ausgelöst hatte.

Es waren die anderen Sinne, die einen Skorpion zur Vorwarn-Instanz in der Wüste machten.

Sie identifizierten Gefahren schon aus großer Entfernung und nahmen vor allem Sandwühlschlangen und ihre eigenen wilden Artgenossen bereits wahr, bevor ein Embaan auf sie aufmerksam wurde. Das lag nicht daran, dass die Sinne der Embaan weniger empfindlich als die der Skorpione gewesen wären. Das Gegenteil war der Fall. Aber ein Embaan war ständig damit beschäftigt, einen Teil seiner Wahrnehmungen auszublenden, um seine verschiedenen Sinneswahrnehmungen überhaupt noch richtig interpretieren zu können.

Ein Last-Skorpion hingegen konzentrierte sich nur auf wenige Dinge.

Und das war in erster Linie alles das, was er als Gefahr betrachtete.

Der Skorpion hatte sich schneller aus dem Erdreich gewühlt als Tryskwyn.

Die Wassersäcke hatte Tryskwyn dem Tier aufgeschnallt gelassen. Das war allgemein üblicher Praxis. Die Skorpione gruben sie dann mit ein, so dass auch das Wasser weitgehend vor der Sonneneinstrahlung geschützt wurde.

Normalerweise war eine Verdunstung durch die Sandwühlschlangenhautsäcke unmöglich. Aber gerade bei Säcken, die länger in Gebrauch waren, konnten sich kleine poröse Stellen bilden, durch die verdampfendes Wasser entweichen konnte. Schlimmer war allerdings, dass das Wasser durch die Sonneneinstrahlung extrem aufgeheizt wurde, weswegen man gerade unter den wüstennäheren Stämmen dazu übergegangen war, auch sie mit Sonnenschutzdecken abzuschirmen, bei deren Fertigung man dieselbe Sorgfalt walten ließ, wie bei der Fertigung jener Decken, mit denen sich die Embaan selbst schützten.

Zischende Laute durchdrangen die Luft. Außerdem spürte Tryskwyn die Schritte Dutzender Beine.

Skorpionbeine!, erkannte Tryskwyn sofort. Wilde Großspione!

Genau das hatte ihm noch gefehlt!

Die wildlebenden Artgenossen jagten in Horden.

Unglücklicherweise vorzugsweise am Tag, wenn das meiste Leben in der Wüste sich zurückzog. Dann streiften sie durch das Land auf der Suche nach Antworten.

Und dort wo sie fündig wurden, fingen sie an zu graben.

Wildlebende Großspione hatten einen dreimal so dicken Rückenpanzer, der mit Hohlräumen gefüllt war, die von den Tieren als Wasserspeicher genutzt werden konnten. Diese Wasserreservoire schützten sie wiederum ebenfalls gegen die Sonnenstrahlung, sodass sie viel länger in der Sonne auszuhalten vermochten als die gezähmte Variante dieser Gattung.

Alle Versuche, die wilden Großskorpione zu zähmen waren fehlgeschlagen.

Gerüchteweise war es den verlorenen Stämmen der Wüste gelungen, diese wilden Geschöpfe dazu zu zwingen, ihrem Ruf zu folgen. Aber das wusste niemand so genau. Unter den Kanalstämmen hatte es jedenfalls niemand geschafft.

Tryskwyn sah sich um.

Das Sonnenlicht blendete ihn zunächst.

Eine Schar von mindesten dreißig wilden Groß-Skorpionen hatte einen Kreis um Tryskwyn und sein Lasttier gebildet.

Zischende Laute kamen zwischen ihren scherenartigen Beißwerkzeugen hervor. Ihre Augen starrten den Embaan begierig an.

Und natürlich auch sein Lasttier.

Groß-Skorpione neigten zum Kannibalismus. Und insbesondere die gezähmte Variante mit flachem Rückenpanzer wurde von den wilden Artgenossen gerne gejagt und zur Bereicherung des eigenen Speiseplans benutzt. Immer dann, wenn die Sandwühlschlangen zu sehr dezimiert worden waren, machten sich die wilden Groß-Skorpione auf und näherten sich den Siedlungen der Embaan.

Je weiter in der Wüste eine Embaan-Siedlung lag, desto größer waren die Probleme, die der jeweilige Stamm damit hatte. Besonders betroffen waren natürlich die Embaan-Siedlungen im Versandungsgebiet des Niederkanals.

Die Groß-Skorpione näherten sich.

Tryskwyn spürte die Unruhe seines Lasttieres und rief es, damit es ruhiger wurde. Das gelang nur mit Mühe.

Die Instinkte waren einfach zu stark, um völlig ausgeschaltet zu werden.

Und diese Instinkte wollten das Tier eigentlich zu einer heillosen Flucht antreiben.

Aber die wäre ohnehin nicht mehr möglich gewesen.

Von allen Seiten näherten sich die Groß-Skorpione.

Hinter einigen nahen Felsmassiven kamen weitere Tiere hervor. Ihre knopfartigen Augen starrten Tryskwyn an. Sie fixierten ihn regelrecht mit ihrem Blick.

Ein einziger Angreifer ließ sich gewiss mit einem Todesruf  töten, war sich Tryskwyn sicher.

Aber bei diesem Angriff waren viele beteiligt und Tryskwyn fragte sich, ob er sie alle zur selben Zeit ausschalten konnte. Skorpion–Hirten waren darin geübt, sich auf verschiedene Skorpione gleichzeitig zu konzentrieren und ihre Rufe in unterschiedlich bemessener Stärke zu geben.

Aber Tryskwyn war darin vollkommen ungeübt.

Glücksbringer waren bei den Ryry-Embaan so selten, dass niemandem eingefallen wäre, sie als Skorpion-Hirten zu beschäftigen. 

Das wäre wirklich reine Verschwendung gewesen.

Die Glücksbringer wurden ausschließlich für den Krieg präpariert. Da sollten sie zeigen, was in ihnen steckte. Arbeiten wie das Hüten von Skorpion-Herden wäre ihrer Bedeutung für den Stamm nicht angemessen gewesen.

Der Ring der wilden Groß-Skorpione schloss sich enger. Sie hatten eine gewisse Scheu und Tryskwyn ahnte, woher sie rührte. Sie erkannten ihn als einen Glücksbringer und hatten offenbar schon schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht. Mit ihren vernichtenden Rufen vor allem. Jedem der Groß-Skorpione war klar, dass es Opfer unter ihrer Horde kosten würde, wenn sie Tryskwyn und seinen Last-Skorpion angriffen.

Wie hoch diese Opfer sein würden, war nicht abzusehen.

Tryskwyn selbst glaubte, dass er in der Lage war mindestens ein Drittel der Groß-Skorpion-Horde zu töten, bevor es diesen gelang, ihn und seinen Last-Skorpion zu zerfleischen.

Vielleicht sogar mehr.

Tryskwyn sandte einen Schmerzruf.

Heftig genug, um die Groß-Skorpione unter normalen Umständen einzuschüchtern und zu vertreiben.

Die Tiere begannen dutzendfach vor Schmerz schrille Laute auszustoßen oder mit den Beißzangen gegeneinander zu schaben, was einen ohrenbetäubenden Lärm verursachte.

Sie wichen tatsächlich etwas zurück.

Noch etwas anderes fiel Tryskwyn auf, nachdem sich seine Augen wieder einigermaßen an das grelle Licht gewöhnt hatten. Der Himmel ist voller Himmelsschiffe der Geister!, durchfuhr es ihn. Sie stiegen jetzt überall vom Boden auf.

Die Himmelschiffe waren kein ungewöhnlicher Anblick für einen Embaan – und vermutlich auch nicht für alle anderen Lebewesen dieser Welt, die in der Lage waren, die Geister zu sehen.

Aber nie waren des so viele... Zumindest nicht in der Zeit, an die ich mich erinnern kann...

Einige Legenden berichteten über riesige Flotten von Himmelsschiffen.

Angeblich waren sie in früheren Zeitaltern so dicht an dicht geflogen, dass kaum noch Sonnenlicht den Boden berührte und sich ein riesiger Schatten auf der Oberfläche ausbreitete.

Und ein kalter Hauch kühlte die Welt, die von dem roten Riesenfeuer am Himmel so furchtbar verbrannt worden war!, erinnerte sich Tryskwyn an eine Zeile dieser Überlieferung, die auf Dutzenden von Decken gestickt worden war und dort nachgelesen werden konnte.

Dieser Zustand wurde zwar auch jetzt noch nicht ganz erreicht – aber je länger Tryskwyn zum Himmel starrte, desto mehr Schiffe erschienen am Himmel.

Manche von ihnen hatten gewaltige Ausmaße.

Sie waren zwei bis dreimal so groß wie die Schiffe der Außenweltler, die manchmal auf bei ihrer Station mitten in der Wüste landeten.

Sie sind es, die die Groß-Skorpione so verwirren!, erkannte Tryskwyn. Die Tiere waren offenbar halb wahnsinnig vor Furcht und Hunger. Anders war es nicht zu erklären, dass der Schmerzruf, den Tryskwyn ausgesandt hatte, letztlich ohne dauerhafte Wirkung blieb.

In der Ferne sah der Embaan eine weitere Herde von Groß-Skorpionen über den Wüstensand krabbeln. Sie durchpflügten ihn dabei regelrecht nach Sandschlangen. Aber an ihren wütenden Zischlauten war zu hören, dass sie nicht fündig wurden.

Offenbar haben sich auch die Sandwühlschlangen schon davongemacht!, überlegte Tryskwyn.

Niemand wusste genau, ob die Sandwühlschlangen auf Geister reagierten oder nicht. Aber eigentlich lag die Annahme, dass  sie die Geister wahrnahmen nahe, denn die Sandwühlschlangen ließen sich ja schließlich auch durch einen Ruf töten. Manchmal erhielt man sogar eine sehr schwache Antwort von ihnen – allerdings war diese im Gegensatz zu den Skorpionen nur für jemanden wahrzunehmen, der das gelernt hatte. Die Antwort einer Sandwühlschlange war nämlich ansonsten viel zu schwach. Man musste sehr viele andere Eindrücke ausblenden, um das spüren zu können. Aber zu dieser Konzentrationsleistung waren die meisten Embaan nicht in der Lage.

Jetzt versuchte der erste Großspion einen Angriff.

Er schnellte urplötzlich vor, stieß einen Laut aus, der wie ein ohrenbetäubendes Zischen klang und griff den Last-Skorpion an.

Mit den Zangen schnappte der Angreifer nach dem Lasttier. Der Stachel schnellte vor, aber der Last-Skorpion wich geschickt aus.

Der Last-Skorpion war im Übrigen durch den Stachel seines Gegners nicht so leicht zu verletzen. Der Panzer schützte ihn. Aber der Angreifer setzte offenbar auf die relativ geringe Möglichkeit, den Gesichtsbereich zu treffen. Oder die Stellen, an denen keine Panzerung möglich war. Gelenke zum Beispiel – oder die Ansätze der Extremitäten.

Ein Treffer an einer weichen Stelle, durch die das Gift sofort in den Körper gelangen konnte, konnte den Kampf schnell beenden. Viel aufwendiger war es dagegen, mit den Beißwerkzeugen zu kämpfen, Extremitäten abzutrennen oder Augen auszustechen.

Tryskwyn stieß einen Todesruf aus.

Akustisch war er nur ein dumpfes Brummen zu hören.

Das, was man nicht hören konnte, war das Gefährliche. Der Ruf reichte vollkommen aus, um den Angreifer zu töten. Der Groß-Skorpion erstarrte mitten in der Bewegung. Er hatte gerade zu einem weiteren Angriff angesetzt und nun stand er wie erstarrt da.

Er lebte nicht mehr.

Der Last-Skorpion stob davon und Tryskwyn musste mit einem energischen Ruf eingreifen, damit er nicht geradewegs seinen wilden Artgenossen in die Beißwerkzeuge hineinlief. Letztere wurden jetzt überall so lautstark gewetzt, dass es Tryskwyn in den Ohren schmerzte.

Er musste fast ein Zehntel dieses Eindrucks ausblenden, andernfalls hätte er diesen Krach nicht ertragen können.

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Jetzt griffen auch die anderen Groß-Skorpione an. Der Tod ihres Artgenossen schreckte sie offenbar nicht, wie Tryskwyn es eigentlich erwartet und gehofft hatte.

Das Gegenteil war der Fall.

Sie schienen dadurch noch mehr angestachelt worden zu sein. In einer Art wilder Raserei kamen sie auf den Last-Skorpion und Tryskwyn zu.

Tryskwyn tötete die ersten mit weiteren Rufen. Aber schon gelang es einem weiteren Angreifer, näher heranzukommen. Tryskwyn tötete einen von ihnen, kurz bevor er seinen Stachel in den gewaltigen Embaan-Körper schlagen konnte, der allein durch seine Größe schon sehr verletzlich war.

Aber Tryskwyn wusste sich zu wehren.

Der angreifende Groß-Skorpion zuckte mit all seinen Gliedmaßen unkontrolliert herum und stieß einen Laut aus, der wie eine Mischung zwischen Röcheln und einem unangenehm klingenden Zischlaut klang. Dann sackte er in sich zusammen. Die Extremitäten verloren jegliche Kraft. Regungslos blieb das Tier liegen.

Die Antworten der anderen Groß-Skorpione wurden jetzt durch ein Maß an Aggressivität geprägt, das Tryskwyn – zumindest auf diesem Sinneskanal – noch nie zuvor erlebt hatte.

Jetzt werden sie sich auf uns stürzen und uns zerreißen!, erkannte der Glücksbringer-Bulle. Und er wusste genau, dass er sich nicht gegen alle wehren konnte.

Den nächsten Groß-Skorpion tötete er durch einen gezielten Ruf, einem weiteren fügte er einen so heftigen Schmerz zu, dass er nicht nur akustisch durch einen durchdringenden Schmerzenslaut bemerkbar wurde, sondern sich auch in einer so heftigen Antwort zeigte, dass Tryskwyn sich gezwungen sah, sie auszublenden, um nicht selber Schaden zu erleiden.

Vier, fünf Angreifer tötete er dann, konnte aber nicht verhindern, dass erneut einem Angreifer gelang, den Last-Skorpion zu erreichen. Weitere Wassersäcke wurden durch einen Hieb mit dem Stachel aufgeschlitzt und wahrscheinlich musste man bei der Benutzung der restlichen Sandwühlschlangenbeutel aufpassen, nicht mit dem austretenden Skorpiongift in Kontakt zu kommen.

Berührung mit blanker Haut reichte aus, um Vergiftungserscheinungen auszulösen.

Bei den Arzneien, die man aus diesem Gift auch gewann, verwendete man einen extrem hohen Verdünnungsfaktor, der aus dieser tödlichen Substanz ein Heilmittel zu machen konnte. Die Embaan waren Meister darin. Und dass Substanzen stets dann, wenn sie mit einem exakt zu bestimmenden Verdünnungsfaktor mit einem Lösungsmittel – in der Regel Wasser – zusammengebracht wurden, ihre Wirkung änderten, galt manchen Embaan-Gelehrten als Beweis dafür, dass die Mathematik die Sprache der Macht hinter der Welt war, der sie sich auszudrücken und zu offenbaren pflegte.

Ein sichtbarer Beweis dafür, dass derjenige, der gut rechnen konnte, dem Göttlichen näher war und die Natur der Wirklichkeit besser erfasste.

Tryskwyn kämpfte wie ein Berserker, setzte alle seine Kräfte ein und schon bald lagen mehrere Dutzend Angreifer tot im Sand.

Aber sie waren einfach zu viele.

Und Tryskwyn war sich der Tatsache wohl bewusst, dass auch der stärkste und schlachtenerprobteste Glücksbringer nur begrenzte Kräfte besaß.

Schon machten sich die Ermüdungserscheinungen bemerkbar. Nicht mehr jeder Ruf, den er ausstieß, war tödlich. Immer häufiger schwächte er sein Gegenüber nur und ließ zu, dass er sich erholte.

So konnte er auch nicht verhindern, dass sich schließlich mehr als ein Dutzend Groß-Skorpione zugleich über das Lasttier hermachten. Mit ihren mörderischen, scherenartigen Beißwerkzeugen knackten sie den Panzer auf. Ein letztes durchdringendes Zischen drang an Tryskwyns Ohr und gleichzeitig eine besonders schrille, unangenehme Antwort, auf jenem anderen Sinneskanal, der einen Embaan mit seinem Lasttier verband.

Tryskwyn konnte nichts mehr für das Tier tun.

Ein Angreifer kam ihm so nah, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als ihn mit den Stoßzähnen aufzugabeln und mindestens fünfzig Rüssellängen von sich zu schleudern. Eine Abwehr per Ruf war nicht mehr möglich gewesen.

Der Skorpion ritzte Tryskwyns Haut an der Stirn.

Aber glücklicherweise nur mit den Beißwerkzeugen – nicht mit dem Stachel.

Der Skorpion schlug hart auf einen Felsbrocken. Teile des Panzers platzten ab und die Wasserreservoire darin liefen aus. Das kostbare Nass versickerte im Boden.

Sofort musste sich Tryskwyn der nächsten Attacke erwehren und er ahnte, dass er sich aus eigener Kraft nicht mehr retten konnte. Und dabei habe ich noch nicht einmal das Gebiet erreicht, in dem ich Antworten auf meine Fragen erhoffte... Es schien ein Fehler gewesen zu sein, auf eigene Faust aufzubrechen. Ein Satz aus der Überlieferung fiel ihm ein. Du bist nichts ohne den Stamm. Er hatte die tiefe Wahrheit, die in diesem oft verwendeten Deckenspruch lag, nie wirklich wahrhaben wollen. Die Erkenntnis kam wohl zu spät. Ein Glücksbringer, der niemandem Glück brachte – nicht einmal sich selbst. Das bin ich!

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3. Kapitel: Kämpfe – innere und äußere

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Aus dem Datenbestand der Personalabteilung des Space Army Corps...

Klassifizierung: vertraulich.

Datum: 2.9.2237

FRAGE: Name und Rang?

ANTWORT: Das wissen Sie doch. Sie brauchen nur auf den Kopf  meiner Personaldatei zu sehen.

FRAGE: Hören Sie, ich bin nicht Ihr Feind. Ich will Ihnen helfen, also vertrauen Sie mir.

ANTWORT: Ich brauche keine Hilfe.

FRAGE: Das sehen die Dienstvorschriften des Space Army Corps  der Humanen Welten eindeutig anders. Ich hoffe, ich muss Ihnen nicht die entsprechenden Absätze zitieren. Normalerweise müssten Sie auf jeden Fall bei Ihrer Beförderung vom Fähnrich zum Lieutenant ausführlich gerade über den Passus belehrt worden sein, den ich meine.

ANTWORT: Ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon Sie sprechen.

FRAGE: Möchten Sie einen anderen Therapeuten? Das wäre in Ordnung und wenn Sie mir...“

ANTWORT: Nein, nein, das hätte keinen Sinn. Es wären immer dieselben Fragen und dasselbe Gequatsche. Ich glaube nicht, dass Sie mir helfen können. Also bringen wir es hinter uns, damit den Vorschriften Genüge getan wird. Mein Name ist Robert Ukasi, ich bin Lieutenant im Dienst des Space Army Corps und möchte es eigentlich auch bleiben – und zwar im aktiven Außendienst in einem Raumkommando und nicht an einem Schreibtisch auf der Erde, wohin sie mich jetzt wahrscheinlich verbannen werden. Aus der nachlässigen, militärisch inkorrekten Art und Weise, in der ich Ihnen meinen Namen und Rang genannt habe, werden Sie wahrscheinlich schließen, dass ich innerlich mit dem Space Army Corps abgeschlossen habe und nicht mehr die nötige psychische Stabilität für den Dienst in einem Raumkommando mitbringe. Ich gebe Ihnen einen Tipp: Das liegt alles an meiner Kindheit. Darauf läuft es doch sowieso hinaus, oder?

FRAGE: Sie haben viel durchgemacht, Lieutenant Ukasi. Und es geht dem Space Army Corps darum, die Folgen der außerordentlichen Belastungen, die Sie getragen haben, besser zu verarbeiten. Um nichts anderes.

ANTWORT: Na, großartig!

FRAGE: Wenn Sie schon davon sprechen: Wir können gerne mit Ihrer Kindheit beginnen, Lieutenant Ukasi. Ich nehme an, dass es leichter für Sie ist, darüber zu reden, als über Ihre Zeit an Bord des Riesen-Arachnoiden.

ANTWORT: Wie kommen Sie denn darauf? Wenn man sieht, wie ein Wsssarrr dabei ist, einem Mitglied der eigenen Crew das Gehirn aus dem Schädel zu schlürfen, steckt man das doch als Space Army Corps Offizier weg wie nichts! Viel schlimmer ist es doch, dass mein Eltern mich in meiner Kindheit gezwungen haben, Konflikte gewaltfrei und durch Kompromisse zu lösen, anstatt handfest und durch Gemeinheit. Das sind traumatische Erlebnisse – nicht der Umstand, dass mir die Hirnmasse von Crewwoman Kücük auf den Kopf spritzte und mir die Stirn hinunterlief und ich nicht mal in der Lage war, es abzuwischen, weil ich gefesselt war!

FRAGE: Ihr Vater ist Olvanorer, nicht wahr?

ANTWORT: Er WAR Olvanorer. Meine Eltern leben nicht mehr.

FRAGE: Was glauben Sie, würde Ihr Vater zu dem Sarkasmus sagen, den Sie mir jetzt schon die ganze Zeit demonstrieren?

ANTWORT: Wahrscheinlich würde er darin eine Ausdrucksform Gottes sehen – so wie in allem, was uns umgibt, was uns durchdringt, was wir wahrnehmen. Er würde darin eine Bedeutung zu erfassen versuchen, die es wahrscheinlich gar nicht gibt. Genau wie Sie würde er versuchen, Sinn in der Sinnlosigkeit zu sehen. Ihre Religion ist etwas unterschiedlich. Aber ersetzen Sie Gott durch Freud, dann haben Sie wahrscheinlich ungefähr dasselbe...

FRAGE: Es scheint eine Menge Dinge zu geben, die Sie Ihrem Vater noch gerne gesagt hätten. Meinetwegen können Sie das jetzt gerne nachholen – wenn Sie mich schon mit ihm so stark identifizieren.

ANTWORT: Ich spreche von einer Analogie – nicht von dem, was Sie wohl unter einer ÜBERTRAGUNG verstehen würden. Die liegt hier definitiv nicht vor.

FRAGE (Pause. Atmen. Tiefes Durchatmen. Wieder Pause): Es gibt Dinge, die so schrecklich sind, dass man sie um keinen Preis der Welt ansehen möchte. Sie sind genau dazu gezwungen worden. Es ist kein Wunder, dass Sie es jetzt vermeiden wollen, sich mit diesen Schrecken noch einmal konfrontieren zu müssen. Das kann ich gut verstehen.

ANTWORT: Ach, ja?

FRAGE: Aber Sie werden nicht umhin kommen, sich der Wahrheit zu stellen, Lieutenant Ukasi. Und am Ende wird es Sie befreien, glauben Sie mir!

ANTWORT: Na, wenn Sie das sagen!

FRAGE: Ist es Ihnen übrigens Recht, wenn ich Sie weiterhin mit Lieutenant Ukasi anspreche? Oder löst bereits diese Ansprache eine Belastungsreaktion bei Ihnen aus?

ANTWORT: Nehmen Sie doch Ihren verdammten Diagnose-Scanner, und probieren Sie es aus, wenn Sie das wirklich wissen wollen. Aber noch scheinen Sie mich mit jemandem zu verwechseln...

FRAGE: So?

ANTWORT: Und zwar mit jemandem, den dieser Mist interessiert. Schreiben Sie mir was auf, was meine Laune etwas hebt und den Rest überlassen Sie bitte einfach mir, okay? Dann haben wir beide den geringsten Ärger.

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An Bord der STERNENKRIEGER, einige Monate zuvor im Orbit von  Barasamdan III...

„Sir, ich habe hier ein paar äußerst seltsame Ortungsergebnisse“, stellte Lieutenant Majevsky fest.

Lieutenant Commander Thorbjörn Soldo lehnte sich im Kommandantensessel zurück und holte sich durch die Berührung einiger Sensorpunkte die Ortungsdaten auf seine eigene Konsole. „Es sieht aus, als würden plötzlich Dutzende Raumschiffen von Barasamdan III aus starten.“

„Dann sind die Fulirr wohl dabei, mit ihren Evakuierungsmaßnahmen Ernst zu machen und wir können davon ausgehen, dass da unten tatsächlich etwas sehr Schlimmes geschehen ist“, meinte Soldo.

Aber als er dann die Ortungsanzeige mit eigenen Augen sah, wusste er, dass er damit vollkommen falsch lag.

Ehe er etwas sagen konnte, wies Majevsky ihn bereits darauf hin.

„Nein, Sir, mit den Evakuierungsmaßnahmen der Fulirr hat das nichts zu tun. Die Schiffe, die da plötzlich erscheinen, sind von völlig anderer Bauart. Die Signatur ist seltsam... Es gibt  5-D-Emissionenem, aber die Emissionen entsprechen nicht jenen, die wir von Artefakten der Erhabenen her kennen. Und das Seltsamste ist, dass diese Schiffe zuvor nicht am Boden geortet worden sind.“

„Also sind sie aus dem Nichts erschienen!“, konnte sich Rudergänger Lieutenant Abdul Rajiv einen bissigen Kommentar nicht verkneifen.

„Das ist gar keine schlechte Beschreibung dafür“, erwiderte Sara Majevsky. Die aktivierte eine schematische Übersicht. „Die rot leuchtenden Punkte bezeichnen all die Stellen, an denen die Signaturen dieser Schiffe geortet werden können!“

Einige Augenblicke lang starrten alle auf der Brücke wie gebannt auf diese Darstellung.

Es war nicht zu übersehen, dass die Anzahl der angemessenen Signaturen fortwährend wuchs.

Lieutenant Commander Thorbjörn Soldo erhob sich vom Kommandantensessel. Ein kurzer Blick glitt zur Anzeige seiner Konsole, die er mit ein paar Fingerkuppenkontakten auf dem Touchscreen noch etwas modifizierte.

„Es ist unglaublich!“, stieß er hervor. „Diese Schiffe erscheinen tatsächlich aus dem Nichts – so als würden sie aus dem Sandström-Raum materialisieren!“

„Sir, ich kann Funkbotschaften auffangen!“, meldete Majevsky. „Sie kommunizieren mit einem System, das unserem Sandström-Funk stark ähnelt. Die Signale enthalten eine 5-D-Komponente, die wir nicht entschlüsseln können. Aber ansonsten erscheint ihre Kommunikation vollkommen ungeschützt! Keine Codes!“

„Sagen Sie bloß, es gibt schon etwas zu sehen oder zu hören!“, staunte Soldo.

„Beides. Aber die Audiospur ist noch unverständlich, da ein für von uns bis dato völlig unbekanntes Idiom benutzt wird!“, erklärter Majevsky.

„Trotzdem auf den Schirm damit!“, forderte Soldo.

Die Quasi-Drei-D-Darstellung von Barasamdan III und seinen Monden, sowie die rote Riesensonne im Hintergrund verschwanden.

Sie machten einer Videosequenz Platz, die sich offenbar in der Zentrale eines Raumschiffs abspielte. Der Aufbau war gar nicht so unterschiedlich von dem der STERNENKRIEGER-Zentrale. Gewisse Gesetze der Zweckmäßigkeit schienen einfach universell zu gelten.

Allerdings bestand der Sitz des Kommandanten aus einer Liegewanne, in der ein Wesen lag, das einem riesigen, anderthalb Meter langen Mistkäfer glich. Der Panzer glänzte matt. Ein paar Orden und Ehrenzeichen waren an der Oberseite des Panzers befestigt.

Der Kommandant der Käferartigen bewegte seine Beißwerkzeuge. Eine Sequenz von Knacklauten wurde von ihm erzeugt.

„Das ist die Sprache dieser Aliens“, erklärte Sara Majevsky. „Der Bordrechner wird wohl noch etwas brauchen, bis er davon etwas übersetzen kann!“

„Könnte es sein, dass die 5-D-Komponente einen Datenstrom mit zusätzlichen Informationen enthält, so wie wir ihn in  unsere Transmissionen integrieren?“, fragte Soldo. 

„Halte ich für sehr wahrscheinlich, Sir“, nickte Majevsky.

„Stellen Sie mir eine Verbindung zum Captain her“, forderte Soldo.

„Captain, fremdes Schiff dreißig Grad Backbord in einer Entfernung von 30 000 Kilometern!“, fuhr Rudergänger Lieutenant Abdul Rajiv dazwischen.

Im nächsten Moment durchlief eine Erschütterung das Schiff.

„Treffer durch partikelstrahlähnliche Waffe!“, meldete Majevsky.

„Waffen!“, rief Soldo.

„Ja, Sir!“

„Feuer frei, Mister Barus. Wir werden uns durch die Käferartigen nicht zusammenschießen lassen.“

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Lieutenant Chip Barus nahm ein paar Schaltungen an seiner Konsole vor, während ihm gleichzeitig ein gemurmeltes „Aye, aye, Sir!“, über die Lippen ging.

Aber der Waffenoffizier der STERNENKRIEGER war bereits voll und ganz in seinem Element. Hoch konzentriert programmierte er die nötigen Manöver.

Barus hatte jetzt die Kontrolle über das Schiff.

Er verzichtete auf eine Salve mit den vier Jagdgeschützen im Bug.

Die STERNENKRIEGER war nicht exakt auf das plötzlich wie aus dem Nichts materialisierte Schiff justiert.

Es war also nahezu sinnlos, mit nur vier Geschützen auf einen Treffer zu hoffen.

Barus sorgte für eine scharfe Wende. Die Ionentriebwerke der STERNENKRIEGER mussten dazu eingeschaltet werden. Wie gewohnt ließen sie während der Warmlaufphase den Boden der Brücke vibrieren. Ein Rumoren durchdrang das gesamte Schiff.

Chip Barus hatte die Triebwerke auf maximale Beschleunigung geschaltet, aber die hundert Meter lange STERNENKRIEGER brauchte Zeit, um sich endlich in Bewegung zu setzen. Nicht so viel, wie ein Schlachtschiff der Dreadnought-Klasse – aber doch viel zu lange.

Bis die STERNENKRIEGER dem Feind die Breitseite zuwendete, war sie den Angriffen des Gegners mehr oder weniger hilflos ausgeliefert.

Ein weiterer Treffer ließ das Schiff erzittern.

Ein Hüllenbruch wurde gemeldet.

Der Partikelstrahl des feindlichen Schiffs hatte sich erschreckend schnell durch die Außenpanzerung gefressen und ein Loch von anderthalb Meter Durchmesser entstehen lassen.

Die entsprechende Sektion musste evakuiert und abgeschottet werden. Atemluft entwich.

„Sir, die haben die Beschaffenheit ihres Partikelstrahls leicht modifiziert!“, meldete Lieutenant Rajiv, der im Moment zur Untätigkeit verdammt war, da nach wie vor die Schiffskontrolle vom Waffenoffizier ausgeübt wurde. „Offenbar passen Sie den Strahl immer an das Material an, aus dem die gegnerischen Schiffe bestehen!“

„Und ausgesprochen manövrierfähig sind deren Schiffe auch!“, knurrte Chip Barus düster.

„Majevsky! Stellen Sie eine Verbindung zur L-2 her!“

„Ja, Sir!“

Im nächsten Moment war Fähnrich Sakur auf einem Nebenschirm.

„Wir werden angegriffen, Fähnrich Sakur. Momentan besteht keinerlei Möglichkeit zur Rückkehr auf das Mutterschiff. Falls Sie es für nötig halten und die Situation es erfordert, machen Sie eine Notlandung auf einem der Monde oder dem Planeten.“

Ein weiterer Treffer sorgte für Störungen im Funksystem und in der Energieversorgung. Für Sekunden war es ziemlich dunkel auf der Brücke. Lediglich die fluoreszierenden Leuchtelemente an den Wänden spendeten noch etwas von dem Licht, das sie zuvor gespeichert hatten. Die Bildschirme und Displays waren tot.

Dann sprang das Licht endlich wieder an.

Die Bildschirme flimmerten.

„Was war denn bitteschön mit den Notsystemen?“, fragte Soldo ärgerlich. 

Er ging zur Konsole des Ersten Offiziers, ließ seine Finger über den Touchscreen gleiten und stellte fest, dass die Systeme im Notfall-Modus neu gestartet wurden.

Über Interkom meldete sich Lieutenant Catherine White.

„Wir hatten einen Volltreffer, der für einen Komplettabsturz der meisten Systeme gesorgt hat – einschließlich des Notfallsystems. Ich habe eine Überbrückungsschaltung aktiviert. In fünf Minuten dürften die wichtigsten Systeme wieder laufen.“

„Waffensteuerung funktioniert nicht!“, stellte Barus fest.

White hatte die Äußerung des Waffenoffiziers offenbar mitbekommen.

„Warten Sie fünf Minuten ab. Es läuft ein Rekalibrierungsprogramm, das wir leider abwarten müssen, Lieutenant!“

Barus atmete tief durch.

„Bis wir in Schussposition wären dauet es sowieso noch mindestens 10 Minuten“, meinte er.

Simone Nikolaidev meldete sich von der Krankenstation. Die Krankenschwester hatte nicht damit gerechnet, die Station während dieses Einsatzes allein leiten zu müssen, da der Schiffsarzt zu Commander Reillys Außenteam gehörte. Aber wer hätte auch hier im Barasamdan-System – unter Verbündeten! – mit einem Kampfeinsatz gerechnet.

„Lieutenant Commander Soldo, es gibt drei Tote und Verletzte. Einer davon schwer, das ist Crewman Gao. Ich hoffe, dass ich ihn durchkriege. Ich erbitte um Erlaubnis zum Funkkontakt während des Gefechts.“

Soldo hob die Augenbrauen.

„Sie brauchen Dr. Rollins Rat?“

„Ich bin keine Ärztin, Sir.“

„Erlaubnis erteilt, Nikolaidev.“

„Danke, Sir. Es gibt übrigens drei Vermisste. Sie wurden vermutlich durch die Dekompression aus dem Schiff in den Weltraum geschleudert. Aber das ist noch nicht sicher.“

Soldos Gesicht verdüsterte sich.

„Danke, Nikolaidev.“

Er unterbrach die Verbindung.

Erneut erwischte die STERNENKRIEGER ein Treffer.

Diesmal allerdings weit weniger schwer.

Quälend langsam vergingen die Minuten. Unterdessen konnte die Brückencrew auf einer Positionsübersicht verfolgen, wie überall im Orbit von Barasamdan III Kämpfe ausbrachen. Die Schiffe der Käferartigen waren sehr unterschiedlich geformt. Manche waren hantelförmig, andere glichen Kugeln oder Pyramiden. Ihnen allen waren jedoch die typischen Signaturen gemein – und eine deutlich messbare Emission von 5-D-Strahlen, die wahrscheinlich aus ihrer Antriebssektion stammte.

„Die Fulirr schießen zwei Dutzend Antimaterieraketen ab!“, stellte Majevsky jetzt fest. Ihr Gesicht war dabei ganz blass geworden. „Sie haben sie in Richtung des Planeten geschickt!“, flüsterte sie.

Die Positionen der Raketen ließen sich relativ leicht anmessen. Majevsky brachte das Ganze in eine Übersichtsdarstellung, das in einem Teilfenster des Hauptschirms angezeigt wurde.

„Ich vermute, dass es Barasamdan III nicht mehr lange geben wird“, meldete sich Chip Barus zu Wort. „Eine einzige Rakete würde schon ausreichen, um eine Explosion einer so großen Kraft zu erzeugen, dass damit die gesamte Hemisphäre von Nummer III auf Jahre hinweg unbewohnbar wäre!“

„Und der Rest wohl auch“, murmelte Reilly.

Endlich hatte die STERNENKRIEGER sich gedreht. Nun konnte sie die Gauss-Geschütze im Kampf mit diesem Feind einsetzen.

Barus löste eine Salve aus.

Die volle Breitseite wurde eingesetzt und auf Dauerfeuer geschaltet.

Der Waffenoffizier der STERNENKRIEGER feuerte – und schon im nächsten Moment platzte das Schiff der Käferartigen, das den Leichten Kreuzer angegriffen hatte, auseinander. Mehrere Treffer von Gauss-Projektilen hatten das pyramidenförmige Schiff durchlöchert. Einer dieser Schüsse hatte offenbar den Maschinentrakt getroffen.

Anders war die heftige Explosion nicht erklärlich. Die Pyramide platzte regelrecht auseinander und einzelne glühende Teile geisterten anschließend durch das All. Sie verloschen rasch in der ewigen Kälte.

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Bandit 1 auf vierzig Grad Backbord!“, rief Moss Triffler. Der Pilot der L-1 versuchte auf einen Ausweichkurs zu gehen, aber die fremden Schiffe, die so plötzlich materialisiert waren, verfügten über eine erstaunliche Wendigkeit. Ihr Beschleunigungs- und Bremsvermögen war nicht nur dem der Fulirr Corps Schiffe, sondern auch jenem der Schiffe des Nalhsara haushoch überlegen, wie sich schon innerhalb der ersten Stunden der Schlacht gezeigt hatte.

Bruder Padraig saß völlig ungerührt über der Anzeige seiner Konsole.

Er nahm ein paar Modifizierungen an den Einstellungen vor. So oft ich es auch überprüfe, es bleibt immer dasselbe Ergebnis!, ging es ihm durch den Kopf.

Noel Sakur war etwas verwirrt über das Verhalten des Christophers.

„Sir, ist Ihnen nicht gut?“

„Sie brauchen mich nicht Sir nennen“, erwiderte Bruder Padraig. „Auch wenn ich im Moment das Kommando über diese Mission habe, so bin ich doch offiziell kein Teil der Space Army Corps Hierarchie.“

„Das bedeutet, Sie müssen im Zweifelsfall mir gehorchen, Fähnrich Sakur!“, mischte sich Moss Triffler sich ein.

Aber Sakur hatte im Moment nichts übrig für den Einwurf des Piloten, der jetzt den Kurs abermals änderte und darüber hinaus mit voller Kraft beschleunigte, um nicht ins Visier gegnerischer Einheiten zu geraten.

Der junge Fähnrich von der Dreadnought TARRRAGONA, der sich hin und wieder noch etwas schwer damit tat, die zwischenmenschlichen Verhältnisse an Bord der STERNENKRIEGER zu akzeptieren, wie sie nun mal waren.

Mit missionarischem Eifer viel daran ändern zu wollen, hatte ohnehin keinen Zweck.

Bruder Padraig deutete auf die Anzeigen. „Sehen Sie sich das an, Fähnrich! Und anschließend sagen Sie mir, was Sie davon halten!“

Sakur runzelte die Stirn.

Er war sich unschlüssig darüber, was er jetzt tun oder lassen sollte.

„Okay“, sagte er schließlich. „Ich sehe diese fraktalen Strukturen, die die gesamte Oberfläche von Planet III in periodisch wiederkehrenden Abständen überziehen natürlich auch. Aber ich glaube, es ist ein denkbar schlechter Augenblick, um jetzt das Geheimnis dieser Strukturen zu ergründen, die sich nur vermitteln, wenn man das Infrarotbild oder die Röntgenansicht aktiviert!“ Er seufzte hörbar. „Und was diese Muster selbst angeht, so sagen Sie bloß, dass Sie deren Bedeutung finden konnten?“

„Leider nicht“, gestand Bruder Padraig.

„Und abgesehen davon hat auch unser Bordrechner kaum die Kapazitäten, um diese Frage wirklich sinnvoll beantworten zu können!“, erwiderte Sakur. „Und ich glaube kaum, dass es möglich ist, die dazu notwendigen mathematischen Operationen im Kopf durchzuführen.“

„Lieutenant Ukasi war dazu durchaus in der Lage“, widersprach Bruder Padraig, der auf einmal sehr nachdenklich wirkte. Ewige Augenblicke lang verharrte er mit einer Miene, die extrem in sich gekehrt wirkte und man konnte den Eindruck eines Mannes gewinnen, der vollkommen vergeistigt war. Jemand, der den Bezug zum Hier und Jetzt völlig verloren hatte.

Dann ging ein Ruck durch den Olvanorer.

Er schnipste mit den Fingern der rechten Hand und deutete anschließend auf ein Anzeigefeld, das sich nun veränderte. Es wurde mindestens doppelt so groß wie es ursprünglich war.

„Es geht nicht um die Formen dieser sich selbst ähnlichen Strukturen“, erklärte Bruder Padraig.

„Worum geht es denn?“, fragte Sakur. 

„Um die zeitliche Abfolge. Seltsam, dass wir diesen Aspekt so vernachlässigt haben. Ich habe soeben die Intervalle analysieren lassen, in denen sich die Fraktal-Strukturen neu ausrichten.“

„Und mit welchem Ergebnis?“, fragte Sakur.

„Sie entsprechen einer Buchstabenfolge im Morsealphabet. Ich weiß nicht, ob man dies auf der Space Army Corps Akademie auf Ganymed noch lehrt, aber...“

„Es wurde lange Zeit nur als Teil des Traditionsballastes gesehen, den das Space Army Corps trotz seiner relativ kurzen Geschichte mit sich herumschleppt, beziehungsweise von vergangenen Marine- und Raummarine-Organisationen übernommen hat. Aber jüngst hat man es wiederaufgewertet – und zwar als Teil des Überlebenstrainings, schließlich stellt es eine sehr primitive Art der Signalgebung da, die sich mit technisch sehr bescheidenen Hilfsmitteln übertragen lässt.“

Bruder Padraig nickte.

„Ich bin auf das hier gestoßen, Mister Sakur!“

Der Olvanorer deutete auf einen Nebenbildschirm.

Darauf erschien eine Buchstabenfolge.

U – K – A – S – I

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Kommandant Tamrrrad bildete einen ruhenden Pol in der Zentrale der Bastion des Nalhsara.

Die Antimaterie-Raketen waren gestartet worden und selbst wenn es dem Gegner gelingen sollte, einige von ihnen rechtzeitig zu vernichten, so war es doch nahezu ausgeschlossen, dass ihm dies mit allen gelang.

Dies ist der Augenblick, vor dem ich schon so lange gewarnt habe!, dachte Tamrrrad. Man hätte diese Welt gleich vernichten sollen. Dann hätten wir jetzt nicht das vorhersehbare Problem mit den käferartigen Meresken. Jetzt bleibt uns wohl ohnehin keine andere Wahl mehr!

Aber Tamrrrad hatte diese Ansicht bisher nur im engeren Kreis geäußert.

Aus seinen Wahlreden hatte er sie auf jeden Fall tunlichst herausgehalten. Zu groß waren die Verlockungen gewesen, die mit Barasamdan III in Zusammenhang gebracht wurden.

Unerschöpfliche Energiereservoire... Das war eine der Hoffnungen, gegen die sich nun mal keine Wahl gewinnen lässt. Jetzt stehen diese Reservoire unseren Feinden zur Verfügung.

Die Riechzunge kam wenige Millimeter aus seiner Maulspalte hervor. Ganz unwillkürlich.

Ein kleines Zeichen, seiner inneren Anspannung und Nervosität. Es hing so vieles davon ab, dass er die richtigen Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt traf.

Für ihn selbst.

Aber auch für andere.

Vielleicht für das gesamte Nalhsara.

Ein einziges Signal und die Sprengköpfe werden ausgelöst!, ging es dem Sauroiden durch den Kopf. Ein Augenblick, der unweigerlich das Ende eines ganzen Planeten bedeuten wird. Wahrscheinlich auch das Ende dieser Station, aber wir werden zweifellos Zeit genug haben, um sie zu evakuieren, wenn es so weit ist!

Ob die Zündung der Antimaterie-Sprengköpfe tatsächlich auch das Ende der Gefahr durch die Raumschiffe der käferartigen Meresken darstellen würde, stand noch in den Sternen. Die Folgen einer Antimaterie-Explosion blieben selbst für die Fulirr nicht in allen Details vorhersehbar. Die bei der Reaktion von Materie und Antimaterie auftretenden Energien waren einfach zu gewaltig.

So gewaltig, dass sie an die Grundfesten der Raumzeit gingen und diese in Mitleidenschaft ziehen konnten. Das Auftreten von Mini Black Holes war dafür ein unübersehbares Zeichen. 

Tamrrrad hoffte nur, dass er nicht gezwungen sein würde, den Befehl zur Vernichtung des Planeten bereits zu geben, bevor die Station, die die Fulirr seit langem auf der Oberfläche unterhielten, vollständig evakuiert war.

Bisher war das nicht geschehen.

Vielleicht wird man mir den Vorwurf machen, dass ich den Befehl zu spät gegeben habe!, ging es dem sauroiden Kommandanten durch den Kopf.

„Kommandant, unsere Schiffe sind für Abwehr allein mit Hilfe von konventionellen Waffen schlecht ausgerüstet“, sagte der Taktikoffizier der Bastion des Nalhsara. „Wenn wir nicht in Kürze massiv zurückschlagen, wird es zu Verlusten kommen, die vielleicht jene unter dem noch nicht evakuierten Stationspersonal übersteigen!“

Mit massiv zurückschlagen meinte der Taktikoffizier, dessen Name Heerrrejem lautete, natürlich den Einsatz von Antimateriebomben.

„Eine klassische Dilemma-Situation“, sagte Tamrrrad.

„Sie sind nicht zu beneiden, Kommandant.“

„Ich werde einen Antrag auf Abstimmung stellen“, erklärte Tamrrrad. Es mag sein, dass dann die falsche Entscheidung getroffen wird – aber wenigstens werde ich dann vielleicht nicht mit ihren Folgen assoziiert. Und diese Folgen werden in jedem Fall schlimm sein. Ganz gleich, wie sie ausgeht!

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In diesem Moment kehrten Commander Reilly und sein Team in die Brücke zurück.

Der stellvertretende Kommandant Shrrromwuarrr hatte zwar versichert, Reilly zurückzuhalten, aber der Captain der STERNENKRIEGER war nicht zu bremsen gewesen, nachdem er durch Funkkontakt mit der L-2 sowie mit der STERNENKRIEGER über den neuesten Stand der Dinge im Groben informiert worden war.

Die Fulirr hatten diesen Funkkontakt im Übrigen auch ihrer Zusage gemäß in keiner Weise behindert.

Shrrromwuarrr eilte hinter Reilly her, der sich sofort an den Kommandanten wandte.

Niemand hatte es gewagt, Reilly aufzuhalten – vielleicht auch deshalb, weil man die zukünftigen Verbündeten des Nalhsara nicht unnötigerweise vor den Kopf stoßen wollte.

„Kommandant!“, wandte sich Reilly nun direkt an Tamrrrad.

„Es tut mir leid, aber im Moment fordern meine Pflichten als Kommandant der Bastion des Nalhsara meine volle Aufmerksamkeit!“,  erwiderte Tamrrrad.

Er wandte sich ab.

Schon körpersprachlich machte er damit auf eine wohl universell verständliche Art und Weise deutlich, dass er im Moment von Reilly nicht angesprochen werden wollte.

„Kommandant, ich habe durch meinen Ersten Offizier erfahren, dass Kämpfe ausgebrochen sind und mein Schiff darin verwickelt wurde!“

„Die Lage ist unter Kontrolle, Commander Reilly. Seien Sie unbesorgt!“

„Sie haben Antimateriewaffen auf den Planeten ausgerichtet!“

„Auch das ist wahr. Mischen Sie sich jetzt aber bitte nicht weiter ein, Sie können dadurch nur Schaden anrichten!“

„Ich verlange hier und jetzt die volle Wahrheit zu erfahren! Was sind das für Schiffe, die da scheinbar aus dem Nichts heraus aufgetaucht sind? Und was geht hier sonst noch auf Barasamdan III vor? Ich bin überzeugt davon, dass das Verschwinden des Riesen-Arachnoiden und unserer verschollener Space Army Corps-Raumsoldaten damit in Zusammenhang steht!“

„Ich versichere Ihnen, dass das nicht der Fall ist! Im Übrigen werden wir alles tun, um die Situation mit einem Minimum an Opfern zu bereinigen und dafür zu sorgen, dass auch Ihren Leuten möglichst kein Schaden zugefügt wird! Und jetzt lassen Sie mich bitte in Ruhe und sprechen mich nicht mehr an! Mein Stellvertreter steht ganz zu Ihrer Verfügung!“ Der Kopf des Sauroiden vollführte eine ruckartige Bewegung, sodass sich das lippenlose Maul um etwa zwanzig Grad nach links drehte.

Tamrrrads Blick traf jetzt Shrrromwuarrr.

Angesichts des Kontextes kann man diesen Blick wohl nur als tadelnd interpretieren!, überlegte Dr. Miles Rollins, der in der Nähe stand und die gesamte Szene beobachtet hatte. Ein Zischlaut drang aus Tamrrrads lippenlosen Mund. Ein Laut, der vom Translator nicht erfasst werden konnte.

„Sie sagen nicht die Wahrheit“, sagte Reilly. „Wir haben die Botschaft eines Crewmitglieds empfangen, dass sich offenbar irgendwo auf dem Planeten aufhalten muss! An der Authentizität dieser Botschaft kann es keinen Zweifel geben - und falls Sie nicht als derjenige Kommandant in die Geschichte des Nalhsara eingehen wollen, an dessen Fulirrsinn und mangelnder Kooperationsbereitschaft das Bündnis zwischen Menschheit und Fulirr letztlich scheiterte, dann sollten Sie jetzt über Ihren Schatten springen.“

Tamrrrad drehte sich wieder herum.

„Ihnen steht nicht die Kompetenz zu, über die Zukunft des Bündnisses zwischen Nalhsara und Menschheit zu entscheiden!“, zischte er.

Selbst jemandem, der in der Körpersprache der Fulirr nicht bewandert war, musste auffallen, wie sehr der Kommandant der Bastion des Nalhsara offenbar unter Druck stand.

„Das mag sein. Aber ich werde im Anschluss an diese Mission einen Bericht abgeben müssen – und wenn sich darin zeigt, wie sehr Sie das Wiederauffinden unserer vermissten Space Army Corps Angehörigen behindert haben, wird man sehr zögerlich sein, was unsere zukünftige Zusammenarbeit angeht. Sie wissen doch, wie eine Demokratie funktioniert...“

„Ihr System ist keine Demokratie, sondern ein System der repräsentativen Repression! Der Begriff Volksherrschaft ist da völlig unangebracht!“

„Wie auch immer – die Dankbarkeit für das Eingreifen des Nalhsara in der Schlacht gegen die Wsssarrr wird nach und nach einer skeptischeren Haltung weichen. Und...“

„Ich werde Ihnen alles sagen, Commander Reilly“, versprach Tamrrrad. „Aber Sie müssen sich noch etwas gedulden. Ich habe zunächst etwas sehr Wichtiges zu tun – und falls ich dann noch Kommandant der Bastion des Nalhsara bin, werden wir uns erneut unterhalten!“, versprach Tamrrrad.

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4. Kapitel: Welt der Elefantoiden

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Partikelstrahltreffer von Backbord achtern!“, rief Moss Triffler. Das Licht flackerte und für ein paar Sekunden konnte man nichts weiter tun als dafür beten, dass die Notaggregate ihre Funktion einwandfrei erfüllten.

„Gehen Sie auf Ausweichkurs!“, befahl Bruder Padraig. 

„Leider nicht mehr möglich“, sagte Moss Triffler. Der Pilot feuerte die Jagdgeschütze der Landefähre ab, ohne damit irgendetwas zu treffen. Aber die andere Seite sollte sehen, dass man nicht ganz wehrlos war. Moss Triffler nahm ein paar Schaltungen vor und schüttelte resignierend den Kopf. „Die Triebwerkssektion ist komplett ausgefallen. Jetzt bleibt uns nur noch der Antigrav.“

„Eine Rückkehr zur STERNENKRIEGER dürfte ohnehin ausgeschlossen sein!“, mischte sich Fähnrich Sakur ein.

Triffler nickte.

„Die einzige Option bleibt eine Notlandung auf Barasamdan III“, erklärte er. „Ich sehe zwar gerade, dass der Antigrav auch um ein Drittel in seiner Leistungsfähigkeit gemindert ist, aber das dürfte trotzdem noch für eine weiche Landung reichen. Wahrscheinlich sogar, um ein paar kürzere Atmosphärenflüge bei nicht allzu großer Flughöhe und Geschwindigkeit durchzuführen.“

„Ich nehme an, angesichts der Umstände werden die Fulirr es uns auch nicht allzu übel nehmen, wenn wir ihr Landeverbot schlicht und ergreifend missachten“, glaubte Bruder Padraig.

Moss Triffler lachte heiser auf. „Für mich sieht das so aus, als hätten die vor, den Planeten zu sprengen!“, stellte Triffler fest. „Überall sind die scharf geschalteten Antimateriesprengköpfe zu orten. Einen Teil der Raketen haben die Käferartigen wohl schon zerstört, aber sie werden es nicht bei allen schaffen...“

Erneut bekam die L-1 einen Treffer.

Fähnrich Sakur las den automatischen Schadensbericht von seiner Konsole ab.

Das Ergebnis war ernüchternd.

Unter anderem trat Atemluft aus der L-1 aus.

„Noch zwei Stunden im Orbit, dann wäre es definitiv aus mit uns“, sagte er. „Wir müssen hier schleunigst weg – aber wenn die Fulirr wirklich den Planeten mit Antimaterie sprengen, wie es im Moment den Anschein hat, dann sind wir auf der Oberfläche auch nicht besser dran.“

Bruder Padraig schaltete noch etwas an seinen Ortungsinstrumenten herum. Auf seiner ansonsten sehr glatt wirkenden Stirn bildete sich eine tiefe Furche. „Versuchen Sie in der Nähe der Bodenstation zu landen, die die Fulirr auf der Oberfläche von Barasamdan III unterhalten“, sagte er schließlich.

Triffler ließ sich die Daten auf seinem eigenen Display anzeigen, dazu auch eine schematische Übersicht des Planeten inklusiv einer Positionsanzeige des Gebietes, das Bruder Padraig meinte.

„Das liegt mitten in der Wüste“, stellte Triffler fest.

Bruder Padraig nickte. „Entweder die Fulirr nehmen uns von dort aus mit oder wir werden den Untergang des Planeten in ihrer verlassenen Station erleben“, sagte Bruder Padraig.

„Ich nehme an, dass wir die dortigen Wasservorräte gar nicht brauchen“, meinte Sakur. „Entweder holt uns sehr schnell jemand ab, oder wir sind hinüber.“

Erneut traf ein Partikelstrahl die L-1 und fraß sich durch die Außenpanzerung in einen offenbar wichtigen Knotenpunkt der Energieversorgung. Das Licht fiel aus, die Notbeleuchtung sprang an.

Es gab tatsächlich keine Alternative zu einer Landung auf der Planetenoberfläche.

„Sollten wir vielleicht Kontakt zur STERNENKRIEGER oder dem Captain aufnehmen?“, fragte Sakur.

„Helfen können uns beide im Moment nicht“, meinte Bruder Padraig. „Aber es ist vielleicht ganz gut, wenn sie Bescheid wissen.“

„Sie meinen, der Captain schafft es, den Kommandanten der Bastion des Nalhsara davon zu überzeugen, dass es besser ist, den Planeten nicht zu zerstören?“, erwiderte Noel Sakur.

„Wer weiß, ob das nicht vielleicht doch die beste Möglichkeit wäre!“, murmelte Triffler düster. „Schließlich scheint es keine andere Möglichkeit zu geben, diese Käfer-Schiffe zu zerstören. Und wie man sieht machen die keinen Unterschied zwischen Menschen oder Fulirr. Woher immer sie auch kommen mögen...“

„Auch dafür gibt es eigentlich nur noch eine sinnvolle Theorie“, stellte Bruder Padraig fest.

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Zischende Laute, die die Ohren nachhaltig zu zerstören drohten, drangen plötzlich aus den Fressöffnungen Dutzender Groß-Skorpione. Reihenweise knickten ihre Beine kraftlos ein, senkten sich die Stacheln und hörte das Schaben ihrer Beißwerkzeuge auf.

Rufe!, erkannte Tryskwyn sofort. Die Rufe von Kriegern in der Schlacht! Tödliche Rufe... Aber wer könnte sie ausgestoßen haben? Wer ist so weit hier draußen? Die Verlorenen Stämme?

Die Gedanken durchrasten Tryskwyns Hirn nur so, während er fassungslos zusah, wie die wilden Bestien der Reihe nach starben.

Nur einen Bruchteil davon tötete Tryskwyn selbst mit seinen  Rufen.

Trompetentöne waren jetzt zu hören und der Boden vibrierte unter den stampfenden Schritten von mindestens drei Dutzend Embaan.

Es hieß in den Legenden über die Verlorenen Stämme, dass sie in der Lage waren, sich trotz ihres Gewichts so leichtfüßig durch die Wüste zu bewegen, dass sie weder von einem anderen Embaan noch von Groß-Skorpionen bemerkt werden konnten.

Offenbar sind sie schon seit längerem in der Nähe gewesen und haben diese Großskorpion-Herde beobachtet, überlegte Tryskwyn.

Innerhalb kurzer Zeit waren Dutzende der Skorpione erlegt. Der Rest suchte sein Heil in panischer Flucht.

Die Embaan aus der Wüste näherten sich Tryskwyn misstrauisch. Es war bestimmt nicht leicht für sie, den Skorpionen unbemerkt zu folgen, dachte Tryskwyn. Das Land bot zwar durch zahllose Felsbrocken und kleinere, wie faule Zähne aus dem Boden ragende Massive, die Sand und Wind zu bizarren Gebilden abgenagt hatten, einiges an Deckung, aber für ein verhältnismäßig großes Wesen wie einen Embaan war es immer schwierig, von seiner Jagdbeute nicht bemerkt zu werden.

Tryskwyn sah sich um.

Die zahllosen Himmelsschiffe der Geister, die immer noch den Himmel erfüllten, beachtete er gar nicht. Er blendete sie aus, obwohl das irgendwie schwieriger war als sonst. Er nahm sie nämlich – anders als sonst - keineswegs nur über jenen Sinneskanal wahr, über den er ansonsten auch Rufe und Antworten empfing, sondern auch über das ganz gewöhnliche Augenlicht. Diese Gebilde am Himmel hatten nichts von ihrer sonstigen Geisterhaftigkeit. Ein Merkmal, das für einen Embaan nur einem anderen Embaan wirklich zu vermitteln war. Die Elefantoiden wussten einfach, wann man einen Geist vor sich hatte und wann da ein reales Objekt war – wobei kein Embaan zwischen Niederkanal und Großsee behauptet hätte, dass Geister etwa nicht real gewesen wären.

Die Wüsten-Embaan näherten sich weiter. Sie starrten Tryskwyn auf eine Weise an, die es dem Angehörigen des Ryry-Stammes noch nicht vorhersehbar erscheinen ließ, wie diese Begegnung weiterging.

Sie tragen keine Decken aus gewebtem Stoff, sondern aus aneinander genähten Häuten von Sandwühlschlangen!, erkannte Tryskwyn. Auch in diesem Punkt scheinen die Legenden über die Verlorenen Stämme der Wahrheit zu entsprechen.

Tryskwyn machte einen Schritt auf seine Gegenüber zu, von denen jetzt einige damit begannen, das Wasser aus den Reservoiren der Groß-Skorpione herauszusaugen. Sie bohrten zuvor mit dolchartigen Werkzeugen, bei denen es sich wahrscheinlich um geschliffene Skorpionzangen handelte, Löcher in die Panzer, saugten dann mit einem ihrer Rüsselarme das Wasser aus den Reservoiren und füllten das Wasser anschließend in Wassersäcke aus Sandwühlschlangenhaut, die sich in Fertigung und Aussehen kaum von denen unterschieden, die auch im Stamm der Ryry sowie bei allen anderen Niederkanalstämmen der Embaan in Gebrauch waren.

Sobald das Wasser abgepumpt war, begannen sie damit den Panzer des jeweiligen Großskorpions vollständig aufzustemmen und das Fleisch freizulegen, dass dann entweder sofort verschlungen oder herausgeholt und in Sandwühlschlangenhaut eingewickelt wurde. Tryskwyn überlegte, dass die konservierende Wirkung, die dieses Material ansonsten auf das Wasser ausübte, auch bei Fleisch zum Tragen kam.

Allerdings war es unter den Niederkanalstämmen sowie bei den Embaan am Oberkanal und am Großsee nicht üblich, Fleisch auf diese Weise zu konservieren.

Aber das hatte vielleicht auch damit zu tun, dass all diese Stämme Besitzer großer Herden waren und von daher einfach nicht die Notwendigkeit einer solchen Vorratshaltung bestand.

„Seid gegrüßt!“, sagte Tryskwyn, der sich nicht sicher war, ob die Wüsten-Embaan auch seine Sprache verstanden. „Ich danke euch dafür, dass ihr mir das Leben gerettet habt!“

Einer der Embaan trat auf ihn zu.

Er hatte eine besonders prächtige Decke über dem Rücken.

Sie wies ein Muster in leuchtendem Rot und ebenso leuchtendem Gelb auf.

Schriftzeichen entdeckte Tryskwyn nicht darauf, was ihn jedoch nicht weiter wunderte.

Die Embaan der Wüste galten als Analphabeten. 

Ob das allerdings den Tatsachen entsprach oder sie einfach nur nicht die Tradition kannten, ihre Decken mit Texten zu beschreiben, war nicht sicher.

„Du kommst vom Niederkanal?“, fragte der Embaan mit der Decke in rot und gelb.

Er sprach einen Akzent, den Tryskwyn als barbarisch empfand. Selbst der Dialekt der Stämme am Großsee wirkte kultivierter. Aber man konnte ihn verstehen – und nur darauf kam es jetzt an.

Der Embaan in rot und gelb kam näher. Er senkte erst den Kopf, dann hob er ihn. Dabei musterte er Tryskwyn von oben bis unten. „Du musst von den Niederkanal-Stämmen kommen...“

„Wieso?“

„Weil nur ein Niederkanal-Embaan sich so ungeschickt verhalten würde, wie du es getan hast. Du hättest gleich zu den Skorpionen sagen können: Bitte fresst mich! Ich bin des Lebens überdrüssig. Und außerdem...“

Der Embaan in rot und gelb deutete mit einem seiner eigenen Rüsselarme auf den dreigeteilten Rüssel von Tryskwyn.

„...das da!“

„Was ist damit? Ich bin ein Glücksbringer.“

„Bei uns nennt man das eine Abscheulichkeit. Man hätte dich nach der Geburt getötet.“

„Da kann ich ja richtig froh sein, am Niederkanal geboren worden zu sein.“

„Wir sind nicht gut auf die Niederkanal-Embaan zu sprechen.“

„Warum habt ihr mir dann geholfen?“

„Wir haben dir nicht geholfen, Abscheulichkeit.“

„Und wie würdet ihr das dann nennen?“

„Wir waren auf der Jagd – und die Groß-Skorpione sind im Moment völlig durcheinander, seit die Geister so aktiv geworden sind.“

Einer der anderen Wüsten-Embaan stellte sich neben den Anführer. Seine Decke war schwarz-weiß gemustert und wies eine sehr charakteristische, gezackte Linie auf, die man wahrscheinlich auf eine Entfernung von dreihundert Rüssellängen noch erkennen konnte.

„Was hast du mit ihm vor, Anführer?“, fragte der Embaan in schwarz und weiß.

Der Anführer schien darüber noch unschlüssig zu sein.

„Eine Abscheulichkeit sollte man töten, solange sie noch jung ist. Ihre Rufe werden sonst so stark, dass man nichts mehr gegen das Monstrum ausrichten kann...“

Monstrum...

Das musste wohl eine andere Bezeichnung sein, die man unter den Verlorenen Stämmen der Wüste jenen gegeben hatte, die bei den Niederkanalstämmen als Glücksbringer galten. Und jetzt begriff Tryskwyn plötzlich, was in seinen Gegenübern wirklich vor sich ging. Sie haben Angst!, erkannte er. Angst vor einer übermächtigen, mit drei Rüsselarmen ausgestatteten Missgeburt, gegen die keiner von ihnen im Kampf der Rufe eine reelle Chance hätte!

Der Embaan in rot und gelb näherte sich noch einen Schritt. Fast so, als wollte er damit demonstrieren, dass er keine Angst hatte.

Aber dass diese Gelassenheit nur zur Schau getragen war, erkannte Tryskwyn sofort. Die Körpersprache war schließlich – von ein paar kulturellen Unterschieden abgesehen – in der gesamtem Embaanheit gleich.

„Deine Rufe waren sehr stark“, stellte er fest. „Keiner von uns hätte auf sich allein gestellt dem Angriff der Groß-Skorpione so lange standgehalten.“

„Das mag sein.“

„Du bist eine Abscheulichkeit. Ein Monstrum, das wir töten würden, wenn du noch jung und schwach wärst. Aber keines unserer Gesetze schreibt die Tötung einer Abscheulichkeit vor, wenn sie bereits erwachsen ist.“

„Das ist nicht verwunderlich“, fand Tryskwyn. „Warum sollte ein Gesetz so etwa vorschreiben, wenn alle Glücksbringer – oder Abscheulichkeiten, wie ihr sie nennt -  bereits im Kälbchenalter getötet werden und es daher keine erwachsenen Monstren gibt?“

„Ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, dass du von uns nichts zu befürchten hast“, erklärte der Embaan-Anführer in rot und gelb.

Sei dir deiner Stärke bewusst und nutze sie!, erinnerte sich Tryskwyn eines Deckenspruchs, den man auch häufig in die kunstvoll geformten Vasen, Krüge und andere Keramikwaren fand, die vor allem von den Embaan des Niederkanals so kunstvoll hergestellt wurden, dass man sie bis hinauf zum Großsee verkaufte.

„Es reicht mir nicht, dass ihr mich nicht tötet“, sagte Tryskwyn selbstbewusst. Er sagte es mit der inneren Stärke eines Embaan, dessen Ruf stärker war als der jedes anderen, der sich gegenwärtig in seiner Nähe befand. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass die Rufe dieser Wüsten-Embaan ungewöhnlich stark gewesen waren. Stärker als man es sonst zwei den Zweirüsselarmigen erwarten konnte. Offenbar ließen sich auch deren Fähigkeiten durch intensives Training noch sehr viel stärker entwickeln, als das bei den Embaan am Niederkanal der Fall war. Aber unter den dortigen Stämmen war es ja schließlich möglich, sich in der Schlacht auf die Fähigkeiten der Glücksbringer zu verlassen. Bei den Wüsten-Embaan war das nicht möglich. Für die Jagd auf Groß-Skorpione waren die Fähigkeiten eines Gewöhnlichen durchaus ausreichend.

Anders sah das natürlich aus, wenn man von der Streitmacht eines feindlichen Stammes heimgesucht wurde, die mit Glücksbringern nur so gespickt war.

Aber das konnte den Verlorenen Stämmen in der Weite der Wüste kaum passieren?

Wozu ein Kampf um ein Territorium, das gar kein Territorium war?

Niemand kämpfte um Land, das keinen Wert hatte und in dem es so wenig Wasser gab, dass man Groß-Skorpione jagen und ihre Wasserreservoire aussaugen musste. Wahrscheinlich trinken sie sogar das Blut der Sandwühlschlangen!, ging es Tryskwyn durch den Kopf. Aber mich nennen sie eine Abscheulichkeit!

Der Anführer in rot und gelb schien unschlüssig darüber zu sein, wie er sich verhalten sollte.

„Was willst du?“, fragte er.

„Ich brauche eure Hilfe.“

„Was für Hilfe? Ein paar Säcke von Flüssigkeit – die kannst du haben. Mit Last-Skorpionen können wir leider nicht dienen. Wir zähmen diese Tiere nicht, wir essen sie. Weiter in der Wüste soll es noch andere Stämme geben, die es geschafft haben, die Groß-Skorpione zu zähmen, aber das scheinen nur Gerüchte zu sein.“

„Ein paar Wassersäcke nehme ich gerne“, sagte Tryskwyn.

„Du wirst sie selbst tragen müssen. So wie ein Wüstenjäger.“ 

„Ja.“

„Damit haben wir dem Gebot der Gastfreundschaft in der Wüste Genüge getan. Es wäre uns recht, wenn du dann deines Weges ziehen würdest!“

Weil ich eine Abscheulichkeit bin!, erkannte Tryskwyn. Und weil sie, wenn sie mich sehen, vor allem daran denken, dass ich jeden von ihnen töten könnte. Allerdings ist es so ähnlich wie mit den Skorpionen: Gegen alle auf einmal könnte ich mich nicht wehren, auch wenn so ein Angriff viele von ihnen das Leben kosten würde.

„Was willst du noch?“

„Auskünfte.“

„Worüber?“

Der Embaan in rot und gelb war etwas abgelenkt.

Die zahllosen Geisterschiffe am Himmel mussten dafür verantwortlich sein.

„Es geht um das riesige Geisterschiff, das aussah wie ein Käferartiger mit acht Beinen. Es ist in eure Richtung geflogen.“

„Was willst du darüber wissen?“

„Alles, was ihr darüber wisst. Es ist in dieses Land geflogen. Vielleicht ist es gelandet. Vielleicht konntet ihr erkennen, ob es stofflich ist!“

Unter den Wüsten-Embaan entstand ein Geraune. Hier und schnappte Tryskwyn ein paar Wortfetzen auf. Aber er verstand nicht alles, weil sie in ihrem Dialekt sprachen. Aber es war unübersehbar, dass sie durch die Erwähnung des Riesenschiffs verunsichert wurden. Auch ihre Gedanken hatten sich offenbar stark mit diesem geheimnisvollen Objekt beschäftigt und sich wohl auch ganz ähnliche Fragen gestellt, wie sie auch Tryskwyn umtrieben.

„Die Außenweltler verlassen ihre Siedlung“, sagte der Embaan in rot und gelb.

„Deren Siedlung müsste hier ganz in der Nähe sein.“

„Hinter den Felsen da vorne.“

„Und was schließt ihr daraus, dass die Außenweltler uns verlassen?“

„Als sie das das letzte Mal taten, wurden die Geister stofflich – wenn auch nur für kurze Zeit. Diesmal haben sie offenbar länger gezögert, ehe sie aufbrachen.“

Tryskwyn zögerte.

Tausend Gedanken schwirrten ihm jetzt im Kopf herum. Er versuchte, die gedanklichen Implikationen dessen zu erfassen, was der Anführer in rot und gelb ihm gesagt hatte.

„Du hast mir noch nichts über das riesige Schiff mit den acht Beinen gesagt!“, stellte er dann fest.

„Es ist ganz in der Nähe der Außenweltler-Siedlung gelandet. Und dort liegt es noch immer.“

„Aber beide Geschehnisse – die Landung des Acht-Beine-Käfers und der Aufbruch der Außenweltler kann unmöglich miteinander zusammenhängen.“

Der Anführer in gelb und rot schien etwas verwirrt zu sein. „Weshalb nicht?“

„Weil sie bekanntermaßen blind für die Geister sind.“

„Sie selbst schon. In dem Punkt stimmt die Legende über sie zweifellos. Aber sie haben vielleicht Maschinen, die ihr Defizit ausgleichen.“ Er machte eine Pause und stieß einen trompetenden Laut aus. Er kam dabei nur auf einen Akkord aus zwei Tönen, die darüber hinaus noch nicht einmal harmonisch aufeinander abgestimmt waren. Selbst bei den Trompetentönen, die im Schlachtgetümmel die eigentlichen Rufe begleiteten und daher in einem geistigen Zustand höchster Anspannung abgegeben wurden, achtete im Gegensatz dazu ein Angehöriger der Niederkanal-Stämme stets auf eine saubere Modulation. Aber das war wohl letztlich auch einer der Unterschiede, die aus den Embaan der Wüste Barbaren und jenen an den Kanälen und Seen Kulturträger machte.

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5. Kapitel: Der Riesen-Arachnoide

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Aus dem Datenbestand der Personalabteilung des Space Army Corps...

Klassifizierung: vertraulich.

Datum: 4.9.2237

FRAGE: Was empfinden Sie, wenn Sie daran denken, dass die anderen Mitglieder Ihrer Crew bei diesem Einsatz getötet wurden, Lieutenant Ukasi.

ANTWORT: Sie wurden nicht einfach getötet. Ich meine, wir sind Raumsoldaten und verteidigen die Humanen Welten. Unsere Einsätze sind nicht alle ungefährlich und wenn man dem Space Army Corps beitritt, dann weiß man, dass dies auch immer mit der Möglichkeit verbunden ist, dass man von einer Mission nicht zurückkehrt. Oder dass man Freunde verliert. Oder dass man Befehle gibt, die in ihrer Konsequenz dazu führen, dass jemand stirbt. Darauf wird man vorbereitet und eigentlich...

(Pause.)

FRAGE: ...eigentlich sollte das kein Problem sein? Wollten Sie das sagen?“

ANTWORT: So etwas in die Richtung, ja.

FRAGEW: Aber diesmal ist es ein Problem.

ANTZWORT: Keine Ahnung.

FRAGE: Wieso wissen Sie das nicht?

ANTWOERT: Sagen wir so: Ich denke öfter darüber nach, als es sein sollte. Um genau zu sein, ich kann eigentlich an kaum noch etwas anderes denken. Und manchmal, dann bin ich wieder genau in dieser furchtbaren Situation. Es reicht eine Kleinigkeit, um das auszulösen. Ein Geräusch. Ein Geruch. Eine bestimmte Temperatur und schon fängt es an. Ich kann nichts dagegen tun.

FRAGE: Beschreiben Sie es!

ANTWORT: Mein Herz rast und ich denke, dass ich plötzlich wieder in dieser Kammer liege. Gefesselt mit diesen klebrigen Spinnenfäden des Wsssarrr. Er kommt herein. Manchmal in Begleitung seiner ebenfalls spinnenförmigen Roboter, manchmal allein. Und dann sucht er sich einen von uns aus, um ihm das Hirn auszusaugen. Es war pures Glück, dass er nicht mich genommen hat. Aber manchmal hätte ich es mir gewünscht.

FRAGE: Warum?

ANTWIORT: Weil es dann vorbei gewesen wäre. Ich glaube nicht daran, dass es eine Existenz der menschlichen Seele nach dem Tod gibt. Es wäre einfach aus und vorbei gewesen und es gibt Augenblicke, da ich mir das sogar jetzt noch wünsche.

FRAGE: Weil Sie denken, dass Sie nicht das Recht hatten, zu überleben? Oder weil Sie denken, dass der Tod der anderen mit der Tatsache zusammenhängt, dass Sie überlebt haben?

ANTWORT: Nein. Nur damit es aufhört. Können Sie sich das Geräusch vorstellen, das entsteht, wenn ein  Wsssarrr’scher Saugstachel sich durch eine Schädeldecke bohrt? Dann folgt ein schmatzendes Geräusch. Ich kann seit meiner Rückkehr keine Strohhalme benutzen und ich zucke zusammen, wenn jemand schlürft, schmatzt oder ähnliche Geräusche beim Essen macht, wie dieses spinnenartige Biest, wenn es meinte, sich die Geisteskraft eines Menschen einverleiben zu müssen, indem es sein Hirn verspeiste... Aber darüber kann ich jetzt nicht weiter sprechen. Es geht einfach nicht.

FRAGE: Dann lassen Sie uns vielleicht darüber reden, wie Sie befreit wurden.

ANTWORT: Was soll das jetzt? Glauben Sie, ich fühle mich danach besser? Glauben Sie, die Frage, warum ich überlebt habe und die anderen nicht, wäre dann weg? Oder es würde sich auch nur das Geringste an meiner Einschätzung ändern?

FRAGE: Wer war es, der über die Reihenfolge der Opfer entschied?

ANTWORT: Der Wsssarrr.

FRAGE: Nach welchen Kriterien?

ANTWORT: Das weiß ich nicht.

FRAGE: Wer hat Sie befreit?

ANTWORT: Die Roboter.

FRAGE: Warum?

ANTWORT: Darüber kann ich nur spekulieren.

FRAGE: Dann spekulieren Sie doch!

(Seufzen.)

ANTWORT: Der Riesen-Arachnoide war auf einer Welt gelandet, die von käferartigen Intelligenzen bewohnt wurde. Wahrscheinlich hat ein 5-D-Signal das Schiff dorthin gebracht. Ein Signal, das wohl von einer Transmitteranlage, der Erhabenen stammte, die von den Wsssarrr benutzt wurde, um ihre Brut zu verteilen. Allerdings war die Wsssarrr-Brut längst getötet worden und die Käferartigen Einheimischen hatten wohl mit der Anlage etwas herumgespielt, sodass sie Signale aller Art abgesandt hatte. Sie fingen an die Außenhaut des Riesen-Arachnoiden mit perfekt angepassten Partikelstrahlen aufzuschweißen und ins Schiff einzudringen. Dabei erwischten sie den einzigen Wsssarrr an Bord und töteten ihn.

FRAGE: Warum haben die Roboter Sie denn dann befreit?

ANTWORT: Weil Sie sich Hilfe erhofften. Sie sahen in mir einen Krieger jener Macht, die sie im Sol-System besiegt hatte. Außerdem brauchten sie mich, um sie führen. Sie sind so programmiert, dass sie auf die Entscheidungen organischer Wesen angewiesen sind. Aber gleichzeitig auch so, dass sie das Schiff schützen sollten.

FRAGE: Was ist dann geschehen? Sie haben die Roboter dazu gebracht, das Schiff zu verteidigen?

ANTWORT: Ich habe Ordnung und Koordination in ihre Verteidigung gebracht. Wir konnten die Käferartigen aus dem Schiff treiben. Die Roboter verfügten über eine ganz gute Bewaffnung. Strahlenwaffen, ähnlich denen, die die Qriid einsetzen. Danach befanden wir uns in einer Art  Belagerungszustand. Das Schiff war so schwer beschädigt, dass es nicht mehr starten konnte. Die Bordwaffen waren einfach zu groß und plump, um sie einsetzen zu können. Wir hätten uns mit ihnen selbst in die Luft gejagt! Man spricht von Kanonenkugeln, mit denen man auf Spatzen schießt. Die Waffen haben sich im Laufe der Jahrhunderte geändert, aber die Problematik bleibt dieselbe. Die Waffen des Riesen-Arachnoiden waren für den Kampf im Weltraum geeignet – aber nicht für einen Belagerungskrieg am Boden. Also blieb uns nichts anderes übrig, als einzelne Roboter an den Bruchstellen der Außenhülle zu postieren, wo sie dann darauf achteten, dass sich niemand näherte.

FRAGE: Mir fällt auf, dass sie von einem Wir sprechen.

ANTWORT: Habe ich das gesagt?

FRAGE: Laut und deutlich. Wer ist mit diesem Wir gemeint? Sie und die Roboter?

ANTWORT: Wie man das eben so sagt.

FRAGE: Sie haben sich mit ihnen in einer Gemeinschaft verbunden gefühlt.

ANTWORT: Nein, das sind Maschinen. Mit denen kann man keine Gemeinschaft haben. Es sind Dinge, die man benutzt. Werkzeuge, nicht mehr. Aber ich habe wohl all das, was man sonst über Kampfgefährten sagt, auf sie übertragen, weil es dann irgendwie leichter auszuhalten war.

FRAGE: Sie fürchten die Einsamkeit?

ANTWORT: Nein, die Art von Einsamkeit hätte ich gut ausgehalten.

FRAGE: Welche Art meinen Sie?

ANTWORT: In so einer Belagerungssituation zu sitzen, ist nicht so schlimm,, wie sich das zunächst anhört. Dafür werden Space Army Corps Angehörige mental eingestellt. Sie wissen, dass so etwas auf sie zukommen kann.

FRAGE: Und was wissen Space Army Corps Angehörige nicht?

ANTWORT: Zum Beispiel, dass es Orte gibt, die nicht Teil unseres Universums sind und von denen es normalerweise auch keine Rückkehr geben kann. Sehen Sie, ich kannte mich mit der Technik an Bord des Riesen-Arachnoiden nicht aus. Aber die Roboter bedienten sie für mich und so hatte ich mittelbaren Zugriff auf alle noch funktionierenden Systeme. Wir befanden uns auf einer Welt, die von Käferartigen bewohnt wurde...

FRAGE: Das sagten Sie schon.

ANTWORT: Wir fingen ihren Funkverkehr auf. Sie machten sich nicht die Mühe, ihn zu verschlüsseln. Ihre Kultur scheint keine Privatsphäre zu kennen – und wohl auch auf Tausende von Lichtjahr hinaus keine Feinde, denn so groß ist das straff organisierte Sternenreich, das sie beherrschen. Ich bekam Sternenkarten aus ihrem Datennetz. Sie zeigten dieselben Sterne, die ich auch kenne. Sonnen, in deren Systemen ich bereits gewesen bin. Abe sie alle waren Teil dieses Reiches. Auch das Sol-System und das Gebiet der K'aradan. Ein paralleles Universum, in dem es die Menschheit, die Fulirr, die Qriid und so weiter nicht gab und vielleicht auch nie gegeben hat. Verstehen Sie jetzt, was ich mit meine, wenn ich von Einsamkeit spreche?

FRAGE: Ich glaube schon.

ANTWORT: Ich sah nur eine Chance, den Abgrund zwischen den Universen zu überwinden. Einen Impuls mit starker 5-D-Komponente. Zumindest eine Resonanz davon müsste mit etwas Glück in meinem Herkunftsuniversum sichtbar sein, so dachte ich. Die stärksten Resonanzen erzeugten die Antriebsaggregate des Schiffes für den Überlichtflug – und zwar selbst im Ruhebetrieb. Der Antrieb ähnelte zwar unserem Sandström-Antrieb, aber zumindest die Navigation erfolgte mit Hilfe von Bezugspunkten in einem dimensional übergeordneten Kontinuum. Um die genaue Funktionsweise zu verstehen, hatte ich nicht genug Zeit. Davon abgesehen gab es natürlich immer wieder Kommunikationsschwierigkeiten zwischen mir und den Robotern, was die Sache auch nicht leichter machte. Von der Überlicht-Triebwerkssektion gingen Impulse mit 5-D-Anteil aus, die sich in Form von Resonanz-Mustern auf der Oberfläche widerspiegelten. Das hatte ich schon während der Schlacht um das Sol-System entdeckt. Die Impulsmuster konnte ich nicht verändern. Aber ich konnte die Stärke der Signale erhöhen, indem ich von den Robotern sämtliche Abschirmungen entfernen ließ. Und ich fand eine Möglichkeit, die Zeitintervalle zwischen den Signalen zu manipulieren. Das muss ein Teil der Kalibrierungsmöglichkeiten dieses Überlichtaggregats gewesen sein. Ich habe das nicht wirklich verstanden. Aber den Robotern konnte ich klarmachen, dass man auf diese Weise vielleicht Hilfe bekäme und das Schiff retten könnte. (Pause.) Gut, dass zu meiner Zeit auf der Ganymed-Akademie das Morsealphabet noch zum Traditionsballast gehörte...

FRAGE: Sie erzählen jetzt sehr ausführlich von technischen Einzelheiten. Mich würden eher Ihre Gefühle interessieren.

ANTWORT: Und Sie denken jetzt, dass ich davor mit meinen Schilderungen nur ausweichen will.

FRAGE: Könnte das sein?

(Patient lächelt.)

ANTWORT: Sie ziehen ja doch Ihre eigenen Schlüsse. Ganz gleichgültig, was ich sage.

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Auf Barasamdan III...

Der Embaan in gelb und rot winkte einige seiner Untergebenen herbei, die Tryskwyn daraufhin großzügig mit  Wasser und Groß-Skorpionfleisch ausstatteten.

„Unsere Wege mögen sich hier trennen“, sagte Tryskwyn schließlich, nachdem er sich die genaue Lage der Außenweltler-Siedlung hatte beschreiben lassen.

Die Wüsten-Embaan waren darüber sichtlich erleichtert.

Die Abscheulichkeit ging von ihnen – das konnte nur Gutes bedeuten.

Tryskwyn wollte gerade seinen Weg in Richtung der Außenweltler-Siedlung fortsetzen, da schreckten die Wüsten-Embaan plötzlich auf.

Eines der Himmelschiffe explodierte, nachdem es von einem Blitz getroffen worden war, der von einem anderen Schiff ausging.

Die Geister werden stofflich!, ging es Tryskwyn durch den Kopf. Er stand wie gebannt da und war unfähig, sich von dem Anblick abzuwenden.

Glühende Metallstücke regneten in der Umgebung nieder.

Ein Krieg der Geisterschiffe mit den Himmelschiffen der Außenweltler!, erkannte er. Was für ein gewaltiger Kampf!

Nichts, was der Embaan bisher erlebt hatte, war mit diesem Erlebnis vergleichbar. Als im nächsten Moment auch eines der Geisterschiffe sich in einen Glutball verwandelte, verflogen die letzten Zweifel darüber, ob seine Annahme der Wahrheit entsprach.

Er spürte eine Hitzewelle. Und einen leichten Druck – selbst aus so großer Entfernung noch.

Auch die glühenden Trümmer des Geisterschiffs waren ebenso real, wie es jene des Außenweltlerschiffs gewesen waren.

Sie kommen in diese Welt!, erkannte Tryskwyn. Und wenn die Außenweltler sie nicht vertreiben können, dann werden wir es wohl auch nicht. Denn was für mächtige Waffen haben sie! – Uns hingegen bleibt nur die Macht des Rufs.

Die Wüsten-Embaan machten, dass sie davonkamen.

Sie suchten Deckung in den Felsen oder gruben sich in den lockeren Sand ein.

Aber Tryskwyn kannte keine Angst. Er setzte seinen Weg fort in dem Bewusstsein, dass er ein Glücksbringer war und dass es der Wille der Macht hinter der Welt sein musste, die ihn hier her geführt hatte. Wer sonst hätte dafür sorgen können, dass die Wüsten-Embaan genau in dem Moment hier zur Jagd erschienen, in dem ich ihre Hilfe brauchte?

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Zur selben Zeit bekam die L-1 erneut einen schweren Treffer während des Atmosphärenflugs. „Stabilisator 2, 5 und 6 sind ausgefallen“, meinte Moss Triffler. „Es wird jetzt etwas rumpeln, wenn wir zu Boden gehen. Das kann ich leider nicht ändern. Aber ich bin schon froh, wenn ich die L-1 in einem Stück ans Ziel bringe. Höhere Ansprüche bitte ich nicht zu stellen!“

Der Pilot der L-1 saß sehr angespannt in seinem Schalensitz. Die Antigrav-Sicherung war eingeschaltet, damit die drei Besatzungsmitglieder des Shuttles nicht einfach aus dem Sessel geschleudert wurden. Zusätzlich wurden jedoch ganz konventionelle Sicherheitsgurte angelegt. Schließlich konnte niemand garantieren, dass es in den letzten Sekunden vor der Landung nicht noch einen kompletten Ausfall aller Systeme gab.

Die Station der Fulirr erschien auf dem Ortungsschirm.

Moss Triffler steuerte sie direkt an. Aber die Geschwindigkeit war noch viel zu hoch. Es ließ sich keine ausreichende Bremsung durchführen. Außerdem war der Anflugwinkel nicht ganz korrekt.

Die L-1 berührte den Boden.

Sie pflügte förmlich durch den feinen Sand und spülte ihn  wie ein Motorboot seine Bugwelle zur Seite.

Dann kam die Fähre mit einem Ruck zum stehen.

Die Andruckabsorber dämpften die schlimmsten Auswirkungen ab, aber sie arbeiteten wohl nicht mehr auf vollem Level. Doch das spielte jetzt keine Rolle mehr.

„Die Krähe ist gelandet!“, rief Moss Triffler. Als Bruder Padraig ihn daraufhin etwas verwundert ansah, meinte er an den Olvanorer gerichtet: „Na ja, diese Kiste als Adler zu bezeichnen wäre ja vielleicht etwas übertrieben, oder?“

Bruder Padraig kam nicht dazu, etwas zu erwidern, da sich jetzt Fähnrich Sakur zu Wort meldete.

„Die L-1 dürfte nicht mehr startfähig sein. Wenn uns hier niemand herausholt, sitzen wir fest! Abgesehen davon scheinen über uns heftige Luftkämpfe im Gang zu sein. Wir sollten also noch etwas abwarten, bis wir uns ins Freie wagen.“

„Versuchen Sie die Station der Fulirr anzufunken, Mister Triffler“, forderte Bruder Padraig.

„Negativ, Sir. Keine Reaktion. Ich würde sagen, die ist komplett evakuiert. Auch wenn vielleicht so mancher von denen, die da geflohen sind, schon bald wieder auf den Boden der Tatsachen geholt werden wird.“

„Funken Sie ein Positionssignal, damit man auf der STERNENKRIEGER weiß, wo genau wir sind“, forderte Bruder Padraig. „Und außerdem kontaktieren Sie den Captain.“

„Aye, aye, Sir.“

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6. Kapitel: Der Himmel ist schwarz

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In Kürze wird der Umgang mit Antimaterie für uns so selbstverständlich werden wie es die Verwendung von Dynamit einst wurde!

Professor Dr. Yasuhiro von Schlichten in einem geheimen Meeting mit dem Führungsstab des Star Corp vor dem ersten Testeinsatz einer solaren Antimateriebombe, Anno 2250

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ICH HOFFE, DASS ICH mit diesem Teufelszeug nie wieder arbeiten muss!

Professor Yasuhiro von Schlichten zu einem Kollegen nach seiner Rückkehr von der gescheiterten Testmission der STERNENKRIEGER im Apollo-System; Anno 2250

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In der Bastion des Nalhsara lief die Abstimmung auf Hochtouren.

Das Ergebnis stand nach wenigen Minuten fest, obwohl diese Abstimmung Nalhsara-wide durchgeführt wurde und sich jeder Fulirr daran beteiligen konnte, der in der Lage war, die entsprechende Übertragungstechnik zu bedienen.

„Das Nalhsara hat seine Entscheidung gefällt“, sagte Tamrrrad. Seine Worte klangen mit geringer Verzögerung auch aus Commander Reillys Translator. „Das Nalhsara sieht die Zerstörung des Planeten als gerechtfertigt an. Die Gefahr, die von Barasamdan III ausgeht ist zu groß, als dass man länger zögern dürfte.“

„Wir könnten noch etwas warten, um zumindest einigen der Evakuierten eine Chance zu geben“, wandte Shrrromwuarrr ein.

„Das werden wir auch. Die Zündung der Antimateriewaffen wird auf einen Zeitpunkt gelegt, der von jetzt an 7 Mikro-Taschrirr in der Zukunft liegt“, verkündete der Kommandant. „Die Evakuierung der Bastion beginnt bei 5 Mikro-Taschrirr von jetzt an.“ Er war froh, dass die Allgemeinheit des Nalhsara ihm die Verantwortung für diese Handlungsweise abgenommen hatte. Und doch wird man dich eines Tages damit identifizieren. Das ist gar nicht zu verhindern!, ging es ihm durch den Kopf.

Commander Reilly sprach Tamrrrad an.

„Ich erhalte gerade eine Nachricht von unserem Shuttle. Es musste auf Grund der Kämpfe im Orbit auf dem Planeten notlanden.“

„Das ist bedauerlich. Aber ich fürchte, es wird unmöglich sein, ihnen zu helfen. Die Zeit bis zur Vernichtung des Planeten beträgt maximal anderthalb Stunden nach Ihren Zeitbegriffen, wenn mein Translator das richtig angibt. Selbst für Schiffe mit unserer Technologie ist es vollkommen illusorisch, in dieser Zeit die Stelle zu erreichen, wo Ihre Leute notgelandet sind und anschließend nicht nur schnell genug den Orbit zu erreichen, sondern sich auch noch zeitig genug aus dem Einflussbereich der Mini Black Holes zu entfernen. Ich wüsste nicht, wie das gelingen sollte. Und das alles in einem Gebiet, das hart umkämpft wird!“

„Von dem Schicksal unserer Leute mal ganz abgesehen: Sie wollen bedenkenlos einen ganzen Planeten inklusive seiner Bevölkerung zerstören“, stellte Reilly fest. „Ich weiß über die Einheimischen zwar nur, dass sie existieren, aber auch wenn sie primitiv sein mögen, so gibt Ihnen das nicht das Recht, einen Völkermord zu begehen.“

„Das Nalhsara hat es so beschlossen. Das ist Demokratie. Ich kann es leider nicht ändern. Ebenso wenig wie ich das Schicksal Ihrer Leute ändern kann. Glauben Sie mir, ich würde es tun, wenn es in meiner Macht stünde, Commander Reilly. Aber in dieser Sache sind mir nun einmal die Hände gebunden.“

„Es ist vollkommen gleichgültig, ob diese Entscheidung demokratisch zustande gekommen ist oder nicht. Sie ist zutiefst inhuman.“

„Sie haben keine Ahnung,  welche Gefahr von Barasamdan III ausgeht, Commander Reilly!“

„Dann würde ich vorschlagen, dass Sie uns jetzt endlich darüber aufklären! Hat es irgendetwas mit dem Verschwinden des Riesen-Arachnoiden zu tun?“

Der Kommunikator des Captains der STERNENKRIEGER summte.

Commander Reilly nahm das Gespräch entgegen.

Auf dem Mini-Display erschien das Gesicht von Bruder Padraig.

„Wie geht es Ihnen, Padraig?“, fragte Reilly.

„Die Notlandung haben wir erfolgreich hinter uns gebracht. Aber wie ich Ihnen vorhin ja schon meldete, ist mit der L-1 nichts mehr zu machen. Unsere Ortungsgeräte zeigen hier Werte an, die sich mir als eine Art Riss in der Raumzeit interpretieren lassen. Es scheint Hunderte solcher kleineren oder größeren Risse zu geben – und durch sie dringen die Schiffe dieser käferartigen Fremden in unser Universum ein!“

Reilly wandte sich an Tamrrrad.

Er war sich sicher, dass Bruder Padraigs Worte vom Translator des Kommandanten übertragen worden waren. „Wollen Sie dazu etwas sagen, Kommandant Tamrrrad?“

Tamrrrad zögerte.

Ein gurgelnder Laut kam aus der Tiefe seiner Kehle. Aber dieses Geräusch gehörte wohl nicht zum bewusst artikulierten Spektrum der Fulirr.

Es war wohl eher mit einem menschlichen Seufzen oder Stöhnen vergleichbar.

„Seit vierhundert Erdenjahren sind wir nun schon in diesem System und betreiben hier eine Station.“

„Gehörte damals das Gebiet nicht noch zum Reich der K'aradan?“, fragte Reilly.

Der Kommandant der Bastion des Nalhsara bestätigte dies. „Ja, offiziell schon. Inoffiziell hatte das Reich von Aradan an dem System kein Interesse. Die Fulirr errichteten hier einen Vorposten, dessen Funktionen zunächst in erster Linie etwas mit Spionage zu tun hatten. Im Laufe der Zeit fielen uns die umliegenden Systeme zu und Barasamdan wurde ein Teil des dem Nalhsara unterstehenden Territoriums. Von Anfang an stießen unsere Forscher auf Anomalien in der Raumzeit und suchten nach den Ursachen. Die einheimischen elefantoiden Intelligenzen auf dem Planeten nennen sich selbst Embaan. Das besondere an ihnen ist, dass sie ein Sinnesorgan für 5-D-Impulse besitzen. Weitere Untersuchungen brachten ans Tageslicht, dass fast alle Lebewesen auf Barasamdan III einen Sinn für 5-D-Impulse besitzen. Einige von ihnen vermögen mit sogenannten Rufen, die auf diesem Kanal abgegeben werden, sogar zu töten. Natürlich funktioniert das nur bei Wesen, die ihrerseits einen 5-D-Sinn besitzen. Für Menschen oder Fulirr sind diese Rufe völlig ungefährlich. Es musste einen Sinn für die Fauna dieses Planeten haben, solche Signale wahrnehmen zu können. Und dann stießen wir auf des Rätsels Lösung.“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihre Maßnahme dadurch gerechtfertigt werden könnte!“

„Es existiert ein Paralleluniversum, das dem unseren offenbar hier im Barasamdan-System besonders nahe kommt. Dort bevölkert ein käferartiges Volk, die Meresken, ein unglaublich großes Imperium. Und Sie haben wiederholt versucht, auch die Grenze zwischen den Universen zu  überschreiten, was ihnen schon mehrfach zumindest teilweise gelungen ist. Der 5-D-Sinn der Embaan reicht aus, wie wir herausfanden, um diese Wesen in ihrem Universum beobachten zu können. Die Meresken erscheinen den Embaan wie Geister. Wir zeichnen regelmäßig mit Richtmikrophonen die mündliche Kommunikation unter ihnen auf. Vor allem bei Ritualen der Schamanen. Aber auch die ganz normale Alltagskommunikation wird von uns durch ein Netz von Mikrofonen erfasst und von unseren Rechner-Systemen auf alles untersucht, was irgendwie mit dem Meresken zu tun haben könnte. Vor allem suchen wir natürlich nach Hinweisen für eine mögliche Invasion.“

Details

Seiten
Erscheinungsjahr
2018
ISBN (ePUB)
9783738920529
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Juni)
Schlagworte
großband chronik sternenkrieger acht romane

Autor

  • Alfred Bekker (Autor:in)

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Titel: Großband #7 - Chronik der Sternenkrieger: Acht Sternenkrieger Romane