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Folge 37/38: Chronik der Sternenkrieger Doppelband: Zerstörer/Sunfrosts Weg

von Alfred Bekker (Autor:in)
©2018 300 Seiten

Zusammenfassung

Folge 37/38: Chronik der Sternenkrieger Doppelband: Zerstörer/Sunfrosts Weg
von Alfred Bekker

Mitte des 23. Jahrhunderts werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner.

In dieser Zeit bricht die STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf...

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jack Raymond, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

DIESES E-BOOK ENTHIELT ZUNÄCHST EINE INHALTSDATEI MIT DEN FALSCHEN ROMANEN. DIES WURDE KORRIGIERT.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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Folge 37/38: Chronik der Sternenkrieger Doppelband: Zerstörer/Sunfrosts Weg

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von Alfred Bekker

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MITTE DES 23. JAHRHUNDERTS werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner.

In dieser Zeit bricht die STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf...

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ALFRED BEKKER IST EIN bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jack Raymond, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

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Copyright

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

Cover: Steve Mayer

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Chronik der Sternenkrieger 37: Zerstörer

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von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 107 Taschenbuchseiten.

Ein geheimnisvoller Ruf hat das Volk der Etnord erreicht, mit dem sich die Menschheit und ihre Verbündeten einen furchtbaren Krieg lieferten. Jetzt verlassen die Etnord ihre Welten um einem geheimnisvollen Ziel entgegenzustreben.

Wie man aus einem entschlüsselten Funkspruch inzwischen weiß, ist das sogenannte Black Hole X das Ziel des kosmischen Exodus.

Das alles geschieht weit ab vom irdischen Sektor auf der anderen Seite der Galaxis, mehr als vierzigtausend Lichtjahre entfernt in einem Raumsektor, der nur per Wurmlochpassage erreichbar ist.

Zwei Raumschiffe des Space Army Corps der Humanen Welten sind dorthin aufgebrochen, um das Geheimnis zu lüften: Die STERNENKRIEGER und die SONNENWIND.

Währenddessen scheint das Wurmloch, das jene ferne Region der Galaxis mit dem irdischen Sektor verbindet, instabil zu werden. Noch wissen es die Raumfahrer in der Ferne nicht, aber es ist fraglich, ob eine Rückkehr von ihrer Expedition überhaupt möglich ist...

Aber zwei Wissenschaftler lassen sich von solchen Schwierigkeiten nicht beeindrucken und wagen das Unmögliche.

Alfred Bekker schrieb die fesselnden Space Operas der Serie CHRONIK DER STERNENKRIEGER. Seine Romane um DAS REICH DER ELBEN, die GORIAN-Trilogie und die DRACHENERDE-SAGA machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er schrieb für junge Leser die Fantasy-Zyklen ELBENKINDER, DIE WILDEN ORKS, ZWERGENKINDER und ELVANY sowie historische Abenteuer wie DER GEHEIMNISVOLLE MÖNCH, LEONARDOS DRACHEN, TUTENCHAMUN UND DIE FALSCHE MUMIE und andere. In seinem Kriminalroman DER TEUFEL VON MÜNSTER machte er mit dem Elbenkrieger Branagorn eine Hauptfigur seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einem höchst irdischen Mordfall. Zuletzt erschien DER BEFREIER DER HALBLINGE bei Blanvalet.

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Übersicht über die Serie “Chronik der Sternenkrieger”

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in chronologischer Reihenfolge

Terrifors Geschichte: Space Army Corps (Handlungszeit 2238)

Erstes Kommando: Extra-Roman  (Handlungszeit 2242)

Chronik der Sternenkrieger 1 Captain auf der Brücke  (Handlungszeit 2250)

Chronik der Sternenkrieger 2 Sieben Monde  

Chronik der Sternenkrieger 3 Prototyp

Chronik der Sternenkrieger 4 Heiliges Imperium

Chronik der Sternenkrieger 5 Der Wega-Krieg

Chronik der Sternenkrieger 6 Zwischen allen Fronten

Chronik der Sternenkrieger 7 Höllenplanet

Chronik der Sternenkrieger 8 Wahre Marsianer

Chronik der Sternenkrieger 9 Überfall der Naarash

Chronik der Sternenkrieger 10 Der Palast

Chronik der Sternenkrieger 11 Angriff auf Alpha

Chronik der Sternenkrieger 12 Hinter dem Wurmloch

Chronik der Sternenkrieger 13 Letzte Chance

Chronik der Sternenkrieger 14 Dunkle Welten

Chronik der Sternenkrieger 15 In den Höhlen

Chronik der Sternenkrieger 16 Die Feuerwelt

Chronik der Sternenkrieger 17 Die Invasion

Chronik der Sternenkrieger 18 Planetarer Kampf

Chronik der Sternenkrieger 19 Notlandung

Chronik der Sternenkrieger 20 Vergeltung

Chronik der Sternenkrieger 21 Ins Herz des Feindes

Chronik der Sternenkrieger 22 Sklavenschiff

Chronik der Sternenkrieger 23 Alte Götter

Chronik der Sternenkrieger 24 Schlachtpläne

Chronik der Sternenkrieger 25 Aussichtslos

Chronik der Sternenkrieger 26 Schläfer

Chronik der Sternenkrieger 27 In Ruuneds Reich

Chronik der Sternenkrieger 28 Die verschwundenen Raumschiffe

Chronik der Sternenkrieger 29 Die Spur der Götter

Chronik der Sternenkrieger 30 Mission der Verlorenen

Chronik der Sternenkrieger 31 Planet der Wyyryy

Chronik der Sternenkrieger 32 Absturz des Phoenix

Chronik der Sternenkrieger 33 Goldenes Artefakt

Chronik der Sternenkrieger 34 Hundssterne

Chronik der Sternenkrieger 35 Ukasis Hölle

Chronik der Sternenkrieger 36 Die Exodus-Flotte (Handlungszeit 2256)

Chronik der Sternenkrieger 37 Zerstörer

Chronik der Sternenkrieger 38 Sunfrosts Weg (in Vorbereitung)

Sammelbände:

Sammelband 1: Captain und Commander

Sammelband 2: Raumgefechte

Sammelband 3: Ferne Galaxis

Sammelband 4: Kosmischer Feind

Sammelband 5: Der Etnord-Krieg

Sammelband 6: Götter und Gegner

Sammelband 7: Schlächter des Alls

Sammelband 8: Verlorene Götter

Sammelband 9: Galaktischer Ruf

Sonderausgaben:

Der Anfang der Sage (enthält “Terrifors Geschichte”, “Erstes Kommando” und

Chronik der Sternenkrieger #1-4)

Im Dienst des Space Army Corps (enthält “Terrifors Geschichte”, “Erstes Kommando”)

Druckausgabe (auch als E-Book):

Chronik der Sternenkrieger: Drei Abenteuer #1 -12 (#1 enthält Terrifors Geschichte, Erstes Kommando und Captain auf der Brücke, die folgenden enthalten jeweils drei Bände und folgen der Nummerierung von Band 2 “Sieben Monde” an.)

Ferner erschienen Doppelbände, teilweise auch im Druck.

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Copyright

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2016 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

Cover: Steve Mayer

Die Hauptpersonen des Romans:

Captain Rena Sunfrost - Kommandantin der STERNENKRIEGER.

Commander Van Doren - Erster Offizier der STERNENKRIEGER

Lieutenant Commander Robert Ukasi - Taktikoffizier und Zweiter Offizier.

Lieutenant Wiley Riggs - Ortungsoffizier

Lieutenant Erixon - Chefingenieur der STERNENKRIEGER

Corporal Raggie S. Terrifor - kommandiert die Space Marines Truppe an Bord.

Lieutenant Jamalkerim - Kommunikationsoffizierin.

Lieutenant John Taranos - Rudergänger.

Fähnrich Al-Katibi - Zweiter Rudergänger.

Bruder Guillermo - eigentlich Guillermo Benford, gehört dem Wissenschaftlerorden der Olvanorer an.

Dr. Ash Trent - Schiffsarzt.

Captain Barus - Kommandant des Schwesterschiffs der STERNENKRIEGER.

Commander McKee - Erste Offizierin unter Captain Barus.

Lieutenant Commander Webber J. Davidson - Taktikoffizier.

Lieutenant James Teluvion - Ortungsoffizier

Lieutenant Guofeng Smith - Kommunikationsoffizier.

Die Canyaj - eine anorganische Spezies.

Die Yyroa - humanoide, PSI-begabte Spezies.

Fairoglan und Shafor - Die Sucher und Kundschafter der Yyroa-Koalition.

Admiral Ned Nainovel - Kommandant der LEVIATHAN und derzeit Wächter an der Wurmloch-Porta.

Raphael Wong - gerade vom Commander zum Captain des Zerstörers ODYSSEUS ernannter Ex-I.O. der STERNENKRIEGER.

Commander Kronstein - Erster Offizier der ODYSSEUS.

Dr. Patricia Mangoli - gehört zum medizinischen Team an Bord des Zerstörers ODYSSEUS.

Master Sergeant J. L. Gerard - Space Marine an Bord der ODYSSEUS.

Private T.J. Kells - Space Marine an Bord des Zerstörers ODYSSEUS.

Private A. Laroche - Space Marine an Bord des Zerstörers ODYSSEUS.

Lieutenant Messina - Shuttle-Pilotin der ODYSSEUS LANDER 5

Commander Jorian Kelly - Taktikoffizier des Zerstörers ODYSSEUS, umweltangepasster Supererden-Zwerg von dem irdischen Kolonialplaneten Maldena 22b

Lieutenant Brett C. Zimmer - genetisch optimierter Rudergänger der ODYSSEUS, ehemals in der Raumflotte der Genetiker-Föderation der Drei Systeme. Das “C” in seinem Namen steht für Calculator, da sein Hirn im Hinblick auf besondere mathematische Fähigkeiten hin genetisch optimiert wurde.

Lieutenant Evan Ludvik Danielsson - Ortungsoffizier der ODYSSEUS.

Fähnrich D. Y. Bayle - zeitweilig Kommunikationsoffizier der ODYSSEUS

Lieutenant Commander S. D. Carver - Leitender Ingenieur der ODYSSEUS.

Professor Yasuhiro John Hermann Wolfgang von Schlichten - ein genialer Wissenschaftler.

Yngvar “Mac” MacKenzie - Linguist und Kryptologe.

Das Kind William - umgibt ein Geheimnis.

Commodore Nasomo - Befehlshaber der THORS HAMMER, einem Schlachtschiff der Dreadnought-Klasse.

Admiral Raimondo - die graue Eminenz des Space Army Corps und der Humanen Welten.

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“Hallo! Raumyacht WXQ-11 bitte kommen! Sie empfangen eine Nachricht des Schlachtschiffs THORS HAMMER im Dienst des Space Army Corps der Humanen Welten. Antworten Sie, WXQ-11!”

Zwei Männer befanden sich an Bord der Raumyacht.

Beide waren Wissenschaftler.

Und beide verdrehten in diesem Augenblick die Augen, wenn auch nicht aus demselben Grund.

“Wie lange wollen Sie die noch zappeln lassen, Professor von Schlichten?”, fragte Yngvar “Mac” MacKenzie. Das Wort Professor sprach er dabei auf eine Weise aus, die man nur als ironisch verstehen konnte. “Langsam wäre es vielleicht doch höflich, mal zu antworten, würde ich sagen.”

Von Schlichten machte eine wegwerfende Handbewegung. “Ich weiß ohnehin, was die uns sagen wollen.”

“Das ist ihr Job!”

“Und mein Job ist es ganz sicher nicht, ein paar Idioten aus den Reihen des Space Army Corps geduldig zuzuhören, bis deren kleine Hirne endlich begriffen haben, worum es hier eigentlich geht!”

“Klingt ein bisschen hochmütig, würde ich sagen.”

“Ach wirklich, Mac?”

“Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob ich Ihnen in Zukunft noch erlauben soll, dass Sie mich Mac nennen.”

“Sehen Sie, Mac, das ist der Unterschied zwischen uns: Ich tue es einfach und frage Sie gar nicht.”

MacKenzie hob die Augenbrauen. Der Linguist und Kryptologe stand einen Augenblick wie zur Salzsäule erstarrt da, dann langte er kurz entschlossen zum Terminal der nächstgelegenen Konsole und schaltete den Kanal frei.

“Hier ist MacKenzie. Sie können sprechen.”

Er aktivierte nun sogar den Video-Kanal.

Auf dem Hauptschirm der Raumyacht erschien das Gesicht von Commodore Hank Ibrahim Nasomo, dem Kommandanten des Schlachtschiffs THORS HAMMER, das zur Zeit bei Wurmloch Alpha Patrouille flog und die Porta des irdischen Sektors bewachte. Die THORS HAMMER wurde dabei von einer Flottille aus Zerstörern und Leichten Kreuzern unterstützt. Bis vor kurzem hatte das Schlachtschiff LIBERTY für die Wächterflottille bei Wurmloch Alpha die Funktion des kommandoführenden Flaggschiffs ausgefüllt. Doch die LIBERTY war nach mehrmonatigem Einsatz in dem betreffenden Raumgebiet abberufen und als Flottillenflaggschiff durch die THORS HAMMER abgelöst worden. An Bord der LIBERTY mussten dringend Wartungsarbeiten durchgeführt werden. Dazu hatte sie Kurs auf das nächstgelegene Spacedock genommen. Anschließend sollte sie in das Raumgebiet um Wurmloch Alpha zurückkehren und die dortige Flottille zusätzlich verstärken.

Dies war der angespannten Sicherheitslage geschuldet.

Wurmloch Alpha war einerseits eine Verbindung zur anderen Seite der Galaxis, einer Raumregion, die man normalerweise vom Gebiet der Humanen Welten aus nicht einmal hätte beobachten, geschweige denn mit Raumschiffen erreichen können. Andererseits ging von diesem Wurmloch auch eine permanente Gefahr aus. Eine Gefahr, die sich beispielsweise in Form von Invasoren manifestieren konnte, wie sich zuletzt gezeigt hatte, als die Etnord über die Wurmlochstraßen der Alten Götter in den irdischen Sektor der Galaxis gelangt waren und einen furchtbaren Vernichtungsfeldzug begonnen hatten.

Etwas Vergleichbares konnte immer wieder geschehen. Auch wenn mit einem Angriff der Etnord bis auf weiteres nicht zu rechnen war, da sie genau wusste, dass die Menschheit im Besitz des Anti-Etnord-Virus war, der die Invasoren vernichten konnte. Außerdem folgten die Etnord zurzeit jenem geheimnisvollen Ruf, der wohl auch in Zusammenhang mit dem Auftauchen eigenartiger Lichtsonden unbekannter Herkunft stand.

Aber es war ja nicht garantiert, dass nicht andere Mächte etwas Ähnliches versuchten, wie es die Etnord getan hatten.

Und davon abgesehen war Wurmloch Alpha ein strategisch wichtiger Punkt, der sehr schnell auch den Neid und die Eroberungslust derer wecken konnte, die zurzeit mit der Menschheit verbündet waren.

Sofern das Space Army Corps hier auch nur die kleinste Schwäche zeigte, würden Qriid, Fulirr oder das mächtige Reich der K’aradan die erstbeste Gelegenheit nutzen, um sich dieses Wurmloch unter Nagel zu reißen und damit die einzige vollständig bekannte Verbindung in den auf der anderen Seite gelegenen Trans-Alpha-Sektor zu kontrollieren.

Es gab zwar mit Wurmloch Beta noch einen zweiten Eingang nach ‘Drüben’, wie man den gegengalaktischen Sektor mitunter auch nannte. Aber das Problem war, dass völlig unbekannt war, wo sich der Ausgang auf der Trans-Alpha-Seite befand.

Die Etnord hatten die Wurmlöcher für ihre Invasion des irdischen Sektors benutzt und selbst wenn sie jetzt, nachdem sie die eroberten Gebiete in Trans Alpha verließen, um dem mysteriösen Ruf zu folgen, dann hieß das noch nicht, dass in Zukunft keine Gefahr mehr von ihnen ausgegangen wäre.

Es war ja schließlich auch nicht ausgeschlossen, dass dies nur eine vorübergehende Phase war und die Etnord später zurückkehrten.

Niemand wusste Genaueres über die Pläne des sogenannten Herrn der Etnord.

Und schon gar nichts wusste man über die Pläne jener Mächte, die vielleicht hinter den Etnord standen und sie lenkten.

“Hier Nasomo”, sagte der Commodore. “Von Schlichten, Sie benehmen sich wie ein trotzköpfiges, kleines Kind. Ihnen ist mitgeteilt worden, dass es im Moment nicht möglich ist, das Wurmloch zu durchfliegen.”

“Man hat mir so einiges mitgeteilt”, sagte von Schlichten. “Und manches auch nicht. Und aus dem, was man mir mitgeteilt hat und dem, was man mir verschwieg, kann man durchaus ein Muster erkennen.”

“Ich weiß nicht, welchen Verschwörungstheorien Sie anhängen, Professor”, sagte Commodore Nasomo sehr ruhig. Er schien nicht im geringsten die Absicht zu haben, sich durch den Wissenschaftler provozieren zu lassen, der ja allgemein als gleichermaßen genial wie charakterlich schwierig bekannt war. "Es ging eigentlich nur darum, Sie vor einer schrecklichen Dummheit zu bewahren, die ihnen das Leben kosten könnte, Professor", fuhr Commodore Nasomo fort. "Wir beobachten seit kurzem Schwankungen in den Quantenkonstanzwerten des Wurmlochs. Schon bei der Passage des Zerstörers ODYSSEUS kam es zu Komplikationen. Ich mochte Sie also bitten..."

"Erzählen Sie mir nichts über Wurmlöcher, Quantenkonstanten oder die Technik der Alten Götter, denen wir diese transgalaktische Sternenstraße wohl verdanken..."

"Professor..."

"Von diesen Dingen verstehen Sie nämlich gerade mal so viel wie ein toter Hund vom Beißen oder ein katholischer Priester von einer Frau. Also belästigen Sie uns nicht weiter und lassen Sie uns einfach passieren."

"Das kann ich nicht, Professor. Ich habe strikte Anweisung, zurzeit niemanden die Porta des Wurmlochs passieren zu lassen. Niemanden, verstehen Sie die Bedeutung dieses schlichten Wortes, Professor. Das schließt Sie unglücklicherweise mit ein."

"Was Sie nicht sagen..."

"Also drehen Sie ab. Es wurde versucht, Ihnen auf freundliche Weise zu erklären, wie die Situation hier ist. Dem ist nichts hinzuzufügen. "

"Ich muss nach Trans Alpha! "

"Ein andernmal, von Schlichten."

"Wollen Sie wirklich als derjenige in die Geschichte eingehen, der verhinderte, dass die Menschheit dem Geheimnis der Alten Götter auf die Spur kam? Wollen Sie wirklich derjenige sein, dem wir alle verdanken werden, dass andere sich das Erbe dieser uralten Rasse unter den Nagel reißen werden? Wesen, die uns nicht besonders wohl gesonnen sind und die menschlichen Körper oder die Körper anderer Spezies lediglich als Werkzeuge sehen, als Wirtskörper ihrer eigenen parasitenhaften Existenz."

Commodore Nasomo runzelte die Stirn. "Sie sprechen von den Etnord?"

Ja, man muss den Feind erwähnen, dann bekommt man das Gehör eines Militärs!, ging es von Schlichten durch den Kopf. Da sieht man doch einmal wieder, was für Holzköpfe das sind! Scheint wohl das Beste zu sein, wenn ich mich auf die einfachen Denkstrukturen dieser einfältigen Kreatur einzustelle. Nennt man die Space Army Corps Akademie nicht auch die Hilfsschule der Humanen Welten? Und so einem Schwachsinnigen gibt man die Kontrolle über den wichtigsten Verbindungsweg in der Galaxis!

Von Schlichten konnte sich kaum beruhigen.

In seinem Inneren brodelte es.

Er hasste es, wenn ihm jemand Vorschriften machen wollte.

Ganz besonders hasste er es allerdings, wenn ihm jemand Vorschriften zu machen versuchte, den er schlicht für einen Dummkopf hielt.

"Meine Anweisungen sind eindeutig, Professor", sagte Commodore Nasomo - erstaunlicherweise noch immer ruhig und sachlich. "Drehen Sie ab. In einem Punkt haben Sie vermutlich recht. Über die potentiellen Gefahren einer misslungenen Wurmlochpassage und was es bedeuten kann, wenn die Porta ihre Stabilität verliert, weiß wahrscheinlich auf den ganzen Humanen Welten niemand so gut Bescheid wie Sie. Und wenn Sie Ihr eigenes Wissen ignorieren, ist das Ihre Sache. Passieren lassen kann ich Sie trotzdem nicht."

"Und was werden Sie tun, wenn ich mich nicht an Ihre Anweisungen halte, Commodore?"

"Von Schlichten, ich..."

"Wollen Sie dann auf mich schießen, Commodore? Beinhalten die Anweisungen, die Sie erhalten haben, auch den Befehl, eine harmlose Raumyacht mit Ihren Gauss-Geschützen zu zerballern?  Wenn dem so sein sollte, dann sollten Sie mich vielleicht auch auf diese Gefahr aufmerksam machen, anstatt dass Sie irgendwelche Dinge über eine Wurmloch Porta daherfaseln, denen man anmerkt, dass während Ihrer Ausbildung auf der Space Army Corps Akademie das Fach Astrophysik ganz offensichtlich entweder ausgefallen ist oder nicht prüfungsrelevant war!"

"Professor, ich warne Sie zum letzten..."

"Guten Tag, Commodore."

Daraufhin unterbrach von Schlichten die Verbindung.

"Ich weiß nicht, ob das wirklich klug war", sagte MacKenzie.

"Fangen Sie nicht auch noch an, Mac."

Auf dem Schirm war noch für einen kurzen Moment das Emblem des Space Army Corps zu sehen, nachdem Commodore Nasomo ausgeblendet worden war.

Jetzt hatte auch das Emblem wieder der freien Sicht in den näheren Weltraum Platz gemacht. Man konnte den gewaltigen Schiffskörper der THORS HAMMER sehen. Ein Schlachtschiff der Dreadnought Klasse, wie man sie vor allem während des ersten Qriid-Krieges in Dienst gestellt hatte. Kein Schiffstyp der Raumflotte hatte mehr Geschützbatterien als die THORS HAMMER und ihre Schwesterschiffe wie die NEW CALIFORNIA oder die LIBERTY.

Allein der Anblick dieses Giganten hätte eigentlich schon genügen sollen, um jeden einzuschüchtern, der auch nur einen Gedanken daran verschwendet hätte, sich mit dem Space Army Corps anzulegen.

Aber für jemanden, der so furchtlos veranlagt (man könnte auch kaltschnäuzig sagen) wie von Schlichten war, galt all des nicht.

Das war Psychologie.

Und davon ließ von Schlichten sich grundsätzlich nicht beeindrucken.

Er ging an die Steuerkonsole der Raumyacht.

“Schiffscomputer! Kurs festsetzen. Volle Kraft voraus und Kurs auf die Wurmloch-Porta”, sagte der Wissenschaftler. Das Terminal war auf Spracheingabe geschaltet. Bevor MacKenzie irgendeinen Einwand bringen konnte, wandte sich von Schlichten dann an seinen Mitreisenden. “Ich denke, wir sind uns darin einig, dass unsere Mission absolute Dringlichkeit hat.”

“Darin schon. In ein paar anderen Punkte allerdings nicht.”

“Mac, jetzt machen Sie sich mal nicht in die Hosen. Weder wegen diesem aufgeblasenen Commodore noch wegen dem Wurmloch. Was Nasomo angeht, der wird ganz bestimmt nicht auf uns schießen lassen! Schon deshalb nicht, weil er dann selbst in Teufels Küche käme. Und was das Wurmloch angeht, da sollten Sie am besten mir vertrauen und nicht der Halbbildung dieses Militärs.”

“Die Werte zeigen tatsächlich an, dass es Probleme bei der Passage geben könnte.”

“Die Werte zeigen so etwas ziemlich oft an, Mac. Und wer Angst hat, sollte sich gar nicht erst auf so eine Passage begeben. Glauben Sie mir, ich bin zwar bereit, das eine oder andere Risiko einzugehen, aber wenn Sie mich für einen Selbstmörder halten, dann sind Sie völlig im Irrtum.”

MacKenzie atmete tief durch.

“Das will ich hoffen.”

“Glauben Sie mir, das alles beunruhigt Sie nur, weil Sie als Kryptologe und Linguist von diesen Dingen nichts verstehen. Für mich sind die Dinge vollkommen klar. Zumindest, was dieses Wurmloch betrifft.”

“Das ist ja schön zu hören.”

“Sollten Sie trotzdem unsicher sein, dann biete ich Ihnen sogar an, sich mit einer der Rettungskapseln abzusetzen. Nasomo würde Sie mit Sicherheit von seinen Beibooten einsammeln lassen.”

“Nein danke, nicht nötig, von Schlichten.”

“Wirklich nicht?”

“Wir ziehen das durch.”

Von Schlichten nickte. “Eigentlich hatte ich von Ihnen auch nichts anderes erwartet, Mac!”

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Die Raumyacht beschleunigte und zog an dem gewaltigen  Schlachtschiff vorbei. Warnsignale erreichten das Kommunikationssystem der Raumyacht. Anzeigen blinkten. Die akustischen Signale hatte von Schlichten bereits abgeschaltet.

"Wir ignorieren diese Bande einfach", sagte der Wissenschaftler.

Ein dumpfes Rumoren durchdrang das kleine, aber sehr leistungsfähige Raumschiff aus den Beständen des Far Galaxy Konzerns, das man Professor von Schlichten zur persönlichen Verfügung gestellt hatte.

Das Space Army Corps hatte die STERNENKRIEGER unter Captain Rena Sunfrost und die SONNENWIND unter Captain Barus durch das Wurmloch ins Trans Alpha Gebiet geschickt. Beide Schiffe mussten bereits tief in dem Gebiet sein, das die Etnord im Trans Alpha Sektor erobert hatten.

Sie einzuholen oder zu finden war fast aussichtslos, zumal sie sicher getarnt und unter größtmöglicher Wahrung der Funkstille agierten.

Aber früher oder später werden wir auf sie treffen, ging es von Schlichten durch den Kopf. Das ergab sich schon daraus, dass sie demselben Geheimnis auf der Spur waren.

Kann sogar sein, dass ich eher am Ziel bin, als Sunfrost und Barus, überlegte von Schlichten. Schließlich gibt es niemanden, der mehr von den Alten Göttern und ihren Hinterlassenschaften versteht.

Es hatte ihn tief getroffen, als er davon gehört hatte, dass man die STERNENKRIEGER und die SONNENWIND in den Trans Alpha Sektor geschickt hatte, ohne ihn hinzuzuziehen. Und das auch noch bei einer Mission, die mit Sicherheit etwas mit den Alten Göttern und ihren Hinterlassenschaften zu tun hatte! Die mysteriösen Lichtsonden, die selbst auf der Seite des irdischen Sektors von Wurmloch Alpha aufgetaucht waren, standen damit gewiss in Zusammenhang, ebenso wie der geheimnisvolle Ruf, der die Etnord dazu veranlasste, ihr Gebiet zu verlassen.

Glücklicherweise hatte von Schlichten gute Verbindungen in höchste Kreise der Regierung, des Humanen Rates und der Führung des Space Army Corps. So war er zumindest informiert gewesen.

Aber er glaubte andererseits auch nicht an Zufall oder Willkür als Gründe dafür, dass man ihn zur Mission der zwei Schiffe nicht hinzugebeten hatte.

Nein, dachte von Schlichten, dahinter steckt Admiral Raimondo! Aus irgendeinem Grund, über den ich nur spekulieren kann, will dieser Kerl mich nicht dabei haben! Vielleicht fürchtet er, ich könnte das Wissen der Alten Götter in erster Linie dem Far Galaxy Konzern zur Verfügung stellen, anstatt dem Space Army Corps... Oder es gibt einen anderen Grund für diese Abneigung. Bei Admiral Raimondo kann man nie genau sagen, weshalb er gerade welches Spiel spielt und welche Absicht dahinter steht...

Von Schlichten war es normalerweise gewohnt, seine Mitmenschen restlos zu durchschauen.

Sie waren für ihn offene Bücher.

Ihre Täuschungsmanöver waren oft so offensichtlich und durchsichtig, dass er darüber nur müde lächeln konnte.

Aber Admiral Raimondo ist eine Ausnahme, musste er anerkennen. Notgedrungen anerkennen, denn für jemanden wie von Schlichten war das eine schmerzliche Erkenntnis. Irgendwann, so nahm er sich vor, werde ich diesen Admiral auch noch knacken... Irgendwann... Leider ist mir das nicht rechtzeitig gelungen, um für diese Mission davon zu profitieren.

Die Stimme von MacKenzie drang in von Schlichtens Bewusstsein.

“Die THORS HAMMER schleust bewaffnete Raumboote aus”, stellte der Linguist und Kryptologe fest. Er blickte konzentriert auf das Display seiner Konsole. Dann teilten sich auf dem Hauptschirm zwei Bildfenster ab. Auf dem einen war eine dreidimensionale Übersicht zu sehen, die die Positionen der Raumyacht, des Schlachtschiffs THORS HAMMER und der bisher ausgeschleusten Raumboote veranschaulichte und in Bezug zur Porta des Wurmlochs setzte, sodass man die Entfernungen erfassen konnte.

Das andere Bildfenster zoomte zum Haupthangar der THORS HAMMER hin, wo gerade ein weiteres Raumboot ins freie All gelangte.

Alle waren mit vier Jagdgeschützen an der Frontseite ausgestattet und wurden von vier bis fünf Mann Besatzung geflogen.

Auf den Anzeigen war zu sehen, dass von jedem dieser Raumboote jetzt warnende Botschaften an von Schlichtens Raumyacht geschickt wurden.

Aber der Wissenschaftler dachte nicht daran, sich diese Nachrichten anzuhören oder auf dem Display anzusehen.

Es handelte sich vermutlich ohnehin um automatisch generierte Warnbotschaften ohne individuelle Note.

Aber selbst wenn sich jedesmal ein Raumboot-Kommandant die Mühe gemacht hätte, eine speziell für diesen Einsatz verfasste Nachricht zu erstellen, so war von Schlichten überzeugt davon, dass er sich den Inhalt sparen konnte.

Der lautete bei all diesen Nachrichten wohl auch gleich.

Fort von der Wurmloch-Porta!

Aber genau dort wollte von Schlichten hin.

Er konzentrierte sich jetzt voll auf die Steuerung der Raumyacht. Deren Beschleunigungsvermögen war durchaus besser als bei den Raumbooten, die ihn verfolgten.

Massenproduktion aus der Zeit der Qriid-Kriege, dachte von Schlichten. Vor allem während des ersten Qriid-Krieges waren diese Raumboote in großen Stückzahlen angefertigt worden. Der Aufwand war vergleichsweise gering. Die wenigsten von ihnen verfügten über einen Überlicht-Antrieb. Und in vielen Systemen der Humanen Welten waren sie zeitweilig der einzige Schutz gegen die Qriid-Invasoren gewesen, gegen die sich die Menschheit in zwei blutigen Kriegen hatte zur Wehr setzen müssen. Durchhalten bis ein Schlachtschiff jener Gigantenklasse aus dem Zwischenraum auftauchte, der auch die THORS HAMMER von Commodore Nasomo angehörte.

Aber diese Zeiten waren glücklicherweise ja vorbei...

Von Schlichten schaltete den Unterlicht-Antrieb der Raumyacht auf die höchste Beschleunigungsstufe. Vor allem die Andruckabsorber wurden auf eine harte Probe gestellt. Von Schlichten bemerkte ein leichtes Ziehen. Etwas schien ihn nach hinten zu drücken. Physik, die man am eigenen Leib spüren kann, dachte er. Dieser Druck veranlasste ihn, sich in den bereitstehenden Schalensitz zu setzen. Normalerweise hielt ihn dort nichts. Er war meistens auf den Beinen und hielt es nicht lange in einem Sessel aus. Dazu war er einfach zu umtriebig. Verweilen und ruhig dasitzen war nichts, was seinem Naturell entsprach. Er musste ständig in Bewegung ein. Aber im Moment war es wohl das Beste, sich hinzusetzen. Schließlich wusste man nicht, welche Auswirkungen der hohen Beschleunigung sich noch zeigten. Schließlich war die Raumyacht kein militärisches Schiff, das auch in den Grenzbelastungen vollkommen ausgetestet gewesen wäre.

“Die Distanz zu unseren Verfolgern vergrößert sich”, stellte MacKenzie fest.

“Und sie wird sich weiter vergrößern”, sagte von Schlichten. “Sie können einfach nicht mit uns mithalten.”

“Wollen Sie vielleicht ein Drehmanöver durchführen, um auf die Raumboote schießen zu können?”

Ironie klang in MacKenzies Stimme mit.

Ironie, die von Schlichten in dieser Situation offensichtlich nicht verstand.

Vielleicht lag es daran, dass er im Moment einfach zu angespannt war.

“Ich denke, das wird nicht nötig sein, Mac”, sagte er.

Er hat es tatsächlich erwogen, wurde es MacKenzie in diesem Augenblick schlagartig klar. Von Schlichten würde wirklich rücksichtslos durch jedes Feuer gehen, wenn er sich etwas vorgenommen hat!

Die Raumyacht war mit zwei Geschützen ausgestattet.

Und außerdem ließ sich ein (im Vergleich mit militärischen Einheiten) schwacher Schutzschild generieren. Der schützte gegen Strahlenbelastung, aber auch gegen Feuer der Ionenenkanonen der K’aradan und die Traser-Schüsse der Qriid-Raumer. Zumindest vermutete von Schlichten dies, da er die physikalischen Grundlagen natürlich wie kaum ein zweiter zu beurteilen wusste. Ob das tatsächlich der Fall war, hätte sich erst in einem Gefecht zeigen müssen und dass war dieser Raumyacht bisher glücklicherweise erspart geblieben. Der Schutzschild gehörte in erster Linie deshalb zur Ausstattung, weil man sich damit gefahrloser Strahlungsquellen nähern konnte, was bei manchen Aufgaben, die sich im Rahmen der Far Galaxy Forschung stellten, leider unerlässlich war.

“Ich würde ja lachen, wenn auf der anderen Seite der Wurmloch-Porta ein Space Army Corps Schiff wartet und uns wieder zurückschickt”, meinte MacKenzie.

“Es sind zurzeit sogar zwei Schiffe drüben”, sagte von Schlichten. “Die LEVIATHAN von Admiral Nainovel und die ODYSSEUS von Captain Wong.”

“Sie sind aber verdammt gut informiert!”

“Das ist eine Voraussetzung, wenn man irgendetwas bewegen will!”

“Sie müssen wirklich über sehr gute Quellen verfügen.”

“Es gibt keine Geheimnisse, Mac. Nicht vor einem wirklich scharfen Verstand.”

“Ach, und da kapitulieren alle Geheimnisträger von Flotte, Regierung und wem sonst auch immer gleich vor Ihnen und verraten Ihnen alles, was Sie gerne wissen wollen?”, spottete MacKenzie.

Von Schlichten ignorierte den Spott vollkommen.

Er blieb so ernst wie ein reformierter Prediger. Sein Gesicht war in diesem Augenblick eine versteinerte Maske.

“Sie müssen nicht alles wissen, Mac.”

Es gefiel MacKenzie nicht, dass von Schlichten ihn ‘Mac’ nannte. Aber andererseits wusste MacKenzie sehr genau, dass von Schlichten ihn nur um so öfter ‘Mac’ nennen würde, wenn er daran noch einmal Anstoß nahm. Das hatte er schon oft genug getan. Wahrscheinlich zu oft. Und so etwas reizte von Schlichten nur.

“Ich dachte wir sind ein Team, von Schlichten.”

“Ja. Und jedes Team hat einen Mastermind.”

“Und das sind Sie?”

“Sie vielleicht?”

“Nun...”

“Wir wollen alles tun, um Barus und Sunfrost zu finden - beziehungsweise ihnen zuvor zukommen, bevor die irgendetwas finden, womit sie vielleicht nichts anzufangen wissen. Oder nicht das Richtige, was genauso viel Schaden anrichten kann.” Von Schlichten machte eine ruckartige Kopfbewegung und sah MacKenzie jetzt kurz an. “Da wir gerade von Rena Sunfrost reden...”

“Wechseln wir das Thema.”

“Was macht eigentlich die zarte Beziehung, die Sie untereinander während der Expedition ins Morrhm-Gebiet geknüpft haben?”

“Ich werde mit Ihnen nicht über diese Sache reden, von Schlichten.”

“Wie? Beziehung schon im Eimer? So schnell?” Von Schlichten zuckte mit den Achseln und wandte nun wieder seine volle Konzentration den Anzeigen auf dem Konsolendisplay zu. “Oder sollte ich Ihren angespannten, gereizten Tonfall und Ihre inkongruente Körpersprache etwa so vollkommen missdeutet haben?”

Nein, hat er natürlich nicht!, dachte MacKenzie. Dazu war von Schlichten viel zu schlau und vor allem ein viel zu genauer Beobachter.

Seine Fähigkeiten grenzen manchmal an die Empathie der Olvanorer, ging es MacKenzie durch den Kopf, nur dass den Olvanorer-Mönchen ihre Ordensregeln die Gehässigkeit verbieten, die bei von Schlichten so unüberhörbar ist.

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3

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Von Schlichtens Raumyacht erreichte jetzt den unmittelbaren Bereich vor der Porta.

Einige der verfolgenden bewaffneten Raumboote versuchten auf Abfangkurs zu gehen. Aber sie würden es nicht schaffen, die Raumyacht daran zu hindern, ihr Ziel zu erreichen.

Von Schlichten lächelte zufrieden. “Das ist nicht mehr als eine symbolische Handlung”, stellte er fest.

MacKenzie schien nicht gleich zu begreifen, was von Schlichten meinte. “Wovon sprechen Sie?”

“Von dem Versuch, uns abzufangen”, erklärte von Schlichten. “Commodore Nasomo muss etwas unternehmen. Er muss seinen Willen dokumentieren, uns an der Wurmloch-Passage zu hindern, sonst reißt ihm Admiral Raimondo persönlich den Kopf ab und seine Karriere beim Space Army Corps ist wahrscheinlich zu Ende.”

“So weit ich weiß hat Admiral Raimondo im Moment gar keine Kommandofunkton mehr.”

“Er hat viel mehr. Eine politische Funktion im Humanen Rat nämlich. Und damit ist sein Einfluss noch viel größer, als die des Stabschefs.” Von Schlichten schüttelte den Kopf, während sein Blick konzentriert auf die Anzeigen seiner Konsole gerichtet blieben. “Ich glaube, es ist heute kaum noch möglich, eine Karriere im Space Army Corps zu machen, ohne in irgendeiner Weise dabei von Admiral Raimondo abhängig zu sein. Eine Bande von Günstlingen sind unsere Raumstreitkräfte geworden!” Die ganze Verachtung und Enttäuschung, die von Schlichten empfand, klang in diesen Worten mit. Verachtung gegenüber Raimondo und all jenen, die er für Speichellecker hielt. Und Enttäuschung darüber, dass man ihn am größten Unternehmen der Menschheitsgeschichte nicht hatte teilnehmen lassen wollen. So nämlich sah von Schlichten die Mission der beiden Raumschiffe SONNENWIND und STERNENKRIEGER in die unendlichen Weiten des Etnord-Gebietes. Eine Mission, die mit etwas Glück vielleicht sogar jenes Rätsel lösen konnte, das für die Menschheit existenziell war.

Das Rätsel der Alten Götter nämlich.

Wenn es eine Zivilisation es schaffte, deren Erbe anzutreten, hatte sie eine gesicherte Zukunft. Kamen der Menschheit dabei andere Mächte zuvor, dann bedeutete dies eine akute Gefahr. Und davon abgesehen war von Schlichten mit Leib und Seele Wissenschaftler. Der Hunger nach Erkenntnis trieb ihn vorwärts. Eine Gier nach Wissen, die ihn erfüllt hatte, so lange er denken konnte. Wissen und Erkenntnis - diesen beiden Dingen hatte er nicht erst seit heute sein Leben gewidmet.

“Wir treten jetzt in den Außenbereich der Wurmloch-Porta ein”, erklärte MacKenzie. "Auswirkungen des Y2-Faktors sind ungewöhnlich hoch."

"Ja, das sehe ich auch", murmelte von Schlichten.

"Machen Ihnen die erhöhten fünfdimensionalen Strahlungswerte keine Sorgen, von Schlichten? "

"Ja, aber das sollten Sie meine Sorge sein lassen."

"Wieso?"

"Weil Sie nichts davon verstehen, Mac, und sich deswegen über die falschen Dinge den Kopf zerbrechen."

"Na, dann will ich mal hoffen, dass Sie Recht haben, von Schlichten...”

"Worauf Sie einen lassen können, Mac!"

"...und alle anderen Unrecht, die sich sonst noch irgendwie mit dem Thema beschäftigt haben", vollendete MacKenzie noch seinen Satz.

Worte, die von Schlichten für einen Moment beinahe die Fassung verlieren ließen.

Beinahe.

Aber diesen Triumph wollte von Schlichten niemandem lassen. Und MacKenzie schon gar nicht. Also schluckte der alles hinunter, was ihm auf der Zunge lag. Alles. Auch die bissigen Bemerkungen, die er jetzt gerne in einem Schwall auf seinen Begleiter während dieser Reise ergossen hätte. Aber von Schlichten beherrschte sich. Er beherrschte sich und verfluchte sich auch nicht dafür, dass er den Linguisten überhaupt darum gebeten hatte, ihn auf dieser Reise zu begleiten. Andererseits war es so vielleicht doch etwas netter, ging es ihm durch den Kopf. Hatte nicht auch Robinson Crusoe wenigstens einen Freitag auf seiner einsamen Insel gehabt?

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4

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Aus dem Logbuch von Admiral Ned Nainovel, Kommandant der LEVIATHAN:

Einer Raumyacht, deren Identität bisher nicht geklärt werden konnte, ist der Durchflug durch das Wurmloch gelungen. Offenbar war die THORS HAMMER unter Commodore Nasomo nicht in der Lage, den Eindringling auf der erdsektoralen Seite von Wurmloch Alpha aufzuhalten.

In welcher Absicht die Unbekannten ganz offensichtlich sämtliche Bestimmungen missachten, ist uns bisher nicht bekannt. Wir warten noch auf eine Nachricht via Relais-Sonde von der THORS HAMMER, die derzeit den erdsektoralen Ausgang von Wurmloch Alpha bewacht. Allerdings ist ungewiss, wann und ob überhaupt uns in nächster Zeit eine solche Nachricht erreichen wird, da die Instabilität des Wurmlochs innerhalb der letzten beiden Standard-Tage beängstigende Ausmaße angenommen hat.

Ein persönlicher Nachtrag sei mir an dieser Stelle gestattet: Ich hoffe, dass es uns gelingt, rechtzeitig die erdsektorale Seite des Wurmlochs zu erreichen. Andernfalls wird es vielleicht auf Jahre hinaus nicht möglich sein, das Territorium der Humanen Welten zu erreichen.

Auf jeden Fall wollen wir vor unserem Rückzug auf die erdsektorale Seite des Wurmlochs die Rückkehr des Zerstörers ODYSSEUS unter Captain Wong abwarten, die sich zurzeit in einer wichtigen Mission im Taralon-System befindet.

Seit dem letzten, über einen hochenergetischen Zwischenraumimpuls erfolgten Kontakt hinaus, der uns vor der Gefahr durch ein Imperium von Abkömmlingen der arachnoiden ß'Wsssarrr zu warnen, hatten wir weder zur STERNENKRIEGER unter Captain Rena Sunfrost noch zur SONNENWIND unter Captain Barus noch einmal Kontakt.

Der Zerstörer ODYSSEUS wurde mittlerweile von Einheiten der ß'Wsssarrr im Taralon-System angegriffen. Die Tatsache, dass sich die Etnord quasi aufgrund des geheimnisvollen galaktischen Rufs auf eine Art Exodus begeben haben und dabei ihr weitreichendes Imperium im Trans Alpha Sektor mehr oder minder komplett aufgeben, scheint in diesem Teil der Milchstraße ein Machtvakuum hervorgerufen zu haben, das bereits jetzt von anderen, uns bisher größtenteils unbekannten Mächten für eigene Expansionspläne ausgenutzt zu werden scheint.

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“Admiral, die unidentifizierte Raumyacht hat soeben die Wurmloch-Porta passiert”, meldete die diensthabende Ortungsoffizierin der LEVIATHAN.

Admiral Nainovel runzelte die Stirn und stutzte. Der Kommandant des anderthalb Kilometer langen, kolossartigen Space Carrier war ohnehin aufgrund der äußerst angespannten Lage sehr viel unruhiger als sonst.

“So etwas hat uns gerade noch gefehlt”, knurrte Nainovel.

“Der Kennung nach handelt es sich um ein Raumfahrzeug des Far Galaxy Konzerns”, meldete die Ortungsoffizierin.

“Wie um alles in der Welt kommt jetzt ein ziviles Raumschiff durch die Wurmlochpassage!”, stieß Ned Nainovel hervor.

“Es muss jemand mit besonderen Beziehungen sein”, lautete der Kommentar von Geschwader-Commodore Moss Triffler, der die an Bord des Carriers stationierten Jägerstaffeln kommandierte - die stärkste Waffe der LEVIATHAN. Hunderte von fliegenden, bemannten Gauss-Geschützen, die mit Mesonenantrieb ausgestattet waren und auf eine taktisch dermaßen flexible Weise in das Gefecht eingreifen konnten, wie es den großen Dreadnought-Schlachtschiffen des Space Army Corps einfach nicht möglich gewesen wäre.

Admiral Nainovel wandte sich an den diensthabenden Kommunikationsoffizier. “Versuchen Sie, eine Verbindung herzustellen”, verlangte der Admiral.

“Signale bleiben unbeantwortet. Begrüßungssequenz wird nicht erwidert.”

“Und wenn ich mir noch eine Bemerkung erlauben darf, Sir: Die Raumyacht beschleunigt jetzt messbar”, meldete sich noch einmal die Ortungsoffizierin zu Wort.

“Da will jemand mit aller Macht einfach durchstarten”, stellte Moss Triffler fest.

"Aber nur, weil wir hier zugegebenermaßen sehr weit draußen sind, heißt das nicht, dass hier jeder machen kann, was er will", stellte Ned Nainovel unmissverständlich fest.

"Weit draußen ist ziemlich untertrieben, Sir", meinte Triffler. "Ich meine, wir sind auf der anderen Seite der Galaxis..."

"Schicken Sie genug Jäger auf den Weg, um diese Raumyacht in die Zange zu nehmen, Commodore."

"Aye, Sir."

"Und falls das diesen Wahnsinnspiloten nicht beeindrucken sollte, dann schießen Sie ihn ab!”

“Sir?”

"Das war ein Spaß, Moss."

"Ich weiß nicht, ob ich mich an diese Art von Humor jemals gewöhnen werde, Admiral."

"Eigentlich hatten Sie dafür Zeit genug, Commodore."

"Ehrlich gesagt, weiß ich bis heute nicht, wie ich den ganzen zweiten Krieg gegen die Qriid mit Ihnen zusammen durchstehen konnte, Admiral."

Niemand anderes hätte sich gegenüber Admiral Ned Nainovel eine derartige Bemerkung erlauben können. Aber beide kannten sich lange und gut genug um sich gegenseitig einschätzen zu können. Dass sie sich hundertprozentig aufeinander verlassen konnten, stand für beide Männer vollkommen außer Frage.

Ned Nainovel trat ein paar Schritte nach vorn, auf den Hauptschirm zu. Die Ortungsoffizierin hatte dort gerade eine dreidimensionale Übersicht aktiviert. Auf dieser waren die Positionen des Wurmlochs, der LEVIATHAN und der nach wie vor unbekannten Raumyacht sowie die gegenwärtigen Positionen der ausgeschickten Jäger-Flotte verzeichnet. Letztere schien trotz eingeblendeter Höchstbeschleunigungswerte nur langsam gegenüber der Raumyacht aufholen zu können.

"Was meinen Sie, Moss? Hat es Sinn, ein Beiboot mit Traktorvorrichtung auszuschleusen oder haben wir diesen Zeitpunkt schon verpasst?"

"Ich würde sagen, diese Option hat nie bestanden, Admiral", sagte Triffler. "Ruder?"

"Meine Überschlagsberechnung bestätigt Ihre Annahme, Sir", meldete der diensthabende Ruderoffizier der LEVIATHAN.

"Admiral, ich habe einen Abgleich mit den Speichern unserer schiffsinternen Datenbank durchgeführt", meldete jetzt die Ortungsoffizierin und fügte dann, während sie sich halb in ihrem Schalensitz herumdrehte, noch hinzu: "Ich meine, was diese Raumyacht betrifft."

“Mit welchem Ergebnis?", fragte Ned Nainovel.

"Die Yacht weist starke Übereinstimmungen mit einer Yacht des Far Galaxy Konzerns auf, die überwiegend von einem Wissenschaftler namens von Schlichten benutzt worden ist..."

"Von Schlichten!", entfuhr es Nainovel.

"Ein alter Bekannter", stellte Moss Triffler fest.

"Ich hätte eigentlich sofort drauf kommen müssen. Wer könnte sonst die nötige Mischung aus Ignoranz und Arroganz aufbringen, um so etwas durchzuziehen."

"Sie sagen es", sagte Commodore Triffler.

"Zumindest weiß ich jetzt, was er vorhat."

"Sir?", fragte Triffler.

"Von Schlichten will ins Taralon-System. Dieser Mann ist wie besessen davon, das Geheimnis der Alten Götter zu lüften und im Taralon-System gibt es bekanntermaßen das größte bekannte Artefakt der Erhabenen." Ned Nainovels Augen wurden schmal. Während der Admiral im Dienst des Space Army Corps sprach, wirkte er, als würde er angestrengt nachdenken.

"Sie meinen den Goldenen Kubus im Orbit von Taralon", stellte Triffler fest.

Nainovel nickte. "Eine monströs große Raumstation, deren letzte Geheimnisse wir wahrscheinlich auch in Jahrhunderten noch nicht vollständig gelöst haben werden."

"Warum so pessimistisch?", fragte Triffler.

"Worauf wollen Sie hinaus?"

"Wenn das wirklich von Schlichten ist, der da in dieser Raumyacht sitzt, dann könnte es doch sein, dass er zurzeit gerade die Eingebung zu einem genialen Plan hat, wie man das Erbe der Alten Götter doch noch entschlüsseln kann."

"Sie meinen also, dass man ihn einfach gewähren lassen sollte, oder wie soll ich das verstehen, Moss?"

Nainovel kam nicht mehr dazu, zu antworten, denn in diesem Augenblick meldete sich einer der Brückenoffiziere zu Wort.

"Eine Meldung von der ODYSSEUS, Admiral!"

"Auf den Schirm damit", befahl Nainovel.

Captain Wong dürfte im Augenblick wohl andere Sorgen haben, als einen besessenen Wissenschaftler und seine Raumyacht einzufangen, der sich nicht um die Sicherheitsvorschriften für einen kritischen Raumsektor schert!, ging es dem Kommandanten der LEVIATHAN wenig später durch den Kopf. Am Besten, wir lassen ihn fliegen, dann sind wir ihn los.

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Das Gesicht von Captain Raphael Wong wirkte so gleichförmig und gelassen, wie man es von dem frisch gebackenen Kommandanten des Zerstörers ODYSSEUS gewohnt war. Aber innerlich war er sehr angespannt und hoch konzentriert. Auch eine gewisse Nervosität war nicht zu leugnen, obwohl Wong davon nichts nach außen dringen ließ. Allenfalls jemand, der ihn sehr gut kannte, hätte ihm das ansehen können. Jemand wie sein Erster Offizier David Kronstein zum Beispiel. Aber Kronstein war zurzeit nicht an Bord, sondern kommandierte die Außenmission, die auf Taralon das geheimnisvolle Kind gefunden hatte, das von den Etnord offenbar dort zurückgelassen worden war.

"Alle sieben Jäger in Kampfformation", meldete Taktikoffizier Commander Jorian Kelly. Den breitschultrigen umweltangepassten Supererden-Zwerg hielt es nur selten im Schalensitz seiner Konsole. Anscheinend bevorzugte er es, auf seinen sehr kräftigen Beinen zu stehen, die daran gewöhnt waren, sein Körpergewicht unter einem mehrfachen der Erdschwerkraft zu tragen. Zumindest waren diese stämmigen Beine ursprünglich mal dazu in der Lage gewesen. Ob das jetzt immer noch der Fall war, schien fraglich. Die vergleichsweise geringe Schwerkraft auf Erdniveau, die an Bord der Space Army Corps Schiffe Standard war, war Gift für die Muskulatur eines Superden-Zwergs. Selbst regelmäßiges und sehr intensives Training konnte den Verlust an Muskelmasse und Kraft langfristig nicht verhindern. Der Effekt war mit jenem vergleichbar, dem Astronauten in der Frühzeit der irdischen Raumfahrt, lange vor Erfindung der künstlichen Schwerkraft, ausgesetzt gewesen waren. "Die Jäger erreichen optimale Feuerposition in zwei Minuten”, ergänzte Jorian Kelly.

Captain Wong blickte zu dem Großbildschirm, der den Großteil der Vorderfront der Schiffsbrücke ausmachte. Der überwiegende Teil davon zeigte das Panorama des umgebenden Raums und erzeugte die Illusion, durch ein Fenster geradewegs ins All hinaus zu blicken. In Wahrheit war das nicht der Fall, sondern man sah nur das, was die Sensoren aufzeichneten und der  Bordrechner zu verarbeiten vermochte. Ein Teil der beeindruckenden, dreidimensionalen Darstellung wurde von einer schematischen Übersicht verdeckt, die die Positionen aller relevanten Flugkörper im Erfassungsbereich der Ortungssensoren veranschaulichte. Ein weiteres Fenster zeigte taktische Optionen an und dienten dem Taktikoffizier und dem Captain dazu, in einer Gefechtsituation die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Dutzende von Raumschiffen kamen alle paar Minuten aus dem Zwischenraum. Es waren Schiffe der ß’Wsssarrr, des aggressiven Teilvolks der arachnoiden Wsssarrr, die in den Weiten des Alpha-Sektors einen Staat geschaffen hatten, den sie das Imperium der goldenen Häuser nannten. Jetzt hatten sich die Arachnoiden offenbar vorgenommen, das Erbe der Etnord in diesem Teil der Galaxis anzutreten. Falls sie diesen Plan tatsächlich verfolgten, war es eigentlich auch nur logisch, dass sie versuchten, so schnell wie möglich den Hauptsitz des Etnord-Reiches an sich zu reißen.

Und das war nun einmal nach allem, was man über die Etnord bisher hatte in Erfahrung bringen können, die ehemalige Menschheitskolonie Taralon III. Immerhin hatte dort der sogenannte Herr residiert, wobei bis zuletzt unklar geblieben war, wie weit die Befugnisse dieses Herrschers tatsächlich gingen. Die Tatsache, dass die Etnord auf den Ruf einer geheimnisvollen, bisher vollkommen unbekannten Macht hin ihre Welten verlassen hatten, deutete an, dass auch dieser sogenannte Herr der Etnord vielleicht in Wahrheit nur der Diener eines noch Mächtigeren war.

“Die sind zu zahlreich”, sagte Jorian Kelly. “Ich glaube nicht, dass unsere Jäger die Arachnoiden aufhalten können.”

“Es reicht, wenn sie den Angriff lange genug verzögern, bis unsere Landefähre wieder an Bord ist”, sagte Captain Wong. “Rudergänger?”

“Ja, Sir?”, meldete sich der diensthabende Ruderoffizier des Zerstörers ODYSSEUS. Sein Name war Brett C. Zimmer. Er war genetisch optimiert und hatte früher in der Raumflotte der Genetiker-Föderation der Drei Systeme gedient. Er machte sich oft einen Spaß daraus, navigatorische Rechenoperationen schneller und präziser im Kopf auszuführen, als es der Bordrechner vermochte, auf dessen Unterstützung schon aus Sicherheitsgründen an Bord der ODYSSEUS niemals verzichtet worden wäre. Zumindest nicht ohne Not.

"Berechnen Sie einen Tangentialkurs zur ODYSSEUS LANDER um die Crew des Außenteams so schnell wie möglich an Bord zu nehmen."

"Aye, aye, Sir", meldete Brett C. Zimmer. Dass er den Tangentialkurs längst im Kopf berechnet und ins System eingegeben hatte, ließ der Ruderoffizier unerwähnt. Er wollte seinem Kommandanten keinen unnötigen Stress verursachen - und sich selbst auch nicht. Captain Wong misstraute den außergewöhnlichen mathematischen Talenten des gen-optimierten Rudergängers. Einerseits war die Position des Rudergängers des ultramodernen Zerstörers ODYSSEUS nicht umsonst mit jemandem besetzt worden, der über derart außergewöhnliche Fähigkeiten verfügte und Captain Wong hatte großen Wert darauf gelegt, das Zimmer die Stelle bekam. Andererseits blieben Zimmers Fähigkeiten für Wong immer etwas Mysteriöses, nur schwer Fassbares. Etwas, das für Wong mehr mit einer modernen Form von Magie als mit exakter Naturwissenschaft und der Anwendung ihrer Gesetzmäßigkeiten zu tun hatte. Vielleicht lag es einfach daran, dass Wong letztlich nicht nachvollziehen konnte, was genau in Zimmers Hirn in den Momenten vorging, da er sich mit komplizierten Berechnungen befasste, die für ihn scheinbar so einfach waren, dass sie ihn kaum eine erwähnenswerte Anstrengung kosteten.

Niemand konnte im Übrigen nachvollziehen, wie ein gen-optimiertes Gehirn wie das von Brett C. Zimmer so etwas zu schaffen vermochte. Aber andererseits konnte auch kein Mensch wirklich nachvollziehen, was in einem komplexen Computersystem geschah. Aber dieser Umstand schien Wong weniger zu stören.

"Mehrere Explosionen in Sektor C3", meldete unterdessen der diensthabende Ortungsoffizier.

"Teilweise verstümmelte Nachrichten erreichen uns. Der Code dieser Arachnoiden scheint sich von dem anderer Wsssarrr-Gruppen zu unterscheiden. Jedenfalls hat unser Translatorsystem Schwierigkeiten damit. Es werden immer wieder Datenbankfehler gemeldet."

"Darüber sollten wir uns nicht wundern", sagte Captain Wong. Nach allem, was man über das sogenannte Imperium der goldenen Häuser der ß'Wsssarrr wusste, lag es nahe, dass dieses Staatengebilde, der ja auch aus dem irdischen Sektor der Galaxis bekannten Arachnoiden, sich sehr unabhängig entwickelt hatte. Und das über sehr lange Zeitspannen hinweg.

"Die Explosionen sind auf mehrere Volltreffer unserer Jäger zurückzuführen", stellte Jorian Kelly fest. “Zerstörungen auf mehreren Angreifer-Schiffen. Mindestens zwei Einheiten sind mutmaßlich vollkommen zerstört."

"Können Sie das heranzoomen?", wandte sich Captain Wong an den diensthabenden Ortungsoffizier.

"Daten kommen mit Verzögerung", erklärte der Ortungsoffizier. “Eine Sensoren-Sonde ist ausgefallen. Aber wir haben gleich eine Übertragung.”

Auf dem Hauptschirm tat sich zunächst einige Augenblicke lang gar nichts. Dann erschienen für ein paar Sekunden einige Kolonnen von Zahlen und Buchstaben, ehe sich dann der Bildausschnitt veränderte.

Mehrere stark beschädigte ß’Wsssarrr-Schiffe waren zu sehen. Auf einigen gab es immer noch Explosionen. Teile der Außenverkleidung platzten aus den Schiffskörpern heraus. Glühende Metallteile irrlichterten durch das All. Von anderen Schiffen waren nur Trümmerteile geblieben. Die Wuchtgeschosse der Jäger hatten sie zertrümmert.

Auf einem weiteren Bildfenster wurde nun die gegenwärtige Position der Jäger in einer schematischen Drei-D-Darstellung veranschaulicht.

Captain Wongs Blick war auf diese Darstellung gerichtet und es dauerte ein paar Sekunden, bis er begriff, was daran nicht stimmte. Es sind nur sechs Jäger, ging es ihm durch den Kopf. Eine der Maschinen wird nicht angezeigt.

Das konnte nur bedeuten, dass es irgendwelche Probleme gab.

Vielleicht sogar Schlimmeres.

“Jäger 3 wird vermisst”, meldete Taktikoffizier Jorian Kelly. “Ortung?”

“Sir?”, reagierte der Ortungsoffizier des Zerstörers auf die Anfrage des Taktikoffiziers.

“Führen Sie einen Signalscan durch. Vielleicht finden wir Jäger 3 ja wieder....”

Entweder finden wir Jäger 3 oder das, was von ihm übrig geblieben ist, überlegte Captain Wong. Es hielt ihn nicht im Sessel des Captains. Er stand auf. Und auch wenn sein Gesicht äußerlich unbewegt und ruhig wirkte, sah es in ihm ganz anders aus. Aber davon ließ er nichts nach außen dringen. Das entsprach einfach nicht seinem Charakter.

“Ich habe gerade eine mesonische Anomalie in den Sensorendaten”, berichtete der der Ortungsoffizier.

“Mister Kelly, überprüfen Sie das und ermitteln Sie die Ursache”, mischte sich Captain Wong ein.

“Aye, aye, Sir”, sagte Jorian Kelly. Der Taktikoffizier ließ seine eher plump und grobschlächtig wirkenden Hände eines Superderden-Zwergs über seine Konsole gleiten. “Die Signatur ist mit dem verlorenen Jäger identisch”, erklärte er. “Kommunikation?”

“Ja, Sir?”

“Versuchen Sie den Piloten zu erreichen!”

“Keine Antwort, Sir.”

“Noch habe wir keine Bestätigung dafür, dass der Jäger wirklich zerstört ist”, erklärte Jorian Kelly nun an seinen Captain gerichtet. “Es könnte sein, dass er nur manövrierunfähig im All treibt. Jedenfalls ist im Moment die energetische Aktivität dermaßen abgefallen, dass ich  phasenweise kaum noch eine Reaktion der Sensoren habe. Die Position lässt sich nur noch intervallweise bestimmen.”

Niemand möchte jetzt in der Haut dieses Jägerpiloten stecken, dachte Captain Wong. Eingepfercht in eine kleine, zylinderförmige Sardinenbüchse, die eigentlich nichts anderes als ein verlängertes und um ein paar Lebenserhaltungssysteme erweitertes Geschütz ist!

“Ich hoffe, wir können ihn retten”, sagte Wong dann laut. Aber er war inzwischen ein viel zu erfahrener Raumkapitän, als dass er nicht gewusst hätte, dass man im Augenblick nichts für den Piloten des verlorenen Jägers tun konnte.

Es war noch nicht einmal möglich, mit Sicherheit seinen Tod festzustellen.

“Es kommen noch weitere Schiffe der Arachnoiden aus dem Zwischenraum”, meldete jetzt der diensthabende Ortungsoffizier. “Ich habe hier mindestens 22 Austrittspunkte auf dem Schirm. Aber das könnte schon veraltet sein.”

“Die greifen wirklich mit einer großen Flotte an”, stellte Jorian Kelly fest. “Ich frage mich nur, warum.”

“Was meinen Sie damit, Kelly?”, fragte Wong.

Der Supererden-Zwerg zuckte die sehr breiten und sehr kräftigen Schultern.

“Ist das Taralon-System diesen Einsatz wert?”, fragte er.

Raphael Wong war etwas überrascht über die Äußerung seines Taktikoffiziers.

“Es gibt hier mit Taralon III einen verlassenen, voll industrialisierten Planeten mit hochwertigem technischem Equipment. Eine Welt, wie geschaffen, um sie zu besiedeln, seit die Etnord sie verlassen haben.”

“Und Sie meinen, das ist die passende Beute für die Arachnoiden?”

“Und vergessen Sie nicht den Goldenen Kubus! Dieses Artefakt ist die größte uns bekannte Hinterlassenschaft der Alten Götter. Und wenn Sie mich fragen, dann ist nicht einmal ein Bruchteil der Geheimnisse entschlüsselt, die in diesem Ding noch schlummern.”

“Ja mag alles sein. Aber mich verwirrt trotzdem, dass sie dermaßen massiv angreifen. So als ob sie mit Widerstand gerechnet hätten.”

Wong verstand jetzt den Punkt, auf den es Jorian Kelly offenbar ankam. Zwei irdische Schiffe in diesem Sektor, ging es Wong durch den Kopf. Auch wenn es zwei Schiffe von beachtlicher Kampfkraft sind. Ein Carrier und der modernste Zerstörer, den die Flotte der Humanen Welten aufzubieten vermag. Eine Flotte, die ausreicht, um dieses Raumgebiet gegen die Arachnoiden verteidigen zu können ist das allerdings noch lange nicht... Die ß’Wsssarrr greifen deswegen so massiv an, weil sie glauben, dass wir jederzeit Verstärkung holen könnten...

Es lag also nahe, dass ihnen auch die Position von Wurmloch Alpha bekannt war. Vielleicht kannten sie sogar dessen Funktion als Sternenstraße in den irdischen Sektor, fünfzigtausend Lichtjahre entfernt auf der anderen Seite der Galaxis...

“Captain, eine sehr schnelle Arachnoiden-Einheit kommt auf uns zu”, meldete jetzt der Ortungsoffizier.

“Das taktische Analyse-Programm sagt, dass es sich um ein Angriffsmanöver handelt”, warf Jorian Kelly ein.

“Ich schlage Ausweichmanöver vor!”, meldete sich Rudergänger Brett C. Zimmer zu Wort.

“Ausweichmanöver einleiten”, befahl Wong. Er wird es ja wohl längst berechnet haben, vermutete er. Der Captain der ODYSSEUS wandte sich an Jorian Kelly. “Dauerbeschuss!”

“Ja, Sir.”

Captain Wong sah auf die schematische Positionsdarstellung und sagte dann: “Ich frage mich, wie dieses Raumfahrzeug so schnell durchbrechen konnte!”

“Es ist klein und hat offensichtlich hervorragende Beschleunigungswerte”, stellte Brett C. Zimmer fest. “Ich wage mir gar nicht vorzustellen, was für Andruckabsorber notwendig sind, um die dabei auftretenden Werte auszugleichen...”

“Es gibt Geschöpfe, die etwas widerstandsfähiger gegen Beschleunigungskräfte sind als Menschen der irdischen Standard-Norm”, erklärte unterdessen Jorian Kelly.

“Sie sprechen nicht zufällig von sich selbst?”, meinte Zimmer, der das Ausweichmanöver wie nebenbei ausführte, so als müsste er sich darauf gar nicht weiter konzentrieren. Wahrscheinlich musste er das auch nicht. Und das, obwohl er einige Unterstützungsfunktionen des Bordrechners deaktiviert  hatte, ohne dass das den anderen sonderlich aufgefallen wäre.

Ein leichter Ruck war spürbar, als die ODYSSEUS seitwärts glitt. Die Unterlichttriebwerke erzeugten einen so heftigen Energiestoß, dass der Boden vibrierte. Raphael Wong spürte  einen Moment lang eine leichte Irritation des Gleichgewichtssinns.

“Ich hoffe nur, Sie können später auf den Tangentialkurs zu ODYSSEUS LANDER zurückkehren”, sagte Wong.

“Keine Sorge”, versicherte Brett C. Zimmer. “Wir liegen noch im Toleranzbereich. Das habe ich im Gefühl.”

Dann hoffe ich im Interesse der Besatzung der ODYSSEUS LANDER, dass sich Ihr genetisch optimiertes Gefühl nicht irrt, Lieutenant Zimmer!, ging es Captain Wong durch den Kopf. Wenn wir die Tangente zum Kurs der Landefähre verlassen und den Kurs nach dem Ausweichmanöver nicht sofort wiederherstellen können, werden wir den Rendezvous-Punkt verpassen.

Die Folge wäre dramatisch gewesen.

Die ODYSSEUS LANDER wäre einfach weiter ihren Orbit um Taralon III gefolgt und eine leichte Beute für die angreifenden Arachnoiden geworden, während der Zerstörer ODYSSEUS erst nach einem sehr aufwändigen und energiereichen Manöver sich wieder der Landefähre hätte nähern können.

Wong benutzte jetzt das Display an der Arm-Lehne seines Captain-Sessels.

Das angreifende Arachnoiden-Schiff reagierte bereits auf das Manöver des Zerstörers. Das war deutlich auf der schematischen, dreidimensionalen Positionanzeige zu sehen.

“Ein kleines, wendiges Schiff”, meldete der diensthabende Ortungsoffizier. “Ich würde sagen, es ist nur eine einzige Lebensform an Bord”, fügte er noch hinzu.

“Sie meinen ein Wsssarrr”, meinte Wong.

“Captain, das weiß ich nicht genau. Die Biowerte weichen in einigen Parametern erheblich von den für die Arachnoiden üblichen Normwerte ab.”

“Soweit wir die kennen”, gab Raphael Wong zu bedenken. Die Datenbreite, was diese Spezies anging, war schließlich nicht allzu groß.

“Wir sollten einen gewissen Multimorphismus nicht außer Acht lassen”, meinte Kelly. “So wie meine Werte auch nicht dem Standard der Erdmenschen-Norm entsprechen, obwohl ich genetisch zweifellos ein Mensch bin, denke ich, dass eine Spezies wie die Wsssarrr noch sehr viel mehr morphologische Varianz hervorgebracht haben könnte.”

“Zumal sich dieses spezielle Wsssarrr-Volk ja weitgehend auf sich gestellt in einer entlegenen Region der Galaxis entwickelt haben dürfte”, nickte Wong. Niemand konnte schließlich sagen, wie lange dieses Arachnoiden-Volk des Trans-Alpha-Sektors bereits auf sich gestellt existierte - Mutmaßlich ohne Kontakt zu anderen Sternenreichen, die die sinnenartigen Aliens anderswo gegründet hatten.

“Das Angreifer-Schiff ist jedenfalls überaus wendig”, stellte indessen Brett C. Zimmer fest. “Es fliegt erneut einen Angriffskurs, Captain. Wenn ich eine Vermutung in Bezug auf ihre Taktik äußern dürfte...”

“Bitte”, sagte Wong.

Auf Jorian Kellys Stirn erschien eine v-förmige Falte, die in diesem speziellen Fall eindeutig als Anzeichen des Missfallens zu deuten war. Dem Taktik-Offizier der ODYSSEUS gefiel es einfach nicht, wenn sich jemand in seinen Bereich einmischte. Und als Einmischung empfand es Kelly durchaus schon, wenn sich außer dem Captain noch jemand aus der Brückenbesatzung überhaupt dazu äußerte.

Wong hatte allerdings im Laufe der Zeit gelernt, diese Empfindlichkeit einfach zu ignorieren.

“Dieser Spinnentyp will uns vom Kurs abdrängen. Das zumindest ist meine intuitive Analyse.”

Wenn ich so etwas schon höre!, dachte Wong. Die beiden Wörter intuitiv und Analyse gehören meines Erachtens einfach nicht in einen einzigen Satz hinein.

“Captain, ich habe hier ein fünfdimensionales... Ereignis auf dem Display!”, meldetet sich jetzt der diensthabende Ortungsoffizier zu Wort.

“Ein Ereignis?”, fragte Wong. “Was soll das sein?”

“Ich habe kein besseres Wort dafür, Sir. Und ich bin auch kein Experte für solche Phänomene. Man könnte es eine Anomalie nennen. Schwach, aber eindeutig identifizierbar. Der Filter unseres Bordrechners hat sofort darauf reagiert...”

Ja, weil fünfdimensionale Anomalien ein Anzeichen für die Technologie der Alten Götter ist, dachte Wong. Aber wen kann das verwundern? Wir sind hier im Taralon-System. Der Goldene Kubus ist ziemlich nahe...

“Ach, ja das Erstaunlichste ist die Lokalisierung der Anomalie”, hörte Wong jetzt die Stimme des Ortungsoffiziers. Er hieß Danielsson und war noch ziemlich jung. Erst vor Kurzem hatte er auf der ODYSSEUS angefangen. Sein erster Posten als Lieutenant. Er hatte sich gut gemacht. Sehr ehrgeizig, manchmal sogar überehrgeizig. Danielsson erinnerte Raphael Wong in mancher Hinsicht an sich selbst. Vor allem während seiner Zeit als Erster Offizier der STERNENKRIEGER unter Commander Rena Sunfrost, als er zunächst damit gehadert hatte, dass man nicht ihn zum Kommandanten gemacht hatte. Danielsson war es ähnlich ergangen. Er hatte sich Hoffnungen auf den Posten des Taktikoffiziers gemacht, der traditionell auf den Kriegsschiffen der Humanden Welten auch der Zweite Offizier und damit in der Kommandohierarchie die Nummer drei an Bord war.

Danielssons Vorstellung war von Anfang an auf übertriebenem Ehrgeiz aufgebaut. Auf unrealistischen Vorstellungen davon, wie schnell man in der Flotte der Humanen Welten aufsteigen konnte.

Und genau so war es bei Wong auch gewesen.

Vorstellungen, die bei beiden Männern durch den kometenhaften Aufstieg in den Jahren unmittelbar nach dem Abschluss an der Akademie von Ganymed genährt worden waren.

Als Fähnrich schon in einem taktischen Kommandostab gedient, dann in Rekordzeit zum Lieutenant befördert. Die Erkenntnis, dass man dann erstmal ein paar Jahre auf einem Posten festsitzen würde, vertrug sich dann nicht ganz so gut mit den Fantasien von einer unaufhaltsamen Blitzkarriere, die einen auf der Überholspur an allen Anderen vorbeiziehen ließ.

“Die Position der fünfdimensionalen Anomalie befindet sich genau dort, wo sich die ODYSSEUS LANDER befindet”, sagte Danielsson.

“Was?”, entfuhr es Wong. “Nicht im Kubus?”

“Nein, Sir, ich lasse das Prüfprogramm jetzt bereits zum zweiten Mal die Daten verifizieren.”

“Bei fünfdimensionalen Resonanzen können Verzerrungen auftreten. Das habe ich selbst schon erlebt.”

“Ja, daran habe ich auch schon gedacht, Captain. Sie sind bereits vom System herausgerechnet worden. Die Daten sind korrekt.”

Was geht hier vor sich?, ging es Captain Wong durch den Kopf. Laut sagte er: “Kommunikation?”

“Ja, Sir?”

“Stellen Sie eine Verbindung zur ODYSSEUS LANDER her. Sofort!”

“Kanäle gestört.”

“Dann nehmen Sie den Überlichtfunk!”

“Störungen auch im Sandström-Spektrum des Zwischenraums, Sir. Kommunikationsaufnahme zur ODYSSEUS LANDER unmöglich.”

Captain Wong wandte sich dem Display auf dem Armlauf seines Kommandantensessels zu und aktivierte ein Display. Er ließ sich die Daten, die ihm gerade gemeldet worden waren, jetzt ebenfalls anzeigen. Die Stärke der fünfdimensionalen Anomalie schwankt, erkannte Wong. Ein Puls... Vielleicht sogar ein Code, den wir nicht entschlüsseln können.

Captain Wong dachte an die Tage zurück, da er als Erster Offizier der STERNENKRIEGER I unter Commander Rena Sunfrost bei den fischartigen Bewohnern eines abgelegenen Planeten in der Niemandland-Zone, irgendwo zwischen dem Bereich der Humanen Welten und dem Heiligen Imperium der Qriid, zum ersten Mal auf Hinterlassenschaften der sogenannten Alten Götter gestoßen war. Und seitdem faszinierte Wong die Frage, was es mit diesem uralten, auf geheimnisvolle Weise mutmaßlich vor einer Million Jahre plötzlich verschwundenen Volk auf sich hatte, dessen Angehörige sich selbst als die Erhabenen bezeichneten.

Auf dem Großbildschirm war nun ein greller Lichtblitz zu sehen.

“Traser-Geschütz 1 meldet Treffer bei der Feindeinheit”, sagte unterdessen Jorian Kelly. “Angreifendes Schiff vollkommen vernichtet. Ortung?”

“Nur noch Trümmerteile”, kam die Meldung von Danielsson.

“Ich gehe zurück auf Tangentialkurs zur ODYSSEUS LANDER”, meldete jetzt der Rudergänger Lieutenant Brett C. Zimmer.

Erneut spürte man einen Ruck durch das Schiff gehen.

Sanfte Manöver scheinen nicht seine Stärke zu sein, dachte Wong. Aber in so einer Situation sind abrupte Kurskorrekturen verzeihlich. Oder sogar notwendig.

“Auf jeden Fall hat es sich zum ersten Mal ausgezahlt, dass dieses Schiff nicht nur über Wuchtgeschütze, sondern auch über qriidische Traser-Waffen verfügt”, kommentierte Jorian Kelly den Treffer. “Andernfalls wäre es sehr schwer geworden, den Angreifer noch rechtzeitig zu stoppen.”

“Glauben Sie, dass das eine Art Kamikaze-Unternehmen der Arachnoiden war?”, fragte Wong.

Jorian Kelly zuckte mit den breiten Schultern. “Ich würde es nicht ausschließen, dass die ß’Wsssarrr dem Leben eines Individuums nicht denselben hohen Stellenwert beimessen wie wir.” Jorian Kelly aktivierte eine Projektion, die eine taktische Übersicht über den Angriff der Arachnoiden-Raumer zeigte. “Es fällt auf, dass sie offenbar etliche sehr kleine, aber trotzdem überlichtfähige Raumschiffe einsetzen”, stellte Kelly fest. “Sie bilden die Angriffspitze...”

“Ähnlich unseren Jägern”, murmelte Wong.

“Ja, nur, dass ihre Einheiten Beschleunigungswerte erreichen, die unsere Jäger kaum erreichen”, stellte Jorian Kelly fest. Der Supererdenzwerg strich sich den Bart glatt und wirkte dabei sehr nachdenklich.

“Captain, wir bekommen eine verstümmelte Meldung im Sandström-Spektrum herein”, meldete jetzt der diensthabende Kommunikationsoffizier. Das war im Augenblick Fähnrich Bayle.

“Ist es möglich sie zu rekonstruieren?”

“Schwierig”, sagte Fähnrich Bayle.

“Ich denke, die fünfdimensionale Anomalie an Bord der ODYSSEUS LANDER war stark genug, um sich im Zwischenraum dermaßen fortzusetzen, dass die Übertragung von Sandström-Funk-Impulsen empfindlich gestört wird”, erklärte Lieutenant Danielsson. “Jedenfalls wäre das eine plausible Erklärung.”

“Das System erkennt in der Botschaft Teile der Kennung des CARRIER LEVIATHAN”, stellte Fähnrich Bayle jetzt fest.

Eine Botschaft von Admiral Nainovel also, dachte Captain Wong. Und wir können sie nicht verstehen! Großartig!

“Captain, es ist soeben ein weiteres Schiff aus dem Zwischenraum getreten”, sagte jetzt Danielsson. “Allerdings ist es zweifellos kein Raumer der Arachnoiden...”

“Sondern?”, fragte Wong ungeduldig, während er sich vom Sessel des Kommandanten erhob.

“Es ist eine Raumyacht aus irdischer Produktion, würde ich sagen. Und im Unterlicht-Funkspektrum erreicht uns eine Kennung, die dem Far Galaxy Konzern zuzuordnen ist.”

Wong näherte sich dem Schirm. Fähnrich Bayle hatte das Raumgebiet, in dem sich die unbekannte Raumyacht befand, näher herangezoomt. Die Kennung wurde eingeblendet. “Wer zum Teufel ist das...”

“Captain, ich konnte jetzt einen Bruchteil der verstümmelten Sandström-Funkbotschaft rekonstruieren”, sagte Fähnrich Bayle. “Es ist eine Nachricht von Admiral Nainovel von der LEVIATHAN...”

“Das ist nicht überraschend”, murmelte Wong.

“Er warnt uns vor einer Raumyacht.”

“Wieso?”, fragte Wong. “Was ist mit dieser Yacht? Wie kommt die überhaupt hier her? Sind das vielleicht Etnord-Menschen?”

Etnord-Menschen!, durchfuhr es den Captain. Was für ein Begriff! Aber passend. Menschen, die von einem Etnord-Parasiten befallen sind, der ihre Körper zu willenlosen Werkzeugen macht!

“An Bord sind zwei Wissenschaftler”, sagte Bayle. “Von Schlichten und MacKenzie.”

Also noch schlimmer, als wenn es Etnord-Menschen gewesen wären!,  durchfuhr es Captain Wong.

“Wer auch immer diese Narren sind, die gemeint haben, dass es eine gute Idee gewesen ist, mitten in einem Pulk von Raumern der Arachnoiden aus dem Zwischenraum zu materialisieren”, sagte jetzt Jorian Kelly, “diese Yacht hat keine Chance, die nächste Viertelstunde zu überleben!”

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“Achtung! Halten Sie sich fest!”

“Und wie - bitteschön?”

Von Schlichten versuchte, sich an der Konsole festzuhalten. Aber das gelang ihm nicht.

Er wurde einfach fortgerissen. Die durch das abrupte, unkoordinierte Bremsmanöver entfalteten G-Kräfte waren einfach zu stark.

Von Schlichten wurde zur Seite geschleudert und prallte unsanft gegen die Verkleidung eines wichtigen Subsystems.

MacKenzie konnte sich ebenfalls nicht halten und taumelte zu Boden, während eine weitere  Erschütterung die Raumyacht des Far Galaxy Konzerns durchrüttelte.

Einen Augenblick lang war von Schlichten etwas benommen. Der hagere, grauhaarige Wissenschaftler wischte sich mit einer fahrigen Geste über die Stirn. Er hatte sich leicht am Kopf verletzt und blutete. Aber darum kümmerte er sich jetzt nicht. Er kam wieder auf die Beine.

MacKenzie stand bereits an seiner Konsole.

Seine Finger glitten über das Terminal. Mit einer Handbewegung öffnete er eine dreidimensionale Projektion.

“Geht es?”, fragt MacKenzie.

“Halb so schlimm, Mac.”

“War wohl keine gute Idee, die Austrittsposition so zu wählen, dass wir geradewegs in einer Raumschlacht landen.”

“Wer hätte das wissen können”, knurrte von Schlichten.

“Wir hätten einen vollständigen Systemscan aus dem Zwischenraum heraus durchführen und abwarten können.”

“Ich dachte, wir waren froh, diesem wildgewordenen Admiral und seiner LEVIATHAN gerade entkommen zu sein.” Von Schlichten  machte eine wegwerfende Handbewegung. “Es gab mal Zeiten, da hat sich das Space Army Corps der Humanen Welten mit wichtigeren Dingen beschäftigt, als damit, die Ausübung des Rechtes auf freie Forschung im All zu behindern!”

“Sehen wir mal, ob diese Angreifer dieses Recht auch respektieren”, knurrte MacKenzie.

“Was machen Sie da!”

“Feuer frei für unser Wuchtgeschütz!”, meinte MacKenzie. “Die Ladephase ist gleich abgeschlossen.”

“Und dafür wollen Sie Energie verschwenden?”

Aber da hatte MacKenzie bereits den Auslöser betätigt. Das Geschütz feuerte jetzt Dauerfeuer. Die Projektile schossen mit ungeheurer Geschwindigkeit aus der Mündung des Bug-Geschützes heraus. MacKenzie hatte keinerlei taktische Schulung hinter sich. Er war kein Mitglied des Space Army Corps und kannte die Akademie auf Ganymed nur, weil er dort als junger Nachwuchswissenschaftler Vorträge gehalten hatte. Seine Paradedisziplin, die Kryptologie, war schließlich ein Gebiet, das auch für eine Raumstreitmacht von Bedeutung war. Grundkenntnisse darüber waren zweifellos für jeden Space Army Corps Offizier unerlässlich.

Allerdings hatte MacKenzie als begleitender Wissenschaftler an genügend Missionen von Space Army Corps Raumschiffen teilgenommen, um in die Vorgehensweise im Gefechtsfall zu  kennen. Zumindest theoretisch und aus der Anschauung. Er selbst hatte natürlich zuvor niemals an einem Gauss-Geschütz gesessen und auf feindliche Raumschiffe gefeuert.

Aber es gab immer ein erstes Mal.

Und das ging daneben.

MacKenzie traf nichts. Auf der Positionsanzeige wurden die Flugbahnen der Geschosse nachgezeichnet, so lange sie sich von der Ortung verfolgen ließen. Mit faustgroßen Projektilen ein anderes Objekt im Raum zu treffen war gar nicht so leicht. Das All bestand schließlich zum großen Teil aus Nichts, aus Vakuum. Drei Molekühle pro Kubikmeter war nichts.

“Schadensmeldung”, sagte eine Kunststimme, die zum System des Bordrechners gehörte. “Es gibt einen Treffer im Bereich der Sektion C. Folgende Komponenten dieses Raumschiffs sind beschädigt oder müssen überprüft werden...”

“Abschalten!”, rief unterdessen Professor von Schlichten.

Er stand jetzt etwas schwankend auf seinen Beinen.

“Spezifizieren Sie die Funktion, die abgeschaltet werden soll!”, forderte die Kunststimme.

Von Schlichten schaltete sie unterdessen manuell ab.

Dann wandte er sich an MacKenzie.

“Ich weiß nicht, ob das wirklich eine gute Idee war, Mac!”

“Sie haben eine Bessere?”

Von Schlichten antwortete nicht. Stattdessen starrte er auf eine der Anzeigen. Eine Transmission im normalen Funkspektrum erreichte die Raumyacht. Sie wurde aufgezeichnet, aber nicht abgespielt. Von Schlichten hatte diese Funktion unmittelbar vor Eintritt in den Zwischenraum abgeschaltet, um nicht weiter durch die andauernden Kontaktversuche der Space Army Corps Jäger und des CARRIERS LEVIATHAN abgelenkt zu werden.

Jetzt ließ von Schlichten die Botschaft abspielen.

“Hier spricht die Flotte des Imperiums der Goldenen Häuser und der Söhne der Königin ß’...”, begann die Stimme des Translators den Inhalt der Botschaft zu übersetzen. Währenddessen erschien das Bild eines Arachnoiden auf einem der Schirme. “Man möge sich ergeben, um der Allgemeinheit des Imperiums und seiner Individuen als Nahrung zu dienen und einverleibt zu werden...”

“Widerlich!”, knurrte von Schlichten.

“Ein Wsssarrr! Was haben Sie erwartet”, sagte MacKenzie.

Dass die Arachnoiden andere Spezies auch dann als Nahrungsquelle ansahen, wenn es sich um Intelligenzen handelte, war ja bekannt. Und es gab keinen Grund, davon auszugehen, dass ausgerechnet die Arachnoiden des Trans-Alpha-Sektors diesbezüglich eine Ausnahme darstellten.

“Ich meinte die Übersetzung”, sagte von Schlichten. “Dass das Translatorprogramm unserer Raumyacht so erbärmlich ist, habe ich nicht gewusst... Aber wir haben ja auch einfach nur das erstbeste verfügbare Raumschiff genommen, um in den Trans-Alpha-Sektor zu kommen...”

Etwas anders interessierte von Schlichten nämlich noch viel mehr, als die Botschaft der Arachnoiden. Letztere lief jetzt in einer Endlosschleife auf dem Schirm. Die Zirp- und Zischlaute, deren Analyse die Grundlage für die computergenerierte Übersetzung des Translatorsystems an Bord der Raumyacht waren, wirkten dabei wie atonale Hintergrundmusik. Laute, die MacKenzie unwillkürlich schaudern ließen.

“Es gibt hier ein fünfdimensionales Ereignis!”, stellte von Schlichten fest. Seine Finger glitten über das Sensor des Terminals. Er öffnete immer weitere Projektionen. Hologramme bauten sich auf, Orterdaten wurden angezeigt, Positionsdaten abgeglichen.

Die Quelle dessen, was von Schlichten ein fünfdimensionales Ereignis nannte, war sehr schnell gefunden. “Es ist die Landefähre im Orbit”, stellte er fest. “Eine Landfähre des Zerstörers, dessen Signatur ...” Er sprach nicht weiter. Seine Augen waren weit aufgerissen. Er wirkte außerordentlich angespannt und MacKenzie kannte von Schlichten inzwischen gut genug, um zu wissen, dass man ihn besser nicht ansprach, wenn er so war.

Nicht deswegen, weil von Schlichten dann vielleicht ungehalten reagiert hätte, sondern deswegen, weil es sinnlos gewesen wäre. Es gab Momente, in denen von Schlichten in seiner eigenen Welt lebte. Einer Welt aus Zahlen, Fakten, Messergebnissen und sehr komplexen Theorien. Und dies war einer dieser Momente. Es ging eine weitere Erschütterung durch die Raumyacht. Offenbar war die Raumyacht erneut durch Feuer der Angreiferschiffe beschädigt worden. Die Erschütterung selbst war nicht ganz so stark.

“Weiterer Treffer in der Mittschiff-Sektion”, stellte MacKenzie fest, obgleich das von Schlichten im Moment nicht im Mindesten interessierte. “Die feuern weiter auf uns!”

“Es ist wie bei den Lichtsonden”, stellte von Schlichten jetzt völlig unvermittelt fest. “Dieses fünfdimensionale  Ereignis meine ich! Die gleiche höherdimensionale Signatur! Da ist etwas, worauf ich lange gewartet habe”, murmelte er. “Mac, wissen Sie, was das bedeutet? Die Signatur ist identisch! Die fünfdimensionale Pulswellen-Frequenz ebenfalls!”

“Jedenfalls weiß ich, was es bedeutet, wenn wir weitere Treffer bekommen”, meinte MacKenzie. Er riss jetzt die Steuerung des Schiffs an sich. Der Kurs, den er programmierte, war nicht elegant und alles andere als die Glanzleistung eines erfahrenen Piloten. Es war vielmehr eine heillose Flucht. MacKenzie schaltete sämtliche Energiereserven auf die Triebwerke und sorgte dafür, dass die Raumyacht in eine sehr energieintensive Beschleunigungsphase überging. Ein paar Augenblicke nur, dann mussten sie eigentlich ihre Geschwindigkeit so sehr erhöht haben, dass das Schiff wieder fähig gewesen wäre, im Zwischenraum zu verschwinden und in den Überlichtflug zu gehen. Eine Flucht in ein anderes Kontinuum, die sie jetzt vielleicht davor bewahrte, im Feuer dieser Angreifer-Flotte zu verglühen.

Aber dann tauchte plötzlich etwas Gewaltiges vor der Raumyacht auf.

“Oh, mein Gott”, murmelte MacKenzie, obwohl der Kryptologe eigentlich kein besonders gläubiger Mensch war und dem Beistand übernatürlicher Mächte ansonsten für sein persönliches Leben nichts abgewinnen konnte. Er war ein Mann der logischen Fakten. Jemand, der Codes zu entschlüsseln versuchte und davon ausging, dass in allem eine immanente, verborgene Botschaft vorhanden war. Es gab in seinem Weltbild eigentlich nur anonyme Kräfte, die miteinander rangen und sich dabei nach Naturgesetzen richteten. Aber keinen übergeordneten Plan eines großen Schöpfers, bei dem es irgendeinen Sinn gehabt hätte, dieses Wesen anzurufen.

Aber der Anblick des leuchtenden, golden schimmernden Riesenschiffs, das scheinbar urplötzlich aus dem Zwischenraum herausgetreten war, verschlug ihm die Sprache. Das golden schimmernde Etwas nahm den gesamten Bildausschnitt des Hauptschirms ein.

Nur wenige Augenblicke konnte es jetzt noch dauern bis die Raumyacht mit dem goldenen Riesenschiff zusammenprallen würde.

Eine Kollisionswarnung schrillte durch die Brücke der Raumyacht.

MacKenzie ließ sich davon nicht beirren.

Er schaltete die höchste Beschleunigungsstufe ein und erneut das Buggeschütz auf Dauerfeuer. Die Energiespeicher des Gauss-Geschützes standen auf guten 78 Prozent. Das Magnetfeld, das die Railgun-Schienen zu einer Beschleunigungsmaschinerie für Tausende von kugelförmigen, fast faustgroßen Projektilen  machte, wies die übliche Gefechtsstärke auf.

MacKenzie ließ das Buggeschütz Abertausende von Geschossen  in Richtung des gewaltigen Angreifer-Schiffs verfeuern. Die Schussfolge war viel höher, als bei jedem Raumschiff des Space Army Corps, denn das Buggeschütz der Raumyacht war eine erheblich optimiertere Version der Gauss-Geschütze, wie sie derzeit in Kriegsschiffen benutzt wurden. Der Far Galaxy Konzern hoffte damit in Zukunft auch die Schiffe des Space Army Corps ausrüsten zu können und das Geschütz der Raumyacht war dafür ein Prototyp.

Die Geschosse jagten in rascher Folge aus den magnetisierten Schienen heraus. Es war aus dieser Distanz fast unmöglich, nicht zu treffen. Die ersten Einschläge auf der Oberfläche des gewaltigen Arachnoiden-Schiffs wurden bereits von der Ortung registriert. Eine Projektion öffnete sich automatisch und zeigte sie der Reihe nach an.

“Ich hoffe, Sie haben sich das gut überlegt”, sagte von Schlichten.

“Tut mir Leid, Professor”, gab MacKenzie zurück. “Dazu war leider keine Zeit.”

Im nächsten Augenblick platze das gewaltige Schiff der Arachnoiden regelrecht auseinander. Der Einschlag der Wuchtgeschosse aus dem Buggeschütz der Raumyacht sorgte für unvorstellbar große Energieentladungen. Es dauerte nur Augenblicke, bis das gesamte Schiff von dieser verheerenden Wirkung erfasst war.

Eine extrem heiße Explosionsblase entstand. Grelles, leicht gelbliches Licht und hohe Strahlungswerte zeugten davon, was mit den gewaltigen Energiemengen geschah, die sich hier ihre Bahn brachen.

Ein greller Ballon aus purer Glut dehnte sich immer weiter ins All aus.

Die letzte Position der Raumyacht lag längst in ihrem Inneren. Der Höllenatem des eigenen Feuers hatte das kleine Far Galaxy Schiff scheinbar verschlungen.

Dann fiel die Glutblase in sich zusammen.

Nur noch glühende Trümmerteile waberten durch das All. Manche von ihnen leuchteten noch kurz, ehe sie von Dunkelheit umhüllt wurden.

Es lag auf der Hand, dass sie in der Kälte des Alls schnell abkühlten.

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“Können Sie mir sagen, was da gerade passiert ist, Lieutenant Danielsson?”, fragte Captain Wong seinen diensthabenden Ortungsoffizier.

Danielsson machte ein etwas angespanntes Gesicht. Er wirkte ratlos. “Da scheint ein Schiff der ß’Wsssarrr gerade in dem Augenblick aus dem Zwischenraum herausgefallen zu sein, als diese Raumyacht mit Far Galaxy-Kennung versuchte, wieder zu beschleunigen, um in das Sandström-Kontinuum zurückzukehren”, erklärte er dann. “Volltreffer mit dem Buggeschütz, würde ich sagen.”

“Dem stimme ich zu”, mischte sich Jorian Kelly ein. Der Supererdenzwerg strich sich noch immer nachdenklich den Bart entlang. Er schien stark nachzudenken.

Admiral Nainovel hat uns vor von Schlichten und MacKenzie gewarnt,  überlegte Captain Wong. Was zum, Henker hatten die beiden hier zu suchen?

“Besteht die Möglichkeit, dass die Besatzungsmitglieder der Raumyacht überlebt haben?”, fragte Captain Wong.

“Nach dieser Explosion? Unmöglich.” So lautete Jorian Kellys Ansicht.

“Es sei denn, die Raumyacht hat es geschafft, unmittelbar vor der Explosion noch in den den Zwischenraum zurückzukehren”, mischte sich Lieutenant Brett C. Zimmer ein. “Wenn ich kurz überschlage, welche Geschwindigkeit das kleine Schiff noch gehabt haben muss und...” Er sprach nicht weiter, sondern schien einen Augenblick lang sehr intensiv nachzudenken.

Einer der Augenblicke, in denen der gen-optimierte Rudergänger der ODYSSEUS dem C zwischen seinem Vor- und Nachnamen alle Ehre machte. Das stand nämlich für ‘Calculator’ und bezeichnete eine Klasse von genetisch optimierten Personen, deren mathematischen Fähigkeiten die normaler Menschen so ungeheuer weit übertrafen, wie die Fähigkeiten eines antiken Rechenschiebers aus dem vor-digitalen Zeitalter diejenigen eines Hochleistungscomputers, wie er an Bord eines Space Army Corps Schiffs Standard war.

Danielsson sagte schließlich im Brustton der Überzeugung: “Mit etwas Glück könnten sie es geschafft haben. Leider bekommen wir im Moment auf Grund der fünfdimensionalen Anomalien kein Signal unserer Sandströmraum-Sonden, aber wenn das vorbei ist, müssten wir die Aufzeichnungen der Orterdaten abrufen können. Fähnrich Bayle?”

“Lieutenant?”

“Vielleicht testen Sie sicherheitshalber noch einmal die Verbindung?”

“Letzter Verbindungstest zu den Zwischenraumsonden wurde automatisch vor anderthalb Minuten durchgeführt. Ergebnis: negativ. Die fünfdimensionalen Anomalien sind zu stark und überlagern nach wie vor und übergreifend sämtliche Kommunikationskanäle. Selbst die interne Schiffskommunikation ist teilweise gestört. Zumindest gibt es hier mehrere Meldungen darüber, die allerdings noch nicht endgültig bestätigt sind.”

“Danke, Fähnrich Bayle”, sagte Raphael Wong an den diensthabenden Kommunikationsoffizier gerichtet.

Jorian Kelly sagte: “Mit anderen Worten, es besteht noch Hoffnung für die Besatzung.”

“Von Schlichten ist ein Wahnsinniger”, meinte Wong. “Ich habe es immer geahnt...”

“Woher wollen Sie wissen, dass er die Yacht steuert?”, fragte Danielsson.

“Er hätte gar nicht hier sein dürfen! Das ist der Punkt”, meinte Wong. Wir allerdings auch nicht, fügte er noch stumm in Gedanken hinzu.

Ein Ruck ging derweil durch den breitschultrigen Körper von Jorian Kelly. Irgendetwas fesselte jetzt gerade die Aufmerksamkeit des Supererden-Zwergs. Er starrte stirnrunzelnd auf die Anzeigen seiner Konsole. Dann entspannte sich sein Gesichtsausdruck sichtlich.

“Captain, ich bekomme gerade die Meldung, dass mehrere der Arachnoiden-Raumer zerstört wurden. Es ist ein verstümmeltes Kommunikationssignal mit der Kennung von einem der Jäger, die wir vermisst haben.”

“Ortung?”, fragte Wong.

“Die Orterdaten bestätigen das. Starke Explosionen auf mehreren Schiffen der Angreifer”, bestätigte Fähnrich Bayle. “Allerdings messe ich auch wieder eine größere Anzahl neu aus dem Zwischenraum heraustretender Schiffe.”

“Unsere Jäger sind effektiv”, stellte Jorian Kelly fest. “Aber gegen diese Übermacht werden sie nichts ausrichten können.”

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An Bord der ODYSSEUS LANDER 5 herrschte eine ziemlich angespannte Stimmung, nachdem Lieutenant Messina einen nahezu Komplettausfall aller Instrumente gemeldet hatte. Die Pilotin der Landefähre hatte inzwischen einen Teil der Systeme wieder in Betrieb nehmen können. "Energieversorgung und Lebenserhaltung läuft jetzt stabil", meldete Lieutenant Messina. Die Pilotin der Landefähre drehte sich zu Commander David Kronstein um, dem Ersten Offizier der ODYSSEUS. “Ich habe getan, was Sie gesagt haben, Commander.”

“Sie meinen, die Systeme überbrückt und von den Bereichen getrennt, die anfällig für fünfdimensionale Emissionen sind.”

“Die Kommunikation kriege ich auf diese Weise aber nicht wieder hin!”

Commander Kronstein blickte auf die Anzeigen seiner eigenen Konsole. “Nein, Sie haben recht... Die Störungen sind zu stark... Man könnte auch sagen...” Kronstein zögerte.

Lieutenant Messina hob die Augenbrauen hoch. Ihr feingeschnittenes Gesicht bekam einen fragenden Ausdruck.

“Sie wollten noch etwas sagen, Sir?”

“Es könnte sein, dass das Problem nicht darin besteht, dass die Störung zu stark ist, sondern, dass wir zu nahe dran sind.”

“Wie meinen Sie das?”

“Versuchen Sie einfach den Kurs beizubehalten. Unser Orbit muss stabil bleiben, unser Geschwindigkeit auch. Sonst verpassen wir die ODYSSEUS und es braucht dann einige komplizierte Manöver, um das wieder hinzukriegen.”

Und bis dahin haben uns die Angreifer-Schiffe möglicherweise schon atomisiert, fügte Kronstein in Gedanken hinzu. Aber er hütetet sich, das laut auszusprechen. Das konnte sich wohl jeder an Bord auch so denken.

“Kunststück”, sagte Lieutenant Messina. “Ich meine - ohne eine funktionierende Ortung.”

Denn die Ortung war neben der Kommunikation eines der Systeme, die nicht so einfach wiederherzustellen waren. Offenbar reagierten die entsprechenden Systeme sehr sensibel auf die fünfdimensionalen Emissionen unbekannter Herkunft, die ihnen im Moment zu schaffen machten. Das Kommunikationssystem und insbesondere der überlichtschnelle Sandström-Funk in dieser Hinsicht empfindlich sind, ist bekannt,  dachte Kronstein. Dass aber zeitweilig nahezu sämtliche Systeme betroffen waren, ist schon sehr ungewöhnlich... Zumindest, soweit ich mich mit dieser Thematik beschäftigt habe.

Kronstein blickte zu Dr. Patricia Mangoli hinüber. Die Ärztin aus dem medizinische Team der ODYSSEUS hielt ihren medizinischen Scanner in die Nähe des geheimnisvollen Kindes namens William, auf dass die Crew der ODYSSEUS LANDER 5 bei ihrer Landung auf Taralon III gestoßen war.

“Ich habe hier ein paar sehr seltsame medizinische Werte”, sagte Dr. Mangoli. “Sie sind so atypisch... Kann es sein, dass diese fünfdimensionale Strahlungsemission dafür verantwortlich ist?”

“Nein”, sagte Kronstein mit einer Bestimmtheit, die Dr. Mangoli überraschte.

“Aber...”

“Der Junge ist der Ausgangspunkt der Anomalie”, erklärte Kronstein. “Da fünfdimensionale Strahlungsemissionen nichts anderes als eine Art Quantenecho aus einem höheren Kontinuum sind, kann man ihren Ursprung manchmal schwer orten.”

Dr. Mangoli wirkte irritiert. Sie ließ den Scanner sinken.

Das Kind William saß vollkommen unberührt auf seinem Platz. Der ungefähr zehnjährige Junge erwiderte jetzt Kronsteins Blick. Er weiß genau, was hier geschieht, dachte Kronstein. Er hat es initiiert! Das ist alles kein Zufall.

“Warum?”, fragte Kronstein aus einem spontanen Gedanken heraus.

“Weil es notwendig ist”, sagte William.

“Was genau hast du vor?”

Der Junge antwortete nicht.

Lieutenant Messina meldete sich unterdessen zu Wort: “Die Ortung funktioniert wieder bis auf mittlere Distanz. Ich weiß nicht, was ich gemacht habe! Aber wir fliegen nicht mehr blind.”

“Es ist nicht meine Absicht, euch in Gefahr zu bringen”, sagte William.

“Was ist dann deine Absicht?”, fragte Commander David Kronstein.

“Ich tue, was geschehen muss”, lautete die wenig erhellende Antwort. “Ich bin William. Ein Kind. Und ich tue, was notwendig ist.” Als er diese Worte noch einmal wiederholte, stellte sich bei Kronstein der Eindruck ein, dass der Junge sich damit auf irgendeine Weise selbst seiner Existenz und seiner Absichten zu versichern versuchte. So als müsste er es erst mehrfach wiederholen, um es selbst glauben zu können.

Das dies kein gewöhnliches Kind ist, war uns allen doch von Anfang an klar, ging es Kronstein durch den Kopf.

Lieutenant Messina meldete sich noch einmal zu Wort. “Mehrere Angreifer-Einheiten im Anflug. Sie nehmen Formation an: Ich fürchte, die haben es auf uns abgesehen.”

“Sind wir schon in Schussweite?”

“Nicht in unserer Schussweite”, stellte Lieutenant Messina fest. “Allerdings kann ich im Moment unsere Vierfach-Batterie am Bug ohnehin nicht benutzen.”

“Lassen Sie  mich raten - das gehört zu den Systemteilen, die durch die Emission gestört sind”, schloss Kronstein.

“Das Energieniveau ist dort auf bedenkliche Werte gestiegen, darum sind die Teilsysteme selbsttätig abgeschaltet worden. Die Kanonen reagieren also nicht und ich fürchte, dass wird  noch eine ganze Weile so bleiben.”

“Ich habe einen Vorschlag, Commander Kronstein”, meldete sich jetzt Master Sergeant J. L. Gerard zu Wort. Der Kommandant der Einheit von Space Marines, die jetzt Teil des Außenteams war. Er hatte den Helm für einen Außeneinsatz eingefahren. Aber ansonsten war er genau wie die anderen Angehörigen der Einheit mit schwerem Kampfanzug und voller Bewaffnung ausgerüstet. Master Sergeant Gerard wartete ganz entgegen seiner sonstigen Praxis nicht erst, bis Kronstein ihn dazu aufforderte, den angekündigten Vorschlag zu benennen. Die Lage war einfach zu ernst, um auf Hierarchien oder Empfindlichkeiten Rücksicht zu nehmen. Ihrer aller Leben hing an einem seidenen Faden.

Gerard fuhr einfach fort: “Lassen Sie mich und ein paar Marines durch die Luftschleuse gehen...”

“Sie wollen sich einfach ins All fallen lassen?”, fragte Mangoli.

“Nicht ins All fallenlasen!”, korrigierte Gerard. Er sah Kronstein an. “Sie wissen, dass unsere Anzüge und unsere Antigrav-Paks uns befähigen, ein Orbit zu halten und in  Grenzen auch zu manövrieren.”

“Ja”, nickte Kronstein.

“Wir könnten die Angreifer-Schiffe unter Feuer nehmen. Die wiederum hätten kaum eine Chance, uns zu treffen.”

“Die werden Breitband-Feuer einsetzen”, sagte Kronstein. “Und damit erfassen die auch ein paar im Orbit schwebende Marines.”

“Aber vorher haben wir etliche von ihnen mit Gauss-Projektilen erledigt! Unsere Gewehre reichen dafür. Ein Treffer an der richtigen Stelle und die Dinger platzen auseinander wie...”

Ersparen Sie mir Ihre Vergleiche, dachte Kronstein unwillkürlich.

Der Erste Offizier der ODYSSEUS sagte einfach: “Ich werde Ihren Entschluss in Erwägung ziehen, Master-Sergeant.”

“Danke, Sir. Aber warten Sie nicht zu lange damit. Wir verlieren dann Optionen.”

“Ich weiß”, murmelte Kronstein.

“Und so, wie ich das sehe, gibt es zu meinem Vorschlag auch keinerlei vernünftige Alternative. Es sei denn, die Systeme funktionieren plötzlich wieder einwandfrei und es können die Buggeschütze eingesetzt werden.”

In diesem Augenblick ging mit dem Jungen William eine Veränderung vor sich.

Seine Augen begannen plötzlich auf eine Weise zu leuchten, wie Kronstein es noch bei keinem lebenden Wesen gesehen hatte. Weder bei Einheimischen noch gar unter den Angehörigen der Raumflotte des Space Army Corps im Dienst der Humanen Welten und ihrer Verbündeten oder angeschlossenen Systeme.

“Wenn Sie im Orbit ausschwärmen, werden wir Sie wieder einsammeln müssen, bevor wir an Bord der ODYSSEUS zurückkehren”, sagte Kronstein.

“Ja, Sir”, bestätigte Gerard.

“Es kann sein, dass dazu bei dem geplanten Rendezvous keine Zeit bleibt. Der Tangential-Kurs der ODYSSEUS mit unserem Orbit macht es notwendig, dass wir dann unverzüglich an Bord zurückkehren. Das Zeitfenster ist eng, die Geschwindigkeit der ODYSSEUS zu hoch, um es ausdehnen zu können.”

“Aber so werden wir den Angreifern wehrlos gegenüberstehen!”, stellte Gerard fest.

“Messina?”, wandte sich Kronstein der Pilotin zu.

“Ja, Sir?”

“Können Sie unsere Jäger orten?”

“Negativ, Captain. Ich suche sie schon die ganze Zeit. Bislang haben sie uns ja ganz gut den Orbit freigeschossen, aber ich fürchte, gegen die Übermacht, die sich da unserer Position nähert, hätten wir nichtmal mit zwei oder drei  Dutzend Jägern eine Chance!”

Kronstein nickte.

Eine verfahrene Lage, ging es ihm durch den Kopf. Wie auch immer ich mich entscheide, es wird Gründe geben, diese Entscheidung am Ende falsch zu nennen. Und da war noch ein anderer Faktor, der ihn bisher zögern ließ. Das Kind. William. Kronstein fragte sich, was mit dem Jungen im Moment vor sich ging. Der I.O. warf einen kurzen Blick auf die Anzeigen seines Displays. Die Stärke der fünfdimensionalen Emissionen war nicht durchgängig angezeigt worden. Das Diagramm war lückenhaft und es wurden mindestens eine Handvoll von Systemfehlern angezeigt. Aber das, was im Moment angezeigt wurde, war schon beängstigend genug. Und es gab bei den für diesen Augenblick geltenden Werten auch keinerlei Anlass, an ihrer Richtigkeit zu zweifeln. Die diversen technischen Schwierigkeiten, die es derzeit an Bord der ODYSSEUS LANDER 5 gab, spielten dabei keine Rolle.

“Wir kennen die Schussweite der Angreifer nicht genau”, sagte Lieutenant Messina. “Aber sie dürfte nicht geringer sein als unsere und das heißt, dass sie bald das Feuer eröffnen werden.”

“Steigen Sie mit ein paar Mann aus”, wandte sich Kronstein jetzt an Gerard. “Aber lassen Sie sich nicht in den Orbit fallen.”

“Das würde der normalen Orbitalkampf-Taktik entsprechen”, sagte Gerard. “Ist noch nicht oft angewandt worden, aber wir sind dafür ausgerüstet und trainiert!”

“Heften Sie sich stattdessen mit Ihren Magnetstiefeln an die Außenhaut des LANDERS”, befahl Kronstein. “Und dann feuern Sie von dort aus. Ich weiß, dass das Ihr Risiko erhöht, aber...”

“Es erhöht das Risiko von uns allen”, sagte Gerard.

“Ich will, dass Sie und Ihre Leute beim Rendezvous mit an Bord des Zerstörers gehen können”, erklärte Kronstein.

“Okay, Sir”, sagte Gerard.

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Helme wurden geschlossen, Gauss-Gewehre in den Gefechtsmodus geschaltet. Die Marines waren darüber hinaus noch mit Nadlern und Thermostrahlern ausgerüstet. Die aufgeschnallten Antigrav-Paks versetzten sie dazu in die Lage, auf sich gestellt aus dem Orbit zu stürzen und vollkommen selbstständig zu landen. Außerdem ließen sich die Antigrav-Aggregate im freien Raum wie ein Antrieb verwenden und ermöglichten ein begrenztes Manövrieren.

Die Anzüge der Einheit von Master Sergeant Gerard gehörten der allerneuesten Generation an. Und die verfügte darüber hinaus auch noch über eine Reihe kleinerer, mit Energiezellen betriebenen Steuerdüsen, die speziell für die Bewegung im freien Weltraum optimiert waren, sich aber auch dazu eigneten, um auf Himmelskörpern mit sehr niedriger Gravitation größere Sprünge zur Fortbewegung durchzuführen.

“Raus mit euch!”, befahl Gerard. “Ich gehe zuerst durch die Schleuse, ihr folgt mir im Anstand von einer Minute.”

“Aye, aye, Sir!”, dröhnte es im Helmfunk.

“Sucht euch einen freien Platz auf der Außenhülle der ODYSSEUS LANDER, aber vergesst nicht, euch mit Karabiner-Haken zu sichern.”

“Ja, Sir!”

“Ich vertraue zwar grundsätzlich den Magnethalterungen unter unseren Stiefelsohlen, aber sicher ist sicher. Und ich denke, keiner von euch ist besonders scharf darauf, vom Rückstoß seines Gauss-Gewehrs ins All geschleudert werden!”

“Ja, Sir!”

“Schaltet das Energielevel der Magnetschienen eurer Gewehre auf den niedrigsten Wert. Die Durchschlagskraft ist dann immer noch hoch genug, um so ein Spinnenviecher-Raumschiff zerplatzen zu lassen!”

“Ja, Sir”

“Viel Glück!”

Gerard bewegte sich als erster Richtung Schleuse.

Wenig später war er darin verschwunden und befand sich kurz darauf im freien All.

Die aktivierten Magnethalterungen seiner Anzugstiefel sorgten dafür, dass er auf der Außenhaut der Landefähre problemlos laufen konnte. Es ging etwas plumper vorwärts, als unter dem Einfluss von planetarer Schwerkraft, aber solche Einsätze wurden mittlerweile unter den Space Marines des Space Army Corps der Humanen Welten regelmäßig trainiert. Insbesondere die Erfahrungen der Crew der STERNENKRIEGER unter Captain Sunfrost im Morrhm-Gebiet hatten dazu geführt, dass das Training der Space Marines in diesem Punkt modifiziert worden war. Admiral Raimondo persönlich hatte sich dafür eingesetzt.

Und so bedeutete es auch keine Schwierigkeit für den erfahrenen Master-Sergeant, sich zum Bug der ODYSSEUS LANDER 5 zu bewegen. Er ging dabei über die Außenseite der Steuerbordwandung. Ein Halteseil befestigte er an einer Stahlöse, an der sich normalerweise Mechaniker sicherten, wenn sie an der Außenhülle der Raumfähre Reparaturen im freien All durchführen mussten. Das kam zwar äußerst selten vor, aber im Notfall musste man dafür eingerichtet sein.

J. L. Gerard ließ den Karabinerhaken einrasten. Dann legte er sein Gauss-Gewehr an.

“Bin auf Position. Sollen die Spinnen nur kommen, ich blas sie weg!”, meldete er über Helmfunk. “Hört mich da eigentlich jemand oder ist der Helmfunk auch gestört?”, fügte er dann noch hinzu, nachdem er einige Knacklaute, untermalt von einem eher ungewöhnlichem Grundrauschen wahrgenommen hatte.

“Helmfunk funktioniert”, meldete sich Fähnrich Bayle unterdessen. “Ist mit der Schiffskommunikation gekoppelt. Wir bekommen alles mit. Auch die Aufzeichnungen Ihrer Helmkamera.”

“Gut”, sagte Gerard. “Der Nächste soll rauskommen!”

“Schon unterwegs, Sir”, meldete sich einer der anderen Space Marines. Zwei von ihnen kamen jetzt auf einmal durch die Schleuse.

“Sagen Sie bloß, Sie haben sich zusammen in die Schleusenkabine gequetscht”, stellte Gerard überrascht fest.

“Ja, Sir”, kam es zurück.

“Ich hoffe nur, dass Sie Ihre Anzüge nicht miteinander verhakt oder beschädigt haben.”

“Das sind Kampfanzüge, Sir, die können eine Menge ab”, meinte einer der Space Marines. Er hieß Kells und war der beste Railgun-Schütze seines Jahrgangs gewesen. Niemand konnte mit dem Gauss-Gewehr umgehen wie Space Marine Private Kells. Selbst Master-Sergeant Gerard musste anerkennen, dass Kells zumindest in dieser Hinsicht eine Klasse besser war als er selbst.

“Private Kells, Sie gehen auf die Oberseite der Fähre und postieren sich am Bug”, befahl Gerard.

“Ja, Sir!”

Kells begab sich auf seinen Posten und ging in Stellung.

“Commander? Wir brauchen jetzt die Positionsdaten der herannahenden Spinnenschiffe, damit wir sie ins Visier nehmen können, soweit sie in effektive Schussweite gekommen sind!”

“Daten übermittelt”, meldete Commander Kronstein.

Details

Seiten
Jahr
2018
ISBN (ePUB)
9783738920321
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (August)
Schlagworte
folge chronik sternenkrieger doppelband zerstörer/sunfrosts

Autor

  • Alfred Bekker (Autor:in)

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Titel: Folge 37/38: Chronik der Sternenkrieger Doppelband: Zerstörer/Sunfrosts Weg