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3 romantische Romane für den Sommer: Ein schicksalhafter Sommer/Keine Zeit für die Liebe/Nachts...

©2018 0 Seiten

Zusammenfassung

3 romantische Romane für den Sommer: Ein schicksalhafter Sommer/Keine Zeit für die Liebe/Nachts...



Bevor Josephine für ein Jahr in die Staaten fliegt, um dort ein Praktikum zu absolvieren, will sie ein paar Wochen Sommer, Sonne und Strand mit ihrer Freundin Macy genießen.

In der ersten Zeit unternehmen sie viel.

Dann stimmt Josephine dem Bitten von Macy zu, auf eine Party auf einer Yacht zu gehen. Macy ist blind für alles um sie herum, während Josephine instinktiv die Gefahr spürt. Durch ein Unglück, bei dem Josephine fast stirbt, kommt es zwischen den Freundinnen zu einem ersten Streit.

Als ihr gemeinsamer Urlaub endet, verschwindet Macy plötzlich. Josephine macht sich große Sorgen. Auf der Polizei macht man ihr keine großen Hoffnungen, sie zu finden.

Und nun muss Josephine ihr Praktikum antreten. Sie lernt Richard kennen, den Mann ihrer Träume. Aber sie verbietet sich, ihn zu lieben … Denn zuerst muss sie Macy wiederfinden.

Leseprobe

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Drei Romantische Romane für den Sommer: Ein schicksalhafter Sommer/Keine Zeit für die Liebe/Nachts...

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Bevor Josephine für ein Jahr in die Staaten fliegt, um dort ein Praktikum zu absolvieren, will sie ein paar Wochen Sommer, Sonne und Strand mit ihrer Freundin Macy genießen.

In der ersten Zeit unternehmen sie viel.

Dann stimmt Josephine dem Bitten von Macy zu, auf eine Party auf einer Yacht zu gehen. Macy ist blind für alles um sie herum, während Josephine instinktiv die Gefahr spürt. Durch ein Unglück, bei dem Josephine fast stirbt, kommt es zwischen den Freundinnen zu einem ersten Streit.

Als ihr gemeinsamer Urlaub endet, verschwindet Macy plötzlich. Josephine macht sich große Sorgen. Auf der Polizei macht man ihr keine großen Hoffnungen, sie zu finden.

Und nun muss Josephine ihr Praktikum antreten. Sie lernt Richard kennen, den Mann ihrer Träume. Aber sie verbietet sich, ihn zu lieben ... Denn zuerst muss sie Macy wiederfinden.

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Copyright

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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Ein schicksalhafter Sommer

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von Rowena Crane

Der Umfang dieses Buchs entspricht 113 Taschenbuchseiten.

Im Krankenhaus wird Liza von Dr. Enzo Lambert liebevoll nach ihrer schweren Misshandlung versorgt. Bereits vor ihrem Unglück hatte er ein Auge auf sie geworfen, denn sie arbeitet wie er im gleichen Krankenhaus als OP-Schwester. Liza ist aber nicht in der Lage, das zu erkennen, denn sie fühlt sich leer und beschmutzt, und glaubt, dass kein Mann sie mehr lieben wird, wenn er erfährt, was ihr widerfahren ist. Als Liza ihre verwüstete Wohnung sieht, nimmt Enzo sie mit zu sich und hofft, dass sie sich allmählich näherkommen. Doch ist die Gefahr nicht vorüber, denn ihre Vergewaltigter sind noch nicht dingfest gemacht worden ...

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker.

© by Author

© Cover Rowena Crane

© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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1.

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He, Baby, kommst du heute Abend mit in den Club?“, fragte Jamie, während er sich über den Broiler hermachte, den er sich am Stand vor dem Supermarkt gekauft hatte.

Liza warf ihm einen ärgerlichen Blick zu. Sie hatte es nicht so gern, wenn er sie ,Baby‘ nannte.

„Nee, ich hab keine Lust. Ich muss endlich mal ausschlafen“, antwortete sie.

„Ach, komm schon! Du hast das Wochenende frei. Kannst doch den ganzen Sonntag pennen“, entgegnete er kauend. Wie Liza das hasste, wenn er beim Essen redete!

Eigentlich hatte sie vorgehabt, ihm an diesem Wochenende den Laufpass zu geben. Es hatte eine Weile gedauert, bis sie aufgewacht war. Jamie sah zwar gut aus, aber er war ein Egoist und Schmarotzer. Eigentlich wusste sie nicht einmal, wie er sein Geld verdiente. Wenn sie ihn darauf ansprach, fauchte er sie an, dass es sie nicht anging. Auch ein Nein konnte er schlecht akzeptieren. Dann wurde er meist wütend. Mit so einem Kerl wollte sie nicht leben. Und lieben konnte sie ihn schon gar nicht. Sie verstand im Nachhinein immer noch nicht, wie sie sich hatte in so einen Typen vergucken können.

Aber sie hatte auch Angst. Angst vor seiner Reaktion, wenn sie ihm erklärte, dass es aus zwischen ihnen ist, denn er war in seinen Handlungen unberechenbar.

„Eh, warum sagst du nichts?“ Er klang ungeduldig.

„Ich mag nicht“, sagte sie mit müder Stimme.

„Was magst du nicht? Nicht mitkommen oder antworten.“

„Nicht mitkommen“, sagte sie mit einem genervten Stöhnen. „Ich hab keine Lust. Immer wieder nur der Club. Immer nur Alkohol, immer nur laute Musik.“

„Bist du etwa unzufrieden, Baby?“, fragte er lauernd und ließ den abgelutschten Knochen auf den Teller fallen. Seine fettigen Finger wischte er sich an seiner verwaschenen Jeans ab.

Eigentlich kann ich ihm jetzt auch schon sagen, dass er verschwinden soll, dachte sie angeekelt, während sie ihn musterte.

„Ja, ich bin unzufrieden. Ich will mehr aus meinem Leben machen. Und das ohne dich.“

Nun war es raus.

Jamie sah sie an, als wenn er sich verhört hätte. Doch dann lehnte er sich auf dem Stuhl nach hinten und streckte seine Beine lang aus. Mit leicht zusammengekniffenen Augen sah er sie weiter an und schnaufte: „Ohne mich! Hm! Wie stellst du dir das denn vor?“

„Ganz einfach! Jeder geht seine eigenen Wege. Ich will das alles nicht mehr, deine Partys, das Ungewisse, wie du an Geld kommst ... Und - sieh dich doch mal an! Als ich dich kennengelernt hatte, warst du anders. Jetzt rennst du wie ein Landstreicher rum“, hielt sie ihm vor.

„Hast etwa `nen neuen Macker?“, fragte er gefährlich leise.

„Nein! Hab ich nicht“, antwortete sie wahrheitsgetreu. Sie war auch nicht scharf auf eine neue Männerbekanntschaft. Zeit für sich wollte sie haben und Dinge tun, die mit Jamie unmöglich zu machen waren.

Jamie glaubte ihr, denn nach ihrer Schicht im Krankenhaus, wo sie als OP-Schwester arbeitete, war er jede Minute mit ihr zusammen.

„Und wer soll es dir dann besorgen, Baby?“, fragte er süffisant.

Liza stöhnte auf.

„Sex ist nicht alles auf der Welt, weißt du?“ Sie wünschte sich, dass er ging. Sofort! Es kam ihr merkwürdig vor, dass er gar nicht wütend wurde. Aber das konnte ja noch kommen.

„Bist dir ganz sicher, dass ich gehen soll?“, hakte er nach.

„Ja!“

„Totaler Bruch!“

„Nicht im Streit. Wir können Freunde bleiben“, schlug sie vor.

„Pff! Das funktioniert nicht“, meinte er verächtlich.

Darauf sagte Liza nichts. Sie konnte auch auf seine Freundschaft verzichten. Am besten, er verschwand ganz aus ihrem Leben.

„Okay! Dann werd` ich mal gehen“, hörte sie ihn sagen.

Überraschung spiegelte sich in ihrem Gesicht wider. Kein Geschrei, kein Wutanfall? Er wollte einfach so gehen? Misstrauen machte sich in ihr breit.

Als Jamie an der Tür stand, drehte er sich noch einmal zu ihr um.

„Komm wenigstens heute noch einmal mit in den Club! Brauchst ja nicht so lange bleiben. Und dann kann ich dir auch gleich den Wohnungsschlüssel geben, denn den hab ich gerade nicht dabei.“

Was für ein Zufall, dachte Liza zynisch. Also doch nicht so einfach. Hab's mir doch gedacht. Jetzt fing sie doch an, sich Sorgen zu machen, ob sie heil aus dieser Geschichte herauskam.

„Eine kleine Abschiedsfeier. Trennung in Freundschaft!“, sagte er noch.

Liza überlegte einen Moment. Sie wollte - nein - musste den Schlüssel von ihm bekommen, denn sie wollte unbedingt verhindern, dass er sich weiter Zutritt zu ihrer Wohnung verschaffte, wenn ihm mal wieder so war. Aus diesem Grund stimmte sie notgedrungen zu und nickte kaum merklich, was er aber zur Kenntnis nahm, ohne sich darüber zu mokieren.

„Super! Ich hol dich dann ab“, teilte er ihr mit.

Das wollte Liza auf keinen Fall. Wer weiß, was ihm dann noch einfiel.

„Ich möchte lieber ein Taxi nehmen.“

Jamie hob abwehrend die Hände.

„Eben nicht.“ Ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren, verließ er dann ihre Wohnung.

Erleichtert darüber, dass sie es geschafft hatte, ihm dem Laufpass zu geben, atmete sie tief ein. Noch mehr war sie darüber erleichtert, dass er keine Szene gemacht hatte. Aber wundern tat sie sich auch. Das war nämlich sehr untypisch für ihn.

Liza verdrängte einfach diese Gedanken aufgrund ihrer Freude darüber, frei von ihm zu sein. Nur noch dieser eine Abend, und dann war sie ihn für immer los. Nur noch diesen Abend im Club, das schaffte sie auch noch. Am liebsten hätte sie über ihr neu gewonnenes Glück gejubelt.

Jamie war schon eine Weile im Club und wartete ungeduldig auf Liza. Seine Kumpel Kay und Thomas, die ihm stets wie Schatten folgten, waren bei ihm. Jeder hatte ein Bier vor sich zu stehen.

Kurz nach 20 Uhr betrat Liza den Club. Umzusehen brauchte sie sich nicht, denn Jamie saß mit seinen Anhängseln immer am gleichen Tisch. Auf diesen strebte sie nun zu.

„He, Baby! Siehst zum Anbeißen aus!“, begrüßte er sie. „Seht sie euch an! Diese Frau hat mich heute verlassen. Sie will mich nicht mehr“, sagte er, Mitleid einheimsend, zu den anderen.

Die beiden reagierten sogleich, wie er es sich wünschte. Sie bedauerten ihn so, dass es schon peinlich wurde.

Jamie schien sich darin zu baden und setzte dem erst nach einer Weile ein Ende, in dem er sagte: „Ich werde schon darüber wegkommen. Es gibt noch viele schöne Frauen, die bereitwillig ihre Beine breitmachen.“

Als hätte er einen tollen Witz gerissen, lachten seine Schatten wie auf Kommando auf.

Angewidert von diesem Getue tat es Liza jetzt leid, dass sie zugesagt hatte, hierher zu kommen. Sie hätte das Geld doch für ein neues Sicherheitsschloss opfern sollen. Doch nun war sie hier.

„Gib mir meinen Schlüssel!“, forderte sie von ihm.

„Baby, den hab ich im Auto. Kriegst ihn, wenn du gehen willst“, erwiderte er.

„Jetzt!“ Sie wollte wieder gehen.

„Was? Jetzt schon? Bist doch gerade erst gekommen. Wir wollten doch unsere Trennung feiern. Schon vergessen?“, fragte er, Enttäuschung vorgaukelnd.

„Du kannst doch mit den beiden Affen die Trennung begießen. Was soll ich dabei?“, reagierte sie mürrisch. Abweisend schaute sie zu seinen treuen Begleitern.

Jamie bedachte sie mit einem unwilligen Blick.

„Könnte ich, will aber mit dir.“

„Und was soll das bringen? Falls du dir Hoffnung machst, dass ich ...“

„Mach ich nicht“, unterbrach er sie brüsk. „Deine Abfuhr war klar und deutlich.“

Liza sagte darauf lieber nichts, denn es hätte nun zu einer handfesten Diskussion kommen können. Und das wollte sie auf keinen Fall.

Jamie lenkte zu ihrer Überraschung ein.

„Nur auf ein oder zwei Drinks. Dann kriegst deinen Schlüssel, und unsere Wege trennen sich.“

„Gut, aber nicht mit diesen Trotteln“, verlangte sie.

„Okay! Kay, Thomas! Verkrümelt euch!“, wies er die beiden an, die die ganze Zeit mit einem Grinsen im Gesicht das Gespräch verfolgt hatten. Sofort standen sie auf und suchten sich einen anderen Platz. Und das Grinsen klebte immer noch auf ihren Gesichtern.

„Sie sind weg, so wie du es wünscht, meine Prinzessin“, sagte er im sarkastischen Ton.

„Das war ich noch nie“, stellte sie abweisend klar.

Jamie überging diese Bemerkung und fragte: „Was möchtest du trinken?“

„Eigentlich nichts mit Alkohol“, antwortete sie zaghaft, wusste aber sofort, dass er darauf nicht eingehen würde. So sah er sie auch an und wartete darauf, dass sie ihre Meinung änderte.

„Aber nur einen Drink. Dann wie immer!“, verlangte sie.

Jamie nickte zufrieden und grinste. Es dauerte auch nur einen Moment, da kam er mit zwei vollen Gläsern zurück.

„Dann auf deine Zukunft!“, sagte er und stieß mit ihr an.

„Danke. Auch auf deine“, murmelte sie.

Jamie schaffte es, ihr noch zwei weitere Drinks aufzuschwatzen, die bald ihre Wirkung zeigten. Liza fühlte sich beschwipst, und das auf eine merkwürdige Weise. Es hinderte sie aber, darüber groß nachzudenken. Darum beschloss Liza, dass es endlich Zeit wurde, den Club zu verlassen, denn ihr wurde immer komischer zumute.

„Ich will jetzt nach Hause. Gib mir den Schlüssel!“, verlangte sie und schüttelte ihren Kopf, als würde sich das dumpfe Gefühl dann verflüchtigen.

„Klar! Ich bring dich raus“, sagte er bereitwillig, was sie zu einem Stirnrunzeln veranlasste.

Er legte den Arm um ihre Taille, denn sie schwankte etwas, als sie aufstand.

Liza fiel auf, dass sein Wagen nicht, wie gewohnt, auf dem Parkplatz der Bar stand, sagte aber nichts. Vielleicht waren alle Parkplätze besetzt gewesen, als er vorgefahren war. Es war Wochenende, da kam das schon mal vor.

Nun mussten sie ein Stück laufen, denn Jamie hatte diesmal seinen Wagen in einer Gasse geparkt, die nur mäßig beleuchtet war.

„Wieso parkst du hier? Machst du doch sonst nie“, fragte sie verwundert.

„War ja nirgendwo mehr was frei“, brummte er, was sie nicht weiter kommentierte.

Als sie bei seinem Wagen ankamen, sah Liza, dass Kay und Thomas dort standen.

„Was wollen die denn hier“, fragte sie mürrisch. Sie erhielt aber keine Antwort.

Jamie öffnete die Tür und tat so, als würde er nach dem Schlüssel im Handschuhfach suchen. Liza stand hinter ihm, so dass sie nicht mitbekam, dass Thomas den Kofferraum öffnete. Im selben Moment ergriff der stärkere Kay die junge Frau mit einem Arm von hinten und hielt ihr derb den Mund zu, um zu verhindern, dass sie schrie. Schnell erholte sich Liza vom ersten Schreck und wollte sich losreißen. Doch irgendwie fehlte ihr die Kraft, was sie nicht richtig begriff. Sie hörte die beiden Männer lachen.

Jamie aber fauchte sie an: „Beeilt euch gefälligst! Oder soll das hier noch einer mitbekommen? Dann können wir unsern Spaß vergessen.“

Und schon warf Kay sie unsanft in den Kofferraum hinein. Sofort knallte Thomas die Kofferklappe runter. Eilig sprangen beide in den Wagen, den Jamie nun startete. Mit kreischenden Reifen verließen sie die Gasse.

Liza wurde schlagartig nüchtern, obwohl das dumpfe Gefühl blieb, und geriet in Panik. Die Enge des Kofferraums machte ihr Angst. Aber noch mehr fürchtete sie sich vor dem, was Jamie vorhatte, denn sie malte sich in den nächsten Momenten die schlimmsten Szenarien aus.

Mit der Faust trommelte sie an der Klappe des Kofferraums und schrie, dass man sie rauslassen sollte. Doch Jamie stellte einfach das Radio lauter. Die anderen beiden hörte sie lachen.

Sie probierte auch, ihre Füße gegen die Kofferklappe zu stemmen, doch es war nicht genügend Platz. Dabei verlor sie zu ihrem Ärger auch noch ihre Pumps.

Tränen füllten ihre Augen und liefen an den Seiten runter, so dass die Wimperntusche verlief. Ihr Kleid war garantiert auch ruiniert, denn hier drin war alles verdreckt.

Diese absurden Gedanken gingen ihr durch den Kopf, bis sie wieder daran dachte, was das Ganze hier soll.

„Jamie, du hattest jetzt deinen Spaß. Lass mich raus!“, schrie sie erneut.

„Der kommt erst. Wart`s ab, Baby!“, rief Jamie und lachte laut auf. „Unsere Trennungsparty ist noch nicht zu Ende.“

Liza wurde kalt. Es war aber eine Kälte, die von innen kam. Was meinte er damit? Wollte er sie etwa vergewaltigen und dann umbringen? Dass sie sich von ihm trennen wollte, das konnte er doch nicht als Anlass nehmen. Oder doch? Ja - sie traute ihm das zu.

„Mein Baby scheint sich beruhigt zu haben. Mal sehen, ob ihr meine Überraschung gefällt“, sagte Jamie, während er in einen Waldweg abbog.

„Die wird vor Freude schreien“, kam es von Kay, und Thomas lachte vergnügt auf, als er sagte: „Bloß wird das keiner hören.“

Liza wurde sehr unsanft durchgeschüttelt. Mehrmals stieß sie sich schmerzhaft den Kopf an. Ein paarmal glaubte sie schon, sich übergeben zu müssen.

Doch dann stoppte der Wagen.

„Ihr könnt sie rausholen. Bringt sie gleich in die Hütte!“, befahl Jamie seinen Begleitern. Er selbst ging in die alte Jagdhütte, um sich noch einen Zug aus der einen Wodkaflasche zu genehmigen, die er mit zwei weiteren mitgenommen hatte.

Die beiden zerrten Liza unsanft aus dem Kofferraum und stellten sie auf ihre Füße, ohne sie jedoch loszulassen. Sie hatten keine Lust, hinter ihr herzulaufen und sich von Jamie anschnauzen zu lassen.

Liza schaute sich um, soweit sie es konnte, denn es war bereits dunkel, und fragte sich ängstlich, wo sie hier waren. Aber ihre Angst zeigte sie den beiden nicht, denn die Genugtuung gönnte sie diesen Trotteln nicht.

„Seid ihr alle komplett verblödet?“, fauchte sie dafür die zwei an.

„Halts Maul!“, fuhr Thomas sie grob an.

„Was soll das? Wollt ihr mich verarschen? Ich finde das nicht lustig“, fauchte sie weiter.

„Nö, aber wir finden das lustig“, antwortete Kay und grinste sie frech an. „Wirst schon sehen.“ Genüsslich saugte er an seiner Zigarette, die er sich selbst gedreht hatte. Liza konnte riechen, dass er da nicht nur Tabak, sondern auch Cannabis unter gemischt hatte.

Die haben sich mit dem Zeug den restlichen Verstand vernebelt, dachte Liza verächtlich.

Thomas zog sie nun grob in die alte Hütte. Jamie stand an einem kleinen Tisch, auf dem sich mehrere brennende Kerzen befanden. Er hatte gerade wieder einen großen Schluck aus seiner Flasche genommen.

„Na, Baby! Dann wollen wir mal jetzt zum vergnüglichen Teil übergehen“, und rieb sich die Hände.

Thomas ließ Liza los und stellte sich an der Tür auf. Kay lehnte sich lässig an die Wand und grinste einfältig vor sich hin.

„Jamie, was soll der Unsinn? Ich will nach Hause“, sagte Liza, immer noch mit fester Stimme, obwohl ihr nun schon mehr zum Heulen war.

„Nach Hause? Hm. Das geht nicht.“

„Was soll das heißen? Willst du mich jetzt etwa umbringen und im Wald verscharren, nur, weil ich mit dir Schluss gemacht hab?“, ereiferte sie sich.

„Ich bring dich nicht um, Baby. Aber ich dachte mir, dass ich mich mit dir noch etwas vergnüge. Als Entschädigung sozusagen! Ein Abschiedsgeschenk!“

„Bist du völlig übergeschnappt? Hier, in dieser Bruchbude? Und die Idioten da - sollen die zusehen?“, fauchte sie ihn wütend an.

„Wieso zusehen?“ Jamie warf ihr einen überheblichen Blick zu.

Liza sah sich gehetzt um, als die Erkenntnis sie erreichte, dass man sie hier wirklich vergewaltigen wollte. Und ihr war klar, dass sie dem nicht entkommen konnte. Gegen drei Männer hatte sie nicht die geringste Chance.

„Ausziehen!“, forderte Jamie plötzlich von ihr und sah sie grimmig an.

„Bitte, das kannst du nicht machen. Bring mich nach Hause! Wir können doch über alles reden.“ Flehend sah sie ihn an. Doch er verzog abweisend sein Gesicht.

„Reden? Nee! Du hast mich klar abserviert. Und das, Baby, das lasse ich mir nicht so einfach bieten“, stellte er klar. „Zieh dich jetzt aus!“, forderte er ein weiteres Mal.

„Nein!“ Zu ihrer Hoffnungslosigkeit gesellte sich nun Wut. Sie würde sich trotzdem wehren, und das mit allem, was ihr zur Verfügung stand.

„Okay!“, sagte Jamie gefährlich leise und trat einen Schritt auf sie zu. Dabei gab er Kay ein Zeichen. Der stieß sich von der Wand ab und wollte Liza an die Arme fassen, um sie nach hinten zu drehen. Doch sie drehte sich blitzschnell um und trat ihm mit voller Wucht gegen sein Schienbein, so dass er sich vor Schmerz nach vorn beugte. Das nutzte sie sofort aus und holte mit der Faust aus. Die krachte auf seine Nase, aus der auch gleich Blut spritzte.

Natürlich schmerzte auch ihre Hand nach diesem Schlag, doch sie verkniff sich jede Regung dazu.

„Du verdammtes Miststück! Hast mir die Nase gebrochen“, nuschelte Kay und sah sie wutentbrannt an. Am liebsten hätte er sich auf sie gestürzt und sie grün und blau geprügelt. Doch ein Blick von Jamie hielt ihn zurück, der seine Arme wie Schraubzwingen um sie gelegt hatte.

Liza versuchte, ihn mit ihren Füßen zu treten, aber sie landete keinen Treffer. Außerdem drückte Jamie so fest zu, dass sie schon glaubte, er würde ihr die Rippen brechen.

„Ziehst du dich freiwillig aus? Oder sollen wir das machen?“, fragte er dicht an ihrem Ohr.

„Lass mich los, du Schwein!“, fauchte sie und strengte sich weiter an, um aus seiner Umklammerung zu kommen.

„Also nein! Auch gut!“, meinte er. „Thomas! Dann werden wir das jetzt für sie tun.“

„Wagt es nicht!“, zischte sie wütend und trat nun mit ihren Füßen nach vorn. Aber dabei verlor sie den Halt, denn Jamie hatte sie blitzschnell losgelassen. Er schien wohl nur darauf gewartet zu haben. Er griff an ihre Arme und zog daran, so dass sie nun ganz nach hinten fiel. Thomas schnappte schnell nach ihren Füßen. Grob umfasste der ihre Knöchel, was Liza aufstöhnen ließ. Jamie drückte unterdessen an ihren Schultern ihren Körper fest auf den Boden.

Kay hatte sich unterdessen etwas von seinem Schmerz erholt und gesellte sich dazu. Er schnappte sich ihre Arme und zog sie zu einer Matratze, die Jamie hatte herschaffen lassen. Eine Decke lag darüber. Darauf legten sie Liza ab, die weiterhin versuchte, sich zu wehren. Erfolglos.

Kay zog nun ihre Arme nach oben. Mit einem Seil fesselte er sie an einen vorstehenden Balken.

Liza hoffte darauf, dass er morsch war, denn die Hütte machte diesen Eindruck auf sie. Mit der Kraft, die sie noch aufbringen konnte, zerrte sie daran. Doch nichts passierte. Dafür amüsierten sich die drei prächtig.

„Strample nur! Wird aber nix bringen“, meinte Kay grinsend und ließ seinen Blick über ihren sich windenden Körper wandern. Dabei leckte er sich über die Lippen, was Liza anwiderte.

Jetzt bekamen Thomas und Kay ihre Flaschen, um sich ebenfalls den Alkohol einzuflößen.

Jamie grinste und sah lüstern auf Liza herunter.

„Dann wollen wir es ihr heute mal so richtig besorgen“, sagte er und lachte laut auf, als hätte er einen Witz gemacht.

„Füße festhalten!“, forderte er nun, was Kay und Thomas sofort taten. „Wir wollen doch nicht, dass das Fohlen ausschlägt.“

Er stellte sich über Liza, beugte sich runter und riss ihr Kleid entzwei. Den BH zerschnitt er mit dem Taschenmesser und ebenso ihren Slip. Ihre Schuhe hatte sie ja bereits im Auto verloren. Genüsslich schob er die Fetzen auseinander, so dass sie nun völlig entblößt vor den Männern dalag.

„Na, hab ich`s euch nicht gesagt, sie ist `ne Augenweide“, rief Jamie den beiden zu.

Die nickten und begafften Liza gierig, die immer noch versuchte, sich zu wehren, obwohl sie wusste, dass es hoffnungslos war.

Jamie ließ seine Hosen runter und zwängte sich zwischen ihre Beine, die sie versuchte, mit aller Macht zusammenzupressen, was ihr jedoch nicht gelang, denn seine Helfershelfer unterstützten ihren Boss bei seinem Vorhaben.

„Baby, entspann dich! Wir wollen doch beide Spaß haben“, sagte er, während er sein steifes Glied an sie rieb.

„Du perverses Schwein! Geh runter von mir!“, schrie Liza.

Doch Jamie lachte nur und sah sich kurz zu Thomas um, der schon glasige Augen hatte. Er wollte unbedingt der Nächste sein.

Diesen kurzen Moment nutzte Liza und bäumte sich ruckartig zur Seite auf, so, dass Jamie ebenfalls zur Seite fiel. Sofort stieß sie ihre Füße nach ihm, die die beiden Angetrunkenen vor Schreck darüber losgelassen hatten, als sie sahen, dass ihr Boss zur Seite flog und sie ihn nun auch noch empfindlich im Bauch trat.

Jamie stöhnte kurz auf und blaffte: „Miststück! Und ihr Idioten - festhalten!“

Und dann traf Liza seine Faust mehrmals so heftig im Gesicht, dass ihr schwarz vor Augen wurde und sie das Bewusstsein verlor.

Als sie wieder zu sich kam, spürte sie einen anderen Schmerz. Er war schneidend, denn Jamie lag über ihr und rammt sich in ihren Körper.

„Sie kommt wieder zu sich. Passt auf, dass sie keine Dummheiten macht!“, verlangte er keuchend von seinen Kumpanen. Die griffen sofort wieder an ihre Knöchel und hielten ihre Beine fest. Jamie hatte diese während ihrer Ohnmacht angehoben, denn er wollte seinen Pfahl tief in sie reinstecken, weil sie das besonders gern hat, wie er es den anderen erklärte.

Liza stöhnte vor Schmerzen, was Jamie weiter anheizte.

„Ja, Baby, stöhne! Es kommt noch besser.“ Mit einem Knurren entlud er sich in ihr und sagte dann zu Thomas: „Jetzt kannst du es ihr besorgen.“

Der ließ sich das nicht zweimal sagen und zog seine Hosen aus. Als er sich zwischen ihre Beine legen wollte, begehrte Liza auf. Es war ein Verzweiflungsakt. Sie bäumte sich auf und stieß mit den Füßen. Doch es nützte ihr nichts. Jamie trat ihr so heftig in die Seite, dass Liza es knacken hörte und ihr die Luft für einige Sekunden nahm.

Thomas nutzte die Gunst der Stunde und schob sich auf Knien zwischen ihre Schenkel. Dann hob er ihr Becken an und stieß sich hart in sie hinein. Liza schrie vor Schmerzen auf. Die drei Kerle lachten, und Jamie meinte: „Wow! Das ist ja `ne klasse Stellung. Hast wohl das Kamasutra studiert. Das scheint ihr zu gefallen.“

Doch der ließ sich nicht ablenken und stieß immer wieder heftig zu. Liza stöhnte unter dieser Tortur ständig auf, wofür sie nur Hohn erntete. Jamie folterte sie zusätzlich, indem er ihre Brüste quetschte und in ihre Brustwarzen kniff.

„Da steht die voll drauf“, kommentierte er sein Tun.

Unterdessen hatte Thomas seinen Spaß. Kay stand schon bereit.

„Ähm, ich will die von hinten“, verkündete er und grinste.

„Kannste haben“, sagte Jamie. Thomas und Jamie drehten Liza grob um und winkelten ihre Beine an. Kay schob sich hinter sie und stieß genauso grob zu. Lizas zerschundenes Gesicht drückte dabei auf die Matratze, was ihr zusätzlich wehtat. Heiße Tränen traten ihr aus den Augen, die ihre aufgeplatzte Haut brennen ließ.

Die drei vergingen sich noch mehrmals an sie, was Liza nun stumpf über sich ergehen ließ. Kay war der perverseste von ihnen. Er spritzte seinen Samen über ihr Gesicht, und die anderen ergötzten sich daran. Doch als er seinen Penis in ihren Anus bohrte, schrie Liza ihren Schmerz in die Nacht. Es zerriss sie förmlich, und sie wünschte sich, dass dieses Martyrium endlich aufhörte. Sie wollte sterben, und das auf der Stelle.

„Was schreist du so laut?“, keifte Jamie sie lallend an, denn ihre Flaschen waren mittlerweile leer.

„Wirst heute mal so richtig durchgevögelt. Macht doch Spaß, oder?“

Wieder schrie Liza auf, weil Kay nach dem Zurückziehen wieder hart zustieß. Der stöhnte genießerisch auf: „Wow! Man, ist die eng. Das törnt an ...“

„Ihr Schweine! Ihr bringt mich um!“, schrie Liza ihren Schmerz heraus, denn Kay hatte sich wieder in sie hineingerammt.

„Halt`s Maul und genieß das, du Schlampe!“, grölte Jamie. „Son Fick bekommste nich noch mal.“

„Verdammtes Arschloch“, zischte sie.

Jamie, der an ihrer Seite stand, und das Gerammle von Kay genussvoll beobachtete und dabei überlegte, ob er sich das auch gönnen sollte, was der andere gerade sichtlich genoss, ging das Geschrei von ihr auf die Nerven. Dass sie ihn nun als Arschloch betitelt hatte, setzte dem die Krone auf.

„Ich zeig dir, was ein Arschloch mit dir macht.“ Sein Fuß flog an die rechte Seite ihres Gesichts. Das war zu viel für Liza, und sie fiel in eine tiefe Bewusstlosigkeit, die sie den Schmerz und die Schmach nicht mehr fühlen ließ.

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2.

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Dr. Enzo Lambert war mit seinem Wagen auf dem Weg nach Hause. Er kam gerade vom Flughafen. Für ein paar Tage hatte er an einer Tagung in Brüssel teilgenommen. Eigentlich hatte er sich mehr davon versprochen, aber es konnte ja nicht immer gleich Weltbewegendes in der Medizin der Chirurgie entwickelt werden.

Von Bordeaux aus musste er noch eine Weile fahren, um nach Hause zu kommen. Er befuhr die Nebenstraßen, denn da war der Verkehr nicht so stark. So konnte er schneller Zuhause sein und noch ein paar Stunden von dem Sonntag genießen, denn am Montag musste er wieder mit voller Konzentration am OP-Tisch stehen.

Enzo warf einen Blick auf die Uhr. Es war kurz vor drei Uhr. Die Scheinwerfer seines Wagens strahlten weit voraus und ließen die Bäume der Wälder an den Straßenseiten gespenstisch wirken. Er fuhr auch nicht ganz so schnell, denn es konnte gerade hier immer mal vorkommen, dass das Wild von einer zur anderen Seite wechselte. Also wanderte sein Blick des Öfteren in die entsprechenden Richtungen, denn er wollte heil ankommen.

Er war schon eine Weile gefahren, als er plötzlich etwas Merkwürdiges am Rand wahrnahm und stutzte. Automatisch drosselte er das Tempo.

„Was war das denn?“, murmelte er. „Das war doch ein Mensch.“

Ohne weiter über seine Handlung nachzudenken, wendete er an der nächsten geeigneten Stelle seinen Wagen und fuhr bis zu der Stelle zurück, wo er meinte, die vermeintliche Person gesehen zu haben.

Es war kein Irrtum oder ein Streich seiner Sinne, wie er mit Entsetzen feststellen musste. Deutlich konnte er im Licht des Scheinwerfers sehen, dass dort eine Person versuchte, sich zu erheben. Es gelang ihr jedoch nicht. Als Enzo dichter heranfuhr, stellte er mit Unruhe und Besorgnis fest, dass dort eine Frau lag, die fast nackt war.

Nun stoppte er das Fahrzeug, zog die Handbremse an und sprang heraus, um zu der Frau zu eilen, die anscheinend schwer verletzt war. Was er da vor sich sah, ließ ihn erstarren. Fassungslos glitten seine Augen über ihren zerschundenen schlanken Körper. Sie war schmutzig, ihr Gesicht von Prellungen und Platzwunden entstellt. Kratzwunden konnte er ebenfalls am ganzen Körper im Licht des Scheinwerfers entdecken. Ihr Kleid war ein einziger Fetzen, der nichts mehr von ihrer Weiblichkeit verdeckte.

„Hallo, ich bin Arzt. Können Sie mich verstehen?“, fragte er sie, als er sich zu ihr heruntergebeugt hatte. Aber er hörte von ihr nur ein Stöhnen.

Kurzentschlossen holte er eine Decke aus seinem Kofferraum und wickelte sie in die vorsichtig ein, nachdem er sich noch vorsichtig vergewissert hatte, ob sie sich etwas gebrochen hatte. Und das schien bei seiner kurzen Begutachtung nicht der Fall zu sein. Er vermied es aber, ihr Gesicht zu betasten, denn irgendjemand hatte sie derartig geschlagen, dass es sehr angeschwollen und entstellt war. Während der ganzen Zeit stellte er ihr Fragen, doch sie blieb stumm. Sie musste unheimliche Schmerzen haben.

Wer ihr das angetan hatte, konnte nicht ganz richtig im Kopf sein. Der gehörte weggesperrt, waren die wütenden Gedanken des Arztes. Er schob sie mit großer Vorsicht auf den Rücksitz und fuhr nun nicht nach Hause, sondern wieder zurück nach Bordeaux zum Krankenhaus, in dem er als Chefarzt der Chirurgischen Abteilung fungierte. Dort rief er während der Fahrt mit seinem Handy an, das mit dem Auto über Bluetooth verbunden war, und informierte die Notaufnahme.

Liza rührte sich nicht. Sie konnte auch nicht, denn ihr tat alles furchtbar weh. Sogar das Atmen fiel ihr schwer, weil es sich anfühlte, als wäre ihr Brustkorb zu eng.

Vor Stunden war sie langsam aus ihrer Ohnmacht aufgewacht. Sie war also noch am Leben, wie sie mit Enttäuschung feststellen musste. Es wäre besser gewesen, wenn Jamie sie umgebracht hätte, nachdem sie mit ihrer Misshandlung fertig waren.

Mit verschwommenem Blick hatte sie versucht, zu erkennen, wo sie war. Bis sie es erkannte. Sie befand sich immer noch in der verfallenen Hütte. Nein - das war nicht richtig. Sie lag unter Bretter begraben, die schwer auf ihren zerschundenen Körper drückten. Irgendwie roch es auch brenzlig.

Mühsam hatte sie sich Stück für Stück in eine Richtung geschoben, von der sie hoffte, aus dieser Holzruine herauszukommen. Dabei hatte sie die Bretter vorsichtig beiseite gerückt. Aber immer wieder musste sie Pausen machen, weil ihre Kräfte erlahmten und sie fürchterliche Schmerzen hatte. Und sie war am Verdursten.

Da sie kein Zeitgefühl hatte, wusste sie auch nicht, wie lange sie gebraucht hatte, um ins Freie zu kommen. Es war immer noch Nacht. Und sie fragte sich, wie spät es wohl war. Außerdem fror sie entsetzlich. Darum versuchte sie, ihr Kleid vorn zusammenzuhalten - was ein zweckloser Versuch wurde.

Liza hatte dann in sich hineingehorcht, ob sie es schaffen würde, aus diesem Wald zu kommen. Sie brauchte dringend ärztliche Hilfe. Aber vielleicht sollte sie auch einfach liegenbleiben und darauf warten, dass sie starb. Doch wann würde der Tod sie erlösen?

Also versuchte sie mehrere Male aufzustehen, bis es ihr unter Schmerzen endlich gelang. Sie wollte auch nicht warten, bis es hell wurde, denn wenn sie einschlief, konnte es nach dem Erwachen noch schlimmer um sie stehen.

Als sie am Baum gelehnt stand, hatte sie überlegt, welche Richtung sie einschlagen sollte. Aber sie konnte sich erinnern, dass es einen Weg geben musste. Wie war sie sonst hierher gekommen?

Mit einem Auto - im Kofferraum!

Plötzlich stürmte wieder alles mit Macht auf sie ein. Sie vergaß für mehrere Momente zu atmen und starrte blicklos in die Dunkelheit. Doch dann entlud sich ein Schrei, der wohl Tote geweckt hätte.

Entsetzen, Schmerz, Wut - eine wirklich schlechte Mischung für einen Cocktail.

Entsetzen darüber, was Jamie ihr angetan hatte. Vergewaltigt, geschlagen, misshandelt. Und Thomas und Kay - auch sie waren beteiligt gewesen und hatten es genossen, sie zu missbrauchen und ihre abnormalen Triebe an sie auszulassen.

Dann der Schmerz, der sich bei der kleinsten Bewegung verstärkte, kaum auszuhalten war und sie wieder nahe einer Ohnmacht brachte.

Wut, die sich nun mit Rachegelüsten paarte, denn zu all dem kam noch die Tatsache, dass Jamie sie hier zurückgelassen hatte. Er hatte die marode Hütte über sie zusammenfallen lassen. Er wollte, dass sie starb - sie sollte hier sterben, damit ihre Taten nicht ans Tageslicht kamen.

Aber sie war nicht gestorben. Und sie würde auch nicht sterben. Nicht eher, bevor ihre Peiniger ihre gerechte Strafe bekommen haben. Das hatte ihr die Kraft gegeben, viele Stunden durch den Wald zu stolpern, bis sie endlich die Straße erreichte. Dort war sie am Rand zusammengebrochen, denn sie war völlig entkräftet. Keinen Schritt hatte sie mehr gehen können. Liza hatte die Hoffnung, dass irgendjemand sie hier finden und ihr helfen würde.

Als Liza wie aus der Ferne hörte, dass jemand sie ansprach und ihr Fragen stellte, war sie fast erleichtert, denn die Stimme kam ihr fremd vor. Es war keiner von ihren Peinigern.

Doch sie hatte nicht die nötige Kraft, um zu antworten. Auch der Schmerz hinderte sie daran. Aber sie hatte auch Angst, dass sie nun ins nächste Martyrium geraten könnte.

Dann spürte sie, wie ihr wärmer und sie hochgehoben wurde. Fast gleichzeitig rutschte sie zurück in die Bewusstlosigkeit, weil der Schmerz ihr den Atem nahm.

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3.

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Enzo hielt vor dem Krankenhaus und eilte aus dem Wagen. Schon kamen zwei Krankenpfleger mit der fahrbaren Krankentrage heraus, auf die sie Liza schnell, aber behutsam, legten.

„Ich komme gleich nach“, informierte Enzo sie und stieg wieder in den Wagen, um ihn zu seinem Parkplatz zu fahren.

„Oh, mein Gott! Was ist denn passiert?“, fragte die Krankenschwester erschrocken, die drinnen gewartet hatte. „Unfall oder Misshandlung?“

Enzo zuckte mit den Schultern.

„Ich denke, Misshandlung! Und mehr! Sie muss zum Röntgen und zu Dr. Memetz von der Gynäkologie. Er soll sie sich ansehen.“

„Irgendwelche Papiere?“

„Nichts.“

„Hm, das wird Mister Geiz aber gar nicht gefallen“, meinte die Schwester und verzog leicht grinsend den Mund.

Mister Geiz war der Spitzname für den Mann des Hauses, der für die Finanzen zuständig war. Diesen Spitznamen trug er zurecht, denn Morais saß regelrecht auf dem Geld.

„Ich handele nach dem Eid und nicht nach irgendeinem Budget“, knurrte Enzo, „ach, und die Polizei sollte informiert werden. Vielleicht gibt es schon eine Vermisstenanzeige.“

Man zapfte Liza erst einmal Blut ab. Dann brachte man sie zur Röntgenabteilung. Enzo sah sich sofort die Bilder an. Es bestätigte sich, dass sie so keine Brücke an den Gliedmaßen hatte, jedoch hatte man ihr mehrere Rippen gebrochen und - sie hatte einen komplizierten Kieferbruch.

Mittlerweile war auch die Polizei eingetroffen. Enzo berichtete ihnen, wie und wo er die verletzte Frau gefunden hatte. Er teilte ihnen auch seinen Verdacht mit, dass sie durch den Wald geirrt sein muss, denn der Schmutz, der an ihr haftete, deutete darauf hin.

Eine Beamtin ließ sich die total verdreckte Kleidung geben und fotografierte die bewusstlose Frau.

„Bitte lassen Sie uns die Befunde zukommen. Das sieht ganz nach einem Verbrechen aus, dem wir nachgehen müssen. Und lassen Sie es uns wissen, wann sie zu sich kommt!“, verlangte sie.

„Das kann dauern. Sie hat einen Kieferbruch und muss gleich operiert werden. Sie wird danach kaum reden können“, erklärte Dr. Lambert.

„Na, vielleicht aber schreiben“, meinte sie kühl. Damit verabschiedeten sich die Beamten und verließen das Krankenhaus.

Liza bekam das Meiste mit. Sie war erleichtert, als sie begriffen hat, dass man sie in ein Krankenhaus gebracht hatte. Sie hoffte nur, dass es nicht das war, wo sie als OP-Schwester arbeitete.

Als der Gynäkologe mit seiner Untersuchung begann, hatte sie wieder laut aufgestöhnt. Jede Berührung tat ihr höllisch weh. Aber sie wusste auch, dass es sein musste, denn sie wollte, dass die Mistkerle in der Hölle schmorten.

Dr. Memetz redete mit ihr, während er sie untersuchte. Er erklärte ihr mit ruhiger Stimme, was er gerade machte, um sie auch etwas abzulenken, denn Liza verkrampfte sich immer mehr.

Als Dr. Memetz mit seiner Untersuchung fertig war, informierte er Enzo: „Die Frau ist mehrmals vergewaltigt worden. Vaginal und anal! Wenn das Labor die Ergebnisse hat, wissen wir auch, ob es nur einer war, was ich nicht glaube.“

Enzo nickte kommentarlos und machte sich auf den Weg zum OP, um sich darauf vorzubereiten. Er wusste aus Erfahrung, dass das eine lange und schwierige Operation werden würde.

„Armes Kind!“, murmelte die Schwester entsetzt, die dem ebenfalls zugehört hatte.

Dann machte man sich erst einmal daran, Liza vom Schmutz zu befreien, denn so konnte sie nicht in den OP. Eindeutig waren nach ihrer Säuberung die vielen Hämatome von den Tritten und Schlägen zu sehen, die die Krankenschwester Judith für die Polizei fotografierte, denn auch das war eine Bitte gewesen.

„Da hat sich aber einer so richtig an ihr ausgetobt. Hoffentlich weiß sie, wer das war, damit der im Knast verrottet“, schimpfte die schon etwas ältere Krankenschwester, die ihr den Dreck abgewaschen hatte.

Dann wurde Liza in den OP gefahren. Der Kieferbruch musste schnellstens operiert werden. Diese Operation wollte Dr. Lambert selbst durchführen, obwohl er keinen Dienst hatte. Irgendwie fühlte er sich für die Frau verantwortlich. Außerdem steckte sein Kollege seit einer Stunde im zweiten Operationsraum, wo er einen jungen Mann operierte, der einen Motorradunfall hatte.

Da war also nichts mit erholsamen Stunden zu Hause auf der Couch. Doch das war nichts Neues für ihn. Oft machte er Überstunden, um Menschen zu helfen oder auch ihr Leben zu retten, was nicht immer gelang.

Drei Tage später wusste man auch, wer die Patientin war, die auf der Intensivstation lag. Da Liza nach dem Wochenende ihren Dienst nicht angetreten und sich auch an den folgenden zwei Tagen nicht in der Klinik gemeldet hatte, war eine Schwester, die sich mit Liza gut verstand, zu ihr nach Hause gefahren. Doch dort stand sie jedoch vor verschlossener Tür. Sie wusste, dass sie mit einem Jamie zusammen war und hatte ihn mit ihr mal gesehen. Doch wo sie den finden konnte, das wusste sie nicht.

Aber der Zufall half nach. Sie hatte, wie viele im Haus, von der verletzten Frau gehört, die in diesem Krankenhaus lag. Also besuchte sie die Intensivstation und fragte nach der Patientin.

„Kann ich mal zu ihr? Ich will was prüfen“, sagte sie zu der anwesenden Schwester.

„Claudia, was willst du denn prüfen? Ihren Puls?“, fragte sie spöttisch.

„Quatsch! Ob sie an der linken Leiste ein Tattoo hat“, antwortete Claudia.

„Kann ich dir auch sagen. Ja, hat sie. Und nun ...“

„Was für eins?“

„Einen Delphin ...“

„Farbig?“, fragte Claudia ungeduldig.

„Ja. Der Fisch springt über Wellen“, antwortete die Schwester.

„Ein Delphin ist kein Fisch, sondern ein Säugetier“, verbesserte Claudia die andere.

„Man, weiß ich doch. Aber was ist denn mit dem Tattoo?“ Sie verstand nicht, was die Fragerei sollte.

„Wenn ich das mir ansehen kann, sag ich es dir.“ Abwartend sah Claudia ihre Kollegin an.

Die stöhnte genervt auf, sagte dann aber: „Dann mach dich steril! Aber beeil dich, dass du da wieder rauskommst!“

Das ließ sie sich nicht zweimal sagen. Als sie an das Bett von Liza trat, bekam sie einen riesigen Schreck. Lizas Gesicht war noch angeschwollen. Das rechte Auge ebenfalls und alles blau und violett gefärbt. Es war schwer zu erkennen, wer diese Person war. Doch Claudia betrachtete sie genau. Dann sah sie zu dem Tattoo und war sich sicher, dass das Liza, die OP-Schwester, war, die seit einer Woche im Krankenhaus vermisst wurde.

„Oh Gott, Liza! Wo bist du nur hineingeraten? Wer hat dir das angetan?“, murmelte sie mitfühlend, als sie noch einmal das entstellte Gesicht betrachtete. Doch dann verließ sie den Raum.

„Na, was ist?“, fragte die Schwester neugierig.

„Es ist Liza, Liza Durand. Die OP-Schwester. Du weißt schon, die schon seit drei Tagen nicht zum Dienst erschienen ist. Mister Geiz ist doch schon an die Decke gegangen. Man, hat der über sie hergezogen. Wenn der erfährt, dass sie hier liegt, was er dann wohl von sich gibt.“ Claudia schüttelte den Kopf in Erinnerung an seine schlechten Äußerungen.

„Wenn sie das wirklich ist, da wird er aber einiges zurücknehmen müssen.“

„Einiges? Alles muss er zurücknehmen“, ereiferte sich Claudia. „Der hat an ihr kein gutes Stück gelassen. Die Kündigung liegt schon in ihrem Fach.“

„Ehrlich?“ Die Schwester sah sie ungläubig an.

„Ja. Ich such jetzt mal Dr. Lambert und berichte ihm, wen er da gerettet hat. Der wird Augen machen“, grinste Claudia.

„Wieso das denn? Nur, weil du herausgefunden hast, wer die da ist?“ Sie warf einen Blick zu Liza.

„Iwo! Ich glaub, der steht auf sie. Ich hab beobachtet, wie er sie ansieht und einmal, wie er ihr lange hinterher gesehen hat“, tratschte sie und grinste schelmisch. „Aber ich geh jetzt mal, damit er die Neuigkeit als Erster erfährt.“

Und schon war sie weg, was die Schwester etwas ärgerte, denn sie hätte über dieses Thema gern mehr erfahren. Dr. Lambert war nämlich immer noch ledig und ohne Anhang, wie man wusste, was viele junge und auch andere Mitarbeiterinnen des Krankenhauses nicht verstanden, denn er war ein gut aussehender Mann. Schwarzes, leicht welliges Haar, das bis in den Nacken reichte, dunkelbraune Augen, gerade Nase, Grübchen am Kinn, sportlicher Typ. Er hatte immer ein freundliches Wort für das Personal übrig. Auch seine Arbeit wurde sehr geschätzt. Er war eben ein beliebter Arzt. Nur mit einer Person stritt er sich des Öfteren - mit Mister Geiz.

Und gerade eben hatte er wieder einen Disput mit diesem Herrn, der sich über die enormen Kosten aufregte, die die Patientin verursachte, die Enzo angeschleppt hatte. Er hätte doch im Sinne der Klinik, um Kosten zu sparen, die in das andere Krankenhaus bringen können. Wer weiß, was das für eine Landstreicherin war, denn die sind meist nicht versichert. Und dann noch das Theater um diese OP-Schwester, die so dreist war und nicht zur Arbeit erschien.

„Auf diese jungen Dinger ist kein Verlass mehr. Das Pflichtgefühl ist denen total abhanden gekommen“, hatte er gewettert.

Enzo hatte nur verständnislos mit dem Kopf geschüttelt.

„Ich bin Arzt. Da interessieren mich keine Finanzen, wenn es um Menschenleben geht. Aber ich werde an Ihre Worte denken, falls Ihnen mal ein Unglück widerfährt. Dann werde ich Sie in die andere Klinik bringen. Ich denke, dass das ganz in Ihren Sinne, der Finanzen betreffend, sein wird.“

Danach hatte er sich grußlos aus dem Büro des Meckerers entfernt, weil eine vernünftige Diskussion mit diesem Herrn überhaupt nicht möglich war. Von ihm wurde alles abgeblockt, was dem Krankenhaus Geld kosten würde. Es war ein Kampf, neue und modernere medizinische Geräte zu bekommen.

Die wir haben, funktionieren doch und erfüllen noch die nächsten Jahre ihren Zweck, war stets seine Begründung, kein Geld freizugeben. Erst, wenn er von allen Seiten Druck bekam, dann erst war er bereit, das Geld freizugeben, und das nur widerwillig.

Ziemlich verärgert machte Dr. Lambert sich auf den Weg zur Intensivstation, um nach seiner Patientin zu sehen. Das machte er beinahe in jeder seiner freien Minute und kurz vor Dienstbeginn und bevor er nach Hause fuhr. Warum er das tat, das wusste er selbst nicht so genau. Es zog ihn immer wieder zu ihr hin.

Schwester Claudia kam ihm auf dem Treppe entgegen.

„Oh, Dr. Lambert, ich wollte gerade zu Ihnen“, rief sie ihm entgegen.

„Nanu, was gib`s denn so Wichtiges?“ Er sah sie lächelnd an.

„Das möchte ich Ihnen nicht hier auf der Treppe sagen.“ Sie sah ihn mit einem Blick verschwörerisch an.

„Schwester Claudia! Ich habe eigentlich keine Zeit. Ich muss zu meinen Patienten sehen.“

„Um die geht es doch. Ähm, ich meine, um die eine Patientin“, versuchte sie ihm zu erklären.

Jetzt wurde er hellhörig.

„Ist etwas mir ihr? Hat sich ihr Zustand verändert?“

Claudia schmunzelte. „Nichts dergleichen, Herr Doktor. Aber ich kann Ihnen erzählen, ...“

Unwillig unterbrach er sie. „Schwester, ich will keinen Tratsch hören.“

„Das ist kein Tratsch“, reagierte sie beleidigt, war sie doch stolz darauf, herausgefunden zu haben, wer die jetzt nicht mehr namenlose Patienten ist.

Dr. Lambert seufzte. „Dann begleiten Sie mich zur Intensivstation und teilen mir Ihr Wissen mit.“

„Hm, ja. Von da komme ich ja gerade.“

„Ja und?“ Er musste sich zusammenreißen, dass er nicht ungehalten reagierte.

„Sie haben doch davon gehört, dass eine der OP-Schwestern nicht zur Arbeit erschienen ist“, fing sie an.

„Was hat die mit der Patienten auf der Intensiv zu tun?“, fragte er, denn er hörte ihr nur noch mit dem halben Ohr zu. In Gedanken war er schon bei der Frau, die sich noch in der Langzeitnarkose befand.

Claudia verdrehte die Augen und dachte: Man, ist der heute schwer von Begriff.

„Es ist Liza, Liza Durand, die OP-Schwester, die seit Montag fehlt“, offenbarte sie ihm jetzt.

Abrupt blieb Enzo stehen und sah sie an, als hätte er nicht richtig verstanden. Er fragte auch: „Wie bitte?“

Claudia wiederholte ihren Spruch noch einmal und beobachtete ihn ganz genau, denn sie wollte seine Reaktion auf diese Information sehen.

„Wie kommen Sie darauf? Das wäre aber ein merkwürdiger Zufall.“

„Naja, ich kenn sie ganz gut. Die Haare stimmen schon mal überein ...“

„Die Millionen andere Frauen auch haben“ unterbrach er sie brüsk.

Doch Claudia ließ sich nicht beirren.

„Und sie hat ein Tattoo. Genau an der gleichen Stelle wie Liza. Es ist ein kleiner Delphin, der auf den Wellen reitet - und alles schön farbig.“

Ein hoffnungsvolles Leuchten erglomm in seinen Augen, was Claudia nicht entging. Also stimmte ihre Beobachtung doch. Dr. Lambert zeigte Interesse an eine OP-Schwester. Und das war Liza.

„Gut, Schwester Claudia, das ist wirklich mal eine gute Information. Danke!“

„Och, nichts zu danken, Doktor. Ich werde dann mal wieder ... Die Pflicht ruft“, sagte sie und eilte grinsend davon.

Und ab diesem Moment hatten die Mitarbeiter des Krankenhauses in der nächsten Zeit wieder ein neues Thema: Werden Dr. Lambert und seine Patientin ein Paar? Steht ihre Beziehung überhaupt unter einem guten Stern?

Dr. Lambert eilte nun zur Intensivstation. Er wollte nach Liza sehen und sich selbst von dem überzeugen, was Schwester Claudia ihm berichtet hatte. Als er vor ihr stand, betrachtete er sie genauer - als würde er sie nun nach dem verflixten Tag zum ersten Mal wiedersehen.

Jetzt, wo er sie näher betrachtete, weil man ihm gesagt hatte, wer sie war, erkannte er sie auch. Er schimpfte mit sich, warum nicht er sie erkannt hatte. Gerade er, der sie, so oft es ging, heimlich beobachtet hatte, immer darauf bedacht, dass sie und andere es nicht mitbekamen.

Er strich ihr einmal liebevoll über die Haare und verließ dann eilig die Station.

Als die Schwester, die das beobachtet hatte, auf Claudia traf, berichtete sie ihr alles haargenau. Auch Claudia ließ nichts von ihrem Gespräch mit dem Doktor aus.

Dr. Lambert machte sich auf dem schnellsten Weg zu Mister Geiz. Ohne anzuklopfen, trat er in dessen Büro, was den anderen erbost vom Stuhl springen ließ. Doch Enzo ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen.

„Setzen Sie sich wieder! Und jetzt hören Sie mir mal genau zu!“, verlangte er.

„Was erlau...“

„Ich erlaube mir gleich noch mehr, wenn Sie nicht augenblicklich still sind“, sagte Enzo im gefährlich leisen Ton zu ihm und baute sich vor seinem Schreibtisch drohend auf. Der knochige Mann setzte sich und schaute sein Gegenüber wütend an.

„Das wird ein Nachspiel haben, Lambert“, knurrte er.

„Für Sie wird es ein Nachspiel haben, wenn Sie nicht sofort reagieren und alle Schlechtigkeiten, die Sie über Liza Dorand geäußert haben, zurücknehmen und sich, wenn Sie aus der Langzeitnarkose vollständig erwacht ist, öffentlich entschuldigen. Außerdem werden Sie sofort die Kündigung zurückziehen und ihr das Gehalt weiterzahlen. Sollten Sie nichts dergleichen veranlassen, werde ich persönlich dafür sorgen, dass man Ihnen die Tür zeigt. Ich hoffe, wir haben uns verstanden!“

Morais sah ihn ungläubig an.

„Die Frau, die sie gefunden haben, ist die OP-Schwester?“

„Ja, und ich erlaube keine weitere Diskussion darüber“, sagte Enzo im harten Ton.

„Das zu entscheiden, obliegt Ihnen nicht«, keifte er.

„Oh doch! Sie ist eine Mitarbeiterin des Hauses und jetzt Patientin bei uns. Das heißt, sie bekommt jede medizinische Hilfe, die sie benötigt. Sollte ich erfahren, dass Sie irgendetwas davon unterbinden, weil Sie meinen, sparen zu müssen, werde ich gegen Sie und ihrer Handlungsweise vorgehen.“

Enzo drehte sich um und verließ das Büro des Finanzministers, wie sich Morais selbst betitelte. Der schaute auf die Tür, die Dr. Lambert nicht gerade leise geschlossen hatte.

„Hat dieser Lackaffe mir gerade gedroht? Das hätte der lieber nicht machen sollen“, zischte er. Dr. Lambert hatte sich gerade einen Feind geschaffen.

Zwei Tage später bat der Chefarzt der Chirurgie Enzo zu sich. Das war nichts Ungewöhnliches. Also dachte sich Enzo nichts dabei, denn er nahm an, dass es ein ganz normales Arbeitsgespräch werden sollte - eben wie immer.

Dr. Blanc war ein hervorragender Arzt, der aber in die Jahre gekommen war. Man spekulierte schon im Stillen, wann er wohl das Krankenhaus verlassen würde. Die meisten Operationen überließ er bereits seinen jüngeren Kollegen, stand ihnen aber mit Rat und Tat zur Seite. Dr. Blanc sah man sein Alter an. Er hatte bereits eine Menge Falten im Gesicht, das lichte Haar war weiß. Aber er war immer noch drahtig und schnell im Denken, jedoch spürte er, dass ihm die Ausdauer fehlte und ihm der Tag im Krankenhaus zu lang wurde.

Dr. Lambert klopfte an die Tür des Büros des Chefarztes und trat nach dessen Aufforderung herein.

„Setzen Sie sich!“, forderte Dr. Blanc den jungen Arzt auf.

„Wie geht es unserer wiedergefundenen OP-Schwester?“, fragte er, als Enzo Platz genommen hatte.

Der warf ihm einen fragenden Blick zu, denn er verstand den Sinn der Frage nicht, weil der Chefarzt bei der Visite mit anwesend gewesen war. Entsprechend äußerte er sich auch: „Ich versteh nicht ganz ... Sie waren doch ...“

Dr. Blanc unterbrach ihn mit einem unwilligen Wink.

„Ich möchte Ihre persönliche Meinung hören. Und ihre Einschätzung, wie ihr kommender Genesungsverlauf aussehen könnte, welche Maßnahmen wir einsetzen können, so dass die junge Frau bald entlassen werden kann und sie uns im OP wieder zur Verfügung steht“, erklärte er.

Enzo atmete tief ein und schüttelte ärgerlich den Kopf.

„Aha, daher weht der Wind. Hat sich Morais über mich beschwert?“

„Wie man`s nimmt. Er hat gefordert, dass Sie gefeuert werden. Er behauptet, Sie hätten ihn bedroht.“

Enzo lachte hart auf. „Ich hab ihn nicht bedroht. Ich habe Klartext mit ihm geredet. So kann das nicht weitergehen.“

„Na, dann erzählen Sie mir mal, was da los war.“ Der Chefarzt lehnte sich in seinem Sessel nach hinten und sah seinen Kollegen abwartend an. Auch er hatte in Morais einen klaren Gegner, wenn es um die Bereitstellung von Finanzen ging. Endlose und zermürbende Diskussionen waren stets der Fall. Andererseits stand das Krankenhaus finanziell gut da. Und das war der Verdienst von Morais. Außerdem hatte das Haus einen guten Ruf, was aber mehr an dem gut geschulten Ärzteteam lag.

Dr. Lambert schilderte nun, wie lautstark und völlig unakzeptabel Morais über Liza Dorands unentschuldigtes Fehlen hergezogen hatte. Das war auch dem Chefarzt zu Ohren gekommen. Weiter berichtete Enzo, dass sich Morais über die Kosten der unbekannten Patientin aufgeregt hatte. Ebenso, dass er sich beschwert hatte, dass Enzo sie nicht in andere Krankenhaus der Stadt gebracht hatte. Enzo machte sich auch Luft darüber, dass Morais bereits Liza eine Kündigung ins Fach gelegt hatte, die er ihm persönlich zurück auf den Tisch geknallt hatte. Er hielt auch nicht hinter den Berg, dass er von Morais verlangt hatte, dass dieser sich bei Liza Dorand öffentlich zu entschuldigen hatte, und dass er keine Diskussion oder einen Widerspruch hinsichtlich zu Behandlungsmaßnamen dieser Patientin und Mitarbeiterin des Hauses akzeptieren werde. Enzo gab ebenso zu, dass er gesagt hatte, dass er dafür sorgen würde, dass man Morais vor die Tür setzt, wenn er nicht entsprechend reagiert.

„Tja, lieber Kollege, da haben Sie sich aber einen Feind geschaffen. Das hat er Ihnen sehr übel genommen. Sie sollten in nächster Zeit auf der Hut sein. Aber zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich Ihren temperamentvollen Einsatz nicht missbillige, sondern ihn Ihnen sogar positiv anrechne. Dem Herrn muss man die Stirn bieten, sonst wird das Krankenhaus zwar viel Geld haben, aber dafür veraltet sein. Und das darf nicht passieren“, meinte Dr. Blanc zu der Geschichte.

Doch dann runzelte er die Stirn.

„Er hat ihr eine Kündigung ausgestellt? Hm. Ich muss zugeben, das ist ein starkes Stück. Darüber werde ich mit dem Herrn reden müssen.“ Über derartige Maßnahmen hatte Mister Geiz nicht allein zu entscheiden, was er in diesem Fall offensichtlich getan hat.

Der Chefarzt sah Enzo nun prüfend an.

„Sagen Sie, Lambert, was bedeutet Ihnen die junge Frau?“

Der warf seinem Gegenüber einen fragenden Blick zu. „Ich versteh nicht ganz ...“

Dr. Blanc machte eine wegwerfende Bewegung.

„Die Spatzen pfeifen es von den Dächern. Hören Sie die denn nicht zwitschern?“

„Hm, wenn ich durchs Gebäude gehe, zwitschert nichts“, entgegnete der andere.

„Ich will mal deutlicher werden. Fühlen Sie sich zu der Frau hingezogen?“ Er sah Enzo abwartend an. Der überlegte, was er seinem Chef antworten sollte und entschied, erst einmal neutral zu bleiben.

„Wer behauptet denn diesen Unsinn?“

„Die Spatzen. Und das sind so einige. Man beobachtet Sie.“

Enzo stöhnte auf. Ja, er hatte schon bemerkt, dass die Schwestern und auch einige Ärzte, mehr die weiblichen, ihn länger ansahen. Auch fühlte er ihre Blicke im Rücken. Doch er hatte nichts darauf gegeben. Es war ihm schon öfter passiert, dass man ihn anstarrte, warum auch immer.

„Schwester Claudia! Diese kleine Tratschtante!“, murmelte er dann.

„Na ja, da gibt es noch ein paar mehr. Sie sind nun für sie verloren, kein Objekt der Begierde mehr. Dafür aber zur Beobachtung freigegeben: Ob das wohl mit den beiden klappt?“, meinte der Ältere und schmunzelte.

Enzo gab seine Neutralität auf, da die Katze aus dem Sack war.

„Ich finde, dass Liza nicht nur hübsch und anziehend ist, sie ist auch klug. Ihre Arbeit im OP ist immer einwandfrei. Man muss sie nicht auffordern, sie beobachtet genau und denkt mit. Das hat mich beeindruckt. Aber ich hörte, dass sie mit jemandem zusammen ist, darum ...“ Er ließ den Rest in der Schwebe.

Dr. Blanc sah Enzo nachdenklich an.

„Hat die Polizei bereits die Täter, die ihr das angetan haben?“

„Soweit ich weiß, nein. Man sucht nach ihrem Freund. Doch der ist nicht auffindbar.“

„Was denken Sie? Ob er einer der Vergewaltiger war?“

„Das vermute ich ganz stark. Warum sollte er denn plötzlich untergetaucht sein? Er wird bestimmt aus der Presse erfahren haben, dass man eine mehrfach vergewaltigte und misshandelte Frau halbnackt am Straßenrand gefunden hat. Ich mache mir nur Sorgen, dass der Kerl plötzlich hier auftaucht und ihr den Rest gibt. Er will bestimmt nicht, dass sie gegen ihn aussagt. Und das wird sie ja wohl tun, wenn sie aufwacht.“

Ja, der Chefarzt sah die ehrliche Sorge im Gesicht des jungen Chirurgen. Er hatte natürlich erfahren, dass Enzo viele Male am Tag, so oft die Zeit es ihm erlaubte, auf der Intensivstation weilte und nach seiner Patientin sah.

„Da ist was dran. Doch so lange sie noch auf der Intensiv liegt, ist sie in Sicherheit. Was denken Sie, wann sie aus der Langzeitnarkose geholt werden kann?“

„Ich denke, Mitte nächster Woche.“

„Gut. Bis dahin kann noch viel passieren. Die Polizei wird ihn dann sicher schon in Gewahrsam genommen haben“, meinte Blanc.

„Ihr Wort in Gottes Ohr! Aber es waren noch zwei weitere Vergewaltiger, wie Sie wissen. Auch die sind nicht auffindbar.“

Nun rückte der Chefarzt wieder dicht an seinen Schreibtisch heran.

„Dr. Lambert, sie sollten sich aber nicht zu viel Hoffnung machen. Frau Durand ist nun ein gebranntes Kind. Sie wird einen Mann nicht mehr so einfach an sich heran und in ihr Leben lassen.“

„Ja, und das macht mich wütend. Aber ich habe Zeit und Geduld“, entgegnete Enzo.

Davon war Blanc überzeugt und nickte.

„Ich habe Sie aber eigentlich noch aus einem anderen wichtigen Grund hergebeten“, informierte er den jungen Arzt. „Ich habe mich entschlossen, nächstes Jahr um diese Zeit das Krankenhaus für immer zu verlassen. Ich möchte mit meiner Frau noch ein paar schöne Jahre genießen. Viel bleibt ja nicht mehr.“ Er holte einmal tief Luft und sprach dann weiter. „Dann wird dieser Stuhl als auch der Posten des Chefarztes frei. Ich wünsche mir, dass Sie sich um diesen Stuhl bemühen.“

Dr. Lambert machte ein überraschtes Gesicht. Das musste er erst einmal verdauen. Als er die Sprache wiedergefunden hatte, sagte er: „Warum ich? Ist nicht Dr. Legrand dafür besser geeignet? Er ist älter und hat mehr Erfahrungen.“

Dr. Blanc schüttelte unwillig den Kopf.

„Stellen Sie Ihre Person nicht unter den Scheffel! Sie sind eine fähige Kraft, die bei allen hier angesehen ist, außer vielleicht einen. Sie haben Biss, sind wissbegierig und beweisen Durchsetzungsvermögen und lassen sich nicht so leicht unterkriegen. Legrand leistet auch hervorragende Arbeit, aber er besitzt bei weitem nicht Ihre Stärken“, begründete er seine Wahl. „Ich erwarte, nach einer gewissen Bedenkzeit natürlich, Ihre Bewerbung, die ich in jeder Hinsicht unterstützen werde. Aber dazu noch freundschaftliche Rat. Geben Sie dem Morais nicht zu viel Futter! Der hat Sie jetzt auf dem Kieker.“

„Ich bedanke mich für Ihr Vertrauen, Dr. Blanc. Ich werde über die Sache nachdenken und Sie dann informieren. Auch hinsichtlich des Herrn Morais werde ich achtsam sein. Doch kann ich da nichts versprechen, denn sollte sich Derartiges wiederholen, was er sich hinsichtlich der OP-Schwester geleistet hat, werde ich das nicht tolerieren können.“

Dr. Blanc nickte dazu nur, denn er konnte den jungen Arzt gut verstehen. Dann hatte er noch eine Bitte: „Ach, und noch eins! Ich möchte Sie um Verschwiegenheit über dieses Gespräch bitten. Die Leitung wird noch früh genug von meinen Absichten erfahren.“

„Selbstverständlich, Dr. Blanc“, versicherte Enzo es ihm. Auch er wollte nicht, dass jetzt schon das Gerede und die Spekulationen anfingen.

Damit war das Gespräch beendet und Enzo verließ des Büro des Chefarztes, um sich wieder seinen Patienten zu widmen.

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4.

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Nach der Operation musste Liza erst einmal in die kontrollierte Langzeitnarkose gesetzt werden, denn es war ihr nicht möglich, selbst Nahrung aufzunehmen. Es war wichtig, dass sie sich nicht bewegte. Darum erfolgte ihre Beatmung auch mittels eines Tubus. Dr. Lambert hatte sich kurz mit seinem Kollegen Dr. Legrand beraten, so dass sie sich für diese Maßnahme entschieden. Außerdem war es besser für ihre Genesung, denn ihre Rippen mussten ebenfalls heilen. Auch bedachten beide ihr Schicksal, denn dass die Frau Schlimmes durchgemacht hatte, daran zweifelte keiner. Diesen Stressfaktor wollte man bei ihr unterbinden.

Nach über zwei Wochen entschied man nun, dass Liza aufwachen konnte, denn der Heilungsprozess schritt bei ihr positiv voran. Also fing Dr. Lambert an, langsam und sehr vorsichtig die Dosierung des Narkosemittels zu reduzieren, um den Körper seiner Patientin nicht zu überfordern. Den Tubus entfernte er jedoch nicht, denn sie musste erst vollständig wach und auch in der Lage sein, selbständig zu atmen.

Es vergingen noch ein paar Tage, bis Liza versuchte, ihre Augen zu öffnen. Zuerst sah sie alles verschwommen. Doch dann klarte ihr Blick auf und sie stellte fest, dass sie sich in einem hellgetünchten Raum befand. Sie versuchte, ihren Arm zu heben, was ihr nur mäßig gelang.

Dr. Lambert stand an der Seite ihres Bettes und beobachtete sie genau. Er wagte es, seine Hand auf ihre zu legen, was ihm ein gutes Gefühl gab.

Mit ruhiger Stimme sprach er sie an: „Hallo, Liza. Ich bin Dr. Enzo Lambert. Sie befinden sich in dem Krankenhaus, in dem Sie auch als OP-Schwester arbeiten.“

Langsam drehte sie ihren Kopf ein Stück so, dass sie den Mann ansehen konnte, zu dem die angenehme Stimme gehörte. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch sie brachte keinen Ton heraus.

„Keine Sorge! Sie werden schnell wieder sprechen können. Wir mussten Ihnen einen Tubus einführen, um Sie zu beatmen“, erklärte er ihr sanft und fragte dann: „Können Sie verstehen, was ich sage?“

Liza deutete ein Nicken an, was er registrierte.

„Haben Sie Schmerzen?“, war seine nächste Frage.

Liza horchte in sich hinein und verneinte es.

„Wir geben Ihnen noch Schmerzmittel, aber es sieht bereits gut aus. Es verheilt alles sehr gut“, meinte Enzo.

Alles?, dachte Liza. Alles wird nicht heilen. Es wird immer etwas zurückbleiben. Ich werde das nie vergessen können, was die Schweine mir angetan haben.

Enzo beobachtete, wie sich Tränen in ihren Augen sammelten und sie dann an ihren Schläfen herunterrannen. Vorsichtig tupfte er ihr sie weg, aber am liebsten hätte er sie in seine Arme genommen und sie getröstet.

„Liza, es wird alles gut werden“, versuchte er, ihr Mut zu machen, denn er glaubte zu wissen, was in ihr vorging. Doch sie kniff die Augen zusammen und sah ihn nun nicht mehr an.

Enzo seufzte innerlich über ihre Reaktion, aber er verstand sie auch. Sie brauchte Zeit, viel Zeit, um über die Sache hinwegzukommen, falls sie es überhaupt jemals schaffte. Und er wollte ihr dabei helfen, wenn sie ihn ließ.

Aber Liza baute eine unsichtbare Mauer um sich auf. Mit niemanden sprach sie ein Wort. Sie lag die ersten Tage nur da und schaute zur Decke, wenn sie wach war. Sie befand sich nun auch nicht mehr auf der Intensivstation. Enzo hatte dafür gesorgt, dass sie ein Einzelzimmer bekommen hatte, was wieder zu einem heftigen Zusammenstoß mit Mister Geiz führte.

„Warum haben Sie die Schwester in ein Einzelzimmer verfrachtet? Die kann ruhig mit anderen Patienten zusammenliegen. Schließlich ist sie kein Privatpatient“, hatte der ihn angeschnauzt.

Enzo gab sich alle Mühe, nicht laut zu werden.

„Erstens, ich verbitte mir diesen Ton. Zweitens, es war meine Entscheidung, denn die ist in diesem besonderen Fall medizinisch erforderlich. Drittens, das Zimmer liegt genau gegenüber dem Schwesternzimmer, so dass man immer ein Auge darauf hat ...“

„Was?“, wurde Dr. Lambert brüsk unterbrochen. „Da werden die Schwestern zu ihrer Bewachung abgest...“

„Nun halten Sie aber mal die Luft an!“, schnitt Enzo ihm ungehalten das Wort ab. „Die Täter laufen noch frei herum, sind untergetaucht. Doch es könnte passieren, dass einer von denen hier aufschlägt, und beendet, was er im Wald nicht geschafft hat.“

„Das ist Sache der Polizei“, warf Morais ein.

„Da mögen Sie zum Teil recht haben. Aber es ist auch Sache des Krankenhauses, für die Sicherheit der Patienten zu sorgen. Stellen Sie sich nur mal vor, wenn es hier zu einem Mord kommt! Der Ruf des Krankenhauses wäre ruiniert. Und unsere zahlenden Patienten suchen sich ein anderes Haus aus, in dem sie sich behandeln lassen. Das sollten Sie bei all Ihrer Abneigung, Geld für wirklich wichtige Dinge auszugeben, bedenken“, argumentierte Dr. Lambert.

Zu seinem Ärger musste Morais dem Arzt sogar recht geben. Dann wäre für lange Zeit der Ruf des Krankenhauses dahin. Derartige Dinge durften eben nicht passieren, schon gar nicht in diesem ... seinem Haus. Doch mit dem Einzelzimmer ging er trotzdem nicht mit. Er meinte, das Dreibettzimmer, was genau daneben lag, würde es auch machen.

Aber dieser Forderung widersprach Enzo ebenfalls und begründete seine Entscheidung entsprechend.

„Und da kommen wir zum vierten Punkt, denn die Patientin benötigt Ruhe. Das Ganze ist durch die Presse gegangen. Was meinen Sie, was passieren kann, wenn einer der Patienten sie darauf anspricht?“

„Was soll denn da schon groß passieren“, winkte Morais ab.

„Sie haben auch wirklich überhaupt keine Ahnung über die menschliche Psyche. Verdammt, die Frau wurde von drei Kerlen auf das Brutalste vergewaltigt und zusammengeschlagen. Und das tun Sie ab, als wenn das eine Lappalie ist. Was sind Sie nur für ein gefühlskalter Mensch. Für Sie existieren nur die schwarzen Zahlen auf dem Papier. Ich hoffen nicht, dass Sie mal in eine derart prekäre Situation geraten, dass Sie dringend ärztliche Hilfe benötigen. Doch dann erfahren Sie vielleicht, wie zweitrangig Geld ist. Aber ein Rat von mir ... lassen Sie sich in das andere Krankenhaus verfrachten, damit diesem hier keine Kosten entstehen! Einen schönen Tag noch!“

Aufgebracht verließ Enzo das Büro des Vollidioten, wie er ihn im Stillen betitelte, als er über den Flur eilte, denn er war bereits spät dran. Auf ihn wartete eine Operation, für die er sich steril machen musste.

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5.

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Täglich kam eine Schwester, seit dem Liza ins Einzelzimmer verlegt werden war, um mit ihr Bewegungsübungen zu machen, denn sie sollte wieder auf die Beine kommen. Bei dieser Sache war Liza sehr ehrgeizig. Die ersten Gehversuche scheiterten, denn sie hatte keine Kraft in den Beinen. Doch nach und nach wurde es besser. Sie bekam gut Luft, was bedeutete, dass der Rippenbruch verheilt war. Nur das Gesicht schmerzte noch, nicht stark, aber spürbar.

Als Liza das erste Mal allein aufstehen konnte, wollte sie sich endlich im Spiegel betrachten. Doch als sie ihr Spiegelbild sah, erstarrte sie zur Salzsäure. Nach drei Wochen war ihr Gesicht immer noch auf der einen Seite unförmig geschwollen. Das rechte Auge was leicht grünlich und gelblich unterlaufen. Es war ein Schock für sie, sich so zu sehen. Und sie glaubte, dass sie nie wieder so aussehen würde wie vorher.

Wut kroch in ihr hoch. Rasende Wut auf ihre Peiniger!

Ein fester Hieb - und der Spiegel zersplitterte in lauter Einzelteile. Dann brach Liza schluchzend zusammen.

Genau in diesem Moment kam Schwester Claudia ins Zimmer und sah die Bescherung. Schnell eilte sie auf den Flur und rief eine weitere Schwester, damit sie ihr half.

Enzo trat gerade aus einem anderen Zimmer, wo er nach einem Patienten gesehen hat, den er einen Tag vorher operiert hatte. Sofort eilte er in das Zimmer und sah augenblicklich, was passiert war. Er scheuchte die beiden Schwestern beiseite, die sich bemühen wollten, Liza vom Boden hochzuheben. Kurzerhand hob er sie hoch und legte sie in ihr Bett zurück.

Die beiden Schwestern nickte sich verschwörerisch zu, was Enzo nicht entging.

„Gibt es etwas, das ich wissen sollte, werte Damen? Wenn nicht, können Sie an Ihre Arbeit zurückgehen“, sagte er im harten, aber ruhigen Ton zu ihnen. Sofort eilten die beiden Schwestern hinaus und tuschelten auf dem Weg zu dem Schwesternzimmer.

Als die beiden weg waren, setzte er sich am Rand des Bettes.

„Warum haben Sie das gemacht?“, fragte er leise, erhielt aber keine Antwort.

Liza hatte sich so gedreht, dass sie ihn nicht ansehen musste. Sie fühlte sich hässlich, total entstellt. Sie glaubte, niemals wieder ihr altes Gesicht im Spiegel sehen zu können. Und das nur, weil sie so dumm gewesen war, sich noch einmal mit ihm, ihrem brutalen Ex-Freund, zu treffen. Warum war sie nur so leichtgläubig und unvorsichtig gewesen? Warum nur?

Heiße Tränen traten immer wieder aus ihren Augen, und unter ihren Weinkrämpfen erbebte ihr Körper, was Enzo ziemlich nahe ging. Er fühlte sich hilflos, weil er nicht wusste, wie er ihr helfen konnte. Wie gern würde er sie alles vergessen lassen. Doch das lag nicht in seiner Macht. Im OP-Saal fühlte er sich sicherer. Da wusste er, was er zu tun hatte.

„Liza, es ist gut, dass Sie sich einmal richtig ausweinen. Aber Sie müssen darüber mit jemandem reden.“ Kurz sah er zum Fenster und stellte fest, dass es stark regnete. Aber er wollte sowieso im Krankenhaus bleiben und hier die restlichen Stunden der Nacht verbringen.

„Ich glaube, ich weiß, warum Sie den Spiegel zerschlagen haben. Ich versichere Ihnen, dass Sie wieder aussehen werden, wie vor der ... der besagten Nacht. Es war ein komplizierter Kieferbruch. Doch ich konnte alles wieder in Ordnung bringen. Aber so ein Bruch braucht Zeit zum Heilen. Ich bitte Sie, Geduld zu haben. Und Sie sollten mit uns sprechen, vor allem mit der Polizei. Sie müssen es doch auch wollen, dass die, die Ihnen das angetan haben, bestraft werden.“

Ja, das wollte sie. Aber Liza wünschte sich, dass sie starben, und es sollte ein langsamer, qualvoller Tod sein.

Weil sie keine Reaktion zeigte, stand Enzo auf, um zu gehen. Man redete so schon genug über ihn, was er die letzten Tage überdeutlich vernommen hatte. Er hoffte, dass die Tratschtanten bald ein neues Opfer finden würden. Und das konnte manchmal schnell gehen.

„Liza, wenn Sie sich noch nicht in der Lage fühlen, mit der Polizei zu reden wollen - Gespräche mit unserer Psychologin haben Sie auch abgelehnt, wie man mir berichtete - dann geben Sie sich einen Ruck und reden mit mir. Ich bin Ihr Arzt, Sie können sich mir anvertrauen. Das mit der Schweigepflicht brauche ich Ihnen wohl nicht zu erklären. Außerdem möchte ich Sie wieder bei meinen OPs dabeihaben.“ Er wagte es, ihr sanft seine Hand auf ihren Oberarm zu legen. Erschrocken über ihre Reaktion, zog er sie wieder zurück. Liza hatte sich augenblicklich sichtlich versteift und ihre Schulter nach vorn gezogen, als hätte sie Angst vor seiner Berührung. Das machte ihn sehr nachdenklich, und er fragte sich, ob Liza jemals wieder einen Mann lieben konnte.

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6.

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Weil Liza in der Nacht oft von Alpträumen heimgesucht wurde, ordnete Dr. Lambert an, ihr ein leichtes Schlafmittel zu verabreichen. Die Schwester, die nachts Dienst hatte, hatte ihm berichtet, dass Liza im Schlaf laut schrie und um sich schlug, und das nun schon seit mehreren Nächten. Er hatte sie tadelnd angesehen und gefragt, warum sie ihm das nicht schon spätestens nach der zweiten Nacht berichtet hat.

„Ich dachte mir nichts dabei. Es hätte ja aber auch schon wieder vorbei sein können“, verteidigte sie sich.

„Ist es aber nicht, Schwester“, hatte er nur kopfschüttelnd erwidert. Er nahm sich vor, selbst eine Nacht über ihren Schlaf zu wachen, denn er wollte herausfinden, wie schwer diese Alpträume waren. Also veranlasste er, ihr das Schlafmittel vorerst doch nicht zu geben.

Am Abend fuhr er nicht nach Hause, sondern blieb in der Klinik. Er wartete, bis alles still auf seiner Station wurde. Dann ging er zur Nachtschwester und erkundigte sich nach Liza, ob auch sie schon schlief. Die Schwester sah den Doktor fragend an, aber sie sagte nichts. Dafür schob sie sich in Lizas Zimmer und sah zu ihr.

„Sie schläft tief und fest“, sagte sie, als sie wieder zu Dr. Lambert trat.

„Gut. Ich komme nachher noch einmal wieder“, teilte er der Nachtschwester mit, die ihn erneut fragend ansah. Doch er ignorierte ihren Blick. Sollte sie doch denken, was sie wollte.

Nach knapp einer Stunde betrat er Lizas Zimmer und setzte sich beim Fenster hin, so, dass er sie genau beobachten konnte, denn das Licht der Laternen im eigenen Klinikpark fiel in den Raum, die ihn so weit erhellten, dass Enzo alles gut erkennen konnte, besonders aber die schlafende Liza.

Für ihn war es selbst ein anstrengender Tag gewesen. Bis in den Nachmittag hinein hatte er operiert. Eigentlich wäre er schon gegen Mittag fertig gewesen, aber es mussten nicht ganz so dringende Operationen weiter in den Tag verschoben werden, weil ein Notfall eingeliefert worden war. Und da ging es um Leben und Tod.

Enzo versuchte, es sich auf dem Stuhl so bequem wie möglich zu machen, was fast ein Ding der Unmöglichkeit war. Er lehnte sich an die Lehne und streckte die Beine lang aus. Beim Betrachten seiner Patientin fielen ihm vor Müdigkeit fast die Augen zu. Doch er befahl sich durchzuhalten. Nach fast einer weiteren Stunde fing Liza an, sich unruhig zu bewegen. Sie stöhnte immer wieder auf und jammerte: „Nein, bitte nicht!“

Doch plötzlich schrie sie laut auf, als würde sie furchtbare Schmerzen haben. Dabei bäumte sie sich auf und schlug danach um sich.

Enzo sprang von dem Stuhl, machte Licht und war gleich wieder bei ihr. Er ergriff ihre Arme und redete auf sie ein.

„Liza, wachen Sie auf! Sie träumen. Ihnen kann hier keiner etwas antun. Ich bin hier und passe auf Sie auf.“

Die Nachtschwester kam in das Zimmer gestürmt.

„Oh, Sie sind hier!“, stellte sie überrascht fest. Nun waren ihre stummen Fragen beantwortet.

Dr. Lambert schickte sie freundlich wieder hinaus, mit dem Hinweis, er würde sich schon um die Patientin kümmern.

„Das seh ich“, murmelte die Nachtschwester, als sie die Tür von außen geschlossen hatte und verdrehte ihre Augen. „Der ist wirklich in die verknallt. Versteh ich nicht, ist doch beschädigte Ware.“

Enzo sah auf Liza, die mittlerweile ihre Augen geöffnet hatte. Überraschung drückten sie aus, ihn mitten in der Nacht an ihrem Bett stehend zu sehen.

„Warum sind Sie hier?“, fragte sie.

„Man hat mir berichtet, dass Sie in den letzten Nächten schlecht schlafen konnten, weil sie von Alpträumen geplagt werden. Dem musste ich als Ihr Arzt auf den Grund gehen“, antwortete er ihr. Er setzte sich nun an den Rand des Bettes und sah sie einfach nur an.

„Ich bin müde“, sagte sie und drehte ihren Kopf zur Seite, so dass sie ihn nicht anzusehen brauchte.

„Ja, ich auch. Schlafen Sie gut! Ich sehe ...“ Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „... heute wieder nach Ihnen.“ Schwerfällig erhob er sich von dem Rand des Bettes.

„Wie lange sind Sie schon hier?“ Sie hatte sich jetzt wieder zu ihm gewandt.

„Fast zwei Stunden“, antwortete er und fuhr sich durch sein Haar.

„Sie sind extra länger geblieben, nur um mich beim Schlafen zu beobachten?“

„Ich bin extra länger geblieben, um herauszufinden, welcher Alptraum sie quält“, verbesserte er sie.

„Wozu? Was geht es Sie an, was ich träume?“, fragte sie abweisend.

„Wie Sie selbst wissen, sind das keine normalen Träume, die Sie haben. Wenn man jede Nacht derartig Schlimmes träumt, es immer wieder durchlebt, ist das kräftezehrend und nicht förderlich für die Genesung. Und Sie kennen Morais. Dem kann alles nicht schnell genug gehen. Ich hatte bereits Kämpfe mit ihm auszustehen“, verriet er ihr.

„Meinetwegen?“, fragte sie erstaunt.

„Ja, Ihretwegen. Sie liegen in einem Einzelzimmer und bekommen die bestmögliche medizinische Betreuung. Einiges von dem wollte er unterbinden, da die Kosten zu hoch wären“, antwortete Enzo im leicht ärgerlichen Ton.

„Hm, ich denke, dass meine Krankenkasse das wohl auch nicht alles übernehmen wird“, wandte Liza ein. „Dann würde das Krankenhaus auf den Kosten sitzenbleiben. Und das gibt Ärger, soweit ich weiß.“ Sie sah Mister Geiz bereits wie Rumpelstilzchen mit dem Fuß auf den Boden stampfen, was sie für einen winzigen Moment innerlich schmunzeln ließ.

„Darüber machen Sie sich bitte keine Gedanken! Das geht dann auf meine Kappe“, entgegnete Enzo, worauf Liza ihm einen überraschten Blick zuwarf.

„Auf Ihre Kappe? Verstehe ich das richtig? Dann wollen Sie die Rechnung begleichen?“

„Liza, machen Sie sich darüber bitte keine Gedanken! Noch ist es nicht so weit. Werden Sie erst einmal richtig gesund!“

„Ich mache mir aber Gedanken. Warum wollen Sie das für mich tun?“

„Ja, warum?“ Er bedachte sie mit einem Lächeln. „Weil Sie für mich eine ganz besondere Patientin sind.“

Doch Liza reagierte nicht so, wie er es erwartet hatte. Abweisend war nun ihr Blick.

„Besondere Patientin? Super? Also ein Studienobjekt! Wie entwickelt sich eine mehrfach vergewaltigte und misshandelte Frau nach gelungener OP und Langzeitnarkose? Wird das Ihre nächste Doktorarbeit. Oder soll's schon der Professor sein?“

Enzo seufzte und trat enttäuscht über ihre harten Worte einen Schritt von ihrem Bett weg.

„Sie interpretieren mein Interesse an Ihnen völlig falsch. Ich werde Sie jetzt schlafen lassen.“

Er wandte sich von ihr ab und verließ das Zimmer. Dann ging er gleich hinüber ins Schwesternzimmer, um sich von Liza die Krankenakte geben zu lassen.

„Ab morgen bekommt Frau Durand ein leichtes Schlafmittel. Danach berichten Sie mich bitte, ob es gewirkt hat. Wenn nicht, bekommt sie das stärkere.“ Er schrieb alles genau in die Akte und ging in den Ruheraum, wie sie ihn nannten, um wenigstens noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen.

Die Nachtschwester sah ihm hinterher und schüttelte verständnislos ihren Kopf. Sie war auch eine von diesen neugierigen Frauen, die als wissen wollten und es dann unter die Leute brachten. Das Meiste hatte sie mitgehört, was die beiden geredet haben, immer das Ohr dicht an der Tür. Als der Doktor sagte, dass er die Patientin nun schlafen lassen wollte, war sie eilig auf leisen Sohlen in das Schwesternzimmer geflitzt, hatte sich an den Tisch gesetzt und so getan, als würde sie in einem Buch lesen.

Noch am gleichen Tag wusste bereits die halbe Belegschaft von dem, was sich in der Nacht auf der Station zugetragen hatte.

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7.

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Da bei Liza die Physiotherapie gut anschlug, hatte sie die Erlaubnis bekommen, bei schönem Wetter in den Park des Krankenhauses zu gehen. Das Problem bestand aber nun darin, dass Liza keine eigenen Sachen im Krankenhaus hatte. Sie besaß auch keinen Schlüssel für ihre Wohnung, um von dort sich welche zu holen.

Doch da kam ein Engel mit einem leicht verbogenen Heiligenschein, der versuchte zu helfen.

Schwester Claudia war dabei, Lizas Bett neu zu beziehen. Immer wieder schulte sie zu ihr rüber, denn Liza saß an dem kleinen Tisch und sah zum Fenster. Aber sie schien weit weg zu sein, denn ihr Blick war starr.

„Liza, du siehst schon viel besser aus“, wagte Claudia zu sagen.

„Ja, aber noch nicht wie vorher. Ich glaube, das wird es auch nicht.“ Immer, wenn sie daran dachte, traten ihr Tränen in die Augen. Das entging der Schwester nicht.

„Hab doch Geduld! Dr. Lambert sagt, dass du bald wieder so hübsch aussehen wirst, wie vor der Geschichte ... na, du weißt schon.“

„Ja, Dr. Lambert ...“, seufzte sie. „Aber ich werde nie mehr die sein, die ich vorher war.“

Darauf wollte Claudia lieber nichts sagen, denn sie konnte es sich nicht annähernd vorstellen, was in Liza vorging und wie sie sich fühlte. Sie wusste nur, dass sie selbst derartig Schlimmes niemals durchmachen wollte.

„War Dr. Lambert heute schon bei dir?“, fragte sie stattdessen.

„Nein. Er hat sich in den letzten Tagen kaum sehen lassen“, antwortete sie, was sie bedauerte, denn seine Anwesenheit hatte ihr gutgetan. Irgendwie vermisste sie ihn und seine angenehme Stimme. Sie glaubte zu wissen, warum er es vermied, sie mehrmals am Tag aufzusuchen, öfter als es nötig war. Mit ihrer Äußerung in der Nacht musste sie ihn wohl gekränkt haben, was ihr jetzt im Nachhinein leidtat. Er hatte es doch nur gut gemeint, wollte ihr nur helfen. Und sie stieß ihn mit ihren harten Worte vor den Kopf. Aber seine Fürsorge war an manchen Tagen zu erdrückend für sie, denn sie fühlte sich so schmutzig und wertlos. Welcher Mann würde sie nach dieser Sache noch mögen? Das musste doch jeden abschrecken. Andererseits fragte Liza sich, ob sie überhaupt jemals wieder fähig sein würde, es zulassen konnte, dass ein Mann ihr zu nahe kam.

Und was sie hasste, waren die Blicke, mit denen sie im Krankenhaus von den Kollegen bedacht wurde. Die meisten davon waren mitleidig, andere wiederum abfällig, als hätte sie Schuld an der der Vergewaltigung.

Vor allem aber hasste sie es, wenn Dr. Lambert sie besorgt ansah, als würde sie an dem Ganzen zerbrechen. Na ja, ganz so abwegig war es ja nicht. Sie hatte schon mit dem Gedanken gespielt, zu versuchen, an das richtige Medikament zu kommen. Im Arsenal des Krankenhauses würde sie garantiert fündig werden. Zwar gab es das Problem, dass alles unter Verschluss war. Doch wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg!

Aber Liza hatte diese aufkommenden Gedanken wieder unterdrückt. Und dafür gab es gute Gründe. Sie wollte miterleben, wie die drei Verbrecher in Gewahrsam genommen und verurteilt wurden. Der Tod war eigentlich noch viel zu mild!

Schwester Claudia riss Liza aus ihren schweren Gedanken.

„Weißt du eigentlich, wer dich gefunden und ins Krankenhaus gebracht hat?“

„Nein, man sagte mir nur, dass es Mann war, der auf dem Weg nach Hause war. Die Polizei wollte es mir nicht sagen, weil der es wohl nicht wünscht, dass ich es erfahre“, antwortet Liza und zuckte mit der Schulter.

„Würdest du es denn gern wissen wollen?“

„Na ja, da könnte ich mich wenigsten bedanken. Wer weiß, was passiert wäre, wenn man mich nicht gefunden hätte ...“

„Na, da mach die mal keine Gedanken drüber. Bist ja gefunden worden“, sagte sie und dann: „Ich kann es dir sagen, wenn du willst.“ Abwartend sah sie Liza an.

„Und woher weißt du das?“, fragte Liza argwöhnisch, denn sie wusste, was Claudia für eine Klatschtante war. Andererseits stimmte es überwiegend, was sie in die Welt hinausposaunte.

„Liza, ich hatte Dienst, als man dich hergebracht hat“, erklärte sie ihr.

„Also, wer war's?“, forderte Liza sie auf, denn sie sah es ihr an, dass sie es unbedingt loswerden wollte.

„Dr. Lambert!“

Liza sah sie ungläubig an. Das konnte nicht stimmen. Er war doch im Krankenhaus und hatte sie operiert.

Claudia kicherte leise.

„Haut dich diese Info um? Oder warum guckst du so, als hättest du im Lotto gewonnen, was du aber nicht glauben kannst.“

„Ich glaub`s auch nicht“, erwiderte sie.

„Stimmt aber. Unser hübscher Doktor war auf der Heimfahrt. Er war doch auf so einen Ärztekongress. Und da hat er dich zufällig entdeckt. Sofort hat er dich in seinen Wagen verfrachtet und hierhergebracht. Und dann hat er dafür gesorgt, dass die Polizei benachrichtigt und du sofort rundum untersucht wurdest. Er hat dich auch operiert.“

Liza konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken. Er war also ihr Retter gewesen. Trotzdem verstand sie nicht, warum er sie laufend am Krankenbett besuchte, sich zusätzlich um sie kümmerte und dafür sorgte, dass sie alles an medizinischer Betreuung und notwendigen Mitteln bekam, die er anordnete. Schließlich war sie doch eine Patientin wie jede andere.

„Liza, wir denken, dass der sich in dich verknallt hat. So oft, wie der immer bei dir ist, sich sogar deinetwegen mit Mister Geiz anlegt ...“

„Claudia, hör auf, so einen Unsinn zu erzählen!“, unterbrach Liza verärgert ihren Redefluss.

Aber die ließ sich nicht beirren.

„Ist aber so. Ob du es nun glaubst oder nicht. Als du ... äh ..., als das noch nicht passiert ist, hat der dir schon immer auf dem Flur hinterher gesehen. Das wissen hier alle. Und ich hab ihm gesagt, wer die Unbekannte auf der Intensiv ist, denn ich habe dich an deinen Haaren und deinem Tattoo erkannt. Was meinst du, was der für ein erfreutes Gesicht gemacht hat. Du warst ja plötzlich weg, bist nicht zur Arbeit gekommen ...“

„Hm, ja, Arbeit!“, murmelte Liza. Das hatte garantiert für Ärger gesorgt, denn man hatte sie für den OP bei Dr. Lambert eingeteilt.

„Mister Geiz war ziemlich aufgebracht. Du kennst ihn ja. Der hatte dir sogar schon `ne Kündigung ins Fach gelegt. Da wusste aber noch niemand, dass du das auf der Intensiv bist. Dr. Lambert hat Morais so richtig zusammengefaltet, dass der sich beim Chefarzt beschwert hat und der liebe Doktor dort antraben musste. Tja, und seit dem unser hübscher Doktor weiß, wer seine Patientin ist, sucht er sie immer wieder auf, um nach ihr zu sehen. Jede freie Minute hat er bis jetzt genutzt ...“

„Stimmt nicht! In den letzten Tagen war er selten hier“, widersprach Liza.

„Hast ihn wohl verjagt. Bist etwas heftig gewesen, hab ich gehört“, gab Claudia ihr Wissen preis.

„Sag mal, lauscht ihr an den Türen?“ Ein missbilligender Blick lag nun auf Claudia, die darauf aber nur gelassen reagierte.

„Ich bestimmt nicht. Die Nachtschwester war`s“, verpetzte sie die. „Warum hast du das gemacht? Man, wenn der sich so um mich kümmern würde ...“

„Ach, Claudia, mich erdrückt das alles. Es sind die Blicke der Kollegen, das Gedrängle der Polizei, ihre Fragen zu beantworten, das Ungewisse, wie ich damit klarkomme und weiterlebe ...“

„Willst du meine ehrliche Meinung von mir hören?“

„Red schon!“

„Dr. Lambert empfindet wirklich `ne Menge für dich. Das sieht ein Blinder mit dem Krückstock. Bei ihm wärst du in den richtigen Händen.“

„Das kann ich nicht glauben. Wer nimmt schon `ne Frau, die von drei Kerlen brutal vergewaltigt wurde. Wer weiß, ob ich je wieder einen Kerl an mich ranlasse“, meinte Liza kopfschüttelnd.

„Den Richtigen wirst du ranlassen. Garantiert“, prophezeite Claudia es ihr.

„Und du meinst, das ist er“, reagierte Liza sarkastisch.

„Jepp! Ihr passt gut zusammen. Gib ihm `ne Chance!“

„Ich kann nicht ...“

„Unsinn, denk in Ruhe darüber nach! Bist ja noch ne Weile Patient bei uns. Und dann wieder mit ihm im OP“, grinste Claudia. „Sag mal, hast du überhaupt was an Klamotten? Du darfst in den Park, wie ich weiß. Aber mit diesen Sachen ... sieht echt bescheuert aus. Damit gewinnst du keinen Preis.“

Da musste auch Liza lachen, denn sie trug ein Nachthemd des Krankenhauses, und nichts weiter.

„Da muss ich zu mir nach Hause, um mir ein paar Sachen zu ...“ Sie brachte den Satz nicht zu Ende, denn erst jetzt wurde ihr das nächste Problem bewusst.

„Ich kann mir gar keine Sachen holen. Die Schlüssel waren in meiner Handtasche. Ausweise, Geld - alles ist weg“, teilte sie Claudia erschrocken mit. Tränen traten ihr in die Augen, als sie daran dachte, dass sich auch ihre Geldkarte im Portemonnaie befunden hatte.

„Ich geb dir ein paar Klamotten von mir. Müssten dir passen. Bist zwar etwas größer und hast mehr Busen, aber das wird schon. Nur mit den Schuhen ... was hast du für eine Größe?“

„39“

„Oh, ich auch. Schon ein kleines Problem gelöst“, meinte sie froh gelaunt. „Ich bin jetzt hier fertig. Morgen bring ich dir die Sachen mit.“

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8.

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Nun waren seit dem Erwecken aus der Langzeitnarkose drei Wochen vergangen, und Liza wurde durch Dr. Lambert mitgeteilt, dass sie in den nächsten zwei Tagen aus dem Krankenhaus entlassen werden kann.

Sie hatte sich immer noch nicht geöffnet. Auf Dr. Lamberts Angebot war sie ebenfalls nicht eingegangen. Ein Gespräch mit der Psychologin hatte sie die ganze Zeit vehement abgelehnt. Aber sie hatte sich endlich durchgerungen, mit einer Beamtin der Polizei zu sprechen. Es war nicht einfach für sie gewesen, und es bedurfte mehrere Anläufe, aber die Beamtin zeigte viel Geduld, was darauf schließen ließ, dass sie gut geschult worden war.

Man hatte mittlerweile auch das Fahrzeug gefunden, mit dem man Liza in den Wald gebracht hatte. Jemand hatte es angezündet und dann über einen Abhang stürzen lassen. Da war nichts mehr an Spuren zu finden. Aber bei der zum Teil abgebrannten Hütte im Wald wurde man fündig. Leere Schnapsflaschen, eine angekohlte Matratze, auf der man Blut und Spermaspuren fand. Das Blut stammte von ihr und einer weiteren Person.

Liza wusste genau, von wem die waren: Kay!

Liza gab der Polizei bereitwillig alle Adressen, von denen sie wusste, wo sich Jamie, Thomas und Kay aufhalten könnten. Doch dann erbat sie sich, dass man ihr keine Fragen mehr stellte. Sie war zu mehr einfach nicht bereit. Das Protokoll las sie sich noch durch, unterschrieb das und äußerte die Bitte, dass man sie informierte, wenn man die drei Täter gefunden und hinter Gitter gebracht hat. Das wurde ihr zugesichert.

Dr. Lambert war in den letzten zwei Wochen wieder öfter zu Liza gekommen. Warum das so war, konnte sie sich denken. Claudia hatte garantiert etwas durchblicken lassen, was ihn dazu bewegt hat, wieder öfter in ihrem Zimmer zu erscheinen oder sie auch in den Park zu begleiten oder dort aufzusuchen, soweit es seine Zeit zuließ.

Sie unterhielten sich viel, wobei Enzo es vermied, sie zu irgendetwas zu drängen.

Diese Gespräche taten Liza gut. Durch sie fühlte sie sich nicht mehr so leer und erniedrigt, sondern auf eine positive Art beachtet und geschätzt. Ja, sie freute sich jedes Mal, wenn er auftauchte. Manchmal dachte sie an das, was Claudia ihr weismachen wollte, doch sie fand dafür nicht den Ansatz. Sie glaubte immer noch, dass er es sich auf diese Art und Weise zur Aufgabe gemacht hatte, sie zu therapieren.

In diesen Gesprächen erfuhr Enzo, dass Liza kaum noch Verwandte hatte. Ihre Mutter war früh an Krebs gestorben, ihr Vater im letzten Jahr an einem Herzinfarkt. Geschwister hatte sie keine. Eine Tante mütterlicherseits gab es noch, aber zu der hatte sie keinen Kontakt.

Und er erfuhr auch, dass sie den Wunsch hegte, zu studieren. Gern wäre sie selbst Chirurgin. Enzo machte ihr Mut, denn ihre medizinischen Kenntnisse würden ihr dabei sehr zugute kommen. Wenn sie soweit sein würde, sich also dazu entschloss, wollte er sie in jeder Hinsicht unterstützen.

Dann kam der Tag der Entlassung. Dr. Lambert teilte es ihr am frühen Vormittag während der Visite mit. Die notwendigen Papiere wollte er noch fertigmachen. Die Schwester würde sie dann benachrichtigen, wann sie das Krankenhaus verlassen kann.

Schweigend, mit einer innerlichen ängstlichen Unruhe hatte sie die Entscheidung aufgenommen und dabei vermieden, jemanden anzusehen. Doch Dr. Lambert hatte sie genau beobachtet und ihre verkrampfte Haltung bemerkt, was ihn nachdenklich machte. Er glaubte zu wissen, dass sie Angst hatte. Und er konnte das sogar verstehen, obwohl ihm momentan nicht ganz klar war, wovor sie sich nun fürchtete.

Liza war froh, als die Ärzte mit der Oberschwester ihr Zimmer verließen. Panik wollte sich in ihr breitmachen. Mehrmals musste sie tief einatmen, um nicht laut aufzuschreien. Nach ein paar Minuten ging es ihr etwas besser.

Da Liza noch keine eigene Kleidung aus ihrer Wohnung holen konnte, hatte Claudia ihr passende besorgt. Dafür war sie ihr sehr dankbar und wollte sich bei Gelegenheit revanchieren. Das würde auch nicht schwer werden, denn Claudia ließ sich ganz gern mal zum Essen einladen.

Liza ging es körperlich gut. Alles war wunderbar verheilt. Auch ihr Gesicht war wieder das alte, was sie nicht für möglich gehalten hatte. Nur ihr Inneres wollte nicht heilen. Sie fühlte sich beschmutzt und gedemütigt. Sie war nicht mehr die, die sie vorher war. Wenn sie in den Spiegel blickte, sah sie zwar sich, aber innerlich war sie eine andere. Etwas Fremdes hatte sich ausgebreitet. Hass, Wut, aber auch Angst. Angst, die ihre Träume beherrschte. Angst vor der Zukunft. Angst vor Berührungen. Und nun hatte sie sogar Angst, ihre eigene Wohnung zu betreten.

Liza saß auf ihrem Bett in ihrem Einzelzimmer und wartete darauf, dass man ihr Bescheid gab, dass sie gehen konnte. Es war bereits kurz vor der Mittagszeit.

Sie grübelte, wie sie am besten zu sich nach Hause kam. Doch nichts fiel ihr ein. Sie besaß kein Geld, hatte keinen Ausweis, keine Geldkarte ... alles war weg. Sie stöhnte, als sie daran dachte, dass sie sich alles neu beschaffen musste.

Vielleicht könnte Claudia sie nach Hause fahren, überlegte sie. Sie würde auch bis zu ihrem Dienstschluss warten.

Doch Liza brauchte Claudia nicht zu fragen. Als sich die Tür zu ihrem Zimmer öffnete, trat nicht, wie erwartet, Claudia ein, sondern Dr. Lambert. Überrascht sah Liza ihn an, denn das war ungewöhnlich, dass ein Arzt sie am gleichen Tag zweimal entließ.

„Liza, ich habe heute mal pünktlich Dienstschluss. Ich hoffe, dass Sie nichts dagegen haben werden, dass ich Sie zu Ihrer Wohnung fahre“, sagte er zu ihr und sah sie abwartend an. Er hoffte, dass sie sein Angebot nicht ausschlug, denn er hatte ihretwegen an diesem Tag seinen Dienst verschoben.

„Das ist wirklich nett von Ihnen, aber ich ...“

„Was aber?“, schnitt er ihr leicht ungehalten das Wort ab. „Wollen Sie etwa laufen?“

Liza schüttelte den Kopf. Nein, das wollte sie wirklich nicht. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln benötigte sie schon immer eine gute Dreiviertelstunde. Wenn sie zu Fuß gehen würde, brauchte sie wohl die dreifache Zeit.

„Dann kommen Sie!“, forderte Enzo Liza auf und hielt ihr die Tür auf.

Schweigend verließen beide das Krankenhaus, Enzo sich der neugierigen Blicke wohl bewusst, die er einfach ausblendete.

Da Liza der Komplex um das Krankenhaus vertraut war, wusste sie, wo sich der Stellplatz für die Ärzte befand, so dass sich Fragen erübrigten. Vor einem schmucken schwarzen Volvo blieb Enzo stehen und öffnete die Beifahrertür.

„Steigen Sie bitte ein!“, forderte er sie auf.

Auch während der Fahrt war es zuerst still zwischen den beiden. Doch dann fragte Liza: „Warum?“

„Was meinen Sie?“

„Warum tun Sie das alles?“

„Was tu ich denn?“, tat er weiter scheinheilig, jedoch fühlte er sich gerade nicht wohl in seiner Haut. Konnte er ihr denn jetzt schon sagen, dass er sie liebt?

Nein, das geht noch nicht. Sie ist noch nicht bereit, ermahnte Enzo sich.

„Lassen Sie das!“, reagierte Liza unwillig. „Bei Ihren anderen Patienten, sind Sie da auch so hilfsbereit? Nein, geht nicht, denn dann würden Sie wohl nicht mehr im OP stehen können, weil Sie ständig auf Achse sind, um Hilfeleistungen zu geben“, beantwortete sie die Frage selbst, und das ziemlich zynisch.

„Ich will Ihnen einfach nur helfen. Was ist falsch daran?“

„Eigentlich nichts. Nur geht Ihre Hilfe für meine Person über das Normalmaß hinaus“, teilte sie ihm ihre Beobachtung mit. „Sie haben sich meinetwegen sogar mit Morais angelegt - und das mehrmals.“

„Ich lege mich auch weiter mit diesem Geizhals an, wenn es sein muss. Ob für Sie oder andere Patienten! Wichtig ist für mich, dass der Patient gut medizinisch versorgt wird und er das Krankenhaus entsprechend geheilt verlassen kann. Nur so kann das Haus seinen guten Ruf halten“, entgegnete Enzo. Für diese Aussage stand er auch ein, denn sie entsprach genau seiner Einstellung. Es war aber ebenso wichtig, dass ein Krankenhaus sich von Zeit zu Zeit mit neuen und modernen medizinischen Geräten ausstatten musste. Seine Abteilung war schon seit Jahren nicht in diesen Genuss gekommen. Gestellte Anträge wurden laufend abgelehnt. Die Begründung war immer die Gleiche: Zu teuer, die alten Geräte erfüllen noch ihren Zweck!

„Liza, Sie wissen doch selbst, wie es auf der Station aussieht. Und im OP ist es noch schlimmer. Der Saal müsste total runderneuert werden. Seit ich hier arbeite, setze ich mich dafür schon ein. Doch ohne Erfolg! Wir könnten viel effizienter operieren. Das würde wieder Kosten einsparen. Leider stoße ich stets auf taube Ohren. Und das nervt“, ereiferte er sich.

„Ich weiß. Doch so lange Morais wie eine Glucke auf dem Geld hockt, wird sich wohl nichts ändern“, meinte Liza.

Enzo hoffte, dass er seine Beifahrerin nun von ihren ersten Fragen abgelenkt hatte, denn er wusste wirklich nicht, was er darauf antworten sollte, falls sie weiter bohrte. Darum lenkte er ihre Aufmerksamkeit auf andere Dinge.

„Ich habe Ihre Krankschreibung auf zwei Wochen gesetzt. In der Zwischenzeit, denke ich, werden Sie die Behördengänge erledigt haben. Kann ich darauf bauen, dass Sie mir dann wieder im OP assistieren?“

Liza zögerte mit ihrer Antwort, denn sie war sich noch nicht hundertprozentig sicher. Natürlich wollte sie wieder mit in den OP. Doch dazu müsste sie wirklich voll einsatzfähig sein. Ob sie es bis dahin war, sich physisch dazu in der Lage fühlte, das konnte sie jetzt noch nicht sagen.

„Sie wissen, dass ich wieder arbeiten möchte. Aber ob ich das schaffe, was man von mir erwartet ... ich weiß nicht ...“, antwortete sie ihm.

„Sie müssen noch nicht voll arbeiten. Nur für ein paar Stunden am Tag, das wäre doch eine Alternative“, schlug er vor.

„Ich denke darüber nach“, versprach sie.

„Was werden Sie machen, wenn Sie zu Hause sind?“

„Heute Nachmittag muss ich zum Fotografen, damit ich schnellstens meine Ausweise bekomme. Dann wollte ich zur Bank und danach muss ich mir was zum Essen besorgen. Oh Gott! Mein Kühlschrank wird der reinste Schimmelpalast sein. Alles ist verdorben. Den werde ich dann auch noch entkeimen müssen“, teilte sie ihm ihr Vorhaben mit.

„Ich habe heute nichts weiter vor. Wenn Sie wollen, begleite ich Sie beim Einkauf. Ich meine nur, denn sie sollten noch nicht zu schwer heben“, bot er ihr an.

„Nein, danke! Das ist nicht nötig. So viel werde ich nicht einkaufen“, lehnte sie sein Angebot ab, was er sich bereits gedacht hatte, dass sie das tun würde. Aber vielleicht überlegte sie es sich ja noch.

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9.

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Als sie vor dem Haus ankamen, in dem Liza wohnte, fand Enzo mit Mühe einen Parkplatz. Mit einem unguten Gefühl schaute er auf den hohen Block, der einen neuen Anstrich nötig hatte. Die Wände waren mit Graffiti verunstaltet. Um das Gebäude war, so weit er sehen konnte, alles sauber. Auch ein Spielplatz befand sich vor dem Hochhaus, um den man sich aber auch kümmern sollte, denn die Farben der Geräte waren verblasst. Teilweise war der Rost an den Eisenstangen sichtbar.

Liza hatte ihn beobachtet und meinte etwas pikiert: „So schlimm wie es aussieht, ist es hier nicht. Die Wohnungen sind gut und die Miete erschwinglich. Was drumherum ist, kann man akzeptieren, wenn man nicht zu hohe Ansprüche stellt. Mein Geld wollte ich nicht sinnlos verschwenden, denn ein Studium ist nicht gratis.“

„Sie haben recht. Ich bin in einer anderen Umgebung aufgewachsen und sollte mir darum kein Urteil erlauben“, entschuldigte er sich.

Liza winkte ab.

„Schon gut. Und - danke fürs Bringen.“

„Soll ich nicht noch mitkommen? Wie wollen Sie überhaupt in Ihre Wohnung kommen?“

„Der Hauswart hat einen Universalschlüssel. Ich hoffe, dass er zu Hause ist“, sagte sie. Und dann: „Ja, wenn Sie so nett wären. Ich gebe zu, dass ich mich etwas unsicher fühle.“

Es war Angst, die Liza hatte. Sie hatte Angst davor, dass Jamie in ihrer Wohnung sein könnte. Er hatte garantiert noch ihren Schlüssel. Jederzeit war es ihm möglich, ihre Wohnung zu betreten.

Scharf atmete sie ein und schloss die Augen, als ihr das mehr als bewusst wurde. Doch was sollte sie tun? Ein neues Schloss musste her - sofort!

„Kommen Sie, Liza!“, forderte Enzo sie ruhig auf.

Zögernd setzte sich Liza in Bewegung. Enzo fasste an ihren Ellenbogen und hoffte, dass sie ihn nicht abschütteln wurde. Er wollte ihr mit dieser Geste nur zeigen, dass sie nicht allein war und er ihr Beistand ist.

Er betätigte den Klingelknopf neben der Tür, wo das Schild „Hauswart“ hing. Nach einem zweiten Läuten waren endlich schlurfende Schritte zu hören. Sie hatten den Mann wohl bei seinem Mittagsschlaf gestört.

So sah er auch aus, als er die Tür öffnete.

„Was ist denn?“, fragte er brummig.

„Guten Tag!“, grüßte Liza. „Ich wollte Sie bitten, mir meine Wohnung zu öffnen.“

„Warum das denn? Haben Sie etwa Ihre Schlüssel verbummelt?“ Ihm war deutlich anzusehen, dass es ihm gerade nicht passte, sich um Lizas Problem zu kümmern. Sein Mittagsschlaf war ihm wichtiger.

„So in etwa?“, murmelte sie.

„Name! Und welche Wohnung?“, knurrte er ärgerlich. Doch es gehörte zu seinem Job. Dafür wurde er bezahlt. Also drehte er sich um, als Liza ihm die Information gab, um sein Schlüsselbund zu holen.

Mit dem Fahrstuhl fuhren sie in das Stockwerk, in dem sich Lizas Wohnung befand.

„Vor zwei Wochen hab ich mehrere Beschwerden bekommen - wegen Ruhestörung. Da haben Sie zu laut gefeiert, und einige Ihrer Freunde hatten wohl etwas zu viel getrunken und wussten nicht wohin mit ihrer Kraft. Die Leute um Sie rum hatten gemeint, dass da auch was zu Bruch gegangen ist. Bei weiteren Beschwerden dieser Art kann Ihnen gekündigt werden, junge Dame. Also halten Sie sich an die Regel!“, teilte der Hauswart ihr in einem Ton mit, als wäre er der Besitzer dieses Gebäudes.

Liza jedoch sah ihn entsetzt an.

„Was sagen Sie da? Vor zwei Wochen? In meiner Wohnung? Da muss ein Irrtum vorliegen. Ich bin schon über einen Monat nicht mehr dort gewesen.“

Der Hauswart bekam einen roten Kopf von dem Gehörten und sprach seinen Verdacht sofort in einem gefährlich leisen Ton aus: „Wie bitte? Haben Sie etwa die Wohnung untervermietet? Ohne zu fragen? Das wird ...“

„Ich habe an niemanden etwas vermietet“, verteidigte sich Liza schwach. „Da muss ein Irrtum vorliegen.“

„Kein Irrtum! Wenn fünf Parteien sich fast zur gleichen Zeit über den Lärm aufregen, der da bei Ihnen stattgefunden hat, dann ist das kein Irrtum, sondern ein Fakt, junge Frau!“

Nun wurde es Enzo zu bunt.

„Hören Sie, Mann! Die Frau hat über einen Monat im Krankenhaus gelegen. Sie kann nicht hier gewesen sein. Dafür verbürge ich mich, denn ich bin ihr behandelnder Arzt. Haben Sie sich denn persönlich um den Lärm gekümmert?“, fragte er und sah den älteren Mann an, der eine Halbglatze hatte und einen Bauchansatz, der etwas durch seine abgetragene Weste lugte. Enzo schätzte sein Alter um die Fünfzig.

„Na klar! Als ich ankam, war wieder Ruhe“, antwortete der.

Dann standen sie schon vor Lizas Wohnung. Der Hauswart schloss diese auf und öffnete für Liza die Tür. Enzo schob Liza beiseite, denn nach der Erzählung des Hauswarts war ein Verdacht in ihm hochgekommen.

„Lassen Sie mich vorgehen!“

Sie nickte kurz, denn auch sie hatte sich in ihrer Angst Schlimmes ausgemalt.

Mit einem Blick erfasste Enzo, was hier passiert war, als er die Wohnung betrat. Hier hatte jemand ganze Arbeit geleistet. Nichts hatte der heil gelassen. Tische, Stühle, Schränke - sämtliche Möbel waren zerstört worden. Das Geschirr lag in Scherben auf dem Boden. Kleidungsstücke lagen in Fetzen überall herum. Die Wände waren mit verschiedenen Farben beschmiert worden.

Enzo wollte Liza aufhalten, die Wohnung zu betreten, doch da stand sie schon neben ihn.

Stumm, mit Tränen in den Augen, stand sie dann mitten in dem Chaos.

Der Hauswart trat ebenfalls ein. Als er das Ausmaß der Verwüstung sah, fing er laut an zu schimpfen.

„Was für Vandalen haben Sie in Ihre Wohnung gelassen? Das zu renovieren wird Sie einiges kosten, junge Frau? Ich werde dies hier dem Vermieter mitteilen. Stellen Sie sich schon mal auf eine Kündigung ein und suchen sich `ne neue Bleibe!“

Enzo trat auf den Mann zu und wies ihn im harten Ton zurecht.

„Halten Sie den Mund! Diese junge Frau hat Schlimmes erlebt und lag darum lange in der Klinik. Sie hat mit dem Ganzen hier nichts zu tun. Ihre Schlüssel sind ihr entwendet worden. Das bedeutet, dass hier jemand anderer randaliert hat. Und jetzt rufen Sie die Polizei, damit die das hier aufnimmt und untersucht!“

Der Hauswart schnappte sichtlich nach Luft, weil ihm der Ton seines Gegenübers nicht gefiel. Wie konnte dieser Kerl ihm Vorschriften machen?

Doch Enzo ließ den Mann nicht noch einmal zu Wort kommen.

„Jetzt! Machen Sie schon! Kommen Sie gefälligst Ihren Pflichten nach! Oder soll ich mich darum kümmern und Ihrem Arbeitgeber entsprechend Bericht erstatten?“

Wütend blitzten die Augen des Hauswarts Enzo an, doch er verkniff sich jeden weiteren Kommentar. Er machte auf den Hacken kehrt und verschwand aus der Wohnung, um das zu tun, was Enzo von ihm verlangt hatte.

Enzo ging zu Liza, die immer noch an der selben Stelle stand und fassungslos auf ihr zerstörtes Eigentum schaute.

„Liza ...“ Er wollte ihr so gern etwas Tröstendes sagen, aber es fiel ihm nichts Gescheites ein. Sie achtete auch nicht auf ihn. Es schien, als hätte sie vergessen, dass er überhaupt hier war. Langsam setzte sie sich in Bewegung und ging in Richtung ihres Schlafzimmers. Enzo sah ihr dabei über die Schulter. Auch dort sah es nicht besser aus, wie er feststellen musste.

Liza drehte sich langsam im Kreis, bis ihr Blick stoppte. Enzo sah, dass ihr plötzlich sämtliche Farbe aus dem Gesicht wich und ihre Knie einknickten. Er schaffte es gerade noch so, sie aufzufangen, damit sie nicht auf den Boden aufschlug. Mit ihr auf seinen Armen drehte er sich so, dass er sehen konnte, was sie so erschreckt hat. Mit roter Farbe hatte einer ihrer Peiniger etwas an die Wand geschmiert.

Du dreckige Schlampe! Du bist tot! J.

Enzo trug Liza aus der Wohnung und legte sie auf seinen Mantel ab. Er hob ihre Beine an, damit der Kreislauf wieder in Schwung kam. Es dauerte auch nicht lange, da kam sie wieder zu sich. Liza ließ es sich gefallen, dass er sie zu sich heranzog und sie in seinem Arm hielt. Seine Nähe war ein kleiner Trost für sie. An seiner Brust weinte sie still, was er geschehen ließ.

Nach einer Weile schniefte sie verzweifelt.

„Alles ist kaputt. Nichts hat er mir gelassen. Meinen Schmuck hat er auch geklaut. Es waren Andenken an meine Mutter. Was soll ich nur machen? Ich kann doch nicht auf der Straße schlafen.“

Das hätte Enzo nie zugelassen und hatte selbst darüber nachgedacht. Ein Hotel oder eine Pension schloss er für sie aus. Kein Papiere - kein Zimmer! Sein Entschluss stand fest.

„Sie werden nicht auf der Straße nächtigen. Sie kommen mit mir. Ich habe ein großes Haus außerhalb der Stadt.“

Als Liza das hörte, versteifte sie sich und drückte sich von ihm weg.

„Nein. Das geht nicht. Auf keinen Fall!“, entrüstete sie sich.

„Es gibt aber keine Alternative. Sie haben kein Geld und keine Papiere. Man wird Ihnen kein Zimmer vermieten“, versuchte er ihr klarzumachen.

„Dann besorgen Sie mir bitte eins. Das Geld bekommen Sie von mir wieder“, verlangte sie.

In diesem Moment traf die Polizei ein. Der Hauswart begleitete die zwei Beamten, die sich als Erstes die Verwüstung besahen. Doch dann verschwand er wieder. Einer der Beamten rief die Spurensicherung an, damit die ihre Arbeit hier machten. Liza musste noch einige Fragen beantworten, und bekam die Aufgabe, eine Liste zu erstellen, was alles zerstört worden ist und man ihr gestohlen hatte. Wenn man noch etwas Brauchbares finden sollte, würde man es ihr übergeben. Unterdessen trafen die Leute von der Spurensicherung ein, die sich sofort an die Arbeit machten. Liza hatte von der Polizistin, die sich mit ihr im Krankenhaus unterhalten hatte, eine Visitenkarte bekommen, auf der ihr Name und ein Aktenzeichen versehen war. Diese Karte zeigte sie einen der Beamten, der sich alles notierte.

Als er dann fragte, ob sie schon wüsste, wo sie jetzt unterkommen könnte, mischte sich Enzo ein. „Ich habe Frau Durand angeboten, das Gästezimmer in meinem Haus zu beziehen, so lange es notwendig ist.“

Aber Liza schüttelte den Kopf. Es war ihr unangenehm. Er war ihr Arzt. Da konnte sie doch nicht bei ihm wohnen. Unmöglich!

„Das wäre eine gute Idee. Nachdem, was ich gelesen habe, was da an der Wand steht, halte ich das für eine ernstzunehmende Drohung. Das hier hat ihm noch nicht gereicht. Sie sollten die Einladung Ihres Arztes annehmen. Es geht um Ihre Sicherheit. Hier können sie ja nicht bleiben“, stimmte der Beamte Enzo zu.

Liza stöhnte genervt auf. Etwas sagte ihr, dass beide recht hatten. Doch sie konnte sich noch nicht mit der Vorstellung anfreunden, mit Dr. Lambert unter einem Dach zu wohnen. Und - warum bemühte er sich nur so sehr? Wieder fielen ihr Claudias Worte ein: Der ist in dich verknallt.

Nein, das konnte nicht sein. Also schüttelte sie diesen Gedanken von sich ab.

Sie gab sich geschlagen und stimmte zu.

„Also gut. Aber nur so lange, bis ich was Neues gefunden habe.“

Erleichtert atmete Enzo auf und - es machte sich ein Glücksgefühl in ihm breit. Sein Wunsch, sie in seiner Nähe zu haben, hatte sich soeben erfüllt. Er gab dem Beamten seine Adresse, damit sie sich bei weiteren anstehenden Fragen oder Informationen dort hinwenden konnten. Danach führte er Liza zu seinem Wagen und ließ sie einsteigen.

Als er den Wagen startete, fragte sie: „Wäre es möglich, dass wir zur Bank fahren?“

„Selbstverständlich. Welche?“

Liza nannte sie ihm. Er fuhr mit ihr dahin und begleitete sie.

Dort erlebte Liza den nächsten Schock, als die Bankangestellte ihr mitteilte, dass das Konto weit überzogen war und keine Aufträge mehr hinausgingen. Sie gab ihr die Kontoauszüge, auf denen ersichtlich war, dass mit der Geldkarte ihr ganzes Gespartes und darüber hinaus an mehreren Automaten der Stadt abgeholt worden war.

Liza ließ das Konto sperren und sofort ein neues einrichten. Ihre Legitimation wollte sie so schnell wie möglich nachreichen, wenn sie ihren neuen Ausweis erhielt.

Als das erledigt war, sah Enzo, wie sie in sich zusammenfiel. Er spürte, dass ihre Kraft verbraucht war und griff ihr unter den Arm, um ihr Halt zu geben. Wie traumatisiert verließ sie, von ihm gestützt, das Bankgebäude. Er schob sie auf den Beifahrersitz und machte sich auf den Weg zu sich nach Hause.

Liza sprach kein Wort, denn sie war am Boden zerstört. Ihre Wohnung verwüstet, eine Morddrohung und das gestohlene Geld - das verkraftete sie nicht. Alles war weg. Nichts, rein gar nichts war ihr geblieben. Ihr ganzes Leben schien ihr mit einem Mal sinnlos. Warum nur, warum war sie nicht im Wald gestorben? Dann wäre ihr das alles erspart geblieben.

Hoffnungslos schaute sie in ihre Zukunft. Ihr Studium konnte sie vergessen. Das Gesparte dafür war weg. Einen Mann würde sie auch nicht lieben können, wenn er erfuhr, was man mit ihr gemacht hatte.

Enzo warf ihr während der Fahrt immer wieder einen prüfenden Blick zu. Ihm gefiel nicht, wie sie so ruhig und in sich gekehrt dasaß. Neben ihm saß eine Frau, die keinen Sinn mehr in ihrem Leben sah. Das nahm er deutlich wahr.

„Liza, ich weiß, das waren gerade schicksalsschwere Stunden für Sie. Doch bitte, verzagen Sie nicht. Es wird alles wieder gut werden“, redete er sanft auf sie ein und hoffte, dass seine Worte sie auch erreichten. „Die das getan haben, wird man finden und entsprechend bestrafen. Ich habe gehört, dass sie gut versichert sind. Sie werden alles ersetzt bekommen ...“

„Hören sie auf! Bitte, hören Sie auf!“, unterbrach sie ihn schluchzend. „Nichts wird gut werden, gar nichts!“, begehrte sie auf. „Ich steh vor dem Nichts. Ich trage nicht einmal meine eigenen Sachen. Ich hab keine Wohnung mehr, keinen Cent mehr auf der Bank. Ich hab gar nichts ... und ich ... ich bin ... ich bin beschmutzt. Ich wollte, ich wäre tot.“

Erschrocken warf er ihr einen Blick zu.

„Bitte sagen Sie so etwas nicht. Es gibt immer einen Weg.“ Er zeigte auf das Handschuhfach, das sie daraufhin öffnete. Dort lagen Taschentücher, von denen sie sich eins nahm.

„Ich glaube nicht daran“, flüsterte sie mehr.

„Sie dürfen nicht aufgeben. Sie müssen kämpfen. Sie sind doch eine starke Frau“, entgegnete Enzo, innerlich aufgewühlt.

„Das war ich mal. Ich bin nur noch eine leere Hülle“, widersprach sie ihm.

Missbilligend schüttelte er den Kopf.

„Das kann und werde ich nicht akzeptieren, Liza. Ich verspreche Ihnen, dass sie in kurzer Zeit wieder lachen können.“

Sie winkte ab und schaute den Rest der Fahrt aus dem Fenster, ohne jedoch etwas wahrzunehmen.

Enzo schwieg ebenfalls. Er grübelte, wie er es schaffen könnte, sie aus ihrem seelischen Tief zu holen. Er musste sich etwas einfallen lassen.

Liza zeigte selbst dann keine Reaktion, als er auf sein Grundstück fuhr und vor dem Haus hielt. Er hielt ihr die Beifahrertür auf, und sie stieg teilnahmslos aus, schaute sich nicht um, auch nicht, als sie das Haus betraten.

Enzo leitete sie ins Wohnzimmer, dort zu einem Sessel und drückte sie auf den Sitz.

„Meine Haushälterin hat mir bestimmt etwas zu essen in den Kühlschrank gestellt. Und es wird reichlich sein“, sagte er zu ihr. „Bin gleich wieder da.“

Er eilte in die Küche. Und richtig, im Kühlschrank stand eine Platte, auf der mehrere Stücke gebratene Geflügelbrust und gedünstetes Gemüse lagen. Er schob die Platte in die Mikrowelle und stellte die an. Dann steckte er noch ein paar Toastscheiben in den Toaster. Als alles soweit fertig war, stellte er das Ganze auf den Tisch, dazu Gläser für das Mineralwasser. Ein Blick darauf sagte ihm, dass das reichen musste. Daraufhin begab er sich in Wohnzimmer, um Liza zu holen. Etwas überrascht stellte er fest, dass sie nicht mehr im Sessel saß. Sie stand an der Glastür, die zur Terrasse hinausführte.

„Sie haben es schön hier“, hörte er sie sagen. Also hatte sie es mitbekommen, dass er das Zimmer betreten hatte.

„Danke, wenn Sie Lust haben, zeige ich Ihnen nach dem Essen das Anwesen“, schlug er ihr vor. Liza nickte und drehte sich zu ihm.

„Ich versteh immer noch nicht, warum Sie mir helfen. Sagen Sie mir ehrlich, was der Grund ist!“

Etwas überrumpelt stand er mitten im Zimmer. Dass sie ihn mit dieser Forderung konfrontierte, damit hatte er nun gar nicht gerechnet. Enzo atmete tief ein und stieß die Luft langsam wieder aus. Er brauchte ein paar Augenblicke, um nachzudenken.

„Der Grund ist ein ganz einfacher, Liza. Ich mag sie. Das müssen sie doch mittlerweile herausgefunden haben“, sagte er dann im ruhigen Ton und beobachtete sie dabei.

Wieder nickte sie leicht.

„Also hat Claudia doch nicht gesponnen ...“, murmelte sie, was er trotzdem verstand. Doch dazu wollte er lieber nichts sagen.

Liza ging zu ihm und blieb kurz vor ihm stehen. Sie musste zu ihm hochsehen, denn er war einen Kopf größer wie sie.

„Wie stellen Sie sich das vor, Dr. Lambert? Denken Sie etwa, dass ich das so einfach vergessen kann? Haben Sie in Ihrem Arztkoffer eine Pille für mich, damit ich das kann? Ich bin auch nicht eine von ihren Patienten, die Sie in Ihrem OP wieder herrichten können.“

„Liza, ich habe Zeit und viel Geduld. Mein Versprechen bleibt bestehen. Ich werde Ihnen in jeder Hinsicht helfen, das alles hinter sich zu lassen“, entgegnete er.

Ja, er meinte es wirklich ernst. Das konnte sie in seinen Augen lesen. Aber sie gab sich mit ihm keine Chance. Wie konnte er nur etwas für sie empfinden? Er wusste doch, was man mit ihr gemacht hatte. Liza nahm sich vor, so schnell wie möglich eine neue Wohnung für sich zu finden. Hier wollte sie nicht bleiben.

Nach dem Essen, bei dem Liza merkte, dass sie doch hungrig war, führte Enzo sie durch sein Haus und später nach draußen. Sie staunte über die Größe und über die Anzahl der Zimmer.

„Und Sie wohnen ganz allein hier? Warum?“

„Na, seit heute wohne ich nicht allein hier“, meinte er dazu. „Ich habe mit Absicht ein größeres Haus gewollt, denn ich wollte nicht für immer hier allein leben.“

Als sie nach draußen gingen und er sie dort herumführte, war sie überwältigt von dem was sie sah. Der Rasen war gepflegt und es gab einen Swimmingpool hinter der Terrasse. Der Clou für sie kam aber noch. Das Grundstück schloss an einen See an. Dort befand sich ein Steg, wo ein Ruderboot befestigt war.

„Wie können Sie sich das hier nur leisten? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr Gehalt so hoch ist, um das hier finanzieren zu können. Entweder sind Sie nun hoch verschuldet oder haben im Lotto gewonnen“, meinte sie im ironischen Ton.

Enzo lachte leise, denn er hatte sie bei seiner Führung genau beobachtet. Es gefiel ihr hier, was er geschaffen hatte. Bei vielen Dingen hatte er sogar selbst mit Hand angelegt, weil es ihm Spaß machte.

„Nichts von dem. Ich hab auch keine Bank ausgeraubt.“

„Haben Sie nicht. Gut. Dann wird die Polizei hier ja nicht Ihretwegen aufkreuzen, um Sie einzubuchten.“

Lachend schüttelte er den Kopf.

„Was denken Sie nur von mir? Ich bin ein unbescholtener Mann, der sich ein Heim geschaffen hat. Ist zwar noch nicht vollständig, aber daran arbeite ich.“

„Was? Was wollen Sie denn noch? Einen Landeplatz für Ihren eigenen Hubschrauber?“, fragte sie mit einer gewissen Ablehnung in der Stimme, denn in diesem Moment traute sie ihm das zu.

„Nein, das nicht. Das wäre zu viel des Guten. Aber eine Frau und vielleicht zwei oder auch drei Kinder. Das ist mein Wunsch“, verriet er ihr.

In diesem Moment sah Liza bekümmert aus. Nicht mit mir, dachte sie. Das wird nie etwas.

Enzo bemerkte natürlich ihren Umschwung und wechselte das Thema wieder in eine andere Richtung.

„Sie fragten, wie ich das hier finanziere. Ganz einfach. Meine Großeltern haben mir eine große Summe vererbt. Meine Eltern haben das Unternehmen der Großeltern übernommen, als sie es nicht mehr wollten. Mein Bruder arbeitet dort auch und wird das Ganze übernehmen. Ich habe keine Ambitionen, dort mitzuarbeiten. Der Arztberuf hat mich schon als kleiner Junge interessiert. Alles, was ich gesehen habe, lesen und verstehen konnte, habe ich verschlungen. Meine Eltern standen meiner Berufswahl auch nicht entgegen. So, nun wissen Sie auch schon etwas über mich.“

Dann wies er auf die Terrasse.

„Ich schlage vor, dass wir uns noch etwas auf die Terrasse setzen und den schönen Abend genießen. Trinken Sie mit mir ein Glas Wein?“

„Wenn der gut ist?“, meinte sie schmunzelnd.

„Sagen Sie es mir, wenn Sie ihn probiert haben!“ Er wartete, bis sich Liza gesetzt hatte. Dann verschwand er ins Haus. Mit einer Flasche Rotwein und zwei Gläsern kam er wieder.

Als er die Gläser gefüllt hatte, reichte er Liza eins.

„Auf was wollen wir anstoßen?“

„Weiß nicht“, antwortete sie.

„Hm, auf eine unbeschwerte Zukunft. Was meinen Sie?“

Liza überlegte einen Augenblick, nickte dann zustimmend.

„Ja, trinken wir auf die Zukunft.“

Während Liza die Ruhe genoss und an ihrem Glas nippte, war Enzo in Überlegungen vertieft, die er ihr nach einer Weile mitteilte.

„Ich werde mir ein paar Tage freinehmen und Sie bei Ihren notwendigen Gängen begleiten.“

„Wieso das denn? Denken Sie etwa, dass ich das nicht allein schaffe? Oder dass ich hier was kaputtmache?“, fragte sie ablehnend.

„Bitte - verstehen Sie mich nicht falsch. Natürlich schaffen Sie das allein, schließlich sind Sie erwachsen und eine selbständige Frau. Aber soweit mir bekannt ist, besitzen Sie keinen Führerschein. Denn wenn Sie einen hätten, dann hätten Sie mit meinem Zweitwagen fahren können ...“

„Wie bitte! Sie hätten mir ihr Auto überlassen? Einfach so?“, fragte sie, überrascht von seiner Freizügigkeit.

„Warum nicht? Ist nur ein Auto“, erwiderte er und zuckte mit der Schulter.

„Wenn der Herr meinen ...“, murmelte sie.

„Ich denke, dass es besser ist, wenn ich Sie begleite. Ich will nicht, dass Ihnen noch etwas passiert“, redete er weiter, ohne auf ihre zynische Bemerkung zu achten.

„Sie wollen meinen Bodyguard spielen. Ist das nicht etwas übertrieben?“ Es war ihr unangenehm, dass er sich so viele Gedanken machte, obwohl sie ihm dankbar war, dass er sich so um sie kümmerte und nicht behandelte wie eine Aussätzige.

„Nein! So lange die Verbrecher noch auf freiem Fuß sind, trau ich denen nicht über den Weg. Ich muss Sie doch nicht an die Schmiererei an Ihrer Wand im Schlafzimmer erinnern, denn das ist eindeutig eine Drohung, die jemand wahrmachen will“, sagte er nun im harten Ton.

In diesem Punkt musste Liza ihm zustimmen. Anders hatte sie es auch nicht aufgefasst, und die Angst steckte tief in ihr, dass plötzlich einer von denen vor ihr stehen würde.

„Außerdem müssen Sie sich was zum Anziehen kaufen“, hörte sie ihn sagen.

„Sie wissen schon, dass ich keinen Cent mehr besitze“, schnappte sie.

„Darin sehe ich kein Problem. Wir gehen morgen shoppen und erledigen alles Nötige“, erklärte er.

„Aber ich sehe da ein Problem. Es geht nicht, dass Sie Ihr Geld für mich ausgeben. So funktioniert das nicht.“

„Wie dann? Sie können doch nicht tagelang die gleichen Klamotten tragen, bis endlich etwas Geld auf Ihrem Konto eingegangen ist“, entgegnete Enzo und rümpfte die Nase.

„Das hatte ich auch nicht vor. Claudia hätte mir bestimmt was geborgt“, widersprach sie seiner Vorstellung, dass sie immerzu mit den gleichen Sachen rumlaufen würde.

„Na ja, Schwester Claudia hat eigentlich in der letzten Zeit genug Gesprächsstoff bekommen. Wollen Sie sie noch weiter füttern?“

Auch hier musste sie ihm zustimmen. Claudia war das reinste Nachrichtenbüro im Krankenhaus.

Liza seufzte auf. „Okay, dann machen wir es so. Aber Sie bekommen jeden Cent von mir wieder.“

Wir werden sehen, dachte Enzo.

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10.

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Noch am gleichen Abend telefonierte er mit Dr. Bernard. Der sollte seine morgigen OPs übernehmen. Erfreut stimmte dieser zu, denn die meisten Operationen führte Dr. Lambert durch. Nun bekam er seine Chance, gleich mehrere selbst durchzuführen, auch wenn es keine besonders schwierigen waren. Dr. Lambert gab ihm noch ein paar wichtige Hinweise, die Dr. Bernard versprach zu beachten.

Zufrieden ging Enzo ins Bad, um zu duschen.

Liza war schon vor einer Weile in ihr Gästezimmer gegangen, hatte auch geduscht und Zähne geputzt. Dann war sie unter die Decke geschlüpft und versuchte einzuschlafen. Doch zu viele Dinge schossen ihr durch den Kopf, so dass sie nicht zur Ruhe kam.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Flures lag Enzo in seinem Bett und starrte im Dunkel an die Decke. Er freute sich auf den morgigen Tag und schwor sich, dass er dafür sorgen wollte, dass Liza hier nie wieder weg wollte. Er wollte diese schöne Frau unbedingt für sich gewinnen. Für ihn war sie perfekt. Schlank, wohlgeformt, strahlend blaue Augen, ein paar Sommersprossen auf der Stupsnase, blondes mittellanges Haar. Und klug war sie obendrein.

Mit diesen Gedanken schlief er ein.

Enzo wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte, denn etwas hatte ihn geweckt. Jemand schrie um Hilfe. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er begriff, dass es Liza war, die schrie.

Schnell bewegte er sich aus seinem Bett und lief zu ihr ins Zimmer. Dort schaltete er das Licht an. Sofort erkannte er, dass sie wieder einen Alptraum hatte. Nicht einmal das Licht konnte ihn unterbrechen.

Mit wenigen Schritten stand er an ihrem Bett, setzte sich auf die Kante und griff nach ihren Armen, die sie um sich schlug.

„Liza, wach auf! Du träumst“, redete er laut und ruhig auf sie ein. Dabei drückte er langsam, aber mit Nachdruck, ihre Arme herunter. Allmählich beruhigte sich ihr heftiger Atem wieder, und sie schlug die Augen auf.

„War es wieder derselbe Traum?“, fragte Enzo.

Liza nickte verstört. „Immer wieder träume ich das. Immer wieder ... Es ist so grässlich ... Wann hört das endlich auf?“ Mit Tränen in den Augen sah sie ihn an, als erhoffte sie sich von ihm eine Antwort. Doch er hatte keine, die ihr gefiel. Trotzdem wiederholte es seine Theorie.

„Du musst mit jemandem darüber reden, was und wie sich alles zugetragen hat.“

„Das ... das kann ich nicht“, antwortete sie stockend.

„Vielleicht jetzt noch nicht. Aber vielleicht morgen ...“, sagte er und stand auf.

Erst jetzt fiel ihr Blick auf seinen Körper, und sie stellte fest, dass er nur mit einer Pyjamahose bekleidet war, die im tief auf den Hüften saß. Jeden einzelnen Muskel könnte sie ausmachen. Kein Gramm Fett war zusehen. Ihr gefiel, was sie sah.

Etwas Merkwürdiges geschah gerade. Etwas, das sie nicht mehr für möglich gehalten hatte. Ein sehnsüchtiges Ziehen machte sich in ihrem Unterleib bemerkbar, das sich bei seinem Anblick noch verstärkte. Staunend biss sie sich auf die Unterlippe und schloss für einen Moment die Augen. Das musste sie jetzt erst einmal verarbeiten, und Hoffnung machte sich in ihr breit. Sollte doch noch alles gut werden? So, wie es Dr. Lambert ihr prophezeit hat. Hm, und hatte er sie nicht gerade geduzt?

Etwas verlegen öffnete sie wieder ihre Augen und schaute zu Enzo, der noch abwartend im Zimmer stand.

„Geht es wieder?“, fragte er sanft.

„Ja, ich denke, dass wie beide jetzt ruhig weiterschlafen können. Entschuldigung, dass ich Sie geweckt habe mit meinem Geschrei.“

Enzo winkte ab. „Liza, mein Name ist Enzo. Bitte - kein Sie mehr. Schlaf gut!“

Dann drehte er sich um und verließ ihr Zimmer, um in seins zu gehen. Dort ließ er sich auf sein Bett fallen. Ein Lächeln stahl sich in sein Gesicht. Ihm war nicht entgangen, wie sie ihn gemustert hatte. Es schien ihr gefallen zu haben, was sie sah. Er konnte beobachten, wie sie kurz den Atem anhielt und dieser dann flacher wurde. Ihre rechte Hand hatte sich dabei etwas abwärts bewegt, und ihre Augen hielt sie geschlossen. Der Biss auf ihre Unterlippe war ein weiterer Beweis. Auch ihr überraschter Blick über ihre Empfindungen, die sie verloren zu haben glaubte, war ihm nicht entgangen.

Zufrieden schlief er wieder ein. Erst der Wecker riss ihn am Morgen aus dem Schlaf.

Wie gewöhnlich, wenn es seine Arbeit zuließ, ging er morgens in dieser Jahreszeit schwimmen. Sonst joggte er oder spielte mit seinen Gewichten, die sich auch in seinem Haus befanden.

Als er seine Zeit abgeschwommen hatte, stieg er aus dem Wasser und wickelte sich das Handtuch um die Hüften. Dann ging er zum Haus. Als er über die Terrasse das Wohnzimmer betreten wollte, kam ihm Liza mit einem Tablett entgegen. Er trat zurück, damit sie vorbeigehen konnte. Es roch appetitlich und - er verspürte Hunger.

Liza stellte das Tablett auf den Tisch und drehte sich zu ihm um.

„Ähm, ich habe mich in der Küche umgesehen und uns Frühstück gemacht. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen.“

Enzo ging auf sie zu und blieb dicht vor ihr stehen. Ihr war wohlbewusst, dass er nur mit einem Handtuch um den Hüften vor ihr stand. Und das sehr nah. Sie schluckte, weil sich erneut das Ziehen in ihrem Unterleib einstellte. Dazu kam, dass sich der Wunsch in ihr breit machte, ihre Hände auf seine nackte muskulöse Brust zu legen, um zu erfahren, wie er sich anfühlt. Um sich abzulenken, beobachtete sie, wie Wassertropfen sich ihre Bahn von seiner Schulter über die Brust bis zum Bauch zogen. Doch das war auch nicht unbedingt hilfreich.

„Ich dachte, dass wir das heute Nacht mit unserer Anrede geklärt haben“, tadelte er sie.

„Haben wir das?“, fragte sie spitz und wandte sich schnell ab. „Wir sollten jetzt frühstücken, sonst wird es kalt. Ich hole noch den Kaffee.“

„Dann werde ich mich schnell anziehen“, entgegnete er und ging ins Haus.

Liza atmete tief ein, um sich zu sammeln und lief in die Küche. Enzo beeilte sich mit dem Anziehen. Liza hatte unterdessen den Tisch gedeckt und Kaffee eingegossen. Sie saß bereits am Tisch und wartete auf ihn, als er zurückkam.

„Wow! Rührei und Bacon. Das hab ich schon ewig nicht mehr gegessen“, schwärmte er.

Liza schmunzelte, als sie sah, wie er mit Genuss ihr gemachtes Frühstück verputzte.

Was das idyllische Essen für sie schmälerte, war, dass sie die gleichen Sachen von gestern trug. Sie fühlte sich unwohl darin.

Enzo half ihr beim Abräumen des Geschirrs, als sie fertig waren. Danach fuhren sie in die Stadt.

Zuerst besuchten sie ein Kaufhaus. Dort verlangte Enzo von ihr, sich mehrere Kleidungsstücke und Unterwäsche auszusuchen. Widerwillig machte sich Liza auf die Suche nach günstigen Sachen, was er mit einem missbilligen Blick quittierte. So reichte er ihr mal eine Jeans, mal eine Bluse oder ein anderes Kleidungsstück, das ihm zusagte. Das wiederum brachte ihm einen missbilligen Blick ein. Schuhe benötigte sie auch, und das wurde schon schwieriger, denn Enzo schüttelte energisch den Kopf, als sie sich ein Paar aus Kunstleder aussuchte. Schließlich gab sie nach und nahm die, die er für sie aussuchte.

Als sie alle notwendigen Gänge hinter sich gebracht hatten, fuhr Enzo mit ihr noch zum Krankenhaus. Dort hatte er für seine Person einiges zu klären. Er reichte seinen Urlaub für eine Woche ein, was Mister Geiz auf die Palme brachte, als er das hörte.

„Wie stellen Sie sich das vor? Sie sind voll eingeplant. Von heute auf morgen einfach mal ein paar Tage Urlaub nehmen, das klappt nicht. Das bringt die ganze Organisation durcheinander“, keifte er.

„Regen Sie sich ab! Seit wann sind Sie für den Einsatzplan verantwortlich?“, konterte Dr. Lambert und ließ den Meckerer stehen. Liza war unterdessen ins Personalbüro gegangen und hatte dort ihre neue Kontonummer hinterlegt.

Beide trafen sich auf dem Flur und verließen gemeinsam das Krankenhaus. Natürlich nicht unbeobachtet, was sofort die Runde machte.

Am späten Nachmittag kamen sie erst wieder bei Enzo`s Zuhause an. Zuvor hatte er noch vor einem Restaurant angehalten, wo sie beide aßen.

Liza ließ sich von ihm einen Block und Stift geben, denn nun wollte sie eine Liste aufstellen, von dem, was alles in ihrer Wohnung zerstört worden war, und was man ihr gestohlen hatte.

Enzo hatte sich zurückgezogen. Er saß auf der Terrasse und las in einer Fachzeitschrift, in der es um Neurochirurgie ging.

Nach einer guten Stunde legte sie den Stift beiseite. Ihr fiel nichts mehr ein. Sie wollte sich die Liste am nächsten Tag noch einmal ansehen. Jetzt war sie zu erschöpft und frustriert, weiter darüber nachzudenken. Sie ging auf ihr Zimmer und packte den Einkauf aus, um alles in den Schrank zu verstauen. Dabei fiel ihr ein Bikini in die Hände. Stirnrunzelnd betrachtete sie die beiden roten Teile. Sie wusste genau, dass sie den nicht ausgesucht hatte, ja, nicht einmal daran gedacht hatte, sich einen zuzulegen.

Als alles verstaut war, entledigte sie sich der Sachen, die Claudia ihr gegeben hatte und huschte unter die Dusche. Dann zog sich sie sich ein Sommerkleid an, das Enzo für sie ausgesucht hatte. Es war hübsch und passte zu ihr.

Jetzt fühlte sie sich auch wohler in ihrer Haut und gesellte sich zu Enzo, der die Zeitschrift beiseite gelegt hatte. Mit lang ausgestreckten Beinen lehnte er in seinem Korbsessel und warf ihr einen Blick zu.

„Hübsch! Das Kleid steht dir“, machte er ihr zum Kompliment. „Möchtest du etwas trinken?“

„Nur Mineralwasser, bitte.“

Sofort erhob er sich und brachte das Gewünschte. Er erkundigte sich, ob sie mit der Liste fertig war.

„Ich bin mir nicht sicher. Gut, so viel besaß ich ja nicht. Zur Sicherheit werde ich morgen noch einmal darüber nachdenken“, antwortete sie ihm.

Am nächsten Tag erschien kurz vor dem Mittag die Polizei. Sie wollten mit Enzo reden und hatten zuerst im Krankenhaus nach ihm gefragt. Doch dort erhielten sie die Information, dass er kurzfristig Urlaub genommen hatte. Also machten sie sich auf den Weg zu ihm nach Hause.

Enzo bat die beiden Beamten zu sich ins Arbeitszimmer. Nach einer Viertelstunde kamen sie wieder heraus und gingen gemeinsam zu Liza, die sich auf der Terrasse befand und sich wunderte, was die Beamten mit Enzo zu besprechen hatten.

Liza hatte sich am Vormittag noch einmal mit der Liste befasst, aber ihr war nichts mehr eingefallen. Enzo hatte dann die Aufstellung mehrfach kopiert, denn die Versicherung benötigte ebenfalls das Schriftstück, der noch Rechnungen angefügt wurde. Den Umschlag übergab sie selbst den Beamten, die ihr noch ein paar Fragen stellten. Es ging darum, ob ihr noch eine Adresse eingefallen war, wo sich Jamie und seine Kumpane aufhalten könnten, denn noch fehlte von ihnen jede Spur. Liza verneinte das. Sie hatte ihnen bereits alles gesagt, was sie wusste.

Als die Beamten sich verabschiedet und gegangen waren, fragte Liza: „Was wollten die von dir?“

Enzo hatte sich schon auf ihre Frage eingestellt und antwortete: „Nichts Besonderes. Sie haben sich nett nach dir erkundigt, wie es dir geht. Und sie wollten wissen, ob mir etwas aufgefallen ist, dass man uns beobachtet. Doch das ist es nicht.“

„Hegen die denn den Verdacht, dass Jamie mich beobachtet oder beobachten lässt?“, fragte sie erschrocken.

„Auszuschließen ist das nicht. Aber ich habe mich aufmerksam umgesehen. Keinen der drei habe ich entdecken können. Woher sollten sie auch wissen, dass du heute in der Stadt warst?“

„Du hast recht. Das konnten sie nicht wissen. Ich hoffe nur, dass die bald geschnappt werden. Dann kann ich bestimmt wieder ruhig schlafen“, meinte sie.

Und noch andere Dinge tun, ergänzte Enzo in Gedanken.

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11.

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Jamie hatte sich auf einem alten Fabrikgelände eine Bleibe gesucht, die nur vorübergehend sein sollte, wie er sich vor seinen Kumpel ausdrückte. Die alten Büroräume waren noch einigermaßen sauber und die Fenster heil. Strom gab es nicht, aber Wasser. Kay und Thomas hatten von irgendwo Matratzen aufgetrieben und Kissen und Decken besorgt, die sogar neu aussahen. Jamie fragte gar nicht erst, wo sie die geklaut hatten.

Er meinte nur zu der bestehenden Situation, in der sie sich gerade befanden, wenn die Schlampe erst einmal von der Bildfläche verschwunden war, dann könnten sie auch aus dem Untergrund wieder auftauchen, denn dann könnte sie vor Gericht nichts mehr aussagen und er und seine Kumpel alles abstreiten. Jamie glaubte wirklich, dass er dann aus dem Schneider wäre.

Von Thomas und Kay ließ er im Wechsel das Krankenhaus beobachten. Er selbst hatte schon überlegt gehabt, sie dort aufzusuchen, aber das war ihm dann doch zu risikoreich gewesen. Noch eine Panne konnte er sich nicht erlauben. Er war sich jedoch sicher, noch seine Chance zu bekommen.

Damals hatte er ja angenommen, dass sie im Wald, wo sie sie zurückgelassen hatten, das Zeitliche gesegnet hat und zu Asche geworden war. Doch irgendwie war ihr Plan nicht aufgegangen. Das Holz des alten Katen war wohl zu feucht gewesen, denn Tage vorher hatte es sintflutartig geregnet.

Sie hätten wenigstens noch eine Stunde länger bleiben sollen. Dann wäre das ganze Malheur nicht passiert, und er könnte friedlich in der Bar hocken und einen heben.

Zu gern würde er ihr Gesicht gesehen, wenn sie sein Werk in ihrer Wohnung entdeckte, denn dort hatte er ganze Arbeit geleistet. Was man verscherbeln konnte, das hätte er sich eingesteckt. Es war nicht viel, aber immerhin. Dafür war ihr Bankkonto für ihn ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk gewesen.

Doch allmählich war Jamie wütend geworden, denn keiner seiner Spione brachte ihm positive Nachrichten. Bis Kay an einem Tag kam und berichtete, dass sie aus dem Krankenhaus raus ist und mit einem Kerl zu ihrer Wohnung gefahren war. Er erzählte ihm auch, dass dort die Bullen aufgekreuzt waren. Später hatte sie sich zu dem Kerl wieder ins Auto gesetzt und ist mit ihm weggefahren.

„Die sah ganz schön fertig aus. Die Renovierung ihrer Wohnung hat ihr nicht gefallen“, grinste Kay. „Aber mir wurde das Ganze da zu brenzlig, denn dort wimmelte es nur so von Bullen. Darum hab ich mich von da auch verzogen.“

Mit Genugtuung hatte Jamie dem zugehört, dass ihr das sehr zugesetzt hat, was er mit ihrer Wohnung veranstaltet hatte. Und sein Gruß wird garantiert auch dazu beigetragen haben. Doch dann siegte erneut die Wut.

„Die Schlampe hat `nen Neuen? Ich will wissen, wer das ist und wo die hin sind. Kriegt das raus!“, befahl er den beiden. Er drückte ihnen je einen Hunderter in die Hand und sagte dann etwas ruhiger: „Ihr werdet sie finden. Und dann überlegen wir, wie wir an sie herankommen. Und wenn es noch ein paar Wochen dauert. Diesmal muss es klappen, denn ich will nicht ewig in diesem Loch hausen.“

„Geht klar, Chef“, entgegnete Kay unterwürfig.

„Vielleicht können wir uns dann noch einmal so richtig mit ihr amüsieren“, schlug Thomas grinsend vor. Der Gedanke gefiel auch Jamie und er grinste ebenfalls.

In der Woche darauf kam Kay mit einer guten Nachricht an. Er hatte den Namen des Mannes herausbekommen, mit dem er Liza zusammen gesehen hatte. Irgendetwas hatte ihm gesagt, dass der Kerl zum Krankenhauspersonal gehören musste. Also ging er dort einfach hinein, um sich umzusehen. Und wie der Zufall es wollte, schnappte er ein Gespräch von zwei Schwestern auf, in dem der Name Liza fiel. Sofort wurde er hellhörig und belauschte die beiden. Er brauchte nicht lange warten, da fiel auch der Name Dr. Lambert, der wegen Liza eine Woche Urlaub genommen hat, und dass der sich über beide Ohren in die OP-Schwester verknallt hatte. Kay konnte sich nicht verkneifen, abfällig zu brummen: „Blöde Tratschweiber.“

Mit dieser Information machte er sich schleunigst auf den Weg zu Jamie. Der nickte zufrieden.

„Nun findet heraus, wo der Kerl wohnt! Denn ich schätze, unsere Schlampe ist bei ihm.“

Das war nicht schwer. Thomas war dazu in ein Internetcafé gegangen. Viel Ahnung hatte er nicht, aber bei Google etwas suchen, das bekam er hin.

Am darauffolgenden Abend knackte Kay einen Wagen, dann fuhren sie zu der Adresse.

„Man, das ist ja `ne Festung. Jedenfalls von dieser Seite“, meinte Thomas. „Von hier kommen wir nicht rein.“

„Du Idiot! Man fällt nicht mit der Tür ins Haus. Wir werden uns hier gründlich umsehen und mehrere Tage hier alles beobachten. Dann sehen wir weiter“, keifte Jamie.

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12.

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Liza war während der Woche, die sie nun schon bei Enzo wohnte, nicht untätig gewesen. Sie bereitete die Mahlzeiten zu, kümmerte sich um die kleine Wäsche und machte sich nützlich, wo sie konnte.

Täglich sah sie sich in der Zeitung die Wohnungsanzeigen an und war auch im Internet auf der Suche. Doch nichts sagte ihr zu. Meist waren die Wohnungen für sie unerschwinglich. Und wenn der Preis mal stimmte, lag die Wohnung in einer Gegend, die unzumutbar für sie war. Es wurden auch zu wenige Wohnungen angeboten, die von der Größe zu ihr passten.

Enzo beobachtete sie verstohlen und war jedes Mal erleichtert, wenn sie ein enttäuschtes Gesicht machte. Am liebsten hätte er sich geweigert, als sie ihn gefragt hatte, seinen Laptop benutzen zu dürfen und somit ihre Suche nach einer neuen Wohnung zu unterstützen. Er wünschte sich nichts sehnlicher, dass sie in nächster Zeit nichts Passendes fand, denn er wollte Liza bei sich haben - für immer.

Ihre alte Wohnung war nun auch von der Polizei freigegeben worden. Jetzt musste sich Liza um die Beräumung kümmern. Die Kündigung hatte sie bereits geschrieben und in den Postkasten gesteckt. Enzo hatte ihr wieder seine Hilfe zugesagt und sogar eine Firma beauftragt. Schließlich konnte sie das ganze kaputte Zeug nicht einfach aus dem Fenster werfen. Außerdem sträubte sich alles in ihr, noch einmal die Wohnung zu betreten. Er würde ihr auch den Preis, den die Firma verlangte, nicht mitteilen. Ebenso nicht den Maler, der den Räumen einen neuen Anstrich geben musste. Erst, wenn die Versicherung bereit war, diese Kosten zu übernehmen, dann erst würde er ihr die Rechnungen vorlegen, damit sie sie einreichen konnte. Aber das konnte dauern. Die Versicherung hatte nämlich schon erklärt, dass sie auf den Abschlussbericht der Polizei warten wollte. Und das konnte dauern ...

Als Enzo‘s Urlaub endete, machte er sich am frühen Morgen auf den Weg zur Klinik. Liza blieb allein im Haus. Da niemand da war, nutzte sie die Chance und inspizierte das Haus gründlicher. In seinem Beisein hatte sie es sich nicht getraut. In allen Zimmern sah es sauber und ordentlich aus. Mit modernen Möbeln waren sie eingerichtet worden. Liza stellte aber fest, dass zwei Räume leer waren. Hier gab es keine Möbel, was sie verwunderte. Sie überlegte, welchen Zweck diese Zimmer wohl erfüllen sollten. Da fiel ihr wieder ein, was er gesagt hatte. Eine Frau und vielleicht zwei oder drei Kinder, das wünschte er sich.

Liza betrat auch sein Schlafzimmer. Es haute sie fast um, als sie das sah. Das Bett war eher eine Liegewiese. Der Boden war mit einem superweichen Teppich ausgelegt. Die Wand gegenüber vom Bett bestand nur aus Spiegel.

Neugierig trat sie ein. Sie setzte sich auf den Rand des Bettes und sah sich um. An jeder Seite befand sich ein passendes Nachtschränkchen, aber es gab in diesem Zimmer keinen Kleiderschrank. Wo hat er den seine ganzen Sachen?, fragte sie sich. In den anderen Räumen hatte sie die jedenfalls nicht gesehen.

Als Liza die Spiegelwand betrachtete, fiel ihr an der rechten Seite ein Schalter auf, unter dem sich ein runder Knopf befand.

Wozu der wohl gut ist?, dachte sie, stand auf und drückte einfach drauf.

Plötzlich surrte etwas im Raum und wie von Geisterhand bewegte sich die Spiegelwand. Vier Türen zeigten sich, die sich öffneten und den Blick für das freigaben, was sich dahinter befand. Erschrocken sprang Liza zurück, denn damit hatte sie nicht gerechnet. Aber nun konnte sie sehen, wo Enzo seine Kleidung verstaut hatte.

„Wow!“, entglitt es ihr, und das nicht nur wegen der Technik. Alles war akkurat geordnet und zusammengelegt. Anzüge und Hosen waren an der Stange übersichtlich aufgereiht.

Das beeindruckte Liza sehr. Ein Mann, der Ordnung hielt. Das imponierte ihr. Wenn sie hingegen an den Kerl dachte, der mal ihr Freund gewesen war ... brrrr, es schüttelte Liza vor Abscheu.

Nun trat sie dichter an seine Sachen heran und schnupperte. Ja, hier roch es angenehm und frisch.

Dann betätigte sie wieder den Knopf. Und schon schloss sich die Spiegelwand.

Gegen Mittag kam die Haushälterin. Enzo hatte ihr Liza bereits vorgestellt, ihr aber nichts von den Gründen des Hierseins von Liza erzählt. Er fand, dass sie das nichts anging.

Frau Dupont war eine Frau um die Fünfzig, vollschlank, hatte braunes kurzes Haar und ein freundliches Gesicht. Jeden zweiten Tag sah sie bei Enzo nach dem Rechten, machte sauber, kümmerte sich um seine Wäsche und kaufte notwendige Lebensmittel ein. Oft stellte sie ihm etwas zu essen in den Kühlschrank, weil sie wusste, dass er in der Klinik nicht immer zum Essen kam. Da sie für ihren Mann jeden Tag kochte, war das für sie kein zusätzlicher Aufwand. Und sie machte es gern, denn sie mochte den jungen Arzt sehr.

Zuerst betrachtete sie Liza argwöhnisch, doch nach einer kurzen und netten Unterhaltung war sie der Meinung, dass die junge Frau gut zu Enzo passen würde.

Heute brachte sie für Liza etwas zum Mittag mit, denn sie glaubte zu wissen, dass sie sich nichts zubereiten würde. Doch da irrte sie sich. Liza hätte etwas gekocht, und gleich so viel, dass Enzo auch etwas davon abbekommen hätte. Aber Liza sah das nicht so tragisch an. Sie konnte ja auch am nächsten Tag etwas zubereiten, denn da kam die Haushälterin nicht.

Als Frau Dupont das Haus wieder verließ, ging Liza in ihr Zimmer und zog sich den Bikini an. Dann nahm sie sich ein großes Handtuch und ging zum See hinunter. Zuerst setzte sie sich am Ende des Stegs hin und genoss die friedliche Idylle. Etwas später ließ sie sich langsam ins Wasser gleiten, um zu schwimmen. Wenn das Wetter es zuließ, machte sie das jeden Tag. Wenn nicht, stieg sie in den Pool und schwamm ihre Bahnen.

Wenn Enzo Zuhause war, dann verzichtete Liza darauf, ins Wasser zu gehen, denn sie genierte sich, sich ihm halbnackt zu präsentieren. Dazu kam, dass sie sich unsicher fühlte, was ihre Gefühle betraf. Wenn er ihr zu nahe kam, dann erfüllte sie eine Sehnsucht, die ständig stärker wurde. Doch sie konnte es sich einfach nicht vorstellen, dass er sie ehrlich begehrte und sie lieben konnte. Nicht nach der Vergewaltigung!

An einem Tag kam Enzo früher als erwartet von der Arbeit zurück. Im Haus fand er Liza nicht und machte sich Sorgen. Sofort schossen Gedanken durch seinen Kopf, wie: Sie wird doch hoffentlich das Grundstück nicht verlassen haben? Die Verbrecher laufen immer noch frei herum. Oder hat sie sich etwa etwas angetan?

„Liza“, rief er noch einmal, doch er bekam keine Antwort. So eilte er auf die Terrasse und schaute in den Pool. Da von ihr auch hier nichts zu sehen war, lief er zum See. Mitten auf dem Weg stoppte er, denn er sah mit Erleichterung, dass sie gerade den See verließ. Sie schien ihn noch nicht bemerkt zu haben. Enzo verbarg sich hinter einem Busch und beobachtete sie, wie sie langsam zurück zum Haus ging. Als sie fast auf seiner Höhe war, trat er ihr entgegen.

Erschrocken sah sie ihn an, denn sie hatte ihn noch nicht erwartet.

„Hallo, Liza! Ich konnte heute früher aus der Klinik verschwinden. Mein Patient hat die OP abgesagt“, erklärte er ihr kurz sein frühes Erscheinen.

Liza verstand sofort, was er mit „abgesagt“ meinte. Der Patient war verstorben.

Enzo Augen glitten über ihren wundervollen Körper. Ihre langen schlanke Beine, ihre einladenden Hüften, ihre schlanke Taille, ihr fester Busen, ihr süßer Mund - das alles regte seine Fantasie an und ließ ihn fühlen, wie sehr er sie begehrte.

Liza hatte sich von dem Schreck, dass er so plötzlich vor ihr stand, fast erholt. Da wurde ihr bewusst, dass sie nur mit dem Bikini bekleidet vor ihm stand. Das Handtuch, das sie in der rechten Hand hielt, zog sie sich nun vor ihren Körper, so dass sie ihn damit bedeckte und ihn dem Blick ihres Gegenübers entzog.

Enzo runzelte missbilligend die Stirn und trat dicht an sie heran. Liza wollte zurückweichen, doch er hielt sie auf.

„Liza, hast du etwa vor mir Angst? Ich würde dir nie etwas antun. Das müsstest du doch mittlerweile herausgefunden haben“, sagte er leise und im ruhigen Ton zu ihr.

Liza senkte den Blick.

„Nein, Angst habe ich nicht. Ich weiß, dass du mir nichts antun willst. Aber ...“ Sie unterbrach sich, weil sie nicht wusste, wie sie es ihm erklären sollte, wie es um sie bestellt war. Er könnte es vielleicht falsch verstehen.

„Du hast Angst vor deinen Gefühlen. Du denkst, dass du nicht mehr dazu fähig bist, mit einem Mann das Bett zu teilen, mit ihm zu schlafen. Und du denkst, ich könnte dich nicht lieben. Liza, ich möchte dir so gern zeigen, wie sehr ich dich will, denn ich liebe dich. Egal, was passiert ist. Ich liebe dich!“, offenbarte er ihr.

Liza starrte den Mann vor sich mit großen Augen an. Sie konnte in seinem Gesicht keine Hinterlist entdecken. Sein Blick war ernst, aber auch liebevoll. Trotzdem war sie nicht in der Lage, etwas zu erwidern. Enzo zog ihr das Handtuch von Körper weg, was Liza geschehen ließ, und trat dicht an sie heran.

„Liza, du bist wunderschön. Bitte, stoß mich nicht weg! Ich möchte dich nur im Arm halten und deine Nähe spüren.“

Er legte seine Hände an ihre Schulter und ließ sie langsam an ihren Armen heruntergleiten. Dann nahm er ihre Hände und führte ihre Fingerspitzen zu seinen Lippen. Jeden einzelnen küsste er.

Wie ein Blitz schoss es durch ihren Körper in eine Region, die ihr bewusst machte, dass auch sie ihn begehrte. Mit großen Augen starrte sie ihn an. Ihre Lippen öffneten sich leicht, was einer Einladung gleichkam. Langsam kamen sich ihre Gesichter näher, und Liza schloss die Augen. Dann berührten seine Lippen ihre.

Enzo wagte sich weiter vor, in dem er ihre Lippen mit seiner Zunge teilte. Eigentlich erwartete er nun ihren Widerstand, doch der kam nicht. Dafür überraschte es ihn, denn sie erwiderte seinen Kuss, worauf er am liebsten vor Glück aufgestöhnt hätte. Jetzt hielt er sie fest in seinen Armen. So schnell wollte er sie auch nicht wieder loslassen.

Auch Liza fühlte sich wie im siebten Himmel. Es fühlte sich so gut an und wünschte sich mehr. Viel mehr. Sie schlang ihre Arme um seinen Nacken und gab sich ganz dem Gefühl, ihm so nah zu sein, hin.

Doch plötzlich - sie wusste selbst nicht, warum sie auf einmal so heftig reagierte - drückte sie sich von ihm weg.

„Entschuldige! Ich kann nicht ...“, flüsterte sie rau und lief ins Haus.

Enzo war etwas enttäuscht, aber sah es als einen guten Anfang an. Der erste Schritt war getan.

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13.

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Liza meinte, dass sie nun lange genug krank gewesen war und sagte das Enzo. Sie beschloss, wieder arbeiten zu gehen. Enzo war damit einverstanden. Zumal sie dann auch kaum Zeit hatte, nach einer eigenen Wohnung zu suchen.

Zu ihrer und auch seiner Freude hielt Liza durch und war genauso aufmerksam im OP wie früher. Enzo hatte eigentlich auch nichts anderes erwartet.

Eine Woche später geschah etwas Unerwartetes. Der werte Herr Morais wurde mit dem Krankenwagen eingeliefert. Er hatte einen Unfall verursacht, bei dem nicht nur er schwer verletzt worden war, sondern auch die Insassen des anderen Wagens. Viel zu schnell war er gewesen und hatte riskant überholt. Das ihm entgegenkommende Fahrzeug konnte nicht weit genug ausweichen, so dass sie beide kollidierten.

Morais hatte Glück im Unglück, was man von den anderen Verletzten nicht sagen konnte, denn die waren schlimmer dran. Er hatte sich eine schwere Gehirnerschütterung zugezogen. Dazu kamen ein ausgekugeltes Gelenk, ein gebrochenes Bein, viele Schnitt- und Kratzwunden und eine Darmverletzung. Er wurde sofort in den OP geschoben.

Dr. Lambert operierte diesen Mann. Wenn auch widerwillig. Es ärgerte ihn, dass man ihn in dieses Krankenhaus gebracht hatte und nicht in das andere. Das wäre nämlich eine gute Gelegenheit gewesen. Dann würde dieser Geizkragen wohl anders denken, falls er es überlebt hätte. Hier, in diesem Krankenhaus, hatte er jedenfalls die besten Aussichten, wieder geheilt zu werden.

Aber Dr. Lambert sah sein Chance gekommen. Er würde diesem Geizkragen am eigenen Leib spüren lassen, wie es ist, wenn man mit veraltetem Material arbeiten musste und an jeder Ecke sparte.

Die Operation lief komplikationslos ab, obwohl sie nicht ganz einfach war. Der Darm war an mehreren Stellen perforiert und musste geflickt werden. Dazu war aber vorerst eine Säuberung von Nöten. Mit dem Tropf wurde ihm ein Antibiotikum zugeführt, damit es zu keiner Entzündung kam. Dr. Lambert ordnete an, dass er in ein Zweibettzimmer gebracht wurde, als Morais im Aufwachraum wieder zu sich kam. Doch der war noch zu benebelt von der Narkose, dass er das nicht richtig mitbekam.

Die Schwestern jedoch grinsten, als sie das hörten. Das konnte interessant werden.

Und das wurde es auch.

Kaum hatte der Mann seine Sinne zusammen, verlangte er von der Schwester, in ein Einzelzimmer verlegt zu werden. Doch die reagierte ganz nach den Anweisungen des Arztes. Sogar der Chefarzt spielte mit, denn Enzo hatte ihn von seinem Vorhaben unterrichtet.

„Tut mir leid! Aber alle sind belegt. Sie müssen schon mit diesem hier vorlieb nehmen“, informierte sie ihn freundlich und verließ das Zimmer. Kaum hatte sie das getan, fing er an, die Klingel zu betätigen.

„Was erlauben Sie sich? Ich war noch nicht fertig“, schnauzte er die Schwester an, die nun wieder eingetreten war.

„Nicht in diesem Ton, Mister!“, wies sie ihn zurecht.

„Ich rede mit Ihnen, wie es mir zusteht. Sie sind hier nur eine Angestellte. Vergessen Sie das nicht!“, drohte er. Genau in diesem Moment betrat Dr. Lambert das Zimmer.

„Auch Sie werden hier nur beschäftigt. Vergessen Sie das bitte nicht!“, erinnerte er den unliebsamen Patienten vor sich.

„Lambert, ich erwarte eine erstklassige Behandlung“, verlangte er.

„Dr. Lambert bitte!“, verlangte der. „Sie werden behandelt wie jeder andere auch. Aber sollte Ihnen die Behandlung in diesem Haus nicht zusagen, steht es Ihnen frei, sich verlegen zu lassen.“

„Was fällt Ihnen ein ...“

Doch Enzo ließ sich nicht beirren. „Bedenken Sie die Kosten! Spezialbehandlungen kann sich unser Haus nicht leisten, da ja die Mittel anscheinend fehlen. Das müssten Sie doch am besten wissen. Tut mir leid, aber mir sind die Hände gebunden. Und nun lassen Sie die Schwestern und mich unsere Arbeit machen! Es warten noch andere Patienten auf uns.“

Mit diesen Worten verließen er und die Schwester das Zimmer. Sie blieben noch ein paar Augenblicke an der Tür stehen und hörten, wie Morais lautstark lamentierte.

„Das wird ein Nachspiel haben. Da können die sich drauf verlassen. Besonders dieser Lambert! Der soll sich vorsehen ...“

„Der hat sie operiert. Seien Sie doch froh, dass Sie so einen fähigen Arzt hier im Haus haben!“, hörten beide den anderen Patienten sagen.

„Ach, halten Sie die Klappe! Sie haben doch keine Ahnung“, keifte Morais.

„Oh doch! Die habe ich. Ich weiß, wer Sie sind.“

„Na und! Ich entscheide, was hier erlaubt wird und was nicht! Und diesen Störenfried Lambert, den werde ich ersetzen lassen. Es gibt genug fähige Ärzte, die hier arbeiten können. Und nun lassen Sie mich zufrieden!“, keifte er.

„Gerne!“ Der Mann erhob sich etwas schwerfällig und verließ ebenfalls das Zimmer.

„Kann ich jetzt wieder in mein Einzelzimmer?“, fragte er Dr. Lambert, der nun allein auf dem Flur stand, denn sie Schwester war grinsend zu einem anderen Patienten gegangen.

„Natürlich. Ich hoffe, dass Sie sich auch in den weiteren Tagen ein Bild von diesem Herrn machen können.“

„Eigentlich reicht mir das schon. Aber ich bin ja noch ein paar Tage hier, wie Sie mir verkündet haben. Da werde ich ihn beobachten. Mir tun die Schwestern jetzt schon leid“, meinte er.

„Mir auch! Und danke!“, sagte Enzo.

„Ach! Da gibt es nichts zu danken. Es wurde Zeit, dass man den Herrn mal unter die Lupe nimmt“, erwiderte der Privatpatient.

Wie der Zufall es wollte, lag der Vater der Krankenhausleitung und Mitbesitzers der Klinik für ein paar Tage auf dieser Station. Er war schwer gestürzt, was die Familie mit Besorgnis aufgenommen hatte. Nun unterzog der Mitsechziger sich mehreren Untersuchungen und ließ seine Wunden verarzten. Man hatte Dr. Lambert gebeten, die notwendigen Untersuchungen vorzunehmen. So kamen beide ins Gespräch - besonders über die Zustände im Haus. Was er da hörte, wurmte ihn. Er hatte sich vor einigen Jahren zurückgezogen und seinem Sohn das Zepter überlassen. Er sah es nicht als Fehler von ihm und seinem Sohn an, dass Morais sich zu einem Geizhals entwickelt hatte, und sein Sohn ihm keinen Einhalt gebot. Morais hatte es wohl gut verstanden, sich bei ihm beliebt zu machen, denn es wurden immer schwarze Zahlen geschrieben.

Er nahm sich vor, mal wieder in die Bücher zu schauen. Schaden konnte es nicht.

Welch schicksalshafte Fügung - Morais wurde nun selbst zu einem Patienten ...

Wie schon von allen geahnt, benahm sich der Herr unmöglich. Laufend klingelte er nach den Schwestern, und das nur wegen unwichtigen Dingen. Kamen sie nicht schnell genug - was Absicht war - keifte er sie an. Dr. Lambert wies ihn oft wegen seines Benehmens zurecht und wies ihn darauf hin, dass er kein Privatpatient ist und somit keine Extrawurst verlangen konnte. Doch der Mann war sowas von verbohrt. Er begriff nicht, dass er sich um Kopf und Kragen redete. Seine Schimpftiraden nahmen einfach kein Ende.

Als Morais nach zweieinhalb Wochen nach Hause entlassen wurde, atmeten alle auf. Als man dann hörte, dass die Klinikleitung sich entschlossen hatte, einen Ersatz für Morais zu finden, war man froher Hoffnung, dass sich nun einiges ändern würde.

Vater und Sohn hatten sich sämtliche Unterlagen von Morais vorlegen lassen. Ja, das Krankenhaus stand finanziell wunderbar da. Es war so viel Geld vorhanden, dass man es von Grund auf erneuern konnte. Und dann wäre immer noch genug Geld da. Aber sie stellten auch Ungereimtheiten fest. Geringfügige. Doch das geschulte Auge und ein waches Hirn entdeckten sie. Morais hatte ab und zu mal etwas Geld für sich selbst abgezweigt. Das bedeutete für ihn die fristlose Kündigung.

Und das blieb noch für eine Weile ein ausreichender Gesprächsstoff im Haus, so dass Dr. Lambert und Liza kaum noch wichtig genug waren, um über sie zu tratschen.

Wie jeden Tag saß Liza im Wagen von Enzo, wenn sie zur Arbeit fuhren und auch wieder nach Hause. Er hatte veranlasst, dass beide zur gleichen Zeit ihren Dienst verrichten konnten, was natürlich für reichliche Spekulationen gesorgt hatte.

Nun waren sie auf dem Heimweg. Liza schaute blicklos aus dem Fenster. Sie war müde. Es waren noch zwei zusätzliche Operationen dazugekommen. Notfälle!

Enzo war ebenfalls ziemlich schweigsam. Er blickte immer wieder in den Rückspiegel. Seit er die Klinik verlassen hatte, folgte ihnen ein Wagen. Eigentlich war das nicht Ungewöhnliches. Doch diesen hatte er in der letzten Zeit schon öfter gesehen. Irgendetwas warnte ihn und ließ ihn aufmerksamer sein.

Was ihn zusätzlich störte, dass der Wagen mal zu dicht auffuhr und sich dann wieder zurückfallen ließ. War der Fahrer etwa betrunken oder hatte Drogen genommen?

Vor seiner Einfahrt blieb er stehen und wartete. Der Wagen fuhr langsam vorbei. Erst dann betätigte Enzo die Fernbedienung, so dass das Tor aufschwang.

Liza ging gleich in die Küche, um etwas zum Abendessen zuzubereiten. Als sie den Kühlschrank öffnete, sah sie, dass Frau Dupont für sie beide etwas hineingestellt hatte. Dafür war sie besonders an diesem Abend dankbar.

Schnell hatte sie es erwärmt und den Tisch gedeckt. Sie rief nach Enzo, der in sein Arbeitszimmer gegangen war.

„Oh, die gute Fee hat für unser Wohlergehen gesorgt“, sagte er.

„Ich finde das sehr nett von ihr. Und es schmeckt immer. Gibst du ihr dafür einen Extrabonus?“

„Ja. Sie will das aber nicht. Schimpft mich immer aus“, antwortete er.

„Sie mag dich eben“, schlussfolgerte Liza.

Nach dem Essen zog Liza sich zurück, duschte und ging ins Bett. Dort las sie noch ein paar Seiten, bis ihr die Augen zufielen.

Enzo hingegen begab sich wieder in sein Arbeitszimmer. Dort checkte er die Videobänder seiner Überwachungskameras. Er hatte sich diese und die Alarmanlage vor drei Jahren installieren lassen, weil man bei ihm eingebrochen hatte.

Als er gefunden hat, wonach er gesucht hatte, rief er bei der Polizei an und ließ sich mit dem Kommissar verbinden, der die Ermittlungen im Fall von Liza leitete. Er hatte Glück, dass er noch Dienst schieben musste. Enzo berichtete ihm von seiner Beobachtung, als auch von den Aufnahmen der Kamera. Beide verabredeten sich für eine Unterredung im Krankenhaus.

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14.

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Es verging eine weitere Woche. Enzo war bemüht, sich seine Unruhe nicht anmerken zu lassen. Er war fest davon überzeugt, dass bald etwas passieren wird, was keinem gefallen würde. Er hoffte nur, dass Liza und er nicht zu Schaden kamen. Enzo sorgte sich um sie.

Mit dem Kommissar hatte vereinbart, dass Liza von all dem nichts erfahren sollte. Sie hatte schon genug durchgemacht.

Bevor sie schlafen gingen, prüfte Enzo noch einmal die Alarmanlage. Sie sollte einen stummen Alarm auslösen, wenn sich jemand unbefugt Zutritt ins Haus verschaffen wollte. Danach legte er sich ins Bett. Doch er konnte nicht einschlafen. Darum stand er wieder auf und schaute leise zu Liza, die tief und fest schlief. Dann streifte er im Dunkeln durch das Haus, spähte aus dem Fenster und hoffte nichts zu entdecken.

Huschte da nicht jemand zwischen den Büschen hindurch? Enzo strengte sich an, um etwas mehr zu erkennen. Wenn derjenige dichter kommen würde, dann müssten die Bewegungsmelder reagieren und das Licht ging an.

Dieser jemand kam näher, doch die Bewegungsmelder reagierten nicht. An die hatte er nicht mehr gedacht, sie zu kontrollieren. Die Verbrecher mussten ihre Funktion so unterbrochen haben, dass es am Tag nicht auffiel. Doch daran war jetzt nichts mehr zu ändern, auch wenn er sich dafür selbst eine runterhauen könnte.

Enzo nahm an, dass dieser Jamie nicht allein war. Darum wechselte er jetzt seine Position und schaute aus dem anderen Fenster. Keine zwei Meter entfernt stand ein kräftiger Kerl. Und - was Enzo überdeutlich wahrnahm - der hatte eine Waffe in der Hand. Enzo blieb fast das Herz stehen. Sofort ging er zu Liza ins Zimmer. Vor ihrem Fenster sah er plötzlich eine Taschenlampe kurz aufleuchten. Kurz entschlossen legte er seine Hand an ihre Schulter und rüttelte sie, um sie zu wecken. Sie musste unbedingt aus diesem Zimmer raus. Erschrocken riss sie ihre Augen auf und blickte Enzo an.

„Was ist? Müssen wir ins Krankenhaus?“

Er schüttelte den Kopf. „Sch...“, machte er und hob sie einfach aus dem Bett. Er trug sie in das eine Zimmer, was noch nicht möbliert war. Dort setzte er sie in die Ecke, so dass man sie von dem Fenster aus nicht sehen konnte.

„Was ist los?“, fragte sie ängstlich.

„Wir haben unangenehmen Besuch. Rühr dich bitte hier nicht weg! Dir wird nichts passieren“, flüsterte er ihr zu und ging zurück zur Tür.

„Was willst du machen? Hast du die Polizei angerufen?“ Er hörte die Angst in ihrer Stimme.

„Ja. Mach dir keine Sorgen!“, versuchte er, sie wenigstens etwas zu beruhigen, womit er aber keinen Erfolg hatte.

„Was? Ich soll mir keine Sorgen machen? Du weißt, warum die hier sind. Und nun bist du meinetwegen auch in Gefahr. Sie werden auf dich keine Rücksicht nehmen. Das weiß ich“, flüsterte sie bedrückt.

„Ich muss sehen, wo der Dritte von ihnen ist. Ich bin gleich wieder bei dir“, teilte er ihr mit.

Entsetzt sah sie ihn an.

„Enzo, lass mich hier nicht allein! Bitte!“, flehte sie.

„Mir wird nichts passieren. Ich will doch nur nachsehen, wo die stecken“, sagte er.

„Und wenn sie schon im Haus sind? Wenn sie dir etwas antun, das verkrafte ich nicht“, entgegnete sie weinerlich.

Genau in diesem Moment klirrte Glas. Jemand hatte eine Scheibe eingeschlagen.

Beide sahen, dass das Licht von einer Taschenlampe durch den Flur geisterte.

„Ihr Bett ist leer“, hörten sie jemand wütend sagen. Liza identifizierte ihn an seiner Stimme, auch wenn sie sehr leise war. Es war Jamie.

„Dann ist sie bei ihm im Bett, diese Schlampe. Wir haben ihr wohl nicht gereicht“, höhnte er.

Am liebsten hätte sich Liza die Ohren zugehalten. Doch sie blieb regungslos sitzen.

Enzo stand angespannt an der Tür. Er hoffte darauf, dass nun endlich die Polizei – wie abgesprochen - zum Einsatz kam.

Worauf warten die noch?, fragte er sich besorgt, denn der Strahl kam dem Zimmer, in dem sie sich aufhielten, immer näher.

Enzo drückte sich an die Wand neben der Tür und gab Liza ein Zeichen, sich in die andere Ecke zu setzen, damit man sie nicht sofort entdeckte. Schnell kam sie seiner Aufforderung nach und kauerte sich dahin.

„Eh, hier ist auch keiner“, hörten sie eine weitere Stimme. Kay!, dachte Liza. Sie hatte höllische Angst. Am liebsten würde sie aufspringen und weglaufen. Dann wäre wenigstens Enzo außer Gefahr – aber nur vielleicht.

Langsam öffnete sich die Tür so, dass man eintreten konnte. Der Lichtstrahl fiel nun in den Raum, und eine Person betrat ihn. Liza hielt den Atem an.

„Hier ist auch kein... “ weiter kam er nicht. Da hatte Enzo ihm seine Faust an den Hals geschlagen, so dass er sofort zu Boden ging und nur noch röchelte.

Da waren dann aber schon die anderen beiden zur Stelle, so dass Enzo ihnen nicht mehr aus dem Hinterhalt Einhalt gebieten konnte. Thomas knipste das Licht an. Jamie hatte sich mitten in den Raum gestellt, hielt den beiden seine Waffe entgegen und machte ein siegessicheres Gesicht.

Er sah grauenvoll aus, wie Liza es mit einem Blick erfasste. Ungepflegt. Seine Kleidung war fleckig, und er hatte sich wohl schon über eine Woche nicht rasiert.

Details

Seiten
Jahr
2018
ISBN (ePUB)
9783738920222
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (September)
Schlagworte
romane sommer sommer/keine zeit liebe/nachts
Zurück

Titel: 3 romantische Romane für den Sommer: Ein schicksalhafter Sommer/Keine Zeit für die Liebe/Nachts...