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Die Raumstation der Aliens

von Alfred Bekker (Autor:in)
©2018 140 Seiten

Zusammenfassung

Raumstation der Aliens
von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 130 Taschenbuchseiten.

Die Besatzung des irdischen Raumschiffs GHONDRA trifft auf eine gewaltige Sternstation, deren Herkunft zunächst rätselhaft ist. Handelt es sich um das Artefakt einer uralten außerirdischen Zivilisation, die schon lange vor der Menschheit existierte? Ein Landeteam dringt in die Station ein und gerät in Gefangenschaft von Aliens, die Experimente mit entführten Bewohnern anderer Planeten durchführen …

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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Die Raumstation der Aliens

von Alfred Bekker

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Der Umfang dieses Buchs entspricht 130 Taschenbuchseiten.

Die Besatzung des irdischen Raumschiffs GHONDRA trifft auf eine gewaltige Sternstation, deren Herkunft zunächst rätselhaft ist. Handelt es sich um das Artefakt einer uralten außerirdischen Zivilisation, die schon lange vor der Menschheit existierte? Ein Landeteam dringt in die Station ein und gerät in Gefangenschaft von Aliens, die Experimente mit entführten Bewohnern anderer Planeten durchführen ...

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Science Fiction, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

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Copyright

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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Prolog

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Die Raumstation war riesig. Die Holoprojektion in der Zentrale der GHONDRA zeigte sie in ihren ganzen räumlichen Dimensionen.

„Wir wissen bislang nichts über diese Station“, sagte Commander Linley. „Eine Durchdringung mit unseren ortungstechnischen Möglichkeiten ist nicht möglich. Die Außenhülle des Objekts ist aus Materialien, die wir zwar kennen, deren Eigenschaften aber offenbar so modifiziert wurden, dass es die externe Ortung erschwert.“

„Das heißt, es könnte sein, dass es sich nur um ein uraltes Artefakt handelt, dass hier zurückgelassen wurde?“, fragte Lieutenant Kerfor.

Commander Linley hatte ihn dazu ausersehen, das Außenkommando, bestehend aus einem Trupp Raumsoldaten und unterstützenden Kampfrobotern, zu leiten.

„Möglich wäre das. Es gibt zumindest keine Bio-Zeichen-Ortung. Und was die Energieemission angeht, ist lediglich im Infrarotbereich etwas feststellbar.“

„Durch Maschinen zur Energieerzeugung?“, fragte Kerfor.

„Wäre eine eine Erklärung. Aber die Abstrahlung ist so schwach, dass sie auch natürlich erklärbar wäre – durch thermodynamische Prozesse, die einfach mit Gestalt, Größe und Beschaffenheit dieses Objekts zu tun hat. Allerdings vermuten wir, dass die Station mit den Ovalraumern zu tun hat, die in letzter Zeit diesen Sektor unsicher gemacht haben.“

„Sie meinen die Berichte von Überfällen auf bewohnte Welten, bei denen mehr oder minder große Bewohnergruppen entführt wurden?“

„Genau.“

Bislang gab es für die meisten dieser Berichte nur eine unzureichende Verifizierung. Aber anscheinend hatten die Besatzungen der Ovalraumer gezielt Wesen von unterschiedlichen Welten entführt. Der Zweck, den sie damit verfolgten, war unklar.

„Ihr Auftrag ist, in die Station einzudringen und die Lage aufzuklären“, sagte Commander Linley. „Es gibt mehrere Stellen, die für ein Andockmanöver mit einem Beiboot in Frage kommen.“

„In Ordnung, Sir.“

„Wir müssen damit rechnen, dass die Kommunikation zwischen uns abbricht, sobald Sie sich im Inneren der Station befinden, Lieutenant.“

„Wir werden Sendeverstärker mitnehmen. Und abgesehen davon sind meine Leute es gewöhnt, auf eigene Faust zu agieren.“

„Ich weiß“, sagte Commander Linley. „Deswegen vertraue ich Ihnen ja auch voll und ganz.“

„Danke, Sir.“

„Viel Glück, Lieutenant.“

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DAS BEIBOOT WURDE AUSGESCHLEUST.

Gesteuert wurde das Raumboot von dem KI-Piloten.

>Pilot Joe< nannte sich das eingesetzte Programm. Man hätte auch einen anderen Namen programmieren können, aber das war nie geschehen. Und im Übrigen hatte es auch einen Vorteil, wenn nahezu alle Beiboot-Piloten-KIs auf den Namen >Pilot Joe< hörten.

Standardisierung bedeutete immer auch einen Plus an Sicherheit.

Selbst wenn es nur um den Namen einer KI ging.

Pilot Joe schleuste das Raumboot mit einer so traumwandlerischen Sicherheit aus dem engen und mit anderen Beibooten ziemlich vollgestellten Hangar der GHONDRA heraus, dass er jede menschliche Konkurrenz in den Schatten gestellt hätte.

Pilot Joe hatte allerdings keine körperliche Präsenz.

Wenn man wollte, ließ sich ein holografisches Avatar aktivieren. Aber Lieutenant Kerfor konnte sich an keinen einzigen Einsatz erinnern, während dem dies geschehen war.

Und das hatte einen sehr einfachen Grund.

In einem Beiboot herrschte immer Platzmangel. Die Raumsoldaten trugen klobige Kampfanzüge mit Panzerung und Servor-Kraftverstärkung. Diese Anzüge waren raumtauglich und in vieler Hinsicht normalen >zivilen< Raumanzügen sogar überlegen.

Aber sie machten selbst aus einem schlanken Raumsoldaten eine breite, massige Erscheinung.

Und was die unterstützenden Kampfroboter anging, so waren zumindest die schweren Typen unter ihnen eher noch raumgreifender.

Die autonomen Mini-Drohnen in Insektengröße stellten natürlich in dieser Hinsicht eine Kategorie für sich dar.

„Was macht der denn hier?“, fragte Dunham, einer der Raumsoldaten aus Kefors Truppe.

Seine Stimme klang dumpf, weil er den Helm schon geschlossen, den Helmfunk aber nicht eingeschaltet hatte. Dunhams Blick war auf einen quasi-humanoiden Roboter gerichtet, der ganz eindeutig keine Kampfmaschine war.

Er hatte ein Gesicht, das ausdruckslos genug war, um nicht zu vergessen, dass man es mit einer Maschine zu tun hatte. Andererseits war es menschlich genug, um ihn als Gesprächspartner akzeptieren zu können, falls er mit einem entsprechend aufgestockten Programm gespeist worden war. Seine Oberfläche war aus elastischem Metallplastik. Mit so etwas wie menschlicher Haut oder dem, was man sich so unter einem Körper vorstellte, hatte das wenig zu tun.

Nicht mal mit einer Puppe.

Quasi-Humanoide wurden als Butler, in der Pflege oder als Haushaltshilfen eingesetzt. Außerdem in der Lagerhaltung und bei anderen einfachen Tätigkeiten. Wenn man wollte, dass sie menschenähnlicher wirkten, ließ man sie ihre Robot-Körper mit Kleidung bedecken. Wie ihre Bezeichnung schon verriet, waren diese Körper eben nur quasi-humanoid aber von wirklicher Menschenähnlichkeit weit entfernt.

Sie hatten zwei Arme und zwei Beine.

Aber schon die Füße unterschieden sich deutlich, was einer verbesserten Standfestigkeit geschuldet war und den Quasi-Humanoid-Roboter in die Lage versetzte, auch mit den Füßen zu greifen oder sich festzuhalten.

„Das muss ein Irrtum sein“, sagte Kerfor.

„Nein, das ist kein Irrtum, wie ich anmerken möchte“, sagte der Roboter. „Ich bin Archie, das archäologische Hilfsprogramm der GHONDRA. Normalerweise besteht meine Darstellung für die Kommunikation mit der Schiffsbesatzung aus einem Hologramm. Da aber die störungsfreie Funktion eines mobilen Emitters innerhalb der zu untersuchenden Raumstation nicht gewährleistet werden kann, hat Commander Linley unterschieden, dass eine Programmkopie meiner selbst in den Speicher dieses Quasi-Humanoid-Roboters überspielt wird.“

„Verstehe“, murmelte Kerfor.

„Die Stimmmodulation ist nicht so komfortabel wie bei der Holoprojektion, das bitte ich zu entschuldigen.“

„Keine Ursache.“

„Ich denke, für eine störungsfreie Kommunikation ist dennoch gesorgt.“

„Sicher.“

Der Quasi-Humanoid trug die Uniformkombination eines Besatzungsmitglieds der GHONDRA.

„Auf gute Zusammenarbeit“, sagte er und neigte dabei leicht den Kopf. Davon zu sprechen, dass er Lieutenant Kerfor >ansah< wäre übertrieben gewesen. Sein Blick war starr.

„Gleichfalls“, sagte Kerfor.

Der Quasi-Humanoid wandte sich ab.

„Archie?“

„Ja, Sir?“

„Wieso brauchen wir bei dieser Mission überhaupt einen Archäologen?“

„Ein archäologisches Hilfsprogramm. Auf der Skala der Persönlichkeitsautonomie erreiche ich nur Stufe 3 und zähle daher noch nicht als Individuum mit Persönlichkeitsrechten. Aber es ist schmeichelhaft, dass Sie mir personale Eigenschaften zugestehen, was ich als Ergebnis einer gelungenen Kommunikation ansehe. Andererseits ist es bei meinem Programmtyp ohne Erweiterung ausgeschlossen, dass ich Stufe 4 jemals erreichen könnte.“

„Du bist auf jeden Fall gut darin, einer Frage auszuweichen.“

„Ihre Frage war, wieso Sie ein archäologisches Hilfsprogramm brauchen.“

„Richtig.“

„Der Commander war der Ansicht, dass archäologisches Wissen bei der Erforschung des Raumobjekts von Nutzen sein könnte. Schließlich existiert die Hypothese, dass es sich um ein Artefakt aus der Nugrou-Zeit handeln könnte.“

„Okay ...“

„Bestehen irgendwelche Einwände, Lieutenant?“

„Nein. Wenn der Commander dieser Ansicht ist, dann will ich ihm da nicht widersprechen.“

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WIR NÄHERN UNS DEM Objekt“, meldete Pilot Joe. Auf einer großflächigen Holoprojektion war die Station zu erkennen. „Keinerlei verdächtige energetische Signaturen, die darauf hindeuten würden, dass die Station bemannt ist.“

„Intensivieren Sie die Ortung“, sagte Kerfor.

„In Ordnung, Sir“, sagte Pilot Joe. „Wir bekommen eine Nachricht von der GHONDRA. Alpha-Priorisierung.“

„Auf den Schirm damit“,  sagte Kerfor.

Auf einem Nebenbildschirm erschien das Gesicht von Commander Linley.

„Lieutenant Kerfor? Hören Sie mich?“

„Laut und deutlich, Sir“, sagte Kerfor und trat etwas vor, sodass die Kamera der Schiff-zu-Schiff-Kommunikation ihn erfassen konnte.

„Wir haben Subraumspuren gefunden, die auf Transitionen hindeuten“, erklärte Commander Linley. „Diese Subraumspuren weisen darauf hin, dass noch vor unserer Ankunft Raumschiffe in unmittelbarer Nachbarschaft der Gigant-Station aus dem Hyperraum materialisiert sind.“

„Dann sind sie nicht lange geblieben“, stellte Kerfor fest.

„So scheint es, ja. Davon abgesehen sind diese Subraumsignaturen typisch für die Ovalraumer, die in diesem Sektor beobachtet wurden.“

„Gibt es Anzeichen dafür, dass die Besatzungen der Ovalraumer die Station betreten haben?“

„Das wäre möglich. Wir haben dafür allerdings keinerlei Anhaltspunkte. Achten Sie trotzdem auf die Abtaster-Daten über die Areale an der Außenhülle der Station, die unserer bisherigen Analyse nach für ein Andockmanöver in Frage kommen.“

„In Ordnung.“

„Dies nur zu Ihrer zusätzlichen Information.“

„Es wäre also nicht ausgeschlossen, dass die Ovalraumer zurückkehren und wir Besuch von ihnen bekommen“, sagte Kerfor.

„Wir halten die Augen auf, Lieutenant. Und im Übrigen können Sie sich natürlich darauf verlassen, dass wir Ihnen während Ihrer Mission notfalls mit allen Mitteln den Rücken freihalten.“

„Danke, Sir.“

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KEINE AHNUNG, WAS man davon nun halten soll“, meinte Dunham dazu. Er zuckte mit den Schultern. „Vielleicht gehört die Station den Extraterrestriern, die mit den Ovalraumern unterwegs sind.“

„Wenn sie hier ihre Basis hätten, hätte sich ortungstechnisch gesehen ein anderes Bild ergeben“, meinte Kerfor.

„Und wenn sie einfach nur über eine sehr gute Technik zur Abschirmung verfügen?“, fragte Dunham.

„Du kannst ja Archie fragen, was er dazu meint“, sagte Kerfor. „Archie?“

„Das archäologische Hilfsprogramm steht Ihnen uneingeschränkt zur Verfügung“, sagte Archie.

„Was denkst du über die Theorie, die Dunham gerade aufgestellt hat?“

„Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor. Die Materialstruktur der Außenhülle hingegen deutet darauf hin, dass die Raumstation aus der Frühphase des Nugrou-Sternenreichs stammt. Möglicherweise haben sich die Besatzungen der Ovalraumer technische Beute erhofft. Nugrou-Technik ist überall sehr beliebt, wie Sie wissen.“

„Und sehr teuer“, ergänzte Dunham. „Damit kann man ein Vermögen machen, wenn man das Richtige findet!“

Kerfor zuckte mit den Schultern.

„Fragt sich nur, weshalb diese Schatzjäger wieder verschwunden sind“, ergänzte Kerfor. Vorausgesetzt, sie sind tatsächlich verschwunden ..., setzte er noch in Gedanken hinzu. Aber Kerfor war es gewohnt, optimistisch zu sein.

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ANDOCKMANÖVER EINGELEITET“, meldete Pilot Joe. „Unsere Schleuse wird gleich verbunden.“

„Befehl an alle: Helme geschlossen halten. Wir wissen nichts über die Außenbedingungen.“

„Schwerkraft auf Erdniveau“, meldete Pilot Joe indessen. „Schleusenverbindung geöffnet. Atmosphäre unterscheidet sich nur unwesentlich von der Erdnorm.“

„Helme trotzdem geschlossen lassen“, befahl Kerfor. „Wir wissen nicht, ob die Luft virenverseucht ist oder andere Sicherheitsbedenken relevant sein könnten.“

„Die Bio-Analyse der Atemluft ist ...“ Die Stimme des Pilot Joe Programms stockte. „Es gibt ein harmloses Niveau von Mikroorganismen“, fuhr der Pilot schließlich fort.

„Theorie über Herkunft und Ursache?“, fragte Kerfor.

„Wahrscheinlich waren die Aliens aus den Ovalraumern tatsächlich an Bord der Station“, meinte Dunham. „Warum hätten sie diese mutmaßliche Schatzkammer voll Nugrou-Technik auch auslassen sollen. Die sind ja nicht bescheuert.“

Pilot Joe meldete sich zu Wort: „Die Daten sprechen eher für einen längeren Aufenthalt von organischen Wesen auf der Station“, stellte er fest.

„Dann waren sie wohl länger dort“, meinte Dunham.

„Was durch die von der GHONDRA gemeldeten Subraum-Daten nicht bestätigt wird“, mischte sich Pilot Joe ein. „Die sprechen eher für einen zeitlich begrenzten Besuch, denn die Sprungdaten lassen sich auf andere Weise kaum interpretieren.“

„Wie auch immer“, sagte Kerfor. „Wir werden sehen, was uns erwartet. Kampfroboter zuerst durch die Schleuse!“

Der Bestätigungsimpuls erreichte Kerfor und wurde auf seinem Helmdisplay angezeigt.

„Pilot Joe?“

„Ja, Lieutenant?“

„Sie halten hier die Stellung.“

„Ja, Sir. Ich werde auf keinen Fall ohne Sie wegfliegen.“

„Darum will ich gebeten haben.“

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DIE KAMPFROBOTER DRANGEN als Erste in die Station ein.

Dann folgten Kerfor, Dunham und die Raumsoldaten.

Ein breiter Korridor öffnete sich vor ihnen. Es herrschte eine moderate Beleuchtung, die sich beim Eintritt des ersten Kampfroboters aktiviert hatte. Offenbar gab es Bewegungsmelder, die das ausgelöst hatten.

„Offenbar gibt es eine funktionierende Energieversorgung“, stellte Dunham fest.

„Wäre ja nicht das erste Mal, dass Nugrou-Artefakte auch nach Jahrtausenden noch so funktionieren, als wären sie gerade erst eingemottet worden“, meinte Lieutenant Kerfor.

Sie erreichten das Ende des Ganges. Ein Durchgang war nicht erkennbar.

Archie nahm ein Analyse-Modul und fuhr damit die Wand entlang.

„Zweifellos handelt es sich bei dieser Station um eine Hinterlassenschaft der Nugrou“, sagte er. „Aber entweder ist es eine bisher unbekannte Periode in der Geschichte dieser Spezies oder ...“

„Oder was?“, fragte Kerfor.

„Die Nugrou-Technik wurde stark modifiziert.“

“Durch die Beatzungen der Ovalraumer?“

„Wäre durchaus denkbar.“

Es gab viele raumfahrende Zivilisationen, die im Laufe der Zeit auf die technischen Hinterlassenschaften der Nugrou-Spezies gestoßen waren und diese für ihre eigenen Zwecke auf die eine oder andere Art modifiziert hatten. Die Menschheit war in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Goldene Götter nannte man die Nugrou unter anderem. Ein Begriff, der sich vor allem auf die Artefakte bezog, die diese Spezies auf unzähligen Welten hinterlassen hatten, darunter riesenhafte goldene Statuen.

Die technischen Hinterlassenschaften der Nugrou hatten vielen anderen Spezies es erst ermöglicht, überhaupt ihren Weg zu den Sternen zu finden und überlichtschnelle Raumfahrt zu betreiben.

„Es muss einen Türmechanismus geben“, glaubte Dunham.

„Archie?“, wandte sich Kerfor an das archäologische Hilfsprogramm.

„Einen Augenblick“, sagte Archie. „Im Augenblick herrscht bei mir eine fast vollständige Ressourcenauslastung, sodass ich Ihnen erst gleich antworten kann.“

„Lass dir nur Zeit, Blechmann“, meinte Dunham.

Archie gab sich gar nicht erst Mühe, diese Bemerkung zu verstehen.

Alles, was auch nur ansatzweise als Humor zu verstehen war, pflegte er zu ignorieren.

„Wie ich schon sagte, die Nugrou-Technik wurde sehr stark modifiziert“, sagte er dann. „Aber ich habe den Mechanismus jetzt analysiert.“ Er nahm eine Schaltung an dem Modul vor. Im nächsten Augenblick öffnete sich eine Tür. Deren Umrisse waren zuvor nicht erkennbar gewesen.

Vor ihnen lag eine große Halle.

„Ein Hangar!“, entfuhr es Dunham. „Mit Ovalraumern!“

Die Ovalraumer waren riesenhaft. Jedes dieser Schiffe war weitaus größer als die GHONDRA.

„Falls es hier nicht ein riesenhaftes Schott gibt, müssen diese Raumschiffe mit Hilfe der Quantenwarpfeldtechnik die Außenwand durchdrungen haben, um hierherzugelangen“, meinte Archie. „Allerdings ist die Quantenwarpfeldtechnik eine terranische Weiterentwicklung der Nugrou-Technologie ...“

„Es könnten auch andere darauf gekommen sein“, meinte Kerfor.

„Die andere Möglichkeit wäre ein direkter Raumsprung in die Anlage hinein“, sagte Archie.

„Kann ich mir ehrlich gesagt kaum vorstellen“, meinte Kerfor.

„Man sollte die hochentwickelte Technik der Nugrou niemals unterschätzen“, glaubte Archie. „Und davon abgesehen sollte man vielleicht auch nicht die Fähigkeiten jener Spezies unterschätzen, die sie weiterentwickelt haben!“

„Jedenfalls wissen wir jetzt, dass die Ovalraumer mit dieser Station in Zusammenhang stehen“, sagte Kerfor.

In diesem Moment zischten gezielte Blasterschüsse durch die Luft.

Der Quasi-Humanoide Roboter, der das archäologische Hilfsprogramm enthielt, stand im nächsten Augenblick ohne Kopf da. Der Blasterstrahl hatte ihn einfach weggeschmolzen.

Es dauerte nur Sekunden und sämtliche Kampfroboter, die Lieutenant Kerfors Trupp begleiteten, waren ebenfalls zerstört. Die Energieblitze, von denen sie getroffen wurden, kamen von allen Seiten. Der Ursprung war nicht so schnell lokalisierbar.

Kerfor registrierte mehrere widersprüchliche Alarmsignale auf seinem Helm-Display.

Und dann erfasste ihn ein ein grünlicher Strahl.

Er war daraufhin nicht mehr in der Lage, auch nur eine einzige Bewegung auszuführen.

Er sackte in sich zusammen und konnte gerade noch erkennen, dass es den anderen Mitgliedern seines Trupps ebenso erging.

Ein Schwarm winziger Drohnen drang zwischen den Ovalraumern hervor.

Und wenig später schnellten Dutzende von achtbeinigen Wesen aus verschiedenen Richtungen auf Lieutenant Kerfor und die anderen zu.

Aber davon bekam Kerfor schon nichts mehr mit.

Der Betäubungsstrahl hatte gewirkt.

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DIE VERBINDUNG ZU Lieutenant Kerfors Trupp ist abgebrochen“, meldete Iggy Lory, der diensthabende Funkoffizier.

Commander Linley runzelte die Stirn.

„Damit haben wir ja eigentlich gerechnet“, murmelte er.

Jetzt meldete sich der diensthabende Ortungsoffizier zu Wort.

Sein Name war Conway.

„Commander?“

„Was gibt es?“

„Ich habe die Subraumdaten noch einmal von der Bord-KI überprüfen lassen und bin dabei zu erstaunlichen Ergebnissen gekommen.“

„Erzählen Sie!“

„Also ein Teil der Spuren stammt tatsächlich von Hyperraumsprüngen von Ovalraumern. Die Subraumsignaturen sind so übereinstimmend mit den Daten, die wir von anderen Orten her kennen, dass da praktisch jeder Irrtum ausgeschlossen ist.“

„Sie waren also hier ...“

„Ja – und sie sind auch an Bord der Station gewesen.“

„Das liegt nahe.“

„Aber es gibt einen nicht unerheblichen Teil von Subraumspuren, die einfach beim besten Willen nicht erklärt werden können, Sir. Aber ich denke, dass ich das Rätsel jetzt lösen konnte.“

„Und wie?“

„Es war die Gigant-Station selbst“, erklärte Conway.

„Sie meinen, dieses Riesending hat einen Raumsprung hinter sich?“, wunderte sich Commander Linley.

„Es spricht viel dafür, dass es nicht nur einer war, sondern ... viele! Das Riesending ist mehr als nur eine Station. Es ist ein Raumschiff!“

„Wann haben diese Raumsprünge stattgefunden?“

„Vor nicht länger als eine Monat der letzte.“

„Das heißt, dass die Station zu einem früheren Zeitpunkt noch gar nicht hier war, richtig?“

„Sie ist sehr gut abgeschirmt. Trotzdem wäre ein so großes Objekt, das ja auch sehr charakteristisch in seiner Strahlungsemission ist, irgendeinem vorbeikommenden Raumschiff ins ortungstechnische Netz gegangen. Da bin ich sicher. Die Gigant-Station ist meiner Ansicht nach das Mutterschiff der Ovalraumer.“

„Wir müssen Kerfor und seine Leute erreichen!“, wandte sich Commander Linley an den Funkoffizier. „Versuchen Sie es immer wieder.“

„Achtung! Explosion an der Außenhülle der Gigant-Station“, meldete nun der Ortungsoffizier. Conway drehte sich zu Commander Linley um. „Das Beiboot von Lieutenant Kerfor und seinem Trupp ist gesprengt worden. Das Pilot-Joe-Programm konnte noch nicht einmal mehr einen Notruf absenden!“

Auf dem Hauptschirm zoomte der Ortungsoffizier einen Bildausschnitt heran. Die Explosion war deutlich zu sehen. Einen Augenblick später wurden die Daten in die Holoprojektion in der Mitte der Zentrale übertragen, sodass man die Explosion des Beibootes jetzt noch einmal in Drei-D-Qualität sehen konnte.

Mit dem Ding werden sie wohl kaum zurückfliegen können!, ging es Commander Linley durch den Kopf.

„Wir bekommen eine Transmission“, sagte Conway nun. „Sie kommt von der Gigant-Station.“

„Eine frohe Botschaft wird das sicher nicht“, meinte Commander Linley.

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Der Kommandant der GHONDRA ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten.

Sein Gesicht wurde zu einer starren Maske.

Wut keimte in Commander Linley auf, während die Augen auf den Panorama-Schirm im Leitstand des Forschungskreuzers GHONDRA gerichtet waren. Lieutenant Kerfor und sein Trupp von terranischen Raumsoldaten war dort zu sehen. Die Männer befanden sich in Käfigen aus Energiefeldern. Sie waren Gefangene. Geiseln einer bislang unbekannten Macht.

Das Bild verschwand.

Es machte dem Konterfei eines krakenähnlichen Wesens Platz. Auf dem unförmigen Körper wuchs eine kopfähnliche Auswölbung mit zwei großen Augen und einem schnabelartigen Mund.

Das krakenähnliche Wesen benutzte sechs seiner insgesamt acht aus dem plumpen Körper herauswachsenden Extremitäten zum Gehen. Die beiden anderen Arme waren zierlicher und endeten in sehr feinen, auf dem Schirm nicht genau erkennbaren Strukturen.

Der Achtbeiner verschränkte sie.

Erst bei genauerem Hinsehen war erkennbar, dass sich auf dem Kopf des Achtbeiner noch eine Art Miniaturausgabe dieses Wesens befand.

Mit seinen Tentakeln hielt sich dieser Zwerg am Kopf seines Trägers fest.

Das Translatorsystem der GHONDRA übersetzte noch einmal die unmissverständliche Botschaft des Krakenähnlichen.

„Ich wiederhole: Verzichten Sie umgehend auf Ihren Ortungsschutz und geben Sie sich zu erkennen. Andernfalls werden wir die Gefangenen einen nach dem anderen umbringen!“

Das Bild des Wesens verschwand.

„Funkkontakt wurde abgebrochen“, erklärte Iggy Lory, der zurzeit die Funk-Z kontrollierte.

Lee Lewis, seines Zeichens Erster Offizier und Pilot der GHONDRA, meldete sich jetzt zu Wort.

„Auf die Forderung der Fremden einzugehen, käme einer Kapitulation gleich“, stellte Lewis fest.

Linley nickte.

Auf dem Hauptbildschirm war das Bild der gewaltigen Raumstation erschienen, die man inzwischen an Bord der GHONDRA als die Domäne bezeichnete. Die Station hatte geradezu gigantische Ausmaße. Sie glich einer gewaltigen Plattform, deren Durchmesser fast fünfzehn Kilometer betrug, auf der sich zahlreiche Kuppeln und Türme erhoben.

Inzwischen hatte sich herausgestellt, dass die Gigant-Station über eine erhebliche Feuerkraft verfügte.

Nur durch ein schnelles Ausweichmanöver hatte sich die GHONDRA vor dem schweren Beschuss retten können. Jetzt befand sie sich mit aktivierter Tarnung in einer Distanz von mehr als 50 000 Kilometern zu dem gewaltigen Objekt – und damit vermutlich außerhalb der Geschützreichweite der Station.

Über eine ausgesetzte Relais-Boje hatte Linley versucht, Kontakt mit der Station aufzunehmen.

Die GHONDRA war dabei für die Systeme der Station offenbar nicht anzupeilen.

„Ich denke, es steht fest, das wir uns dieser Erpressung nicht beugen können“, erklärte Commander Linley entschieden. „Unseren Leuten würden wir damit wohl auch nicht helfen.“ Linley erhob sich aus dem Kommandantensitz und wandte sich an Conway, den Ortungsoffizier der GHONDRA. Gemeinsam mit seinem Assistenten Alberto Attick war er damit beschäftigt, per Fernortung so viel wie möglich über den Gegner herauszufinden.

„Gibt es irgendetwas Neues?“, wollte der Kommandant wissen.

Conway blickte angestrengt auf seine Anzeigen.

„Die Station verfügt über eine ausgesprochen schwere Bewaffnung. An Feuerkraft sind wir ihnen hoffnungslos unterlegen. Allerdings scheinen sie weit entfernt von unserem technischen Standard zu sein. Die Reichweite ihrer Waffen ist vermutlich begrenzt. Ein einziger ihrer Treffer würde die GHONDRA in Stücke reißen, aber wenn wir nicht näher als 50 000 Kilometer herankommen, besteht keine Gefahr.“

Linley nickte zufrieden.

Die Waffen der GHONDRA hatten eine um ein Vielfaches größere Reichweite.

„Gibt es Sektoren in der Station, die wir effektiv angreifen könnten, ohne unsere Leute über Gebühr zu gefährden?“

Conways Blick war konzentriert auf die Anzeigen seines Schaltpultes gerichtet. Ein Projektionsfeld wurde aktiviert. Sie zeigte ein dreidimensionales Abbild der Gigant-Station.

Einige Sektoren waren farbig hervorgehoben.

„Den angemessenen Energiesignaturen zufolge müssten sich hier wichtige Aggregate zur Energiegewinnung sowie Triebwerke befinden.“

„Können Sie auch feststellen, welche dieser Bereiche den Transitionstriebwerken zuzuordnen sind?“, fragte Linley.

„Da sich unsere Technik stark ihrer unterscheidet, steht mir nur ein sehr grobes Spezifikationsraster der Energiesignaturen zur Verfügung“, erklärte Conway. „Aber es müsste trotzdem möglich sein.“

Die Drei-D-Anzeige veränderte sich.

Von den farbig markierten Bereichen blieben nur wenige übrig.

„Suchen Sie den Bereich mit der größten Übereinstimmung zu ihrem Spezifikationsmuster aus!“, forderte Linley.

Conway führte den Befehl sofort aus.

Ein mehrere Decks umfassender Bereich an der Unterseite der Gigant-Station blinkte auf.

„Mister Lewis, bringen Sie ins in eine günstige Gefechtsposition, von der aus wir den markierten Bereich anvisieren können“, wandte sich der Kommandant der GHONDRA nun an seinen Ersten Offizier. „Aber halten Sie uns stets auf einer Distanz, die größer ist als fünfzigtausend Kilometer.“

„Ja, Sir!“

„Dieses Riesending da vorne mag ja ziemlich plump sein, aber ein einziger Treffer aus seinen Geschützen wäre unser sicherer Tod!“

Lewis steuerte die GHONDRA in eine Position, die sich deutlich unterhalb der Scheibenebene der riesigen Raumplattform befand, sodass die Waffen der GHONDRA im Verhältnis zu ihrem Ziel einen günstigen Abschusswinkel hatten.

„Gefechtsposition erreicht!“, meldete Lewis wenig später.

Cromwell, der zweite Offizier, rief: „Waffensysteme schussbereit!“

„Ich möchte eine punktgenaue Zerstörung des markierten Bereichs, nicht mehr!“, erklärte Linley. „Schließlich wissen wir nicht, wo auf der Station unsere Leute gefangen gehalten werden!“

„In Ordnung, Sir!“, versicherte Cromwell. „Ich habe die Geschütze so kalibriert, dass der Beschuss den Schutzschild der Gegenseite durchdringt, aber nicht für einen kompletten Zusammenbruch sorgt. Das hätte nämlich auch für unsere Leute vielleicht unvorhersehbare Folgen.“

Commander Linley atmete tief durch.

Du setzt alles auf eine Karte – so würde ein Terraner dein Verhalten charakterisieren, oder?

Linley wandte den Kopf.

Lanat, ein Vertreter der Spezies der Blauen Luhr befand sich zusammen mit Kryym, einem der an Bord befindlichen Geems, in der Nähe der Ortungsspezialisten Conway und Attick und ihrer Konsolen.

Über sein Implantat vermochte Linley die mentalen Bildsignale, mit deren Hilfe sich die Luhr untereinander zu verständigen pflegten, ohne den Umweg über irgendein Translatorsystem zu verstehen.

Etwas dagegen einzuwenden?, sandte Linley lautlos zurück.

Nein, war Lanats Antwort. Es erstaunt mich nur, einen ansonsten eher auf Kompromiss und Diplomatie setzenden Forscher so hart reagieren und sogar das Leben der eigenen Leute riskieren zu sehen!

Glaub mir, wenn ich eine andere Wahl hätte, wäre das nicht der Fall.

Linleys Blick wandte sich dem großen Hauptbildschirm zu.

Von der GHONDRA aus wurde jetzt gefeuert.

Der gelblich schimmernde Schutzschirm, der die Station umgab, flackerte leicht.

„Treffer!“, meldete Cromwell.

An der Außenhaut des Raumgiganten war eine Explosion zu erkennen. Teile der Außenhülle platzten weg.

„Mister Lory, stellen Sie über die Relais-Boje eine Verbindung zur anderen Seite her“, befahl Linley dem Funker.

„Ja, Sir. Die Phase ist offen. Sie können sprechen.“

Linley nickte leicht.

„Hier spricht Commander Linley, Kommandant des Forschungsraumers GHONDRA. Wir werden uns Ihrem Erpressungsversuch nicht beugen. Geben Sie die Gefangenen umgehend frei. Andernfalls werden wir im Abstand von zehn Sekunden weitere empfindliche Feuerschläge folgen lassen. Linley Ende.“

Und du glaubst, dass sie darauf reagieren?, fragte Lanat stumm. Er wandte den reptilienhaft geschuppten Kopf in Linleys Richtung. Die insektenartigen Facettenaugen musterten Linley auf eine Weise, die dieser trotz all seiner Kenntnisse über die Luhr nicht recht zu interpretieren wusste.

„Man wird sehen, was die andere Seite tut!“, sagte Linley laut, sodass alle es hören konnten.

Zehn Sekunden vergingen, ohne dass die Herren der riesigen Raumstation in irgendeiner Form reagierten.

Linley gab erneut den Feuerbefehl.

Wieder wurde eine Stelle beschossen, wo auf Grund der Taster-Daten damit zu rechnen war, dass Elemente der Transitionstriebwerke getroffen und ausgeschaltet wurden.

Ortungsoffizier Conway meldete einen Volltreffer. Die anvisierte Zielregion wurde punktgenau getroffen. Mehrere Explosionen konnten angemessen werden. Der schon durch den ersten Beschuss geschwächte gelbliche Schutzschild hatte dem Beschuss durch gebündelte Energiestrahlen nichts entgegenzusetzen. Der zweite Treffer hatte sein Zielgebiet mit noch größerer Durchschlagskraft getroffen als der erste.

„Ausweichmanöver, Mister Lewis!“, befahl Linley.

Der erfahrene Lewis hatte das längst eingeleitet.

Durch den Beschuss konnte man auf der Raumstation den ungefähren Standort der GHONDRA anmessen und feuerte daher die ultrastarken Geschützbatterien ab. Großflächig wurde das Raumquadrat, von dem aus die GHONDRA geschossen hatte, jetzt mit Strahlenfeuer und Torpedos eingedeckt.

Aber die Distanz war zu groß.

Nur einige wenige Torpedos erreichten überhaupt das Zielgebiet. Und das mit einer zeitlichen Verzögerung, die es leicht machte, ihnen auszuweichen.

Zwar verfügten sie über die nötige Technologie, um ihre Ziele selbst zu suchen. Aber die in den Torpedos integrierten Ortungssysteme waren ebenso wenig wie die Sensoren der Gigant-Station selbst dazu in der Lage, die Tarnung der GHONDRA zu durchdringen.

Sie waren blind.

Es war keine Kunst, ihnen auszuweichen.

Ein dumpfes Brummen ließ die GHONDRA leicht vibrieren. Die Impulstriebwerke des Luhr-Schiffs, das Linley auf Grund seiner Verdienste um das Volk der Luhr als persönlicher Besitz übergeben worden war, liefen bei Lewis’ Ausweichmanöver auf Hochtouren. Schon Sekunden später war sie erneut gefechtsbereit.

„Keine Reaktion!“, meldete Iggy Lory von der Funk-Z.

Linley hatte mit nichts anderem gerechnet.

„Feuer!“, befahl er.

Erneut kam es auf der Station zu gezielten, schweren Treffern. Das Blasterfeuer durchdrang den Schutzschirm und die Außenhülle, als wäre dort nichts. Die Stärke des Schirms lag ohnehin nur noch bei gut fünfzig Prozent.

„Es hat erhebliche Zerstörungen im Zielareal der Station gegeben“, meldete Ortungsoffizier Conway. „Die Detonationen, die unsere Messgeräte verzeichnen, sprechen dafür, dass wir etwas sehr Entscheidendes getroffen haben. Vielleicht einen Konverter oder dergleichen. Außerdem ...“

Iggy Lory fiel ihm ins Wort.

„Sir, uns erreicht eine Botschaft des Gegners. Der Achtbeiner will verhandeln!“

„Sie wollen Zeit gewinnen!“, erwiderte Linley kühl. „Öffnen Sie eine Phase.“

„Schon geschehen, Sir. Wir erhalten auch ein Bildsignal.“

Auf dem großen Schirm war jetzt erneut das Krakenwesen mit seinem zwergenhaften Begleiter zu sehen.

Der Bordrechner der GHONDRA übersetzte die Botschaft.

„Wir möchten über eine Einstellung der Feindseligkeiten verhandeln“, erklärte das Wesen. „Zu diesem Zweck ...“

Linley unterbrach den Redefluss seines Gegenübers.

Er hatte nicht die geringste Neigung, sich mit den Herren der Station auf irgendeinen Handel einzulassen.

„Hier Linley. Wir sind an Verhandlungen nicht interessiert, sondern bestehen auf der Erfüllung unserer Forderung nach umgehender und bedingungsloser Freilassung der Gefangenen. Außerdem möchte ich, dass sofort die Funksperre aufgehoben wird, die die Kontaktaufnahme mit unseren Leuten bisher vereitelt hat. Solange dies nicht geschehen ist, werden wir den Beschuss fortsetzen. Linley Ende. Lory?“

„Ja, Sir?“

„Unterbrechen Sie den Kontakt.“

Unmittelbar danach gab der Kommandant der GHONDRA erneut den Befehl zum Feuern.

Wieder traf der Beschuss punktgenau die anvisierten Zielstellen.

Lewis leitete ein erneutes Ausweichmanöver ein. Schließlich sollte das Risiko vermieden werden, am Ende doch noch von einem verirrten, durch das All geisternden Torpedo einen Treffer zu erhalten.

Conway meldete sich zu Wort.

„Die Beschädigungen an Bord der Station scheinen erheblich zu sein, Commander. Außerdem hat die Gegenseite ihr Feuer eingestellt.“

„Weil sie begriffen haben, dass es vollkommen sinnlos ist, wenn sie uns mit ihren Impulsgeschützen zu erwischen versuchen, solange wir uns außer Schussweite halten!“, stellte Cromwell fest.

„Ich erhalte gerade eine weitere Nachricht der Gegenseite“, meldete jetzt Iggy Lory. Er starrte auf die in sein Schaltpult integrierten Anzeigefelder. Eine tiefe Furche entstand zwischen seinen Augen. „Sie bitten um Feuereinstellung. Außerdem gibt es Bilder unserer Leute!“

„Auf den Schirm damit!“, befahl Linley.

Im nächsten Augenblick waren Lieutenant Kerfor und die unter seinem Kommando stehenden Raumsoldaten zu sehen.

Drei von ihnen fehlen!, ging es Linley durch den Kopf. Außerdem die Kampfroboter!

Offenbar hatte es während ihrer Mission Verluste gegeben.

Die Bildschirmanzeige zoomte etwas näher an die Männer heran. Die flimmernden Energiekäfige waren deutlich zu sehen. Linley erkannte auch die Züge von Willie Dunham.

„Es scheint sich um eine Art Hangar zu handeln!“, stellte Lewis fest.

Linley musste ihm Recht geben. Im Hintergrund waren Ovalraumer unterschiedlicher Größe zu sehen. Allerdings waren Raumschiffe der Zweihundert-Meter-Klasse vorherrschend.

Die flimmernden Energiekäfige verschwanden.

Die Verwunderung unter Kerfors Männern war deutlich erkennbar.

Sie blickten sich unschlüssig an.

„Ist Funkkontakt zu unseren Leuten möglich?“, fragte Linley.

Lory verneinte dies.

„Negativ, Sir. Wir haben keine Möglichkeit, die Visios der Männer anzupeilen.“

„Sieht aber aus, als ob sie einen ersten Schritt auf uns zu gemacht hätten“, raunte Cromwell.

Linley nickte. Mehr aber auch nicht!, fügte er in Gedanken hinzu. Wir haben sie zum Nachgeben gezwungen, aber sie werden uns nicht einen Millimeter weiter entgegenkommen, als sie es für unbedingt notwendig halten!

Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis lautete, dass der Druck auf den Gegner unbedingt aufrechterhalten werden musste.

Linley wies Lory an, eine Verbindung zur Station herzustellen. „Hier Linley. Wir stellen das Feuer ein, sobald Funkkontakt mit unseren Leuten möglich ist. Außerdem möchten wir, dass der Bildkanal offen bleibt und wir verfolgen, was mit ihnen geschieht. Des Weiteren werden Sie unseren Männern eines Ihrer Schiffe überlassen, mit denen sie zu uns übersetzen können.“

Sekunden verstrichen.

„Die andere Seite ist einverstanden!“, meldete Lory schließlich.

Linley atmete tief durch.

Er ging auf seinen Kommandantensitz zu und ließ sich schließlich hineinfallen.

Die Erleichterung war ihm deutlich anzusehen.

Aber noch waren seine Männer nicht zurück an Bord der GHONDRA.

Wenig später meldete sich Lieutenant Kerfor über seinen Kommunikator. Sein Gesicht erschien auf einem der kleineren Nebenschirme im Leitstand der GHONDRA.

„Melde mich zurück, Sir!“, sagte er.

„Ich hoffe, Sie und Ihre Leute sind wohlauf!“

„Diejenigen, die noch leben, ja.“

„Sie hatten Verluste.“

„Ja. Ansonsten geht es uns den Umständen entsprechend. Sie müssen den Achtbeiner ziemlich eingeheizt haben, um sie dazu zu bewegen, uns wieder freizulassen?“

„Darüber sprechen wir, wenn Sie wieder an Bord sind, Lem! Kehren Sie so schnell wie möglich zurück!“

„Ja, Sir! Aber dazu brauchen wir ein Raumfahrzeug. Unser Beiboot ist zerstört.“

„Besitzen die Achtbeiner Raumschiffe?“

„Unserer Ortung nach ja.“

„Die Achtbeiner werden Ihnen gestatten, eines ihrer Schiffe zu nehmen.“

„Wenn die Achtbeiner das zulassen!“

„Das werden sie! Dafür werde ich sorgen.“

„Aye, aye, Sir.“

„Viel Glück, Kerfor.“

„Wir werden es brauchen.“

*

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WIR SIND FREI!“, RIEF Willie Dunham. Der Raumsoldat schien es noch nicht richtig fassen zu können, nicht mehr in einem Käfig aus energetischen Kraftlinien gefangen zu sein.

Lieutenant Kerfor, der Kommandant des kleinen Trupps, der in die sogenannten Domäne, wie die Gigant-Station genannt wurde, eingedrungen war, blickte sich kurz um und traf dann eine Entscheidung.

Er deutete in Richtung der nächsten 200-m-Einheit.

„Dorthin, Leute! Ich bin mal gespannt, ob die Achtbeiner ihre Zusage wirklich halten und uns mit einem ihrer Raumschiffe so einfach davonziehen lassen!“

„Das werden sie!“, war Dunham recht zuverlässig. „Sonst gibt der Commander ihnen wieder was vor den Bug!“

Die Raumsoldaten stürmten los.

Sie hatten keine Zeit zu verlieren.

Schließlich war es jederzeit möglich, dass es sich die Achtbeiner anders überlegten und ihre Zusagen rückgängig machten.

Die Männer erreichten die hoch aufragenden Ovalraumer. Ein gigantisches Schiff, das aber im Vergleich zur gesamten Domäne jedoch nichts weiter als ein winziges Beiboot war.

Kerfor atmete tief durch. Jetzt kommt es darauf an!, durchzuckte es ihn. Sein Blick war auf eine farbig abgegrenzte Fläche an der Außenhülle des Ovalraumers gerichtet. Dort vermutete Kerfor das Hauptschott.

Es öffnete sich.

Offenbar hatten die Achtbeiner, wie Kerfors Leute die Angehörigen dieses krakenähnlichen Volkes nannten, doch die Absicht, ihnen ein Schiff zu überlassen. Die Herren der Domäne nannten sich selbst Lakab. Die kleinen Miniatur-Achtbeiner auf ihren Köpfen wurden als „Seni“ bezeichnet. Die Seni trafen die Entscheidungen, während die Lakab vollkommen unter dem Einfluss dieser Zwerge standen.

Eine Erschütterung ging durch die Station. Ein dumpfes Grollen war zu hören. Der Boden vibrierte.

Kerfor sprach in seinen Armband-Kommunikator.

Die jetzt ungestörte Verbindung zur GHONDRA hatte Kerfor die ganzer Zeit über offen gelassen.

„Hier Kerfor. Es gibt anscheinend weitere, sehr heftige Explosionen an Bord der Station.“

Das Gesicht von Commander Linley erschien auf dem kleinen Sichtschirm des Kommunikators.

„Wir haben das Feuer eingestellt“, erklärte der Commander.

„Dann müssen die Treffer, die die Station erhalten hat, so gravierend gewesen sein, dass sie offenbar eine Art Kettenreaktion zur Folge haben.“

„Sehen Sie zu, dass Sie da rauskommen, Kerfor. Wer weiß, wann Ihre Gastgeber es sich anders überlegen und Sie wieder festsetzen!“

„Sind schon unterwegs, Sir!“

Innerhalb weniger Augenblicke hatte sich das Hauptschott des Ovalraumers zur Gänze geöffnet. Eine Rampe wurde herabgelassen. Über sie konnte man bequem ins Innere des Schiffs gelangen.

Kerfor und seine Männer ließen sich nicht lange bitten. Sie liefen die Rampe hinauf. Hinter ihnen begann sich das Schott bereits wieder zu schließen.

Als Erstes galt es, die Zentrale zu finden.

Die Männer erreichten einen Antigravschacht, mit dem sie sich mehrere Decks emporschweben ließen. Kerfor vermutete, dass der zentrale Leitstand des Ovalschiffs dort lag, wo er im Fall eines Angriffs am Besten geschützt war. Und das war bei einem Raumschiff mit dieser charakteristischen Form nun einmal genau in der Mitte.

Wieder hetzten sie durch kahle Korridore, die allesamt eine dreieckige Form aufwiesen.

An den Wänden fielen immer wieder farbige Markierungen auf.

Symbole eines vollkommen fremden Zeichensystems waren darauf zu sehen.

„Vielleicht handelt es sich ja um so etwas wie Wegweiser!“, vermutete Dunham.

„Ich schätze, die Achtbeiner brauchen das nicht“, erwiderte Lieutenant Kerfor. „Die werden sich in ihren eigenen Raumern schon auskennen!“

„Im Gegensatz zu uns!“, knurrte einer der anderen Männer. „Ich habe jedenfalls nicht die geringste Ahnung, ob wir wirklich auf dem Weg zur Zentrale sind!“

Willie Dunham blieb stehen und berührte eines der farbigen Felder mit der Hand.

Ein Projektionsfeld entstand.

Es zeigte Kolonnen von Symbolen aus der fremdartigen, ziemlich verschnörkelten Schrift der Achtbeiner. Außerdem dreidimensionale Bilder, die teilweise bewegt waren. Holographien von Achtbeinern, aber auch eher abstrakte, schematische Darstellungen, bei denen man nur raten konnte, was sie wohl bedeuten mochten.

„Offenbar ein Zugang zum Datennetz“, stellte Kerfor fest.

Willie Dunham nickte.

„Vielleicht können wir mit Hilfe eines unserer Kristallsensoren in das System eindringen“, schlug er vor.

Kerfor zögerte kurz.

Dann stimmte er zu. „Versuchen Sie es, Dunham.“

Das ließ sich Dunham nicht zweimal sagen.

Er setzte den Kristallsensor seines Armband-Kommunikators dazu ein. Er versuchte eine Frequenz zu finden, auf der ein Datenaustausch möglich war.

„Das System ist überhaupt nicht abgeschirmt“, stellte er etwas verwundert fest.

„Möglicherweise spricht das dafür, dass es recht unbedeutend ist“, glaubte Kerfor.

Erneut durchlief eine Erschütterung die gesamte Station. Selbst hier, im Inneren des Ovalraumers war sie zu spüren.

Es herrschte angespanntes Schweigen.

Dunham fand eine Frequenz, über die man in das Menü des Systems gelangen konnte. Dutzende Projektionen von bunten Feldern mit Schriftzeichen darauf erschienen plötzlich.

Willie Dunham verstand kaum etwas von dem, was sich da an Datenwust offenbarte.

Schließlich fand er ein sehr plastisch wirkendes Drei-D-Bild des Ovalraumers. Es wirkte wie eine Miniaturausgabe des Schiffes. Nur dass sie nicht real war, sondern lediglich eine täuschend echt wirkende Holographie.

Die Außenhaut des Raumers im Projektionsfeld verschwand.

Die Darstellung erinnerte jetzt an eine herkömmliche Risszeichnung.

Nur dass sie wesentlich genauer und detaillierter war, als die Terraner dies noch vor wenigen Jahrzehnten hätten zuwege bringen können.

Eine Markierung war erkennbar.

„Vielleicht eine Art Wegweiser!“, stellte einer der Männer fest.

Kerfor nickte.

Er näherte sich der Projektion und fuhr mit der Hand durch sie hindurch. Weitere Projektionsfenster erschienen. Anscheinend konnte man das Menü auch durch physisches Eindringen in die Holographie verändern.

„Offenbar brauchen auch die Achtbeiner Orientierungshilfen!“, stellte Dunham fest. „Nur zu dumm, dass wir ihre Schrift nicht lesen können.“

Kerfor blickte angestrengt auf die dreidimensionale Rissansicht des Schiffes. Durch Berührung eines bestimmten Sektors öffnete sich sofort eine detaillierte Darstellung.

Er durchsuchte jene Sektoren im Zentralbereich des Schiffes, von denen er angenommen hatte, dass sich dort die Zentrale befand.

Aber das traf nicht zu.

Alles, was Kerfor fand, waren Mannschaftsquartiere für Wesen, deren Anatomie ganz offensichtlich nicht der menschlichen entsprach, wie an den sehr seltsam geformten Sitz- und Liegemöbeln erkennbar war, die man in der Detailansicht sehen konnte.

Systematisch durchsuchte der Kommandant des Trupps anschließend das gesamte Schiff.

Schließlich fand er unterhalb der oberen Kuppel des Ovalraumers einen Raum, der womöglich als Leitstand fungierte. Kerfor deutete mit dem Finger dorthin und aktivierte dadurch sofort die Detailansicht.

„Merken wir uns gut den Weg dorthin!“, forderte er seine Männer auf. „Wir müssen den zentralen Antigravschacht ganz hinauf und dann den Hauptkorridor entlang.“

*

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WENIGE MINUTEN SPÄTER hatten Kerfor und seine Leute den Leitstand des Ovalraumschiffs erreicht.

Der Raum hatte eine kuppelartige Form.

Sobald die Terraner durch die sich selbst öffnende Schiebetür traten, wurden automatisch die Basissysteme aktiviert. Dutzende von Sichtschirmen flackerten auf. Dreidimensionale Darstellungen von Rechnermenüs entstanden. Auf den zuvor vollkommen kahlen Flächen an den Wänden sowie auf verschiedenen zylinderförmigen Säulen erschienen farbig markierte Punkte und Anzeigen, von denen anzunehmen war, dass durch ihre Berührung die Schiffssysteme gesteuert werden konnten.

„Glauben Sie wirklich, dass wir damit einen sauberen Start hinbekommen?“, fragte einer der Männer zweifelnd, während er sich das Schaltpunkt aus Sensorpunkten auf der vor ihm stehenden Säule kopfschüttelnd ansah.

„Technologisch sind die Achtbeiner uns keineswegs voraus“, stellte Kerfor klar. „Und ein Raumschiff ist letztlich immer noch ein Raumschiff. Die Naturgesetze des Universums gelten auch für die Erbauer dieses Schiffes. Also dürfte es keine unüberwindbare Hürde sein, das Bordsystem in den Griff zu bekommen!“

Wieder ertönte ein dumpfes Grollen, und eine spürbare Erschütterung durchlief das Schiff. Eine weitere folgte. Diesmal war sie so stark, dass Dunham gegen eine der Säulen geschleudert wurde. Mit der Hand fing er den Sturz ab. Durch die Berührung aktivierte er Dutzende von Projektionsfeldern, die zusammen ein buntes holographisches Chaos bildeten.

Dunham fluchte lauthals.

Ein schrilles Klingelgeräusch ertönte jetzt.

Offenbar ein Alarmsignal.

Lieutenant Kerfor stand vor einer Säule, von der er glaubte, dass über sie die Maschinen des Schiffs gestartet werden konnten. Die Projektionsfelder, die er bislang geöffnet hatte, gaben ihm Anlass zu dieser Annahme.

Als abermals ein heftiger Ruck durch den Ovalraumer ging, meinte Dunham: „Es hat keinen Sinn, Sir! Wir sind hier nicht schnell genug heraus, bevor es brenzlig wird!“

Kerfor musste zugestehen, dass Dunham Recht hatte.

Er wandte sich über Interkom an Commander Linley auf der GHONDRA.

„Sir, es scheint hier langsam wirklich brenzlig zu werden. Immer wieder kommt es zu sehr heftigen Detonationen innerhalb der Station, und ich fürchte, dass wir nicht schnell genug mit der fremden Technik des Ovalraumers vertraut werden, um noch rechtzeitig starten zu können.“

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AUF LINLEYS STIRN BILDETE sich eine tiefe Furche. Er wandte sich an die Funk-Z. „Lory, stellen Sie eine Verbindung zu den Krakenartigen her!“

„Phase ist offen, Sir.“

„Hier Linley. Schleusen Sie das Schiff, in dem sich unsere Leute befinden per Autopilotfunktion aus ihrer Station und lassen Sie es in einem Abstand von hunderttausend Kilometern stoppen.“

Linley wartete angespannt.

Aber vergebens.

„Keine Reaktion!“, meldete Iggy Lory.

„Dann werden wir unserer Forderung etwas Nachdruck verleihen müssen!“, stellte Linley grimmig fest und gab sofort danach den Befehl zu einem erneuten Feuerschlag. Wieder wurde eine der zuvor markierten sensiblen Sektoren ausgewählt.

Da jetzt wieder ungehinderter Funkkontakt zu Kerfors Gruppe möglich war, konnte deren Standort angemessen werden, sodass diesmal nicht das Risiko bestand, versehentlich die eigenen Leute in Mitleidenschaft zu ziehen.

Der gelbliche Schutzschirm der Station war bereits so schwach, dass er für die auftreffenden Energiestrahlen so gut wie keinerlei Hindernis mehr darstellte.

Linley sah angestrengt auf den Hauptbildschirm.

Eine auch außen deutlich sichtbare Explosion ließ bei der Station ein Stück der Hülle herausplatzen. Eine grünlich schimmernde Lichterscheinung flackerte kurz auf. Offenbar der vergebliche Versuch, Abschirmungsfelder zu errichten. Sie brachen sofort in sich zusammen.

Wenig später erschien der Achtbeiner mit seinem kleinen Zwilling auf dem Kopf in einem Bildschirm.

Ihr Achtbeinigen kennt wohl nur eine Sprache!, durchzuckte es Linley, dem es eigentlich vollkommen gegen den Strich ging, auf diese Weise vorgehen zu müssen. Aber selbst angesichts ihrer doch offensichtlichen technischen Unterlegenheit versuchte die andere Seite immer wieder, die zunächst akzeptierten Bedingungen für die Feuereinstellung zu umgehen.

„Wir werden tun, was Sie von uns verlangen!“, erklärte der größere der beiden bislang namenlosen Achtbeiner.

„Ihnen bleibt auch keine andere Wahl“, erwiderte Linley kühl. „Ich hoffe, das haben Sie inzwischen begriffen.“

„Das haben wir“, schnarrte die Antwort aus dem Translator. Aber diesmal war es überraschenderweise nicht der große Achtarmige gewesen, der sich geäußert hatte, sondern der kleine Zwilling auf seinem Kopf.

Die Verbindung wurde beendet.

Auf dem Hauptbildschirm war wenig später zu sehen, wie sich in der Station ein Hangar öffnete.

Ein vergleichsweise winziger Ovalraumer entfernte sich in gemächlichem Tempo.

„Raumschiff nähert sich mit minimaler Impulsgeschwindigkeit“, erklärte Conway.

„Sind unsere Männer an Bord?“, vergewisserte sich Linley.

„Die Kenn-Signale ihrer Armband-Visios werden eindeutig identifiziert. Allerdings ...“ Conway sprach nicht weiter.

„Ja?“

„Drei Signaturen fehlen.“

Linleys Gesicht verfinsterte sich etwas.

Es gab viele Dinge, an die man sich gewöhnen konnte. Das Akzeptieren von Verlusten unter der eigenen Mannschaft gehörte nicht dazu. „Sobald Kerfor an Bord ist, wird er mir berichten, was geschehen ist“, murmelte er.

Cromwell wandte sich an den Commander. „Wollen Sie den Achtarmigen wirklich trauen?“

Linley schüttelte den Kopf.

„Ich denke gar nicht daran! Drei Boote sollen ausgeschleust werden und unsere Leute an Bord nehmen, sobald der Ovalraumer den 50 000-Kilometer-Radius um die Station hinter sich gelassen hat und außer Schussweite liegt.“

„In Ordnung, Sir. Wird sofort veranlasst.“

„Bislang hat die andere Seite immer versucht, uns hereinzulegen und ich wüsste nicht, weshalb das diesmal anders sein sollte.“ Linley wandte sich an Kerfor, zu dem die Kom-Verbindung permanent aufrechterhalten worden war.

„Lagebericht, Lem!“, forderte Linley.

„Alle Systeme an Bord dieses Schiffes arbeiten vollkommen automatisch. Soweit wir das beurteilen können, gibt es keinerlei Anlass zur Besorgnis.“

„Da Sie sich ohnehin mit der Technik des Ovalraumers nicht auskennen, ist Ihre Anwesenheit im Leitstand nicht mehr erforderlich“, erklärte Linley. „Begeben Sie sich mit Ihren Männern zu jener Schleuse, über die Sie das Schiff betreten haben.“

„Jawohl, Sir.“

„Beiboote sind gestartet!“, meldete inzwischen Cromwell.

„Sie haben es gehört, Lem!“, sagte Linley an Kerfor gerichtet. „Sobald der Ovalraumer sich jenseits der Kanonenreichweite unserer Gegner befindet, werden sie an Bord genommen.“

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Wenige Minuten später erreichten Kerfor und seine Gruppe die Schleuse, über die sie das Raumschiff betreten hatten.

Sie schlossen die Helme ihrer Raumanzüge.

Von der GHONDRA erreichte Kerfor die Meldung, dass der Ovalraumer inzwischen den 50 000-Kilometer-Radius überschritten hatte und damit nicht mehr von den Geschützbatterien der Raumstation erreicht werden konnte.

„Verlassen Sie das Schiff!“, lautete Linleys unmissverständlicher Befehl. „Sofort!“

„Sie vermuten eine Falle!“, stellte Kerfor fest.

Einige der Männer umringten eine etwa hüfthohe Säule, über deren farbige Sensorfelder offenbar ein Zugang zu den Bordsystemen möglich war.

„Vermutlich befindet sich hier das Steuermodul für die Schleuse“, meinte Willie Dunham, der bereits einige Projektionsfelder mit rätselhaften Symbolen geöffnet hatte, aus denen jedoch keiner der Terraner schlau werden konnte.

„Damit halten wir uns nicht auf“, befahl Kerfor. „Sprengladungen am Außenschott anbringen!“

Die Männer gehorchten.

Innerhalb weniger Augenblicke waren drei kleinere Sprengsätze an verschiedenen Punkten des Außenschotts angebracht.

Über ein mobiles Zündungsmodul wurden sie aktiviert. Kerfor und die anderen zogen sich so weit es ging zurück.

Die Explosion riss das Schott förmlich auseinander und schleuderte die Bruchstücke ins All hinaus. Die Atemluft entwich schlagartig. Ein Sog entstand, der Kerfor, Dunham und die anderen Angehörigen des Trupps hinaus in den Weltraum riss.

Schwerelos schwebte Kerfor inmitten des endlosen Alls. Die Sterne waren nicht mehr als winzige Lichtpunkte in diesem Meer der Finsternis. Nirgends kann man ein besseres Gefühl für das bekommen, was man die Unendlichkeit nennt, als wenn man im Raumanzug durch das All schwebt, ging es Kerfor durch den Kopf. Nur durch die dünne Schutzschicht des Anzugs vor der absoluten Kälte des Alls geschützt.

„Befehl ausgeführt!“, meldete Kerfor über Funk an die GHONDRA. „Ich nehme an, dass die Beiboote keine Schwierigkeit haben werden, unsere Armbandgeräte anzupeilen.“

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DIE BEIBOOTE MELDEN, dass Kerfor und seine Leute an Bord genommen werden konnten!“, meldete Funkoffizier Lory. „Beide Einheiten kehren jetzt zur GHONDRA zurück und werden in wenigen Augenblicken in den Hangar einfliegen.

Linley lehnte sich erleichtert im Kommandantensitz zurück und schlug die Beine übereinander.

„Halten Sie das Schiff weiter im Auge, Conway!“, befahl Linley in Richtung des Ortungsoffiziers.

„Jawohl, Sir. Auf der Station gibt es übrigens weitere starke Explosionen.“

Minuten verstrichen.

Die Beiboote kehrten zur GHONDRA zurück und landeten sicher im Hangar.

Wenig später erschien Lieutenant Kerfor zur Berichterstattung im Leitstand. Er hatte sich nicht einmal die Zeit genommen, seinen Raumanzug abzulegen.

Er nahm Haltung an.

„Melde mich zurück, Sir!“

Linley nickte. Er wollte etwas erwidern, aber Conway fiel ihm ins Wort.

„Der Ovalraumer hat den Zielpunkt im Abstand von hunderttausend Kilometern von der Station innerhalb der nächsten zehn Sekunden erreicht. Er drosselt tatsächlich die Fahrt und scheint ein Haltemanöver einzuleiten, so wie Sie es verlangt haben, Commander!“

Alle Augen waren auf die Sichtsphäre gerichtet, auf der das Raumschiff zu sehen war.

Ein dreidimensionales Liniengitter mit Entfernungsangaben erleichterte dem Betrachter die Orientierung.

Das ovale Schiff erreichte den Zielpunkt.

Nichts geschah.

„Die Achtbeiner – so haben wir die achtarmigen Herren der Domäne genannt – sind vollkommen skrupellos. Ich würde ihnen nicht einen Augenblick lang über den Weg trauen.“

„Das haben wir auch schon gemerkt“, erwiderte Linley. „Aber was ist eine Domäne?“

Lieutenant Kerfor lächelte matt.

„Unsere interne Bezeichnung für diese Gigant-Station.“

„Verstehe.“

„Wir sind in dieser Station auf Dinge gestoßen, die selbst einem hartgesottenen Raumsoldaten das Blut in den Ader gefrieren lassen können.“

„Berichten Sie!“, forderte Linley.

„Wir entdeckten Beweise dafür, dass die Achtbeiner – oder Lakab, wie sie eigentlich heißen – auf einer Vielzahl von Planeten in mehr oder minder regelmäßigen Abständen Lebewesen entführten und grauenhaften Vivisektionen unterzogen. Die unterschiedlichsten Spezies waren darunter, aber soweit wir das in Erfahrung bringen konnten, handelte es sich ausschließlich um Angehörige von Hybridvölkern.“

„Wie die Luhr“, murmelte Linley.

Lanat mischte sich plötzlich ein.

„Sind die Achtbeiner ebenfalls ein Hybridvolk?“, signalisierte der blaue Luhr. Seine Facettenaugen waren auf Kerfor gerichtet. Der etwa zwei Meter große Körper, in dem sich Eigenschaften reptilienhafter und insektoider Vorfahren vereinigten, straffte sich.

Kerfor überlegte einen Augenblick und schüttelte anschließend energisch den Kopf. „Tut mir leid, ich kann diese Frage nicht beantworten. Den meisten anderen Spezies, denen wir begegneten, sah man auch ohne eine Auswertung der DNA sofort an, dass sie aus unterschiedlichen Ursprungsspezies gewissermaßen zusammengesetzt worden waren. Aber bei den Achtbeinern bin ich mir nicht sicher.“

„Bislang wissen wir einfach zu wenig über sie“, war Lanats Antwort. „Davon abgesehen sagt äußerliche Ähnlichkeit nichts über die genetische Verwandtschaft aus.“

„Noch etwas erscheint mir erwähnenswert“, berichtete Kerfor. „In den Heimatsystemen der Hybridwesen, die wir besuchten, waren die Sonnensonden verschwunden – offenbar ohne dass das degenerierte Kaiserreich der Luhr davon etwas mitbekommen hätte!“

Ein Ruck ging durch Linley.

Aber er kam ebenso wenig wie Lanat dazu, über die Implikationen dieser Beobachtung weiter nachzudenken, denn in dieser Sekunde wurde die Aufmerksamkeit von dem ovalen Raumschiff abgelenkt, das nun schon fast volle drei Minuten an seinem Zielpunkt in 100 000 Kilometer Entfernung zur Station im Raum verharrte.

Jetzt platzte der Raumer in einer wuchtigen Explosion förmlich auseinander. Wie Geschosse wurden große Trümmerstücke ins All geschleudert. Eine zweite Explosionswelle holte die Stücke ein und vernichtete auch sie. Linley wandte den Blick zur Seite.

„Ich habe es geahnt!“, murmelte der Commander grimmig. „Wären wir zum Treffpunkt geflogen, wäre die GHONDRA von der Detonation ebenso zerrissen worden, wie das Achtbeiner-Schiff!“

Für einige Augenblicke leuchtete ein wahres Inferno auf.

Dann war da nichts mehr, außer der Schwärze des Alls.

Du hattest den richtigen Instinkt!, signalisierte Lanat an Linley gerichtet, ohne dass irgendjemand sonst im Leitstand der GHONDRA davon etwas mitbekommen konnte.

Conway meldete sich zu Wort.

„Die Taster zeichnen immer größere Explosionen an Bord der Station auf!“, meldete der Dritte Offizier.

„Vor unserem Start gab es bereits erhebliche Erschütterungen“, ergänzte Kerfor.

„Anscheinend hat unser Beschuss den Gegner empfindlich getroffen!“, war Lee Lewis’ Kommentar.

Der Hauptbildschirm zeigte jetzt ein vergrößertes Bild der Station, an deren Unterseite immer größere Stücke aus der Außenhülle herausplatzten. Von dem gelblich flimmernden Schutzschirm war nichts mehr zu sehen. Brände leckten aus den Bruchstellen heraus. Risse entstanden, setzten sich fort und verzweigten in gezackten Linien, aus denen grelle Lichterscheinungen hervorblitzten.

„Die Domäne bricht auseinander!“, entfuhr es Kerfor.

„I.O., vergrößern Sie den Abstand!“, verlangte Linley.

„Ja, Sir“, gab Lee Lewis zurück und leitete sofort ein entsprechendes Manöver ein.

„Strahlungswerte steigen!“, meldete Conway. „Der Gigant dürfte nicht mehr zu retten sein!“

Die Aufbauten auf der Oberseite der riesenhaften Scheibe platzten in grellen Explosionen davon. Trümmer wurden ins All geschleudert.

Das Außenschott eines Hangar flog ebenfalls davon. Zwei Ovalraumer schossen aus dem Inneren der Station heraus, bevor diese in mehrere, ungleiche Bruchstücke zerbrach.

Die Raumschiffe beschleunigten.

Gerade hatten sie einen Abstand von etwa 40 000 Kilometer, da explodierte das größte Bruchstück mit extremer Wucht. Heißes Plasma breitete sich wie in einer Glutwelle aus und erfasste nacheinander die anderen Bruchstücke des Raumgiganten. Sobald die Glutwelle sie erreichte, explodierten auch sie.

Augenblicke lang leuchtete dieses Inferno noch auf, dann wich es wieder der Dunkelheit.

Die Station war atomisiert worden.

Harte Strahlung breitete sich aus.

„Da ist buchstäblich nichts geblieben“, meldete Conway mit Blick auf seinen Anzeigen. „Nicht ein Bruchstück, aus dessen Untersuchung man irgendwelche Erkenntnisse gewinnen könnte!“

„Die Ovalraumer ähneln rein äußerlich den Schiffen der Luhr“, meinte Kerfor. „Aber dieser Gigant war etwas völlig Einzigartiges.“

„Genau das sollte für uns Grund genug sein, den beiden Raumschiffen auf den Fersen zu bleiben, die kurz vor der Explosion die Station verließen“, meinte Linley.

„Beide Raumschiffe bereiten sich auf eine Transition vor!“, meldete Conway.

Linley wandte sich an Cromwell. „Stellen Sie sich Ihre Mannschaft zusammen wie Sie wollen, II.O.! Schleusen Sie mit der EXP-1 aus und nehmen Sie die Verfolgung auf!“

Cromwell nahm Haltung an.

„Ja, Sir!“

„Jeder von uns kann dann einem der beiden Schiffe folgen.“

„Sie glauben, dass sie sich trennen?“, mischte sich Lewis ein.

Linley zuckte die Achseln. Der hagere Mann mit den grauen Haaren machte ein nachdenkliches Gesicht. „Ich würde an Stelle der Achbeinigen jedenfalls so handeln. Sie wissen, dass sie uns ortungs- und tarntechnisch hoffnungslos unterlegen sind, also müssen sie darauf setzen, dass wir nur einem Schiff folgen können. Aber da werden sie eine Überraschung erleben!“

*

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IM EILTEMPO NAHMEN die Besatzungsmitglieder EXP-1 ihre Posten ein. Die EXP-1 war ein Forschungsschiff, dass als größeres Beiboot der GHONDRA fungierte.

Cromwell setzte sich auf den Platz des Kommandanten.

Yorneh, der sowohl auf der GHONDRA als auch auf der EXP-1 normalerweise als Kopilot fungierte, war diesmal als Pilot eingeteilt. Alberto Attick, Assistent des Ortungsoffiziers Conway, war von der Brücke der GHONDRA abgezogen worden und überwachte jetzt die Ortungsanzeigen der EXP-1.

Navigator und Copilot war Dave Pellman, während die Funk-Z von einem jungen Fähnrich namens Björn Svenson besetzt wurde. Pellman war Ire und hatte einen deutlichen Rotstich im Haar. Svenson war Schwede. Ein hoch aufragender Hüne mit blonden Haaren und kantigem Gesicht. Ein buschiger Schnauzbart, unter dem kaum die Lippen zu sehen waren, milderte den Eindruck des Kantigen etwas ab.

Darüber hinaus befanden sich noch einige Wissenschaftler sowie ein Trupp von insgesamt 19 Raumsoldaten an Bord der EXP-1, die unter dem Kommando von Ned Hastings standen.

„Alles klar zum Ausschleusen!“, meldete Yorneh, dem es sichtlich Freude machte, bei dieser Mission selbst an der Steuerung zu sitzen.

„Bringen Sie uns hier raus, Yorneh!“, forderte Cromwell.

„Nichts lieber als das, Sir!“ 

Die Maschinen der EXP-1 wurden aktiviert. Ein leichtes Vibrieren ging durch das gesamte Schiff.

Auf einem kleinen Bildschirm an der Konsole des Kommandanten erschien Conways Gesicht.

„Die beiden Ovalraumer sind gerade dabei, synchron zu transitieren!“, meldete der Ortungsoffizier der GHONDRA.

„Wir kriegen sie trotzdem!“, kündigte Cromwell im Brustton der Überzeugung an.

„Die Tarntechnologie der Achtbeiner scheint noch in den Kinderschuhen zu stecken“, meinte Conway. „Für unsere Taster war es kein Problem, die Raumerschütterungen anzumessen, die ihre altmodischen Transitionstriebwerke verursachen.“

„Schleusungsvorgang beendet!“, meldete unterdessen Yorneh.

Die EXP-1 schwebte im All und beschleunigte.

„Wohin sind die Ovalraumer verschwunden?“, fragte Cromwell an Conway gewandt.

„Sie sind in entgegengesetzte Richtungen gesprungen, jeweils etwa hundertfünfzig Lichtjahre weit. Die Koordinaten wurden auf den Bordrechner der EXP-1 überspielt.“

„Danke, Mister Conway!“

Auf einem anderen Nebenbildschirm erschien das Gesicht des Commanders. „Viel Glück, Mister Cromwell!“, sagte Linley.

Der Zweite Offizier nickte leicht.

„Ich hoffe, wir können etwas mehr über diese Spezies von achtarmigen Frankensteins herausfinden!“

*

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DIE GHONDRA UND DIE EXP-1 verfolgten jeweils einen der beiden Ovalraumer. Beide Schiffe verfügten über die Luhr’sche Quanten-Gegenstrom-Sprungtechnik, die keinerlei Strukturerschütterungen erzeugte und daher von den Achtbeiner aller Wahrscheinlichkeit nach nicht angemessen werden konnte.

Die EXP-1 beschleunigte, führte den Raumsprung durch und fiel etwa zehn Lichtsekunden von der Position des zu verfolgenden Ovalraumers entfernt wieder in den Normalraum zurück.

„Voller Tarnschutz ist aktiviert“, meldete Yorneh.

Cromwell wandte sich an Alberto Attick. „Gibt es irgendwelche Anzeichen dafür, dass die Besatzung des Ovalraumers uns bemerkt hätte?“

Attick blickte angestrengt auf die Anzeigen seiner Instrumente und schüttelte anschließend energisch den Kopf.

„Nein, Sir. Da ist nichts zu erkennen. Keinerlei Anomalien in den Energiesignaturen oder sonst etwas, das darauf hinweisen könnte, dass sie etwas gegen unsere Verfolgung unternehmen wollen!“

„Gut“, murmelte Cromwell.

„Allerdings ...“ Attick brach ab und führte verschiedene Schaltungen an seinen Ortungssystemen aus. „Ich bin mir nicht ganz sicher, aber da gibt es vielleicht doch etwas.“

„Heraus damit, auch wenn Sie vielleicht glauben, dass Sie sie sich lächerlich machen!“

„Da sind einige der aufgefangenen Energiemuster ... nach der Rechneranalyse besteht eine Abweichung.“

„Gefechtsbereitschaft!“, ordnete Cromwell an.

„Ich glaube nicht, dass die andere Seite gegen uns zu kämpfen beabsichtigt“, wandte Attick ein. „So wie ich das sehe, geht es hier um unregelmäßige Minimalwerte im Energieniveau.“

Cromwell erhob sich aus seinem Kommandantensitz. „Mit anderen Worten: Die haben Probleme.“

„Vielleicht ist das Schiff bei der Explosion nicht ganz unbeschädigt davongekommen“, war Yornehs Vermutung.

Cromwell machte ein unbestimmtes Gesicht. „Wäre möglich!“, meinte er.

„Die Position des Ovalraumers verändert sich. Er beschleunigt“, meldete Attick.

„Nimmt wahrscheinlich Anlauf für die nächste Transition“, äußerte sich Ned Hastings, der etwas abseits stand und den Blick starr auf den Sichtschirm gerichtet hatte.

Cromwell sah das genauso.

„Bereiten Sie alles vor, damit wir dem fremden Schiff mit einem Sprung aus dem Stand folgen können, Mister Yorneh!“, wies der gegenwärtige Kommandant des Forschungsraumers seinen Piloten an.

„Ja, Sir“, bestätigte dieser.

Einige Augenblicke lang geschah gar nichts.

Schließlich erreichte das eiförmige Schiff der Achtbeiner die für eine Transition nötige Geschwindigkeit und verschwand im Hyperraum.

„Unsere Taster konnten die Strukturerschütterung anmessen!“, meldete Attick.

„Wo sind sie aus dem Hyperraum gekommen?“

„Sechsundsiebzig Lichtjahre von hier entfernt“, gab Attick Auskunft. „Denen scheint die Energie auszugehen, wenn Sie mich fragen. Oder mit ihren Triebwerkssystemen ist irgendetwas nicht in Ordnung!“

„Warten wir ab, ob der nächste Raumsprung von noch kürzerer Distanz ist!“, schlug Cromwell vor und wandte sich anschließend an seinen Piloten. „Springen Sie hinterher, Mister Yorneh.“

„Ja, Sir!“

Die EXP-1 machte einen Raumsprung aus dem Stand, ohne vorher mit Hilfe der Impulstriebwerke zu beschleunigen. Auch dies war ein Vorzug der Luhr’schen Quanten-Gegenstromtechnik.

Das terranische Forschungsschiff materialisierte unbemerkt und voller Tarnung in einer Entfernung von wenigen Lichtminuten zu dem flüchtenden Ovalraumer.

Alberto Attick erstattete einen kurzen Bericht über das, was an Ortungsdaten hereinkam.

„Der Ovalraumer beschleunigt erneut. Ich nehme an, dass sie zu einer erneuten Transition ansetzen. Außerdem haben sich die Anomalien bei den Energiesignaturen deutlich verstärkt.“

„Ihre Probleme werden zweifellos größer“, stellte Cromwell fest.

„Beschleunigung lässt nach“, stellte Attick wenig später fest. „Also, da stimmt etwas nicht, Sir!“

„Bleiben Sie dem Schiff mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand auf den Fersen, Mister Yorneh.“

„Dürfte kein Problem sein, Sir. Bei den niedrigen Beschleunigungswerten des Achtbeiner-Schiffs brauchen sie eine Ewigkeit, um die für eine Transition notwendige Geschwindigkeit zu erreichen.“

„Das fürchte ich auch!“, murmelte Cromwell. Er hasste nichts so sehr wie Situationen wie diese. Situationen, in denen man kaum etwas tun konnte, als abzuwarten.

„Immerhin gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass die Achtbeiner uns entdeckt haben!“, erklärte Alberto Attick nach einem ausführlichen Blick über seine Anzeigen.

Wenigstens etwas Erfreuliches!, ging es Cromwell durch den Kopf.

*

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IM LAUF DER NÄCHSTEN Stunden stabilisierten sich die Energiesignaturen wieder, die von dem flüchtenden Achtbeiner-Raumer ausgingen. Dafür gab es erhöhte elektromagnetische Emissionen.

Was immer es auch an Bord des Ovalraumers für ein technisches Problem geben mochte - die Besatzung hatte es offensichtlich nicht wirklich im Griff.

Das Schiff gewann an Fahrt, der Beschleunigungsfaktor erhöhte sich.

Schließlich wagten die Achtbeiner den Raumsprung.

Die EXP-1 folgte dem fremden Schiff.

Diesmal betrug die zurückgelegte Distanz lediglich 31 Lichtjahre.

Die Quanten-Gegenstromtechnik schützte das terranische Forschungsschiff wirksam vor einer Ortung durch die Achtbeiner. Sie schienen völlig ahnungslos zu sein. Zumindest konnten die Abtaster nicht entdecken, dass an Bord des Flüchtlingsschiffs irgendwelche Maßnahmen zur Verteidigung getroffen worden waren.

Nicht einmal der Schutzschild, der das Schiff bis dahin umgeben hatte, war schließlich noch im Aktiv-Modus. Offenbar versuchten die Achtbeiner, sämtliche Energiereserven in die Triebwerke umzuleiten. Angesichts ihrer Situation war das nur allzu verständlich.

„Etwa ein halbes Lichtjahr entfernt gibt es ein Sonnensystem mit mehreren Planeten“, meldete Alberto Attick.

„Das könnte ihr Ziel ein“, vermutete Cromwell. Er wandte sich an den Navigator. „Mister Pellman, sehen Sie in der Liste nach, ob es sich um ein ehemaliges Luhr-System mit Sonnensonde handelt!“

„Negativ, Sir. Es ist kein Stern mit diesen Koordinaten verzeichnet.“

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STUNDEN VERGINGEN, in denen sich nichts weiter tat, als dass der Ovalraumer weiter beschleunigte und sich dabei auf das nahegelegene Sonnensystem zubewegte.

Details

Seiten
Jahr
2018
ISBN (ePUB)
9783738919936
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Mai)
Schlagworte
raumstation aliens

Autor

  • Alfred Bekker (Autor:in)

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Titel: Die Raumstation der Aliens