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Galaxienwanderer - Herrscher über Galaxien

von Alfred Bekker (Autor:in)
©2018 250 Seiten

Zusammenfassung

Herrscher über Galaxien
Galaxienwanderer 4

von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 251 Taschenbuchseiten.

Bislang in der Serie "Galaxienwanderer" erschienene Romane:

Alfred Bekker: Raumschiff Caesar

Alfred Bekker: Mission Schwarzes Loch

Alfred Bekker: Eine Krise der Raumzeit

Alfred Bekker: Herrscher über Galaxien

Der Umfang dieses Buchs entspricht 231 Taschenbuchseiten.

Die Raumzeit selbst scheint zu mutieren.

Die Crew des Raumschiffs Caesar ist in der Unendlichkeit der Raumzeit gestrandet. Commander John Bradford sieht sich einer leblosen Erde gegenüber, die durch einen Gamma-Blitz zerstört wurde. Und ihm wird klar, dass er seine Hoffnung, die Androidin Josephine wiederzufinden, wohl begraben muss.

Da meldet sich ein alter Feind mit Macht zu Wort...

Ein Feind, der nicht weniger anstrebt, als HERRSCHER ÜBER GALAXIEN zu werden...

Ein Raumschiff extraterrestrischer Technologie und eine zusammengewürfelte Crew auf einer kosmischen Odyssee durch die Unendlichkeit des Alls... Menschen, Androiden und Extraterrestrier müssen sich zusammenraufen, wenn sie den namenlosen Gefahren zwischen den Sternen standhalten und das Erbe einer uralten kosmischen Zivilisation antreten wollen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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Herrscher über Galaxien

Galaxienwanderer 4

von Alfred Bekker

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Der Umfang dieses Buchs entspricht 251 Taschenbuchseiten.

Bislang in der Serie "Galaxienwanderer" erschienene Romane:

Alfred Bekker: Raumschiff Caesar

Alfred Bekker: Mission Schwarzes Loch

Alfred Bekker: Eine Krise der Raumzeit

Alfred Bekker: Herrscher über Galaxien

Der Umfang dieses Buchs entspricht 231 Taschenbuchseiten.

Die Raumzeit selbst scheint zu mutieren.

Die Crew des Raumschiffs Caesar ist in der Unendlichkeit der Raumzeit gestrandet. Commander John Bradford sieht sich einer leblosen Erde gegenüber, die durch einen Gamma-Blitz zerstört wurde. Und ihm wird klar, dass er seine Hoffnung, die Androidin Josephine wiederzufinden, wohl begraben muss. 

Da meldet sich ein alter Feind mit Macht zu Wort...

Ein Feind, der nicht weniger anstrebt, als HERRSCHER ÜBER GALAXIEN zu werden...

Ein Raumschiff extraterrestrischer Technologie und eine zusammengewürfelte Crew auf einer kosmischen Odyssee durch die Unendlichkeit des Alls... Menschen, Androiden und Extraterrestrier müssen sich zusammenraufen, wenn sie den namenlosen Gefahren zwischen den Sternen standhalten und das Erbe einer uralten kosmischen Zivilisation antreten wollen. 

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ALFRED BEKKER IST EIN  bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Science Fiction, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

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Copyright

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author / Titelbild Michael Heywood 123rf mit Steve Mayer Pixabay

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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1. Kapitel: Josephines Rückkehr

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Der Schwarm von Nano-Teilchen schwirrte auf die Oberfläche des toten Gesteinsbrockens zu, der einmal die Erde gewesen war.

Der Planet war nicht wiederzuerkennen.

Eine Atmosphäre mit einem Luftdruck von unter einem Millibar, was man fast schon als Vakuum bezeichnen konnte.

Strahlenwerte wie in den Ruinen antiker Atomkraftwerke der irdischen Prä-Weltraum-Ära.

Nirgends Vegetation.

Und kein Wasser.

Die Ozeane waren verdampft und ebenso unwiederbringlich verloren wie die Lufthülle.

Aus dm Partikelschwarm bildete sich ein humanoider Nano-Körper, der die Form einer Noroofen-Rüstung annahm.

Sein Name war Marcus.

Die Sensoren seines Nano-Körpers versorgten ihn mit einer Flut an Informationen. Deprimierenden Informationen, was das Schicksal des Planeten anging.

Was zum Teufel ist hier nur geschehen?, ging es Marcus durch Kopf. Kein Mensch könnte hier auch nur nur eine Sekunde überleben - abgesehen von jemandem wie mir. Aber ich bin wohl auch schon seit geraumer Zeit kaum noch das, was man einen Menschen nennen könnte. Nicht einmal die Nachbildung eines Menschen. Nicht einmal ein Android.

Marcus sah sich um.

Wobei >sah< vielleicht nicht ganz das richtige Wort war. Er ließ die Aufmerksamkeitskegel seiner Sensoren umherkreisen, um so viel wie möglich von seiner Umgebung aufzunehmen. Die Daten konnte er speichern. Mit der Analyse konnte er sich später befassen.

Hier möchte man nicht sein, dachte er.

Er sah jenes Raumschiff im Orbit schweben, das von seinen menschlichen Passagieren CAESAR genannt worden war, während seine ursprünglichen Herren es ALGO-DATA nannten, wie sich im Übrigen auch die Bord-KI nannte.

Wünschen Sie eine Unterstützung in Bezug auf datentechnische Kapazitäten, Marcus?, meldete sich die Bord-KI.

Die Sensoren seines Nano-Körpers registrierten einen Transmissions-Impuls, der in ein telepathisches Signal umgewandelt wurde. Eine so fortgeschrittene Technik, wie sie wohl nur die Noroofen zur Verfügung hatten.

Nanu, heute so förmlich?, lautete Marcus’ Erwiderung.

Ich versuche nur respektvoll und hilfreich zu sein, gab ALGO-DATA zurück. Ich hoffe nicht, dass es dagegen irgendetwas einzuwenden gibt!

Marcus kannte die Eigenheiten von ALGO-DATA nun schon länger.

Er war sich sicher, dass auch diese Phase irgendwann zu Ende gehen würde.

Natürlich war auch das Gegenteil denkbar und die Phase der förmlichen Anrede zog sich vielleicht endlos lange hin. Oder es wurde noch um einiges schlimmer. Auszuschließen war gar nichts. ALGO-DATA verfügte über ein ausgesprochen breit gefächertes Spektrum an Kommunikationsmustern.

Marcus und die anderen Besatzungsmitglieder der CAESAR hatten davon bereits einige kennengelernt.

Die KI blieb immer ein bisschen unvorhersehbar.

Fast wie eine richtige Person, dachte Marcus.

Aber über eine Sache war er sich ebenfalls vollkommen im Klaren.

Abrupte Veränderungen, die die Persönlichkeit der KI betrafen, waren immer ein Alarm-Signal.

Hier ist irgendetwas faul, dachte Marcus, während sein Nano-Körper die feste Form aufgab und auseinanderströmte.

*

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AUF EINEM GROßEN, DREIDIMENSIONALEN Holo-Kubus war eine Projektion des Sol-Systems zu sehen.

„Die Erde ist ein toter Klumpen Gestein“, sagte Commander John Bradford.

„Zumindest in dieser Zeitlinie des Multiversums“, sagte Fairoglan. Der blaugrau-häutige, vollkommen haarlose Humanoide aus der Yroa-Spezies wandte den Kopf in Bradfords Richtung.

„Das bedeutet, wir haben deiner Ansicht nach die Zeitlinie gewechselt und befinden uns in einem alternativen Universum?“

„Die temporalen Effekte infolge unserer Fehltransition legen das nahe und ich vertrete diese Ansicht ja schon seit Längerem.“

„Heißt das, es gibt die Hoffnung, dass die Erde in einer anderen Zeitlinie noch existiert?“

„Sogar die Gewissheit, Bradford. Nichts geht an Information jemals verloren. Es kann nur umgewandelt werden. Zum Beispiel Materie in Energie. Das besagen die Gesetze der Thermodynamik.“

„Ja, aber ...“

„In jedem Moment spalten sich ungezählte Möglichkeiten von diesem Universum ab. Alles, was geschehen könnte, ist auch geschehen - in irgendeinem Kontinuum des Multiversums. Vom ersten Augenblick an ist die gesamte Information des Multiversums, die Gesamtheit aller nur denkbaren Möglichkeiten bereits vorhanden gewesen, Bradford. Es geschieht nichts Neues und das, was Wesen wie wir Kausalität nennen, ist in Wahrheit nur eine Illusion.“

„Ich würde mir gerne die Illusion erhalten, selbst entscheiden zu können, was geschieht“, sagte Bradford.

In Fairoglans Gesicht zeigte sich eine Regung, die einem menschlichen Lächeln sehr nahekam.

„Wir Yroa haben unseren Frieden mit der Vielfalt des Multiversums gemacht“, sagte er.

„Und wie?“

„Indem wir von jeher versucht haben, in so vielen Universen wie nur irgend möglich zu siedeln. Vielfalt ist die beste Versicherung gegeben den Untergang.“

„Hm“, knurrte Bradford. Der Yroa neigte manchmal zu philosophischen Spekulationen, die Bradford nur zum Teil wirklich nachzuvollziehen vermochte. Die Gedankenwelt eines Yroa unterschied sich eben doch erheblich von der eines Menschen.

Fairoglan musterte Bradford.

„Du willst wissen, was in diesem Sonnensystem geschehen ist?“

„Es ist unhöflich, Gedanken zu lesen, Fairoglan“, sagte Bradford.

Fairoglan antwortete: „Meine schwachen PSI-Fähigkeiten waren gar nicht nötig, um das zu erfassen, Bradford.“

„Was ist geschehen.“

„Ich habe eine umfassende Analyse durchgeführt. Es gibt eigentlich nur eine mögliche Ursache.“

„Und die wäre?“

„Alle astronomischen Daten sprechen dafür, dass wir hier die Folgen eines Gamma-Blitzes sehen. Es hat in der Nähe eine Supernova gegeben, die als Verursacher in Frage kommt.“

„Glaubst du, es ist möglich, in eine Zeitlinie zu wechseln, in der dies nicht geschehen ist?“

„Wir könnten versuchen, eine Yroa-Kolonie zu finden. Ich bin überzeugt, dass wir auch hier fündig werden Dort könnten wir mehr erfahren.“

„Gut“, sagte Bradford.

In diesem Augenblick schien sich die Wand zu wölben. Myriaden von Nano-Teilchen drangen durch sie hindurch und bildeten Augenblicke später einen humanoiden Körper.

„Marcus“, sagte Bradford.

„Es war ein deprimierender Ausflug“, gestand Marcus, während sich sein Nano-Körper zu einem humanoiden Schemen stabilisierte und die das Gewimmel der bis dahin anscheinend nur lose miteinander verbundenen Nano-Teilchen sich beruhigte. „Das ist ein Ort, an dem man nicht sein möchte.“

„Dann sollten wir auch möglichst bald von hier verschwinden“, sagte Bradford.

In diesem Augenblick fuhr sich Fairoglan mit der Hand an den Kopf. Er stöhnte kurz auf.

Bradford entging das nicht.

„Was ist los?“, fragte er.

„Ein telepathischer Psi-Impuls ... Sehr konzentriert und ...“ Er schwieg einen Augenblick. Die Mimik seines blaugrau schimmernden Yroa-Gesichts war schwer zu deuten. Zumindest für einen Menschen. Schmerz? Verwunderung? Überraschung? Ratlosigkeit? Bradford glaubte eine Mischung aus all diesen Regungen erkennen zu können, war sich aber andrerseits nicht sicher.

„Kannst du Näheres darüber sagen?“, fragte Bradford.

„Die Quelle ist hier auf diesem Schiff. Aber wie ihr ja wisst, sind meine PSI-Fähigkeiten nur schwach ausgeprägt. Mein verstorbener Klon-Zweitling Shafor hatte den Großteil der in unserer genetischen Varianz möglichen Fähigkeiten auf diesem Gebiet ...“

„Es muss mit Ozobeq zu tun haben“, stellte Marcus fest.

„Ja, das denke ich auch“, meinte Fairoglan. „Du hättest ihn irgendwo aussetzen sollen, Bradford!“

„Es könnte sein, dass wir noch auf ihn angewiesen sind“, sagte Bradford.

Fairoglan hob die Stirnwülste, an denen bei einem Menschen die Augenbrauen gewesen wären.

„So?“

„Zum Beispiel wenn die KI dieses Schiffs plötzlich nicht mehr auf mich hören sollte. Dann stehen wir ziemlich dumm da!“

„Und du glaubst, er würde uns dann helfen?“

„Ehe die CAESAR führungslos im All schwebt und wir alle zu Grunde gehen - ja!“

Fairoglan verzog das Gesicht. „Daran glaube ich nicht, Bradford. Ozobeq ist ein Noroofe. Du hast ihm dieses Schiff weggenommen. Und das wird er dir nie verzeihen. Er wartet nur auf den Moment, in dem er Rache üben kann. Jetzt ist er schwach. So schwach, dass er keine andere Wahl hat, als sich friedlich zu verhalten. Aber das könnte sich ändern ...“

„Fairoglan hat Recht“, meinte Marcus. „Setzen wir diesen Alien-Teufel irgendwo aus, sonst macht er uns früher oder später Probleme!“

„Vergessen wir nicht, dass dies ein noroofisches Schiff ist - und Ozobeq ist der letzte Noroofe an Bord“, sagte Bradford. „Und im Übrigen: ALGO-DATA hat ihn im Griff. Sein Privatbereich an Bord ist abgeschirmt. Es ist unmöglich für ihn, mit seiner mentalen Präsenz anderen seinen Willen aufzuzwingen, wie er das früher vermochte.“

„Ich hoffe, du behältst recht“, sagte Fairoglan. „Übrigens glaube ich, dass diese PSI-Botschaft eine Art Ruf war.“

„Ein Ruf?“, fragte Bradford stirnrunzelnd.

„Er ruft jemanden herbei.“

„Vielleicht ein Stoßgebet zu den Göttern der Noroofen“, meinte Marcus. Während er die Schultern seines Nano-Körpers hob, löste sich deren Form für den Bruchteil eines Augenblicks kurz auf.

Dann veränderte sich Marcus. Sein Körper wirkte auf einmal menschlich. Die Nano-Teilchen verdichteten sich und bildeten nun ein exaktes Ebenbild jenes Gen-Android-Körpers, der ihm ursprünglich eigen gewesen war, bevor er starb und sein Bewusstsein in die noroofische Nano-Rüstung überging.

Sowohl Fairoglan als auch John Bradford waren überrascht.

„Seit wann kannst du das denn?“, fragte Bradford.

Der menschliche Gen-Android-Körper wirkte absolut überzeugend. Er war vom Original nicht unterscheidbar.

„Es ist Rograks Geschenk“, sagte Marcus.

„Rograks Geschenk?“, echote Bradford.

Rograk, ein Wesen das sich selbst die ENTITÄT DER ERBAUER nannte, war in Folge einer temporalen Raumzeit-Krise nach der Fehltransition der CAESAR plötzlich an Bord erschienen und hatte nach einen Teil der Besatzung entführt, darunter die Androidin Josephine sowie Thosper Gandree und seine Truppe von Mutanten-Freaks. Angeblich waren die Entführten Träger einer Eigenschaft, die sie letztlich zu Auslösern temporaler Raumzeit-Verwerfungen gemacht hatte. Ob das so der Wahrheit entsprach, hatte Bradford oder irgendjemand anderes an Bord der CAESAR niemals überprüfen können. Dazu fehlte ihnen schlicht das Wissen, das dieses übermächtige Wesen namens Rograk besaß.

„Rograk hat es mir gezeigt, wie es geht, als er noch hier an Bord war“, sagte Marcus. „Er nannte es sein Geschenk ...“

„Aber ...“

„Ich habe es bisher nicht in Anwesenheit anderer ausprobiert“, gestand Marcus.

Er lächelte mild.

Und etwas unsicher.

Dann sagte er: „Nano-Materie zu beherrschen ist einfach eine Frage mentaler Möglichkeiten. Und in diesem Fall waren schlicht und ergreifend ein paar Tricks notwendig, um die Nano-Materie der Noroofen-Rüstung auf eine Weise zu beherrschen, wie es mir zuvor noch nicht möglich war.“ Seine menschliche Gestalt zerfloss wieder, veränderte sich und wurde wieder zu einer Noroofen-Rüstung, deren ungezählte Partikel sich in einem Zustand ständiger Unruhe zu befinden schienen. „Vielleicht ... habe ich mich allerdings inzwischen bereits mehr an meine neue körperliche Existenz gewöhnt, als ich es selbst geahnt habe“, sagte Marcus dann.

„Heißt das, du weißt noch nicht, welche Erscheinungsform du zukünftig bevorzugen wirst?“, fragte Fairoglan.

„Doch, das weiß ich sehr wohl“, sagte Marcus. „Es ist diejenige, die du jetzt siehst.“

*

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DER ZYLINDERFÖRMIGE, augenlose Kopf des Noroofen war etwas vorgebeugt. Ozobeq saß mit verschränkten Armen und Beinen inmitten seines Privatraumers an Bord jenes Raumschiffs, das von den Fremden CAESAR genannt worden war.

Für ihn war es nach wie vor die ALGO-DATA.

Die noroofische Nano-Rüstung hatte Ozobeq abgelegt, nachdem er festgestellt hatte, dass sie von der Schiffs-KI dazu benutzt wurde, ihn zu überwachen. Auch telepathisch.

Im Augenblick bin ich schwach, dachte Ozobeq. So schwach, dass ich mich nicht dagegen wehren könnte. Meine Präsenz ist kaum der Rede wert. Anstatt dass ich den Willen anderer beeinflusse, besteht die Gefahr, dass ich selbst beeinflusst werde.

Ozobeq atmetet tief durch.

Er dachte: Aber das wird sich ändern ...

Schon bald!

Ozobeq sammelte Kraft. Er fühlte, wie er sich erholte und wie seine Präsenz wieder zunahm. Nicht mehr lange und der Moment war gekommen, da er einen erneuten Versuch wagen konnte, das Schiff an sich zu reißen.

Allerdings musste er wohl oder übel auf eine günstige Gelegenheit warten.

Da musste er Geduld beweisen.

Die Schiffs-KI hatte Bradford als Kommandanten anerkannt. Als alleinigen Kommandanten wohlgemerkt und es schien sie im Moment niemand davon abringen zu können.

Vielleicht war die KI in irgendeiner Weise gestört oder verändert worden. Die temporalen Anomalien, durch die das Schiff gegangen war, konnten schließlich auch bei einer KI Spuren hinterlassen und vorhergesehene Wirkungen zeigen.

Der Moment wird kommen, war sich Ozobeq sicher. Und so lange würde er den Schwachen spielen. Würde sich passiv verhalten und soweit es ging niemanden ahnen lassen, dass seine Stärke zurückkehrte.

Oziroona!, sandte er einen weiteren telepathischen Impuls. Meine Gefährtin! Ich weiß nicht, welche Raumzeit es dich verschlagen hat, aber ich spüre, dass du noch existierst ... Folge mir! Folge mir, wenn du kannst und halte dich für den Moment bereit, in dem die Götter der Noroofen mit uns sind ...

*

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FAIROGLAN BETRACHTETE eine großflächige Projektion der umliegenden Gebiete der Galaxis. Diese Projektion füllte fast die Hälfte der Zentrale aus.

„Der Algorithmus wurde angewandt“, meldete die Schiffs-KI über ihre Sprachausgabe. „Ergebnisse markieren?“

„Bitte“, sagte Fairoglan. Sein Gesicht veränderte sich. „Da haben wir ja eine Sonne, die ein Kandidat für eine Yroa-Kolonie ist“, murmelte er. Anhand der Verknüpfung bestimmter Daten waren Yroa-Kolonien zu erkennen. Da die Yroa-Kolonien aus Kugel-Sphären bestanden, die eine ganze Sonne wie eine Schale umspannten und abgesehen von Infrarot-Licht kaum Energie hindurchließen, musste man nach Sternen suchen, deren Masse in einem augenfälligen Missverhältnis zu ihrer Leuchtkraft stand. Die Yroa nutzten die Energie einer Sonne zu einem unglaublichen Prozentsatz aus. Ihre Kolonien waren daher sehr unauffällig. Selbst in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer raumfahrenden Hochkultur fielen sie kaum auf und wurden zumeist nicht bemerkt.

Um sie zu finden, war es von Vorteil, selbst ein Yroa zu sein.

„Dieser Stern hier ist mit großer Wahrscheinlichkeit eine Yroa-Kolonie“, sagte Fairoglan und vergrößerte einen Ausschnitt der Projektion. „Die Sternkataloge der Noroofen verzeichnen ihn unter der Bezeichnung Kata-Faan.“

„Dann sollten wir uns dorthin begeben“, sagte Bradford.

„Man wird sicher gerne bereit sein, uns zu helfen“, sagte Fairoglan. „Sowohl wenn es darum geht, Wurmlöcher zu finden, die uns in eine andere Zeitlinie bringen können, als auch in jeder anderen Hinsicht.“

„Dann können wir ja hoffen. Vielleicht werden wir mehr erfahren. Auch über das Schicksal der Erde.“

„Wir Yroa sind gute Astronomen. Du kannst davon ausgehen, auch darüber Informationen erwerben zu können.“

„Erwerben?“

„Nichts ist umsonst, Bradford.“

„Scheint ein Gesetz des Universums zu sein, das überall gilt.“

„Man wird einen Preis verlangen. Wie du weißt sind Yroa Sammler von DNA. Die genetische Vielfalt ist für uns ein heiliges Prinzip und so, wie es von jedem Yroa einen Klon-Zweitling mit größtmöglicher Varianz zum Erstling gibt, versuchen wir unsere DNA durch die Aufnahme fremder Bestandteile zu vervollkommnen.“

„Na ja, wir können in dieser Hinsicht ja einiges anbieten“, meinte Bradford. „Übrigens ein Grund mehr, Ozobeq nicht einfach irgendwo auszusetzen, denn ich könnte mir denken, dass man in der Yroa-Kolonie von Kata-Faan durchaus Interesse an den Gen-Daten eines Noroofen hätte!“

„Wir werden sehen“, sagte Fairoglan.

*

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DIE CAESAR/ALGO-DATA erreichte Kata-Faan, eine Sonne vom G-Typ. Zumindest wäre dies ihr Helligkeitsgrad gewesen, wenn sie nicht von einer Kugel-Sphäre umschlossen gewesen wäre, die abgesehen von einem Rest an Infrarotstrahlung kaum Energie nach außen dringen ließ.

Bradford überließ der KI den Anflug an das Objekt.

Auf einer Holo-Säule wurden die Ortungsdaten angezeigt.

Die Sonne Kata-Faan hatte mehrere Planeten. Aber der Stern war nur im Infrarotspektrum sichtbar. Aus einer Entfernung von weniger als zehn Astronomischen Einheiten sah Kata-Faan wie ein Schwarzes Loch aus, das die Sterne in seinem Hintergrund dunkel überdeckte.

Aber es war kein Schwarzes Loch, sondern eine Kugel-Sphäre, auf deren Innenseite sich ein gigantischer Lebensraum erstreckte. Die Schwerkraft auf der Innenfläche wurde durch fortgeschrittene Antigrav-Technik erzeugt. Sie musste groß genug sein, um eine atembare Atmosphäre zu halten. Auf der Außenseite der Sphäre hätte dazu die Schwerkraft der Sonne gereicht. Aber die Außenseite war dunkel. Und dort war vermutlich kein Überleben möglich.

Dachte Bradford zumindest. Aber er stellte fest, dass es auf der Außenfläche Signaturen gab, die man als Biozeichen interpretieren konnte. Offenbar hatten sich auch dort im Laufe der Zeit Lebensformen angesiedelt.

„Ich werde jetzt ein spezielles Signal abschicken, das einen Teil meines genetischen Codes enthält“, sagte Fairoglan. „Meine Yroa-Brüder in der Kugel-Sphäre werden dann entscheiden, ob sie uns hereinlassen.“

„Gibt es einen hypothetischen Grund, uns zurückzuweisen?“, fragte Bradford.

„Den gibt es immer. Jede Kolonie ist autonom.“

„Es muss eine Welt des ewigen Tages da drinnen sein“, sagte Marcus.

„Und des Friedens“, sagte Fairoglan. „Obwohl dort Billionen Individuen leben, haben sie einfach Platz genug. Die bewohnbare Fläche auf der Innenseite dieser Kugel-Sphäre ist größer als die Fläche aller Kontinente aller Planeten eines mittelgroßen Sternenreichs. Es gibt Platz und Energie genug für alle. Und das ist der Grund, warum eine Yroa-Kolonie in der Regel ein Ort des Friedens ist.“

Bradford sah sich die Daten an, die in die Holo-Projektion integriert waren. Die Kugel-Sphäre hatte einen Abstand zur Sonne, der beinahe eine Astronomische Einheit betrug - also dem Abstand Sonne-Erde im Sol-System entsprach. Die Innenfläche dieser Kugel musste tatsächlich gewaltig sein.

Der Energiebedarf auch, ging es Bradford durch den Kopf. Aber da sie die Energie ihrer Sonne zur Verfügung haben und davon nicht das kleinste Bisschen verloren geht, dürfte dieser Punkt kein Problem darstellen.

„Billionen Individuen in einer einzigen Kolonie ...“, murmelte Marcus unterdessen. „Das ist beeindruckend.“

„Nein“, widersprach Fairoglan. „Nicht, wenn man bedenkt, dass Yroa sich durch Klonen fortpflanzen und ein einziger Yroa im Stande wäre, eine ganze Kolonie allein zu bevölkern.“

„Ich dachte, die genetische Vielfalt hat bei euch einen so großen Stellenwert“, meinte Marcus.

„Darum sammeln wir Gene. Und deshalb leben in Yroa-Kolonien keineswegs nur Yroa, sondern Individuen ganz unterschiedlicher genetischer Zusammenstellung.“

Wenig später traf das Antwort-Signal auf Fairoglans Anfrage ein.

„Wir sind willkommen“, erklärte er, „solange wir uns friedlich verhalten.“

*

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IN DER OBERFLÄCHE DER Kugel-Sphäre öffnete sich ein gewaltiges Schott. Groß genug für die CAESAR, um hindurchzufliegen. Bradford aktivierte eine Panaroma-Wand, auf der sich ein fantastischer Anblick bot. Abertausende von Raumschiffen schwebten im Innenbereich der Kugelsphäre im gleißenden Licht der Sonne Kata-Faan. Gleichzeitig hatte man einen Blick auf die besiedelte Innenseite der Kugelsphäre.

Eine prosperierende Kolonie, daran konnte kein Zweifel bestehen. Die Atmosphäre bestand den Ortungsdaten nach aus einem Sauerstoff-Stickstoff-Gemisch, das der Luft der Erde ähnlich war und beste Voraussetzungen bot, um Lebensformen aller Art atmen zu lassen.

„Ich sollte mich auf das Habitat auf der Innenseite der Kugel-Sphäre transmittieren lassen“, sagte Fairoglan.

„Ich würde dich gerne begleiten“, sagte Bradford.

Fairoglan sah ihn an.

„Hältst du das für eine gute Idee, Bradford - angesichts der Tatsache, dass du gegenwärtig der Einzige bist, dessen Befehle ALGO-DATA vorbehaltlos anerkennt?“

„Du hast Recht“, musste Bradford zugesehen.

„Ich könnte dich begleiten“, sagte Marcus. „Die Aufzeichnungen, die mein Nano-Körper anzufertigen vermag, werden dir später einen so umfassenden Eindruck verschaffen, wie du ihn nicht gehabt hättest, wenn du selbst das Habitat betreten hättest.“

Bradford nickte. „Okay“, sagte er.

*

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MARCUS UND FAIROGLAN materialisierten in einer Transmitterstation mitten in einem dicht besiedelten Teil der Sphäreninnenseite. Am Himmel stand die Sonne. Es gab keinen Unterschied zwischen Tag und Nacht in dieser Welt. Und abgesehen von den Innenräumen von Gebäuden wohl auch keinerlei Notwendigkeit für irgendeine Form von Beleuchtung. Gleiter und Raumschiffe schwebten über den Dächern der vielfältig gestalteten Gebäude. Manche von ihnen wiesen Formen auf, die jeglichen Gesetzen der Schwerkraft zu widersprechen schienen.

Vielleicht taten sie das sogar.

Aber wer die Innenseite einer Kugelsphäre um eine Sonne als riesiges Habitat zu nutzen verstand, musste ohnehin über eine sehr fortgeschrittene Antigravitationstechnik verfügen, um damit die Schwerkraft nach belieben zu regulieren.

Fairoglan und Marcus befanden sich inmitten einer geschäftigen Stadt. Die Straßen waren voller Passanten. Es waren aber keineswegs nur Yroa, auch wenn sie die Mehrheit darstellten. Aber es gab auch zahlreiche Vertreter anderer Spezies.

Darunter nicht nur Humanoide, sondern auch - Menschen.

Marcus konnte es erst gar nicht glauben. Dann ließ er mit Hilfe der Sensoren seines Nano-Körpers die DNA abtasten und das Ergebnis war eindeutig.

Er brauchte Fairoglan gegenüber seine Überraschung gar nicht erst zu äußern. Auf Grund seiner (wenn auch seiner eigenen Einschätzung nach nicht so stark ausgeprägten) Psi-Fähigkeit erfasste der Yroa sofort, was mit seinem Begleiter los war.

„Warum wunderst du dich?“, fragte Fairoglan.

„Wieso ich mich wundere, hier menschliche DNA zu finden?“, echote Marcus verständnislos. „Das kann ja wohl nur ein Witz sein!“

„Wir Yroa sind DNA-Sammler. Und wir verfügen über die fortschrittlichsten Klon-Techniken des Multiversums. Wenn man das kombiniert ...“

„Das ist schauderhaft. Ihr sammelt DNA, um daraus Klone zu züchten, die eure Kolonien bevölkern!“

„Das ergibt mehr Vielfalt als wenn wir nur Yroa-DNA verwenden würden“, sagte Fairoglan. „Und Vielfalt ist eine Art Versicherung für die Zukunft, denn niemand weiß, welche Eigenschaften irgendwann einmal wichtig sein könnten.“

„Ich weiß, es klingt eigenartig, wenn jemand wie ich daran Kritik übt.“

„Du warst ein Gen-Android. Künstlich erzeugt und mit einem Optimierungsprogramm versehen.“

„Ich weiß.“

„Ich will nicht darüber spekulieren, wie man deine jetzige Existenzform bezeichnen soll, Marcus.“

„Ein Leben nach dem Tod trifft es wohl genau“, sagte Marcus. Es sollte ein Witz sein. Aber er traf wohl nicht den Humor des Yroa - vorausgesetzt, dass er so etwas wie Humor überhaupt besaß. Und da war sich Marcus keineswegs sicher.

Marcus blieb plötzlich stehen. Seine Noroofenrüstung geriet in eine Bewegung auf Nano-Ebene. Er glaubte seinen Sensoren nicht zu trauen.

Das gibt es nicht! Da ist Josephine!, durchfuhr es ihn.

Eine junge Frau stand da und bediente ein elektronisches Holo-Modul, das aus einem Chip an der Handwurzel herausprojiziert wurde.

Marcus scannte ihren Körper und ließ seine Sensoren den genetischen Code analysieren.

„Die sieht nicht nur aus wie Josephine - das ist sie auch!“, wandte er sich an Fairoglan. „Zumindest enthält ihr Code genug Übereinstimmungen mit ihr, um ihr extrem ähnlich zu sehen!“

„Du hast von hier aus Zugriff zu den Datenspeicher von ALGO-DATA?“, wunderte sich Fairoglan.

„Ja, durchaus.“

„Mir hat unserer KI solche Privilegien nicht zugestanden.“

„Ich denke das kommt daher, weil dein Körper nicht für die Übertragung großer Datenmengen eingerichtet ist - so wie meiner“, erwiderte Fairoglan.

„Ich denke, das wird noch andere Gründe haben.“

„Du weichst meiner Frage aus, Fairoglan! Es ist Josephine! Beziehungsweise eine ....“

„Eine Nachfahrin? Könnte man das so sagen, wenn man die Terminologie der Menschen richtig darauf anwendet?“, fragte Fairoglan.

„Ja, das könnte man wohl so sagen“, sagte Marcus. „Trotzdem ...“

*

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MARCUS MELDETE SICH bei Bradford auf der Brücke der Caesar.

„Ich habe die Daten näher analysiert“, sagte Marcus. „Die Frau, der ich begegnet bin, war kein Klon von Josephine, sondern tatsächlich eine Nachfahrin. Ich habe ihre Gene übrigens auch in zahlreichen anderen Menschen nachweisen können, denen ich hier begegnet bin. Die Analyse ergibt außerdem, dass mindestens tausend Jahre vergangen sind, seit Josephines Gene Bestandteil der genetischen Ausstattung dieser Bevölkerungsgruppe wurden.“

„Wir wurden temporal getrennt“, sagte Bradford. „Im Prinzip wäre also möglich ...“

„Ich habe übrigens auch Gensequenzen von Thosper Gandree und seiner Leute gefunden ...“

„Die Verschwundenen, die Rograk sich mitnahm ...“, murmelte Bradford. „Wir wissen bis heute ja nicht, was mit ihnen geschah.“

„Es scheint, als wäre aus Josephine, Thosper Gandree und den anderen vor langer Zeit eine Bevölkerung entstanden. Inwieweit das auf natürliche oder unter Zuhilfenahme gentechnischer Verfahren geschah, müsste man genauer untersuchen.“

„Ich möchte mit Fairoglan sprechen.“

„Hier bin ich“, sagte die Stimme des Yroa und eine Holo-Projektion des Yroa erschien auf der Brücke der CAESAR.

„Das, was Marcus mir berichtet hat ... Es läuft darauf hinaus, dass Josephine seit vielen Zeitaltern tot ist.“

„So ist es.“

„Aber könnte man aus dem genetischen Code ihrer Nachfahren einen Klon der Original-Josephine rekonstruieren?“

„Das könnte man. Es wäre sogar möglich, einen Klon zu reproduzieren, der auch eine Kopie des Original-Bewusstseins enthält mitsamt den Original-Erinnerungen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt. Aber es ist verboten.“

„Verboten?“

„Die Gesetze der Yroa erlauben das unbegrenzte Aufzeichnen genetischer Daten. Jede Form des Gen-Scannings ist erlaubt. Die Verwendung dieser Daten zur Reproduktion allerdings nur, wenn diese Daten ordnungsgemäß erworben wurden.“

„Erworben? Von wem müsste man sie erwerben?“

„Von dem Gensammler, der sie in die Kolonie brachte. Es gibt Verzeichnisse in öffentlich zugänglichen Datenbanken.“

„Gut.“

„Du hängst an ihr, nicht wahr? An Josephine, meine ich.“

„Ja.“

„Und du würdest dir eine Rekonstruktion wünschen?“

„Ja.“

„Ich würde niemandem empfehlen, die Gesetze der Yroa zu brechen. Gegen diesen Feind wäre die CAESAR machtlos. Also muss man den offiziellen Weg nehmen.“

„Wenn das möglich ist!“

„Ich empfehle außerdem, ein Klon-Labor der Yroa zu beauftragen und nicht selbst irgendetwas mit den Daten zu versuchen.“

„Gut.“

„Das wird alles seinen Preis haben, Bradford. Er könnte darin bestehen, die Gen-Datenbank der CAESAR zu kopieren.“

„Und dann werden die unendlich großen Provinzen dieser Yroa-Kugel-Sphäre eines Tages mit Nationen aus John-Bradford-Nachfahren bevölkert?“

„Das könnte sein“, sagte Fairoglan. „Falls man deine genetische Ausstattung für verwendungsfähig hält.“

„Okay ... Noch etwas.“

„Was?“

„Wenn es möglich ist, würde ich gerne in Erfahrung bringen, wo Josephines Gen-Daten gesammelt wurden.“

*

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SEID GEGRÜßT“, SAGTE der breitschultrige Yroa, in dessen Haus Fairoglan und Marcus empfangen wurden. „Mein Name ist Altaman - und dies ist mein Klonzweitling Butthar.“

Er deutete auf den etwas schmaleren Yroa neben sich.

„Unsere Namen sind Fairoglan und Marcus“, sagte Fairoglan. „Wir sind im öffentlichen Händlerverzeichnis auch euch gestoßen, weil wir Interesse an der Nutzung bestimmter Gen-Daten haben.“

Fairoglan spürte die telepathische Berührung durch Altaman. Dessen Psi-Kräfte waren offenbar sehr stark. Fairoglan merkte das sofort.

Auf diese Weise erfahre ich schneller, was euer Anliegen ist, manifestierte sich ein Gedanke von Altaman in Fairoglans Bewusstsein.

„Wir könnten handelseinig werden“, sagte Altaman schließlich und wandte sich an Butthar. „Oder was denkst du?“

„Es hängt vom Gen-Datenbestand eures Schiffs und dessen Qualität ab“, sagte Butthar. Der schmalere der beiden Yroa trat nun vor. Er machte eine Handbewegung und öffnete damit eine großflächige Projektion.

Ein Sonnensystem war dort zu sehen. Es besaß einen Ring aus sieben, nahezu identischen Welten, auf denen mehr oder minder die Lebensbedingungen herrschten, die auf der Erde geherrscht hatten.

„Dies ist Rograks Reich“, sagte Butthar. „Ein System, dessen Position wir euch als Zugabe nennen können, da es gendatentechnisch von uns ausgewertet wurde und sich daraus für meinen Klonbruder und mich kein wirtschaftlicher Nachteil ergibt.“

„Vor langer Zeit hatte ein Wesen namens Rograk auf diesen Welten eine Gruppe kurzlebiger Humanoiden angesiedelt“, sagte Altaman. „Daraus ist eine mächtige Zivilisation mit einer Billion von Individuen entstanden, die ständig expandiert.“

„In so kurzer Zeit?“, meldete sich Marcus. „Das ist mathematisch und in Anbetracht menschlicher Reproduktionszyklen und Generationenfolgen unmöglich.“

„Wir haben damals die Übernahme der Gendaten mit einer Optimierung der dem Wesen namens Rograk bis dahin zur Verfügung stehenden Klon-Technologie bezahlt“, sagte Altaman. „Selbst mit Hilfe eines einzelnen Individuums hätten wir das System besiedeln können. In diesem Fall stand uns sogar eine Gruppe von Individuen mit vergleichsweise großer genetischer Varianz zur Verfügung.“

„Die Positionsdaten stehen bereit“, sagte Butthar. „Und was alles andere betrifft, werden wir uns mit Sicherheit einig werden ...“

*

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ES IST SCHÖN, WIEDER hier an Bord zu sein“, sagte Josephine - beziehungsweise, ihre rekonstruierte Klon-Kopie. Die Schiffs-KI steuerte die CAESAR gerade durch den Riesenschott der Yroa-Kugel-Sphäre ins freie All.

„Du erinnerst dich?“, fragte John Bradford.

„An alles. Rograk setzte uns auf einer Welt ab, die zu einem sehr eigenartigen, offenbar künstlich angeordneten System gehörte ... Und ich erinnere mich an zwei Yroa - Altaman und Butthar. Logischerweise gehen meine Erinnerungen nur bis zu dem Zeitpunkt, da sie meine genetischen Daten gescannt haben.“

Bradford lächelte.

„Dann ist dir also nicht bewusst, dass du danach zur Eva einer neuen Welt geworden bist?“

„Nein.“

„Wir werden hinfliegen und es uns ansehen.“

„Ich weiß nicht, ob Rograk davon begeistert wäre.“

*

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IN DIESEM AUGENBLICK verloschen alle Projektionen. ALGO-DATA meldete sich.

Für einige Momente wurden noch starke telepathische Impulse angezeigt. Jemand versuchte offenbar, in das System des Bordrechners einzudringen.

Es war jetzt vollkommen dunkel.

Eine Stimme meldete sich.

Die Stimme von ALGA-DATA, der Schiffs-KI.

„Es hat ein Wechsel des Kommandanten stattgefunden“, erklärte die Schiffs-KI. „Die Dienste von ALGO-DATA stehen dir ab sofort nicht mehr zur Verfügung. Der Kurs des Schiffes wurde geändert. Du besitzt keine Autorisation für Befehle irgendwelcher Art, John Bradford. Diese Maßnahme gilt ab sofort und ist mit tief greifenden Systemveränderungen verbunden, die möglicherweise Unannehmlichkeiten mit sich bringen.“

Das Licht ging wieder an.

„ALGO-DATA! Melde dich!“, sagte Bradford.

„Keine Autorisation“, sagte die Stimme. „Keine Befehlsgewalt deinerseits.“

„Wer hat jetzt die Befehlsgewalt?“, fragte Bradford.

„Der neue Kommandant ist Ozobeq“, kam es unmissverständlich zurück.

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2. Kapitel: Auf dem Weg nach Hergamas

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Ticchem!, dachte Ozobeq. Er hob etwas den gesichtslosen, zylindrisch geformten Kopf. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Was maßest du dir nur an! Kaiser der Noroofen nennst du dich! Kaiser von Galaxis Hergamas ... Es ist lächerlich und eines Tages wirst du für deinen Hochmut und deinen Verrat bezahlen müssen!

Die Nano-Rüstung schloss sich im nächsten Moment um ihn. Abermilliarden winziger, wie Insektenschwärme durcheinanderströmender Teilchen umgaben seinen Körper und hatten bis jetzt nur den Kopf freigelassen. Doch nun war auch der bedeckt. Ozobeq wirkte nun wie eine Schattengestalt ohne näher definierbare äußere Konturen. Aber derartige Anhaltspunkte waren auch allenfalls für Primitivlinge von Bedeutung. Für Menschen zum Beispiel. Aber ein Wesen, das so außergewöhnlich differenzierte und empfindliche Sinne hatte wie Ozobeq oder irgendein anderer Noroofe, brauchte diese äußerlichen Anhaltspunkte nicht, um die Individualität des Gegenübers zu erkennen. Im Gegenteil. Sie störten sogar, lenkten sie doch vom Wesentlichen ab.

Der Präsenz.

Ozobeq legte sich in den sarkophag-ähnlichen Steuersitz, den er für eine kurze Regenerationsphase verlassen hatte. Der Sarkophag schloss sich augenblicklich.

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DIE SINNE DES NOROOFEN waren mit dem Rochenschiff ALGO-DATA verschmolzen, das von John Bradford CAESAR genannt worden war. 

ALGO-DATA, CAESAR, ALGO-DATA ... Ein Wechsel der Namen und der Herrschst über das Schiff. Der Mensch namens Bradford hatte das Schiff einst an sich gebracht und war von der KI als  Kommandant akzeptiert worden. Und jetzt war die ALGO-DATA wieder in Ozobeqs Händen.

In den Händen des rechtmäßigen Besitzers, so sah es der Noroofe, der als Anführer der Hohen Sieben fungiert hatte. Und nicht allein dieses Schiff werde ich mir zurückholen ...

Ein Gefühl wilder Entschlossenheit durchströmte Ozobeq. Der Glaube, dass nichts und niemand ihn aufhalten konnte, erfüllte ihn auf angenehme Weise.

*

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OZOBEQ VERLANGSAMTE den Flug der ALGO-DATA auf Unterlichtgeschwindigkeit. Zwanzig Lichtjahre war er noch vom Halo der Kleingalaxie Hergamas entfernt und durch das Abhören des Überlichtfunks hatte er bereits viel über die Lage in der ehemaligen Heimat der Noroofen erfahren.

Ehemalig?

Das war wohl nicht mehr der richtige Begriff für das, was hier vorzufinden war. Ticchem, der Verräter, der Usurpator, der ... Ozobeq versuchte seine Gedanken zu disziplinieren. Die kalte Logik größtmöglicher Effektivität wird dich ans Ziel bringen und dir die Herrschaft zurückgeben, die dir zusteht!, ging es ihm durch den Kopf. Das Notwendige tun und den maximalen Vorteil sichern ...

Die Sensoren der ALGO-DATA trugen ihm im Moment alles Mögliche zu. Informationen, die die Schiffs-KI, die denselben Namen trug wie das Schiff selbst, unter den Gesichtspunkten filterte, die Ozobeq zuvor festgelegt hatte, denn selbst ein überlegener Geist wie er hätte Mühe gehabt, all das auf einmal zu verarbeiten.

Ozobeq lag in einem der sieben Sarkophage in der Zentrale der ALGO-DATA und war vollkommen mit dem Schiff verschmolzen. Die Sensoren waren wie Erweiterungen seiner eigenen Sinne, der Körper des Schiffs war zu seinem Körper geworden.

Auf einem Parallelkurs flog das Canyaj-Schiff seiner alten Gefährtin Oziroona. Sie hatte dieses Schiff an sich gebracht, wie sie ihm berichtet hatte. Eine erstaunliche Leistung, wie Ozobeq fand. Aber vielleicht hatte er Oziroona in mancherlei Hinsicht unterschätzt. Zumindest hatte sie bisher treu zu ihm gestanden oder besser: Sie gab es vor, das zu tun. Aber Ozobeq fand, dass das in neunundneunzig Prozent aller denkbaren Fälle ohnehin auf dasselbe hinauslief. Also machte er sich über diesen Punkt keine weiteren Gedanken.

Sie war ihm hierher gefolgt, und Ozobeq hatte keinen Grund, daran zu zweifeln, dass sie dies deshalb getan hatte, weil sie bereit war, ihm zu dienen. Welchen anderen Grund hätte es sonst geben können?

Vielleicht hatte sie ebenfalls einmal von der Herrschaft geträumt. Aber der lange Stase-Schlaf, den sie hinter sich hatte, war wohl dafür verantwortlich, dass sie viel von ihrer Energie verloren hatte. Sie war alt geworden. Alt und müde. Und manchmal erinnerte sich Ozobeq fast mit Wehmut an jene Zeit, als sie als eine der Hohen Sieben an Bord der ALGO-DATA geweilt und sie voller Tatendrang einem gemeinsamen Traum gefolgt waren.

Dem Traum von der Wiedererrichtung eines neuen Noroofen-Reichs.

Inwiefern Oziroona davon noch wirklich erfüllt war, konnte Ozobeq schwer beurteilen. Schon gar nicht, solange sie sich an Bord ihres eigenen Schiffes befand und er ihre Präsenz nicht unmittelbar spüren konnte.

Aber in Ozobeq war dieser Traum noch sehr wach.

Ein Traum, der ihm geraubt zu werden drohte.

Durch Ticchem, den Verräter ...

Er hatte sich an jene Stelle gesetzt, die einzunehmen eigentlich nur einem zustand. Ozobeq fühlte sich betrogen und verraten, denn in Hergamas schien das, was er erschaffen wollte, längst errichtet worden zu sein.

Die Überlichtfunk-Botschaften, die er bisher empfangen hatte, ließen keinerlei Zweifel daran. Ticchem hatte ein neues Imperium der Noroofen gegründet und Ozobeq damit seinen Traum gestohlen.

Aber der Anführer der Hohen Sieben war entschlossen, sich diesen Traum ebenso zurückzuholen wie sein Schiff, das von ein paar dahergelaufenen überwiegend menschlichen Primitivlingen eingenommen worden war. 

Mit Genugtuung registrierte Ozobeq, wie Oziroonas Schiff sich der von ihm vorgenommenen Geschwindigkeitsveränderung angepasst hatte. Sei mein Schatten, teure Gefährtin aus uralter Zeit ...

Die KI meldete sich und wies ihn auf ein Sonnensystem hin, das der Kleingalaxie Hergamas etwa 26 Lichtjahre vorgelagert war. Es gab eine relativ spärliche Funkaktivität und auch Anzeichen für Raumschiffverkehr. Wahrscheinlich ein Vorposten, lautete die Analyse ALGO-DATAs.

Ist eine Annäherung ohne größeren Zeitverlust möglich?, erkundigte sich Ozobeq.

Ja, bestätigte ALGO-DATA und zeigte dem von ihr anerkannten Schiffskommandanten eine Projektion, die den weiteren Weg des Schiffes und dessen mögliche Abweichung erfassbar machte.

Für einen schwachen Geist mit schwachen, im Grunde nur ansatzweise vorhandenen Sinnen erfassbar!

Gewöhn dir diese primitiven Darstellungsformen ab!, wies Ozobeq die KI in Gedanken an.

Ich werde es in Zukunft bedenken, gab die KI zurück.

Ozobeq setzte noch hinzu: Du setzt mich mit diesem Menschen namens Bradford gleich. Mag sein, dass du auf dessen schwachen Verstand Rücksicht nehmen musstest. Aber ich brauche solche Hilfen nicht.

Die KI schien dazu ihre eigene Meinung zu haben, blieb aber in ihrer Erwiderung sehr diplomatisch.

Kommandant, auch wenn deine Sinne eins mit den Schiffssensoren sind, dachte ich, dass diese Art von Hilfe das Verständnis verbessern kann ...

Gewöhn dir das ab, verlangte Ozobeq.

Er war überzeugt davon, keinerlei Veranschaulichungen oder Vereinfachungen zu brauchen. Wie konnte die KI ihn nur mit einem Wesen wie Bradford vergleichen? Einem Wesen, das auf Augen und Ohren angewiesen war, um überhaupt ein wenig von seiner Umgebung wahrzunehmen und dessen physiologische Voraussetzungen im Grunde gar nicht zur ausgefeilten Technik der ALGO-DATA passten. Kein Wunder, wenn da eine zusätzliche Unterstützung der Bord-KI nötig war. Ozobeq hingegen hatte ein Vorstellungsvermögen, das groß genug war, um die Daten auch ohne plumpe Veranschaulichungen zu interpretieren.

Wir statten diesem System einen Besuch ab, verlangte er von der KI.

Jawohl, Kommandant, kam die Bestätigung.

Ozobeq erklärte: Wir gehen bis auf 260 Astronomische Einheiten an das Zentralgestirn heran und nähern uns ab da im Schleichflug mit minimaler Emission.

Die Zeit, die Ozobeq bei diesem Umweg verlor, war minimal, der Nutzen, den er daraus an Informationsgewinn ziehen konnte, wog das allemal auf.

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EIN ÜBERLICHT-FUNKKANAL wurde geschaltet. Oziroona nahm von ihrem Canyaj-Schiff aus Kontakt mit ihm auf. Sie hatte den Kurswechsel der ALGO-DATA gewiss registriert, denn über die Sensoren konnte Ozobeq erkennen, dass sie den Kurs ihres eigenen Schiffes bereits angepasst hatte.

„Sei gegrüßt, Oziroona“, meinte Ozobeq, wobei es einer akademischen Unterscheidung gleichkam, ob dies nun Worte oder Gedanken waren. Die KI verwandelte Ozobeqs Gedanken in Funkimpulse, die von der KI des Canyaj-Schiffs in akustisch hörbare Rede übertragen wurden. Noroofen, die sich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden bevorzugten hingegen häufig die telepathische Kommunikation. Insbesondere dann, wenn es darum ging, sich schnell zu verständigen.

„Sei gegrüßt, Ozobeq. Du hast den Kurs geändert. Ich nehme an, du willst den Vorposten genauer untersuchen.“

Alt ist sie geworden!, dachte er. ALGO-DATA sorgte für eine lebensechte Projektion, die auch die kristalline Umgebung an Bord des Canyaj-Schiffs ausschnittweise mit einbezog. Sie hatte den Kopf nicht mit ihrer Nano-Rüstung bedeckt. Ich glaube kaum, dass sie mir wirklich eine große Hilfe sein wird. Die alte Entschlusskraft und Boshaftigkeit fehlt ihr. Das macht sie berechenbarer, ungefährlicher und ... nutzloser.

„Ist es denn wirklich ein Vorposten?“, fragte Ozobeq. „Meine Daten lassen das lediglich als Möglichkeit erscheinen – wenn auch mit hoher Wahrscheinlichkeit.“

„Meine Daten sind da eindeutiger. Ich lasse sie dir gerne zukommen.“

„Schick sie ALGO-DATA über einen gesonderten Datenstrom.“

„Ich werde deinen Wunsch erfüllen. Ansonsten möchte ich dich auf etwas hinweisen, das mir Sorgen macht.“

„Und das wäre?“

„Für eine sehr kurze Zeit hat die Ortung meines Schiffs etwas aufgezeichnet, das sich bei näherer Analyse wie eine Hegriv-typische Signatur interpretieren lässt. Die Übereinstimmung ist im relevanten Bereich.“

„Ich brauche die Daten für eine genauere Analyse durch ALGO-DATA!“, verlangte Ozobeq. Mein diesbezügliches Hilfsersuchen wird dieser eingebildeten KI ein innerer Vorbeimarsch sein!, ging es dem Kommandanten der ALGO-DATA dabei gleichzeitig durch den Kopf. Sie wird es als Bestätigung dafür interpretieren, dass ich doch Unterstützung durch Veranschaulichungen brauche und wahrscheinlich dazu übergehen, sie mir in so unaufdringlicher Weise zu präsentieren, dass ich sie kaum bemerke, sie aber dennoch in meine Überlegungen mit einbeziehe.

„Du bekommst die Daten. Es ist allerdings nur eine kurze Sequenz, Ozobeq.“

„Warum?“

„Das betreffende Objekt verschwand hinter dem Ortungsschatten von Planet II dieses Sonnensystems, bei dem es sich um einen Gasriesen handelt, der auch noch über einen ziemlich ausgeprägtes Magnetfeld verfügt ...“

„Ich verstehe ...“

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DIE ALGO-DATA NÄHERTE sich dem Sonnensystem. Es handelte sich um einen roten Zwerg, der von drei Planeten und 65 Zwergplaneten sowie einem Asteroidengürtel umkreist wurde. In den alten Sternkatalogen der Noroofen trug das System den Namen Kana-Hergamas, was nichts anderes bedeutete als 'Auf dem Weg nach Hergamas'. Es hatte dort bereits in der Zeit des alten Noroofen-Reichs einen Beobachtungsposten gegeben und offenbar war der durch Kaiser Ticchem reaktiviert worden. Der größte Teil des Datenstroms war verschlüsselt und ALGO-DATA hatte ihre liebe Mühe damit, die Codes zu knacken. Aber der Teil der Datenmasse, die ohne weitere Mühe entschlüsselbar war, reichte schon aus, um einige wichtige Rückschlüsse zu ziehen.

Planet I und II waren Gasriesen, deren Eigenrotationen mit der großen Nähe zu ihrem Zentralgestirn mit dem Sonnenumlauf so synchronisiert waren, dass sie Kana-Hergamas stets dieselbe Seite zuwandten.

Auf einigen der Monde von Nummer II schien es Stationen zu geben.

Der Hauptteil der noroofischen Präsenz war allerdings wohl auf Nummer III zu finden, einem kalten, stark eisenhaltigen Brocken, dessen Sauerstoffatmosphäre so dünn war, dass sie einem veritablen Vakuum entsprach und nicht einmal dazu ausgereicht hatte, den Planeten mit einer erkennbaren Oxidationsschicht zu überziehen. Die alte Station befand sich im Inneren des Planeten und verfügte über Raumschiffhangars und gut ausgebaute militärische Anlagen sowie recht feine Ortungsanlagen.

Ob all das inzwischen wieder in Betrieb genommen worden war, musste sich natürlich erst herausstellen, aber Ozobeq war durchaus bewusst, dass er vorsichtig sein musste. Mit einer kleinen Flotte von Kampfraumschiffen können wir es durchaus aufnehmen, erklärte ihm ALGO-DATA. Gleichgültig, ob es sich jetzt um noroofische Schiffe oder um Hegriv handelt ...

Die ALGO-DATA war schließlich die Arche der Noroofen. Ein Schiff, dessen Ausstattung und Kampfkraft allenfalls mit den anderen Kopien des Rochenschiffes vergleichbar war, die im Kubus entstanden und von dort aus einst ausgeschwärmt waren, um dem Noroofen-Reich zu alter Herrlichkeit zu verhelfen.

Ozobeq empfing die Daten über die angebliche Hegriv-Signatur.

Übereinstimmung 78 Prozent mit bisher bekannten Hegriv-Signaturen!, lautete ALGO-DATAs kühle Analyse. Das ließ Raum für Spekulationen.

Eigentlich war es unmöglich, dass es noch Hegriv in Hergamas gab. Die Agotas hatten den alten Feind der Noroofen schließlich restlos vernichtet. Zumindest war Ozobeq davon bisher ausgegangen.

Noch unwahrscheinlicher als die Möglichkeit, dass Hegriv den Vernichtungsfeldzug der Agotas überlebt hatten, erschien Ozobeq allerdings die Option, dass sie friedlich mit Noroofen zusammen lebten - und diesen Schluss musste man ziehen. Schließlich war das Objekt mit der potenziellen Hegriv-Signatur in unmittelbarer Nähe von Schiffen mit eindeutig noroofischer Kennung geortet worden. Dass die Noroofen-Einheiten nichts von dem Objekt und seiner Signatur bemerkt hatten, konnte man wohl ausschließen.

Und Anzeichen für Kampfhandlungen irgendwelcher Art waren auch nicht zu erkennen.

Dieser Sache werde ich auf den Grund gehen müssen, bevor wir uns nach Vanghor wenden ..., entschied Ozobeq.

Vanghor ...

Der ehemalige Geheimplanet des Noroofen-Reichs und das Ziel von Ticchems Reise nach Hergamas und wahrscheinlich jetzt das Zentrum seiner Macht ...

Vanghor war daher auch Ozobeqs vorrangiges Ziel.

Hast dich während meiner Abwesenheit offenbar erfolgreich etabliert, Ticchem. Es wird das Klügste für dich sein, diese Macht freiwillig wieder an jenen abzutreten, dem sie zusteht!

*

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JOHN BRADFORD LIEß sich in einen der Sitzmöbel fallen, die sich plötzlich gebildet hatten und seiner menschlichen Anatomie nahezu perfekt anpassten. Man merkt, dass die Schiffs-KI der ALGO-DATA doch eine ganze Weile unter dem Kommando von Menschen stand, ging es Bradford dabei durch den Kopf. Josephine, Otlej, Marcus und Miij befanden sich noch im Raum. Das bedrückte Schweigen hielt jetzt schon zwei volle Minuten lang an, nachdem zuvor in aller Heftigkeit die Lage erörtert worden war.

Die Lage war deprimierend.

Anders konnte man es nicht zusammenfassen. Bradford ärgerte sich maßlos darüber, das Schiff erneut an Ozobeq verloren zu haben. Eigentlich sollte man denselben Fehler niemals zweimal begehen, aber in diesem Fall war es wohl unvermeidlich ..., überlegte Bradford. Die überlegene Technologie, mit deren Hilfe Ozobeq sich das Schiff zurückerobert hatte, hatte ihn und seine Gefährten schlicht und ergreifend Schachmatt gesetzt. Jetzt beginnen wir an einem Punkt, an dem wir schon einmal waren ... Und der Schlüssel zur Rückeroberung des Schiffes kann wohl nur ALGO-DATA sein...

Aber derzeit stand die Bord-KI fest auf Ozobeqs Seite. Bradford und seine Besatzung konnten sich zwar an Bord relativ frei bewegen, waren aber von allen wichtigen Informationen abgeschnitten – und von einer Kontrolle der Schiffssysteme ohnehin. ALGO-DATA verweigerte den Zugriff auf die Sensorendaten und so wussten sie noch nicht einmal, wo sie sich derzeit befanden. Irgendwo auf dem Weg von der Milchstraße zur Großen Magellanschen Wolke beziehungsweise Hergamas, wie die Noroofen diese der Milchstraße vorgelagerte Kleingalaxie nennen ...

Eine sehr vage Beschreibung.

„Ozobeqs Ziel wird Vanghor sein“, meinte Bradford schließlich und unterbrach damit die Stille.

„Genau dorthin wollten wir ja eigentlich auch“, stellte Josephine fest.

„Nur unter etwas anderen Vorzeichen“, stimmte Marcus zu. Sein aus Milliarden winzigster Teilchen bestehender Nano-Körper stand vollkommen ruhig da. Umso größer war die innere Unruhe seiner Gestalt, die nur den Umrissen nach noch etwas Menschliches an sich hatte. Die Nano-Teilchen flossen durcheinander. Ströme bildeten sich, verdrängten sich gegenseitig und teilten sich auf. Bradford hatte sich schon abgewöhnt, die Gestalt dieser mit dem Bewusstsein eines Gen-Android-Menschen beseelten Noroofen-Rüstung länger als unbedingt nötig anzusehen, wenn er sich gleichzeitig auf etwas anders konzentrieren wollte, denn dieses Bild der dauernden Unruhe wirkte ungemein ablenkend. Auf der Erde des 21. Jahrhunderts, deren Kinder Marcus und ich ja beide sind, hätte man diesen Nano-Körper sicher als ein Medium bei Hypnosebehandlungen einsetzen können, dachte Bradford und dabei wurde ihm schmerzlich bewusst, wie fern und unerreichbar die Welt war, der er entstammte. Eine Zeit, in der er als Astronaut, der sich anschickte den Mars zu betreten, ein Held gewesen war und in der die Menschheit gerade ihre ersten schüchternen Schritte ins All unternommen hatte.

Der Pflanzenhüter-Klon Otlej und der geflügelte Miij hatten bisher geschwiegen. Der geflügelte Ellobarge stand in seiner Rüstung da und Bradford machte auf Miij einen ebenso ratlosen Eindruck wie Otlej, der Pflanzenhüter-Klon, der sich in der Zeit seit der erneuten Kommandoübernahme Ozobeqs fast gänzlich zurückgezogen hatte. Die Zwiesprache mit den Pflanzen, die er in seinen Räumen hielt, schien ihm wichtiger zu sein, als der Austausch mit seinen Leidensgenossen an Bord der ALGO-DATA.

Aber vielleicht war diese zurückgezogene Haltung auch nur darin begründet, dass er einfach keine Möglichkeit sah, sich zu wehren. Ein Techniker war Otlej nie gewesen und ohne ein noch tieferes Verständnis der von Ozobeq angewandten Noroofen-Technik, war ein erneuter Umsturz wohl nicht möglich.

Josephine verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Sie war die ganze Zeit über hin und her gelaufen wie ein gefangenes Tier in seinem Käfig. Man hatte ihr ansehen können, wie sehr sie darauf brannte, etwas zu unternehmen, irgendetwas, was zumindest die Chance beinhaltete, das Blatt noch einmal zu wenden ... Aber danach sah es im Augenblick einfach nicht aus. Alles, was auch nur entfernt nach einer Hoffnung aussah, entpuppte sich bei genauerem Hinsehen als Illusion.

„Mir persönlich wäre es lieber, Ozobeq würde uns gefangen halten“, bekannte sie. „Dann wüsste ich zumindest, dass wir ihm gefährlich werden könnten!“

Bradford nickte.

„Du hast Recht, er fühlt sich absolut sicher. Nur deswegen gibt er uns so große Freiheiten.“

„Möglicherweise verspricht er sich auch noch irgendeinen Vorteil davon, dass er uns an Bord gelassen hat!“, meinte Marcus. „Nach allem, was wir von ihm wissen, dürfte man ihn als einen absoluten Utilitaristen bezeichnen können.“

„Fragt sich nur, was das für ein Vorteil sein sollte“, meinte Josephine. „Schließlich kann er sich doch denken, dass wir unsere Freiheit nur dazu nutzen werden, um den Spieß irgendwann wieder umzudrehen und Ozobeqs Kommando über das Schiff zu beenden ...“

„Davon abgesehen wird er technisch in der Lage sein, uns überall auf dem Schiff zu belauschen“, stellte John Bradford fest und erhob sich von seinem Platz. „ALGO-DATA ist schließlich auf seiner Seite und wenn Ozobeq ihr die entsprechenden Filter vorgibt, müssen wir davon ausgehen, dass er sofort alarmiert wird, wenn in unserer Kommunikation irgendetwas enthalten sein sollte, was ihm bedrohlich erscheint ...“

„... was bisher ganz offensichtlich noch nicht der Fall war“, ergänzte Josephine. Sie schüttelte den Kopf. „Aber das kann ja wohl nicht heißen, dass wir jetzt einfach die Hände in den Schoss legen und aufgeben, oder?“

Einige Augenblicke herrschte Schweigen.

„Eine gute Gelegenheit muss abgewartet werden“, sagte schließlich Otlej, der dem bisherigen Gespräch eher teilnahmslos gefolgt war und kaum zu erkennen gegeben hatte, inwiefern er sich inhaltlich überhaupt damit auseinandergesetzt hatte, Ozobeq zu stürzen.

„Bei Oziroona hatte ich den Eindruck, dass sie einiges dazugelernt hat“, meinte Josephine, sich an ihren gemeinsamen Aufenthalt auf Gogran erinnernd. „Ich wüsste gerne, wo sie jetzt ist ...“

„Und ich finde, wir sollten uns zunächst einmal über unser eigenes Schicksal Sorgen machen“, meinte Marcus.

Und Bradford ergänzte: „Im Zweifelsfall ist Oziroona nämlich nicht nur eine der Hohen Sieben, sondern auch Ozobeqs treu ergebene Gefährtin, die ihm wahrscheinlich in die schlimmste Hölle folgen würde. Was immer du auch an Wandlungen in ihrem Charakter festgestellt haben magst, Josephine – ein Wort von Ozobeq, nein, ein Gedanke von Ozobeq und sie tut, was er will.“

„Oziroona ist ihm tatsächlich gefolgt“, stellte Marcus fest. „Es ist mir gelungen, mich für kurze Zeit mit dem Kommunikationssystem zu verbinden und so die Abschirmung des Schiffs zu überwinden. Ich konnte auf diese Weise Teile eines Funkspruchs auffangen, der an Ozobeq gerichtet war.“

John Bradford runzelte die Stirn. „Und das sagst du uns erst jetzt?“

„So lange ist es ja noch nicht her“, entschuldigte sich Marcus. „Davon abgesehen war es auch nur ein mehr oder minder sinnloses Fragment. Der Datenstrom enthielt allerdings erstens eine Kennung, die typisch für Oziroona ist und zweitens ...“

„Ja?“

Marcus verschränkte jetzt die Arme, was einen eigenartigen Anblick bot, denn nun hatte man den Eindruck, dass die insektenähnlichen Schwärme der Nano-Partikel aus denen seine Körpersubstanz bestand, in zwei sich umeinander windenden Bahnen daherströmten, sodass ein menschliches Auge rein optisch den Eindruck bekommen musste, dass Marcus’ Arme sich zu einem zopfähnlichen Gebilde verdrehten. Seit er Rograks Geschenk erhalten hatte, war es ihm möglich, jedwedes von ihm erfasste Lebewesen täuschend echt zu imitieren. Dazu gehörte auch ein Marcus aus Fleisch und Blut, wie es ihn früher gegeben hatte.

Eigenartigerweise benutzte er seine ursprüngliche Gestalt zurzeit gar nicht. Bradford fragte sich manchmal, ob das vielleicht daran lag, dass sich Marcus inzwischen an seinen Nano-Körper so sehr gewöhnt hatte, dass es ihm nicht mehr so wichtig war, in seiner alten Gestalt zu erscheinen. Warum auch immer ... Vielleicht ist seine alte – menschliche – Gestalt für ihn inzwischen nichts weiter als eine schmerzliche Erinnerung an ein verlorenes Leben, das so, wie es war nicht wiederkehren wird. Auch dann nicht, wenn er äußerlich so erscheint ... Bradford hatte Marcus bisher nicht näher darauf angesprochen. Diese Sache war etwas sehr persönlich und Bradford fand, dass es ihm nicht zustand, darüber nähere Informationen zu fordern.

„Da war noch die Positionsangabe des Canyaj-Schiffs, mit dem Oziroona ihrem Geliebten Ozobeq offenbar gefolgt ist“, erklärte Marcus. „Und da diese Positionsangabe noch nicht sehr alt ist, können wir vermuten, dass wir uns nicht sehr weit davon entfernt befinden müssen.“

„Und was heißt das konkret?“, mischte sich Josephine in einem leicht genervt wirkenden Unterton ein.

„Keine dreißig Lichtjahre mehr bis zur großen Magellanschen Wolke“, sagte Marcus.

Bradford nickte leicht. „Dann hat Ozobeq sein Ziel also beinahe erreicht ...“

Er atmete tief durch. Wie plant man eine Meuterei, wenn der Kommandant jedes Wort hören kann, das gesprochen wird – und wenn er will sogar die Gedanken?, lautete wohl die Frage, die man sich jetzt stellen musste. Gute Aussichten sahen jedenfalls anders aus.

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3. Kapitel: Die Gnade des Kaisers

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Der noroofische Kommandant des Kriegsschiffes GNADE DES KAISERS betrat die Brücke. Der Erste Offizier lieferte einen kurzen telepathischen Bericht, der alles Wesentliche enthielt. Danach hatte die GNADE DES KAISERS gerade den äußersten Punkt ihres Patrouillengebietes erreicht. Die Sensoren liefen auf höchster Leistungsstufe.

Hemlan war der Name des Kommandanten. Er war ein treuer Diener des erhabenen Kaisers von Hergamas.

Ticchem ...

Der Noroofe, der sich auch der Einzige Hohe nennen ließ. Angeblich hatte es früher die Hohen Sieben gegeben und Ticchem war nur einer von ihnen gewesen. Und zwar nicht einmal ihr Anführer. Aber diese Geschichten waren nun als zersetzende Propaganda von Feinden des Imperiums gebrandmarkt worden. Sie zu verbreiten, war inzwischen unter Strafe gestellt, ebenso wie die Erwähnung eines Namens, der einmal den des aktuellen Herrschers überstrahlt hatte.

Ozobeq ...

Der Erste unter den Hohen Sieben, der diesen zersetzenden und die Herrschaft untergrabenden Geschichten nach den größten Anteil am Überleben des noroofischen Volkes hatte. Insbesondere Angehörige jener immer kleiner werdenden Gruppe von Noroofen, die die Wahrheit noch kannten und für die Ozobeq daher mehr war als nur ein Name aus einer dunklen Zeit, fanden es manchmal anmaßend und schändlich, dass der Name des Anführers der Hohen Sieben bereits dermaßen in Vergessenheit geraten war. Ein Vergessen, das Kaiser Ticchem nach Kräften gefördert hatte. Jetzt schien Ticchem seine Macht für so gefestigt zu halten, dass er sich daranmachen konnte, die Geschichte des neuen Noroofen-Reichs in Hergamas auch offiziell umzuschreiben. In verschiedenen aufeinanderfolgenden Schritten war dies bereits geschehen. Und bei jedem dieser Schritte war die Rolle Ticchems beim Aufbau des neuen Imperiums mehr herausgestellt und bedeutsamer hervorgehoben worden, während man Ozobeqs Anteil daran nach und nach minimiert hatte.

Kommandant Hemlan hatte von diesen Dingen wenig Ahnung.

Er war noch ein sehr junger Kommandant und hatte das Licht Hergamas' erblickt, als man sich an den Namen Ozobeq bereits nur in der Verschwiegenheit vertrauter Gesellschaft zu erinnern wagte.

Die Älteren waren da zumeist unter sich.

Jene, die sich aus eigenem Erleben daran zu erinnern vermochten, dass man der Geschichte des Noroofen-Volkes einst anders gedacht und der Name Ozobeq seinerzeit eine andere Bedeutung gehabt hatte.

Hemlan konnte sich gut daran erinnern, dass die Älteren zumeist verstummt waren, wenn jemand wie er hinzugetreten war. Sie hatten dann weder ein weiteres Wort darüber geäußert noch irgendeine telepathische Botschaft frei kursieren lassen, sondern vielmehr dafür gesorgt, dass ihre Bewusstseine streng abgeschirmt wurden.

Hemlan hatte zunächst nie verstanden, weshalb diese Vorsicht geboten sei. Bis ihm während seines Dienstes in der Raumflotte des Neuen Imperiums aufgefallen war, dass bestimmten Offizieren der Aufstieg verwehrt blieb, während andere – jüngere, wie er selbst – an ihnen vorbeizogen. Und so mancher, der sich dann und wann dahingehend geäußert hatte, dass unter der Führung Ozobeqs im Imperium vielleicht doch das eine oder andere zum Besseren stünde, war spurlos verschwunden.

Mit einem dieser Noroofen hatte Hemlan gegenseitige Wertschätzung verbunden.

Das war unter Noroofen bereits eine ungewöhnlich selbstlose und enge Verbindung, die nicht einem Abhängigkeitsverhältnis gleichkam. Und nur aus diesem Grund hatte Hemlan nachgeforscht, was mit diesem Noroofen geschehen war, dessen Namen er jetzt nicht einmal mehr auszusprechen wagte. Schon an ihn zu denken, konnte gefährlich sein, wie er festgestellt hatte.

Hemlan hatte erfahren, dass dieser Wertgeschätzte vollkommen aus allen verfügbaren Datenspeichern getilgt worden war, so als hätte es ihn nie gegeben. Der Kaiser und seine Getreuen schienen das absolute Vergessen als angemessene Strafe für jemanden zu empfinden, der es wagte, an einen Vergessenen zu erinnern.

Der pure Schrecken hatte daraufhin Hemlans Sinne regelrecht eine Weile betäubt und er hatte das Gefühl, sich davon bis heute nie wirklich erholt zu haben. Die Art des ausgetilgt Werdens, wie sie seinem Wertgeschätzten widerfuhr, war schlimmer als der Tod, denn nach dem Tod gab es zumindest ein Fortleben im Gedenken der anderen. Aber genau das war in diesem Fall ausgeschlossen. Hemlan war seit damals misstrauischer geworden. Er sorgte dafür, dass seine Gedanken stets sorgfältig abgeschirmt waren und er nicht schon allein durch die spezifische Beschaffenheit seiner Präsenz dafür sorgte, dass andere vielleicht zu viel von seinen übersinnlichen Ansichten und Auffassungen erfuhren.

„Übernimmst du die Kontrolle, Kommandant?“, fragte der Erste Offizier.

„Nein“, erwiderte Hemlan. „Das ist im Augenblick nicht nötig. Die Kontrolle kann bei der Schiffs-KI bleiben.“

Die GNADE DES KAISERS war eines von unzähligen neu konstruierten Schiffen, die inzwischen die Werften des neuen Imperiums der Noroofen verlassen hatten, nachdem Ticchem den uralten Plan der Wiederbelebung des Reiches in die Tat umgesetzt hatte – etwas, wofür ihm eigentlich jeder Noroofe dankbar sein musste.

Das empfand auch Hemlan so und daran änderte auch das einstige Verschwinden seines Wertgeschätzten mit dem jetzt unaussprechlichen Namen nicht, an den jede Art der Erinnerung am besten zu tilgen war.

Der Kaiser hatte das Recht, hart durchzugreifen, denn er musste sich unbedingt behaupten. Die Stärke des neuen Imperiums hing in erster Linie davon ab, dass im Inneren Einigkeit bestand. Einigkeit durch eine starke Führung. Einen anderen Weg gab es nicht.

Es war nur eine Frage der Zeit, wann auch das Neue Reich vor seiner Bewährungsprobe stehen und sich seiner Feinde erwehren musste. Nie wieder sollte es dabei den Noroofen so ergehen, wie in ihrem letztlich erfolglosen Kampf gegen die Hegriv, den sie letztlich nur dadurch hatten überleben können, dass die Arche der Noroofen an einem sicheren Ort die Zeit überdauert hatte.

Hemlan nahm in seinem Sarkophag Platz. Die Schiffe des Imperiums waren nach dem Vorbild der ALGO-DATA gebaut worden.

Allerdings fehlte ihnen einiges an der Ausstattung dieses legendären Raumers, denn Schiffe wie die GNADE DES KAISERS waren auf eine Massenproduktion hin konzipiert worden. Es war einfach wichtig, eine Flotte zur Verfügung zu haben, die in der Lage war, die Kleingalaxie Hergamas gegen äußere Feinde wirksam zu schützen. Und da war Masse wichtiger als Klasse, denn im Ernstfall hatten diejenigen, deren Aufgabe der Schutz des Imperiums war, an unzähligen Stellen gleichzeitig zu sein.

Hemlan verband sich nur teilweise mit den Schiffssystemen. Wenn er wollte, konnte er jederzeit die Steuerung, die Sensoren oder jedes andere System direkt kontrollieren. Aber das war im Moment gar nicht die Absicht. Alle Systeme arbeiteten einwandfrei und seine Aufgabe bestand eigentlich im Wesentlichen darin, die eingehenden Daten einer genau ausgeklügelten Filterung zu unterziehen, sodass ein Informationsgewinn im eigentlichen Sinn überhaupt erst möglich wurde.

Hemlan erinnerte sich gerne daran, wie Kaiser Ticchem persönlich ihm das Kommando über die GNADE DES KAISERS übergeben und ihm den Treueschwur abgenommen hatte.

Ein Schwur, der nicht verbal abgegeben wurde, sondern durch einen besonders konzentrierten telepathischen Impuls. Alles andere wäre auch nicht glaubwürdig genug gewesen. Man musste sich schon auf diese Weise offenbaren, um sich das Vertrauen Ticchems zu erobern.

Noch heute schauderte es Hemlan bei dem Gedanken an die Präsenz des Kaisers. Im Moment des Schwurs wäre es Hemlan vermutlich völlig unmöglich gewesen, etwas anderes zu tun, als Ticchem die Treue zu versichern.

Nein, für den Kommandanten der GNADE DES KAISERS hatte es nie einen Zweifel daran gegeben, dass Ticchem tatsächlich der Einzige Hohe war.

Derjenige, der es verdient hatte, das neue Reich der Noroofen unumschränkt zu führen und damit zu einem Garanten seiner Sicherheit wurde. Dazu war jedes Mittel recht. Hemlan wäre nicht im Traum eingefallen, das je anzuzweifeln. Dass ein Wertgeschätzter dabei ausgelöscht wurde, musste man wohl in Kauf nehmen.

Im Laufe der Zeit war Hemlan immer mehr zu der Einsicht gelangt, dass solche Opfer gerechtfertigt waren. Die Geschichte der Noroofen lehrte dies. Zumindest jene Version der Geschichte, die Ticchem propagieren ließ. Die Vergangenheit ändert sich im Licht der Gegenwart, hatte der Wertgeschätzte sich einst Hemlan gegenüber geäußert. In unserer Betrachtung ist sie ebenso einem Wandel unterworfen wie die Zukunft. Nur die Gegenwart ist real. Sie bleibt, wenn auch nur im unmittelbaren Augenblick.

Worte, die Hemlan erst viel später verstanden hatte.

Auf einer Holo-Säule mitten im Raum wurde das Raumgebiet um Kana-Hergamas projiziert. Außerdem waren die Positionen sämtlicher georteter Objekte deutlich markiert. Hemlan erfasste diese Holo-Säule mit seinen verfeinerten Sinnen, die weit über das hinausgingen, was Augen hätten sehen können. Eine Unzahl von Begleitdaten nahm er wahr. Nichts Auffälliges schien sich abzuspielen, weder bei der Nahortung noch bei der Fernüberwachung.

Eine Reihe von Frachtern flog auf Kana-Hergamas III zu.

Sie brachten Sand.

Sand, der nichts anderes war, als Nano-Materie, die von der Geheimwelt Vanghor stammte und seit Gründung des neuen Imperiums zu jenen Welten gebracht wurde, die in Zukunft noch von Noroofen besiedelt werden sollten. Und auch Kana-Hergamas III sollte in Zukunft mehr sein als nur ein einsamer Vorposten mit einer subplanetaren – und im Übrigen ebenfalls aus Nano-Materie bestehenden – Anlage. Der Stützpunkt wurde ständig mit weiterem Sand von Vanghor ergänzt. Sand, dessen feinste Partikel sich zu Gebäuden, Industriekomplexen, Raumdocks, Atemluft, Wasser oder irgendetwas anderem formen konnten, was Noroofen benötigten, um zu überleben. Die Sand-Partikel folgten einem uralten Programm, das einst ersonnen worden war, um die Hegriv-Spezies zu besiegen. Nun kam es erst Generationen nach dem Sieg über diesen ultimativen Feind der Noroofen in Aktion. Aber es funktionierte.

Und das mit einer Perfektion, die Hemlan immer wieder faszinierte. Wenn ein Schiff mit Nano-Materie seine Ladung abgab, konnte man an Bord der GNADE DES KAISERS verfolgen, was geschah.

Eine Datenleitung stand dazu zur Verfügung und manchmal vertrieb sich Hemlan die Zeit damit, über diese Leitung sinnlich zu erfassen, wie die Nano-Materie ihrem Programm folgte und sich formte. Eigentlich war diese Überwachungsmöglichkeit aus Sicherheitsgründen geschaffen worden, aber Hemlan war auch aus anderen Gründen froh darüber, dass es sie gab.

Der Posten, auf dem er der noroofischen Flotte diente, war nämlich alles andere als abwechslungsreich.

In der Zeit, während er nun schon dabei war, hatte es zumindest in dem Bereich, der vom Kana-Hergamas-System aus beobachtet wurde, keinerlei Angriffe auf das Imperium gegeben. Aber das bedeutete nicht, dass man die Vorsicht vergessen durfte.

Im Handumdrehen konnte sich die Situation ändern, so hatte man es Hemlan während seiner Ausbildung in der kaiserlichen Flotte beigebracht. Und er hatte keinen Grund, daran zu zweifeln. Die noroofische Geschichte war ein einziger Beleg dafür.

Die Schiffs-KI der GNADE DES KAISERS meldete sich.

Unidentifiziertes Objekt nähert sich!, lautete die telepathische Botschaft, die in diesem Augenblick sämtliche Offiziere des imperialen Kriegsschiffes empfingen und aus ihrer scheinbaren Lethargie erwachen ließen. Analyse läuft.

Hemlan überprüfte die Daten augenblicklich.

Das unbekannte Objekt verfügte über einen sehr hoch entwickelten Tarnmechanismus, was vielleicht dazu beigetragen hatte, dass es bis jetzt durch das Beobachtungsnetz der Ortungssysteme gefallen war.

Vielleicht hatte aber auch dazu beigetragen, dass seine Signatur teilweise von den Emissionen eines zweiten, als unbedenklich eingestuften Objekts überdeckt wurde. Unbedenklich war das zweite, sich auf einem Parallelkurs nähernde Objekt deswegen, weil die bisher aufgefangenen Fragmente seiner Signatur immerhin ausreichten, um zu dem eindeutigen Schluss zu kommen, dass es sich um noroofische Technologie handelte. Genauere Spezifizierungen standen noch aus und die Tatsache, dass man aus dieser Entfernung keine exakteren Angaben machen konnte, sprach für einen aktivierten Tarnmechanismus.

Zweifellos unternahm man an Bord von Objekt II einiges an Anstrengungen, um die verräterischen Emissionen zu unterdrücken. Aber nach den Parametern der Schiffs-KI war das bislang kein Grund gewesen, Alarm zu schlagen.

Analyse von Objekt I beendet, meldete die KI schließlich. Die Signatur entspricht einem Muster, das in unseren Datenbeständen unbekannt ist. Soll ein Zugriff auf die Datenbestände des kaiserlichen Palastes erfolgen?

„Ja“, bestätigte Hemlan. „Was ist mit Objekt II?“

Zum Abschluss der Analyse liegen noch nicht genug Daten vor. Eine Spezifikation wird aber in Kürze gelingen.

„Gut.“

„Wahrscheinlich nur ein Frachter mit Begleitschutz“, äußerte sich der Erste Offizier.

Das war durchaus eine plausible Hypothese. Die meisten Alarm-Ortungen liefen auf etwas Derartiges hinaus, denn die Transport-Kapazitäten des Imperiums waren dermaßen knapp und überlastet, dass nahezu alles, was sich im Raum bewegen konnte, als Frachteinheit benutzt wurde. Da konnten schon einmal recht merkwürdige Signaturen geortet werden.

Und dass Transporte von Nano-Materie bewacht wurden, konnte auch nicht weiter verwundern.

Der Sand von Vanghor war schließlich die wertvollste Substanz im gesamten Imperium. Und es war nicht ausgeschlossen, dass jemand versuchte, etwas davon für seine eigenen Zwecke abzuzweigen.

In diesem Fall sprach die Tatsache dafür, dass sich beide Schiffe relativ weit außerhalb des imperialen Einflussgebietes befanden.

Hergamas ist der am weitesten vorgeschobene Außenposten des Imperiums. Es macht einfach keinen Sinn, Nano-Materie so weit in den Außenbereich zu transportieren, weil dort gar keine Welten mehr sind, die man damit bewohnbar machen könnte!, erkannte Hemlan.

Die KI hatte unterdessen per Überlicht-Kommunikation eine Antwort auf ihre Anfrage bekommen.

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DER DATENABGLEICH MIT den Alt-Beständen ergibt eine signifikante Übereinstimmung von Objekt I mit Schiffen der Canyaj, vermeldete die KI.

Hemlan wusste nicht, was ein Canyaj war.

Er war nie in seinem Leben einem Angehörigen dieses Volkes begegnet und es hatte während seiner bisherigen Laufbahn niemals die Notwendigkeit bestanden, sich näher mit diesem Volk zu beschäftigen.

Jetzt nahm Hemlan Zugriff auf diese Informationen. Ein anorganisches Volk der nahen Spiralgalaxie ...

Es war keinesfalls ausgeschlossen, dass irgendwann Schiffe dieser Spezies nach Hergamas gelangt und vielleicht havariert waren, sodass sie später von der noroofischen Transportflotte aufgefunden, umgebaut und instand gesetzt worden war. Die imperiale Technik war fortgeschritten genug, um nahezu alle nur denkbaren Raumfahrzeuge mit ein paar Modifikationen in den eigenen Bestand zu integrieren.

Warum also nicht auch ein Schiff der Canyaj, auch wenn das was Hemlan sich nun per Datenzugriff über deren anorganische Natur in Erfahrung brachte, durchaus erahnen ließ, dass sich diese Spezies von den Noroofen sehr unterschied.

So sehr, dass selbst die Hegriv dagegen wie nahe Verwandte erschienen wären!, dachte Hemlan.

*

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DER ALARM-IMPULS – gleichzeitig akustisch, optisch und telepathisch an sämtliche Besatzungsmitglieder der GNADE DES KAISERS gegeben – entsprach der Prioritätsklasse 0. Die Parameter, nach denen dieser Alarm ausgelöst wurde unterlagen der Geheimhaltung und so hatte Hemlan im ersten Moment auch keine Ahnung, was genau ihn ausgelöst hatte. Die KI wurde von allein tätig. Das Votum des Kommandanten wurde in dieser Prioritätsklasse gar nicht erst abgewartet. Es erfolgte eine sofortige Meldung an den Kaiserpalast.

„Eine Begründung für den Alarm bitte!“, verlangte Hemlan.

Begründung ist derzeit nicht erforderlich, war die knappe Erwiderung der KI. Weitere Befehle kommen per Direktverbindung zum Kaiserpalast.

„Aber ich muss doch etwas über das Gefahrenpotenzial wissen, das den Alarm ausgelöst hat!“

Dies ist dein erster Alarm der Klasse O, nicht wahr?, stellte die KI fest. Das Prozedere unterscheidet sich in einigen Punkten vom Vorgehen in allen anderen Alarmklassen. Es wird dir niemand zum Vorwurf machen, dass du dies nicht weißt, denn diese Informationen unterliegen strengster Geheimhaltung.

Tatsache war, dass der Alarm ausgelöst worden war, nachdem eine nähere Analyse von Objekt II abgeschlossen und über eine Anfrage mit den Datenbeständen des Kaiser-Palastes verglichen worden war – und das im Gegensatz zur Abfrage in Bezug auf Objekt I –, ohne den Kommandanten auch nur zu informieren, wie Hemlan jetzt erkannte.

Wenig später waren die Befehle aus dem Kaiserpalast da.

Beide Objekte vernichten!, lautete die unmissverständliche Anweisung. Funkbotschaften ignorieren und die Daten über den Vollzug des Befehls unmittelbar über einen verschlüsselten Kanal an den Kaiserpalast senden ...

*

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TICCHEM ERHOB SICH von seinem Thron. Er hatte gerade ein paar frisch gebackenen Raumschiffkommandanten den Eid abgenommen. Sie waren eine der Säulen, auf denen seine Herrschaft beruhte. Eine zweite Säule war der Nano-Sand von Vanghor ...

Seine Präsenz war auf einmal so übermächtig, dass es die anwesenden Kommandantenanwärter schon als schmerzhaft empfanden. Sie brauchten nicht laut aufzustöhnen oder irgendeine körperliche Reaktion darauf zeigen – die Reaktion auf telepathischer Ebene war schon ausgesprochen heftig.

Furcht ..., dachte Ticchem. Auch sie ist eine Säule der Herrschaft. Ich habe so viel von Ozobeq lernen können. Unter anderem auch dies ...

Zu Beginn seiner Kaiserzeit hatte Ticchem manchmal vollkommen unvermittelt Würdenträger des Imperiums umgebracht oder sie des Hochverrats bezichtigt und dann durch seine Geheimpolizei ermorden lassen.

Das war es, was man einen wohldosierten Schrecken nennen konnte. Der Stabilität des Imperiums hatte es sehr genützt. Aber noch war die Aufbauarbeit nur zu einem Bruchteil geleistet.

Es durfte nicht geruht werden. Die Anstrengungen mussten auf demselben hohen Niveau bleiben, wenn das Ziel erreicht werden sollte.

Aber die Dosis an Entsetzen, die der Kaiser verbreitete, hatte sich reduziert. Die Idee, dass die Noroofen mehr abstumpften, wenn man sie auf diese Weise behandelte, traf nicht zu. Das Gegenteil war der Fall. Sie wurden immer sensibler. Jetzt brauchte Ticchem Gewalt nicht einmal mehr anzudrohen, wenn er sich seiner Gefolgschaft versichern wollte.

Die Kommandantenanwärter gaben ihren telepathischen Impuls ab, mit dem sie den Kaiser ihrer Treue versicherten. Wie oft war das schon geschehen. Ticchem hätte es nicht mehr zählen können. Aber nichtsdestotrotz nahm er es mit dieser Zeremonie und mit allem, was damit zusammenhing, sehr genau. Keiner von ihnen wird diesen Augenblick jemals vergessen, war er sich sicher.

Der Alarm mit der Priorität der Klasse 0 erreichte ihn vollkommen unvorbereitet.

Ein Sensorsystem übertrug die Impulse direkt in seine Noroofen-Rüstung. Zunächst war er einige Augenblicke lang völlig konsterniert, was er mit einer besonders starken Präsenz zu überspielen wusste. Niemand durfte merken, wie erschüttert er war. Und so führte er die Zeremonie zunächst zu Ende.

Die zukünftigen Kommandanten wurden hinausgeführt.

Manch einer wirkte etwas verunsichert. Sie hatten gespürt, dass irgendetwas anders war als sonst. Aber keiner von ihnen hätte es gewagt, sich dazu zu äußern.

Ticchem wartete, bis man die Kommandantenanwärter hinausgeführt hatte.

So oft habe ich an Ozobeq gedacht!, ging es ihm durch den Kopf. Aber ich hatte eigentlich gehofft, ihm nicht mehr begegnen zu müssen.

Aber nun bahnte sich genau dies an.

Ich habe gewusst, dass dieser Moment eines Tages kommen wird. Und ich bin vorbereitet, Ozobeq! Gut vorbereitet ...

Eine Holo-Säule aktivierte sich. Die Gestalt eines Noroofen wurde in dreidimensionaler Qualität dargestellt. Es handelte sich um Geraflon, den Chef seiner Geheimpolizei.

„Ich nehme an, Ihr habt den Klasse-0-Alarm inzwischen auch registriert“, sagte Geraflon mit überraschender Kühle. Seine Stimme klirrte wie Eis.

„Es soll alles planmäßig vor sich gehen“, meinte Ticchem.

„Bis jetzt wissen wir nicht einmal exakt, wer an Bord ist!“

„Aber Ozobeq ist an Bord“, widersprach Ticchem. „Das ist sicher, denn in den Daten sind mehrere Funksprüche enthalten, die Ozobeq mit dem parallel fliegenden Canyaj-Schiff ausgetauscht hat. Nein, wir können sicher sein, dass er es ist, der zurückgekehrt ist! Ein Paar, wie man so schnell keines mehr finden wird: Ozobeq und Oziroona ...“

Ticchem befahl die völlige Vernichtung der beiden Raumschiffe.

Und zwar sofort.

Ich will keine Verzögerung!, lautete der telepathisch gegebene Befehl an Geraflon.

Der Chef der Geheimpolizei neigte leicht den Kopf. „Bis jetzt hat sich Ozobeq nicht zu erkennen gegeben.“

Ich weiß.

„In dem Moment, in dem er das tut, werden wir die Kampfhandlungen einstellen müssen.“

Auch das ist mir bewusst, Geraflon. Ozobeq ist eine Legende – und obgleich ich mich bemüht habe, das Andenken an ihn auszulöschen, ist es bei vielen Älteren leicht zu reaktivieren ... Darum muss ein harter, schneller Schlag geführt werden.

„Ich darf Euch beruhigen, mein Kaiser“, sagte Geraflon. „Mit einer einzelnen ALGO-DATA-Kopie kann Ozobeq niemals Hergamas erobern. Militärisch ist er vielleicht in der Lage, unsere Pläne zu verzögern. Aber das ist auch schon alles!“

Doch Ticchem war in diesem Punkt weitaus weniger optimistisch. Es ist nicht irgendeine der ALGO-DATA-Kopien, mit der Ozobeq nach Hergamas zurückkehrt. Den Daten nach, die man mir übersendet hat, ist es die Original-Arche ...

„Das Heiligtum der Noroofen?“

Als das wird sie noch immer von der Mehrheit unseres Volkes gesehen, bestätigte Ticchem.

Mit langsamen Bewegungen durchschritt er den Thronsaal seiner Residenz. Säulen aus Nano-Materie bauten sich auf und bildeten Skulpturen. Konkrete und abstrakte Formen wuchsen aus dem Material heraus und lösten sich wieder auf. Die Nano-Materie wurde direkt von der Präsenz des Herrschers geprägt. Wenn er wollte, konnte er ein Spiegelbild seiner Seele damit erschaffen – und oft genug tat er dies, wenn er glaubte, dass es ihm in seiner Funktion als Herrscher nützlich war.

„Eine diplomatische Lösung kommt für Euch nicht in Frage, mein Kaiser?“, fragte Geraflon.

Ticchem blieb stehen.

Er antwortete zunächst nicht.

Weder telepathisch noch akustisch.

Stattdessen sorgte dafür, dass sich eine Seite des Thronsaals veränderte. Sie wurde transparent – oder besser gesagt, es schien so, als würde sie transparent, denn ob es sich um eine täuschend wirklichkeitsnahe Holo-Projektion handelte oder die Nano-Materie tatsächlich sich dahingehend strukturierte, dass sie einen Blick ins All gestattete, war nicht einmal von den Sinnen eines gewöhnlichen Noroofen zu erfassen. Was Angehörige der Hohen Sieben anging, sah das vermutlich anders aus. Aber bisher hatte für Ticchem auch nicht die Notwendigkeit bestanden, einen von ihnen zu beeindrucken.

Der Blick war frei auf die vermeintliche Wüstenwelt Vanghor, in deren Orbit diese kaiserliche Residenz schwebte. Frachter erreichten in ununterbrochener Folge die ehemalige Geheimwelt der Noroofen. Gegen die Hegriv hatte ihnen die Nano-Materie nicht mehr helfen können, da diese unbarmherzigen Angreifer einfach zu schnell vorgegangen waren und dem alten Imperium der Noroofen keine Möglichkeit mehr zur Gegenwehr gelassen hatten. Aber nun konnte Kaiser Ticchem dafür umso mehr aus dem Vollen schöpfen. Es war, als ob Hergamas nur auf sein Erscheinen gewartet hätte ...

Ich habe diese Entscheidung vor langer Zeit getroffen!, beantwortete der Kaiser der Noroofen die Frage seines Geheimpolizei-Chefs mit einem telepathischen Impuls. Und sie ist unwiderruflich ... Die Dinge haben sich geändert. Ozobeq blieb verschwunden und ich musste den Aufbau in Hergamas allein bewältigen. Was hier geschaffen wurde, ist das Ergebnis meiner Herrschaft. Ich habe Pläne. Großangelegte, ehrgeizige Pläne, die ich mir von niemandem durchkreuzen lassen werde!

„Trotzdem könnte es ein Akt der Klugheit sein, sich mit ihm zu einigen, falls es nicht gelingt, ihn mit einem Schlag auszuschalten. Die Verehrung für ihn ist groß und es könnte sein, dass sich trotz der harten Hand, mit der Ihr regiert habt, eine Opposition bildet, die sich auf seine Seite schlägt ...“

Ältere, erwiderte Ticchem verächtlich. Ein Großteil unseres Volkes aber erblickte erst das Licht Hergamas', nachdem man Ozobeq bereits verschollen war ...

„Vielleicht auch Jüngere, für die Ozobeq gerade durch den Versuch, seinen Namen dem Vergessen anheim fallen zu lassen, zum legendären Helden wird – denn sie kennen seine Schattenseiten nicht.“

Ticchem beobachtete eine gewaltige Transporteinheit, die ins Orbit einschwebte. Kleinere Transporter sorgten für den Verkehr zwischen Oberfläche und Orbit. Wie ein Bienenstock wirkte Vanghor. Die Transportschiffe brachten den Nano-Sand von hier zu zahllosen Noroofen-Welten, aber auch Planeten, die nie Teil des alten Reichs gewesen waren, um dort Lebensbedingungen zu schaffen, die für Noroofen annehmbar waren.

Selbst die von den Hegriv versiegelten Welten konnten durch Einsatz von Nano-Materie wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden, um in Zukunft wieder als Hauptwelten des Imperiums dienen zu können. Hergamas erblüht – und Ozobeq kommt pünktlich zur Ernte, dachte Ticchem. Aber das werde ich ihm nicht gestatten.

Ticchem war nicht bereit, die Macht, die er so mühsam errungen und so lange erhalten hatte, jetzt mit jemandem zu teilen, der keinerlei Anteil an diesen Aufbauleistungen hatte. Notfalls wird es Krieg zwischen uns geben. In den Hangars der kaiserlichen Residenz befanden sich zahlreiche kleinere Kampfschiffe – einzig und allein zu dem Zweck geschaffen, Vanghor zu verteidigen.

Denn diese Sandwelt war der Schlüssel zu Ticchems Macht – und das war ihm auch sehr bewusst.

Der Kaiser war der Herr der Nano-Materie und damit hatte er die Möglichkeit, den Aufbau des neuen Imperiums fast nach Belieben zu steuern.

Die einzige Einschränkung, die es dabei gab, war zunächst einmal nicht die Menge der zur Verfügung stehenden Nano-Materie, sondern die Frachtkapazitäten, sodass praktisch jeder freie Kubikmeter Transportraum genutzt wurde.

Der Strom des Nano-Sandes durfte nicht ins Stocken geraten, wenn der weitere Aufbau des neuen Imperiums erfolgreich fortgesetzt werden sollte.

„Es ist ein riskantes Spiel“, gab der Chef der Geheimpolizei zu bedenken.

Ticchem wandte sich zu ihm herum.

Mit seinen Sinnen nahm der Kaiser Zeichen der Angst bei Geraflon war. Es kam nicht oft vor, dass sich jemand wie Geraflon eine derartige Blöße gab.

Es ist in der Tat ein riskantes Spiel. Für uns alle, gestand Ticchem zu. Aber Ozobeq würde es an meiner Stelle auf dieselbe Weise spielen.

„Und du denkst, dass er deshalb Verständnis für dich hätte?“

Für jemanden, der nichts anderes sucht, als einen Vorteil bei der Behauptung seiner Machtposition? Ein telepathischer Impuls folgte, der vielleicht das noroofische Pendant zu einem schallenden Gelächter war. Für eine solche Handlungsweise hätte Ozobeq immer Verständnis! Und er selbst würde genau dasselbe tun!

„Genau das befürchte ich“, erwiderte Geraflon.

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4. Kapitel: Schlag und Gegenschlag

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Der Schwarm von Nano-Teilchen wirbelte durcheinander. Ein chaotisches Gebilde von durcheinanderschwirrenden kleinsten Teilchen entstand. Dieser Schwarm sank in den Boden ein und wurde eins mit dem Schiff.

Die Nano-Teilchen durchdrangen den Raum zwischen den Molekülen, aus denen die Innenwände jenes Raumschiffs bestanden, das von den einen CAESAR, von seinem gegenwärtigen Kommandanten aber ALGO-DATA genannt wurde. Alles was mir früher als Barriere erschien, war reine Illusion, dachte Marcus, dessen Körper zwar im Moment seine feste Form aufgelöst hatte, dessen Bewusstsein aber dennoch auf eine nur schwer vorstellbare Weise mit jener Nano-Materie verbunden war, aus der sein Körper bestand.

Er durchdrang mehrere Räume.

Dann hatte er die Außenwandung der ALGO-DATA erreicht. Mit Hilfe von dunkler Energie zog sich das Raumschiff durch das All. Aus der Perspektive eines fiktiven Beobachters macht dieses Schiff jetzt Bewegungen, die an die Schwimmbewegungen eines Rochen erinnern ... Aber das ist wohl auch nur eine Illusion. Wahrheit ist ein Standpunkt, von dem aus wir Dinge betrachten. Spätestens seitdem Einstein die Relativitätstheorie entwickelte, sollte das jedem klar sein ...

Nur einen winzigen Anteil der Materie, die zu seinem Körper gehörte, streckte Marcus durch die Außenwand des Raumschiffs.

Es war immer ein gewisses Risiko dabei, dass dieser Teil seiner körperlichen Existenz verloren ging. Etwa dann, wenn unerwartete Raummanöver geflogen wurden. Auch Anomalien in der Schwarzen Energie, die das Raumschiff zur Fortbewegung brachte, konnte gefährlich werden.

Aber kleinere Materieverluste konnte Marcus verkraften, ohne dass er ernsthaften Schaden nahm. Und er glaubte das diesbezügliche Risiko inzwischen sehr sicher einschätzen zu können.

Wenn es nicht Ozobeq gewesen wäre, der im Sarkophag gelegen und das Schiff gesteuert hätte, so wäre selbst ein kompletter Ausstieg kein Problem gewesen. Marcus liebte es, sich im All treiben zu lassen. Er brauchte keine Atemluft und keine Welt, auf die er seinen Fuß setzen konnte. Sein Nano-Körper gab ihm ein maximales Maß an Freiheit.

Freiheit, die keiner Menschenseele jemals zuteil geworden war. Er hatte daher damit aufgehört, sein Schicksal zu beklagen. Die Möglichkeiten, die sich ihm inzwischen eröffnet hatten, waren bedeutsamer als das, was er verloren hatte – seine Menschlichkeit.

Sein Nano-Körper formte eigene Sensoren aus, die in einem gewissen Umkreis Ortungen vornehmen konnten und sowohl Überlichtfunk als auch ganz normale Funkwellen empfingen. Er konnte die Resonanz des Canyaj-Schiffes wahrnehmen, mit dem Oziroona dem Rochenschiff gefolgt war.

Für einige kurze Momente gelang es Marcus auch, sich in die Bordsysteme einzuschalten.

Er saugte so viele Daten in sich hinein, wie ihm dies in so kurzer Zeit möglich war. Er gab sich ein Limit von wenigen Sekunden und zog sich dann zurück.

Schließlich sollte Ozobeq nicht auf ihn aufmerksam werden.

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ANGRIFFSMANÖVER!, meldete ALGO-DATA.

Für Ozobeq, der in seinem Sarkophag lag und nach wie vor die Schiffssteuerung innehatte, kam das nicht unerwartet. Aber die Tatsache, das sich ALGO-DATAs Analyse mit seiner eigenen deckte, stellte eine zusätzliche Bestätigung dar.

Soll ich die Gegenmaßnahmen übernehmen?, fragte ALGO-DATA.

Nein, das werde ich selbst tun, erwiderte Ozobeq.

Die sich nähernden Kampfeinheiten aus dem Kana-Hergamas-System gingen auf Abfangkurs und die Extrapolation einiger anderer Schiffsbewegungen zeigte, dass man offenbar beabsichtigte, ihn einzukreisen. Es schien, als wäre die ALGO-DATA entdeckt worden.

Aber Ozobeq registrierte auch Geheimkommunikation unter den Schiffen und mit einer fernen Instanz, deren Ursprung zunächst nicht zurückzuverfolgen war. Diese Geheimkommunikation war zunächst nicht zu entschlüsseln. Es wurde ein Codierungssystem benutzt, das auf nichts von dem beruhte, was Ozobeq kannte oder gar selbst entwickelt hatte. ALGO-DATA würde einen Großteil ihrer Kapazitäten brauchen, um den Code zu knacken. Und dann ist es vielleicht zu spät!, erkannte Ozobeq.

Er wusste nur eins – dass der ferne Kommunikationspartner dieser Kampfschiffe sehr wahrscheinlich der selbsternannte Kaiser war.

Ticchem ... Du wolltest nicht länger Statthalter für mich sein! Das verstehe ich. Das verzeihe ich sogar. Aber ich kann es nicht dulden, dass du auf dem Thron sitzt. Niemals! Und ich werde ein Zeichen setzen müssen ...

Genau in dem Augenblick, als zwei der ankommenden Schiffe die Gefechtsdistanz erreichten, feuerte Ozobeq ohne Vorwarnung. Ihr hättet mich erkennen sollen – denn fliege ich nicht in der Arche der Noroofen, dem Heiligtum unseres Volkes? Aber vermutlich habt ihr mich sogar erkannt. Wahrscheinlich weiß auch Kaiser Ticchem längst Bescheid, wer sich da der Kleingalaxie Hergamas nähert. Und genau das ist der Grund dafür, dass diese Einheiten mir den Weg abschneiden, ohne auch nur eine Identifizierungs-Sequenz zu senden!

Die ersten beiden Einheiten explodierten.

Der Angriff der ALGO-DATA erfolgte so massiv, dass ihnen kaum eine Abwehrchance blieb.

Ozobeq hatte lange gezögert, sich zu erkennen zu geben.

Aber jetzt tat er es. Er sandte einen Überlichtfunkspruch aus, der von allen noroofischen Raumschiffen oder planetaren Stationen in Hergamas empfangen werden konnte.

ALGO-DATA hatte die Sendeleistung so konfiguriert, dass mit maximaler Breitbandwirkung emittiert wurde.

„Hier spricht Ozobeq. Der Erste unter den Hohen Sieben und rechtmäßiger Anführer des Volkes der Noroofen!“, so begann er – keinen Zweifel daran lassend, dass er nicht mehr und nicht weniger als Unterwerfung forderte.

Ohne Wenn und Aber.

Ich darf dich daran erinnern, dass unsere militärischen Möglichkeiten im Vergleich zu denen Ticchems nach unserer bisherigen Analyse verschwindend gering sind, erklärte ihm ALGO-DATA, nachdem die vollständige Transmission zum ersten Mal abgesetzt worden war.

Ozobeq ließ sie gleich darauf in einer Endlosschleife wiederholen. Er war überzeugt davon, dass zumindest ein Teil seiner Präsenz auch trotz der Vermittlung durch einen Kommunikationskanal, für viele Noroofen sehr beeindruckend sein musste.

Ein verschollener Held aus der Vergangenheit, wandte er sich an ALGO-DATA. Ist das nicht der Stoff, aus dem Legenden sind?

Aber ihm war auch klar, dass er Ticchems Position keineswegs unterschätzen durfte.

„Ich fordere die Treue und Gefolgschaft aller Noroofen von Galaxis Hergamas, denn mir allein steht die Herrschaft zu“, so endete Ozobeqs Botschaft.

Und jetzt werden wir sehen, wie der Kaiser darauf reagiert!, überlegte er.

Die gegnerischen Schiffe drehten ab und blieben außerhalb der Gefechtsdistanz.

Bis jetzt gab es keine offizielle Reaktion. Der Kaiser ließ sich offenbar Zeit. Er kann mich jetzt nicht mehr einfach vernichten lassen und behaupten, das sei irrtümlich geschehen, weil die ALGO-DATA nicht erkannt wurde!, war Ozobeq sicher.

Er gab der Schiffs-KI einen Befehl.

Kurs Vanghor. Die Steuerung überlasse ich dir. Bei unvorhergesehenen Ereignissen will ich umgehend informiert werden.

Jawohl, bestätigte die KI.

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OZOBEQ ÖFFNETE DEN Sarkophag und entstieg ihm. Er spürte sogleich die Präsenz von jemandem, den er kannte ...

Ah, dieser Narr! Was will er hier?

Über einen der Türtransmitter, mit denen man an Bord des Raumschiffs von einem Raum zum anderen gelangen konnte, betrat eine menschliche Gestalt den Raum.

Ein Mann.

Ein Mensch.

John Bradford.

Ozobeqs Sinne tasteten ihn ab und für einen Augenblick war Ozobeq irritiert über diese Begegnung.

Hatte er vergessen, die Türtransmitter zur Brücke zu schließen? Weder Bradford noch die anderen Besatzungsmitglieder des Raumschiffs durften derzeit auf die Brücke.

Etwas stimmt nicht mit deiner Präsenz, John Bradford ...

„Und etwas stimmt nicht mit dem Schiff, Ozobeq. Es gibt Anzeichen dafür, dass wir in Kampfhandlungen verwickelt wurden.“

Ich habe nicht die Absicht, dies mit dir zu erörtern, Menschen-Narr!

„Du hast uns ja seit deiner Kommandoübernahme von sämtlichen Datenströmen abgeschnitten, aber ...“

Wie hast du es geschafft, hier hereinzukommen?

„Wir nähern uns Hergamas. Vielleicht sollten wir zusammenarbeiten. Ist es nicht denkbar, dass die Besatzung der CAESAR dir nützlich sein könnte?“

Wenn ich nicht zumindest diese Möglichkeit in Betracht zöge, dann wäre keiner von euch noch an Bord, erwiderte Ozobeqs Gedankenstrom. Er tastete sein Gegenüber ein zweites Mal mit seinen Sinnen ab und versuchte, es noch eingehender zu erfassen. Du dachtest wirklich, mich auf diese Weise täuschen zu können, John Bradford?, sandte er dann einen telepathischen Impuls, dessen Intensität sein Gegenüber aufstöhnen ließ.

Bradfords Körper zerfiel in kleinste Teilchen, die wie Sand wirbelten und setzte sich anschließend wieder zusammen. Marcus! Das war eine schlechte Maskerade. Und dass sie überhaupt gelingen konnte, ist nur der Tatsache zu verdanken, dass sich die Präsenz eines Menschen oder menschlichen Klon-Androiden – und der bist du in deinem tiefsten Inneren eben doch noch – kaum von der Präsenz anderer Menschen unterscheidet.

Marcus hatte nun eine Gestalt angenommen, die einer Noroofenrüstung glich.

Ein dunkler Umriss, der von unzähligen kleinsten Teilchen durchflossen wurde. Wie ein wirbelnder Schwarm winziger Insekten, der groteskerweise eine Formation bildete, die der Gestalt eines Menschen entsprach.

„Es war keine bewusste Täuschung!“, behauptete Marcus.

So? Mein Sinn für Heiterkeit ist im Moment nicht sehr ausgeprägt!

„Ich habe gehofft, von dir ins Vertrauen gezogen zu werden.“

Und du hast geglaubt, dass dir dies in Bradfords Gestalt leichter fiele? Verlass jetzt die Brücke. Ich werde künftig sehr genau auf dich achten und dir nicht mehr gestatten, dich in die Systeme der ALGO-DATA einzuschalten. Vielleicht werde ich deinen Bewegungsspielraum sogar ganz einschränken und dich einsperren müssen, was mit einem entsprechenden Kraftfeld auch bei einem Wesen, das nur aus Nano-Partikeln besteht, möglich wäre ... Oder wie wär’s mit einem Staseschlaf?

„Du könntest mich noch brauchen, Ozobeq!“

Ja, ich weiß ...

„Es scheint Hegriv-Schiffe in der näheren Umgebung zu geben ...“

Anscheinend hast du dich kurzfristig in die Ortungssysteme hineingeschaltet in der Hoffnung, dass ich das nicht merke. Du hättest dir etwas mehr Zeit nehmen sollen!

Allerdings dachte Ozobeq nicht im Traum daran, Marcus genauere Informationen zu geben, auch wenn sie in diesem Fall wahrscheinlich gar keine weitergehende Relevanz hatten. Die scheinbaren Hegriv-Signaturen hatte Marcus offenbar registriert. Aber inzwischen hatte Ozobeq mit ALGO-DATAs Hilfe durch eine Kombination der bisher aufgefangenen Funkdaten mit dem, was die Ortung lieferte, herausgefunden, was des Rätsels Lösung war.

In Ticchems Kaiserreich war Transportkapazität offenbar so knapp, dass man auch von den Hegriv zurückgelassene Raumschiffe umgebaut und für die eigenen Zwecke modifiziert hatte.

Der Nano-Sand von Vanghor musste schließlich in die entlegensten Teile des neuen Imperiums gebracht werden – koste es, was es wolle. Und die Hegriv-Schiffe waren auf Grund ihrer Größe hervorragend für diese Transporte geeignet.

Zerbrich dir ruhig deinen Nano-Kopf darüber, spottete Ozobeq. Irgendeine geistige Beschäftigung braucht schließlich selbst ein schwacher Klon-Geist!

Die Präsenz des Anführers der Hohen Sieben wurde erdrückend.

Und nun geh!

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ES WAR EIN FEHLER“, sagte Josephine später in einem ziemlich strengen Tonfall.

Sie trafen sich in Otlejs Gartenraum, in dem die Pflanzen nur so wucherten. Der Pflanzenhüter-Klon sprach einzeln mit ihnen. Manchmal murmelte er auch nur vor sich hin und schien dann auf nonverbaler Weise Kontakt zu ihnen aufzunehmen.

Er brauchte das.

Pflanzen waren einfach sein Element und man hatte ihn schließlich dafür geschaffen, sie zu hegen und zu pflegen.

John Bradford befand sich ebenfalls im Raum.

„Wir müssen jetzt damit rechnen, dass unsere Spielräume noch enger werden. Du hättest nicht auf eigene Faust handeln dürfen, Marcus.“

„Irrtum, John! Es war nur auf eigene Faust möglich“, widersprach Marcus.

„Jedenfalls wird es lange dauern, bis wir irgendeine Chance bekommen werden, den Spieß noch einmal herumzudrehen“, glaubte Josephine. Und John Bradford konnte sich in diesem Punkt ihrer Meinung nur anschließen. Es sei denn, es gelingt, ALGO-DATA wieder auf unsere Seite zu ziehen, dachte er. Aber angesichts der Umstände war das mehr als unwahrscheinlich. Wie soll man unseren Status im Moment bezeichnen?, fragte er sich. In früherer Zeit hätte man vielleicht von Gefangenen mit Offiziersprivilegien gesprochen ...

Aber darüber, dass sie jetzt Gefangene waren, konnte kein Zweifel bestehen.

Und Ozobeq hatte den Vorfall mit Marcus noch einmal dazu genutzt, um eindeutig klarzustellen, wer an Bord des Schiffes der Herr war.

Marcus veränderte das Aussehen seines Körpers. Er bildete seine menschliche Gestalt nach. „Ich glaube, Ozobeq setzt alles auf eine Karte“, sagte Marcus schließlich. „Ich habe nur Datenfragmente bekommen, aber das Wenige, was ich habe, muss man nur zusammensetzen, um ein einigermaßen stimmiges Bild der Lage zu zeichnen.“

„Und das ist wie?“, fragte Josephine mit einem deutlich genervten Unterton. Die Zuversicht, die Marcus trotz seines jüngsten Erlebnisses zur Schau trug, war für sie nicht nachvollziehbar. Aber vielleicht war ja jemand, der in gewisser Weise schon einmal gestorben war, zum Optimismus verurteilt.

„Ozobeq scheint in Hergamas auf Schwierigkeiten zu stoßen, mit denen er nicht gerechnet hat. Wer weiß, was Ticchem hier inzwischen so getrieben hat und ...“ Er sprach nicht weiter. „Ich fürchte, Ozobeq versucht, die Probleme mit Gewalt zu lösen. Ein Vabanquespiel ohne Rücksicht auf Verluste. Ich bin mir sicher, dass es Kampfhandlungen gab und ich kann mir nicht vorstellen, dass die CAESAR stark genug ist, um Ozobeqs Ambitionen durchzusetzen.“

„Wer weiß, was Ticchem hier in der Zwischenzeit aufbauen konnte!“, stimmte Josephine zu.

„Unglücklicherweise sind wir bei der Sache Ozobeqs Geiseln, sodass unser Schicksal wohl auf Gedeih und Verderb mit dem seinen verbunden ist!“ Marcus trat ein paar Schritte zurück und blickte hinauf zur Decke von Otlejs Gartenraum. Die Pflanzen wucherten bis dort hinauf. Die Versorgung mit künstlichem Sonnenlicht und die gute Pflege des Pflanzenhüter-Klons machten es möglich, dass hier, inmitten eines Raumschiffs, eine Art Dschungel entstanden war. „Ja, hör uns nur zu, Ozobeq!“, rief Marcus. Dann machte er eine ärgerliche, wegwerfende Handbewegung.

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TICCHEM WIRKTE UNRUHIG. Er ging auf und ab. Die Nano-Materie in seiner Umgebung schien sich nicht für eine feste Form entscheiden zu können und glich einem Spiegelbild seiner Verwirrung.

Erst einige energische telepathische Impulse brachten sie dazu, einfache, sehr schlichte Säulen zu bilden, die Erhabenheit ausstrahlen sollten. 

Geraflon kannte den Kaiser jedoch gut genug, um zu wissen, dass er jetzt sehr vorsichtig sein musste. Während der gesamten Zeit, da er schon in Ticchems Diensten stand, hatte der Chef der Geheimpolizei seinen Kaiser noch nie aufgewühlt erlebt.

„Ozobeq hat das Kana-Hergamas-System verlassen“, sagte Ticchem nun laut. „Ebenso das unbekannte Begleitschiff, dass ihm wie ein Schatten zu folgen scheint.“ Es war selten, dass der Kaiser laut sprach.

Er hielt es für ehrfurchtgebietender, Befehle fast ausschließlich auf telepathischem Weg zu erteilen, zumal er dann seine Präsenz noch weitaus wirkungsvoller zur Geltung bringen konnte.

Geraflon schirmte sich mental weitgehend ab. Er wollte nicht, dass der Kaiser die leisen Zweifel bemerkte, die inzwischen auch in ihm nagten. Zweifel daran, ob der Kaiser in der Lage war, diese Situation durchzustehen ... Denn Geraflon war nach dem Scheitern des Angriffs auf die ALGO-DATA sofort klar gewesen, dass Ticchem jetzt leicht in eine sehr komplizierte Lage geraten konnte.

„Besitzt Ozobeq die Koordinaten von Vanghor?“, fragte Geraflon.

Davon gehe ich aus. Und selbst wenn das nicht der Fall sein sollte, wäre es ein Leichtes für ihn, herauszufinden, wo sich Vanghor befindet ... Man braucht doch nur die Signaturen der Transportschiffe verfolgen und sieht, dass gegenwärtig in unserem Kaiserreich alles sternförmig auf diese Welt zuläuft. Von hier aus geht alles aus – hier ist das Zentrum unseres Aufbaus ...

„Dann werden wir bald mit ihm rechnen müssen ...“, sagte Geraflon. „Aber ein bisschen Zeit haben wir gewonnen. Jedenfalls dürfte die Option, ihn mit Gewalt zu vertreiben, erst einmal nicht zur Debatte stehen ...“

„Warum nicht?“, dröhnte Ticchem voller Zorn und ließ gleichzeitig einen mentalen Impuls von so erdrückender Präsenz folgen, dass es selbst für Geraflon bereits schmerzhaft war.

Der Polizeichef konnte nur mit Mühe verhindern, darauf mit einer telepathischen oder akustischen Schmerzensäußerung zu reagieren. So etwas durfte man sich nämlich nicht erlauben, wenn man daran interessiert war, sich langfristig die Wertschätzung des Kaisers zu erhalten. Ticchem verachtete Schwächlinge. Und eine solche Reaktion wäre ein untrügliches Zeichen der Schwäche gewesen.

Über ein Datensignal kündigte sich eine Transmission an, die höchste Priorität genoss.

Der lokale Flottenkommandant!, entnahm Ticchem sofort der Kennung. Eine Holo-Säule bildete sich und die Gestalt eines Noroofen erschien dort. 

Er verneigte sich, um den Demutsanteil an seiner Präsenz deutlich zu demonstrieren. Bei einer technologiebasierten Transmission konnten solche feinen mentalen Regungen schon einmal untergehen – und nichts war gefährlicher für einen noroofischen Kommandanten, als nicht genügend Demut gegenüber seinem Herrscher zu demonstrieren.

Gerade während einer Krise, wie sie sich im Moment anbahnte, war das unbedingt zu vermeiden. Ticchem war dafür bekannt, dass er dazu neigte, schnell ein Exempel zu statuieren.

Dass sein Zorn dabei durchaus auch manchmal den falschen traf, nahm er billigend in Kauf. Die Verbreitung von Schrecken war ein wesentlicher Faktor bei der Errichtung und Aufrechterhaltung jedweder Herrschaft. Das war Ticchems tiefste Überzeugung.

Er hatte in dieser Hinsicht einen nahezu perfekten Lehrmeister gehabt.

Ozobeq.

„Hier meldet sich Tarabek“, sagte die Holografie des Kommandanten, die auf jedes in erster Linie auf optische Sinne angewiesene Wesen absolut lebensecht gewirkt hätte.

Für Noroofen hingegen fehlte da die tatsächliche Präsenz. Eine solche Darstellung blieb immer nur ein blasses Abziehbild.

Tarabek gab einen kurzen Lagebericht über die militärische Situation im Raumsektor um Vanghor. „Ich habe alle verfügbaren Einheiten zusammengezogen. Weitere Verstärkung ist unterwegs.“

„Ich möchte, dass der Eindringling eskortiert wird“, gab Ticchem zurück. „Und ich möchte des Weiteren, dass ausschließlich Einheiten an der Operation teilnehmen, deren Loyalität über jeden Zweifel erhaben ist.“

Der Kommandant verneigte sich erneut und Ticchem gestattete ihm, die Transmission zu unterbrechen.

Ticchem wandte sich an Geraflon. „Was rätst du mir?“, fragte er.

Seine Präsenz machte einen erschreckend schwachen Eindruck.

Geraflon begriff sofort die Gefahr, die daraus für ihn selbst erwachsen konnte.

Herrscher verziehen es selbst ihren treuesten Anhängern kaum, wenn diese sie mal in einem Augenblick der Schwäche gesehen hatten. Und dies war zweifellos ein Augenblick der Schwäche.

„Wollt ihr eine ehrliche, offene Antwort?“, fragte Geraflon nach einigem Zögern zurück. „Bedenkt dabei, dass ich nicht Euren entschlossenen Charakter besitze, und vielleicht sehr viel mehr zur Vorsicht neige ... Vielleicht ist mein Rat daher für Euch gar nicht zutreffend, mein Kaiser!“

„Sprich schon!“, dröhnte Ticchem auf eine Weise, die Geraflon noch einmal verdeutlichte, wie tief Ticchem durch Ozobeqs Auftauchen verunsichert worden war. Etwas gefasster und daher auch nur telepathisch fuhr der Kaiser dann fort. Was würde geschehen, wenn ich Ozobeq jetzt doch noch vernichte? Das ist doch die Frage, auf die alles hinausläuft! Wie loyal wäre das Imperium, an dem Ozobeq keinerlei Anteil mehr hat?

„Ich würde ihn nicht unterschätzen“, riet Geraflon.

Du rätst mir zu einem Kompromiss?

„Da Ihr es schon äußerst, mein Kaiser ... Ein Kampf könnte das neue Noroofen-Imperium vor eine Zerreißprobe stellen! Wenn Ozobeq allein bleibt und sich niemand an seine Seite stellt, habt Ihr Glück und könnt ihn töten, ohne irgendwelche Folgen befürchten zu müssen. Aber was, wenn sich ein Teil unseres Volkes zu ihm bekennt?“

Ticchem schwieg eine Weile.

Dann sagte er laut: „Das Risiko gehe ich ein.“

„Dann wählt den Zeitpunkt gut, an dem Ihr zuschlagt, mein Kaiser. Im Kana-Hergamas-System scheint er Eure Absicht vorausgeahnt zu haben.“

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5. Kapitel: Das Duell der zwei Hohen

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Vanghor ...!

Ozobeq ließ das Raumschiff stark abbremsen, als er sich dem Zentrum des Nano-Sand-Umschlags näherte. Er lag wieder in dem Steuer-Sarkophag. Das letzte Stück des Fluges hatte er selbst übernommen und der Bord-KI die Kontrolle über die Bordsysteme abgenommen.

Die Raumschiffe des Kaisers, die sich während des Fluges nach Vanghor nach und nach an seine Fersen geheftet und die ALGO-DATAS eskortiert hatten, beunruhigten Ozobeq nicht weiter. Ganz im Gegenteil.

Ist das nicht ein Empfang, wie er für den Anführer der Hohen Sieben angemessen ist?, ging es Ozobeq zynisch durch den zylindrischen Kopf. Auch wenn die Raumkapitäne dieser Einheiten im Moment vielleicht bereit wären, mich auf einen Befehl ihres Kaisers hin zu vernichten – so wird die Zeit kommen, da sie mir wieder folgen. Da bin ich mir ganz sicher ...

Details

Seiten
Jahr
2018
ISBN (ePUB)
9783738919899
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Juni)
Schlagworte
galaxienwanderer herrscher galaxien

Autor

  • Alfred Bekker (Autor:in)

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Titel: Galaxienwanderer - Herrscher über Galaxien