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Der Hund des Unheils

von Alfred Bekker (Autor:in)
©2018 140 Seiten

Zusammenfassung

Der Hund des Unheils
Tatort Mittelalter Band 2

von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 113 Taschenbuchseiten.

Kaspar - der Hund des Unheils? Abergläubische Bauern beschuldigen den zutraulichen Streuner, für die Krankheiten von Mensch und Tier verantwortlich zu sein. Das will Wolfram, Page auf Burg Wildenstein, nicht wahrhaben. Gemeinsam mit dem Knappen Ansgar, dem Küchenmädchen Maria und Pater Ambrosius sucht er nach den wahren Gründen für die Unglücksfälle, um den Hund vor dem mittelalterlichen Strafgericht zu bewahren.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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Der Hund des Unheils

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Tatort Mittelalter Band 2

von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 113 Taschenbuchseiten.

Kaspar - der Hund des Unheils? Abergläubische Bauern beschuldigen den zutraulichen Streuner, für die Krankheiten von Mensch und Tier verantwortlich zu sein. Das will Wolfram, Page auf Burg Wildenstein, nicht wahrhaben. Gemeinsam mit dem Knappen Ansgar, dem Küchenmädchen Maria und Pater Ambrosius sucht er nach den wahren Gründen für die Unglücksfälle, um den Hund vor dem mittelalterlichen Strafgericht zu bewahren.

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Copyright

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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Da ist er!“, rief jemand. „Los! Wenn ihr ihn in die Finger bekommt, macht kurzen Prozess mit ihm!“

Der Hund mit den grauem, zotteligen Fell und dunklen Knopfaugen stand auf dem Hügel und blickte hinab ins Tal, wo sich einige Bauernhäuser befanden. Etwa zwanzig Männer und Frauen hatten sich von dort aus in Bewegung gesetzt. Sie schwenkten Mistgabeln, Knüppel und Äxte. Manche von ihnen hielten lodernde Fackeln in den Händen.

Zunächst stand der Hund mit wedelndem Schwanz auf seinen vier Pfoten. Aber als ihm der Brandgeruch der Fackeln in die Nase stieg und er die heiseren Stimmen hörte, senkte sich der Schwanz.

Natürlich konnte der Hund nicht verstehen, was gesagt wurde.

Aber er bemerkte den wütenden Tonfall, in dem sie sprachen.

Aufmerksam stellte er die Ohren auf und lauschte auf das, was der leichte Wind, der über die abendlichen Wiesen und Felder strich, ihm zutrug.

„Schnell! Packt das Tier!“

„Lasst es nicht entwischen!“

Der Hund war unschlüssig darüber, was er tun sollte. Oft streunte er in den Dörfern der Umgebung herum oder besuchte die Bauern. Meistens war er von den Menschen gut behandelt worden und wenn er mit einem leidenden Blick und einem Jaulen, das fast wie das leise Schluchzen eine Kindes klingen konnte, um etwas zu essen bettelte, hatte er auch fast immer irgend etwas bekommen. Abfälle zumeist. Hin und wieder auch einen Knochen.

Aber diesmal schien die Stimmung gegen ihn zu sein.

Die wütenden Männer und Frauen waren inzwischen bis auf wenige Meter herangekommen und der Instinkt sagte dem Tier, dass diese Menschen es nicht gut mit ihm meinten.

Zunächst bellte er einmal, dann fiepte er unterwürfig und senkte den Kopf.

Die Bauern blieben plötzlich stehen, so als wagten sie sich nicht weiter vor.

„Seht nur – die Augen!“, sagte ein Mann. Er schluckte und Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn.

„Die Hexenkraft leuchtet aus ihnen!“, glaubte eine junge Bäuerin zu erkennen, die einen Dreschflegel in der Hand schwang, mit dem eigentlich auf das geerntete Getreide eingedroschen wurde, um die Körner herauszutrennen.

Der Hund begann zu ahnen, dass er es war, der dieses Werkzeug bald zu spüren bekommen sollte.

Aber warum behandelte man ihn hier so feindselig?

Hatte er irgendjemandem etwas getan?

Vertrieb er nicht zum Dank dafür, dass man ihn durchfütterte, liebend gerne die Ratten aus den Vorratskammern?

„Das ist er also – der Hund des Unheils“, rief ein anderer Mann. „Seinetwegen ist unsere Ernte verdorben. Wie ich den Blick dieser dunklen Augen hasse!“

„Seht ihn nicht direkt an!“, kreischte eine schon etwas ältere Frau mit roten Wangen.

„Er hat schließlich den bösen Blick und kann euch alle verhexen!“

„So wie unseren armen Vater, den das Ungeheuer mit seiner Teufelskraft krank gemacht hat, sodass er starb!“, rief ein Mann mit dunkelblonden Haaren.

Vorsichtig und scheu, so als wären sie voller Angst, näherten sich die Menschen. Sie hoben ihre Werkzeuge wie Waffen.

Aber noch wagte es niemand, den Hund anzugreifen, der den Kopf ganz gesenkt und den Schwanz zwischen den Beinen eingeklemmt hatte, so als wollte er sich unterwerfen.

Dann schleuderte einer der Männer seine Axt in Richtung des Hundes.

Etwa eine Handbreit neben dem Tier traf die Waffe auf. Die scharfe Klinge bohrte sich in den Boden.

Der Hund bellte auf und rannte davon. Hinter sich hörte er das Wutgeheul der Menschen. Er verstand es nicht. Aber er begriff, dass er jetzt um sein Leben rennen musste. Diese Leute waren anders, als die Menschen, mit denen er bislang zu tun gehabt hatte.

Der Hund verschwand im hohen Gras.

Seine Verfolger verteilten sich. Manche von ihnen sangen mit heiseren Stimmen Kirchenlieder. Andere schlugen mit der Sense das Gras zur Seite, um den Hund aufzutreiben. Sie hetzten hinter ihm her, aber der Hund war der schnellere Läufer.

Immer größer wurde der Abstand.

Das Tier erreichte schließlich den rettenden Wald. Dort würde man ihn nicht finden.

Hechelnd erreichte der Hund die ersten Bäume und guckte sich um. Seine Ohren richteten sich auf. In der Ferne hörte er noch die wütenden Stimmen seiner Verfolger.

Jetzt, da er sich weit genug entfernt glaubte, begann er ihnen kräftig entgegen zu bellen, ehe er schließlich im Wald verschwand.

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Einige Tage später...

Die Schwerter krachten nur so gegeneinander. Wolfram konnte den Hieb seines Gegners gerade noch abwehren. Mit aller Kraft musste er dagegen halten. Immer wieder prasselten die Hiebe auf den Zehnjährigen ein und er versuchte ihnen so gut es ging auszuweichen oder sie mit Gegenschlägen abzulenken.

„Glück für dich, dass wir nur mit Holzschwertern kämpfen!“, rief Ansgar, sein Gegner. Ansgar war bereits vierzehn und dementsprechend größer und kräftiger als Wolfram. Die beiden Jungen waren trotz des Altersunterschiedes gut miteinander befreundet – aber das hieß nicht, dass einer von beiden bereit gewesen wäre, in einem Übungskampf auch nur einen Fußbreit zurückzuweichen.

Wolfram fasste nun den Griff seines Holzschwertes mit beiden Händen, nahm all seinen Mut zusammen und drosch auf Ansgar ein.

Dieser wehrte die Schläge mit seinem eigenen Holzschwert scheinbar mühelos ab.

Er ist einfach immer ein bisschen schneller als ich!, durchzuckte es Wolfram ärgerlich.

„So ein Kampf mit dem Holzschwert fordert mich gar nicht mehr richtig, seit ich Knappe bin und mit richtigen Waffen übe!“, meinte Ansgar mit gespielter Mühelosigkeit. Doch ein paar Schweißperlen standen ihm auf der Stirn und straften ihn Lügen. Ganz so einfach war es für den frisch gebackenen Knappen nämlich nicht, den Angriffen des Jüngeren standzuhalten.

„Angeber!“, rief Wolfram, nachdem es ihm sogar gelungen war, Ansgar ein paar Schritte zurückzudrängen.

Beide Jungen waren von ihren jeweiligen Eltern nach Burg Wildenstein gesandt worden, um dort zu Rittern ausgebildet zu werden. Mit sieben Jahren hatte Wolfram die Burg seines Vaters Ludwig von Hauenfels verlassen müssen, um bei dem befreundeten Baron Norbert von Wildenstein all das zu lernen, was ein voll ausgebildeter Ritter können und wissen musste. Während Wolfram mit seinen zehn Jahren noch immer ein Page war, so hatte Ansgar vor ein paar Monaten bereits die zweite Stufe der Ritterausbildung erreicht und war nun Knappe, der sich bereits im Umgang mit richtigen Waffen übte, die Ausrüstung seines Ritters und dessen Pferd in Ordnung hielt und diesen sogar in die Schlacht begleitete.

Ansgar war allerdings erst ganz am Anfang seiner Zeit als Knappe und noch weit davon entfernt, einen Ritter in die Schlacht begleiten zu dürfen. Doch das hinderte ihn nicht daran, gegenüber Wolfram und den anderen Pagen von Burg Wildenstein den kleinen Unterschied herauszustellen, der nun zwischen ihnen bestand.

Beide Jungen hielten im Kampf inne.

Sie rangen nach Luft.

„Na, was ist, gibst du auf?“, fragte Ansgar herausfordernd.

„Darauf wartest du vergeblich!“, erwiderte Wolfram. „Gib es zu, die neuen Kampftechniken, die dein Ritter dir beigebracht hat, nützen dir gegen mich nichts!“

„Das wollen wir doch mal sehen!“

Ansgar holte zu ein paar wuchtigen Hieben aus und trieb Wolfram damit mehrere Schritte zurück. Um ein Haar wäre der Zehnjährige gestolpert. Im letzten Moment konnte er dem Holzschwert ausweichen. Ansgars Schlag ging ins Leere.

Da lenkte das Bellen eines Hundes Wolfram für einen kurzen Moment ab. Es war Kasper, einer der vielen herrenlosen Hunde, die es auf Burg Wildenstein gab. Wolfram hatte den Hund längst ins Herz geschlossen und oft genug beleitete er ihn auf seinen Streifzügen in der Umgebung von Burg Wildenstein.

Während die beiden Jungen mit den Holzschwertern aufeinander eindroschen, hatte Kasper ganz ruhig dagesessen. Die Trainingskämpfe zwischen den beiden Jungen waren für Kaspar kein Grund, sich aufzuregen. Sein Bellen musste also einen anderen Anlass haben. Kaspar begann zu knurren und die Zähne zu fletschen.

Diesen Moment nutzte Ansgar. Mit einem wuchtigen Hieb schlug er Wolfram das Holzschwert aus der Hand. In hohem Bogen flog es ins Gebüsch.

Ansgar richtete die Spitze seiner eigenen Übungswaffe auf Wolfram und meinte:

„Jetzt wärst du tot, wenn wir uns in einer richtigen Schlacht gegenübergestanden hätten!“

Wolfram lief dunkelrot an. Er war wütend. Wütend darüber, dass er sich hatte ablenken lassen – und wütend auf Ansgar, der das schamlos ausgenutzt hatte. Entsprach das vielleicht den Idealen des Rittertums von Fairness und Ehre?

Aber weder Wolfram noch Ansgar kamen dazu, irgendetwas zu entgegnen, denn in diesem Augenblick preschte ein Reiter aus dem Unterholz des nahen Waldes auf die Lichtung zu, wo der Kampf stattgefunden hatte.

An seiner Kleidung und Bewaffnung war dieser Reiter unschwer als Ritter zu erkennen. Er trug Helm und Harnisch und darunter ein Gewand aus Wolle, das Wams genannt wurde. Zwei Schwerter nannte er sein eigen. Eines war von normaler Größe und hing an seinem Gürtel, wo sich auch noch ein längerer Dolch befand. Die andere Klinge war enorm lang und sehr breit, sodass der Ritter sie in einer Lederscheide auf dem Rücken tragen musste. Der Griff war so lang, dass man ihn mit zwei Händen fassen konnte.

Wolfram hatte solche Waffen auch bei den Rittern von Burg Wildenstein schon gesehen. Es handelte sich um einen so genannten Beidhänder.

Am Sattel hing der hölzerne Schild, auf den das Wappen des Ritters aufgemalt war: Eine schwarze Rose in einem roten Kreis. Nie zuvor hatte Wolfram dieses Wappen gesehen. Außer auf dem Schild war es auch auf der Satteldecke und dem Gewand.

Das Pferd des Ritters stellte sich auf die Hinterbeine, während Kasper den Fremden weiter ankläffte. Um ein Haar wäre der hohe Herr aus dem Sattel gerutscht. Das Ross wieherte laut und im letzten Moment gelang es dem Ritter, es doch noch unter Kontrolle zu bekommen.

Wolfram war inzwischen zu Kaspar geeilt und versuchte den Hund zu beruhigen. Er kraulte ihm das graubraune Fell und redete auf ihn ein.

Kaspar ließ noch ein düsteres Knurren hören.

Der Ritter stieg aus dem Sattel und tätschelte seinem Pferd den Nacken.

„Das scheint ja ein wahrer Teufelshund zu sein, so finster, wie der mich anknurrt!“, meinte der Mann, dessen Gesicht von einem schwarzen Bart umrahmt wurde. „Sieh dir nur seine Augen an! So als wollte er mir jeden Augenblick an die Kehle springen, um mich zu zerreißen.“ Er lachte.

„Eigentlich ist er nicht so!“, erwiderte Wolfram. „Ich weiß auch nicht, was mit ihm los ist!“

„Er wird sich schon beruhigen. Manchmal wünschte ich, wir würden die Sprache der Tiere verstehen, dann wäre manches leichter!“ Der Ritter machte sein Pferd an einem Strauch fest und näherte sich. Nachdem er sich umgesehen hatte, deutete er auf Ansgars Holzschwert. „Wie ich sehe, haben sich hier zwei zukünftige Ritter im Kampf gemessen.“

„O ja!“, bestätigte Ansgar. „Und ich bin der Sieger des Wettstreits gewesen.“ Er lief rot an und verbarg das Holzschwert hinter seinem Körper. Der Grund dafür, dass die beiden Jungen an diesen abgelegenen Ort geritten waren, um miteinander zu kämpfen, war nämlich der Umstand, dass es Ansgar inzwischen peinlich war, mit einer hölzernen Waffe gesehen zu werden – einem Spielzeug, wie er es empfand. Schließlich war Ansgar bereits ein Knappe und trainierte mit Waffen aus Metall. Es wäre nicht auszudenken gewesen, wenn einer der anderen Knappen ihn mit einer Holzwaffe gesehen hätte! Er wäre zum Gespött der ganzen Burg geworden, glaubte er. Dass dieser Fremde ihn damit sah, war ihm daher äußerst unangenehm, obwohl der Ritter seinerseits keinerlei Geringschätzung dafür erkennen ließ.

„Er hat mich mit unfairen Mitteln bekämpft!“, behauptete Wolfram.

„Unfair? Was soll unfair daran gewesen sein, dass du dein Schwert nicht richtig festhalten konntest?“

„Ich war abgelenkt durch die Geräusche im Wald und Kaspars Gebell!“

„Pah! Du willst nur nicht zugeben, dass du der Verlierer bist!“

„Sollten sich zwei edle Männer von morgen derart ehrlos über den Sieg in einem Übungskampf streiten?“, griff der fremde Ritter ein. „Das kann ich nicht glauben!“ Die beiden Jungen sahen ihn erstaunt an und er lächelte überlegen.

„Sagt ihm das, edler Herr!“, knurrte Ansgar und deutete auf Wolfram.

„Wieso mir? Ich habe mich richtig verhalten!“, protestierte der Zehnjährige.

Ehe sich erneut ein hitziges Wortgefecht zwischen den beiden Freunden entwickeln konnte, hob der fremde Ritter seine Hand und brachte die Jungen damit zum Schweigen.

„Ich sage euch beiden etwas“, erklärte er und wandte sich zunächst an Ansgar. „Du bist der Ältere von euch und wenn dein jüngerer Freund meint, du hättest ihn nur durch unglückliche Umstände besiegen können, sei großzügig und biete ihm die Chance der Revanche an.“ Er wandte den Kopf in Wolframs Richtung und fuhr fort: „Und dir möchte ich sagen, dass man als Ritter von Ehre anerkennen sollte, wenn man im ehrlichen Kampf bezwungen wurde. Auch dann, wenn vielleicht Umstände geherrscht haben, die den anderen begünstigten! Dein Freund kann schließlich nichts dafür, dass ich ausgerechnet in jenem Augenblick zu hören war, als er dich mit einem Schlag attackierte und du dein Schwert verlorst. Aber ungünstige Umstände kann es immer geben! Bei jedem Turnier und in jeder Schlacht! Willst du beim nächsten Mal den Wind oder den Schrei eines Vogels für deine Niederlage verantwortlich machen?“

„Nein“, murmelte Wolfram kleinlaut.

„Aber du hast richtig gehandelt, indem du auf die Geräusche im Wald mehr geachtet hast, als auf deinen Übungskampf, der ja schließlich nur eine Art Spiel ist. Schließlich konnte niemand von euch ahnen, was da aus der Dunkelheit des Unterholzes kommt! Es hätte eine Gefahr sein können. Ein Wolf! Ein wild gewordener Keiler, der euch hier nicht sehen will, oder ...“ Der Ritter zögerte.

„Oder was?“, hakte Wolfram nach.

„Ein Trupp von Raubrittern, die es auf kleine adelige Jungs wie euch abgesehen haben, sie entführen und ein hohes Lösegeld von ihren Eltern fordern könnten!“ Sowohl Wolfram als auch Ansgar hatten von derartigen Vorfällen gehört. Allerdings hatten sie sich bisher nur weit entfernt ereignet. Das so etwas auch hier und jetzt, kaum drei Meilen von der heimatlichen Burg Wildenstein entfernt, geschehen könnte, war den beiden Jungen nicht in den Sinn gekommen.

Wolfram erschrak. Er starrte den fremden Ritter an und wich unwillkürlich einen Schritt vor ihm zurück. Konnte es sein, dass dieser fremde Herr ...?

„Keine Sorge! Ich bin kein Raubritter – was euer beider Glück ist, sonst würde es euch nun schlecht ergehen. Mit euren Holzschwertern hättet ihr wohl kaum eine Chance gehabt, euch wirklich zu wehren!“ Der Ritter wandte sich erneut an Ansgar. „Du hast dich nur auf diesen Übungskampf konzentriert. Alles andere scheint dir gleichgültig gewesen zu sein – deinem Freund aber nicht. Auch darüber solltest du nachdenken!“ Ansgar senkte beschämt den Kopf.

Die Worte des Ritters hatten einigen Eindruck auf die beiden Jungen gemacht.

Nach einem Moment des Schweigens wandte sich Wolfram an Ansgar und sagte:

„Ich gratuliere dir zu deinem Sieg. Du warst heute der Bessere.“ Ansgar schüttelte den Kopf. „Wir können den Kampf einfach als unterbrochen werten und ein anderes Mal fortsetzen!“

„Dieses Angebot nehme ich gerne an.“

Der fremde Ritter stemmte die Arme in die Hüften. „Die Höflichkeit gebietet es eigentlich, dass man sich zu Anfang vorstellt. Da wir alle diesen Zeitpunkt verpasst haben, sollten wir es jetzt nachholen. Ich bin Bernward von Kammlingen, fahrender Ritter und Sänger auf Wanderschaft.“

Wolfram wartete ab, bis sein älterer und als Knappe auch ranghöherer Freund seinen Namen genannt hatte.

Endlich war der Zehnjährige an der Reihe: „Wolfram von Hauenfels“, stellte sich Wolfram vor und verneigte sich dabei, wie es die Höflichkeit verlangte. „Ich bin zurzeit Page auf der Burg des Grafen Norbert von Wildenstein!“

„Wildenstein ...“, murmelte Bernward von Kammlingen. „Ich habe gehört, dass eine Burg dieses Namens ganz in der Nähe liegt. Bauern in der Umgebung haben es mir erzählt.“

„Das ist richtig“, erklärte Wolfram. „Es sind nur ein paar Meilen.“

„Vielleicht begleitet Ihr mich dorthin, sodass ich mich Eurem Burgherrn vorstellen kann.“ Er atmete tief durch. „Die Tage werden schon kürzer und die Nächte kühler. Ich brauche eine Bleibe für den Winter. Außerdem habe ich gehört, dass hier in Kürze ein Turnier mit großem Jahrmarkt abgehalten werden soll.“ Wolfram nickte. „Das stimmt. Das große Herbstturnier wird bald stattfinden.“

„Ich nehme an, dass Baron Norbert von Wildenstein den Siegerpreis bereits ausgelobt hat!“, meinte der fremde Ritter.

In seinen Augen blitzte es auf eine Weise, die Wolfram nicht gefiel. Er vermochte nicht genau zu sagen, was es eigentlich war, das ihn so störte, aber Kaspar schien genauso zu empfinden. Er kauerte zu Wolframs Füßen und knurrte den Ritter drohend an.

„Ich glaube, wir zwei werden wohl nicht so schnell Freunde!“, stellte Bernward fest.

„Es wäre uns eine Ehre, Euch nach Burg Wildenstein zu geleiten“, erklärte inzwischen Ansgar.

„Worauf warten wir dann noch?“, fragte der Ritter.

Die beiden Jungen hatten ihre Pferde in der Nähe angebunden. Wolfram lief hin und holte sie. Wenig später schwangen sie sich in die Sättel. Reiten lernten zukünftige Ritter sehr früh. Meistens schon vor ihrer Zeit als Page. So war es auch bei Wolfram gewesen, der schon im Alter von sechs Jahren ein Pferd sicher beherrscht hatte. An Ansgars Sattel hing ein altes und bereits angerostetes Kurzschwert, dass er voller Stolz zu tragen pflegte, seit er Knappe war.

„Wie wir Euch schon sagten, Ritter Bernward – bis zur Burg sind es nur ein paar Meilen!“, rief Wolfram. „Im Galopp sind wir schnell dort!“

„Gemach, gemach!“, erwiderte der Ritter. „Mein Pferd hat einen langen und anstrengenden Ritt hinter sich und ist erschöpft. Ich möchte es nicht zu Schanden reiten, andernfalls stehe ich am Ende beim Turnier ohne Streitross da und kann mir das Preisgeld nicht verdienen.“

„Das klingt, als wärt Ihr sehr sicher, beim Herbstturnier den Sieg davonzutragen!“, sagte Wolfram.

„Oh, ich will jetzt nicht in Prahlerei verfallen, aber in aller Unbescheidenheit kann ich doch sagen, ein geübter Turnierkämpfer zu sein!“

„Es wird die Ritter von Wildenstein nicht gerade freuen, wenn sie so starke Konkurrenz bekommen!“, vermutete Ansgar.

„Oh, ganz im Gegenteil!“, erwiderte Bernward von Kammlingen. „Von den Rittern dieser Burg hört man nur das Beste. Und wenn sie wirklich so ehrenhafte Männer sind, wie überall erzählt wird, dann werden sie sich über eine echte Herausforderung freuen.“

„Ihr redet sehr viel von Ehre“, stellte Ansgar fest.

„Das ist nicht verwunderlich“, erwiderte Ritter Bernward. „Sie ist das Wichtigste bei einem Ritter. Für die Ehre ziehen wir in die Schlacht und kämpfen im Turnier. Nichts anderes zählt da, weder Gold noch Güter ...“

Sie ritten im langsamen Tempo von dannen. Ansgar führte die Gruppe an, dann folgte Ritter Bernward und am Schluss ritt Wolfram. Dieser zügelte plötzlich sein Pferd und drehte sich im Sattel herum, weil Kaspar ihnen einfach nicht folgte.

Der Hund bellte ihnen lediglich zweimal hinterher.

„Na los, Kaspar! Komm schon!“, rief Wolfram.

Aber der Hund schien andere Pläne zu haben. Er drehte sich herum und trottete zum anderen Ende der Lichtung.

„Kaspar!“, rief Wolfram ein letztes Mal, bevor das Tier im dichten Gestrüpp des Unterholzes verschwand.

„Dieser Höllenhund scheint sehr eigenwillig zu sein!“, stellte Bernward fest.

Wolfram schüttelte den Kopf. „Ich verstehe nicht, warum er uns nicht folgt.“

„Wäre doch nicht das erste Mal, dass er es vorzieht, sich im Wald herzutreiben!“, meinte Ansgar.

„Wie ein gut ausgebildeter Jagdhund sieht diese Promenadenmischung wirklich nicht aus“, mischte sich Bernward ein.

Wolfram riss sein Pferd herum und ließ es über die Lichtung preschen. Er ritt im scharfen Galopp bis zum Waldrand, aber von dem Hund war nichts mehr zu sehen. Er rief noch ein paar Mal in die Dunkelheit des Waldes hinein, bekam aber keine Antwort.

Bernward und Ansgar lenkten jetzt ebenfalls ihre Pferde herum und folgten Wolfram.

Der fremde Edelmann ritt seitlich an Wolfram heran und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

„Am besten, du lässt diesem Eigenbrötler seinen Willen!“, schlug er vor. „Er ist ein Streuner, nicht wahr?“

„Das stimmt“, musste Wolfram zugeben.

„Dann dürfte es entschieden zu spät sein, dieses Tier noch erziehen zu wollen.

Entweder man fängt damit an, wenn sie noch kleine Welpen sind, oder man lässt es ganz bleiben.“

Wolfram atmete tief durch. Einen Moment lang hatte er geglaubt, dass der Hund ihm vielleicht irgendetwas zeigen wollte. Aber dann wäre er zurückgekommen und hätte sich bemerkbar gemacht!, ging es Wolfram durch den Kopf.

„Wahrscheinlich hat der fremde Herr Recht“, meldete sich Ansgar zu Wort. „Du weißt doch, wie Kaspar ist. Er kommt und geht und keiner weiß, wann man ihn das nächste Mal sieht. Vermutlich jagt er nur einem Hasen oder Eichhörnchen nach und ist schneller wieder auf der Burg als wir!“

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Sie ritten durch den dichten Wald und hielten sich dabei an die wenigen schmalen Pfade, die es hier gab. Die Jungen kannten sich hervorragend in diesem Gebiet aus, denn schließlich unternahmen sie des Öfteren ausgedehnte Streifzüge, und außerdem hatte zumindest Ansgar bereits einmal bei der Jagd als Treiber geholfen.

Endlich erreichten sie den Waldrand.

In der Ferne, auf einer Anhöhe, waren die Mauern von Burg Wildenstein zu sehen.

Wolfram deutete mit dem ausgestreckten Arm dorthin und sagte: „Seht, Ritter Bernward! Dort ist unsere Burg!“

Der fremde Ritter lehnte sich in seinem Sattel zurück und meinte: „Um ehrlich zu sein hatte ich mir Burg Wildenstein etwas größer und erhabener vorgestellt!“ Wolfram ärgerte diese Bemerkung.

Wohl wusste er, dass es größere und mächtigere Burgen im Land gab als Wildenstein. Aber dies jetzt anzusprechen, da der fremde Ritter doch die Gastfreundschaft des Burgherrn begehrte, erschien Wolfram recht unhöflich.

Nach und nach näherten sie sich der Burg. Die Wachmänner, die von den Türmen und Wehrgängen aus das umliegende Land beobachteten, würden die Ankömmlinge sofort ausmachen. Wolfram konnte sich gut vorstellen, was geschah, sobald das Wappen Ritter Bernwards von den Mauern der Burg aus erkennbar war. Einer der Wächter würde sofort die Ankunft eines fremden Ritters melden und den Kommandanten der Burgwache verständigen. Dieser berichtete die Neuigkeit dann dem Baron.

Es gab nicht oft Besuch auf Burg Wildenstein. Und daher war die Ankunft eines Fremden immer etwas Besonderes, das den Alltag unterbrach.

Bald schon ritten Bernward und die beiden Jungen durch das Burgtor mit Fallgatter.

Sie gelangten in den so genannten Wirtschafts- oder Vorhof der Burg, wo allerhand Geschäftsleute und Handwerker zu finden waren. Hier standen außerdem die Häuser und Hütten der Burgbediensteten, zum Beispiel der Wachleute. Außerdem gab es eine Schmiede und eine Schneiderei, in der die Gewänder der Ritter und ihrer Damen gefertigt wurden. Die Ställe für die Tiere befanden sich ebenfalls hier, sodass oftmals der Geruch von Pferdemist über dem Vorhof wie eine schwere Dunstglocke hing.

Kaufleute priesen ihre Waren an und ein paar Gaukler versuchten, das Publikum in den Bann zu ziehen und dafür etwas zu ergattern. Das Interesse der Menschen hielt sich jedoch in Grenzen und wurde völlig abgelenkt, als der fremde Ritter hereinritt.

„Seht nur, sein Wappen!“, rief jemand.

„Er muss von weit her kommen – ein derartiges Wappen habe ich nie zuvor gesehen!“

„Er scheint ein Sänger zu sein!“

„Woher willst du das wissen?“

„An seinem Sattel hängt doch ein Instrument!“

„Eine Laute!“

„Hoffen wir nur, dass seine Stimme nicht so schrill das Lautenspiel übertönt, wie es bei dem letzten fahrenden Sänger der Fall war, der auf Burg Wildenstein beherbergt wurde.“

Auf diesen letzten Satz folgte Gelächter, das jedoch sofort verstummte, als Bernward seinen strengen Blick über die Männer und Frauen schweifen ließ, die den Weg des Ritters säumten. Die Menschen starrten den Fremden an.

Das Gewand des Ritters hatte Streifen in leuchtendem Blau und war aus einem edlen, sehr fein gewebten Stoff gefertigt.

Die Kleider der Menschen am Wegesrand waren dagegen nur in Grau und Braun gehalten. Und wenn es zwischen ihnen doch einmal einen Farbtupfer gab, so konnte man gewiss sein, dass es sich um einen Ritter oder eine Edeldame handelte, denn Handwerkern und Bauern war es verboten, Farbstoffe bei der Herstellung ihrer Kleidung zu verwenden. Denn man sollte schon gleich an der Kleidung sehen, ob jemand zum Adel gehörte oder nur ein Mann aus dem einfachen Volk war.

Auch hinter den Zinnen der inneren Burgmauer patrouillierten Burgwachen auf und ab. Sie trugen Schwerter, lange Lanzen, die Hellebarden genannt wurden, und Streitäxte. Manche von ihnen auch eine Armbrust oder einen Bogen. Durch ein Tor gelangten Wolfram, Ansgar und Ritter Bernward in den inneren Burghof, der im Fall eines Angriffs selbst dann noch verteidigt werden konnte, wenn die äußere Mauer längst durch den Feind überwunden und der Wirtschaftshof bereits erobert worden war.

Die drei ritten geradewegs auf den Palas zu, das Herrenhaus von Burg Wildenstein, den der Burgherr und seine Gattin bewohnten.

Offenbar hatte sich die Nachricht von der Ankunft des Gastes schon herumgesprochen, denn ein gutes Dutzend Ritter stand bereits vor dem Portal des Herrenhauses herum und hatten offensichtlich ihre Waffenübungen unterbrochen, um dem Gast ihres Burgherrn zu begegnen.

Wolfram stieg aus dem Sattel. Ansgar ebenfalls. Der Knappe nahm das Pferd des fremden Ritters am Zügel und nun stieg Bernward von seinem Ross.

Auf der obersten Stufe des Portals erschien jetzt ein breitschultriger Mann in der Kleidung eines Ritters. Er trug das Schwert am Gürtel, allerdings kein Kettenhemd und auch keinen Helm. Schließlich hatte er im Augenblick nicht vor, in den Kampf zu ziehen.

Ritter Bernward verneigte sich. „Seid gegrüßt, Baron und Burgherr von Wildenstein.

Mein Name ist Bernward von Kammlingen. Ich bin ein fahrender Ritter auf Wanderschaft auf der Suche nach Ruhm und Ehre.“

„Seid willkommen auf Burg Wildenstein. Ich bin Baron Norbert und dies ist meine holde Frau, die Burgherrin Margarete.“

Bernward verneigte sich noch einmal, diesmal noch tiefer. „Es wäre mir eine Ehre, an Eurem weithin bekannten Herbstturnier teilnehmen zu dürfen, an dem gewiss eine große Zahl tapferer Ritter die Waffen schwingt!“

„Um ehrlich zu sein ist Burg Wildenstein nicht gerade ein Königshof, sondern nur der Herrensitz eines einfachen Barons!“ Der Burgherr deutete auf seine Ritter. „Mit tapferen, ehrenwerten und in vielen Schlachten bewährten Rittern könnt Ihr rechnen. An Ehre gibt es hier genug zu verdienen, aber was das Preisgeld angeht ...“ Der Baron sprach zunächst nicht weiter.

Wolfram bemerkte die Veränderung, die im Gesicht des fremden Ritters vor sich ging. Eine tiefe Furche bildete sich auf dessen bis dahin glatter Stirn.

„Was ist mit dem Preisgeld?“, hakte Bernward schließlich nach, als die Pause des Schweigens ihm allzu lang wurde.

Auch die Ritter des Barons sahen ihren Burgherrn gespannt an, denn ihnen gegenüber hatte sich Baron Norbert ebenfalls noch nicht über das diesjährige Preisgeld für den Sieg beim Herbstturnier geäußert.

Der Baron atmete tief durch und schlug dem fahrenden Ritter dann freundschaftlich auf die Schulter. „Was sollen wir über Geld und Gut reden, durch die letztlich nur Verdruss und Ärger entstehen! Überlassen wir diese Dinge den Händlern und Krämerseelen, die auf dem Markt im Wirtschaftshof um ihre Waren feilschen.“

„Nun ...“

„Wir sind doch Edelleute!“

„Gewiss!“

„Edel von Abstammung – aber auch von edler Gesinnung. Euch muss ich doch nicht sagen, dass es auf ganz andere Dinge ankommt, als auf die Anhäufung von Gold und Silber. Sagt nicht auch unser Burgkaplan immer, dass man nichts davon mitnehmen kann, wenn man eines Tages ins Reich der Toten tritt!“ Bernward hob die Schultern. „Da habt Ihr sicher Recht“, gestand er Baron Norbert widerstrebend zu.

Der Burgherr fuhr indessen fort: „Gleichgültig, ob man nun am Tag des jüngsten Gerichts dazu ausersehen wird, in den Himmel aufzufahren und zur Rechten Gottes zu sitzen, oder ob man seiner Missetaten wegen abwärts in die Hölle fährt und dort auf ewig über dem Feuer geröstet wird – Gold und Silber nützen einem weder dort droben noch dort unten etwas!“

„Das lässt sich nicht bestreiten“, murmelte der fremde Ritter kleinlaut.

Wolfram hatte jedoch den Eindruck, dass Ritter Bernward nicht ganz die Wahrheit gesprochen hatte. Ein hohes Preisgeld wäre ihm wahrscheinlich lieber als aller Ruhm und alle Ehre der Welt!, ging es Wolfram durch den Kopf. Zwar sprach Bernward viel von Ehre, aber Wolfram hatte die Veränderung gesehen, die in dem Gesicht des fahrenden Ritters vor sich gegangen war, als ihm klar wurde, dass das Preisgeld des diesjährigen Turniers nicht sehr üppig ausfallen würde.

„Lasst uns erst einmal in den Palas hineingehen, verehrter Ritter Bernward“, schlug Baron Norbert vor. „Ihr müsst mir von Euren Reisen und Erlebnissen erzählen. Seid Ihr den sagenhaften Drachen einmal begegnet oder sind sie nur Geschöpfe der Fantasie?

Und wo seid Ihr schon überall gewesen?“ Norbert wandte sich den anderen Rittern zu und machte eine weit ausholende Geste. „Ich nehme an, dass diese ehrenwerten Herren hier auch an Euren Erzählungen interessiert wären, schließlich verirren sich nicht allzu oft Reisende in diese Gegend!“

„Gegen einen Becher mit Wein werdet Ihr sicher nichts einzuwenden haben, Bernward von Kammlingen“, mischte sich nun die Burgherrin mit ihrer hellen, freundlich klingenden Stimme in das Gespräch ein.

„Gewiss nicht!“, erklärte Bernward, dessen Gesicht sich wieder etwas aufhellte.

Norbert wandte sich an Ansgar. „Ihr beide wart lange weg. Zu lange für meinen Geschmack!“

„Oh, Ihr solltet den beiden Jungen keine Vorwürfe machen“, sagte Bernward. „Ich war es, der sie gewiss aufgehalten hat, weil mein Pferd durch den langen Ritt schon ziemlich müde war. Hätten sie mich nicht getroffen, so wären sie sicherlich viel früher zur Burg zurückgekehrt!“ Bernward zwinkerte Wolfram zu.

Baron Norbert zuckte die Achseln. „Wie auch immer! Ansgar, die anderen Knappen werden gerade von unserem Falkner in der Greifvogeljagd unterrichtet. Du hast schon einiges versäumt! Eile hinter ihnen her! Sie sind bei dem Dorf Langenfeld! Na los, schwing dich in den Sattel!“

Das ließ sich Ansgar nicht zweimal sagen. Er übergab das Ross Bernwards an einen der umherstehenden Ritter und stieg wieder in den Sattel seines eigenen Pferdes. Im nächsten Moment schon preschte er dem Tor der inneren Ringmauer entgegen.

Doch Wolfram hatte es ihm genau angesehen! Der Knappe hätte allzu gerne auch den Geschichten des fahrenden Ritters gelauscht – aber dazu würde er zumindest heute keine Gelegenheit mehr bekommen.

Baron Norbert wandte sich an Wolfram. „Du kommst mit uns und wirst unseren Gast bedienen“, wies er den Zehnjährigen an.

„Aber ...“ Wolfram stockte. Er bereute schon, überhaupt etwas erwidert zu haben. Es war ihm einfach über die Lippen gesprudelt und er konnte froh sein, den Rest seiner Worte einfach heruntergeschluckt zu haben.

Der Baron runzelte die Stirn. „Hast du etwa irgendetwas dagegen einzuwenden, dass du hier deinen Pflichten als Page nachkommen sollst?“, fragte er etwas ungehalten über den Widerspruch des Jungen.

„Natürlich nicht“, sagte Wolfram. Er konnte sich denken, dass sich die Gespräche mit dem Baron hinziehen würden und eigentlich hatte der Junge heute noch etwas sehr Wichtiges vor. Regelmäßig besuchte er nämlich Pater Ambrosius, einen gelehrten Mönch im nahen Kloster St. Ingbert, der ihm Lesen und Schreiben beibrachte.

Fähigkeiten, von denen Baron Norbert der Ansicht war, dass ein Ritter sie nicht zu beherrschen brauchte. Schließlich konnte sich ein Edelmann stets für ein paar Münzen die Dienste eines Schreibers leisten. Lesen und Schreiben war etwas für die Männer der Kirche, die in der Bibel lasen. Aber nicht für einen Mann, der einen Landstrich zu regieren und zu verteidigen hatte.

Wolfram war in diesem Punkt allerdings anderer Ansicht. Er wollte unbedingt lesen und schreiben lernen, um selbst nachprüfen zu können, was in den Schriften geschrieben stand.

Auch heute war er mit Ambrosius verabredet – doch nun würde er wahrscheinlich nicht mehr nach St. Ingbert reiten können. Das ärgerte ihn.

Aber gegen den Befehl seines Burgherrn wagte er nicht aufzubegehren. Wenn er sich dessen Anordnungen nicht fügte, konnte er schlimmstenfalls mit Schimpf und Schande zurück auf die Burg seiner Eltern geschickt werden. So etwas sprach sich natürlich herum. Welcher Ritter wäre danach noch bereit gewesen, ihn auszubilden?

Baron Norbert bat seinen Gast und die anderen Ritter ins Innere des Palas.

Margarete, die holde Burgherrin wandte sich nun an Wolfram. „Geh in die Küche, berichte dem Küchenmeister, dass wir hohen Besuch haben und er für den Abend ein Festmahl auftischen soll!“

„Das werde ich tun“, versprach Wolfram.

„Und der Kellermeister“, fuhr Margarete fort. „mag sofort etwas vom besten Wein schicken, der in den Gewölben unserer Burg lagert! Es soll unserem Gast an nichts fehlen.“

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Wolfram tat, was ihm aufgetragen worden war. Er eilte in die Burgküche, in dem der Küchenmeister das Sagen hatte und darauf achtete, dass die Anweisungen des Burgherrn oder seiner Frau genauestens ausgeführt wurden.

Der Küchenmeister hörte sich an, was Wolfram ihm zu sagen hatte. Seine Miene wurde dabei immer skeptischer. Der Küchenmeister hob die Augenbrauen und schüttelte den Kopf, während er hörbar seufzte.

„Ein Festmahl soll ich heute Abend herrichten? Was unser Burgherr sich dabei gedacht hat! Hoher Besuch hin oder her – er weiß doch selbst am besten, wie es um unsere Vorratskammern bestellt ist! Es fehlt an allen Ecken und Enden!“

„Es ist aber der ausdrückliche Wunsch unsres Barons ...“, begann Wolfram, aber der Küchenmeister fiel ihm sogleich ins Wort.

„Du kannst nichts dafür, Junge! Schließlich bist du ja nur der Überbringer der schlechten Nachricht.“ Er seufzte erneut. „Und ich kann mal wieder sehen, wie ich für den edlen Herrn etwas aus dem Hut zaubere!“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung und fuhr nach einer kurzen Pause fort: „Dass du mir aber nichts von dem, was ich hier jetzt vor mich hingebrummt habe, zum Baron trägst!“

„Kein Gedanke!“, versicherte Wolfram.

„Das will ich hoffen, sonst stuft mich Baron Norbert zum Hilfskoch herab!“ Daraufhin ließ der Küchenmeister Wolfram einfach stehen, wirbelte durch die große Burgküche und rief die ersten Anweisungen.

Über zwanzig Personen waren in der Küche von Burg Wildenstein beschäftigt, die in einem kühlen Kellergewölbe untergebracht war.

Darunter Köche und Küchengehilfen, aber auch eine Reihe von Waisenkindern, die Baron Norbert auf seiner Burg aufgenommen hatte und die sich hier mit Hilfsdiensten nützlich machten. Darunter war ein dunkelhaariges Mädchen in einem einfachen, vielfach geflickten Leinenkleid. Sie hieß Maria und war im gleichen Alter wie Wolfram.

Der hatte sich mit ihr angefreundet. Er mochte ihr Lachen und redete gerne mit ihr.

Außerdem kümmerten sie sich beide um Kaspar und Maria sorgte dafür, dass der Hund seinen Teil von den Küchenabfällen bekam.

Maria stand etwas abseits und hatte ihn während des Gesprächs mit dem Küchenmeister beobachtet. Erst nachdem sie sich kurz nach diesem umgeblickt hatte, sagte sie: „Hallo, Wolfram!“

Im Augenblick herrschte in der Küche größte Hektik. Der Küchenmeister war in einen Streit mit den Köchen verwickelt, die genauso wenig wie ihr Chef wussten, woher sie die Zutaten für das Festmahl nehmen sollten.

„Hallo Maria“, erwiderte Wolfram und lächelte. Er war schon sehr dafür getadelt worden, sich überhaupt mit einem Waisenkind wie Maria abzugeben. Schließlich war er adeliger Herkunft und es war eigentlich unter seiner Würde, mit Maria überhaupt nur ein Wort zu sprechen.

Aber Wolfram hatte sich bisher nicht darum gekümmert. Er mochte sie und war nicht bereit, sich von irgendjemandem verbieten zu lassen, mit ihr zu sprechen.

„Sag mal, ist Kaspar inzwischen hier aufgetaucht?“ Maria schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe ihn heute noch nicht gesehen. Wieso?“ In knappen Worten berichtete Wolfram ihr, was im Wald geschehen war.

Maria zuckte die Achseln. „Du kennst ihn doch! Manchmal streift Kaspar tagelang durch die Gegend und taucht dann plötzlich völlig zerzaust wieder auf. Warte es nur ab!

Diesmal wird es genauso kommen!“

„Wenn du meinst!“

„Bestimmt!“, versicherte Maria.

Der Küchenmeister hatte seinen Streit mit den Köchen inzwischen beendet. Er sah stirnrunzelnd zu Maria hinüber und herrschte sie an: „Was tust du da! Stehst herum und hältst Reden oder was?“

„Ich ...“, stammelte das Mädchen.

„Na los, mach dich endlich nützlich! Wir haben mehr als genug Arbeit, weil unser Herr als großzügiger Gastgeber dastehen will!“ Der Ärger war dem Küchenmeister noch immer deutlich anzumerken. Er wandte sich an Wolfram. „Und du? Hat dein Herr dir gesagt, du sollst hier herumstehen und die Küchenhilfen von der Arbeit abhalten?“

„Nein.“

„Das dachte ich mir, junger Herr!“

Was die Rangfolge anging, stand Wolfram als Page und späterer Knappe und Ritter jetzt schon über dem Küchenmeister. Schließlich war der Junge adeliger Herkunft, während der Vater des Küchenmeisters auch schon nichts anderes als ein Küchenmeister gewesen war. Aber Wolfram war noch ein Kind und so nahm sich der Küchenmeister in diesem Fall das Recht heraus, dem hochwohlgeborenen Wolfram von Hauenfels trotzdem auf diese Weise anzuherrschen.

Wäre ich der Sohn des Burgherrn, würde er das nicht im Traum wagen!, ging es Wolfram ärgerlich durch den Kopf. Aber so konnte sich der Küchenmeister sicher sein, dass Wolfram irgendwann, nachdem er dereinst zum Ritter geschlagen wurde, auf die Burg seines Vaters zurückkehrte.

Wolfram trug dem Küchenmeister aber ohnehin nichts nach. Er wusste, was für eine schwere Aufgabe dieser zu bewältigen hatte, und um nichts in der Welt hätte er mit ihm tauschen mögen.

Wenig später suchte er den Kellermeister auf, um den Wein einzufordern, nach dem der Burgherr verlangt hatte. Die Gehilfen des Kellermeisters brachten ihn später in den Palas, wo Wolfram dann die Aufgabe hatte, den Rittern einzuschenken. Bernward von Kammlingen würde dabei als Gast natürlich mit besonderem Zuvorkommen behandelt werden.

Als Wolfram zurückkehrte, war der fahrende Ritter gerade im Begriff, von seinen langen Reisen zu erzählen. Dramatische Schilderungen von verschiedenen Schlachten kamen über Bernwards Lippen. Er war ein so begabter und fesselnder Erzähler, dass Wolfram sich alle Mühe geben musste, über diesen spannenden Erzählungen nicht seine Pflichten zu vergessen. Er musste die ganze Zeit über darauf achten, dass keiner der Anwesenden einen leeren Krug in der Hand hielt.

Ritter Bernward berichtete, wie er ganz allein und von Feinden eingeschlossen gegen die Übermacht des Feindes gekämpft und ausgehalten habe, bis endlich die Verstärkung gekommen sei.

„Ich glaubte schon, mein Arm müsste erlahmen, aber ich hielt durch. Fast hatte ich das Gefühl, als ob eine höhere Macht in mein Schwert gefahren wäre und es bewegte!“

„Ihr müsst einen bewundernswerten Mut besitzen“, sagte Margarete huldvoll.

„Eure Worte wärmen mir das Herz!“, erwiderte Bernward. Er hielt den Krug empor und Wolfram eilte sogleich herbei, um ihm nachzuschenken.

Nun meldete sich Ferdinand von Walden zu Wort. Er war einer der Ritter in den Diensten des Barons und hatte ihm schon in viele Schlachten zur Seite gestanden.

„Man hört in letzter Zeit immer wieder etwas von einem neuen Kreuzzug“, erklärte er. „Leider war ich noch zu jung, um mich den Kreuzrittern anzuschließen, als diese aufbrachen, um das Heilige Land um Jerusalem zu erobern.“

„Es ist ein Jammer für Euch, dass Jerusalem bereits erobert wurde!“, erwiderte Bernward von Kammlingen. „Und denkt Euch – ich hatte als blutjunger Ritter das Glück, an diesem Kreuzzug teilzunehmen. Ich war ein Knappe, als ich in Venedig auf eines der vielen Schiffe ging, die nach Palästina segelten, und im Heiligen Land erst wurde ich noch zum Ritter geschlagen, weil ich mich in der Schlacht um Jerusalem besonders auszeichnete!“

Ein Raunen durchlief die Reihen der anwesenden Ritter. Ihre Bewunderung war Bernward von Kammlingen nun vollkommen gewiss.

„Ihr seid wahrhaftig ein weit gereister und tapferer Mann“, musste Baron Norbert zugeben. „Jeder hier kann Euch nur um das abenteuerliche Leben beneiden, das Ihr geführt habt!“

„Oh, ich bin froh, dass ich nicht jahrelang vergeblich auf einen Mann warten musste, der Tausende von Meile entfernt versucht, Jerusalem zu erobern!“, gestand Margarete und schenkte ihrem Mann dabei ein liebliches Lächeln.

„Es wäre mein größter Wunsch, auch einmal an einem Kreuzzug teilnehmen zu dürfen!“, gestand Ferdinand von Walden. „Aber ich habe meinem Burgherrn Treue geschworen und könnte ihn nicht einfach so im Stich lassen! Das wäre gegen jede Ehre.“ Ferdinand seufzte. „Ihr hattet Glück, Herr Bernward! Das Glück, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein!“

„Worauf wir trinken wollen!“, meinte Bernward und hob seinen Krug. Die anderen Männer folgten seinem Beispiel und wenig später musste Wolfram erneut nachschenken.

„Wenn ich noch mal auf das Preisgeld für das diesjährige Turnier zu sprechen kommen darf“, meinte Baron Norbert schließlich, nachdem sich die Stimmung der Männer wieder etwas gelegt hatte. Er kratzte sich am Kinn und druckste etwas herum, so als wäre es ihm eigentlich sogar unangenehm, noch einmal über diesen Punkt sprechen zu müssen.

Aber es ging nicht anders.

Es musste sein.

„Was ist mit dem Preisgeld?“, fragte Bernward und auf einmal war es totenstill im Raum.

Augenblicke lang sagte niemand ein Wort.

Alle Augen waren auf Baron Norbert von Wildenstein gerichtet, der seinen Weinkrug abstellte, seinen Oberkörper straffte und den Blick in der Runde schweifen ließ. „Es ist beschämend für mich, einen Ritter und Helden von Eurem hohen Rang auf meiner Burg als Gast zu haben und beim Turnier ausgerechnet dieses Mal lediglich ein Preisgeld bieten zu können, das man nur als erbärmlich bezeichnen kann.“

„Oh, wie gesagt, es kommt mir auf das Preisgeld nicht an!“, behauptete Bernward abermals.

„Ich glaube Euren Beteuerungen aufs Wort, Ritter Bernward“, gab Norbert von Wildenstein zurück. „Aber ich möchte, dass Ihr meine Lage versteht. Das Wetter war schlecht. Unsere Bauern hatten eine Missernte und konnten mir gegenüber ihre Abgaben nicht leisten. Aus diesem Grund bin auch ich derzeit zur Sparsamkeit gezwungen, wie Ihr sicher verstehen werdet.“

„Gewiss!“, versicherte Bernward. „Ihr braucht Euch deswegen keine Gedanken zu machen.“

„Oh, das muss ich wohl! Wenn Ihr die Vorratskammern unserer Burg sehen könntet, dann wüsstet Ihr, was ich meine! Sie sind so leer, dass ich vor dem Turnier sogar eine Jagd ansetzen musste, um überhaupt ein Festbankett für den Sieger ausrichten zu können! Und Gott stehe mir bei, dass bei dieser Jagd auch genügend Wild erlegt wird!“

„Ich will Euch keinesfalls zur Last fallen, Baron. Wenn Ihr wollt, so ziehe ich sofort weiter.“

Wieder fiel Wolfram dieses eigenartige Glitzern in den Augen des fremden Ritters auf.

„Wollt Ihr mich beleidigen?“, polterte der Baron in gespieltem Zorn. „Nein, Ihr könnt selbstverständlich als mein Gast hier auf Burg Wildenstein bleiben und unserem bescheidenen Turnier zu Ruhm verhelfen.“

„Zu gütig, Baron!“

„Das Turmzimmer könnt Ihr den ganzen Winter über bewohnen, wenn es Euch beliebt“, mischte sich Margarete ein. „Wir halten es für fahrende Sänger bereit, die ab und zu die kalte Jahreszeit bei uns verbringen und unserem Hof mit ihrer Spielkunst etwas mehr Glanz und Fröhlichkeit schenken.“

„Ich bin überrascht über dieses großzügige Angebot“, stellte der fahrende Ritter fest.

„Aber woher ...“

„Ich sah die Laute an Eurem Sattel hängen“, erklärte die Burgherrin, noch ehe Bernward seinen Satz hatte zu Ende sprechen können.

Ferdinand von Walden hob den Krug und rief: „Auf die vielen noch unbekannten Lieder, die Ihr uns im Verlauf des Winters vortragen werdet!“ Die anderen stimmten in diesen Ruf mit ein und hoben ebenfalls die Gläser. Laute Hochrufe auf Bernward erschollen.

Sie verstummten erst, als Baron Norbert den Anwesenden durch ein Handzeichen Einhalt gebot.

„Ich möchte hier und jetzt etwas sehr Wichtiges kundtun“, verkündete er. „Ich kann mich im Angesicht dieses tapferen Mannes, der an der Eroberung Jerusalems beteiligt war, nicht lumpen lassen. Das Preisgeld selbst kann ich nicht erhöhen. Ich werde meine letzten Heller dafür zusammenkratzen, aber ein Goldesel bin ich leider auch nicht! Aber es gibt etwas, das ich diesem Preis hinzufügen kann, um ihn für einen so edlen Kämpfer wie Bernward von Kammlingen angemessen auszustatten.“

„Ich sagte es bereits: Macht Euch keine Umstände!“, wiederholte sich Ritter Bernward. „Wäre ich an Besitz interessiert, so würde ich kaum als fahrender Ritter durch die Lande ziehen, noch hätte ich mich jemals an einem Kreuzzug beteiligt, der für jeden, der daran teilnahm, die allergrößten Mühen und Entbehrungen bedeutete!“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, Freund Norbert, wie ich euch ja wohl nun nennen darf – es geht mir nur um die Ehre und ich bin überzeugt davon, dass jeder der hier anwesenden Ritter genauso empfindet!“

Zustimmendes Gemurmel erhob sich im Raum.

Der Burgherr hob erneut die Hand und nachdem wieder Ruhe eingekehrt war, setzte er zu seiner Erwiderung an.

„Auch mir geht es nur um die Ehre! Deswegen bestehe ich darauf, dem Preis etwas hinzuzufügen, das dies deutlich macht.“ Baron Norbert machte eine kurze Pause, um die Wirkung seiner Worte zu unterstreichen. Schließlich fuhr er fort: „Ich habe seit langem bei einem Schmied in dieser Gegend ein Schwert in Auftrag gegeben. Zum Turnier soll es fertig sein. Es wird aus einem ganz besonderen Stahl gefertigt sein. Ein Schwert, wie es kein zweites gibt! Anstatt es selbst zu führen, werde ich es als zusätzlichen Preis für das Turnier stiften!“

Wolframs Blick war in diesem Moment auf das Gesicht des fahrenden Ritters gerichtet. Bernwards Augen leuchteten.

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Am Abend gab es ein großes Festmahl im Palas. Der Küchenmeister brachte alles auf den Tisch, was er noch hatte finden können. Wolfram musste natürlich – zusammen mit anderen Pagen von Burg Wildenstein – bedienen, während die Knappen bereits mit an der Tafel sitzen durften. Auch Ansgar war darunter. Er grinste Wolfram triumphierend an.

Zwischendurch hörte Wolfram den Küchenmeister schimpfen. „Hoffentlich wird wenigstens die bevorstehende große Jagd ein Erfolg – sonst werden wir den Winter mit knurrenden Mägen zubringen müssen!“

Dass es so schlimm um die Vorräte auf der Burg bestellt war, hatte Wolfram bisher nicht gewusst. Erst jetzt waren ihm dafür die Augen geöffnet worden.

Das Fest dauerte lange und immer wieder musste Ritter Bernward von seinen glorreichen Kämpfen im Heiligen Land erzählen. Die Geschichte der Schlacht um Jerusalem schilderte Bernward insgesamt dreimal in größter Ausführlichkeit. In allen Einzelheiten berichtete er davon, wie er Dutzende von Feinden im Kampf besiegt oder in die Flucht geschlagen und seine Gefährten aus aussichtsloser Lage gerettet hatte.

Wolfram kam es allerdings so vor, als ob der fahrende Ritter diese Ereignisse jedes Mal ein klein wenig anders schilderte.

Das Mahl dauerte bis weit nach Mitternacht. Todmüde fiel Wolfram danach ins Bett.

Am nächsten Morgen ließ Baron Norbert ihn zu sich rufen. Der Burgherr empfing Wolfram im Palas, dessen Hauptraum noch immer die Spuren des Festes trug. Noch hatte niemand aufgeräumt. Die Reste des gestrigen Mahls standen herum, ein paar Weinkrüge lagen in Scherben auf dem Boden.

„Wolfram, ich brauche heute deine Hilfe!“, sagt der Baron. „Reite in das Dorf Langenfeld und besuche den Schmied Hartbrand. Ich möchte wissen, wie weit er mit der Fertigung des Schwertes fortgeschritten ist!“

„Ja, mein Baron!“, nickte Wolfram.

Es war für den Zehnjährigen nichts Ungewöhnliches, dass sein Burgherr ihn als Laufburschen einsetzte. Auch das gehörte zu den Pflichten, mit denen ein Page betraut werden konnte.

„Geh zum Stallmeister, richte ihm schöne Grüße von mir aus und lass dir das beste Pferd im Stall geben. Ich möchte nämlich, dass du schnell zurückkehrst!“

„Ich werde so schnell wieder hier sein, wie ich kann!“, versprach der Junge.

„Du kannst jetzt gehen“, erwiderte der Burgherr.

Jetzt erst wagte es Wolfram, sich zu entfernen.

Durch einen Nebeneingang verließ er den Palas. Dort kam ihm Maria entgegen.

Zusammen mit ein paar anderen Küchenkindern war sie vom Küchenmeister dazu abgeordnet worden, den Festsaal des Palas aufzuräumen und die Spuren der abendlichen Feier zu beseitigen.

„Was ist mit Kaspar?“, fragte Wolfram besorgt.

„Nichts“, erwiderte Maria schnell.

„Keine Spur von ihm?“

„Meinst du, ich würde dich anlügen? Nein, der Hund ist nicht aufgetaucht. Die Küchenabfälle hat jetzt der neue Abortreiniger für sich und seine Familie genommen.“ Maria zuckte die Achseln. „Wenn er oder seine Familie die Speisen nicht selbst essen, geben sie diese sicher dem Schwein, das er bei sich in seiner Hütte hält.“

„Mir kommt das langsam wirklich seltsam vor!“

„Ach, Wolfram. Du musst einfach einsehen, dass dir so ein Hund auf dieselbe Weise folgt, wie es ein Jagdfalke bei seinem Herrn tut. Das ist nun einmal so!“

„Nein, das ist etwas ganz anderes“, widersprach Wolfram. „Ein Jagdfalke tut nichts ohne Belohnung. Sein Herr muss ihn lange füttern, bis er halbwegs zahm wird auf seinem Arm sitzen bleibt. Und noch länger dauert es, bis man ihn frei nach Hasen jagen lassen kann – und er auch tatsächlich wieder zurückkehrt. Aber wenn er nicht mehr sicher ist, dass der Falkner einen Leckerbissen für ihn parat hat, wird er sich einfach davonmachen! Denn er befolgt Befehle nur so lange, wie er etwas dafür bekommt!“

„Und du denkst, das ist bei einem Hund anders?“

„Kaspar ist mein Freund.“

„Vielleicht kam er nur wegen der Küchenabfälle auf die Burg und hat irgendwo eine bessere Möglichkeit gefunden, etwas zu erbetteln“, meinte Maria.

Aber Wolfram schüttelte den Kopf.

„Das glaube ich nicht.“

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Wolfram lief wenig später zu den Ställen im Wirtschaftshof.

Der Stallmeister gab ihm tatsächlich eines der besten Pferde, die er zu vergeben hatte. Wolfram kannte es bereits. Es handelte sich um einen gescheckten Hengst mit dem Namen Feuerwind. Der junge Page hatte anderen dabei zugesehen, wie sie auf diesem Tier wie der Wind dahingaloppiert waren. Heute ehrte Baron Norbert Wolfram damit, dass er Feuerwind reiten durfte.

Zumindest für diese eine Aufgabe!, vergegenwärtigte sich der Junge noch einmal die Situation. Ein Daueranrecht auf dieses herausragende Pferd hatte er natürlich nicht.

Immerhin – für ihn war es ein besonderer Beweis für das Vertrauen, das der Burgherr ihm entgegenbrachte.

Als Wolfram Feuerwind gesattelt hatte und das Tier aus dem Stall heraus ins Freie führte, traf er Ansgar. Dieser wunderte sich darüber, dass Wolfram offenbar vom Baron die Erlaubnis bekommen hatte, Feuerwind zu reiten.

„Das muss ja ein äußerst wichtiger Auftrag sein, mit dem dich Baron Norbert losgeschickt hat“, meinte der Knappe mit deutlich hörbarem Spott in der Stimme.

„Gib es zu, du bist nur neidisch!“, entgegnete Wolfram.

„Pah!“, machte Ansgar verächtlich. „So ein Unsinn! Wieso sollte ich neidisch auf einen Laufburschen sein?“, tönte er. „Zum Glück brauche ich mich mit derlei niederen Botengängen nicht mehr abzugeben, sondern beschäftige mich mit dem Handwerk richtiger Ritter!“

„So?“, höhnte Wolfram. „Wahrscheinlich darfst du wieder Ferdinand von Waldens Pferd am Zügel halten oder die Satteldecke auflegen! Wirklich beneidenswert!“

„Na warte, dir werde ich es zeigen!“, erwiderte Ansgar zornig, denn er fühlte sich in seiner Ehre als Knappe verletzt.

Wahrscheinlich wäre es sogar noch zu einem handfesten Streit zwischen den beiden Jungen gekommen, wenn Wolfram sich nicht eines Besseren besonnen und sich auf den Rücken von Feuerwind geschwungen hätte. Er drückte dem Tier die Hacken in die Flanken, sodass es lospreschte.

Ansgar konnte ihm nur noch mit geballter Faust hinterherschauen.

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Langenfeld war nach der Form eines Feldes benannt, dass sich ganz in der Nähe befand und eine ungewöhnlich lange und schmale Form besaß. Das Dorf gehörte zu jenen Ortschaften, die zu Baron Norberts Lehen gehörten. Die Bauern waren verpflichtet, dem Burgherrn den zehnten Teil ihrer Ernte und ihres Viehs zu überlassen.

Dafür sorgte Baron Norbert mit seinen Rittern für ihren Schutz.

Der Ort bestand nur aus ein paar Häusern und einer kleinen Kapelle, deren Turm moosbewachsen und windschief war. Um diese Kapelle herum standen die Häuser der Bauern, die in der Umgebung ihre Felder bestellten und ihr Vieh auf die Weiden führten.

Hinter dem Dorf stieg ein Hang steil an. Ein Bach floss von den nahen Hügeln herab, vorbei an einer Wassermühle, bei der sich auch eine Schmiede befinden musste.

Jedenfalls war der Klang der Schmiedehämmer weithin über das Tal zu hören. Das war die Werkstatt von Meister Hartbrand, den Baron Norbert mit dem Schmieden seines neuen Schwertes beauftragt hatte. Meister Hartbrands Ruf war weit über die Grenzen des Wildensteiner Landes hinausgedrungen und es kam immer wieder vor, dass sich Adelige aus weiter entfernten Burgen hier Waffen fertigen ließen. Meister Hartbrand kannte die Geheimnisse der Stahlhärtung wir kein anderer.

Schon aus weiter Ferne merkte Wolfram, dass irgendetwas an diesem Tag nicht stimmte. Ein übler Brandgeruch wehte ihm entgegen, und als er das Dorf erreichte, sah er einen Scheiterhaufen, um den die Bauer des halben Dorfes versammelt waren.

Manche von ihnen beteten. Als sie den Jungen hoch zu Ross sahen, verstummten sie.

Was mag hier nur geschehen sein?, fragte sich Wolfram. Er bemerkte, dass einige der Männer und Frauen dunkle Säcke als Gewänder trugen und sich Asche über den Kopf streuten.

Büßergewänder! , durchfuhr es Wolfram. Aber die Sitte, sich Asche auf das Haupt zu streuen, war eigentlich nur in der Fastenzeit üblich. Irgendetwas musste geschehen sein, dass die Menschen glauben ließ, sie hätten den Zorn Gottes erregt. Aber Wolfram wagte nicht zu fragen. Zu aufgebracht erschienen ihm die Menschen aus dem Dorf.

„Seht ihn euch an! Einer dieser jungen Herren, die mit einem goldenen Löffel auf die Welt gekommen sind und noch nicht einmal ahnen, was uns bedrückt!“, meinte eine Frau.

„Geschweige denn, dass sie etwas dagegen unternehmen würden.“

„Ich habe dem Vogt des Barons schon mehrfach von dem Hund des Unheils berichtet

– aber er wollte nicht auf mich hören! Sicher hat er meine Worte dem Burgherren gar nicht ausgerichtet!“

Wolfram ritt nun doch etwas näher an die Menge heran. Mit weit aufgerissenen Augen sahen sie ihm entgegen.

Ein Mann trat vor und sagte: „Meidet besser diesen Ort, junger Herr!“

„Aber warum?“, fragte Wolfram verständnislos, der jetzt neugierig geworden war.

„Weil hier das Böse einkehrte. Die Macht Satans und der Höllendämonen hält unseren Landstrich in seinem Bann!“

„Ich sehe keine Höllendämonen!“, erklärte Wolfram.

„Ach nein?“ Der Mann deutete auf das Feuer. „Wisst Ihr, was dort brennt, junger Herr?“

„Nein.“

„Ein Kalb, das missgebildet war. Auf dem Rücken wuchs ihm ein zusätzliches Bein!“

„Der Hund des Unheils hat diesen Ort verhext“, meldete sich ein anderer zu Wort. Es handelte sich um einen wohl genährten Bauern mit roten Wangen. Er hielt eine Sichel in der Hand, die er bedrohlich wie eine Waffe hin und her schwenkte.

„Der Hund des Unheils?“, fragte Wolfram verständnislos. „Was soll das sein?“ Immer wieder kursierten Schauergeschichten über alle möglichen fantastischen Ungeheuer und magischen Wesen, die angeblich in den Wäldern um Wildenstein hausen sollten. Aber Wolfram war längst in einem Alter, in dem er diese Erzählungen nicht mehr für bare Münze nahm. Die meisten waren so genannte Ammenmärchen, die man kleinen Kindern erzählte, von denen sich ein angehender Ritter aber nicht mehr schrecken ließ.

Der rotgesichtige Bauer erzählte, was es über den Hund des Unheils zu sagen gab.

„Seit einiger Zeit taucht immer wieder ein streunender Hund in dieser Gegend auf.

Ein Ungeheuer mit zotteligem grauen Fell. Ausgeschlossen, dass es sich um einen Hund handeln könnte, der zur Jagd zu gebrauchen wäre.“

„Er ist ein Geschöpf Satans!“, mischte sich eine Frau ein und bekreuzigte sich gleich darauf.

Der Bauer nickte heftig.

„Dieser Hund hat den bösen Blick. Er ist mir bei der Erntearbeit auf dem Feld begegnet. Das ist jetzt schon einige Wochen her. Seine dunklen Augen haben mich auf eine Weise angesehen, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Ich wusste gleich, dass mit diesem Geschöpf etwas nicht stimmte. Er lief davon und kurz darauf brach ein heftiges Unwetter los. Die Wolken türmten sich wie dunkle Schattengebirge und es gab ein Unwetter mit Hagelschlag und Gewitter, das den Grossteil der Ernte vernichtete!“

„Und du bist dir sicher, dass es etwas mit diesem Hund zu tun hatte?“

„Immer wieder tauchte er in den letzen Wochen in dieser Gegend auf“, ergriff nun wieder die Frau das Wort. „Man beobachtete ihn dabei, wie er Hasen jagte oder über die Felder strich. Später gab es eine Krankheit unter dem Vieh, die viele Tiere zu Grunde gehen ließ.“

„Dieser Hund hat den bösen Blick. Wen er ansieht, der ist des Todes“, ergänzte der Bauer. „Manche von uns haben wahrhaft höllische Kopfschmerzen und siechen dahin, als hätte uns der Tod lange vor unserer Zeit in seinem Griff. Die Blätter der Bäume sind schon im Sommer von den Bäumen gefallen – und auch das geschah, kurz nachdem der Hund sich wieder gezeigt hatte.“

Wolfram erschrak über die Worte der Dorfleute.

Die Beschreibung des Hundes passte auf den nach wie vor vermissten Kaspar. Es war gut möglich, dass Kaspar in und um Langenfeld herumgestreunt und dabei dem einen oder anderen Bewohner aufgefallen war.

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Wenig später ritt Wolfram hinauf zur Schmiede von Meister Hartbrand.

Der Baron hatte dem Schmied vor etwa einem Jahr erlaubt, sein Gewerbe im Wildensteiner Land frei auszuüben und sogar Gesellen auszubilden und anzustellen.

Etwa ein Dutzend kräftige Männer arbeiteten für den Meister.

Als Wolfram die Schmiede erreichte, schwang er sich elegant aus dem Sattel. Er hatte das dutzendfach geübt, weil er fand, dass es zu einem zukünftigen Ritter gut passte. Auch wenn sein Ritterschlag wohl noch viele Jahre in der Zukunft lag, so glaubte Wolfram doch, dass man gar nicht früh genug anfangen konnte, sich über solche Dinge Gedanken zu machen.

Der Junge machte das Pferd an einem Holzpflock fest, der sich vor der Schmiede befand.

„Ah, da sieht man aber einen, der mit dem Pferd verwachsen ist wie das Efeu mit dem Baum, an dem es sich emporschlingt!“, ließ eine tiefe, dunkle Stimme den Jungen unwillkürlich zusammenzucken.

Ein Mann von gewaltiger Größe trat aus der Tür. Er trug eine braune Lederschürze.

Seine Arme waren dicker und muskulöser als Wolframs Oberschenkel. Er hatte sie vor der Brust verschränkt und kam etwas näher. Das Haar auf seinem Kopf wurde schon dünn. Er schwitzte.

Wolfram gewann inzwischen seine Fassung wieder. „Ich bin Wolfram von Hauenfels und mein Herr, der Burgherr Baron Norbert von Wildenstein, schickt mich, um mit Meister Hartbrand zu sprechen!“

Der große Mann lachte schallend.

„Wie trefflich Ihr zu formulieren wisst, junger Herr! Es scheint, als hätte der gute Baron diesmal keinen gewöhnlichen Laufburschen aus dem Küchengesinde hierher geschickt, um seine Nachrichten zu überbringen, sondern einen zukünftigen Ritter und Edelmann! Welche Ehre!“ Der spöttische Unterton war in den Worten des großen Mannes nicht zu überhören.

„Seid Ihr der Meisterschmied?“, fragte Wolfram etwas verärgert, denn er fühlte sich von seinem Gegenüber nicht so recht ernst genommen.

Der Mann hob die Hände und schüttelte den Kopf. „Nein, gewiss nicht. Ich bin Josef, einer seiner Gehilfen. Der Meister ist in der Werkstatt!“

„Ich dachte, er hat bereits so viele Gehilfen, dass er selbst gar nicht mehr Hand anlegen muss“, meinte Wolfram.

Josef lachte. „Das ist ein Irrtum. Wenn es sich um ein wirklich wichtiges Stück handelt, dann darf kein anderer als der Meister persönlich an Hammer und Amboss!“ Eine raue Stimme ertönte aus dem Inneren der Schmiede. „Mit wem redest du da, Josef? Haben wir so viel Zeit, dass du zwischendurch einen Schwatz halten kannst?“

„Das ist er!“, meinte Josef in gedämpftem Tonfall und deutete dabei ins Innere der Werkstatt. „Hier ist ein Bote des Barons!“, rief er anschließend laut.

„Soll hereinkommen!“, rief Meister Hartbrand.

Die Schläge des schweren Schmiedehammers waren erneut zu hören.

Wolfram trat zögernd ins Innere der Werkstatt. Es herrschte Halbdunkel. Im Ofen loderte ein Feuer. Ein weiterer Gehilfe pumpte mit dem Blasebalg Luft in die Glut.

Meister Hartbrand war ein wahrer Riese. Noch nie zuvor hatte Wolfram einen so großen Mann gesehen. Er musste selbst die Ritter von Burg Wildenstein noch um mindestens einen Kopf überragen. Der Meister ließ sich von seiner Arbeit nicht ablenken. Mit immer neuen Hammerschlägen formte er das Metall. Wolfram sah zunächst eine ganze Weile zu.

Schließlich legte der Meister die Klinge, die er gerade in Arbeit hatte, beiseite und wandte sich zu dem Jungen um. „Sagt Eurem Herrn Baron, dass sein Schwert rechtzeitig zum Turnier fertig sein wird!“, versicherte er. Er griff nach einer anderen Klinge. Es handelte sich um ein breites, sehr langes Schwert. Der Meister schwang es durch die Luft, sodass es zischte. „Seht her!“, rief er zu Wolfram hinüber. „Dies ist sie, die Klinge, die ich nach den Vorstellungen des Barons gefertigt habe. Ich muss jetzt nur noch die Feinheiten am Griff ausarbeiten, ein paar Verzierungen anbringen und den Edelstein am Knauf einsetzen, den er mir zu diesem Zweck gegeben hat.“ Erneut ließ er das Schwert durch die Luft wirbeln. Die Freude an dem gelungenen Handwerk war dem Waffenschmied dabei deutlich anzusehen. Er reichte das Schwert schließlich Wolfram.

„Hier, nehmt es auch einmal!“

Zögernd ergriff Wolfram das Schwert.

Es war erstaunlich leicht. Viel leichter, als andere Schwerter, die Wolfram bisher in den Händen gehalten hatte. Zwar stand für einen Pagen noch nicht das Training mit richtigen Metallwaffen auf dem Ausbildungsplan, aber er hatte wiederholt die Waffen der auf Wildenstein in Dienst stehenden Ritter halten dürfen und konnte sich daher durchaus ein Urteil erlauben.

Ähnlich wie Meister Hartbrand es getan hatte, vollführte er einen Schlag durch die Luft.

„Seht Ihr, was ich meine, junger Herr?“, fragte Hartbrand. „Dieses Schwert vermag von einem Kind geführt zu werden, so leicht und gut ausgewogen ist es. Ein erwachsener Mann vermag dadurch mit doppelter Schnelligkeit und Gewandtheit zu kämpfen.“

„Gewiss erlahmt der Arm eines Ritters, der dieses Schwert führt, nicht so schnell, wie es normalerweise der Fall wäre!“, meinte Wolfram voller Bewunderung für die Arbeit des Schmiedemeisters. Er vollführte noch ein paar Schläge durch die Luft, ehe er die Waffe an Meister Hartbrand zurückgab.

„Der Baron wird viel Freude an dieser Klinge haben!“, sagte der Schmied.

„Allerdings war mir bisher nicht bewusst, dass er bei dem Herbstturnier einen Wettbewerb im Schwertkampf durchführen und selbst daran teilnehmen will!“

„Ganz so ist es auch nicht“, erklärte Wolfram.

„So?“

Der Schmied hob die buschigen Augenbrauen und wischte sich anschließend den Schweiß von der Stirn.

Wolfram berichtete von dem Auftauchen des fremden Ritters, der seit dem vergangenen Tag auf Burg Wildenstein zu Gast war und angekündigt hatte, an dem großen Herbstturnier teilnehmen zu wollen.

Details

Seiten
Jahr
2018
ISBN (ePUB)
9783738918809
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (März)
Schlagworte
hund unheils

Autor

  • Alfred Bekker (Autor:in)

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Titel: Der Hund des Unheils