Lade Inhalt...

Folge 27/28 - Chronik der Sternenkrieger Doppelband

von Alfred Bekker (Autor:in)
©2018 0 Seiten

Zusammenfassung

Mitte des 23. Jahrhunderts werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner.
In dieser Zeit bricht die STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf...

Alfred Bekker schreibt Fantasy, Science Fiction, Krimis, historische Romane sowie Kinder- und Jugendbücher. Seine Bücher um DAS REICH DER ELBEN, die DRACHENERDE-SAGA,die GORIAN-Trilogie und seine Romane um die HALBLINGE VON ATHRANOR machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er war Mitautor von Spannungsserien wie Jerry Cotton, Kommissar X und Ren Dhark. Außerdem schrieb er Kriminalromane, in denen oft skurrile Typen im Mittelpunkt stehen - zuletzt den Titel DER TEUFEL VON MÜNSTER, wo er einen Helden seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einer sehr realen Serie von Verbrechen macht.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


image
image
image

Chronik der Sternenkrieger – Folge 27 und 28

image

DOPPELBAND: IN RUUNEDS Reich / Die verschwundenen Raumschiffe

von Alfred Bekker

––––––––

image

EIN CASSIOPEIAPRESS E-Book

© 2005, 2008, 2012 by Alfred Bekker

© 2014 der Digitalausgabe by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich (Westf.)

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

>+++<

––––––––

image

MITTE DES 23. JAHRHUNDERTS werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner.

In dieser Zeit bricht die  STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf...

––––––––

image

ALFRED BEKKER schreibt Fantasy, Science Fiction, Krimis, historische Romane sowie Kinder- und Jugendbücher. Seine Bücher um DAS REICH DER ELBEN, die DRACHENERDE-SAGA,die GORIAN-Trilogie und seine Romane um die HALBLINGE VON ATHRANOR machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er war Mitautor von Spannungsserien wie Jerry Cotton, Kommissar X und Ren Dhark. Außerdem schrieb er Kriminalromane, in denen oft skurrile Typen im Mittelpunkt stehen - zuletzt den Titel DER TEUFEL VON MÜNSTER, wo er einen Helden seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einer sehr realen Serie von Verbrechen macht.

––––––––

image

>+++<

DIESES EBOOK ENTHÄLT folgende zwei Bände:

Band 27:  In Ruuneds Reich

Band 28:  Die verschwundenen Raumschiffe

Der Umfang dieses Ebook entspricht 202 Taschenbuchseiten.

image
image
image

Band 27: In Ruuneds Reich

image

AUSTRITT AUS DEM SANDSTRÖM-Raum!“, meldete Lieutenant John Taranos, der Rudergänger des Sondereinsatzkreuzers STERNENKRIEGER. „Austrittsgeschwindigkeit beträgt 0,40043 LG.“

„Leiten Sie das Bremsmanöver ein“, befahl Captain Rena Sunfrost, die soeben die Brücke betreten hatte.

Der Erste Offizier Steven Van Doren hatte gerade Luft geholt, um selbst diesen Befehl zu geben.

„Willkommen auf der Brücke, Captain.“

„Danke, I.O.“

„Keine besonderen Vorkommnisse – aber mit denen müssen wir wohl auch erst jetzt rechnen.“

Rena Sunfrost setzte sich in den Sessel des Kommandanten und schlug die Beine übereinander. Währenddessen modifizierte der Ortungsoffizier Lieutenant Wiley Riggs die optischer Darstellung des näheren Weltraums auf dem Panorama-Bildschirm.

„Wir haben hier eine Sonne vom G-Typ“, meldete Riggs. „Einziger Begleiter ist ein mondgroßes Objekt, das ganz offensichtlich künstlichen Ursprungs ist.“

„Eine Mischung aus Raumstation und Riesenraumschiff“, kommentierte Van Doren. „Zumindest, soweit unsere Ortung das bis jetzt zu erfassen vermag.“

Ein einsames Objekt, das eine annähernd runde Form aufwies, kreiste um seine Sonne, die in den Sternkatalogen der K'aradan die Bezeichnung G’ajaran 4456 trug und bisher nicht weiter erforscht war. Riggs schaffte es, das Objekt näher heranzuzoomen. Oberflächenstrukturen wurden sichtbar. Es öffneten sich an zwei Stellen sternförmige Schotts. Mehrere gigantische Morrhm-Mutterschiffe drangen aus dem Inneren des Riesenobjekts hervor.

„Captain, uns erreicht gerade ein Funkspruch, in dem wir aufgefordert werden, uns zu ergeben“, meldete Susan Jamalkerim, die Kommunikationsoffizierin.

Captain Sunfrost nickte leicht. „Scheint, als hätten wir sie gefunden – die Wahlheimat der Weltraumbarbaren!“

image
image
image

1

image

NACHEINANDER MATERIALISIERTEN jetzt auch die anderen Einheiten, die zu dem kleinen Flottenverband aus fünf Schiffen gehörten, die in die mehr als 1500 Lichtjahre entfernte Region jenseits des K'aradan-Reichs aufgebrochen war, um das Geheimnis jenes Volkes zu entschlüsseln, das vor einer Million Jahren weite Teile der Galaxis beherrscht hatte. Die Fash’rar aus dem Tardelli-System hatten ihm den Namen ‚Die Alten Götter’ gegeben, der sich auch unter den Menschen mittlerweile großer Beliebtheit erfreute. Sich selbst hatten diese geheimnisvollen und zweifellos technisch unvorstellbar weit überlegenen Wesen den Namen ‚die Erhabenen’ gegeben, was wohl auch einiges über die Einstellung aussagte, mit der sie einst ihren Hilfsvölkern gegenüber gestanden hatten, von denen manche nur zur Erfüllung bestimmter Aufgaben geschaffen worden waren.

Zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte hatten sich Angehörige verschiedener interstellarer Völker zu einer solchen gemeinsamen Mission zusammengefunden. Die K'aradan unterstrichen dabei ihren Führungsanspruch, in dem sie mit der STOLZ DER GÖTTER das mit Abstand größte Schiff des Verbandes stellten. Alle anderen Schiffe wirkten gegen den 1,5 km großen, tellerförmigen Riesen wie Winzlinge. Insbesondere natürlich das Raumboot der insektoiden Ontiden. Ansonsten gab es noch Einheiten von Qriid, Shani und Fulirr, die an dieser Expedition teilnahmen.

Uralte Feinde hatten sich vorgenommen, zusammen zu arbeiten.

Wie lange das gut gehen würde und ob es sich letztlich als effektiv genug erwies, um ein ähnliches Unternehmen wiederholen zu können, stand buchstäblich in den Sternen.

Letztlich ging es natürlich darum, sich die überlegene Technologie der Erhabenen anzueignen. Falls es je gelang, einen Zugang dazu zu finden, war es in Renas Augen fraglich, ob die bislang bestehende Harmonie länger anhielt – zumal die Vorstellungen über den Umgang mit dieser Technologie verschiedener nicht hätten sein können. So lehnten die Qriid die Nutzung dieser Technik aus theologischen Gründen vollkommen ab und sahen darin einen unverzeihlichen Frevel. Schließlich waren die Erhabenen für sie Gottes erstes Volk, dass von Hybris ergriffen letztlich verstoßen worden war, woraufhin Gott der qriidischen Überlieferung nach ganz bewusst ein mit geringeren Fähigkeiten ausgestattetes Volk erwählte, um seine Ordnung im Universum zu verbreiten - die vogelähnlichen Qriid nämlich.

Aber noch waren das alles Sorgen, die man sich gewiss in der Zukunft machen musste – aber noch nicht jetzt.

Die STERNENKRIEGER und die anderen Schiffe des Verbandes waren nach und nach den Hinweisen nachgegangen. Zuletzt waren das die Koordinaten dieses Systems gewesen. Sie waren aus dem Funkverkehr der Rax herausgefiltert worden, einer Spezies, die in der Nähe das System einer Doppelsonne besiedelte und mit der man bisher nicht in Kontakt getreten war, da man aufgrund der analysierten Kommunikationsdaten vermutete, dass sie Verbündete der Morrhm waren.

Zunächst war es unter den Expeditionsteilnehmern umstritten gewesen, ob man dieser Spur überhaupt folgen sollte. Rena hatte die Videokonferenz zu diesem Thema noch in lebhafter Erinnerung. Aber schließlich war die Neugier stärker gewesen alles andere. Wir hätten es uns nie verzeihen können, diesen Hinweis einfach links liegen gelassen zu haben, ging es Rena Sunfrost durch den Kopf.

„Soll ich den Morrhm eine Antwort senden?“, fragte Lieutenant Jamalkerim. Sie drehte sich in ihrem Schalensitz halb zum Captain herum.

Rena Sunfrost schlug die Beine übereinander. „Versuchen Sie einen direkten Kontakt hinzubekommen. Ich möchte eine reguläre Kom-Verbindung. Wenn jemand von mir verlangt, dass ich mich ergebe, noch bevor überhaupt ein Schuss gefallen ist, möchte ich gerne sehen, wer das ist!“

„Kommunikationsersuchen ist abgesetzt, Ma’am“, meldete Susan Jamalkerim.

„Rufen Sie Bruder Guillermo auf die Brücke. Falls es tatsächlich zum Kontakt kommen sollte, dann hätte ich gerne seine Meinung dazu.“

„Aye, aye, Captain“, bestätigter Jamalkerim.

Und vielleicht brauchen wir ja auch sein diplomatisches Geschick, setzte sie noch stumm hinzu.

Aber die andere Seite schien an einem Kontakt nicht interessiert zu sein. Jedenfalls erfolgte keinerlei Reaktion. Dasselbe galt für einen ähnlichen Kommunikationsversuch, der von der STOLZ DER GÖTTER aus unternommen wurde.

Kommandant Noris Salot wandte sich über eine Konferenzschaltung an die anderen Kommandanten der Expedition  und gab bekannt, dass sein Ersuchen um Herstellung einer Kom-Verbindung ignoriert worden sei.

„Es scheint, dass man von vorn herein davon auszugehen scheint, dass es gar keinen Sinn hat, mit uns anderen Kontakt als einen kriegerischen aufzunehmen“, erklärte er. „Wir sollten uns also alle darauf einstellen, dass diese Drohungen auch in die Tat umgesetzt werden.“

„Wir werden unser Kommunikationsersuchen im permanenten Modus weitersenden“, erklärte Rena Sunfrost. „Es könnte ja sein, dass dieser Morrhm-Stamm in der Lage ist, dazu zu lernen und wir doch noch Kontakt bekommen.“

Noris Salot erklärte, ebenfalls in seinen Bemühungen um Herstellung einer direkten Verbindung fortzufahren. Die Konferenzschaltung wurde unterbrochen.

Lieutenant Riggs meldete, das Aussetzen mehrerer hundert Beiboote der gigantischen Morrhm-Mutterschiffe, die jetzt eine Formation bildeten, die einer Phalanx nicht unähnlich war. „Die greifen auf breiter Front an“, erklärte er. „Anders ist das nicht zu erklären.“

„Mister Ukasi, stellen Sie Gefechtsbereitschaft her“, befahl Captain Sunfrost an Lieutenant Commander Robert Ukasi gewandt. Der Waffenoffizier und insgesamt in der Hierarchie des Schiffes die Nummer drei an Bord, nickte und begann an seiner Konsole herumzuschalten, um den Einsatz der zehn schwenkbaren Gauss-Geschütze zu koordinieren, die sich an Bord des Sondereinsatzkreuzers STERNENKRIEGER befanden.

In diesem Augenblick erschien Bruder Guillermo auf der Brücke. Wie üblich trug der immer etwas vergeistigt und recht schüchtern wirkende junge Mann eine dunkle Mönchskutte, wie es unter Angehörigen des Wissenschaftler-Ordens der Olvanorer üblich war, der sich der Erforschung des Universums und seiner Völker verschrieben hatte.

Bruder Guillermo diente als wissenschaftlicher Berater an Bord des Sondereinsatzkreuzers, was einen gewissen Widerspruch in sich darstellte. Schließlich war der Olvanorer-Orden absolut pazifistisch ausgerichtet. Man sollte das Fremde zwar erforschen, aber keinesfalls unterjochen.

„Captain“, meldete er sich.

„Ich brauche Ihre fachmännische Einschätzung, sobald wir Kontakt zu den Morrhm-Verbänden haben, die gerade im Begriff sind, uns anzugreifen“, erklärte Sunfrost.

Wiley Riggs meldete sich zu Wort.

„Es materialisieren insgesamt vier Morrhm-Mutterschiffe einer halbe Astronomische Einheit achtern, Captain.“

„Offenbar nehmen sie uns als Gegner sehr ernst“, glaubte Van Doren. „Sonst würden sie nicht auch die in der Umgebung dieses Systems befindlichen Einheiten zurückziehen und hier her springen lassen.“

„Es ist auch denkbar, dass die Raumsprünge direkt aus dem Objekt heraus durchgeführt wurden“, äußerte Riggs eine Vermutung. Die schematische Darstellung des Objekts, die bisher nur einen verschwindend geringen Anteil an der Oberfläche des großen Panorama-Schirms auf der Brücke der STERNENKRIEGER hatte, wuchs jetzt so weit an, dass sie fast ein Drittel ausmachte.

Riggs hatte sie so herangezoomt.

Er ließ die Finger über die Sensorpunkte seines Touch Screen gleiten und markierte auf diese Weise einen bestimmten Bereich  des Objekts. „Hier orte ich einen beträchtlichen Hohlraum. Wenn man des Weiteren bedenkt, wie riesig die Hangar-Tore waren, die sich dort auftaten, dann haben wir da wohl noch einiges zu erwarten.“ 

Unterdessen erfragte Ukasi der Reihe nach die Gefechtsbereitschaft der einzelnen Gauss-Geschütze, deren Leitstände jeweils von einem Waffenoffizier besetzt wurden.

„Überall werden jetzt Sturm Shuttles und Jäger von den  Mutterschiffen ausgesetzt“, meldete Ortungsoffizier Lieutenant Wiley Riggs.

„Zumindest scheinen sich die hiesigen Morrhm in ihrer bevorzugten Kampftaktik nicht von denen zu unterscheiden, auf die wir bisher getroffen sind“, äußerte sich Steven Van Doren. Der Erste Offizier nahm ein paar Schaltungen am Touch Screen seiner Konsole vor und holte sich die Ortungsdaten direkt auf das Display. Dann ließ er sich dazu eine schematische Positionsübersicht zeigen, die deutlich machte, was die Morrhm bezweckte. „Sie kreisen uns ein und werden uns wohl einfach von allen Seiten angreifen.“

„Wir behalten den Kurs bei, solange das irgendwie möglich ist“, entschied Sunfrost. „Wir müssen die STERNENKRIEGER so nahe wie möglich an dieses künstliche Objekt heranbringen.“

Jede Lichtsekunde, die sie näher an das mondgroße Objekt herankamen, bedeutete, dass mehr Daten gesammelt werden konnten – und vielleicht auch mehr Klarheit darüber bestand, womit man es hier eigentlich zu tun hatte.

Bruder Guillermo hatte sich inzwischen zu Lieutenant Jamalkerim an die Konsole gestellt. Während Jamalkerim die reguläre Kommunikation überwachte, befasste sich der Olvanorer damit, den Funkverkehr der Morrhm unter bestimmten Kriterien auszuwerten. Alles, was von den Empfängern der STERNENKRIEGER aufgezeichnet werden konnte, wurde einer Analyse durch den Computer unterzogen. Bruder Guillermo hatte jedoch darüber hinaus seine eigenen Analysekriterien, von denen manche für einen Außenstehenden eher intuitionsgeleitet als systematisch wirkten.

„Captain, die Schiffe der Morrhm nehmen immer wieder mit dem Objekt Kontakt auf und erhalten von dort offenbar ihre Befehle. Allerdings beziehen sie sich dabei nicht auf irgendeinen Stammeshäuptling, sondern auf ihren höchsten Gott Ruuned.“

Captain Sunfrost hob die Augenbrauen.

„In wie fern?“

„Wenn ich das richtig deute, dann ist dieses Objekt Ruuned – oder Ruuned wohnt in ihm.“

„Die Morrhm erhalten direkte Befehle von ihrem Gott?“, hakte Van Doren verwundert nach.

Bruder Guillermo nickte. „Anders lässt sich der Funkverkehr kaum interpretieren.“

„Wir erhalten gerade eine Audiobotschaft!“, meldete jetzt Jamalkerim. „Mit der Option auf einen Antwortkanal!“

„Schön, dass Ihre Bemühungen um die Kommunikationsaufnahme Erfolg hatten“, sagte Captain Sunfrost. „Auf den Schirm damit, Lieutenant!“

„Aye, aye, Ma’am!“

Im nächsten Moment verschwand die Darstellung des nahen Weltraums auf dem Panorama-Schirm der STERNENKRIEGER-Brücke. Stattdessen erschien ein Bildausschnitt, der offenbar einen Teil der Zentrale eines Morrhm-Mutterschiffs zeigte.

Auf einem thronähnlichen Sessel, dessen Armlehnen an den Enden mit Nachbildungen von Morrhm-Totenköpfen im Maßstab 1:3 verziert waren, saß ein besonders großer Morrhm-Krieger in seiner Rüstung.

Sunfrost runzelte unwillkürlich die Stirn, als sie ihn sah.

Mit seinem Kopf stimmt irgend etwas nicht, war ihr erster Gedanke. Im ersten Moment konnte sie nicht sagen, was es eigentlich war. Der Morrhm drehte sein gewaltiges Haupt etwas zur Seite und dann war es deutlich zu sehen: Ihm fehlte ein Stück seines Schädels samt einem Auge und einem Teil des Hinterkopf sowie einem Ohr. Sein Kopf war an dieser Stelle vollkommen flach. Eine gerade Fläche von dreißig bis vierzig Zentimeter Durchmesser legte den Schluss nahe, dass dort irgendeine künstliche Platte eingesetzt worden war, um das Innere des Schädels zu schützen.

Offenbar die Folgen einer Verletzung im Kampf, dachte Rena. Bei den dauernden Konkurrenzkämpfen, die die Morrhm-Krieger untereinander um ihre jeweilige Position innerhalb der Stammeshierarchie ausfochten, war es nicht weiter verwunderlich, dass es zu solchen Verletzungen kam. Rena Sunfrost hatte schließlich lange genug als Sklavin auf einem Morrhm-Schiff zugebracht, um am eigenen Leib zu erfahren, wie das Zusammenleben dieser Spezies für gewöhnlich organisiert war. Das Erstaunliche ist, dass ein Morrhm solch eine Verletzung offenbar überleben kann, ging es ihr durch den Kopf. Aber vielleicht habe ich auch nur einfach den Standard der Morrhm-Medizin unterschätzt, weil ich davon als Sklavin nicht besonders viel mitbekommen habe!

„Hier spricht Tazaror Halbschädel, Unterhäuptling der Barar-Morrhm und getreuer Diener und Beschützer unseres Gottes Ruuned“, sagte dieser Koloss, der sich daraufhin zu voller Größe erhob. In voller Kriegsausrüstung stand er da – an der Seite das Mono-Schwert, das scharf genug war, um Moleküle zu spalten und das bei der Benutzung immer den bläulichen Flor um sich herum aufwies.

Die gewaltige Pranke des Morrhm-Unterhäuptlings legte sich um den Griff dieser Waffe, die er gewiss auch ohne zu zögern gegen Mitglieder der eigenen Besatzung einsetzte, falls sich darunter irgendjemand als Rivale erweisen sollte – oder gegen seine Frauen im Falle des Ungehorsams, der Notwendigkeit, einen Streit innerhalb seines Harems zu schlichten oder der Gotteslästerung.

„Ich bin Captain Sunfrost, Kommandantin des Sondereinsatzkreuzers STERNENKRIEGER, die zurzeit Teil eines  Verbandes von Forschungsschiffen ist.“

„Ihr seid Forscher?“, fragte Tazaror überrascht. Er öffnete sein gewaltiges, mit Hauern besetztes Maul. Speichel troff von einem dieser großen Eckzähne herunter. Ein tiefer, grollender Laut, den das Translatorsystem nicht mitübersetzte, drang aus der Tiefe seiner Kehle. „Eigenartig, aber weshalb glaube ich das nur nicht? Wenn ihr Forscher wärt, dann würdet ihr nicht mit einem so gewaltigen Tellerschiff hier ankommen. Ich bin bereit, mich allem und jedem im Kampf zu stellen und den Ausgang eines Kampfes zu akzeptieren. Wozu ich nicht bereit bin, sind Lügen wie die, die du gerade vorgebracht hast! Ruuned beansprucht eure Schiffe. Also ergebt euch oder wir werden unserem Gott mit Gewalt zu seinem Recht verhelfen!“

„Ich wiederhole, dass wir in friedlicher Absicht hier sind“, sagte Rena.

„Ruuneds Wille muss geschehen und ich werde euch nicht gestatten, dass ihr euch ihm widersetzt. Aber wir garantieren eine gute Behandlung, wenn ihr uns eure Raumschiffe ohne Beschädigungen durch das Kampfgeschehen überlasst.“

„Eine gute Behandlung?“, echote Rena. „Als Gefangene?“

„Als Vorzugsklaven.“

„Ich denke, unser Gespräch erübrigt sich damit. Sunfrost Ende. Lieutenant Jamalkerim?“

„Ja, Ma’am?“

„Unterbrechen Sie die Verbindung.“

„Aye, aye.“

Der Morrhm verschwand von der Bildfläche. Rena Sunfrost erhob sich aus ihrem Kommandantensessel. Vorzugssklaven! Sie erinnerte sich schmerzvoll an ihre Zeit als Morrhm-Sklavin. Ungeschützt war sie einer erhöhten Strahlung ausgesetzt gewesen und in den Sklavenpferchen hatte eine grausame Anarchie geherrscht, in der nur der Stärkste und Cleverste zu überleben vermochte. Manchmal kehrten diese Erlebnisse in ihren Träumen wieder. Dann erwachte sie schweißgebadet in der Nacht und es dauerte einige Augenblicke, bis ihr wieder klar wurde, dass sie nicht mehr an Bord des Mutterschiffs LASHGRA war, sondern längst zurück in ihrem alten Leben.

Ihrem eigentlichen Leben – dem einer Raumkommandantin des Space Army Corps der Humanen Welten.

„Sind Sie in Ordnung, Captain?“, fragte Bruder Guillermo, dessen einfühlsame Art einen manchmal glauben lassen konnte, dass er in der Lage war Gedanken zu lesen.

„Es geht schon“, murmelte Rena. Was ich jetzt nicht brauchen kann ist das einfühlsame Gequatsche eines Olvanorer-Empathen, ging es ihr dabei durch den Kopf. Aber offensichtlich war Bruder Guillermo sensibel genug, um auch das zu registrieren. „Es war nur so, dass ein paar Gedanken in mir hochkamen, als ich diesen Halbschädel auf dem Schirm etwas von ‚Vorzugssklaven’ faseln hörte.“

„Könnte es sein, dass da ein Übersetzungsproblem vorlag?“, fragte Van Doren.

Jamalkerim und Bruder Guillermo verneinten dies beinahe im selben Moment.

„Ausgeschlossen“, erklärte der Olvanorer. „Aber ich denke, aus subjektiver Sicht hat uns dieser Morrhm-Unterhäuptling tatsächlich ein großzügiges Angebot gemacht.“

„Dass ich leider nicht gewillt bin anzunehmen!“, fiel Captain Sunfrost ihm mit einer für sie eigentlich ungewohnten Heftigkeit ins Wort. Sie schüttelte den Kopf. „Was bilden sich diese Weltraumbarbaren eigentlich ein!“

image
image
image

2

image

WIR WERDEN DIE SCHIFFE nicht ohne Kampfschäden bekommen“, sagte Montasrar, der Stellvertreter von Unterhäuptling Tazaror, der gleichzeitig Kommandant des Mutterschiffs GÖTTERZORN war und dafür bekannt, seine Einschätzungen sehr offen und ehrlich abzugeben. Aus irgendeinem Grund nahm Tazaror Halbschädel ihm nicht einmal offene Kritik übel. Für die meisten anderen Morrhm-Krieger an Bord der Götterzorn war das mehr oder minder ein Rätsel. Vielleicht hatte es damit zu tun, dass Montasrar bislang so gut wie keine Aufstiegsambitionen gezeigt hatte, seit er der stellvertretende Schiffskommandant geworden war.

Unter den niederen Offizieren wurde gewettet, wie lange es wohl noch dauern würde, bis Montasrar die als taktisch angesehene Zurückhaltung aufgab.

Aber bisher war das nicht geschehen.

Montasrar hatte sich als loyaler Gefolgsmann des Kommandanten erwiesen und diesem sogar das Leben gerettet, als eine Gruppe niederer Offiziere versucht hatte, ihn in einem völlig legalen Kampf um die Führung umzubringen.

Tazaror aktivierte eine schematische Positionsübersicht. Nach einer Kampfformation sah dieser Verband fremder Raumschiffe tatsächlich nicht aus, obwohl das letztlich immer schwer zu beurteilen war und von der jeweiligen taktischen Doktrin abhing.

Tazaror ließ sich ein Schiff nach dem anderen in einer Großaufnahme zeigen. So detailreich, wie es die optischen Sensoren der Morrhm-Ortung eben hergaben. Die Schiffe der Fremden waren extrem unterschiedlich. Das größte Raumfahrzeug des Verbandes war ein gigantisches Tellerschiff, gegen das selbst ein Mutterschiff der Morrhm winzig wirkte.

„K'aradan“, murmelte er.

Der Ruf der K'aradan als Feinde der Morrhm war weit über die Grenzen des K'aradan-Reichs hinausgelangt. Tazaror war K'aradan nur als Sklaven begegnet, aber er hatte Aufzeichnungen davon gesehen, wie sie sich in Freiheit verhielten. Mitschnitte aus ihren Mediennetzen zumeist. Zuletzt hatten sich Nachrichten darüber verbreitetet, dass der geächtete, frevlerische Stamm der Zuur-Morrhm plündernd durch die Außenbereiche des K'aradan-Sternenreichs gezogen war und dort auf vielen Welten für Chaos und Verwüstung gesorgt hatte.

Tazaror argwöhnte, dass das Auftauchen der Fremden vielleicht damit in direktem Zusammenhang stand. Das Tellerschiff – vom Bordrechner der GÖTTERZORN eindeutig und mit einer Treffsicherheit von mehr als 99 Prozent als K'aradan-Schiff eingeordnet – führte vielleicht eine Strafexpedition an, die sich als eine Gruppe von Forschungsraumern tarnte.

Dass man tatsächlich eine so große Flottille rein zu Forschungszwecken ausschickte, hielt Tazaror für nicht plausibel. Kein vernunftbegabtes Wesen würde einen so unverhältnismäßig großen Aufwand dafür betreiben, etwas mehr an Erkenntnis zu gewinnen. Worüber auch immer.

Dass die Fremden ihre Prioritäten anders setzen, hielt er kaum für möglich.

„Ich will dieses gigantische Tellerschiff!“, sagte Tazaror. „Es soll ein Geschenk für Ruuned werden!“

„Es würde zumindest in die Sammlung passen“, gab Montasrar zurück.

„Du sprichst schon so respektlos wie ein Zuur!“

„Aber im Gegensatz zu den Zuur zweifele ich nicht an, dass Ruuned ein Gott ist!“

Der Funkoffizier des Morrhm-Mutterschiffes meldete sich. „Die ersten beiden Jägerstaffeln haben die Hangars verlassen. Die Sturm-Shuttle-Staffel folgt unmittelbar hinterher.“

„Das ist gut“, murmelte Tazaror. Auf der schematischen Übersicht erschienenen die Beiboote des Mutterschiffs bereits als ein Schwarm winziger Punkte, die wie Insektenschwärme wirkten, die sich manchmal aus unerfindlicher Ursache in den Sklavenpferchen eines Morrhm-Schiffes bildeten.

Tazaror war froh, dass die GÖTTERZORN derzeit keine Sklaven an Bord hatte. Schließlich war sie nicht auf einer Plünderfahrt gewesen, sondern zurzeit nur im Heimateinsatz zur Bewachung des Gottes Ruuned, der ebenso wie die anderen Götter der Morrhm seinen Aufenthaltsort im SITZ DER GÖTTER hatte – jenem Objekt, dass die einsame und planetenlose gelbe Sonne umkreiste.

Sklaven brachten Unruhe mit sich, auch wenn es die Aufgabe der Morrhm-Frauen war, sie zu bewachen. Je nachdem, mit welchen Spezies man es zu tun hatte, musste man mit Aufständen rechnen. Andere Morrhm-Stämme wie die abtrünnigen frevlerischen Zuur verwendeten ihre Sklaven auch dazu, um Funktionen an Bord zu erfüllen und der Besatzung zu dienen. Manchmal auch nur, um sich in Arena-Kämpfen zu belustigen. Aber davon hielt Tazaror nichts. Schon deshalb nicht, weil die meisten Spezies so empfindlich waren, dass man entweder eine Dämpfung gegen die schädliche Strahlung einbauen musste oder dauernd Probleme mit der Entsorgung von Kranken und Toten hatte. Je nach Widerstandskraft einer Spezies konnte das durchaus zu einem ernsthaften Problem an Bord werden – zumal dann, wenn die dafür zuständigen Frauen anfingen, darum zu streiten, welche von ihnen diese Entsorgungsarbeiten zu verrichten hatten.

Bei den Barar-Morrhm waren die Sklaven auch ausnahmslos für Ruuned bestimmt. Er bestimmte, was mit ihnen geschah. Die Morrhm führten nur seine Befehle aus und erfüllten seinen Willen.

„Wie lange wird es dauern, bis wir den ersten Feindkontakt bekommen?“, fragte Tazaror seinen Navigator.

„Fünf Prem-Einheiten.“

„Sagt mir Bescheid, wenn es soweit ist – oder falls sich die Fremden doch noch entschließen, unser großzügiges Angebot anzunehmen.“

„Ja, Kommandant.“

„Ich werde mich jetzt etwas zurückziehen. Montasrar entscheidet an meiner statt.“

„Jawohl, Kommandant von Ruuneds Gnaden!“, riefen alle Brückenoffiziere wie aus einem Mund.

Tazaror hatte für diese aus seiner Sicht übertriebenen Untergebenheitsrituale nichts übrig. Er wusste wie falsch und verlogen sie waren. Die Tatsache, dass ihm ein Teil seines Schädels fehlte, war für ihn der physisch fassbare Beweis dafür, denn er hatte diese Verwundung durch einen Zweikampf mit einem Konkurrenten davongetragen, der sich selbst gerne zum Kommandanten der GÖTTERZORN gemacht hätte.

Das war ihm allerdings schlecht bekommen.

Trotz seiner schweren Schädelverletzung hatte es Tazaror seinerzeit geschafft, den Gegner mit einer raschen Folge von Hieben mit dem Mono-Schwert mehrfach zu zerteilen. Anschließend hatte Tazaror die Überreste an seinen Mpongor verfüttert – den Angehörigen einer halbintelligenten Spezies, den er vor vielen Jahren gefangen genommen und abgerichtet hatte. Mpongor ähnelten großen Gorillas, hatten jedoch einen großmäuligen, echsenartigen Kopf. Das Maul war mit jeweils drei Reihen Zähnen oben und unten versehen. Der Speichel war säurehaltig und es hatte einiger Erziehungsarbeit bedurft, um den Mpongor dazu zu bewegen, ihn nicht mehr auf den Boden tropfen und damit den Belag verderben zu lassen. In Tazarors Privatbereich an Bord der GÖTTERZORN gab es überall Spuren des Ätzspeichels.

Mpongor hatte die Fleischportion zu schätzen gewusst. Mit seinem Ätzspeichel war es für ihn auch keine Schwierigkeit gewesen, den Großteil der blutigen Ausrüstungs- und Uniformteile des zerstückelten Morrhm zu vertilgen.

Die Tatsache, dass Mpongor nicht als Sklave und an dem Gott Ruuned übergeben werden musste, lag einfach darin, dass seine Intelligenz zu gering war. In der Sicht der Morrhm gab es Morrhm, Sklaventiere und Tiere. Der Mpongor gehörte zu letzteren, was eigentlich auch bedeutete, dass der Mpongor keinen Anspruch auf einen Namen hatte.

Das Tazaror ihm trotzdem einen Namen gegeben hatte, gehörte zu seinen ganz persönlichen Geheimnissen.

Eine sentimentale Schwäche, bei der er tunlichst darauf achtete, dass niemand davon etwas erfuhr. Seine potentiellen Konkurrenten nicht – wozu sämtliche Untergebenen zählten – auch nicht seine Frauen.

Wer einem Tier einen Namen gab, galt als Weichling und verlor den Respekt. Und wenn dann noch publik geworden wäre, dass Tazaror sogar mit einem Tier redete, wäre seine Autorität völlig dahin gewesen. Sowohl als Schiffskommandant, wie auch im Hinblick auf seine Frauen.

image
image
image

3

image

TAZAROR ERREICHTE DEN Privatbereich, der ihm als Kommandanten zur Verfügung stand. Eine eigene Sektion gehörte ihm und seinen Frauen. In seiner Anfangszeit als Krieger Ruuneds hatte Tazaror nicht die nötige Sorgfalt bei der Auswahl seiner Gefährtinnen walten lassen, sondern war vornehmlich danach gegangen, wie gut die betreffende Morrhm-Frau beißen konnte. Der Begriff beißen stand dabei zwar einerseits sinnbildlich für die Durchführung des Geschlechtsaktes bei den Morrhm, aber dieses Wort hatte sich nicht ohne Grund im allgemeinen Morrhm-Sprachgebrauch dafür eingebürgert. Hatte eine Morrhm-Frau viele Bisswunden war das ein Zeichen dafür, dass sie sexuell begehrenswert war. Allzu offenes Zurschaustellen dieser Narben vermieden Morrhm-Frauen allerdings, weil dies sehr schnell zu handgreiflich ausgetragenen Neidreaktionen ihrer Geschlechtsgenossinnen führen konnte.

Tazarors Harem litt unter einer gewissen Disharmonie, bis der Mpongor in seinen Haushalt kam. Seit der Mpongor da war, konzentrierte sich der gesamte Hass der Morrhm-Frauen auf ihn und so herrschte in Tazarors Familie ein Maß von Harmonie, um das ihn viele andere Krieger beneideten.

Tazaror passierte die Schiebetür zu seinem Privatbereich. Sie war auf seinen Körpergeruch hin konfiguriert - und auf den seiner Frauen und Kinder. Eine Sicherheitsmaßnahme, die verhindern sollte, dass Unbefugte seine Räumlichkeiten betraten und ihm dort etwa auflauerten. Der Angriff innerhalb der eigenen vier Wände galt zwar auch bei ansonsten gerechtfertigten Konkurrenz-Fehden unter den Barar-Morrhm als unehrenhaft – aber das bedeutete nicht, dass so etwas nicht doch ab und zu vorkam. Meistens wurde die Unehrenhaftigkeit schnell vergessen, wenn derjenige, der seinen Posten auf diese Weise erobert hatte, erfolgreich war. Also wollte Tazaror das Risiko nicht eingehen.

Die Tür schloss sich hinter ihm.

Der fast dreihundert Kilo schwere Mpongor kam aus einem der Nachbarräume in den Korridor gestürmt. Mpongor besaßen sehr feine elektrische Sinne. Fein genug, um andere Lebewesen auf größere Distanz an ihren charakteristischen Hirnströmen und anderen bioelektrischen Feldern identifizieren zu können. Dafür waren Gehör und Gesichtssinn etwas schwächer ausgeprägt.

Der Mpongor kam heran und Tazaror kniete nieder und schloss das Tier in die Arme. Gut erzogen ist er, dachte er. Das Maul blieb geschlossen, sodass nichts von Ätzspeichel auf den Boden sabberte oder gar die Ausrüstung oder Bewaffnung des Schiffskommandanten in Mitleidenschaft zog.

„Komm mit!“, befahl der Kommandant.

Der Mpongor hatte gelernt, auf einfache Befehle zu reagieren. Als Tazaror sich erhob, folgte ihm das Tier.

Ein grollender Laut drang dabei zwischen den aufeinander gepressten Lippen hervor.  Ein Laut, der aus der Kehle des Mpongor kam. Als man überprüft hatte, ob der Mpongor bei den Sklaven oder den Tieren eingeordnet werden sollte, war zumindest ansatzweise überprüft worden, ob es sich bei den Lauten, die der Mpongor hin und wieder ausstieß nicht um eine primitive Sprache handelte. Die Computeranalyse des Lautmaterials erbrachte ein unklares Ergebnis. Zunächst hatte die Auffassung überwogen, dass es sich tatsächlich um ein – wenn auch sehr einfaches Idiom handelte. Aber als es nicht gelang, diese Sprache auf Anhieb und mit einem vertretbaren Aufwand an Datentechnik zu entschlüsseln, stufte man den Mpongor kurzerhand bei den Tieren ein.

In Wahrheit liegt er wohl genau dazwischen, dachte Tazaror. Ein Mittelding zwischen Sklave und Tier. Nicht gerade beneidenswert. Es ist immer besser, eindeutig einer Kategorie anzugehören. Selbst wenn es die niedrigste ist, die man sich denken kann.

Als er den Hauptraum seines Wohnbereichs betrat, begann er sich zu fragen, warum er wohl keine seiner Frauen um diese Zeit im Wohnungsbereich antraf.

Normalerweise widersprach das dem täglichen Ablauf.

Misstrauen keimte in Tazaror auf. Seine Hand war bereits am Griff des Mono-Schwertes. Dann roch er eine faulige Nuance.

Schwefelwasserstoff!, durchfuhr es ihn. Ein Stoff, der Mpongor euphorisch machte!

Tazaror selbst hatte ihn häufig benutzt, als er das Tier noch hatte erziehen müssen. Schließlich hatte auch Mpongor ein nicht zu unterschätzendes aggressives Potential und konnten selbst für einen ausgewachsenen Morrhm-Krieger unter Umständen lebensgefährlich werden.

Diese verfluchten Seelen, durchfuhr es ihm, während er sein Mono-Schwert hervor riss.

Hinter einem großen, sperrigen Sitzmöbel fand er eine seiner Frauen. Er ging ins anschließende Schlafzimmer und sah die anderen teilweise auf den Betten und zum anderen Teil auf dem Fußboden liegen, regungslos.

Die Kinder lagen dazwischen. Es war offensichtlich, dass viele der hier liegenden anderswo zu Boden gesunken sein mussten. Man hatte sie dann einfach hier her gebracht und abgelegt.

Tazarors Morrhm-Maul mit den gewaltigen Hauern öffnete sich. Sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Er beugte sich nieder, um zu überprüfen, ob die regungslos Daliegenden noch am Leben waren.

Zumindest bei denen, die er auf die Schnelle überprüfen konnte, war das der Fall.

Es machte normalerweise auch keinen Sinn, die Frauen und Kinder eines Kriegers umzubringen, dessen Position man haben wollte, da die damit einhergehende Ehrlosigkeit den Betreffenden sofort den Respekt der anderen Krieger kostete und es dann für denjenigen fast unmöglich wurde, die angestrebte Führungsposition auch tatsächlich auszufüllen.

Der Mpongor hielt sich dicht bei Tazaror.

Er stieß ein paar gurrende Laute aus und ließ dabei das Echsenmaul mit dem Ätzspeichel geschlossen.

„Feiglinge sind das“, murmelte Tazaror. „Verfluchte Feiglinge!“

Eigentlich erwartete er nun, dass sich die Verschwörer zeigten. An die Möglichkeit, dass es vielleicht nur ein Krieger war, der sich ihm entgegenstellte, glaubte er nicht. Wer so hinterhältig war, hatte auch bestimmt nicht den Mut einen Krieger wie Tazaror Halbschädel allein und zu einem Kampf unter fairen Bedingungen entgegenzutreten.

Der Morrhm-Unterhäuptling fühlte plötzlich eine gewisse Schwäche in den Knien.

Tazaror schleppte sich zum Korridor.

Ihm war schwindelig.

Undeutlich nahm er Schritte wahr.

Er sank auf die Knie. Mehrere Morrhm-Krieger in voller Rüstung traten ihm entgegen. Sie kamen aus den Nachbarräumen. Insgesamt zu fünft waren sie – und sie trugen Atemschutzmasken.

„Alles ist nach Plan gegangen“, sage einer von ihnen. Tazaror erkannte die Stimme seines dritten Offiziers Rezuk wieder. Rezuk war für die Koordination der Jägereinsätze zuständig. Er galt als sehr ambitioniert.

„Was ha... habt ihr getan?“, dröhnte Tazaror. Er versuchte wieder auf die Beine zu kommen und schaffte es auch. Allerdings wirkte er sehr wackelig und hatte das Gefühl, jederzeit erneut das Gleichgewicht verlieren zu können. Der Mpongor war vollkommen zutraulich und schien die gesamte Situation überhaupt nicht zu begreifen.

„Zunächst einmal haben wir den Mpongor mit Hilfe einiger geeigneter Chemikalien zu einem sehr sanftmütigen Wesen gemacht, das auch keinerlei Argwohn gegenüber Fremden mehr empfindet“, erklärte Rezuk. „Deine aggressiven Frauen waren da schon ein etwas größeres Problem, das sich aber auch lösen ließ.“

„Was habt ihr getan? Sie gezwungen, ein Betäubungsgift einzunehmen?“

„Gute Beziehungen zum Offizier für die Wartung der Lebenserhaltungssysteme können sich durchaus bezahlt machen“, dröhnte Rezuk. „Es ist so leicht, hier ein entsprechendes Gas einzuleiten. So leicht...“

Jetzt erst begriff Tazaror die ganze Perfidie des Plans, den sich seine Gegner ausgedacht hatten.

Er stand auf den Knien und konnte sich auch dort nur mit Mühe halten. Er schwankte. Alles begann sich vor seinem inneren Auge zu drehen. Ein Strudel aus Farben und Formen entstand, der eine Art Sogwirkung auf das Bewusstsein entfaltete.

Das Gas, dass man eingeleitet hatte, um seine Familie bewusstlos werden zulassen, stand offenbar kurz davor, auch ihn niederzustrecken. Es war geruchlos und nicht zu sehen. Aber es war da, daran konnte es keine Zweifel geben. Die Atemmasken der Verschwörer hätten sonst keinen Sinn gemacht.

„Na los, worauf wartet ihr!“, rief Tazaror wütend. „Warum tötet ihr mich nicht so wie ihr es doch geplant habt! Schlagt mir auch noch die andere Hälfte meines Schädels von den Schultern! Aber ich warne Euch! Mit dem letzten Rest meiner Kraft werde ich mich dagegen wehren und versuchen, so viele wie möglich von euch mit dem Mono-Schwert niederzustrecken!“

Rezuk trat etwas vor.

Seine Gestalt war für einen Morrhm eher schmächtig zu nennen. Zwar war er immer noch deutlich größer und kräftiger als eine Morrhm-Frau, aber unter den Morrhm-Männern war seine nicht gerade besonders voluminös zu nennende Muskulatur immer wieder Gegenstand spöttischer Bemerkungen gewesen. Der eine oder andere hatte diese mit dem Leben oder ein paar Mono-Schwert-Narben bezahlt, da Rezuk zwar von schmächtiger Statur war, aber durchaus ein guter Mono-Schwertkämpfer, dessen Schnelligkeit gefürchtet wurde.

Rezuk trug sein Mono-Schwert zwar am Gürtel, machte aber keinerlei Anstalten, die Waffe auch zu ziehen. Er schien nicht davon auszugehen, dass es nötig war, sie auch einzusetzen.

Rezuk hielt sich in gebührendem Abstand zum Unterhäuptling.

Er wusste schließlich um dessen Gefährlichkeit im Kampf – gerade dann, wenn er angeschlagen war. Der verstümmelte Schädel gab davon schließlich ein beredetes Zeugnis ab. Man durfte diesen Haudegen einfach nicht unterschätzen und wer es trotzdem tat, bezahlte teuer dafür.

Tazaror schwang sein Mono-Schwert herum. Der bläuliche Lichtflor entstand durch das Spalten von Sauerstoffatomen. Aber er konnte seinen Gegner natürlich nicht erreichen.

„Ich habe nicht vor zu kämpfen“, sagte Rezuk zynisch.

„Feiger Wurm!“

„Ruuned möge dir deine Verwünschungen verzeihen. Aber dich jetzt und hier zu töten wäre doch ehrlos – innerhalb der eigenen vier Wände! Ich bitte dich, Tazaror! Du weißt so gut wie ich, dass das nicht sein darf!“

„Was nicht zwangsläufig heißt, dass sich jeder daran hält!“, ächzte Tazaror. „Also – worauf wartest du?“

„Es ist alles geschehen, was geschehen soll“, sagte Rezuk. „Ich habe nicht vor, dich zu töten. Das brauche ich auch nicht. Ein Kommandant, der während eines Gefechtes nicht einsatzfähig ist oder sich einfach nur nicht meldet, während alle Welt Befehle von ihm erwartet wirkt nicht sehr kompetent, nicht wahr?“

„Die Götter mögen dich strafen, du Niederträchtiger!“

„Du wirst zugeben, dass der Gedanke, einen Nachfolger zu bestimmen, sehr nahe liegt, wenn der Amtsinhaber offensichtlich seinen Pflichten nicht nachkommt, nicht wahr?“

Mit letzter Kraft versuchte Tazaror sich noch einmal aufzurichten. Unbeholfen schlug er mit dem Mono-Schwert zu. Er taumelte durch die Wucht seines eigenen Schlages und kam hart gegen die Wand, an der er dann zu Boden rutschte.

Rezuk wich einen Schritt zurück.

„Lassen wir ihn sich selbst besiegen“, sagte der Dritte Offizier der GÖTTERZORN.

Die Gedanken rasten in Tazarors Hirn.

Rezuk war nicht der Urheber des Plans. Er war noch nicht einmal der Hauptnutznießer, denn jemand wie er konnte nicht erwarten, dass er von der Führungsriege des Schiffes zum Kommandanten erhoben wurde. Dazu hatte er einfach nicht die nötige Position.

Nein, da zieht jemand anders die Fäden, wurde es ihm klar. Und der erste, den er da in Verdacht hatte, war sein Stellvertreter Montasrar.

Mein ach so getreuer, loyaler Montasrar... Wer hätte das gedacht?

Tazaror konnte sich gut vorstellen, wie sich Montasrar das gedacht hatte. Sein Stellvertreter hatte das Kommando ja ohnehin im Augenblick inne. Und wer neigte schon dazu, dies mitten in einem heraufdämmernden Gefecht zu verändern? Damit war wirklich nicht zu rechnen. Wie man die Sache auch drehte und wendete – es lief immer wieder auf den Ersten Offizier der GÖTTERZORN hinaus.  Er muss lange auf diese Gelegenheit gewartet haben, dachte Tazaror noch, während er völlig benommen zu Boden gerutscht war und sein Bewusstsein bereits kaum noch klare Gedanken fassen konnte. Alles schien sich aufzulösen. Er hatte das Gefühl zu schweben und fühlte doch gleichzeitig den Boden unter seinen Pranken.

Mit einem tierhaften, knurrenden Laut, der zwischen seinen Hauern hervordrang, verlor er das Bewusstsein.

Der Mpongor stieß gurrende Töne aus und wirkte völlig irritiert.

Er schnüffelte an dem am Boden liegenden Tazaror herum, öffnete aber nicht einmal das Maul, sodass der Morrhm-Unterhäuptling und Kommandant der GÖTTERZORN von dem Ätzspeichel verschont blieb.

„Was machen wir mit dem Vieh?“, fragte einer der anderen Verschwörer. Seine Stimme klang auf Grund der angelegten Atemmaske dumpf.

„Nichts“, sagte Rezuk. „Wir tun gar nichts.“

image
image
image

4

image

NORIS SALOT MELDETE sich per Konferenzschaltung bei den anderen Einheiten des gemischten Verbandes. Der Kommandant des K'aradan-Schiffs machte ein Gesicht, das man nur als ernst bezeichnen konnte, wobei sich Rena Sunfrost durchaus der Tatsache bewusst war, dass man die Mimik der K'aradan nicht eins zu eins mit menschlicher Mimik gleichsetzen konnte. Die K'aradan waren zwar äußerlich sehr menschenähnlich, unterschieden sich aber sowohl physiologisch, genetisch und kulturell erheblich vom Homo Sapiens. Selbst unter der Erdbevölkerung gab es im Hinblick auf Gestik und Mimik erhebliche Unterschiede zwischen Angehörigen verschiedener Kulturen.

„Captain Sunfrost, wir haben Ihren Kommunikationsversuch mit den Morrhm miterlebt. Leider sind Ihre Bemühungen nicht auf fruchtbaren Boden gefallen..."

„Das ist leider wahr, Captain Salot", musste Rena zugeben. „Aber unter den gegebenen Umständen muss man es bereits als Erfolg werten, dass es überhaupt zu einem direkten Kontakt gekommen ist."

Es passt ihm nicht, dass dieser Kontakt an ihm vorbeilief, wurde es Rena Sunfrost in diesem Moment schlagartig klar. Selbst die Unzulänglichkeiten des Translators konnten das nicht herausfiltern.

„Das mag sein. Angesichts der unverhohlenen Aggression der anderen Seite würde ich einen sofortigen Rückzug befürworten. Meinetwegen können wir ja nach kurzer Zeit einen erneuten Vorstoß auf dieses Objekt unternehmen, das von den Morrhm als Sitz der Götter bezeichnet wird."

Tal-Mirrin, der Kommandant, der an der Expedition beteiligten Qriid-Einheit meldete sich zu Wort. Bis dahin war sein Gesicht auf dem Hauptbildschirm der STERNENKRIEGER nur in der Miniaturübersicht der Konferenzteilnehmer zu sehen. Jetzt wurde sein Ausschnitt vergrößert und ein höherer Zoomfaktor aktiviert.

„Meiner Einschätzung nach können wir den Angriff getrost abwarten", meinte der Kommandant der Qriid. „Vor allem haben wir durch eine überstürzte Flucht keine Vorteile. Das Schiff mit den besten Beschleunigungswerten ist die STERNENKRIEGER. Aber selbst die dürfte nicht rechtzeitig vor einem Feindkontakt die nötige Eintrittgeschwindigkeit für den Sandströmraum erreichen. Davon abgesehen bringt es uns auch nichts, wenn wir einen erneuten Anflug auf das System unternehmen."

„Der Einsatz einer Antimaterierakete wird wahrscheinlich für den nötigen Eindruck sorgen, um die Morrhm dieses speziellen Stammes zu einer vernünftigen Kommunikation zu bewegen", meldete sich nun Shurukai, der Befehlshaber der Fulirr zu Wort.

In diesem Moment meldete die Ortung der STERNENKRIEGER das Auftauchen der ersten Morrhm-Jäger in Schussweite.

Allerdings war die Trefferwahrscheinlichkeit für die STERNENKRIEGER auf diese Entfernung noch so verschwindend gering, dass es kaum Sinn machte, das Feuer auf einzelne Jäger zu eröffnen.

„Gefechtsbereitschaft vorhanden", meldete Ukasi.

„Sie haben die Erlaubnis zu feuern, sobald Ihnen der Aufwand verhältnismäßig erscheint, Lieutenant Commander", sagte Sunfrost. Die Konferenzleitung wurde dafür nicht unterbrochen. Die anderen Einheiten des Verbandes konnten diese Entwicklung ruhig mitbekommen. Die entsprechenden Informationen wären ohnehin ansonsten offiziell über den Funkoffizier weitergegeben worden.

„Wie ist es möglich, dass die Morrhm-Jäger so nahe herangekommen sind und erst jetzt von der Ortung erfasst wurden?", fragte Van Doren an Lieutenant Riggs gewandt.

„Sie sind eine Art Schleichflug Manöver geflogen", erklärte Riggs. „Zuerst wird maximal beschleunigt, dann fliegt man nur noch mit dem erreichten Schwung und schalt möglichst sämtliche Systeme ab, deren Signaturen den Jäger ortungstechnisch verraten könnten. Wenn man so ein Schiff nicht von Beginn an auf dem Schirm hatte, entgeht er einem."

„Und wir kennen ja alle die Widerstandsfähigkeit der Morrhm", mischte sich Lieutenant Commander Ukasi in das Gespräch ein. „Ich nehme an, dass bei denen die Lebenserhaltungssysteme sehr viel weiter nach unten gefahren werden können, als dies bei einem Space Army Corps Schiff der Fall wäre!"

„Wir hätten damit rechnen müssen, dass sich noch zahlreiche weiteren Einheiten auf diese Weise heranpirschen", kündigte Lieutenant Riggs an. „Ich sehe hier im großen Pulk der Morrhm-Jäger Dutzende von Einheiten, die mit Maximalwerten beschleunigen. Es ist aus dieser Entfernung ortungstechnisch nahezu unmöglich, sie alle durchgängig zu erfassen."

„Das bedeutet, die eine oder andere unliebsame Überraschung wird sich nicht vermeiden lassen", lautete Rena Sunfrosts Fazit.

„Taktisch sind diese Morrhm offenbar auf einem fortgeschrittenen Stand als die Artgenossen, auf die wir vorher stießen", meinte Ukasi. „Ich frage mich, was sie noch in petto haben."

„Haben Sie einen taktischen Vorschlag, um diese Einzelgänger unter den Morrhm-Jägern auszuschalten, Lieutenant Commander Ukasi?", fragte Sunfrost.

„Option eins wäre zu warten, bis der Jäger nahe genug heran ist, sodass die Trefferwahrscheinlichkeit zumindest nicht völlig aussichtslos ist."

„Mit dem Risiko, dass der Jäger vielleicht nahe herankommen wird", stellte Van Doren klar. „Aber angesichts der schlechten Bewaffnung der Morrhm-Jäger wäre das ohnehin zu vernachlässigen."

image
image
image

5

image

VOM SCHIFF DER FULIRR wurden mehrere Antimaterieraketen abgeschossen. Ziele waren ein paar kleinere Planetoiden, die die gelbe Sonne auf teilweise ausgesprochen irregulären Bahnen umkreisten. Gesteinsbrocken, die viel zu klein für eine Besiedlung waren. Sie gaben einen Einblick in die offenbar recht bewegte Geschichte dieses Systems. Möglicherweise hatte es ursprünglich einmal eine ganz normale Planetenbildung gegeben, aber man hatte die Systemkonstellation künstlich verändert. Ein Hinweis auf die Alten Götter. Vielleicht hatten sie die Umgebung dieser gelben Sonne quasi leergeräumt, um Platz zu schaffen für dieses geheimnisvolle Objekt, das von den Morrhm als Sitz der Götter bezeichnet wurde.

Ob dieses Objekt tatsächlich mit den Alten Göttern in Verbindung stand, musste sich erst noch erweisen, genauso wie die Frage offen war, ob dieser Sitz der Götter überhaupt jemals fertiggestellt worden war. Schließlich war man inzwischen auf andere Hinterlassenschaften der Alten Götter gestoßen, die weitaus imposanter waren.

Kommandant Shurukai ließ die aktuellen Positionsdaten der mit Antimateriesprengsätzen besetzten Raketen kontinuierlich an die anderen Schiffe des Verbandes funken.

Die Zusendung erfolgte durch einen Funkimpuls der Fulirr.

Unterdessen wurde der einzige Jäger ausgeklinkt, über den der Sondereinsatzkreuzer STERNENKRIEGER verfügte.

Geschwader-Lieutenant Titus Naderw meldete sich über eine Audio-Kom-Verbindung auf der STERNENKRIEGER. So eng wie er in seinem Raumanzug in dem einem fliegenden Gauss-Geschütz ähnelnden Jäger gepfercht war, hatte dort eine Innenkamera weder Platz noch überhaupt ein geeignetes Motiv. Alles, was sie hätte aufzeichnen können wäre das Visier seines Raumanzugs gewesen.

„Hier Naderw. Ich nehme Kurs auf Bandit 1“, meldete der Geschwader Lieutenant.

„Die Ortung hat Sie erfasst“, antwortete Van Doren.

„Sagen Sie Ukasis wildgewordenen Waffenoffizieren in den Leitständen der Gauss-Geschütze, dass sie nicht in meine Richtung zielen sollen“, erwiderte Naderw.

Seine Lockerheit war nur gespielt. In Wahrheit war hoch konzentriert. Ein akribischer Pedant, der auf jede Kleinigkeit achtete und deshalb die Technik seines Jägers so vollkommen beherrschte, als wäre er mit ihm verwachsen.

Der Mesonenantrieb wurde gezündet. Der Jäger beschleunigte.

Auf einer schematischen Übersicht, die Van Doren nun innerhalb des Panorama-Schirms aktivierte, konnte man sehen wie die Jäger der Morrhm jetzt auf breiter Front damit begannen, Maximalbeschleunigung zu fahren. Ihre Unterlichttriebwerke ließen die Angreifer voranschießen. Etwas später verschwanden dann einige von ihnen schlicht und ergreifend vom Schirm, weil es nichts mehr aufzuzeichnen gab. Keine Signatur und keinen Antrieb. Manchmal ließ sich der Kurs extrapolieren und man konnte dann durch genaue Detailortung die thermische Zusammensetzung der Außenhaut identifizieren. Manchmal hatte man auch einfach Glück, wenn Sonnenstrahlen reflektiert wurden.

Aber ansonsten tauchten die Morrhm-Jäger erst wieder im Nahbereich auf – spätestens dann, wenn eine optische Ortung möglich wurde.

Solange es nur einige Angreifer gab, war das kein Problem.

Den Waffenoffizieren an den Gauss-Geschützen blieb genügend Zeit, um sie auszuschalten.

Aber wenn große Schwärme dieser Kampfmaschinen angriffen wurde es schwierig. Rena war das durchaus bewusst. Und sie sah es der tiefen Furche auf Van Dorens Gesicht an, dass der Erste Offizier darüber genauso besorgt war.

Auf der Positionsübersicht war außerdem zu sehen, wie sich die Antimaterieraketen, die Kommandant Shurukai hatte abschießen lassen, sich der Gruppe von Planetoiden näherte.

Wiley Riggs hatte sich inzwischen die Mühe gemacht, diese Gruppe von riesigen Gesteinsbrocken etwas genauer zu analysieren. „Die Zusammensetzung ist fast identisch“, berichtete der Ortungsoffizier der STERNENKRIEGER. „Möglicherweise waren sie früher alle Bestand eines einzigen Himmelskörpers, der jetzt nicht mehr existiert.“

Rena Sunfrost erhob sich von ihrem Kommandantensitz. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Die Minuten verrannen. Schließlich erreichte die erste Antimaterierakete das Zielgebiet.

Der Befehl zur Zündung wurde auch an die STERNENKRIEGER übertragen.

Der Bildausschnitt des Panorama-Schirms wurde so verändert, dass das betreffende Gebiet im Visier war. Ein ungeheuer greller Lichtblitz war zu sehen. Die Begleiterscheinung einer Antimaterieexplosion - der stärksten bekannten Energiequelle des Universums. Selbst die Fusionskraft einer Sonne war nicht gegen die vollständige gegenseitige Auflösung von Materie und Antimaterie in Energie. Wirkungsgrad hundert Prozent. Als Folge entstand ein Mini Black Hole. Die wachsende Ausdehnung des Ereignishorizonts war sowohl auf dem Bildschirm, als auch auf der Positionsübersicht erkennbar und wurde durch eine besondere, dunkelrote Markierung optisch hervorgehoben.

Diese Dunkelzone dehnte sich beständig aus und begann bereits die ersten Materie-Objekte zu verschlingen. Asteroiden von einem Durchmesser, der zwischen 500 und 5000 m lag, wurden bei ihrer Annäherung an diese Zone förmlich auseinander gerissen. Ihre Materie verkochte. Das, was die mörderische Schwerkraft noch übrig gelassen hatte, wurde in einen Jet Stream hineingesaugt und glühte dort noch einmal auf, ehe es für immer in der ewige Dunkelheit jenseits des Ereignishorizontes verschwand – einer Region, in der die Naturgesetze des Universums nicht mehr galten und weder der Raum noch die Zeit in ihrer bekannten Struktur existierten.

Der zweite Sprengkopf zündete. Auch breitete sich eine Zone der absoluten Finsternis aus und begann damit, sich einen Materiebrocken nach dem anderen einzuverleiben.

Beide Schattenzonen vereinigten sich schließlich zu einer Größeren, die erst ein Oval bildete, ehe sie schließlich in sich zusammenfiel und kollabierte.

Genau der Punkt, an dem die irdische Antimaterie-Technik bis heute gescheitert ist, ging es Rena durch den Kopf. Den Moment des Kollapses genau bestimmen zu können – das ist der springende Punkt. Laut sagte die Kommandantin der STERNENKRIEGER. „Ich hoffe, dass dieses Schauspiel auf die Barar-Morrhm einen ebenso großen Eindruck macht wie auf mich!“

„Ich analysiere gerade den Funkverkehr unter diesem Aspekt, Captain“, meldete sich Bruder Guillermo zu Wort. „Allerdings kann ich Ihnen da bis jetzt wenig Anlass zur Hoffnung geben. Die Funkmeldungen, die ich bisher herausgefiltert habe, gehen eher in eine andere Richtung.“

„Von was für einer Richtung sprechen Sie?“, erkundigte sich Sunfrost.

Der Olvanorer drehte sich zum Captain herum. „Wenn ich das richtig einordne, scheint diese Machtdemonstration nur noch ihren Kampfeswillen und ihre Wut anzustacheln“, erklärte Bruder Guillermo. „Sie gehen einfach davon aus, dass genügend von ihnen unsere Schiffe erreichen, um uns zu besiegen.“

„Wahrscheinlich in einem grausamen Gemetzel Mann gegen Mann“, schloss Van Doren.

Bruder Guillermo nickte. „Aber da ist noch von etwas anderem die Rede.“

„Spannen Sie uns nicht so auf die Folter, Bruder Guillermo!“, forderte Rena Sunfrost. Wer Bruder Guillermo nicht persönlich kennt, würde das Maß an persönlicher Unsicherheit und Schüchternheit, dass er förmlich zur Schau trägt niemals bei einem Mann von seinem wissenschaftlichen und menschlichen Format erwarten, überlegte sie dabei.

„Es geht um einen strittigen Begriff aus dem hiesigen  Dialekt der Morrhm-Sprache, der sich in einigen Kleinigkeiten offenbar von der Sprache zu unterscheiden scheint, von denen unsere Datenbanken mehr als genug Sprachmaterial aufgezeichnet haben. Dieser Begriff lässt sich als Fangarme der Monstren übersetzen – aber auch mit Fesseln der Götter oder strahlendes Grün. Auch eine übertragene Bedeutung scheidet nicht von vorn herein aus. Das Translatorsystem ist jedenfalls ohne weiteres verbales Vergleichsmaterial nicht in der Lage, diese Frage zu klären – und da es sich um einen selten vorkommenden Spezialbegriff handelt, kann es eine Weile dauern, bis dieses Vergleichsmaterial vorliegt.“

„Dann ist das vielleicht ein Fall für unseren Linguisten MacKenzie“, meinte Van Doren.

Bruder Guillermo war derselben Ansicht. „Ich habe ihm bereits eine Nachricht auf sein Rechnerterminal geschickt. Er wird sich der Sache annehmen.“

Der Linguist MacKenzie war Teil des Wissenschaftlerteams um Yasuhiro von Schlichten, das sich speziell auf dieser Expedition an Bord der STERNENKRIEGER befand, um eventuell aufgefundene Artefakte der Erhabenen unter jedem nur denkbaren Aspekt untersuchen zu können.

„Captain! Wir empfangen gerade die Erklärung, die unsere Fulirr-Freunde an die Morrhm abgeben!“, meldete Lieutenant Jamalkerim. „Sie drohen darin, einen Angriff mit Antimaterie-Waffen auf die Morrhm-Mutterschiffe an!“

„Wenn Sie irgend eine Reaktion empfangen, teilen Sie mir die bitte mit!“, forderte Captain Sunfrost.

Auf der Positionsübersicht wurde eine Explosion registriert, die offensichtlich zu schwach war, um auf der Panorama-Ansicht überhaupt angezeigt zu werden.

Geschwader-Lieutenant Titus Naderw meldete sich über Audio-Interkom. „Captain, Bandit 1 ist zerstört“, erklärte der Jägerpilot.

„Unsere Ortung zeigt an, dass sich bald eine Reihe ähnlich schwer erkennbarer Besucher bei uns einfinden werden“, erwiderte Sunfrost. „Sobald wir sie orten, bekommen Sie die Koordinaten.“

„Aye, aye, Ma’am.“

„Ziehen Sie sich in die Nähe der STERNENKRIEGER zurück“, ergänzte Sunfrost noch. „Ihre gegenwärtige Position ist zu exponiert, um den unmittelbaren Nahbereich unseres Schiffes sichern zu können.“

„Rückzugsmanöver eingeleitet“, bestätigte der Geschwader-Lieutenant.

„Naderws Jäger ist unsere Feuerwehr zum Austreten kleinerer Brandherde“, kommentierte Van Doren. „Aber sobald die große Flut von Morrhm-Beibooten uns erreicht, kann er nur noch aus der Schusslinie gehen!“

Ein Blick auf die Veränderungen, die von der Positionsübersicht angezeigt wurden, verdeutlichte, was er meinte.

image
image
image

6

image

SCHALTEN SIE BRUDER Guillermo von der Brücke zu!“, forderte Professor Yasuhiro von Schlichten. Der hagere, hoch aufgeschossene Mann befand sich zusammen mit seinem Kollegen Professor Dr. Jack Metz, dem Linguisten MacKenzie und Lieutenant Simon E. Erixon in Kontrollraum C des Maschinentraktes der STERNENKRIEGER. Von dort aus konnte man sich über den Rechnerzugang und die hervorragenden Bildschirmwände die Ortungsergebnisse anzeigen lassen und auch  eigene Untersuchungen anstellen. Im Mittelpunkt des Interesses stand im Moment das vermutlich künstlich geschaffene Objekt, dem die Morrhm den Namen Sitz der Götter gegeben hatten und das in mannigfacher Hinsicht Rätsel aufgab. Die Oberflächenfeinabtastung hatte inzwischen ergeben, dass das Außenmaterial den bei anderen Artefakten der Alten Götter verwendeten Werkstoffen stark ähnelte. Es gab vor allem eine Form von sehr leichten Karbonfasern, die an ihrer Außenseite quasi-metallische Eigenschaften aufwiesen.

„Fünfdimensionale Strahlungskomponente liegt bei einer Intensität von 0,89 Microdyms“, meinte Erixon. Der Genetic mit den infrarotsichtigen Facettenaugen blickte zunächst starr auf das Spezialdisplay seines Moduls, mit dessen Hilfe er die Farbwerte der normalen Anzeigen in für ihn als Infrarotlicht sichtbare Temperaturunterschiede übersetzte. Dann hob er seine Augenbrauen. „Außerdem gibt es ein höherdimensionales Resonanz-Rauschen, das zwar sehr schwach ausgeprägt ist, aber...“

„...wohl beweisen dürfte, dass dieser Sitz der Götter in Wahrheit eine Hinterlassenschaft der Alten Götter ist“, unterbrach ihn von Schlichten, den das Forscherfieber jetzt gepackt hatte. Die Alten Götter waren seit langem eins der Themen, denen er sich mit Vorliebe widmete – vor allem deshalb, weil er hoffte, dass es dereinst möglich sein würde, das Wissen dieser uralten Spezies für die Menschheit nutzbar zu machen. Von Schlichten hatte einiges in Kauf genommen, um an dieser Expedition teilnehmen zu können. Insbesondere bedeutete dies den Verlust seiner Position bei Far Galaxy, dem wohl bedeutendsten Konzern innerhalb der Humanen Welten. Manche allerdings behaupteten, dass es sich in Wahrheit umgekehrt verhielt und von Schlichten eine Art Agent des Konzerns auf der Expedition war, die das Rätsel der Alten Götter klären sollte.

„Sie haben recht“, sagte Metz. „Die Morrhm haben offenbar ein uraltes Artefakt der Alten Götter zum Sitz ihrer Götter gemacht.“

Inzwischen war Bruder Guillermo von der Brücke zugeschaltet worden. Die letzte Äußerung von Professor Metz hatte er mitbekommen.

„Haben Sie inzwischen mehr über das Innere dieses Objekts herausfinden können?“, fragte der Olvanorer.

„Nur, was wir ohnehin schon wissen. Dass es gewaltige Hohlräume gibt und die Dichte des Gesamtkörpers nicht sehr hoch sein kann“, antwortete Metz.

„Hohl wie ein Schweizer Käse – trifft es das?“, hakte Guillermo nach.

Metz wechselte einen etwas befremdeten Blick mit Yasuhiro von Schlichten.

„Nein, nicht ganz“, erklärte Metz in einem Tonfall, den weniger duldsame Seelen als Bruder Guillermo wohl als anmaßend empfunden hätten. „Wir wissen von einem Hohlraum hinter den Schotts, der Platz für mindestens dreißig Mutterschiffe der Morrhm bieten kann. Die mittlere Dichte scheint sehr gering zu sein. Aber wir haben eine Gravitation gemessen, die damit nicht übereinstimmt.“

„Antigravsysteme?“, erkundigte sich Bruder Guillermo.

„Wenn Sie eine bessere Erklärung haben?“, gab Metz etwas pikiert zurück.

Bruder Guillermo schüttelte den Kopf. „Ich habe diese Schwankungen im Gravitationsfeld auch bemerkt, allerdings überrascht es mich, dass Sie gleich diese Erklärung parat haben.“

Metz grinste. „Ich dachte, jemand wie Sie weiß, was Intuition ist und braucht sich deswegen nicht zu wundern, Bruder Guillermo.“

image
image
image

7

image

ALS TAZAROR ERWACHTE, hatte er eine Reihe wirrer Träume hinter sich. In einem hatte er die Schlacht gegen die Fremden bereits geschlagen und hatte gesiegt. Es war ihm gelungen, seinem Gott Ruuned das große Tellerschiff zu präsentieren.

Aber jetzt, da er aus diesem todesähnlichen Schlaf erwachte, drang die Wirklichkeit wieder in sein Bewusstsein. Und in Wirklichkeit war er von seinem Stellvertreter ausgebootet worden.

Ein zischender Laut ließ ihn vollkommen wach werden und den letzten Rest von Müdigkeit abschütteln.

Es war der ätzende Speichel des Mpongor, den die ganze Situation wohl so verwirrte, dass er seine gute Erziehung vollkommen vergessen hatte und jetzt in einer Ecke kauerte und seinen Speichel frei fließen ließ.

Tazaror hatte gelesen, dass dies bei den Mpongor ein Zeichen dafür war, dass das ein besonders gefühlvoller oder bedeutender Augenblick war.

Der Morrhm-Unterhäuptling hatte keinen Grund, an dieser Aussage zu zweifeln.

In dicken Tropfen rann ihm die ätzende Säure sogar durch die Nasenlöcher, wie Tazaror nun bemerkte, während das Tier noch immer sein Echsenmaul fest aufeinander gepresst hatte.

Dazu drangen wimmernde Laute aus seiner Kehle.

Laute, die allerdings sofort verstummten, als der Mpongor seinen Herrn sah.

Für einen Moment herrschte vollkommene Stille. Der Mpongor sah seinen Herrn an, der ihm beigebracht hatte, keinen ätzenden Speichel auf den Boden zu tropfen. Ein Gebot, das der Mpongor in diesem Moment einfach nicht erfüllen konnte.

„Ist schon gut“, sagte Tazaror, obwohl die Beschädigungen am Fußboden ganz erheblich waren. Die Säure hatte sich an mehreren Stellen bis weit in den Bodenbelag hineingefressen.

Tazaror sah sich in seinem Privatbereich um und stellte fest, dass seine Frauen noch betäubt waren. Keine von ihnen war bei Bewusstsein.

Mein Erster Offizier und Stellvertreter muss irgendetwas damit bezwecken, dass er mich am Leben lässt, ging es Tazaror durch den Kopf.

Die Gedanken rasten nur so in Tazarors Hirn. Vorsichtig betastete er seinen Körper. Warum hat Montasrar mich nicht töten oder wenigstens verletzen lassen – wenn er schon nicht den Mut dazu hatte, dies selbst zu tun?, ging es dem Herrscher durch den Kopf.

Er stand auf und eine andere Frage geisterte noch durch seinen Kopf. Weshalb lebe ich überhaupt noch?

Schließlich hätte die Bande, ihn, den großen Kämpfer, während des Schlafs gefahrlos niederzustrecken können.

Es musste einen Grund dafür geben, dass das nicht geschehen war.

Wollten die Verschwörer auf Dauer nicht mit der Schande leben, die Macht auf unehrenhafte Weise errungen zu haben? Andererseits änderte sich auch der Ehrenkodex von Zeit zu Zeit durch die Macht des Faktischen. Und wenn eine so unehrenhafte Aktion wie ein Mord während des Schlafs mit einem unstrittigen Erfolg verknüpft wurde, bestand durchaus die Chance, dass die Unehrenhaftigkeit dieser Handlung in Vergessenheit geriet. 

Und zwar relativ schnell...

Tazaror selbst hatte davon mehrfach profitiert.

Er machte zwei schnelle Schritte in Richtung der Außentür des Wohnbereichs. Er griff sich an den Gürtel, wo der Griff seines Mono-Schwertes zu finden war. Nicht einmal das hatte man ihm abgenommen.

Auch das muss einen Grund haben, durchfuhr es ihn und ließ ihn schon nach diesem ersten Schritt zögern.

Die Verschwörer mussten schließlich in ihr Kalkül einbezogen haben, das Tazaror aufstand, auf die Brücke stürmte und sein Recht verlangte.

Und wer hätte ihm dieses Recht vorenthalten sollen?

Das Recht auf einen Kampf unter regulären Bedingungen.

Der Morrhm drehte sich um und warf einen Blick auf den scheuen Mpongor, der zwar seinen Säurefluss unterdrückt hatte, sich im Moment aber nicht getraute, seinem Herrn zu verabschieden, wie man es ihm eigentlich beigebracht hatte. Er ahnte, dass er etwas übersehen hatte, beziehungsweise eigentlich besser daran getan hätte, alles, aber auch wirklich alles genauestens zu überprüfen.

Doch dazu war einfach keine Zeit.

Die Verschwörer hatten den Zeitpunkt geschickt gewählt. Die haben gewusst, dass sie mich nicht auf ehrliche Weise niederstrecken können, dachte der Morrhm-Unterhäuptling grimmig.

Ihm blieb keine andere Wahl.

Er musste auf die Brücke. Und zwar jetzt. Sonst geschahen da draußen auf dem Schlachtfeld Dinge, die die Hierarchie unter den Morrhm grundlegend ändern konnten.

Ihm blieb also gar keine andere Wahl.

image
image
image

8

image

FRÜHER ODER SPÄTER werden die Fremden vernünftig genug sein und freiwillig die Waffen strecken“, glaubte Montasrar, der inzwischen im Sitz des Kommandanten Platz genommen hatte.

„Ein kühnes Wort, das du da aussprichst!“, rief von der sich gerade öffnenden Schiebetür der Zentrale aus eine Stimme.

Montasrar wirbelte herum.

Er sandte einen kurzen Blick auf den gerade eingetretenen Tazaror Halbschädel. Dann sah er – wie um sich zu versichern – zu mehreren anderen anwesenden Brückenoffizieren.

Darunter auch Rezuk, dessen letzter Brückendienst schon länger her war und den Tazaror eigentlich nach Möglichkeit davon ferngehalten hatte. Seine Anwesenheit war für Tazaror ein letztes Indiz für das, was hier ablief.

Meine getreuen Gefolgsleute! Wollen mir im Augenblick eines bevorstehenden riesigen Beute-Triumphs vor den Augen Ruuneds alles nehmen! Aber wie können sie nur davon ausgehen, dass ich das zulasse, solange auch nur ein einziger Tropfen Blut in meinen Adern fließt?

Das Unbehagen in dem Unterhäuptling der Barar-Morrhm war geblieben. Ein Unbehagen, das sich aus dem vagen Verdacht speiste, irgendetwas übersehen zu haben. Da musste etwas sein, was er nicht beachtet und nicht in seine Rechnung aufgenommen hatte. Die Gefahr, die man nicht sieht, ist die Schlimmste, überlegte er, aber so sehr er sich auch das Hirn zermarterte, er kam einfach nicht auf den entscheidenden Punkt.

Es war, als ob man ihn absichtlich in eine Falle laufen ließ und sein Verhalten in das Machtspiel, dass hier ablief, bereits einbezogen hatte.

Alle Augen waren nun auf den Unterhäuptling gerichtet.

Tazaror hatte die Pranke am Griff des Mono-Schwertes.

Vorsichtig beginnen! Wie beim Mono-Schwert-Fechten mit einem körperlich überlegenen und besser trainierten Gegner!

„Ich übernehme ab sofort wieder das Kommando, Montasrar“, sagte er – so ruhig und gelassen wie ihm dies in diesen Augenblicken überhaupt möglich war.

Die Antwort bestand aus Schweigen.

Eine Schweigen, das selbst für einen nicht gerade von sentimentalen Regungen überwältigten Morrhm eisig erscheinen musste.

Ein dunkler rollender Laut drang nun aus der Tiefe von Tazarors Kehle. Scheint so, als wollten da einige ihren Tod!

„Du wirst das Kommando nicht mehr übernehmen, Kommandant Tazaror“, sagte Montasrar.

Eine winzige, aber dennoch zu registrierende Unsicherheit klang aus dessen Worten heraus. Er wusste genau, dass diese Worte wie der Schnitt mit einem Mono-Schwert waren. Ein Schnitt, der die Verbindung, die bis dahin zwischen ihnen bestanden hatte, ein für allemal beendete.

„Ach!“, erwiderte Tazaror. „Und ich nehme an, dass dieser Plan nicht in dem Kopf von nur einem der Anwesenden entstanden ist!“, erwiderte Tazaror. Er stieß einen Laut aus, der entfernt an ein heiseres, menschliches Lachen erinnert hätte. „Mich nennt ihr hinter vorgehaltener Hand ‚Trümmerschädel’ – aber der Teil des Hirns, der mir verblieben ist, scheint mir sehr viel leistungsfähiger zu sein, als die hohlen Bontana-Nüsse, mit denen ihr nachzudenken versucht!“ Er wandte sich herum und sein Blick traf Rezuk, den Verräter und Diener eines Verräters. Vielleicht reichte es ja, ein oder zwei Brückenoffiziere zu töten, um die Autorität des Kommandanten wiederherzustellen. Dieser Gedanke schoss ihm jetzt durch den Kopf. Rezuk und Montasrar hatten auf jeden Fall dabei zu sein. Sie hatten ihre Leben verwirkt. Bei den anderen wollte Tazaror erst einmal abwarten. Vermutlich brauchte er die meisten von ihnen noch. „Habt ihr Narren vergessen, dass unser Gott Ruuned uns den Ehrenhändel und die Blutfehde während eines Gefechtseinsatzes verboten hat? Habt ihr vergessen was mit jenen geschieht deren Ehrgeiz nicht zu bremsen ist, und die meinen eine derartige Situation in ihrem Sinne ausnutzen zu müssen?“

„Es ist kein Ehrenhändel ausgerufen worden“, stellte Montasrar sachlich fest. Die aus seinem Maul deutlich herausragenden Hauer hüpften dabei ungewöhnlich hektisch auf und nieder.

Etwas, das Tazaror schon irritiert hatte, als er Montasrar kennen lernte und zum ersten Mal mit ihm sprach.

„Kein Ehrenhändel?“, fragte Tazaror zornig. „Ich wurde angegriffen! Man hat meine Frauen und mich betäubt, indem man Gas in meinen Privatbereich geleitet hat. Rezuk wird die Einzelheiten kennen, denn er gebietet über die Lebenserhaltungssysteme und hat Zugang zu allen nötigen Codes, um so etwas zu Stande zu bringen.“

Montasrar drehte sich zu Rezuk um. „Rezuk, stimmt das? Hast du so schändliche Dinge getan, und den Kommandanten unseres Schiffes in unehrenhafter Weise – und dann auch noch gegen die Gebote unseres Gottes während eines Gefechtseinsatzes – angegriffen?“

„Nein, Erster Offizier! So etwas wäre mit meiner Ehre unvereinbar“, sagte Rezuk.

Tazaror zog sein Mono-Schwert.

Die Klinge blitzte bläulich auf, als sie mit einer schnellen Bewegung durch die Luft fuhr.

„Lügner!“, rief er.

„Während des Gefechtseinsatzes ist ein Ehrenhändel nicht erlaubt, also steckt Eure Waffe zurück!“, forderte Montasrar seinen als abgesetzt angesehenen Kommandanten auf. „Dieser Kampf kann nachgeholt werden, wenn die Beute eingefangen ist, aber nicht vorher!“

In diesem Augenblick meldete sich der Ortungsoffizier der GÖTTERZORN zu Wort. „Der Feind macht jetzt seine Drohung wahr! Er hat zwei Sprengköpfe dieser Waffe gezündet, deren sich ausbreitende Finsternis einem Schwarzen Loch ähnelt und offenbar auf Antimaterie basiert!“, meldete er und nahm ein paar hektisch wirkende Schaltungen an seiner Konsole vor.

Montasrar verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Speichel troff ihm dabei an einem der Hauer herab. „Siehst du, Tazaror Halbschädel? Wir sind mitten im Gefecht! Und es heißt in den Geboten für die Flotte Ruuneds der Barar-Morrhm, dass ein  Kommandant nicht während des Gefechtes gewechselt werden darf!“

„Also, dann zieh dich zurück, du Wurm! Denn ich bin der Kommandant und wenn du es gerne werden möchtest, so wirst du deine Ambitionen zwangsläufig verschieben müssen!“, dröhnte Tazaror.

„Nein, du irrst dich. Als du mir das Kommando übertragen hast, hatte das Gefecht noch nicht begonnen. Jetzt habe ich das Kommando inne und du wirst mich nicht daran hindern, es auch auszuüben.“

„Da ist nicht dein Ernst! Ich habe es dir nur zeitweise überlassen – in Stellvertretung!“

„Das mag sein. Aber als das Gefecht begann, da haben wir nach dem Kommandanten gesucht! Es wurde nach ihm gefunkt, es wurde versucht eine Interkom-Verbindung herzustellen, aber der Kommandant, mein geschätzter Vorgänger, war nicht erreichbar! Und auch in diesem Punkt sind die Regeln sehr eindeutig. Ist der Kommandant während eines Gefechtes nicht erreichbar, dann...“

„Ah!“, brüllte Tazaror und machte einen Ausfallschritt, das Mono-Schwert durch die Luft schwingend. Ein Fehler, wie Tazaror schon eine Sekunde später zu ahnen begann. Er hatte sich nicht beherrscht, wie man es von einem Krieger seines Ranges eigentlich hätte erwarten können. Ruuned hatte sich so oft gegen die Verwirklichung persönlicher Ambitionen auf Kosten des Gefechts- oder Beuteerfolges ausgesprochen, dass diese Passagen seiner Worte nun wirklich jedem Krieger geläufig waren. Zumindest beim Stamm der Barar, die sich in dieser Hinsicht als Bewacher ihres Gottes natürlich von anderen Stämmen unterschieden.

„Ich bin betäubt worden!“, rief Tazaror aufgebracht. „Wie meine Frauen und Kinder!“

„Ich denke, das Rätsel, weshalb deine Frauen betäubt wurden, lässt sich leicht lösen“, sagte Rezuk mit zynischem Unterton. „Du hast sie der Reihe nach gebissen, Tazaror, und konntest dich nicht beherrschen bis sowohl du als auch deine Frauen in einen Schlaf der Erschöpfung fielen.“

„Das ist eine Lüge!“

„Aber wir hätten hier auf der Brücke einen Kommandanten gebraucht!“, fuhr Montasrar dazwischen. „Du bist wohlgemerkt als Kommandant abgesetzt. Deine Funktion als Unterhäuptling ruht hingegen erst einmal, bis der Stamm Zeit dazu findet, über dich zu entscheiden und deine Handlungsweise zu beurteilen!“

...was angesichts der sorgfältigen Vorbereitung dieses Coups wohl nur eine Formalie sein dürfte!, durchfuhr es Tazaror. Nach dem Ende des Gefechts wird Montasrar als der große Erringer der Beute dastehen und wer wird ihn dann noch abzusetzen wagen – ganz gleich, wie die Tatschen aussehen mögen?

Tazaror steckte sein Mono-Schwert weg.

Er hatte verloren.

Zumindest fürs erste.

Und wenn er ganz ehrlich und schonungslos zu sich selbst war, dann war das durchaus auch eigene Schuld. Sein Versagen lag darin, dass er Montasrar zu sehr vertraut und ihn wohl auch unterschätzt hatte. Einen willfährigen Vasallen hatte er in ihm gesehen. Jemanden, der einfach nicht die nötige Energie und Klugheit hatte, selbst den Sprung an die Spitze wagen zu können. Jemanden, der kein guter Zweikämpfer war und dem schon deswegen eine Grundvoraussetzung für den Aufstieg in der Stammeshierarchie fehlte. Ein Krieger wie Montasrar, so hatte Tazaror gedacht, war auf den Schutz des großen Schattens angewiesen, den sein Kommandant geworfen hatte.

In Wahrheit hatte er diesen Schatten nur geschickt genutzt, um im Verborgenen groß werden zu können.

Eine perfide Strategie, die mit der Vorstellung von der Ehre eines Kriegers, wie Tazaror Halbschädel sie verinnerlicht hatte, nicht mehr viel zu tun hatte.

Die Zeiten schienen sich zu ändern...

Aber Tazaror war noch keineswegs der Ansicht, dass seine eigene Zeit bereits angelaufen war.

„Ich werde mich in meinen Privatbereich zurückziehen“, kündigte er an. „Aber eines Tages wird abgerechnet, Montasrar. Zu einem Zeitpunkt, da du vielleicht gar nicht damit rechnest! Fühl dich also nicht zu sicher in deiner Position. Du hat dich auf ein Spiel eingelassen, dass du nicht beherrschst und das für wurmartige Charaktere wie dich eigentlich auch gar nicht geschaffen wurde!“

„Große Worte, Tazaror. Nicht mehr!“

„Aber Worte, an die du denken wirst, bevor du durch meine Mono-Klinge stirbst!“

Bevor Tazaror die Schiebetür passierte, über die man die Brücke der GÖTTERZORN verlassen konnte, hielt ihn die Stimme des neuen Kommandanten noch einmal zurück.

„Warte, Tazaror!“, sagte er.

Es war zweifellos Absicht gewesen, dass Montasrar mit seinem Ruf so lange gezögert hatte, bis Tazaror sich in Bewegung setzte. Die Tatsache, dass Tazaror jetzt stoppte und damit dem Befehl des neuen Kommandanten gehorchte, unterstrich für alle sichtbar dessen Autorität.

„Es gibt nichts mehr zu sagen, Montasrar. Und ich nehme nicht an, dass du meine Dienste als Offizier benötigst!“

„Du kannst nicht in deinen Privatbereich zurück“, erklärte der Kommandant.

„Warum nicht? Wer sollte mich daran hindern?“

„Du hast Behauptungen aufgestellt, die für manche der hier Anwesenden ehrenrührig sein könnten. Es müssen daher Beweise erhoben werde, was ich durch Offiziere dieses Schiffes erledigen lassen werde. Aber du darfst den Privatbereich bis dahin nicht betreten.“

Tazaror grollte.

Offenbar hatte er Montasrars Plan doch noch nicht in seinem vollen Umfang erkannt.

image
image
image

9

image

DIE ANTIMATERIEWAFFEN der Fulirr rissen gewaltige Löcher in die Reihen der angreifenden Morrhm-Jäger.

Allerdings griffen diese aus allen Richtungen an und es war unmöglich, sie in ihrer Gesamtheit aufzuhalten. Dazu wäre es notwendig gewesen, in alle Richtungen gleichzeitig Antimateriegeschosse abzuschießen, was die Flottille selbst in ernsthafte Schwierigkeiten hätte bringen können. Die von den Mini Black Holes ausgehenden Gravitationswellen hätten dann die eigenen Schiffe erheblich in Mitleidenschaft gezogen.

Die Qriid setzten ihre Traserwaffen ihres Schiffes ein und waren relativ erfolgreich damit, die herannahenden Einheiten auszuschalten.

Dutzende von Morrhm-Jägern, die in den Nahbereich der Flottille gelangt waren, trieben inzwischen führerlos im All, weil sie von den Ionenkanonen des K'aradan-Schiffes getroffen worden waren. An Bord der STOLZ DER GÖTTER waren diese Geschütze im Dauereinsatz, aber der Gigant konnte nur einen Teil seiner Bewaffnung tatsächlich einsetzen, wenn er nicht die anderen Einheiten des Verbandes beschädigen wollte.

Titus Naderw tat sein Bestes, um Morrhm-Jäger aus dem unmittelbaren Nahbereich der STERNENKRIEGER zu bekämpfen – unterstützt von den schwenkbaren Gauss-Geschützen. Lieutenant Kai Retseb von Gauss 1 meldete innerhalb kürzester Zeit fünf Abschüsse, aber es kamen ständig weitere Jäger nach – inzwischen auch Sturm-Shuttles. Auf Grund ihrer Größe tauchten letztere immerhin nicht so plötzlich auf den Ortungsschirmen auf, sondern konnten sehr viel früher optisch geortet werden, während die Jäger oft unter Ausschaltung fast sämtlicher Systeme sehr nahe an die STERNENKRIEGER herankamen. Manchmal so nahe, dass eine Abwehr nicht sofort möglich war.

Der Plasma-Schirm, über den die STERNENKRIEGER verfügte, war nicht aufgebaut worden, da er nur gegen Strahlenwaffen, wie sie die Qriid verwendeten wirkungsvoll war. Dagegen, dass Morrhm-Sturm-Shuttles an die Außenhülle der STERNENKRIEGER andockten und mit Hilfe von mobilen Projektilwaffen die Außenhülle zerstörten, um ins Innere des Schiffes zu gelangen, konnte diese Art der Defensivbewaffnung nicht helfen – zumal die Morrhm sehr strahlenresistent waren und die an sich für so gut wie alle Lebewesen stark gesundheitsschädliche Wirkung der Plasma-Partikel sich bei ihnen nicht einstellte.

Aber bisher war noch kein Shuttle nahe genug an die Außenhülle der STERNENKRIEGER herangekommen.

Fähnrich Ricardo Dunston besetzte eines der Gauss-Geschütze. Immer mal wieder hatte Dunston auch schon Lieutenant Riggs an der Ortung oder Lieutenant Jamalkerim bei der Kontrolle der Schiffskommunikation vertreten und war damit inzwischen sehr vielseitig einsetzbar. Die Funktionsweise eines Gauss-Geschützes war längst Teil der Grundausbildung auf Ganymed.

Kommandantin A'ahse vom Shani-Schiff WEITE REISE meldete sich über Konferenzmodus.

„Mehrere Morrhm-Jäger haben versucht, tellerartige Objekte an der Außenhaut unseres Schiffes anzubringen. Sie wurden aus einer Entfernung von nur wenigen hundert Metern abgeschossen oder auch bei Andockversuchen angebracht. Allerdings konnten sie an der Schutzbeschichtung der WEITEN REISE nicht haften.“

„Hat die Analyse dieser Objekte irgend etwas ergeben?“, fragte Sunfrost.

„Nein, leider nicht. Bis auf ein leichtes fünfdimensionales Interferenzrauschen, das von ihnen zumindest zeitweilig ausgeht. Unsere Wissenschaftler überprüfen noch, ob es sich dabei vielleicht auch um einen Messfehler handelt und in Wahrheit das ganze Gebiet von einem unregelmäßig strukturierten fünfdimensionalen Resonanzfeld erfasst ist.“

„Technik der Alten Götter“, entfuhr es Bruder Guillermo. „Es wäre doch plausibel, dass zumindest die Barar-Morrhm sich davon etwas angeeignet haben.“

„Und so, wie wir die Sozialstruktur dieser Weltraumbarbaren bisher kennen gelernt haben, werden sie auch kaum geneigt gewesen sein, diese Errungenschaften mit ihren Artgenossen zu teilen“, kommentierte Van Doren.

Sunfrost nickte. „Die Frage, die sich mir immer mehr in den Vordergrund stellt ist, wer wohl dieser Ruuned sein mag, von dem die Barar ihre Befehle zu bekommen scheinen.“

„Ein sterbliches Wesen, wie die Zuur-Morrhm ketzerisch behauptet haben, soweit wir das aus dem analysierten Funkmaterial ersehen können“, erklärte Bruder Guillermo.

Oder ein Erhabener?, dachte Rena. Ein letzter Angehöriger jener Art, die man die Alten Götter nannte? Oder wieder nur eine ihrer Schöpfungen oder Hilfswesen, wie die Rodanag, die Nostan, die Etnord und die Basir?

Auf jeden Fall verhieß dieses mondgroße Objekt, das einsam eine gelbe Sonne umkreiste, Antworten auf viele Fragen.

image
image
image

10

image

AUCH VON ANDEREN SCHIFFEN wurde nach und das Auftreten dieser tellerartigen Objekte bemerkt. Sowohl Qriid als auch K'aradan meldeten, dass mehrere Tellerobjekte an der Außenhülle ihrer Schiffe angebracht worden waren. Um diese zwischen einem halben und einem Meter großen Objekte loszuwerden, hätten Außenteams in Raumanzug und Antigravaggregat eingesetzt werden müssen, woran unter Gefechtsbedingungen nicht im Traum zu denken war.

Neben dem Schiff der Shani blieb nur der Keilraumer der Fulirr von diesen Tellerobjekten verschont. Während bei den Shani ganz offensichtlich die Schutzbeschichtung die Ursache dafür war, verfügten die Fulirr über eine Technologie, die auf Nano-Ebene die Oberflächenstruktur der Außenhülle so veränderte, dass sämtliche Partikel daran gehindert wurden, sich auf irgendeine Weise mit der Oberfläche zu verbinden. Normalerweise wurde diese Technik zur Reinigung bei Dekontamination verwendet, aber die Tellerobjekte reagierten offenbar ebenfalls darauf und schafften es nicht, an der Außenhülle haften zu bleiben.

„Haben Sie gewusst, dass die Fulirr über eine derartige Technologie verfügen?“, wandte sich Sunfrost an Bruder Guillermo, nachdem sich der Chefingenieur der Sauroiden über Konferenzmodus gemeldet und eine kurze Erläuterung abgegeben hatte.

„Mir war nicht bewusst, dass sie diese Art von Werkstofftechnik in einem so hohen Maß an Vollkommenheit beherrschen“, erwiderte Bruder Guillermo. „Aber vergleichbare Techniken werden auch auf der Erde seit Jahrhunderten benutzt, ohne dass jemand weiter darüber nachdenkt. Zum Beispiel bei der Verwendung von hydrophoben Silikonen im Korrosionsschutz.“

„Aber offenbar spielte so etwas bei der chemischen Konzeption von Raumschiff-Außenhüllen bisher keine große Rolle“, mischte sich Van Doren ein.

„Bei Privat-Raumyachten gibt es inzwischen auch auf der Erde eine vergleichbare Technik“, meldete sich Rudergänger John Taranos zu Wort. „Aber die Gründer des Space Army Corps waren offensichtlich der Meinung, dass es nicht so wichtig ist, Kriegsschiffe regelmäßig zu waschen!“

Eine Erschütterung durchlief die STERNENKRIEGER.

„Achtung! Morrhm-Jäger versucht anzudocken!“, meldete Lieutenant Riggs.

„Jäger ist außerhalb des Schusswinkels unserer Gauss-Geschütze“, rief Ukasi.

„Mister Taranos, geben Sie vollen Schub!“, befahl Rena Sunfrost. Falls die Dock-Verbindung der Morrhm noch nicht zu Stande gebracht war, konnte man so vielleicht verhindern, dass sie damit begannen, die Außenhaut des Sondereinatzkreuzers entweder aufzuschweißen oder mit Projektilgeschossen zu zertrümmern. Zumindest kurzfristig konnte man dem Jäger auf diese Weise entgehen.

„Naderw hat den Jäger bemerkt und nimmt bereits Angriffskurs!“, meldete Van Doren.

„Gerade wurde eines der tellerartigen Objekte an unsere Außenhülle geheftet“, meldete Lieutenant Riggs. „Ich kann ein leichtes fünfdimensionales Resonanzrauschen anmessen, außerdem Impulse im 5-D-Bereich und eine gepulste Strahlungsquelle mit 5-D-Komponente.“

„Als ob es noch eines Beweises bedurft hätte, dass es sich um Technik der Alten Götter handelt“, lautete Sunfrosts Kommentar.

Bruder Guillermo ließ sich ebenfalls die Ortungsdaten anzeigen. Er runzelte die Stirn. Dann stellte er eine Kom-Verbindung zu Metz und von Schlichten her. Nach kurzer Beratung war klar, dass sich das Tellerobjekt offenbar auf eine Weise mit der Außenhülle der STERNENKRIEGER verbunden hatte, die es ausgesprochen schwierig machte, es wieder zu lösen. „So ohne weiteres dürfte das nicht möglich sein“, erklärte von Schlichten. „Bildlich gesprochen ähnelt die Oberfläche des Tellerobjekts einer High-Tech-Klebefläche. Auf Nano-Ebene werden Moleküle miteinander verhakt. Davon abgesehen scheint das Außenmaterial der STERNENKRIEGER der Klebefläche auch noch sehr entgegenzukommen.“

„Leichte Störungen im Kommunikationssystem“, meldete Lieutenant Jamalkerim.

Sunfrost erhob sich von ihrem Kommandantensitz. Waren diese Tellerobjekte etwa Waffen, die die Morrhm anwendeten, um die Bordelektronik von Schiffen zu stören? Fünfdimensionale Impulse und selbst das Resonanzrauschen eigneten sich dazu ganz hervorragend wie nicht nur die Crew der STERNENKRIEGER schon wiederholt hatte erfahren müssen. Aber andererseits war die Art und Weise, auf die die Morrhm diese Objekte ganz wörtlich gesprochen ‚an den Feind’ brachten, mit einer ungeheuer hohen Verlustrate verbunden. Einer Rate, die so hoch lag, dass von einer Verhältnismäßigkeit bei der Auswahl militärischer Mittel beim besten Willen nicht gesprochen werden konnte.

Aber vielleicht beurteilten die Morrhm dies schlicht und ergreifend von einem anderen Standpunkt aus. Schließlich war ja auch ihre traditionelle Angriffsweise, bei der mit zahllosen Shuttles und Jägern ein Schiff geentert und anschließend die Besatzung Mann für Mann niedergekämpft wurde, extrem aufwändig und verlustreich.

Vielleicht hatten die Weltraumbarbaren einfach nur ihre bisherige Taktik um ein technisches Gimmick aus dem Arsenal der Alten Götter erweitert.

Bruder Guillermo war in die Betrachtung seiner Anzeigen versunken. Er stand leicht gebeugt vor seiner Konsole und wirkte fast so starr wie ein Standbild.

Jetzt darf man jemanden wie ihn nicht stören und kann nur darauf hoffen, dass er einen der klugen Gedanken, die ihm jetzt zweifellos durch den Kopf schwirren, auch noch uns Normalbegabten gegenüber äußert, überlegte Rena Sunfrost.

Aber das konnte bei Bruder Guillermo manchmal auch etwas länger dauern, wie Renas aus Erfahrung wusste.

Guillermo hob den Kopf.

Sein Blick war nun auf die Bilddarstellung des Panorama-Schirms gerichtet. „Ich glaube nicht, dass es sich bei den Tellerobjekten um Waffen handelt“, sagte er.

„Woher wollen Sie das wissen?“, fragte Ukasi. „Inzwischen ist die Elektronik von Gauss 5 ausgefallen, das dem Objekt am nächsten liegt. Als Fehlerquelle nehme ich eine starke Quelle für Resonanzrauschen an – und das ist dieses Tellerding ganz ohne Frage.“

Details

Seiten
Jahr
2018
ISBN (ePUB)
9783738918175
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (März)
Schlagworte
folge chronik sternenkrieger doppelband

Autor

  • Alfred Bekker (Autor:in)

Zurück

Titel: Folge 27/28 - Chronik der Sternenkrieger Doppelband