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Folge 19/20 - Chronik der Sternenkrieger Doppelband

von Alfred Bekker (Autor:in)
©2018 260 Seiten

Zusammenfassung

Mitte des 23. Jahrhunderts werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner.
In dieser Zeit bricht die STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf...

Alfred Bekker schreibt Fantasy, Science Fiction, Krimis, historische Romane sowie Kinder- und Jugendbücher. Seine Bücher um DAS REICH DER ELBEN, die DRACHENERDE-SAGA,die GORIAN-Trilogie und seine Romane um die HALBLINGE VON ATHRANOR machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er war Mitautor von Spannungsserien wie Jerry Cotton, Kommissar X und Ren Dhark. Außerdem schrieb er Kriminalromane, in denen oft skurrile Typen im Mittelpunkt stehen - zuletzt den Titel DER TEUFEL VON MÜNSTER, wo er einen Helden seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einer sehr realen Serie von Verbrechen macht.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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Chronik der Sternenkrieger – Folge 19 und 20

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Doppelband: Notlandung / Vergeltung

von Alfred Bekker

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EIN CASSIOPEIAPRESS E-Book

© 2005, 2008, 2012 by Alfred Bekker

© 2014 der Digitalausgabe by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich (Westf.)

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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MITTE DES 23. JAHRHUNDERTS werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner.

In dieser Zeit bricht die  STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf...

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ALFRED BEKKER schreibt Fantasy, Science Fiction, Krimis, historische Romane sowie Kinder- und Jugendbücher. Seine Bücher um DAS REICH DER ELBEN, die DRACHENERDE-SAGA,die GORIAN-Trilogie und seine Romane um die HALBLINGE VON ATHRANOR machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er war Mitautor von Spannungsserien wie Jerry Cotton, Kommissar X und Ren Dhark. Außerdem schrieb er Kriminalromane, in denen oft skurrile Typen im Mittelpunkt stehen - zuletzt den Titel DER TEUFEL VON MÜNSTER, wo er einen Helden seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einer sehr realen Serie von Verbrechen macht.

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DIESES EBOOK ENTHÄLT folgende zwei Bände:

Band 19:  Notlandung

Band 20:  Vergeltung

Der Umfang dieses Ebook entspricht 215 Taschenbuchseiten.

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Band 19: Notlandung

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Ambrais VII, Trans-Alpha...

Der schrille Trauergesang der Nosronen erfüllte die Höhle. Ka-Akon, der oberste Kampfpriester im Dienst der Republik aller Nosronen, hatte für immer die knopfartigen, infrarotsichtigen Augen geschlossen.

Fast zwanzig Erdenjahre hatte Ka-Akon gelebt. Länger als die meisten seiner Art. Mit ganzer Seele hatte er sich der ureigensten Aufgabe eines Priesters gewidmet – dem Kampf gegen die Götter.

Und doch war er letztlich friedlich gestorben.

James Levoiseur regulierte die Außenmikrofone seines schweren Kampfanzugs nach, um vor den schrillen, größtenteils im Ultraschallbereich liegenden Tönen geschützt zu sein, die bei dem Trauergesang der Nosronen erzeugt wurden.

Der tote Kampfpriester wurde auf einer Bahre getragen.

Ausgestreckt lag seine an einen übergroßen Maulwurf erinnernde Gestalt da.

Paolo DiStefano, der zweite auf Ambrais VII zurückgelassene Marineinfanterist, meldete sich über Helmfunk. »Mein Ortungsgerät zeigt die Signatur von mindestens zehn Kampfgleitern an, die gerade zur Landung ansetzen.«

»Dann werden wir jetzt wohl mit dem Gegenschlag der Etnord zu rechnen haben.«

»Verdammt, wir hätten uns längst von hier zurückziehen müssen, James!«

»Die Nosronen werden nicht gehen, bevor das Totenritual für ihren obersten Kampfpriester nicht abgeschlossen ist.«

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Ra-Galan, Ka-Akons designierter Nachfolger, musste die Zeremonie durchführen. Eigentlich wäre die persönliche Anwesenheit des Tyrannen erforderlich, aber da sich Ka-Akon und seine Gruppe in einer vorgeschobenen, weit von der Zentralhöhle des nosronischen Herrschers entfernten Position befanden, war das unmöglich. Genauso wie es nicht möglich erschien, Ka-Akons Leichnam über diese lange Distanz zu überführen.

Das hätte den Abwehrkampf gegen die Etnord-Götter unterbrochen und ihnen die Gelegenheit gegeben, sich von den Schlägen zu erholen, die ihnen von den Kampfpriestern der Nosronen zugefügt worden waren.

Ra-Galan stand am Kopfende der Bahre.

Er hob die kurzen, mit breiten Grabpfoten ausgestatteten Arme und stieß schrille Laute aus, die die Translatoren der auf Ambrais VII zurückgebliebenen Menschen nur unzureichend übersetzte. Der Grund dafür lag wohl darin, dass für Trauerliturgie ein entlegenes Subvokabular der nosronischen Sprache verwendet wurde, das bislang von den Geräten einfach noch nicht aufgezeichnet und analysiert worden war.

Ein anderer, niederrangiger Kampfpriester stand neben Ra-Galan und hielt ihm einen offenen Behälter entgegen, in dem sich mühsam zusammengerupftes Seelenmoos befand.

Ra-Galan nahm etwas davon, woraufhin sich die Farbe des Mooses von einem satten Grün in ein tristes Grau veränderte.

Psychosensitivität war nur eine der erstaunlichen Eigenschaften, die von den beiden auf Ambrais zurückgelassenen Wissenschaftlern festgestellt worden war.

Professor Dr. Miles Rollins und Professor Dr. Eric Reilly II. waren Zeuge geworden, wie das Seelenmoos von den Nosronen dazu benutzt wurde, um Artgenossen von ihren Etnord-Parasiten zu befreien. Das Moos löste eine massive Abstoßungsreaktion aus.

An diesem Punkt hatten Reilly und Rollins einen Ansatz für die Abwehr der Etnord gesehen, deren Invasion trotz vorübergehender Erfolge nach wie vor eine Gefahr für die Humanen Welten sowie die mit ihnen verbündeten Sternenreiche waren.

So waren Rollins und Reilly nach der letzten Expedition des Sondereinsatzkreuzers STERNENKRIEGER II unter Captain Rena Sunfrost ins Ambrais-System bei den Nosronen zurückgelassen worden, um ihren Forschungen nachgehen zu können. Die Marines DiStefano und Levoiseur hatte man zu ihrer Sicherheit abgestellt.

Rollins stand etwas abseits. Interessiert verfolgte er die Zeremonie der Nosronen, während Eric Reilly II. noch mit der Auswertung einiger Proben beschäftigt war und sich davon auch nicht durch die besonderen Umstände abhalten ließ, die zurzeit herrschten.

In diesem Moment legte Ra-Galan das Seelenmoos auf den Körper des toten Ka-Akon. Daraufhin veränderte es seine Farbe – oder besser gesagt: Es verlor sie. Innerhalb weniger Sekunden wurde das Moos vollkommen weiß.

Für die Nosronen das sichere Zeichen, dass die Seele des Obersten Kampfpriesters dessen Körper tatsächlich verlassen hatte.

Gleichzeitig stimmte Ra-Galan einen durchdringenden Gesang an, der im Frequenzbereich der hohen Sopran-Koloratur einer Mozart-Arie lag. Für die nosronischen Stimmen waren das jedoch ungewöhnlich niederfrequente Laute, deren Tiefe wohl Trauer ausdrücken sollte.

Nach und nach bedeckte der neue – sicherheitshalber bereits vor Antritt dieser Mission durch den Tyrannen persönlich zum Nachfolger bestimmte – Oberste Kampfpriester den Körper des Toten mit Seelenmoos, das daraufhin ebenfalls die Farbe verlor.

Die Grabkräfte erzeugten dabei mit den Pfoten klatschende Laute. Die Kampfpriester hatten ihre Luntenschlossgewehre geschultert und verharrten in einer angespannten Haltung.

Levoiseur wandte sich an Rollins, der nur den Schutzhelm eines leichten Kampfanzugs trug, der aber ebenfalls über Funk verfügte, was die Verständigung angesichts des ohrenbetäubenden Geräuschpegels erheblich erleichterte.

»Sir, wir werden angegriffen«, erklärte Levoiseur. »Die Etnord operieren mit mehreren Kampfgleitern in dem Gebiet über uns.«

»Ich denke, wir sind tief genug unter der Oberfläche, um vor den direkten Einwirkungen ihrer Strahlwaffen geschützt zu sein«, glaubte Rollins.

»Mag sein, aber eigentlich müssten wir uns jetzt sofort zurückziehen, wenn wir einer direkten Konfrontation ausweichen wollen. Und diese nosronische Taktik hat sich doch bisher als sehr erfolgreich herausgestellt.«

Rollins hob die Schultern. Er deutete mit einer knappen Geste in Richtung des neuen Oberpriesters. Die Zeremonie war noch in vollem Gang und ging weit über das Totenritual hinaus, das für einen gewöhnlichen Kampfpriester oder gar eine der Grabkräfte durchgeführt wurde.

Ka-Akon galt unter den Nosronen bereits als eine historische Persönlichkeit. Ein Held, der schon zu Lebzeiten beinahe mythische Qualitäten erlangt hatte.

»Ich fürchte, nichts und niemand wird die Nosronen davon abhalten, ihr Ritual in aller Ausführlichkeit durchzuführen«, glaubte Rollins.

»Sprechen Sie mit ihnen!«

»Mit wem denn? Ich müsste meine Worte an Ra-Galan richten – aber wenn ich das in dieser Situation täte, könnte es sein, dass ich damit unser gutes Verhältnis zu den Nosronen aufs Spiel setze. Und für vier auf sich gestellte Menschen auf Ambrais VII ist das noch gefährlicher, als ein Angriff der Etnord!«

»Professor Reilly, was meinen Sie?«, erkundigte sich Levoiseur über Helmfunk bei dem Wissenschaftler, dessen gegenwärtige Position sich etwa fünfzig Meter entfernt in einem Seitenarm jener Höhle befand, in der diese vorgeschobene nosronische Kampfgruppe gerade kampierte.

»Vertrauen wir darauf, dass die Nosronen die Gefahr am besten einschätzen können«, lautete Reillys Ansicht.

»Bitte, Sir?« Levoiseur glaubte schon, sich verhört zu haben.

»Die Etnord schwärmen jetzt mit Infanterie aus«, mischte sich DiStefano ein.

Er sandte die Anzeigen seines Ortungsgeräts auf die Helmdisplays der anderen Teilnehmer dieser Expedition. Eine schematische Übersicht erschien vor Levoiseurs linkem Auge. Deutlich war die Position der Höhle gekennzeichnet, in der sie sich im Moment aufhielten. Sie lag fast vierhundert Meter unter der planetaren Oberfläche und galt als sicher. Das dazwischen liegende Gestein und Erdreich bildete sowohl einen Schutz gegen direkten Beschuss, als auch gegen die Ortungssysteme der Etnord, über deren Leistungsfähigkeit man allerdings nur indirekte Schlüsse ziehen konnte, indem man sorgfältig beobachtet hatte, bei welchem Verhalten von der anderen Seite eine Reaktion erfolgte.

Umgekehrt waren natürlich auch die Ortungsmöglichkeiten der Menschen in dieser Tiefe eingeschränkt. Normalerweise wäre es je nach Zusammensetzung des über ihnen liegenden Gesteins sogar völlig unmöglich gewesen, die feindlichen Gleiter auszumachen. Aber glücklicherweise hatte sich die Signatur der Laserwaffen, die von den Etnord bevorzugt benutzt wurden, als sehr durchdringend erwiesen. Die Gleiter der Etnord waren mit entsprechenden Geschützen ausgerüstet worden und daher sehr deutlich zu orten. Schwächere Signaturen deuteten auf ausgeschwärmte Infanterie mit entsprechenden Handwaffen hin. Da die Etnord darüber hinaus auch Projektilwaffen verwendeten, die Weiterentwicklungen der von den Menschen verwendeten Nadler und Gauss-Gewehre darstellten, musste man damit rechnen, dass mindestens anderthalbmal so viele Kämpfer ausgeschwärmt waren, wie sich Strahler-Signaturen anmessen ließen.

Zumindest entsprach das den Erfahrungen, die Levoiseur und DiStefano bei ihren bisherigen Begegnungen mit den Etnord-Kampftruppen gemacht hatten.

Auf den Helmdisplays aller vier Expeditionsteilnehmer war deutlich zu sehen, wie sich die Etnord aufteilten und verschiedene Höhleneingänge ansteuerten.

»Es wird eine leichte Explosion angezeigt«, meldete DiStefano und interpretierte damit eine deutlich anmessbare seismische Erschütterung, deren Ursprung in der Nähe eines Höhleneingangs liegen musste, der von den Nosronen verschlossen worden war. Jetzt schickten sich die Etnord offenbar an, diesen Eingang wieder zu öffnen.

»Wir werden versuchen müssen, die Etnord aufzuhalten«, erklärte Levoiseur.

»Zwei Marines gegen eine hochmodern ausgerüstete Armee?«, fragte Rollins zweifelnd.

»Sollen wir erst warten, bis die Etnord in einer Position sind, die sie in die Lage versetzt, uns zu vernichten?«

Bislang hatten sich Levoiseur und DiStefano nach Möglichkeit bei direkten Konfrontationen mit den Etnord zurückgehalten. Schließlich wollten sie unbedingt vermeiden, dass die andere Seite von ihrer Anwesenheit erfuhr.

Die Nosronen wiederum hatten im Laufe der Zeit eine Kampftechnik entwickelt, die auf Sabotage der Energieversorgung hinauslief. Dass sie mit ihren Luntenschlosswaffen keine Chance gegen die Etnord hatten, lag auf der Hand. Aber zwischenzeitlich hatten die Nosronen es sogar geschafft, den gesamten Planeten energietechnisch lahm zu legen. Ein Schlag, von dem sich die Etnord noch immer nicht ganz erholt hatten. Teile von Ambrais City wurden noch immer nicht mit Energie versorgt. Den Etnord ging es vor allem darum, die Anlagen zur Förderung und Weiterverarbeitung jener Mineralien in Betrieb zu halten, die für die Antimaterietechnik wichtig waren, was ihnen inzwischen wieder einigermaßen gelang.

Aber die Nosronen ließen in ihrem Kampfeswillen nicht nach.

Ihrer mythisch überlieferten Geschichte zu Folge war es ihnen schließlich in grauer Vorzeit schon einmal gelungen, die Götter zu vertreiben.

Manchmal allerdings erschien Levoiseur das nosronische Vertrauen in die eigene Kraft schon beinahe selbstmörderisch.

»Wir sollten noch etwas abwarten, damit wir klarer sehen, was die andere Seite plant«, schlug DiStefano vor. »Aber dann müssen wir eingreifen.«

»Auf die Gefahr hin, dass man die Anwesenheit von Marines des Space Army Corps entdeckt?«, fragte Rollins.

»Notfalls ja«, bestätigte DiStefano.

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Lichtjahre entfernt am Trans-Alpha-Brückenkopf des Space Army Corps...

»Achtung!«

»Rühren und setzen!«, sagte Admiral Ned Nainovel.

Captain Rena Sunfrost, Kommandantin des Sondereinsatzkreuzers STERNENKRIEGER II, und ihr Erster Offizier Lieutenant Commander Steven Van Doren entspannten ihre Körperhaltung und nahmen in den bequemen Schalensitzen Platz. Im Vergleich zum Konferenzraum der STERNENKRIEGER war die Offiziersmesse des Carriers LEVIATHAN geradezu gewaltig.

Ned Nainovel war gegenwärtig nicht nur Kommandant dieses gewaltigen, 1500 Meter langen Y-förmigen Riesen, der mit seinen dreihundert Jägern die bislang stärkste Waffe des Space Army Corps darstellte, sondern führte auch den Befehl über die Space Army Corps Einheiten des Brückenkopfs auf der Trans-Alpha-Seite des Wurmlochs im Picus-Sektor. Nachdem die Etnord bei ihrem letzten Angriff mit Hilfe ihrer vor Kurzem von den Fulirr übernommenen Antimaterietechnik die Verminung der Wurmloch-Porta aus dem Weg geräumt hatten, suchte das Oberkommando des Space Army Corps nun nach einer Möglichkeit, Wurmloch Alpha auf Dauer zu schließen. Zumindest solange dies nicht geschehen war, sollte der eine Raumkugel mit einem Radius von einer Astronomischen Einheit umfassende Brückenkopf aufrechterhalten werden.

Neben dem Admiral hatten Geschwader-Commodore Moss Triffler, der Kommandant der an Bord stationierten Jägerstaffeln sowie Commodore Jay Thornton Platz genommen, der aus dem Stab des Oberkommandos unter Admiral Mark Akato abkommandiert worden war.

»Willkommen zurück im Trans-Alpha-Sektor, Captain Sunfrost«, sagte Ned Nainovel. Sein Gesicht wirkte dabei wie aus Stein gemeißelt. Die stahlblauen Augen musterten Rena aufmerksam. »Wie ich hörte, hatten Sie seit Ihrer letzten Mission in diesem Gebiet dringende Aufgaben an anderer Stelle zu erledigen.«

»Bislang ist die STERNENKRIEGER leider der einzige Sondereinsatzkreuzer des Space Army Corps«, erinnerte Rena und dachte dabei: Wenn jemand wie Sie Smalltalk zu machen versucht, Admiral, kann das nur daneben gehen.

Dazu war Nainovel auch gar nicht der Typ – er war vielmehr gerade heraus und direkt. Seine Führungsfähigkeiten – auch in heiklen Situationen – waren geradezu legendär. Aber als Salonlöwe taugte er nicht.

»Das wird ja nicht auf Dauer so bleiben. Immerhin hat sich die STERNENKRIEGER II bewährt«, sagte Nainovel. »Wie auch immer, Sie haben bei Ihrer letzten Mission im Ambrais-System vier Personen zurückgelassen.«

»Meinen tadelnden Eintrag in die Personalakte habe ich dafür bereits erhalten«, gab Rena zurück.

Nainovels Gesicht entspannte sich etwas. Ein dünnes Lächeln spielte jetzt um seine Lippen. Er lehnte sich etwas zurück und erwiderte: »Ich möchte ausdrücklich feststellen, dass dafür Admiral Fabri die Verantwortung trägt. Sowohl Ihr direkter Vorgesetzter Commodore Jackson, als auch ich – als derjenige, dessen Verband Sie seinerzeit unterstellt waren – haben uns dagegen ausgesprochen. Aber Fabri hat in dieser Sache als Chef des Personalwesens im Space Army Corps das letzte Wort gehabt. Wenn ich Ihnen eine Empfehlung geben darf: Legen Sie Beschwerde ein. Sie hätten gute Chancen, aus der Sache ungeschoren herauszukommen.«

»Danke, aber ich habe wenig Lust, mich auf einen Hickhack durch die Instanzen der Militärjustiz einzulassen.« Erst recht nicht, wenn die wichtigen Leute es offenbar gutheißen, was ich getan habe. Aber das auszusprechen wäre wohl übelstes Geschleime.

Triffler schmunzelte.

Nainovels Gesicht blieb hingegen unbewegt. »Das müssen Sie entscheiden, Captain.«

»Natürlich.«

»Wahrscheinlich wird Ihnen dieser kleine Fleck an der ansonsten weißen Weste auch nicht die Karriere vermasseln. Dazu sind Sie viel zu gut – und ganz gleich, welche Ungerechtigkeiten einem die Space Army Corps Hierarchie auch hin und wieder zumuten mag, auf die Dauer setzt sich Qualität immer durch.«

»Danke, Sir.«

Was mag Van Doren in diesem Moment durch den Kopf gehen?, fragte sich Rena. Wenn man als einer der besten und hoffnungsvollsten Kommandanten des Space Army Corps degradiert wird und wieder als Erster Offizier unter einer vergleichsweise unerfahrenen Kommandantin wie mir dienen muss, nur weil man Menschlichkeit gegenüber dem Feind gezeigt hat, kann man Nainovels Worte nur als Hohn empfinden.

Steven Van Doren hatte sich inzwischen mit seiner Situation einigermaßen abgefunden, während Rena dessen höhere Kompetenz nicht mehr als Bedrohung ihrer Position begriff. So hatte sie ausdrücklich darum gebeten, nach dem Ende der STERNENKRIEGER I Van Doren auch auf bei ihrem Nachfolgekommando als Ersten Offizier zugeteilt zu bekommen, obwohl er seit seiner Degradierung nur noch den Rang eines Lieutenant Commander inne hatte und die Stelle eigentlich mit einem Commander besetzt werden sollte.

Ned Nainovel wandte sich nun an Van Doren. »Freut mich, dich zu sehen, Steven.«

»Es ist lange her, dass wir auf Ganymed mit dem Nadler Zielschießen auf Methantropfen veranstaltet haben«, entgegnete Van Doren.

Ein verhaltenes Lächeln spielte um Nainovels Mundwinkel.

Wodurch wird dieser Moment der Verlegenheit jetzt verursacht?, überlegte Rena. Die Erwähnung des Jupitermondes Ganymed und die Tatsache, dass beide Männer etwa gleich alt waren, legte nahe, dass sie sich von der Space Army Corps Akademie kannten. Nur haben sich ihre Karrieren von der Rangstufe her in genau entgegengesetzte Richtungen entwickelt. Vielleicht ist das der Grund.

Nainovel beendete diesen Moment unterschwelliger Peinlichkeit. »Wie auch immer, ich möchte zur Sache kommen. Das Oberkommando hat mich angewiesen, die STERNENKRIEGER erneut ins Ambrais-System zu entsenden, um die abgesetzten Wissenschaftler und die beiden Marines wieder an Bord zu nehmen. Rollins und seine Gruppe hatten schließlich mehrere Monate Zeit, ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Wirkungsweise des ›Seelenmooses‹ der Nosronen zu vervollkommnen und daraufhin zu überprüfen, inwiefern es sich für Maßnahmen zur Abwehr der Etnord-Gefahr eignet. Darüber hinaus soll dieser Brückenkopf ja nicht bis in alle Ewigkeit aufrechterhalten werden.«

»Gibt es bereits konkrete Planungen zur Schließung von Wurmloch Alpha?«, erkundigte sich Sunfrost.

Nainovel wandte sich an Thornton. »Vielleicht können Sie dazu etwas sagen, Commodore! Schließlich verfügen Sie doch über einen direkten Draht zum Stab von Admiral Akato.«

»Das Problem besteht darin, eine Verminungstechnologie zu finden, die nicht einfach von den Antimateriebomben der von den Etnord erbeuteten Fulirr-Schiffe aus dem Weg geräumt werden kann. Wir verhandeln natürlich mit unseren Verbündeten über dieses Thema. Sowohl mit den K'aradan als auch mit den Genetics. Letztere haben hier ein paar interessante Vorschläge unterbreitet, aber auf politischer Ebene traut man ihnen nicht über den Weg.«

»Ich wette, das geht von Raimondo aus«, stellte Nainovel fest.

»Sein Argument ist, dass die Genetics kein echtes Interesse an der Schließung des Wurmlochs haben, sondern es für sich haben wollen.«

Commodore Jay Thornton hob die Augenbrauen. »Was nach dem bisherigen Verhalten der Regierung auf Genet nicht ganz von der Hand zu weisen ist!« Er zuckte mit den Schultern.

»Nun denn, wir haben sie andererseits ja auch nicht mit wissenschaftlichem Personal an der letzten Erkundungsmission der STERNENKRIEGER in den Trans-Alpha-Sektor beteiligt, was bei Lordmanager Zaid mit Sicherheit nicht sehr positiv aufgenommen wurde.«

»Kommen wir zur gegenwärtigen Lage«, schloss Ned Nainovel den »gemütlichen« Teil der Besprechung.

»Commodore, vielleicht geben Sie dem Captain eine kurze Zusammenfassung der Situation, wie sie sich während Sunfrosts Abwesenheit hier rund um den Brückenkopf entwickelt hat.«

»Ja, Sir.« Thornton nickte. »Im Großen und Ganzen hat sich die Lage deutlich beruhigt. Die Etnord haben seit drei Wochen keine ernsthaften Versuche mehr unternommen, den Brückenkopf zurückzudrängen. Woran das liegt, wissen wir nicht. Wir nehmen an, dass sie ihre Kräfte über Wurmloch Beta in unseren Teil der Galaxis bringen und zu einem großen Schlag ausholen. Vielleicht wollen sie ihre Herrschaft über das Fulirr-Gebiet auch nur konsolidieren, bevor sie einen erneuten Angriffsversuch unternehmen. Darüber gibt es im Moment nur Spekulationen. Darüber hinaus haben wir den Ausgang von Wurmloch Beta im Trans-Alpha-Sektor immer noch nicht eindeutig lokalisieren können. Es gibt mehrere Systeme in einem Umkreis von fast tausend Lichtjahren, die dafür in Frage kommen. Aber für eine groß angelegte Erkundungsmission fehlen uns im Moment die Flotteneinheiten. Davon abgesehen ist das Oberkommando im Augenblick zunächst einmal auf Verteidigung und Konsolidierung eingestellt.«

»Nach den verheerenden Auswirkungen der Schlacht um Alpha Picus nur zu verständlich!«, lautete Ned Nainovels Kommentar. »Ich meine – es war ein Sieg, aber noch so ein Sieg und wir sind am Ende.«

»Die andere Seite hat allerdings auch ganz schön bluten müssen«, äußerte sich Geschwader-Commodore Moss Triffler.

»Auf jeden Fall haben wir im Moment so etwas wie eine Verschnaufpause, was bedeutet, dass die Gelegenheit relativ günstig ist, die Gruppe um Professor Rollins zurückzuholen.«

»Bei der Durchführung der Operation haben Sie freie Hand, Captain Sunfrost«, ergriff nun wieder Admiral Nainovel das Wort.

»Allerdings wäre es im Sinne des Oberkommandos, wenn Sie zurückhaltend agieren und keinen Anlass für einen Angriff der anderen Seite liefern. Im Moment braucht das Space Army Corps die Kampfpause wahrscheinlich dringender als unsere Gegner.«

»Ich werde mich dementsprechend verhalten«, versicherte Sunfrost. »Ich nehme an, dass während der gesamten Operation daher Funkstille zu wahren ist.«

Nainovel nickte. »Absolut. Es sei denn, Sie sehen in einem Notfall keine andere Möglichkeit mehr, um die Besatzung und das Schiff zu retten.«

»Ich bin überzeugt davon, dass Captain Sunfrost es gar nicht erst zu einer derartigen Situation kommen lässt«, fügte Jay Thornton noch hinzu. »Es ist nämlich fraglich, inwiefern wir Ihnen tatsächlich helfen könnten.«

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Die Landefähre STERNENKRIEGER L-1 verließ Hangar 2 des Y-förmigen 1500-Meter-Riesen LEVIATHAN. Das gewaltige Hangartor schloss sich hinter der Fähre, deren Ionentriebwerke nun zündeten und für maximale Beschleunigung sorgten. Ein Geschwader von Jägern kehrte von einem Kontrollflug zurück, der die einsitzigen Raumschiffe bis zu dreißig Astronomische Einheiten weit in den Trans-Alpha-Sektor geführt hatte.

Die meisten der 300, einem fliegendem Gauss-Geschütz mit Pilotenkabine gleichenden Raumjägern, die an Bord des Carriers LEVIATHAN stationiert waren, befanden sich ständig im Einsatz. Über Sandström-Sonden aus der Produktion der verbündeten K'aradan überwachten die innerhalb des Brückenkopf des stationierten Space Army Corps Einheiten den Sandström-Raum. Aber sobald die Austrittspunkte von im Sandström-Raum herannahenden Feindschiffen angemessen werden konnten, konnten sich die Jäger bereits in eine Abfangposition begeben und die Angreifer beschießen, sobald diese den Sandström-Raum verließen und im Normaluniversum materialisierten.

Das Geschwader kehrte zurück und flog durch ein sich öffnendes Schott. Kurz darauf schossen dreißig Jäger gleichzeitig aus ihren Rampen. Sofort beim Start wurden sie extrem beschleunigt.

Die Einheiten sammelten sich zu einer Formation und strebten ihrem Operationsgebiet entgegen.

Rena Sunfrost blickte gedankenverloren durch eines der Sichtfenster an Bord der L-1.

Crewman Yakuf Bogdan steuerte das Beiboot des sichelförmigen Sondereinsatzkreuzers auf das Mutterschiff zu.

Die STERNENKRIEGER befand sich gut 10.000 Kilometer von der LEVIATHAN entfernt und wirkte gegenüber dem Carrier wie ein Zwerg.

»Ned hat Ihnen völlig freie Hand bei der Durchführung dieses Einsatzes gelassen«, sagte Van Doren. »Das ist eher ungewöhnlich. Er hatte immer einen gewissen Hang zur Pedanterie.«

»Von einer gewissen Stufe in der Hierarchie an muss man so einen Hang wohl zähmen«, sagte Rena. »Wer nicht delegieren kann, der kann auch nicht führen.«

»Das ist sicher wahr.«

Van Doren atmete tief durch, so als gäbe es da etwas, das auf seiner Seele lastete. Jetzt müsste man Olvanorer sein, dachte Rena. Aber vielleicht gelingt es mir, die äußerlich sichtbaren Signale richtig zu deuten, ohne zuvor hinter den Klostermauern von Saint Arran in die Geheimnisse des Ordens eingewiesen worden zu sein.

»Sie kennen den Admiral von der Space Army Corps Akademie«, sagte Rena.

Van Doren nickte. »Ja. Ned und ich sind im selben Jahr in das Space Army Corps eingetreten. Commodore Thornton war ein Jahr weiter als wir.« Van Doren machte eine Pause. Sein Blick schien ins Nichts zu gehen und durch Rena hindurchzusehen. »Manches ist schon paradox...«

»Sie könnten auch dort stehen, wo der Admiral jetzt ist«, sagte Rena. »Die Fähigkeiten dazu hätten Sie. Ich will damit nicht sagen, dass der Admiral seine Position nicht verdient hätte, aber es ist nicht Ihr Versagen, dass Sie zwischen die Mühlsteine gerieten.«

»Wessen Versagen ist es dann? Ich traf schließlich die Entscheidung, mich über Befehle hinwegzusetzen.«

»Die Entscheidung war richtig! Menschlich!«

»Es ging um die Rettung von Qriid. Es gibt nicht wenige, die das Wort Menschlichkeit in diesem Zusammenhang als deplatziert ansehen.«

»Inzwischen haben wir mit Nirat-Son sogar einen qriidischen Offizier an Bord. So ändern sich die Zeiten.«

»Ja«, murmelte Van Doren. Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Wenn Sie denken, dass ich verpassten Chancen nachjammere, dann liegen Sie falsch, Captain. Und in derselben Situation wie damals würde ich mich genauso entscheiden. Trotz der Konsequenzen.« Sein Gesicht wirkte jetzt etwas entspannter. »Man sollte in die Zukunft blicken.«

»Das ist wohl immer das Beste.«

»Wir müssen davon ausgehen, dass wir diesmal auf eine intakte Raumverteidigung treffen, wenn wir ins Ambrais-System zurückkehren. Die Etnord werden alles daran gesetzt haben, die Kontrolle über Planet VII zu behaupten und die Energieversorgung wiederherzustellen.«

»Sie trauen den Nosronen keine weiteren militärischen Erfolge zu, I.O.?«

Van Doren zuckte mit den Schultern. »Die Informationen, die wir gegenwärtig über die Geschehnisse der letzten Woche im Operationsgebiet haben, sind spärlich. Aber meiner Einschätzung nach können sie froh sein, wenn sie ihre Positionen einigermaßen halten konnten. Die Etnord werden es nicht hinnehmen, dass man eine für sie wichtige Rohstoffwelt lahmlegt.«

Er konzentriert sich ganz auf seine Aufgabe, erkannte Rena Sunfrost. Aber wahrscheinlich ist das die einzig Methode, um mit seiner Situation fertig zu werden.

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Die L-1 flog in ihren Hangar an Bord der STERNENKRIEGER II ein. Sunfrost und Van Doren verließen das Beiboot über die Schleuse. Wenig später betraten Sie die Brücke.

Lieutenant Commander Robert Ukasi, Taktikoffizier und Nummer drei in der Hierarchie der STERNENKRIEGER, hatte während Sunfrosts Abwesenheit das Kommando geführt.

»Captain! Keine besonderen Vorkommnisse«, meldete Ukasi. »Sie haben die Brücke.«

Van Doren nahm den Platz an seiner Konsole ein. Sunfrost warf einen Blick auf den Panoramaschirm. Die Bildfläche wurde zu zwei Dritteln von der LEVIATHAN ausgefüllt. Im Hintergrund waren weitere Space Army Corps Schiffe zu sehen – zumeist Leichte Kreuzer der Scout-Klasse.

Außerdem flackerten die Lichterscheinungen der Wurmloch-Porta immer wieder auf. Ein pulsierendes Flimmern, das mal stärker und mal schwächer wurde.

Die LEVIATHAN verließ als Flaggschiff des nach Trans-Alpha entsandten Verbandes nicht den zentralen Bereich des Brückenkopfs und hielt sich stets in einem Abstand von nicht mehr als 500.000 Kilometer von der Wurmloch-Porta auf. Das war schon deswegen von zentraler strategischer Bedeutung, weil bei einem Angriff auf das Alpha-Picus-System die LEVIATHAN unter Umständen sofort in den Alpha-Sektor zurückkehren musste. Die Etnord waren zurückgeschlagen worden – aber nicht besiegt. Im ehemaligen Gebiet der Fulirr gab es große Flottenverbände und durch die Übernahme der technisch sehr hoch stehenden Raumwerften auf den Planeten des zerschlagenen Nalhsara stand ihnen langfristig gesehen die Möglichkeit zur Verfügung, die erlittenen Verluste mehr als auszugleichen.

»Lieutenant Taranos«, wandte sich Sunfrost an den Ruderoffizier der STERNENKRIEGER II.

»Ja, Ma'am?«

»Nehmen Sie Fahrt auf und programmieren Sie einen Kurs ins Ambrais-System.«

»Aye, Captain.«

»Nach dem Eintritt in den Sandström-Raum möchte ich alle Offiziere im Konferenzraum sehen.«

Sunfrost setzte sich auf den Platz der Kommandantin.

Ein leichtes Vibrieren ging durch die STERNENKRIEGER.

Lieutenant John Taranos nahm ein paar Schaltungen an seiner Konsole vor.

»Ich schalte das Mesonentriebwerk auf maximale Beschleunigung«, kündigte er an. »Unsere gegenwärtige Geschwindigkeit beträgt 0,00023 LG.«

»Die Sensoren zeigen keinerlei auffällige Werte«, sagte Lieutenant Wiley Riggs, der Ortungsoffizier.

Drei Stunden würde die STERNENKRIEGER in etwa brauchen, um die zum Eintritt in den Sandström-Raum nötige Geschwindigkeit von 0,4 LG zu erreichen.

»Wir empfangen eine Transmission vom Leichten Kreuzer NEPTUN«, meldete Lieutenant Susan Jamalkerim, die Kommunikationsoffizierin der STERNENKRIEGER. »Es handelt sich um eine Nachricht, die im Konferenzmodus verschickt wird. Danach gibt es derzeit entsprechend der Daten der Sandström-Sonden keine Etnord-Schiffe, die sich gegenwärtig im Anflug auf den Brückenkopf befinden.«

»Umso besser«, murmelte Rena.

»Soll ich die Nachricht auf den Hauptschirm abbilden?«, fragte Jamalkerim.

Sunfrost schüttelte den Kopf. »Nein danke. Ich möchte sie mir auf dem Display meiner Konsole ansehen«, widersprach Sunfrost.

Die NEPTUN unter Commander Wong befand sich derzeit zusammen mit der ALEXANDER unter Commander Singh in einer vorgeschobenen Position, ein halbes Lichtjahr außerhalb des Brückenkopfs.

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Ambrais VII

James Levoiseur quälte sich in seinem schweren Kampfanzug durch den engen Gang. Es ging steil bergauf. Das Antigrav-Pak auf seinem Rücken nützte ihm angesichts der Enge wenig, wohl aber die Servoverstärkung in Arme und Beinen. Das Gauss-Gewehr hatte er sich über den Rücken geschnallt. Rechts trug er einen Nadler am Gürtel und links den seit einiger Zeit bei den Marines obligatorisch gewordenen Thermostrahler. Auf allen vieren kroch er den Gang entlang.

Über sein Helmdisplay konnte er die Ortungsanzeige verfolgen. DiStefano befand sich zur gleichen Zeit in einem anderen, fast einen Kilometer entfernten Gang, der ebenfalls auf verzweigten Wegen an die Oberfläche führte. Der Kontakt über Helmfunk wurde verschlüsselt geführt und auf das Notwendigste beschränkt.

Levoiseur ortete die Signaturen einiger mobiler und lediglich eine schwache elektromagnetische Emission abgebender Geräte.

Drohnen, erkannte der Marine.

Nachdem die Nosronen es längst nahezu perfekt verstanden, den Gasangriffen der Etnord Paroli zu bieten, indem sie U-förmige Gänge gruben, in denen das verwendete Kohlenmonoxid auf Grund seines spezifischen Gewichts hängen blieb, man andererseits aber die ständigen Attacken der maulwurfsartigen Wesen nicht dauernd hinnehmen konnte, ohne eine fortwährende Gefährdung der Energieversorgung zu akzeptieren, hatten sich die Invasoren etwas Neues überlegen müssen.

Levoiseurs Ortungsgerät filterte aus den Signaturen eine Emission heraus, die den auf der Erde handelsüblichen Antigravaggregaten sehr ähnlich war.

Wahrscheinlich schwebten die Drohnen auf Antigravkissen in die Tiefe und waren mit einem Suchprogramm ausgestattet, das auf die Biofunktionen der Nosronen ausgerichtet war.

Levoiseur sendete die Ortungsdaten in einem Spezialcode an DiStefano.

»Bei mir tut sich noch nichts«, meldete dieser über Helmfunk und sandte seine Ortungsdaten postwendend zurück. Sie bestanden vor allem aus der Aufzeichnung der seismischen Erschütterungen, die durch eine Reihe von Explosionen verursacht wurden.

Explosionen, die auch Levoiseur von seinem Standort aus noch anmessen konnte und deren Zentrum jene Felsformation war, in deren Schutz während der letzten STERNENKRIEGER-Mission auf Ambrais VII das Beiboot mit der Bodencrew gelandet war.

Levoiseur hielt inne. Der Gang verzweigte sich und wurde von nun an wieder breiter.

Vielleicht war das Stück, das der Marineinfanterist zuvor passiert hatte, von den Grabkräften der Nosronen während der Flucht vorangetriebene worden und daher entsprechend kümmerlich ausgefallen.

An der Verzweigung hielt Levoiseur inne.

Sein Ortungsgerät zeigte an, dass der Feind aus beiden Richtungen kam.

Wenn er die Drohnen an einem weiteren Vordringen in die Tiefe hindern wollte, musste er es zweifellos an diesem Ort tun.

Die effektivste Waffe war dabei in diesem Fall der Thermostrahler. Dessen Reichweite war allerdings sehr begrenzt und so musste Levoiseur warten, bis die Drohnen näher herangekommen waren.

In der schematischen Positionsübersicht, die sein Helmdisplay ihm einblendete, war das Vorrücken der kleinen, höchsten zwanzig Zentimeter großen Kampfmaschinen gut zu erkennen. Levoiseur schaltete den Thermostrahler auf höchste Intensität. Er wartete, bis die erste Drohne aus der linken Verzweigung hervorkam. Sie kam gar nicht erst dazu, mit den integrierten Lasern das Feuer zu eröffnen. Der Thermostrahl erfasste sie. In seinem schweren, raumtauglichen Panzeranzug spürte Levoiseur weder etwas von der Hitze, noch von den giftigen Dämpfen, die beim Einschmelzen des Metallplastiks entstanden. Der Hitzestrahl fraß sich durch den Gang und verwandelte ihn in eine Gluthölle. Das Gestein an den Wänden schmolz dabei auf. Auf eine Länge von hundert Metern verwandelten sich die Drohnen in Knollen aus eingeschmolzenem Metall.

Für Minuten war dieser Gang jetzt für jeden Menschen, Nosronen oder Etnord unpassierbar. Tropfen glühenden Gesteins fielen zischend von der Decke und zerplatzten auf dem Boden, wo sie umgehend erkalteten.

Aus dem rechten Gang zuckten jetzt mehrere Energieblitze.

Einer zischte dicht an Levoiseur vorbei, der zweite erfasste ihn voll. Aber für eine gewisse Zeit konnte der Anzug auch Energieschüssen standhalten, wie man aus den kriegerischen Begegnungen mit den Tanjaj-Elitetruppen der vogelartigen Qriid wusste.

Levoiseur schoss mit dem Thermostrahler zurück.

Ein Feuerhauch fegte durch den Gang und versengte ihn auf einer Entfernung von fünfzig Meter vollends. Alles, was sich in diesem Abschnitt befand, wurde mindestens für ein paar Sekunden völlig eingeschmolzen oder sofort verdampft. Die jenseits der 50-Meter-Marke liegenden Abschnitte waren nur dadurch weniger stark betroffen, dass der Gang dort einen scharfen Knick machte. Die Temperatur war aber auch in den nächsten hundert Metern noch so hoch, dass die meisten Lebensformen dort nicht existieren konnten und technische Systeme in der Regel versagten.

Die Ortungsanzeigen im Helmdisplay zeigte Levoiseur die Wirkung seiner Aktion.

»Angriff von mindestens vierzig Kampfdrohnen erfolgreich abgewehrt«, meldete er an DiStefano.

Die Etnord schienen erkannt zu haben, dass sie den Nosronen mit dem Einsatz von Kohlenmonoxid nicht mehr beikommen konnten. Jetzt hatten sie ihre Taktik umgestellt auf die Kampfdrohnen, aber dass ihnen irdische Marines begegneten, damit hatten sie nicht rechnen können.

»Bei mir ist es noch ruhig«, meldete DiStefano. »Ich verstehe das nicht. Der Gang ist inzwischen freigesprengt.«

»Vielleicht wollen sie, dass du an die Oberfläche kommst, Paolo – anstatt, dass sie dir ein paar High-Tech-Quälgeister in deine Höhle schicken.«

»Warum sollte ich ihnen den Gefallen nicht tun? Dass sich Space Army Corps-Soldaten auf Ambrais befinden, müsste ihnen nach dieser Aktion ohnehin klar sein. Warum ihnen nicht gleich ein bisschen Respekt beibringen?«

Ein einzelner Marine in einem Panzeranzug stellte eine nahezu perfekte Kampfmaschine dar, die erhebliche Zerstörungskraft besaß und regulären Militärverbänden um einen Faktor von mindestens hundert überlegen war.

Die Qriid, mit denen die Humanen Welten der Menschheit zweimal einen blutigen Krieg hatten ausfechten müssen, besaßen ähnlich gut ausgerüstete Verbände. Bei anderen Spezies, darunter die Etnord, war das zum Teil nicht genauer bekannt. Aber der Anzug stellte mit seiner Servoverstärkung und den zahlreichen anderen Finessen ein High-Tech-Produkt dar, das nicht so einfach zu kopieren war.

Für die Etnord schon gar nicht!

Denn vor acht Jahren, seit diese faustgroßen Parasiten nach und nach die menschlichen Siedler im Trans-Alpha-Gebiet befielen, ihre Bewusstseine töteten und ihre Körper als willenlose Wirte benutzten, hatte es weder im Taralon-System noch auf den anderen menschlichen Kolonien des Sektors auch nur einen einzigen dieser Anzüge gegeben, deren Patente der Far Galaxy Konzern hielt. Es war den Etnord also nicht möglich gewesen, diese Technologie einfach zu übenehmen.

Entsprechende Anzüge, der von ihnen besiegten sauroiden Fulirr waren nicht so effektiv und auch nicht einfach für den Gebrauch durch menschliche Körper zu modifizieren.

Levoiseur legte eine Sprengladung an den Knotenpunkt, an dem er die Angreifer abgewehrt hat, und zog sich zurück.

Wenig später war die Erschütterung durch die Explosion spürbar. Die Stollendecke stürzte auf eine Länge von mehr als zwanzig Metern ein.

Weder Drohnen, noch Giftgas konnten sich diesen Weg in nächster Zeit bahnen.

Aber etwas anders beunruhigte Levoiseur.

Sein Ortungsgerät zeigte einen Hohlraum an, der langsam aber stetig wuchs.

Nosronische Grabkräfte, war dem Marineinfanteristen sofort klar. Da die von den Nosronen bevorzugten Luntenschlosswaffen keinerlei elektromagnetische Signaturen emittierten, war man bei der Ortung auf die viel schwächeren Biozeichen angewiesen, deren Identifizierung längst nicht so eindeutig war.

Levoiseur überprüfte verschiedene Parameter. Aber der einzig logische Schluss, der aus diesen Daten zu ziehen war, lag auf der Hand.

Es handelt sich um Nosronen, die von Etnord besessen sind, erkannte der Marine. Anders war die Anwesenheit von Nosronen an dieser Position nicht zu erklären. Sie konnten nur mit den Kampfgleitern herantransportiert und abgesetzt worden sein. Levoiseur gab DiStefano eine kurze Meldung darüber.

Von ihm kam jedoch nur ein kurzes Bestätigungssignal.

Offenbar wollte DiStefano im Moment jeden längeren Funkkontakt vermeiden, um nicht zu früh auf sich aufmerksam zu machen.

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DiStefano hatte eine knapp fünfzig Meter unterhalb der planetaren Oberfläche gelegene Höhle erreicht, von der sternförmig zahlreiche Gänge ausgingen.

Aus einem der Gänge drangen jetzt Drohnen hervor. Sie maßen gut dreißig Zentimeter in der Länge und glichen Kegeln, aus deren Kreisfläche die Mündung einer Strahlwaffe herausragte. Besonders wendig waren diese Drohnen nicht, was dafür sprach, dass man sie speziell für den Einsatz gegen die Nosronen konzipiert hatte. Offenbar ging man davon aus, dass die maulwurfsartigen Eingeborenen von Ambrais mit ihren Luntenschlossgewehren ohnehin keine Chance hatten, die harten Metallplastikumhüllungen der Geräte zu durchdringen.

Für DiStefanos Thermostrahler war das jedoch kein Problem.

Mit breiter Streustrahlung setzte er gleich ein halbes Dutzend Drohnen außer Gefecht. Ihre Antigravaggregate versagten, bei den meisten auch noch die Hauptsysteme, und sie fielen zu Boden. Manche feuerten dabei mit ihren Lasern wahllos um sich und erinnerten DiStefano dabei an rote Wunderkerzen.

Die wenigen Treffer, die der Marine abbekam, sorgten nur für ein paar Rußflecken an seinem Anzug. Erst bei Dauerfeuer oder bei Treffern an empfindlicheren, schlechter gepanzerten Stellen wie den Gelenken konnten sie ihm gefährlich werden.

Besonders hoch war das Energielevel der in die Drohnen integrierten Waffen ohnehin nicht. Sie reichten aus, um ungeschützte Nosronen zu töten. Mehr nicht.

Innerhalb von Augenblicken lagen Dutzende von Drohnen kampfunfähig auf dem Boden.

Dann verebbte der Zustrom der elektronischen Killer erst einmal.

DiStefano ging auf Nummer sicher, schaltete den Thermostrahler auf konzentriertes Hitzefeuer um und zerschmolz damit der Reihe nach die Drohnen.

Anschließend nahm er das Gauss-Gewehr und feuerte damit in den Gang, aus dem die Drohnen gekommen waren. Wie Wuchtgeschosse schlugen sie bei der nächsten Biegung in das Erdreich ein. Der Gang stürzte in sich zusammen. Mit zwei weiteren Gängen tat DiStefano dasselbe. Dabei hatte er die Geschwindigkeit der Gauss-Projektile auf eine niedrige Stufe eingestellt, sonst hätten sich diese einfach tief ins Erdreich gebohrt.

DiStefano blickte auf sein Ortungsgerät. Die nosronischen Grabkräfte, auf die Levoiseur ihn aufmerksam gemacht hatte, bewegten sich mit dem von ihnen in das Erdreich hineingegrabenen Gang auf direktem Weg zu der Höhle, in der sich DiStefano zurzeit befand.

DiStefano überlegte kurz.

Dann schaltete er das Gauss-Gewehr auf einen höheren Energielevel und gab Dauerfeuer.

Die Projektile frästen sich durch das Erdreich und zerrissen die sich dahinter befindlichen Etnord in Nosronengestalt.

Außerdem entstand durch die Reibung extreme Hitze, als die Geschosse ihre kinetische Energie freigaben. Die gewaltige Sprengkraft sorgte dafür, dass von dem Gang, den die Etnord-Nosronen gegraben hatten, nichts blieb. Die Erschütterung konnte man an der Oberfläche deutlich spüren.

»Ich hoffe, du warst für diesen Rums verantwortlich – und nicht der Gegner«, meldete sich Levoiseur über Helmfunk.

»Was dachtest du denn? Hier ist alles klar. Ich gehe jetzt an die Oberfläche.«

»Ist das nicht ein bisschen riskant?«

»Wenn ich Angst vor dem Risiko hätte, dann hätte ich mich nicht zu den Marines gemeldet, sondern wäre Nachtwächter auf dem Gleiterparkplatz eines Seniorenheims geworden!«

»Wir haben es in den vergangenen Wochen geschafft, uns aus den Kämpfen herauszuhalten. Jetzt wissen sie, dass da jemand ist, der mit modernen Waffen kämpft.«

»Das war nicht zu vermeiden, James! Aber jetzt sollten wir auch keine halben Sachen machen. Wenn wir uns jetzt zurückziehen, haben wir für ein paar Stunden vielleicht Ruhe, aber dann geht das Theater von vorne los.«

»Das ist natürlich ein Argument!«

»Wir sind weit von den Stammhöhlen im Norden entfernt, James! Die werden uns jagen wie die Hasen. Und nachdem sie erkannt haben, wie groß der Schaden ist, den die Nosronen anzurichten vermögen, müssen wir damit rechnen, dass die Etnord all ihre Ressourcen dafür einsetzen werden! Also sorgen wir dafür, dass sie uns erstmal eine Weile in Ruhe lassen. In ein paar Tagen wird uns die STERNENKRIEGER ohnehin abholen.«

»Wenn alles planmäßig verläuft«, schränkte Levoiseur ein.

»Ich brauche Unterstützung, wenn ich an die Oberfläche gehe.«

»Mein Ortungsgerät programmiert gerade einen Weg durch das Nosronen-Labyrinth, auf dem ich an die Oberfläche gelangen kann.«

Levoiseur schickte die Daten an DiStefano. Dieser ließ sich ebenfalls den für ihn günstigsten Weg vom Ortungsgerät anzeigen und sandte diese Daten zurück, sodass beide Marines wussten, welchen Weg der jeweils andere nehmen würde.

»Verlieren wir besser keine Zeit«, sagte DiStefano.

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DiStefano hinterließ in der Höhle einen Sprengsatz, der sich per Fernzündung aktivieren ließ. Wenn die Etnord es schafften, an ihm vorbeizukommen, musste er notfalls auch sich selbst den Rückweg abschneiden.

In diesem Fall blieb ihm dann nur die Möglichkeit, über einen anderen Einstieg wieder in das unterirdische Labyrinth der Nosronen zurückkehren. Im Laufe der Zeit hatten die Kampfpriester unter Ka-Akon dieses Labyrinth auch in unmittelbarer Umgebung der wenigen Siedlungen auf Ambrais VII erheblich ausgeweitet. Nur so war es ihnen gelungen, zeitweise die komplette Energieversorgung des Planeten lahmzulegen. Einer der Siedler, die nach dem Rückzug des Space Army Corps aus Trans-Alpha im Jahr 2241 auf Ambrais VII zurückgeblieben und später von der STERNENKRIEGER evakuiert worden waren, hatte sich jahrelang vergeblich bemüht, den Nosronen die notwendigen Kenntnisse zu vermitteln. Als Ingenieur, der die planetare Energieversorgung einst mit aufgebaut hatte, waren ihm natürlich auch die zentralen Punkte bewusst gewesen.

Inzwischen waren die nosronischen Kampfpriester in der Lage, mit diesem Wissen etwas anzufangen. Die Pläne zu weiteren Anschläge auf die von den Etnord übernommenen Energieversorgungssysteme waren bereits von langer Hand vorbereitet worden, auch wenn der greise Ka-Akon nun nicht mehr in der Lage sein würde, diese Pläne selbst in die Tat umzusetzen.

Paolo DiStefano hatte während der Zeit, die er unter primitivsten Bedingungen unter den Nosronen gelebt hatte, höchsten Respekt vor diesen Wesen bekommen, die sich nicht nur an ihre Umgebung, sondern auch an ihren Feind hervorragend angepasst hatten. Die Etnord hatten den Fehler gemacht, sie zu unterschätzen. Doch damit war es nun wohl vorbei.

DiStefano arbeitete sich weiter vor. Der Gang, durch den er sich quälen musste, war sehr niedrig und führte durch steinigen Untergrund. Die Grabkräfte, die ihn zum Klang ihrer schrillen Arbeitsgesänge errichtet hatten, hatten ihn wohl deswegen weniger großzügig angelegt, um Kraft zu sparen. Denn ihre Zahl war hier, im besetzten Gebiet, natürlich begrenzt und der steinige, sehr harte Boden forderte seinen Tribut.

Die Messungen des Ortungsgerätes ergaben allerdings, dass die meisten Verzweigungen, die tatsächlich an die Oberfläche führten, auch für einen Menschen im schweren Kampfanzug der Marines keineswegs zu eng waren. Es gab allerdings hin und wieder Stollen, die in kleinen kugelförmigen Höhlen endeten. Hier waren Vorräte gelagert.

DiStefano erreichte schließlich die Oberfläche.

Er wusste, dass er sich nicht in unmittelbarer Sichtweite der Etnord-Truppen befand. Die Kampfgleiter der Etnord waren hinter einer dreihundert Meter entfernten Hügelkette gelandet.

In geduckter Haltung lief DiStefano über den trockenen, teilweise felsigen Boden. Die Funktionen seines Anzugs hatte er dabei auf ein Minimum reduziert, um der feindlichen Ortung nicht aufzufallen. Selbst den Energiestatus seiner Waffen hatte er so weit wie möglich heruntergeregelt.

Die Kraftverstärkung des Anzugs glich jetzt sogar das Gewicht noch nicht einmal vollständig aus. Da Paolo DiStefano hervorragend trainiert war, bedeutete das für den Marine jedoch kein Problem. Zumindest dann nicht, wenn es sich nicht um eine Dauerbelastung handelte.

DiStefanos Ortung meldete zwei weitere Kampfgleiter, die aus Richtung Süden nahten. Er ging in einer Mulde in Deckung und legte sich auf den Boden, als auf einem der Hügelkämme drei Etnord-Menschen erschienen. Sie trugen leichte Kampfanzüge und Projektilwaffen. Über das in seinen Helm integrierte Sichtgerät zoomte er sie heran. Am Körperbau war erkennbar, dass es sich um zwei Männer und eine Frau handelte. Einer nahm kurz den Schutzhelm ab, sodass der vollkommen haarlose Kopf sichtbar wurde – bei Menschen die übliche Nebenwirkung eines Etnordbefalls. Einer der Männer hatte den Verschluss seines Kampfanzugs ein Stück geöffnet.

Eine der hervortretenden Ganglien, über die der faustgroße, unterhalb des Brustbeins in den Oberkörper implantierte Parasit seinen Wirtskörper steuerte, wurde sichtbar.

Die Frau bediente einen Scanner und tastete damit ein Gebiet im Südwesten offenbar systematisch ab. Weder DiStefanos noch Levoiseurs Position lag gegenwärtig im Erfassungsbereich des Gerätes. DiStefano vermutete, dass die Etnord nach Ausgängen des nosronischen Gängesystems suchten, um sie entweder zu verschließen oder mit aggressiven Drohnen und Giftgas zu füllen.

Offenbar wurden sie fündig.

DiStefano fing einen unverschlüsselten Funkspruch auf, in dem einer der Kampfgleiter angewiesen wurde, einen der Stolleneingänge zu verschließen.

Zwei Gleiter tauchten jetzt am Horizont auf.

Eine der Maschinen änderte den Kurs, flog im Tiefflug über den Hügel hinweg, auf dem die drei Etnord-Menschen standen und blieb dann in der Luft stehen. Dort gab es einen Stolleneingang, wie DiStefano wusste. Ein dreißig Zentimeter dicker Schlauch wurde ausgefahren, um ein schnell härtendes silikonartiges Material einzufüllen. Die Standard-Methode der Etnord, um die Gänge zu verschließen.

Unterdessen gesellte sich eine beinahe humanoide Gestalt zu den drei Etnord-Menschen. Die Gestalt besaß drei Arme – zwei links und einen rechts, wobei der rechte Arm dafür deutlich kräftiger war. Das Wesen trug keine Kleidung. Die Außenhaut bestand aus einem Material, das aus der Ferne an einen Panzer aus kleinen Hornplatten erinnerte. Der Dreiarmige trug einen Waffengürtel.

Als DiStefano erkannte, dass sich die drei unterhielten, schaltete er das Richtmikrofon seines Helms ein.

Die Etnord übernahmen die Kommunikationsformen ihrer Wirte. Da ihnen selbst die Organe fehlten, um Sprache, Gesten oder irgendwelche anderen Formen der Verständigung zu entwickeln, waren sie darauf auch angewiesen.

»Diese Maulwürfe haben Hilfe«, äußerte sich die Frau. »Anders ist es nicht erklärlich, dass sie es geschafft haben, die komplette Energieversorgung des Planeten auszuschalten.«

»Die Humanen Welten könnten ihre Elitesoldaten auf dem Planeten abgesetzt haben«, stimmte einer der Männer zu.

»Warum Ambrais VII ihnen so wichtig ist, dürfte auch auf der Hand liegen.«

»So?«

»Sie streben doch schon lange nach der Antimaterie-Technik. Angesichts ihrer hoffnungslosen Schwäche könnten die Reste des Nalhsara der Fulirr dazu bereit sein, ihnen diese Technik jetzt zu überlassen. Vielleicht haben sie das auch schon getan.«

Der Dreiarmige stieß eine Folge sehr tiefer, grollender Laute aus. Ein Translator – die taralonische Weiterentwicklung eines irdischen Fabrikats – übersetzte diese Geräusche in menschliches Solar.

»Ich halte das für eine Überinterpretation, Stowon!«

Der größere der beiden Männer verschränkte die Arme vor der Brust. »Die neue Ordnung des Herrn erfordert die Ausrottung der Nosronen.«

»Geben Sie mir den Befehl, Militäradministrator Stowon, und meine Einheit von Pshagir-Kriegern wird das Problem aus der Welt schaffen.«

»Das hoffe ich«, erwiderte Stowon.

DiStefano hatte von den Pshagir gehört. Die Menschheit hatte vor einigen Jahren vorübergehend Kontakt zu ihnen gehabt.

Allgemein bekannt war, dass sie extreme Umweltbedingungen aushalten konnten. Gerüchte besagten, dass sie notfalls sogar in der Lage waren, ähnlich den Ontiden, im freien Raum zu überleben. Woher sie wirklich stammten, war unbekannt. Aber zweifellos konnten sie aufgrund ihrer physiologischen Eigenschaften für die Etnord ideale Elitesoldaten abgeben.

Im Brustbereich des Dreiarmigen war bei maximalem Zoom für DiStefano eine Narbe erkennbar. Dort musste das Implantat des Etnord-Parasiten eingepflanzt worden sein. Die Ganglien, mit denen dieser seinen Wirt beherrschte, verliefen zum Großteil äußerlich sichtbar am Körper des etwa zwei Meter fünfzig großen Wesens.

Der zweite Gleiter zog jetzt im Tiefflug einen Kreis über DiStefanos gegenwärtige Position.

Der Marine wollte nicht abwarten, bis er auf dem Infrarotscanner des Gleiters zu sehen war und ins Visier der Geschütze geriet. Er feuerte das Gauss-Gewehr ab. Das Projektil schlug in den Gleiter ein und trat auf der anderen Seite wieder aus. Eine Explosion ließ den vorderen Teil des Gefährts sofort auseinanderplatzen. Das Antigravaggregat im hinteren Teil funktionierte noch ein paar Augenblicke, sodass der Gleiter jetzt eine trudelnde, chaotische Flugbahn bekam.

Eine zweite Explosion riss auch den Heckbereich auseinander.

Glühende Trümmerteile regneten zu Boden.

DiStefano bekam auch etwas ab, aber der schwere Kampfanzug sorgte dafür, dass er keinerlei Verletzungen davontrug.

Die drei Etnord-Menschen brachten sich in Sicherheit und verschwanden hinter der Hügelkuppe. Nur der ebenfalls von einem Etnord besessene Pshagir blieb.

Der zweite Kampfgleiter näherte sich unterdessen und eröffnete sofort das Feuer.

Aus mehreren Geschützen wurde gleichzeitig geschossen.

Der Torso des Anzugs war bereits rußgeschwärzt. Mit Hilfe der Kraftverstärkung und des Antigravaggregats machte DiStefano einen Satz von fünf Metern und brachte sich damit zunächst aus der Schusslinie.

Die Punkte, an denen er verwundbar war, waren in erster Linie das Ortungsgerät und das Antigravaggregat. Wenn sie zerstört waren, sanken seine Chancen, diesen Kampf lebend zu überstehen, erheblich. Ohne das aufgeschnallte Antigrav-Pak wäre er nicht schnell genug gewesen, um dem breit gestreuten Dauerfeuer des Gleiters zu entkommen und Schäden am Anzug zu vermeiden.

DiStefano landete auf dem Boden und schloss gleich einen weiteren Satz an. Er wirkte dabei fast wie ein Mensch, der auf dem Mond oder dem Mars plötzlich einer viel geringeren Schwerkraft ausgesetzt war.

Strahlenblitze zischten dicht an ihm vorbei. Als er zum zweiten Mal landete, warf er sich zu Boden, rollte um die eigene Achse und riss die Mündung des Gauss-Gewehrs in Richtung des Gleiters. Er schaltete auf Dauerfeuer.

Die Projektile durchlöcherten die Panzerung des Kampfgleiters an mindestens einem Dutzend Stellen. Er explodierte und glühende Trümmerteile regneten in einem Umkreis von fünfhundert Metern nieder.

Eines davon traf DiStefano und riss ihn erneut zu Boden, nachdem er gerade aufgesprungen war. Mit dem servoverstärkten Arm schleuderte er die rot glühende Metallplatte von sich. Zischend landete sie im trockenen Sand.

DiStefano wollte erneut aufspringen, aber der Etnord-Pshagir nahm ihn jetzt unter Feuer. Laserschüsse zischten dicht über DiStefano hinweg. Der Marine blieb in Deckung und feuerte auf seinen Gegner. Zwei Treffer bekam dieser in den Oberkörper.

Die Wucht der Geschosse warf ihn dreißig Meter nach hinten und zu Boden. Ein paar der hornartigen Stücke, aus denen seine Körperoberfläche bestand, platzten dabei weg, aber das Material, das darunter zum Vorschein kam, unterschied sich nicht von der oberen Schicht. Der Etnord-Pshagir rappelte sich wieder auf und stürmte auf den Marine zu.

DiStefano wurde von einem Strahlentreffer erfasst.

Glücklicherweise war es Breitbandfeuer, das weniger intensiv war. Aber das Übertragungsmodul des Helmfunks bekam etwas ab. Eine Fehlfunktion wurde im Helmdisplay angezeigt.

Er war jetzt von Levoiseur und den anderen abgeschnitten.

Der Pshagir versuchte es jetzt mit konzentrierten Schüssen.

Einer ging daneben, der andere traf DiStefano am Schultergelenk. Die flexible Membran, die die Panzerteile des Anzugs miteinander verband, schmorte durch. Der Anzug hatte jetzt ein Loch und war nicht mehr raumtauglich, doch der Marine war noch einmal davon gekommen.

Nur wie lange noch. Auch um die Panzerung stand es nicht gut. Das Display meldete extreme Materialermüdung durch die Strahlentreffer. Die Vitalfunktionen des Anzugs seien in Gefahr. Es wird empfohlen, den Anzug nicht mehr einer gleichartigen Emission auszusetzen, bis eine Erholung des Materials stattgefunden hat, lautete der Ratschlag des internen Rechners.

»Leider ist das im Moment nicht möglich«, sagte DiStefano laut – in dem Bewusstsein, dass ihn ohnehin niemand mehr hören konnte.

Er gab noch eine Sequenz von dreißig Projektilen in Richtung seines Gegners ab und rollte sich dann in eine Mulde.

Was mit dem Pshagir geschah, konnte DiStefano nicht sehen.

Aber sein Ortungssystem zeigte ihm eine abrupte Positionsveränderung an, was nur bedeutete konnte, dass es einige Treffer gegeben hatte, die den Pshagir etwa hundert Meter weit zurück gegen einen Felsen geschleudert hatten. Da er sich gleich wieder bewegte, hatte er das offenbar relativ unbeschadet überlebt. DiStefano hätte nicht gedacht, jemals einem lebenden Wesen zu begegnen, dass einen Volltreffer eines Gaussgewehrs ohne künstliche Panzerung überstehen konnte.

Breitbandstrahlenfeuer brandete über Paolo DiStefano hinweg.

Aber ein paar Augenblicke hatte er jetzt Ruhe.

Er ließ sich vom internen Rechner anzeigen, wie viele Treffer von mittlerer Intensität sein Anzug im gegenwärtigen Zustand noch verkraftete.

Vier bis fünf, lautete die Prognose des Systems.

Mit dem Gauss-Gewehr hatte DiStefano keine Chance, den Gegner auszuschalten. Zumindest nicht schnell. Der Nadler war dann wohl noch weniger Erfolg versprechend, es sei denn, man traf die Augen, die vermutlich empfindlicher waren.

Ich muss so nahe an ihn herankommen, dass ich ihn mit dem Thermostrahler versengen kann!

Hundert Meter betrug die Reichweite des Thermostrahlers.

Aber bei der extremen Widerstandskraft des Gegners musste man ihn wahrscheinlich aus nächster Nähe treffen, um eine Wirkung zu erzielen.

DiStefano setzte alles auf eine Karte. Es blieb ihm keiner andere Wahl als der Frontalangriff.

Er aktivierte das Antigravaggregat und vollführte einen Sprung. Mit den servoverstärkten Armen und Beinen stieß er sich dabei Boden ab.

Den Pshagir hatte er dabei über sein Ortungssystem genau im Visier.

Die dreiarmige Kampfmaschine nahm ihn sofort unter Feuer.

Laserstrahlen erfassten DiStefano. Zwei Treffer erwischten ihn, während der Marine durch die Luft wirbelte.

Er landete punktgenau zehn Meter vor seinem Gegner.

Ein dumpfer, rollender Laut drang aus dessen Kehle. Er richtete seine Strahlenwaffe auf DiStefano und schoss. Der Strahl erfasste DiStefano. Dieser warf sich zur Seite, um ein Durchschmoren des Halsgelenks zu vermeiden.

Dann riss DiStefano die Mündung des Thermostrahlers empor und im nächsten Augenblick umflorte den Dreiarmigen die flammenartige Lichterscheinung des Hitzestrahls. DiStefano hatte die Waffe auf höchste Intensität geschaltet und hielt den Abzug durchgedrückt.

Der Pshagir wankte. Sein Strahler schmolz und wurde zu einem glühenden Tropfen Metallplastik. Sein Waffengurt wurde für Sekunden zu einem Feuerkranz, bevor er ebenso zu Asche zerbröselte wie der Translator. Der Pshagir brüllte wütend.

Aber abgesehen davon, dass seine Ausrüstung zerstört war, stand er völlig unbeschadet da. Die extremen Temperaturen des Thermofeuers hatten ihm nicht das Geringste anhaben können.

Das Wesen kam auf DiStefano zu.

Die vierfingrige, prankenartige Hand am Ende des sehr kräftigen linken Arms war zu einer Faust geballt.

DiStefano griff nach dem Nadler, zielte auf die Augen.

Aber die Nadlerprojektile fetzten nur winzige Bruchstücke aus der sich rasch regenerierenden Außenhaut des Pshagir heraus. Dabei war der Nadler sogar noch etwas erfolgreicher als das Gauss-Gewehr, weil die Energie der Gauss-Projektile durch die Oberflächenstruktur der natürlichen Pshagir-Panzerung besser verteilt wurde. Der Effekt glich der Wirkung kugelsicheren Westen. Die Aufprallenergie der Geschosse sorgte in erster Linie dafür, dass der Gegner zu Boden geschleudert wurde, konnte aber nicht durchdringen. Der feine Partikelstrahl des Nadlers war hier erfolgreicher. Er kratzte beständig feine Stücke aus der Panzeroberfläche des Pshagir heraus.

Aber DiStefano war sofort klar, dass er auf diese Weise nur bei sehr langem Dauerbeschuss eine Chance hatte, den implantierten Etnord zu treffen.

Vor die Augen des Pshagir hatte sich innerhalb von Sekundenbruchteilen eine durchsichtige, aber ultraharte Membran gelegt. Die Nadlerpartikel prallten ab.

Brüllend stürmte der Pshagir auf DiStefano zu.

Mit dem Gauss-Gewehr hätte er ihn auf Distanz bringen können. Aber DiStefano entschied sich dagegen. Er wollte die Entscheidung. Im nächsten Moment war es auch schon zu spät, sich anders zu entscheiden. Der Pshagir stürzte sich auf ihn.

DiStefano legte alle Kraft in einen einzigen platzierten Schlag seines servoverstärkten rechten Arms. Die Dosierung der Kräfte war eines der schwierigsten Kapitel in der Marines-Ausbildung. Durch Druckpunkte wurde der Anzug bedient und nach einem sehr intensiven Training schließlich so etwas wie die zweite Haut des Marine. Jemand, der diese Ausbildung nicht durchlaufen hatte, gefährdete sich eher selbst, als dass ihn der Anzug im Kampf wirklich hätte schützen können.

DiStefano wich der Wucht des auf den Helm gezielten Hammerschlags aus, den der Pshagir gegen ihn führte. Ein Schlag, der vielleicht nicht ausgereicht hätte, um DiStefano gleich zu töten, dessen Erschütterung aber sehr wohl die Steuerfunktionen des Anzugrechners beschädigen und den Marine damit zu einem hilflosen Gefangenen seiner Ausrüstung hätte machen können.

Ihn danach zu töten, wäre ein Leichtes gewesen.

Aber DiStefano ließ es nicht so weit kommen. Die Hammerfaust des Pshagir verfehlte ihn, während sich der Abwehrschlag des Marine auf die Brustregion des Gegners konzentrierte. Dort befand sich der Etnord – ein Wesen, das erheblich empfindlicher war, als das wahrscheinlich gut gepanzerte Gehirn des Pshagir.

Der Dreiarmige stand wie erstarrt da.

Ein Riss zog sich etwa dreißig Zentimeter lang durch die kleine Panzerplatte. Aber dieser Riss regenerierte sich erstaunlicherweise sofort wieder. DiStefano konnte dabei zusehen, wie er sich zu schließen begann. Nur Sekunden später war nichts mehr zu sehen.

Aber der Druck, der durch den Schlag auf das Etnord-Implantat übertragen worden war, überstieg offenbar die Widerstandskraft des Parasiten.

Der Pshagir stand unentschlossen da, schien nicht zu wissen, was er hier eigentlich tat.

DiStefano wollte auf Nummer sicher gehen. Schließlich wusste er ja nicht, wie stark der Parasit tatsächlich geschädigt war. Möglicherweise befand er sich nur in einem Zustand, der mit einem menschlichen Knockout verglichen werden konnte.

Anstatt eines weiteren Schlag, nahm er das Gauss-Gewehr, feuerte aus nächster Nähe auf die Implantatsnarbe. Der Pshagir wurde davongeschleudert und landete auf einem benachbarten Hügel.

Wenn tatsächlich mehr von diesen Brüdern auftauchen sollten, wird es verdammt schwer für uns, ging es DiStefano durch den Kopf.

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An der Konferenz nahmen alle Offiziere, die an Bord der STERNENKRIEGER II Dienst taten, teil. Einzige Ausnahme war Lieutenant Paul Mandagor, einer der Waffenoffiziere, die unter dem Kommando von Taktikoffizier Lieutenant Commander Robert Ukasi die zehn Gauss-Geschütze der STERNENKRIEGER kontrollierten.

Mandagor kommandierte in der Zwischenzeit die Brücke, die im Moment von einer Crew aus Fähnrichen besetzt wurde.

Angesichts der Tatsache, dass mehrere Tage mehr oder minder ereignisloser und durch Routine geprägter Sandström-Flug vor der STERNENKRIEGER-Crew lagen, war das durchaus vertretbar.

Ruderoffizier Taranos erläuterte ausführlich, welchen Austrittspunkt er mit der STERNENKRIEGER anvisieren wollte und auf welchem Kurs er sich anschließend Ambrais VII möglichst unauffällig zu nähern hoffte. »Wir werden im Schleichflug bleiben müssen. Da die Etnord sicherlich in den vergangenen Wochen genug damit zu tun hatten, die Energieversorgung von Ambrais City wiederherzustellen, glaube ich nicht, dass sie auch noch Ressourcen erübrigen konnten, um ihre Raumaufklärung in diesem abgelegenen System wesentlich zu verbessern.«

»Wir sollten aber damit rechnen, dass stärkere Raumverbände des Gegners im System operieren«, gab Ukasi zu bedenken.

»Das habe ich in meine Überlegung mit einbezogen«, erklärte Taranos. Er aktivierte einen Bildschirm in der Wand, auf dem eine quasi-dreidimensionale Darstellung des Ambrais-Systems erschien.

»Sie sehen hier den geplanten Kurs vom Austrittspunkt an bis nach Ambrais VII. Die Umlaufbahn touchieren wir in einem Tangentialkurs, schleusen eine Fähre aus dem Hangar, die möglichst unauffällig landet und Dr. Rollins und seine Gruppe wieder an Bord nimmt.«

»Mir fällt auf, dass Sie den Austrittspunkt sehr nahe am Zentralgestirn gewählt haben«, stellte Rena Sunfrost fest.

Taranos nickte. »Das ist richtig. Es dürfte ein bisschen heiß dort werden, aber dafür haben wir einen optimalen Ortungsschutz. Zumindest bis zur Umlaufbahn von Ambrais II werden unsere elektromagnetischen Emissionen so stark von den Emissionen der Sonne Ambrais überlagert, dass wir sogar Brems- oder Korrekturmanöver durchführen können, ohne dass man uns bemerkt.«

»Was sagen Sie dazu, Lieutenant Riggs?«, wandte sich Sunfrost an den Ortungsoffizier der STERNENKRIEGER II.

»Der Lieutenant hat seinen Plan mit mir abgestimmt, Ma'am. Er ist für unsere Tarnung optimal.«

»Das Hitzeproblem habe ich mit dem L.I. erörtert.«

Simon E. Erixon, der neben dem vogelartigen Qriid-Austauschoffizier Nirat-Son Platz genommen hatte, bestätigte dies. »Die Austrittsposition wurde so ausgewählt, dass unsere Panzerung sowohl der Hitze als auch der Strahlung standhält.«

Die Gesichtszüge des Genetic, dessen infrarotsichtige Facettenaugen seinem Äußeren etwas Nichtmenschliches gaben, waren schwer zu interpretieren, aber Rena glaubte, so etwas wie Skepsis bei ihm erkannt zu haben. »Das Problem ist der Mesonenantrieb.«

Die STERNENKRIEGER war bislang das einzige größere Schiff, das mit dieser neuartigen Technologie ausgerüstet ist, die wesentlich höhere Beschleunigungs- und Bremswerte erlaubte und ansonsten nur zur Standardausstattung der Jäger gehörte.«

»Inwiefern?«, hakte Sunfrost nach.

»Es ist noch nie mit einem Schiff, das im Unterlichtbereich mit Mesonenantrieb fliegt, in derartiger Sonnennähe operiert worden. Selbst mit den Jägern nicht!«

»Deren schwache Außenhülle würde das auch verbieten«, mischte sich Ukasi ein. »Innerhalb von Sekunden wäre der Pilot verdampft.«

»Korrekt.« Erixon nickte. »Aber das verhindert im Fall der STERNENKRIEGER die Panzerung. Außerdem können wir über Radiatoren die Hitze in Form von Infrarotstrahlung in den Raum ableiten. Das Problem ist das Magnetfeld der Sonne, das einen gewissen Einfluss auf den Mesonenantrieb ausüben könnte. Bei Schiffen mit herkömmlichem Ionenantrieb sind vorwiegend die Steuermodule betroffen. Da verfügen wir über Erfahrungswerte und wissen, dass das Risiko vertretbar ist, wenn man entsprechende Sicherheitsvorkehrungen trifft. Aber beim Mesonenantrieb wirkt das Magnetfeld direkt auf die Aggregate zur Erzeugung der Antriebsenergie. Ich habe allerdings eine Simulation durchgeführt, die das Risiko vertretbar erscheinen lässt.«

»Trotzdem scheinen Sie nicht ganz glücklich mit diesem Plan zu sein«, stellte Sunfrost fest.

»Ich würde gerne eine weitere, etwas größer angelegte Simulation durchführen, die mehr Parameter berücksichtigt, sodass wir zu einer zutreffenderen Beurteilung kommen könnten.«

»Bekommen Sie das rechtzeitig hin, bevor wir im Normalraum materialisieren?«

»Das schon.«

»Aber?«

»Lieutenant Taranos müsste einen Alternativplan erarbeiten, da wir sonst unter Umständen ziemlich dumm dastehen könnten.«

Und dazu hatte Lieutenant Taranos wohl keine Lust, erkannte Sunfrost sofort. Und ich hatte schon gedacht, Sie hätten durch Ihre umfangreichen Absprachen endlich das Maß an Verantwortung und Führungskraft unter Beweis gestellt, das ich schon seit längerem von Ihnen erwarte! Sunfrost atmete tief durch und wandte den Blick in Taranos' Richtung. Schade, Lieutenant. Laut sagte sie: »Erarbeiten Sie eine Alternative, Ruder!«

»Ja, Ma'am.«

»Ich bin überzeugt davon, dass Lieutenant Commander Van Doren Sie dabei gerne unterstützen wird, falls es irgendwelche Schwierigkeiten geben sollte.«

»Danke, aber das ist nicht nötig«, murmelte Taranos etwas pikiert.

Sie müssen noch eine Menge lernen, Ruder!

»Ich denke, wir haben so weit alles besprochen«, schloss Sunfrost die Sitzung. »Rühren und wegtreten.«

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9

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Ein halbes Lichtjahr vom Rand der Grenze des Brückenkopfes entfernt, flogen zwei Raumschiffe durch die ewige Nacht des interstellaren Raums.

Ihre Geschwindigkeit betrug kaum mehr als 0,001 LG.

Es handelte sich um die beiden Leichten Kreuzer NEPTUN und ALEXANDER, die an dieser Position einen vorgeschobenen Beobachtungsposten bezogen hatten.

Commander Raphael Wong, seines Zeichens Kommandant der NEPTUN, hatte dabei das Oberkommando über den Einsatz, da er ein paar Monate dienstälter als seine Kollegin Commander Singh, dem Captain der ALEXANDER.

»Commander, wir bekommen eine verschlüsselte Transmission von Admiral Nainovel«, meldete Lieutenant Pemmo Nebbson, der Kommunikationsoffizier der NEPTUN.

»Auf den Schirm damit!«, forderte Wong.

Auf dem Panoramaschirm auf der Brücke der NEPTUN verschwanden Sterne und Weltraum und machten Gesicht und Oberkörper des Admirals Platz.

Im oberen rechten Rand des Bildes blinkte eine Kennung auf, die deutlich machte, dass es sich um eine Konferenzschaltung handelte, die gleichzeitig auch von der ALEXANDER empfangen wurde.

Ein Bildfenster entstand.

»Hier Lieutenant Commander David Kronstein, Erster Offizier der ALEXANDER. Wir erwarten den Captain jeden Moment auf der Brücke, Sir!«

»Schon in Ordnung, Lieutenant Commander«, erwiderte Nainovel. »Die Angelegenheit, die wir zu besprechen haben, ist zwar dringend, aber eine Verzögerung von wenigen Augenblicken werden wir uns schon leisten können. Ich werde dann schon mal beginnen. Im Übrigen bin ich überzeugt davon, dass Sie in der Lage sind, Ihren Captain entsprechend zu informieren.«

»Ja, Sir«, bestätigte Kronstein nickend.

Nainovel machte eine kleine Pause und hob die Augenbrauen. »Das Oberkommando ist der Ansicht, dass wir wissen sollten, was sich zurzeit im Taralon-System abspielt. Seit der letzten Aufklärungsexpedition sind einige Wochen vergangen. Wir befürchten, dass sich auf Seiten der Etnord irgendetwas zusammenbraut. Sie bekommen also die Order, sich dem Taralon-System im Schleichflug zu nähern und bis auf Weiteres Positionen einzunehmen, die es Ihnen ermöglichen, ein möglichst umfassendes Bild der militärischen Aktivitäten zu gewinnen.«

»In Ordnung, Sir«, antwortete Commander Wong. »Ich nehme an, dass Funkstille gehalten werden muss.«

»Ja, es sei denn, es liegt einer Alpha-Priorität vor. Das gilt im Übrigen auch für uns.«

»Ich verstehe.«

»Ich wünsche Ihnen viel Glück bei Ihrer Mission. Weitergehende Instruktionen sind im Datenstrom dieser Nachricht enthalten. Nainovel, Ende.«

Das Bild des Admirals verschwand.

»Wenn Sie mich fragen, dann ist es derzeit ohnehin verdächtig ruhig bei den Etnord«, meldete sich Lieutenant Commander Brian Mayer zu Wort. »Es könnte sein, dass wir früher oder später unser blaues Wunder erleben und diese Parasiten mit einer neuen Wunderwaffe oder frischen Flottenverbänden vor der Tür stehen.«

»Das ist in der Tat nicht ausgeschlossen«, räumte Wong ein.

»Wir wissen doch nicht einmal ansatzweise, wie groß das Herrschaftsgebiet der Etnord hier in Trans-Alpha in Wirklichkeit ist«, fuhr Mayer fort. »Bislang halten wir unsere alte Taralon-Kolonie für das Zentrum ihres Reiches. Aber könnte es nicht auch sein, dass es sich nur um einen kleinen Außenposten handelt?«

»Wie auch immer, I.O. – vielleicht sind wir nach dieser Mission zumindest etwas schlauer«, sagte Wong. Er wandte sich an Lieutenant Pierre Templeton, seinen Rudergänger.

»Ruder, programmieren Sie einen entsprechenden Kurs und funken Sie die voraussichtliche Austrittsposition aus dem Sandström-Raum auch an die ALEXANDER.«

»Jawohl, Sir!«

»Schalten Sie auf maximale Beschleunigung, sodass wir in spätestens acht Stunden in den Zwischenraum eintreten können.«

»Jawohl.« «.

»I.O., Sie haben das Kommando. Ich werde mich in meinen Raum zurückziehen, um das Datenpaket des Oberkommandos zu studieren.«

»Ja, Sir!«, bestätigte Mayer.

Wong verließ die Brücke und verschwand in seinem Raum, der in den Leichten Kreuzern der Scout-Klasse immer auch als Konferenzraum herhalten musste.

Mayer wechselte von der Konsole des Ersten Offiziers zum Sessel des Captains und ließ sich darin nieder.

Der Boden vibrierte dabei leicht und ein dumpfer, brummender Laut zeigte an, dass die Aufwärmphase der Ionentriebwerke begonnen hatte.

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Ambrais VII

Levoiseur hatte nichts mehr von DiStefano gehört. Aber er wusste, wo er sich befand. Levoiseurs Ortungssystem konnte die Signatur seines Gauss-Gewehrs eindeutig bestimmen.

Wahrscheinlich ist der Helmfunk ausgefallen, überlegte er.

Das konnte im Gefecht schon mal geschehen. Insbesondere die Sende- und Empfangsteile am Helm waren recht empfindlich.

Levoiseur überblickte eine Senke, in der ein Dutzend Gleiter gelandet waren. Dazwischen standen Menschen und Angehöriger anderer Spezies herum. Vor allem Nosronen. Die Grabkolonnen wirkten sehr diszipliniert.

Nein, es sind weder Menschen, noch Nosronen, ging es Levoiseur durch den Kopf. Es sind Marionetten unter der Kontrolle der Etnord. Nichts weiter. Zu biologischen Robotern herabgewürdigte Wesen, deren Individualität längst zerstört ist!

Die Nosronen dachten darüber allerdings anders. Sie befreiten ihre Artgenossen, wann immer ihnen dies gelang, von den Parasiten und benutzen dazu das so genannte Seelenmoos, jene Pflanze, die die Neugier der irdischen Wissenschaftler erregt hatte. Die Befreiten blieben seelenlose Hüllen, deren Bewusstsein wie das von Bäumen war. Und doch blieben sie Teil der nosronischen Gemeinschaft und erfuhren ein hohes Maß an Fürsorge.

Als Levoiseur das zum ersten Mal erlebt hatte, war er tief bewegt gewesen. So viel Menschlichkeit hatte wohl niemand den maulwurfsartigen Höhlenbauern zugetraut.

Aber ich werde nicht so rücksichtsvoll vorgehen können, wie es der Doktrin der nosronischen Kampfpriester entspräche, überlegte Levoiseur.

Er konnte DiStefanos Kampf mit dem Pshagir auf der Hügelkuppe durch den Zoom seines Helmvisiers beobachten.

Unter den Etnord entstand Alarmbereitschaft.

Levoiseur tauchte aus seiner Deckung hervor, legte das Gauss-Gewehr an und schaltete die Zielfunktion ein. Kurz nacheinander gab er die Schüsse ab. Die Gauss-Projektile durchdrangen die Panzerung der Kampfgleiter. Einer nach dem anderen explodierte.

Auch die Gruppe der nosronischen Grabkräfte, die natürlich allesamt von Etnord-Parasiten befallen waren, wie sich anhand der angemessenen Biozeichen sehr leicht nachweisen ließ, wurde dadurch in Mitleidenschaft gezogen. Glühendes Metallplastik regnete auf sie herab. Explosionen schleuderten sie wie Puppen durch die Luft und zerfetzten sie.

Levoiseurs Devise war es in diesem Moment, so viel Schaden wie möglich unter den Etnord anzurichten. Nur dann war gewährleistet, dass die vorgeschobene Nosronen-Gruppe in der Höhle tief unter ihnen Zeit genug hatte, um sich in Sicherheit zu bringen.

Inzwischen wurde auch Levoiseur unter Dauerfeuer genommen. Aus verschiedenen Richtungen schossen sowohl einzelne Etnord-Infanteristen als auch Gleitergeschütze in seine Richtung. Laserfeuer zischte durch die Luft, aber auch Projektilwaffen wurden eingesetzt. Levoiseur bekam einen Strahlentreffer an der Schulter. Der Anzug war kurz davor durchzuschmelzen.

Die Laserwaffen der Etnord waren energiereicher als die Traser der Qriid.

Levoiseur zog sich kurz zurück und schwebte anschließend mit Hilfe seines Antigravpaks auf eine nahe gelegene Felsenkanzel. Dort ging er in Stellung und nahm die Gegner erneut unter Feuer. Weitere Kampfgleiter explodierten nach mehreren Gauss-Treffern. Andere hatten es inzwischen geschafft, sich in die Luft zu erheben. Einer flog davon.

Levoiseur feuerte ihm ein paar Geschosse hinterher, traf ihn aber nicht schwer genug, um ihn zum Absturz zu bringen.

Es ist doch seit Napoleon immer dasselbe – die Feldherrn machen sich vom Schlachtacker, wenn das Kampfglück gegen sie ist und lassen ihre Leute verbluten, dachte Levoiseur grimmig.

Es schien selbst über die Zeitalter hinweg Konstanzen zu geben, die an allen Kriegen mehr oder minder deutlich auftraten.

Für Levoiseur bedeutete dies eine zusätzliche Motivation, den flüchtenden Gleiter abzuschießen.

Er erhöhte die Schussfrequenz und traf schließlich auch.

Allerdings nur am Heck. Offenbar fiel einer der Antigravprojektoren aus. Der Gleiter bekam eine trudelnde Flugbahn, die schräg abwärts hinter einer Ambrais City vorgelagerten Sanddüne endete.

»Wenigstens das letzter Stück müsst ihr laufen, ihr feigen Hunde«, knurrte Levoiseur laut.

In der Ferne war die Silhouette von Ambrais City am Horizont gerade noch zu erkennen.

Von dort kam jetzt ein weiterer Gleiter. Es handelte sich um einen zum Kampfgleiter umfunktionierten Großraumtransporter. Seine Form glich der eines lang gezogenen Quaders. Ein fliegender Container mit Antigravaggregat und Steuerkabine, den man mit Geschützen ausgestattet hatte.

Die Strahlengeschütze waren schwenkbar. Außerdem gab es Batterien von Granatwerfern mit Explosivgeschossen und Abschussrampen für Lenkwaffen.

Als die erste dieser Waffen abgefeuert wurde und auf ihn zuraste, blieb Levoiseur gerade noch Zeit genug, um den Thermostrahler zu nehmen und sie mit Breitband-Hitzestrahl zu zerschmelzen. Auch die nächste Lenkwaffe erwischte er damit. Die dritte allerdings nicht mehr. Sie schlug dicht neben ihm ein. Eine gewaltige Druckwelle warf ihn in die Höhe. Er kam hart auf und musste feststellen, dass das Antigrav-Pak ausgefallen war. Ein weiteres Explosivgeschoss sprengte ein ganzes Stück aus dem Felsmassiv heraus. Levoiseur hatte plötzlich keinen festen Boden mehr unter den Füßen. Er rutschte einen Hang hinunter und konnte sich dann hinter einen massiven Vorsprung retten, während die Felslawine weiter in die Tiefe ging.

Mit dem Gauss-Gewehr feuerte Levoiseur zurück. Drei Treffer drangen in das Gefährt ein und durchschlugen die Frontpartie. Offenbar landete mindestens eins davon in den Aggregaten zur Energieerzeugung. Explosionen ließen Teile der Außenpanzerung abplatzten, bevor das Gefährt regelrecht auseinandergerissen wurde. Für Sekunden verwandelte sich der Gleiter in einen Glutball, der zu Boden sackte, als das Antigravaggregat binnen Sekunden zu einer Mischung aus Dampf, Ruß und ein paar geschmolzenen Metallplastikklumpen wurde.

Unter den Etnord herrschte jetzt das vollkommene Chaos.

Genau das hatten Levoiseur und DiStefano mit ihrem Angriff beabsichtigt.

Kurz sah Levoiseur seinen Partner hinter einem der Hügel auftauchen. Dann verschwand er wieder.

Zu dumm, dass es nicht möglich ist, über Helmfunk Kontakt aufzunehmen, überlegte der Marine.

Der Glutball war inzwischen verpufft. Die Druckwelle hatte einen anderen, noch unbeschädigten Gleiter wie ein Spielzeug in das Wrack eines Dritten geschleudert, sodass jetzt wohl beide nicht mehr flugfähig waren.

Als sich der Qualm verzog, sah man, dass der Boden übersät mit beinahe humanoiden Körpern war. Drei Arme besaßen sie.

Einer nach dem anderen standen die Pshagir auf. Manchem war der Waffengurt oder die Ausrüstung buchstäblich vom Leib gebrannt worden. Andere waren besser davongekommen und hielten funktionierende Strahler oder Projektilwaffen – zumeist in den prankenartigen Händen ihres linken Arms.

Ein ohrenbetäubendes Gebrüll erhob sich. Levoiseur hörte es über das Außenmikro des Anzughelms, das die Übertragung ab einem gewissen Dezibelwert einfach entsprechend abdämpfte, um den Marine nicht mit gesundheitsschädlichen Lärmdosen zu konfrontieren. Eine Elitetruppe aus Dreiarmigen, durchfuhr es Levoiseur. Und keinem von ihnen ist durch den Abschuss ihres Gleiters etwas geschehen!

Es schauderte Levoiseur unwillkürlich bei dem Gedanken, dass diese Truppe von Etnordgesteuerten Berserkern in Zukunft auf die Jagd nach den Nosronen gehen würde.

Aber es sah ganz danach aus, als wäre genau dies geplant.

Levoiseur feuerte mit dem Gauss-Gewehr auf die Gruppe.

Einige wurden getroffen und durch die Wucht der Geschosse zu Boden gerissen.

Aber sie standen wieder auf. Die Geschosse hatten ihnen kaum etwas anhaben können. Sie waren mindestens so widerstandsfähig wie ein Marine in seinem Schutzanzug.

Gegen die haben wir keine Chance, erkannte Levoiseur.

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Rückzug und so viel Stollen wie möglich verschließen. Das war jetzt die einzige Alternative.

Levoiseur zog sich hinter einen Felsen zurück.

Rollins nahm über Funk Kontakt mit ihm auf.

»Die Nosronen haben ihr Ritual beendet und machen alles für den Abmarsch bereit«, berichtete der Wissenschaftler. »Wann werden Sie wieder zu uns stoßen?«

»So schnell wie möglich, Professor. Die Etnord schicken uns eine Truppe von umweltangepassten Bestien auf den Pelz, gegen die selbst ein gut ausgerüsteter Marine wie ein Anfänger beim Überlebenstraining wirkt.«

»Das klingt nicht gut, Levoiseur.«

»Professor, ich empfehle Ihnen, nicht auf DiStefano und mich zu warten. Bleiben Sie bei den Nosronen und folgen Sie ihnen in sichere Bereiche. Wir werden alles tun, um die Etnord aufzuhalten, aber versprechen kann ich Ihnen nichts. Jedenfalls nicht guten Gewissens.«

Levoiseur unterbrach die Verbindung.

Schon deswegen, weil die Signale natürlich anpeilbar waren und dem Feind die Ortung erleichterten. Er kletterte in den Felsen herum. Die Kraftverstärkung des Anzugs sorgte dafür, dass sich die Anstrengung in Grenzen hielt und doch war Levoiseur durch den Ausfall des Antigravaggregats erheblich gehandikapt. Er war zu langsam.

Levoiseur arbeitete sich vorsichtig weiter in Richtung des Stolleneingangs vor, der – geschützt zwischen mehreren Felsmassiven – zurück in die unterirdische Welt der Nosronen führte.

Zwischendurch hielt er inne, um sich den automatischen Scan seines Ortungssystems anzusehen.

Es schien so, als würden sich die Dreiarmigen gar nicht weiter um ihn kümmern, sondern gleich dazu übergehen, in die Tiefe vorzudringen. Dorthin, wo sich die geheimen Stellungen der Nosronen befanden, von denen aus sie ihre gefürchteten Vorstöße unternahmen.

Die Zentralhöhle, durchfuhr es den Marine. Ich muss sie sprengen...

Vom Ortungssystem ließ er sich einen Weg durch das unterirdische Labyrinth zeigen, der eine Alternative zum Weg durch die Zentralhöhle darstellte.

Es gab einen, allerdings war er erheblich länger.

Levoiseur stellte diese Berechnung für DiStefano an, dessen Position er auf angezeigt bekam.

Verdammt, er hatte keine Chance!

Die Erkenntnis traf ihn wie ein Hammerschlag, aber es ließ sich nicht daran rütteln. DiStefano hatte sich einfach während des Kampfes zu weit von jenem Eingang entfernt, durch den er an die Oberfläche gelangt war. Er konnte unmöglich dorthin zurück. Dafür waren die Etnordverbände zu zahlreich – und insbesondere die Dreiarmigen auch zu kampfstark.

Also war DiStefano gezwungen, einen der anderen Einstiegspunkte zu nehmen.

Und das wiederum zog nach sich, dass er auf jeden Fall die Zentralhöhle passieren musste. Es führte kein Weg für ihn daran vorbei.

Was soll ich tun?, fragte sich Levoiseur. Das Risiko aller minimieren und dafür in Kauf nehmen, dass sein Kamerad DiStefano vermutlich keine Chance mehr hatte, auf absehbare Zeit zur Gruppe zu stoßen?

Das war gleichbedeutend mit einem Todesurteil.

Die von Etnord besessenen dreiarmigen Berserker würden nicht viel Federlesen mit einem Marine machen, der ihnen in die Hände fiel. Wahrscheinlich wird er sofort ein Implantat bekommen, überlegte Levoiseur. Aber das ist dasselbe wie der Tod...

Die Alternative bestand darin, die Gruppe zu gefährden, um DiStefano eine Überlebenschance zu geben.

Levoiseur schluckte – und entschied sich gegen das, was ihm bei der Ausbildung eingetrichtert worden war. Gegen die militärische Logik – und für DiStefano.

Nachdem er die ersten Meter im Stollen zurückgelegt hatte, hinterließ er einen Sprengsatz und hetzte weiter. Nachdem er weit genug entfernt war, zündete er ihn, sodass der Eingang verschlossen wurde.

Nun war es Zeit, mit DiStefano Kontakt aufzunehmen. Im Notfall ging das auch ohne Funk.

Levoiseur benutzte dazu eine ganz einfache Methode. Er regelte den Energielevel seines Gauss-Gewehrs in regelmäßigen Sequenzen herunter, sodass dabei Morsezeichen entstanden. Jeder, der beim Space Army Corps diente – und dabei spielte es keine Rolle, ob Marineinfanterist oder Bordpersonal eines Raumschiffs – musste auch im Jahr 2251 das Morsealphabet lernen. Manche hielten das für traditionalistischen Quatsch. Aber es gab durchaus Situationen, in denen diese Fähigkeit Leben retten konnte.

Immer wieder führte Levoiseur diese Sequenz aus.

Rückzug sofort. Warte in Zentralhöhle. Andere Wege inzwischen verschlossen. So lautete die Botschaft. Es folgten noch die Koordinaten.

Das Ortungssystem von DiStefano registrierte die Signatur des Gauss-Gewehrs. Es war auf die Signalerkennung ausgerichtet und wenn es irgendwo etwas registrierte, das einen sequenziellen Charakter hatte, wurde es automatisch einer entsprechenden Analyse unterzogen und es erschien ein Hinweis im Helmdisplay.

Vorausgesetzt, das funktioniert bei Paolo noch, überlegte Levoiseur. Aber diesen Gedanken verdrängte der Marine einfach. Positiv denken, so hieß seine Devise in kritischen Situationen. Die Chancen erkennen, die Risiken nicht überbewerten. Danach hatte er gelernt zu handeln.

Diesmal war das ein Ritt auf der Rasierklinge.

Zunächst erhielt er von DiStefano keine Antwort.

Möglicherweise hat es ihn längst erwischt, dachte er. Auch ein Kampfanzug der Marines war irgendwann vom Strahlenfeuer durchgeschmort, wenn das Material keine Gelegenheit erhielt, die eigene Struktur zu regenerieren.

Aber an diese Möglichkeit wollte Levoiseur nicht denken.

Er hetzte weiter in die Tiefe. Das Antigrav-Pak ließ er zurück.

Es war nicht mehr funktionsfähig und der Marine bezweifelte, dass er unter den Bedingungen hier auf Ambrais VII in der Lage sein würde, es zu reparieren. Der Verlust schmerzte ihn im Moment nicht so stark, da es bergab ging und ihm dabei naturgemäß die planetare Schwerkraft half.

Schließlich erreichte er die Zentralhöhle.

Er versuchte noch einmal Kontakt zu DiStefano aufzunehmen.

Diesmal bekam er Antwort.

Warte!, lautete die Botschaft. Und Levoiseur wartete...

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An Bord der STERNENKRIEGER II...

»Simulation abgeschlossen«, meldete die Kunststimme des Bordrechners. Im Kontrollraum C herrschte Erleichterung.

Lieutenant Erixon lehnte sich in seinem Schalensitz zurück.

Die Erleichterung, die er empfand, drückte sich vor allem in seiner Körperhaltung aus, während sie aufgrund der Facettenaugen im Gesicht kaum ablesbar war.

»Das war ein hartes Stück Arbeit«, bekannte Bruder Guillermo.

»Es erstaunt mich immer wieder, wie hoch doch der Stellenwert ist, den die Menschen dem Einzelnen und seiner Risikominimierung zumessen«, äußerte sich Nirat-Son.

Der vogelartige Qriid schabte mit den beiden Schnabelhälften gegeneinander, sodass ein sehr charakteristisches Geräusch dabei entstand. Der Tanjaj im Dienst des Heiligen Imperiums – denn das war er trotz seines Status als Mitglied der STERNENKRIEGER Crew nach wie vor – hatte sehr engagiert bei der Erstellung der Simulation mitgewirkt, in der überprüft werden sollte, ob der Mesonenantrieb durch eine Materialisation in unmittelbarer Sonnennähe in Mitleidenschaft gezogen wurde.

»Die Wahrscheinlichkeit, dass wir manövrierunfähig in der Nähe der Sonnenkorona herumdümpeln und schließlich von der Schwerkraft in diesen Glutball gesogen werden, weil die Leistung des Mesonenantriebs durch das solare Magnetfeld von Ambrais zu sehr in Mitleidenschaft gezogen wird, liegt unter einem Prozent und ist damit hinnehmbar«, stellte Bruder Guillermo fest. »Zumal wir andere Gefahren dagegen abwägen müssen.«

»Insbesondere dass wir von den Etnord frühzeitig entdeckt werden könnten«, ergänzte Ana Xiad und lächelte den Olvanorer an. Sie arbeitete als Systemanalytikerin in Erixons Technikercrew und hatte seit Kurzem eine Beziehung mit Bruder Guillermo.

»Taranos wird sich freuen, dass er seinen Alternativkurs nicht zu präsentieren braucht«, glaubte Erixon und zeigte dabei ein Grinsen.

»Informieren Sie den Captain und den Ruderoffizier?«, wandte sich Nirat-Son an den Leitenden Ingenieur.

Erixon nickte. »Ja, das mache ich.«

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»Austritt aus dem Sandström-Raum!«, meldete Ruderoffizier John Taranos ein paar Stunden später. »Die Geschwindigkeit beträgt 0,41 LG!«

Rena Sunfrost hatte im Sessel der Kommandantin Platz genommen und die Beine übereinandergeschlagen.

Über Interkom meldete sich Erixon aus dem Maschinenraum. »Captain?«

»Was gibt es, L.I.?«

»Mesonenantrieb befindet sich im Bereitschaftsstatus. Bis jetzt sind nur minimale Störungen zu verzeichnen, die zwar oberhalb der Toleranzgrenze liegen, aber beherrschbar bleiben.«

»Danke, Lieutenant.«

»Wir fliegen zunächst mit dem Austrittsschwung weiter«, erklärte Taranos. »Allerdings wird uns die Gravitation der Sonne Ambrais erheblich abbremsen. Kurskorrekturen können wir so lange relativ risikolos durchführen, wie unsere Emissionen von den solaren Emissionen des Zentralgestirns überstrahlt werden.«

»Ich habe volles Vertrauen zu Ihnen, Lieutenant«, versicherte Rena. »Tun Sie, was immer Sie für notwendig halten.«

»Ja, Ma'am.«

»Ortung? Gibt es schon einen ersten Lagebericht über die Positionen von Etnord-Kriegsschiffen?«

»Bisher konnte ich drei Einheiten im System orten«, erklärte Lieutenant Wiley Riggs, der den Blick sehr konzentriert auf die Anzeigen seiner Konsole gerichtet hatte. »Es handelt sich um Einheiten völlig unterschiedlicher Bauart.«

»Sind ehemalige Fulirr-Schiffe darunter?«

»Nein, Ma'am.«

Rena Sunfrost atmete innerlich auf.

»Dann können wir ja hoffen, nicht mit Antimaterie angegriffen zu werden«, sprach Van Doren ihre Gedanken aus.

»Ich würde sagen, bei zwei dieser Einheiten handelt es sich um Weiterentwicklungen von irdischen Schiffsfabrikaten, die von den Taralon-Siedlern benutzt wurden. Allerdings mit erheblich erweiterter Kampfkraft, wenn ich mich nicht irre.«

»Die typischen Signaturen von Gauss-Geschützen und Strahlenkanonen lassen sich sehr sauber herausfiltern«, berichtete Riggs. »Danach zu urteilen entsprechen diese Schiffe in etwa einem Dreadnought, wie es vom Space Army Corps benutzt wird.«

»Und das dritte Schiff?«, fragte Rena.

»Unbekannte Bauart«, kommentierte Riggs. »Unser Datenarchiv sieht eine gewisse Ähnlichkeit zu den Schiffen der Pshagir...«

»Der Name kommt mir bekannt vor...«, glaubte Rena.

»Es handelt sich um eine an Extremwelten angepasste Spezies, zu der die Menschheit während des ersten Qriid-Kriegs für kurze Zeit Kontakt hatte«, ergänzte Steven Van Doren. »Soweit ich weiß, wurden bei der nachträglichen Analyse der Ortungsdaten der Schlacht um das Samtran-System Biozeichen von Pshagir registriert.«

»Warum sollte diese Spezies nicht auch im Dienst der Etnord stehen – so wie viele andere auch?«, fragte Ukasi. »Ich vermute, dass sie eine Art Task Force für Spezialaufgaben bilden.«

Details

Seiten
Jahr
2018
ISBN (ePUB)
9783738917642
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Februar)
Schlagworte
folge chronik sternenkrieger doppelband

Autor

  • Alfred Bekker (Autor:in)

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Titel: Folge 19/20 - Chronik der Sternenkrieger Doppelband