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Jagd auf den Jenseitsmörder

©2018 130 Seiten

Zusammenfassung

Jagd auf den Jenseitsmörder
Romantic Thriller von Frank Rehfeld

Der Umfang dieses Buchs entspricht 120 Taschenbuchseiten.

Helen Chambers malt Bilder, die sich unbewusst mit dem Tod beschäftigen. Das zieht den Verbrecher Bannister magisch an, der den Tod selbst als Kunstwerk begreift. Nachdem er von Helen in Notwehr erschossen wurde, kehrt er als Geist zurück. In ihrer Not sucht sie Hilfe beim Geisterjäger Sutton, der sich jedoch als Hochstapler entpuppt. Dennoch nehmen beiden Kampf gegen den Geist auf, weil ihnen niemand sonst helfen kann.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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Jagd auf den Jenseitsmörder

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Romantic Thriller von Frank Rehfeld

Der Umfang dieses Buchs entspricht 120 Taschenbuchseiten.

Helen Chambers malt Bilder, die sich unbewusst mit dem Tod beschäftigen. Das zieht den Verbrecher Bannister magisch an, der den Tod selbst als Kunstwerk begreift. Nachdem er von Helen in Notwehr erschossen wurde, kehrt er als Geist zurück. In ihrer Not sucht sie Hilfe beim Geisterjäger Sutton, der sich jedoch als Hochstapler entpuppt. Dennoch nehmen beiden Kampf gegen den Geist auf, weil ihnen niemand sonst helfen kann.

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Copyright

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker.

© by Author

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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Nein, George‟, sagte Heather Chambers entschieden und schüttelte den Kopf. Am liebsten hätte sie gelacht, obwohl die Situation eher zum Weinen war. „Das würde nicht funktionieren. Schlag es dir aus dem Kopf.‟

„Du lehnst es einfach kategorisch ab, weil du dich gar nicht näher damit beschäftigen willst‟, behauptete er und drehte nervös seine Kaffeetasse in den Händen. „Denk doch wenigstens einmal darüber nach. Schon seit Jahren, seit Pauls Tod, vergräbst du dich hier wie eine Einsiedlerin, während das Leben an dir vorbeizieht.‟

Nachdenklich betrachtete Heather den blonden, leicht übergewichtigen Mann, der ihr gegenüber auf einer Bank des Diners saß, in dem sie gegessen hatten. Vielleicht hatte George Wilton in mancherlei Hinsicht gar nicht mal so unrecht.

Es stimmte, dass sie seit Pauls Tod, also seit nunmehr vier Jahren, sehr abgeschieden lebte und sich beinahe völlig in ihre Arbeit vergrub. Sie war fünfundzwanzig Jahre alt, in einem Alter, in dem andere ihr Leben in vollen Zügen genossen, während sie es weitgehend an sich vorbeistreichen ließ. Das war ihr schon seit langem bewusst, und es war nicht das erste Mal, dass sie mit George darüber sprach.

Dennoch konnte sie nicht anders. Der Gedanke an die Welt dort draußen, außerhalb ihres eigenen kleinen Reichs, ängstigte sie, und sie war noch nicht bereit, sich ihr wieder zu stellen.

Früher war sie anders gewesen. Eine lebenslustige junge Frau, die viel unternahm, gerne ausging und keine Probleme damit hatte, auf Leute zuzugehen. Dann aber hatte sie Paul Chambers kennengelernt. Er war die große Liebe ihres Lebens gewesen. Sie hatten geheiratet, aber ihre Verbindung hatte unter keinem günstigen Stern gestanden. Nicht einmal ein Jahr nach der Hochzeit war Paul bei einem unverschuldeten Autounfall ums Leben gekommen, und von diesem Moment an hatte sich alles für Heather geändert.

Sie hatte allein sein wollen, um mit ihrer Trauer fertig zu werden. Durch das Geld, das sie von Paul geerbt und dem, das sie von seiner Lebensversicherung erhalten hatte, war sie finanziell relativ unabhängig. Sie hatte ihren Job als Angestellte einer Kunstgalerie aufgegeben und war aus Seattle weggezogen. In der kleinen Ortschaft North Bend, die etwa fünfzig Kilometer östlich von Seattle ebenfalls im amerikanischen Bundesstaat Washington lag, hatte sie ein abgelegenes Haus gekauft, wo sie seither lebte.

Eine Einsiedelei, wie George es nicht ganz zu Unrecht bezeichnet hatte, denn nach und nach hatte sie im Laufe der folgenden Wochen und Monaten den Kontakt zu beinahe allen ihren Freunden abgebrochen. Ihre mehr oder weniger hilflosen Versuche, ihr Trost zu spenden, waren Heather immer unangenehmer geworden.

Den einzigen wirklichen Trost spendete ihr ihr Hobby, die Malerei. In ihren Bildern gelang es ihr, all ihren Kummer und Schmerz zum Ausdruck zu bringen. Schon früher hatte sie vereinzelte Bilder verkauft, und angesichts der Obsession, mit der sie dieser Tätigkeit nun nachging, hatte sie bald weitere Werke angeboten.

George Wilton, der Inhaber der Galerie in Seattle, bei der sie früher gearbeitet hatte, war bereit gewesen, eine Ausstellung für sie zu organisieren, und zu ihrer eigenen Überraschung hatte sie fast jedes angebotene Bild innerhalb kurzer Zeit verkaufen können.

Inmitten ihrer privaten Trauer hatte sie dadurch zumindest auf einem Gebiet Erfolg. Wie sie es sich schon früher manchmal erträumt hatte, hatte sie die Malerei von einem bloßen Hobby zum Beruf machen können und verdiente nicht einmal schlecht dabei. Mittlerweile hatte sie sich einen Namen geschaffen und erzielte für jedes neue Bild einen beachtlichen Preis.

„Ich brauche nicht weiter darüber nachzudenken, George‟, antwortete sie mit Verspätung und strich sich eine Strähne ihres rötlich-blonden Haares aus der Stirn, das ihr in Locken bis weit über die Schultern fiel. „Ich kenne dich schon seit so vielen Jahren, dass du wie ein Bruder für mich bist. Und auf genau diese Art mag ich dich auch. Mach das nicht kaputt, indem du plötzlich mehr willst. Du bist mein bester Freund, eigentlich sogar mein einziger, aber mehr wird niemals zwischen uns sein. Ich bin nun einmal nicht in dich verliebt, und so etwas lässt sich auch nicht erzwingen.‟

Warum bloß hatte er überhaupt damit angefangen? Begriff er denn nicht, welcher Zerreißprobe er ihre Freundschaft aussetzte, indem er plötzlich behauptete, sich in sie verliebt zu haben?

„Weil du dir nicht gestattest, überhaupt irgendwelchen Gefühlen nachzugeben, alles sofort unterdrückst. Mein Gott, du kannst doch nicht glücklich sein, so völlig allein. Aber wahrscheinlich willst du gerade das ja auch nicht. Du glaubst immer noch, du würdest eine Mitschuld an Pauls Unfall tragen, und dafür versuchst du dich zu bestrafen. Du meinst, du hättest gar kein Recht, jemals wieder glücklich zu sein.‟

„Es reicht jetzt‟, stieß sie heftig hervor. „Hör auf, den Amateurpsychologen zu spielen. Vielleicht habe ich meine Gefühle zu sehr verdrängt, aber das hat absolut nichts mit dir zu tun. Ich habe dir gesagt, dass ich dich nicht liebe, wie viel du mir aber als Freund bedeutest. Damit musst du dich begnügen, wenn du nicht auch diese Freundschaft zerstören willst.‟

Er schien regelrecht in sich zusammenzusinken, und fast taten ihre barschen Worte ihr schon wieder leid, denn sie konnte sehen, wie weh sie ihm damit tat. Aber anscheinend waren sie nötig gewesen, um ihm die Wahrheit begreiflich zu machen. Anderenfalls hätte er sich wahrscheinlich gänzlich zum Trottel gemacht und noch stundenlang versucht, sie zu etwas zu überreden, wozu man niemanden überreden konnte. Eine Liebesbeziehung mit ihm war für Heather schlichtweg unvorstellbar, daran würde George auch mit noch so liebevollem Verhalten und noch so viel Überredungskunst nichts ändern. In dieser Hinsicht war er absolut nicht ihr Typ.

„Ich glaube, wir sollten allmählich fahren‟, sagte sie mit einem Blick auf die Uhr. „Es ist schon spät.‟

„In Ordnung.‟ George nickte und rang sich ein verkniffenes Lächeln ab. „Dann muss ich wohl heute Nacht doch noch zurück nach Seattle fahren.‟

„Hättest du mir schon am Telefon gesagt, was es so Wichtiges gab, worüber du unbedingt mit mir sprechen musstest, hättest du dir die ganze Fahrt sparen können.‟

„Tja, hinterher ist man meistens schlauer. Aber ich hielt es für wichtig, persönlich mit dir zu sprechen. Und auch wenn das Ergebnis nicht so war, wie ich es mir erhofft habe, bedauere ich nicht, dass ich gekommen bin. Ich habe wirklich geglaubt, du würdest mehr als nur Freundschaft für mich empfinden, würdest dich aber nicht trauen, den ersten Schritt zu unternehmen.‟

„Da hast du dir etwas eingebildet. Und jetzt lass uns das Gespräch nicht wieder von vorne beginnen.‟

„Schon gut.‟

George winkte eine Kellnerin herbei, bat um die Rechnung und bezahlte. Das Diner, eine Art Mischung zwischen Café und Schnellimbiss, war zwar nicht übermäßig gemütlich, aber hier gab es die besten Hamburger, die Heather je gegessen hatte. Um in einem gemütlicheren Lokal zu essen, hätten sie außerdem wesentlich weiter fahren müssen, da es in North Bend kein einziges richtiges Restaurant gab.

Verglichen mit einer Großstadt wie Seattle musste man hier deutliche Abstriche machen, was kulturelle Angebote und ganz allgemein die Möglichkeit zum Ausgehen betraf. Zusammen mit dem Nachbarort Snoqualmie und sämtlichen weit verstreut außerhalb liegenden Häusern hatte die gesamte Ortschaft nicht einmal viertausend Einwohner.

Eine gewisse Bekanntheit hatten die beiden Orte im regnerischen Nordosten der USA lediglich vor einigen Jahren als Drehorte der Fernsehserie „Twin Peaks‟ erlangt. Gerade weil die Landschaft mit ihren endlosen Wäldern und den beiden titelgebenden Zwillings-Berggipfeln ihr in der Serie so gut gefallen hatte, war Heather hierher gezogen und hatte dies bislang nie bedauert. Die Kriminalitätsrate war äußerst niedrig, die Luft klar und gesund.

Hier war insgesamt ein sehr viel natürlicheres und naturverbundeneres Leben als in der Großstadt mit ihrer schnelllebigen Plastikkultur möglich, wo man gerade als Künstler allzu schnell den so wichtigen Bezug zu seinen Wurzeln verlor.

Zusammen mit George verließ sie das Diner und stieg in seinen Wagen, mit dem sie auch hergekommen waren.

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Das Haus, das sie bewohnte, lag einige Kilometer außerhalb des Ortskerns. Heather bezeichnete es gerne als ihre „Farm‟, obwohl es vermutlich noch nie eine gewesen war. In dieser Gegend wurde so gut wie keine Landwirtschaft und Viehzucht betrieben. Auch sie selbst bestellte lediglich einen kleinen Gemüse- und Kräutergarten hinter dem Haus, und das einzige Tier, das sie jemals aufgezogen hatte, war ein Schäferhund mit Namen Rocky.

Dennoch erschien die Bezeichnung ihr passend, da das Gebäude wie eine Mischung aus einem Farmhaus und einer spät-viktorianischen Villa aussah. Sie liebte es, hätte es um nichts in der Welt wieder gegen ein Haus oder ein Apartment in der Großstadt eingetauscht.

George hielt den Mercedes auf der halbkreisförmigen Auffahrt ein Stück vor ihrer Haustür an.

„Danke für die Einladung und deinen Besuch‟, sagte Heather. „Nimm es nicht so schwer, auch wenn du dir etwas anderes erhofft hast. Ich rufe dich Ende der Woche wegen der neuen Bilder an.‟

Sie beugte sich zu ihm hinüber und gab ihm einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange, weil sie erst gar nicht damit anfangen wollte, bisherige Gewohnheiten nur aufgrund seines Geständnisses an diesem Abend zu ändern, dann stieg sie aus.

Der Kies der Auffahrt knirschte unter ihren Füßen, während sie im Licht der Wagenscheinwerfer auf die Haustür zuging. Als Kavalier, der er schon immer gewesen war, wartete George, bis sie im Haus war.

Heather holte den Haustürschlüssel aus ihrer Tasche, stutzte dann aber und blieb stehen. Irgend etwas stimmte nicht, auch wenn sie nicht sofort wusste, was es war. Erst nach ein paar Sekunden wurde ihr bewusst, um was es sich handelte.

Es war zu still.

Nachdem sie ihn den ganzen Abend über allein gelassen hatte, hätte Rocky eigentlich bereits von innen an der Haustür kratzen und vor Freude bellen und winseln müssen, um sie zu begrüßen, doch von dem Hund war nichts zu hören.

Hinter ihr streckte George den Kopf zum Wagenfenster heraus.

„Was ist los?‟, rief er. „Stimmt etwas nicht?‟

„Rocky‟, gab sie zurück. „Er rührt sich nicht, und du weißt ja, wie er sich normalerweise verhält.‟

George stieg aus, schlug die Wagentür zu und kam auf sie zu, wofür sie ihm sehr dankbar war. Sie hatte das Gefühl, dass sie einen Beschützer brauchen konnte.

„Das ist allerdings merkwürdig‟, sagte er. „Ich begleite dich noch ins Haus, und wir sehen nach.‟

Heather nickte. Ihre Finger zitterten leicht, als sie den Schlüssel ins Schloss steckte, und sie brauchte mehrere Anläufe dazu. Wie eine düstere Wolke schien Unheil vor ihr zu lauern.

Sie öffnete die Tür und schaltete das Licht ein.

Der Hund lag nicht weit von ihr entfernt, direkt im Durchgang zwischen dem kleinen Flur und dem Wohnzimmer. Eine große Blutlache hatte sich unter ihm ausgebreitet, war teilweise bereits auf dem Parkettfußboden getrocknet.

Jemand hatte ihm die Kehle durchgeschnitten.

„Rocky!‟, schrie Heather voller Entsetzen und wollte auf den Hund zustürmen.

„Warte!‟, rief George und griff nach ihr, um sie zurückzuhalten, bekam jedoch nur einen Ärmel ihrer Jacke zu packen und wurde von ihrem Schwung selber zwei Schritte nach vorne gezogen.

Dennoch wurde sie aufgehalten und musste sich umdrehen, um sich loszureißen. Nur deshalb sah sie den Mann, der im toten Winkel hinter der Tür gelauert hatte. Sie öffnete den Mund zu einem Warnschrei, doch es war bereits zu spät.

Ein ersticktes Röcheln drang aus Georges Kehle, und er riss die Augen weit auf, als der Fremde ihm von hinten ein Messer tief in den Rücken rammte. Sofort zog er es wieder heraus und stach erneut zu.

Georges Augen wurden glasig. Blut quoll aus seinem Mund, und im nächsten Moment brach er zusammen. Reglos blieb er mit dem Gesicht nach unten liegen. Das aus den Wunden in seinem Rücken dringende Blut begann sein Jackett dunkel zu färben.

Erst jetzt gelang es Heather, den entsetzten Schrei, der sich in ihr aufgestaut hatte, auszustoßen, obwohl sie wusste, dass so abgelegen hier draußen niemand sie hören würde. Das nächste Haus lag mehr als einen Kilometer entfernt.

Mit dem Fuß drückte der Fremde die Haustür zu. Mit dem Messer in der Hand kam er auf sie zu. Blut tropfte von der Klinge.

„Hallo, Heather‟, sagte er mit volltönender, sonorer Stimme. „Ich freue mich, dass wir uns endlich einmal kennenlernen.‟

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Der fremde Eindringling mochte Mitte dreißig sein, war groß und breitschultrig, sehr kräftig. Sein Körper war durchtrainiert, das zeigte jede seiner Bewegungen. Er war ganz in schwarz gekleidet; schwarzer Rollkragenpullover, schwarze Hose und schwarze Schuhe, sogar sein kurzgeschnittenes Haar und seine dünnen Handschuhe waren schwarz. Das einzig Helle an ihm war sein Gesicht. Es sah fast weiß aus, wie das eines Vampirs, als wäre er seit Jahren nicht mehr in der Sonne gewesen.

Ansonsten wirkte es nicht einmal unsympathisch. Mit seinen kräftigen Wangenmuskeln, den vollen Lippen und der schmalen, sehr geraden Nase sah der Mann sogar recht gut aus. Wäre er Heather unter anderen Umständen begegnet, hätte sie ihn sicherlich sehr attraktiv gefunden.

Jetzt aber, als Einbrecher in ihrem Haus, der ihren Hund und vor ihren Augen gerade ihren besten Freund getötet und das gleiche Schicksal sicherlich auch ihr zugedacht hatte, kam er ihr wie ein Dämon vor, ein Schreckgespenst, das direkt aus den tiefsten Abgründen der Hölle emporgestiegen war.

Seine bläulich-grauen Augen unterstrichen diesen Eindruck noch und zerstörten die Attraktivität seines Gesichts. Keine Spur von Leben und Gefühl war in ihnen zu erkennen. Sie waren tot wie Glasmurmeln, kalt wie Eis.

Obwohl Rocky ein ausgewachsener, großer Schäferhund gewesen war, hatte der Fremde beim Kampf gegen ihn keinerlei sichtbare Verletzung davongetragen. Das allein zeigte schon, wie stark, schnell und geschickt er war.

Heather wollte herumfahren und wegrennen, doch sie konnte sich kaum bewegen. Nur langsam, zentimeterweise, wich sie nach hinten zurück, während er ebenso langsam weiter auf sie zu kam. Die ganze Zeit über starrte sie ihn mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen an, wie eine Maus, die vom Blick der herankriechenden Schlange hypnotisiert und gelähmt wurde.

„Hab keine Angst vor mir‟, sagte er. Seine Stimme klang sanft, fast beruhigend. „Ich bin nicht hier, um dir etwas anzutun. Schon seit einiger Zeit bin ich ein großer Bewunderer deiner Kunst. Leider habe ich mir niemals selbst eins deiner Bilder leisten können, aber ich habe jede deiner Ausstellungen besucht und mir deine Werke angesehen. Dabei habe ich gemerkt, wie ausgesprochen seelenverwandt wir zu sein scheinen.‟

Er ist verrückt!, schoss es Heather durch den Kopf. Sie hatte geglaubt, es mit einem Einbrecher zu tun zu haben, der es auf ihre Wertsachen abgesehen hatte, bevor sie und George ihn unglücklicherweise überrascht hatten. Wie es aussah, ging es ihm jedoch um ganz etwas anderes. Er wusste genau, wer sie war und was sie machte. Anscheinend hatte er gezielt hier auf sie gewartet.

Aber wozu? Welcher Art war sein Wahnsinn? Die Antworten auf diese Fragen würden möglicherweise lebenswichtig für sie sein. Er war doch sicherlich nicht in ihr Haus eingebrochen, hatte ihren Hund und nun auch George getötet, nur um mit ihr eine Diskussion über ihre Arbeit zu führen.

„Was ... was wollen Sie von mir?‟, keuchte sie.

„Herausfinden, ob du wirklich die bist, für die ich dich aufgrund deiner Bilder halte‟, erwiderte er. „Jemand, der so denkt wie ich.‟

Sein Akzent klang etwas fremd; er schien nicht direkt aus dieser Gegend zu stammen. Eher hörte er sich nach dem mittleren Westen an, nach Utah, Arizona oder einem der angrenzenden Bundesstaaten. Entfernte Verwandte, bei denen Heather als Kind mehrfach gewesen war, besaßen eine kleine Ranch in der Nähe von Salt Lake City, und dort hatte man mit ähnlichem Akzent gesprochen.

„Ich ... verstehe nicht, was ... Sie meinen.‟

Sie war bis an die Wand zum Wohnzimmer zurückgewichen. Wenn sie noch weiter wollte, musste sie mit einem Satz über Rocky hinweg springen, und dazu fehlte ihr momentan die Kraft.

Ihr Gegenüber hatte diese Probleme nicht. Er stieg über Georges Leichnam hinweg, ohne auch nur den Blick nach unten zu senken, und kam langsam weiter auf sie zu.

„Natürlich verstehst du‟, sagte er barsch. „Ich spreche von der Aussage deiner Bilder, von dem, was du so meisterhaft auf die Leinwand gebannt hast. Es ist dir gelungen, dem Tod in all seiner Pracht und Herrlichkeit unvergängliche Denkmäler zu setzen, wie auch ich ihm in anderer Form fröne.‟

Die Gedanken überschlugen sich in Heathers Kopf. Der verrückte Eindringling war nicht der erste, der dies behauptete.

Schon früher hatten einige Kritiker angemerkt, dass sie sich in ihren Werken hauptsächlich mit dem Tod zu beschäftigen schien, während ihr selbst dies gar nicht so bewusst gewesen war. Sicher, viele ihrer Bilder waren düster, zeugten von Entfremdung und Einsamkeit in der modernen Gesellschaft, aber es war ihr niemals darum gegangen, gezielt den Tod darzustellen.

Wenn, dann war dieser Aspekt höchstens unbewusst eingeflossen, eine Reaktion auf den Verlust Pauls. Möglich, dass sie dieses Gefühl in den Bildern zum Ausdruck gebracht hatte, um durch diese Form der Verarbeitung leichter darüber hinwegzukommen.

Bislang hatte sich Heather jedoch trotz der entsprechenden Kritiken – die zudem ja nicht einmal negativ gewesen waren – keine allzu intensiven Gedanken darüber gemacht. Schließlich hatte sie nie auch nur im Traum ahnen können, dass sie aufgrund dieses Aspekts ihrer Malerei eines Tages das Interesse eines geistesgestörten Mörders erringen könnte.

Im Moment schien sie sich nicht in akuter Gefahr zu befinden. Offenbar wollte der Kerl sie nicht direkt töten, sondern sich vorläufig wirklich nur mit ihr unterhalten, um herauszufinden, ob sie tatsächlich so dachte wie er – was natürlich nicht der Fall war.

Heather glaubte nicht, dass George sein erstes Opfer gewesen war. Mit großer Wahrscheinlichkeit hatte er schon früher getötet. Seinen Worten zufolge empfand er dabei auch keinerlei Reue, sondern war eher stolz darauf. Offenbar betrachtete er das Morden als eine Art von Kunst, sah sich als eine Art Todesengel.

Aufgrund ihrer düsteren Bilder glaubte er, in ihr eine Gleichgesinnte gefunden zu haben, die den Tod verherrlichte, obwohl das nie ihre Absicht gewesen war. Das aber durfte er auf keinen Fall merken. Heather zweifelte nicht daran, dass er auch sie gnadenlos umbringen würde, wenn er zu dem Schluss gelangte, dass er sich in ihr getäuscht hatte. Das zeigte sich schon daran, dass er nicht einmal eine Maske trug.

Fieberhaft überlegte sie.

Wollte sie ihr Leben retten oder zumindest etwas Zeit gewinnen, blieb ihr also nichts anderes übrig, als auf sein abartiges Spiel einzugehen, und dabei musste sie äußerst überzeugend wirken.

„Der Tod‟, stammelte sie und ärgerte sich über ihre eigene Unbeholfenheit im Augenblick der Gefahr. Die panische Angst, die sie empfand, lähmte nicht nur ihren Körper, es fiel ihr auch schwer, klar zu denken, dabei war gerade dies jetzt wichtiger als jemals zuvor. „Ja, natürlich habe ich ihn gemalt, schon oft, und zwar so, wie ich ihn sehe.‟

„Herrlich und erhaben, ein unbarmherziger Schnitter, für den es keine verschlossenen Türen gibt. Er ist überall zugleich, und selbst die Mächtigsten dieser Welt müssen sich ihm beugen‟, raunte er ehrfurchtsvoll.

Heather nickte und bemühte sich, begeistert auszusehen.

„Genauso habe ich ihn immer darzustellen versucht‟, log sie.

„Ich wusste, dass ich in dir eine verwandte Seele gefunden habe, dass wir vieles gemeinsam haben und auf die gleiche Art sehen‟, rief er voller Freude. „Ich heiße übrigens Jack Bannister.‟

Ein höflicher Einbrecher, dachte sie zynisch und erwartete fast schon, dass er ihr seine Hand entgegenstreckte. Brich ruhig in ein Haus ein und morde ein bisschen, aber vergiss bloß niemals deine guten Manieren.

Dass er ihr so bereitwillig seinen Namen verriet – auch wenn sie nicht nachprüfen konnte, ob er wirklich so hieß – verriet ihr aber noch etwas anderes, was kein bisschen lustig war. Zusätzlich zu dem Verzicht auf eine Maske war es ein Beweis, dass er sie auf keinen Fall am Leben lassen würde, wenn er herausfand, dass sie ein falsches Spiel mit ihm trieb.

„Einen grundlegenden Unterschied gibt es allerdings zwischen uns‟, fuhr er fort. „Du verkörperst gewissermaßen die Theorie, während ich ein Mann der Praxis bin. Bei dieser Konstellation denke ich, dass wir gegenseitig viel voneinander lernen können.‟

„Was meinen Sie?‟

„Hast du schon einmal getötet?‟

Heather überlegte blitzschnell, ob sie lügen sollte, entschied sich dann aber, bei der Wahrheit zu bleiben. Sie hatte das Gefühl, als ob Bannister ihr eine solche Lüge erst gar nicht glauben würde, und sie wollte ihn nicht zusätzlich misstrauisch machen.

„Nein‟, antwortete sie. „Noch nie. Ich habe nur beim Malen schon oft darüber nachgedacht, wie es wohl sein würde.‟

„Es ist einfach ein unvergleichliches Gefühl, und das ist es, was ich dir beibringen werde. Du musst deine inneren Schranken überwinden, was nicht ganz einfach ist, aber wenn du es einmal getan haben, wirst du diese Erfahrung nicht mehr missen wollen. Wir beide, Heather, wir sind Auserwählte. Werkzeuge, um die Herrschaft des Todes zu verkünden und sein Reich zu vergrößern. Und als Dank für unsere Dienste als seine treuesten und eifrigsten Diener wird er uns als einzige verschonen, wenn unsere Zeit gekommen ist.‟

Das war es also, worauf sich sein entsetzliches Weltbild gründete, dachte sie schaudernd. Indem er andere tötete, hoffte er, für sich selbst Unsterblichkeit zu erlangen. Er war wirklich völlig wahnsinnig.

Wenn sie ihn nur ein paar Sekunden ablenken könnte, um mit etwas Vorsprung ins Wohnzimmer zu gelangen, sahen ihre Chancen etwas besser aus. Dort gab es eine Tür zur Terrasse, und wenn sie es schaffte, ins Freie zu flüchten, konnte sie sich eventuell im Garten oder im direkt an das Anwesen angrenzenden Wald verstecken.

Dafür müsste sie aber wirklich schon einen beträchtlichen Vorsprung gewinnen. So durchtrainiert, wie er offensichtlich war, würde er sehr viel schneller als sie laufen und sie wahrscheinlich innerhalb kürzester Zeit einholen, noch bevor sie ein Versteck fand.

Es gab aber noch eine andere Möglichkeit. Er schien nur mit dem Messer bewaffnet zu sein. Solange sie selbst unbewaffnet war, bräuchte er aber selbst das vermutlich nicht einmal, um sie zu töten. Bei seinen Muskeln würde er ihr spielerisch auch mit bloßen Händen das Genick brechen oder sie erwürgen können.

In ihrer Nachttischschublade bewahrte sie eine Pistole auf. So einsam, wie sie hier draußen wohnte, hatte sie sich nach ihrem Umzug zunächst Rocky als Wachhund aus einem Tierheim geholt, kurze Zeit später aber zur Sicherheit auch die Waffe gekauft. Sie sollte in erster Linie zur Abschreckung dienen, falls sie einmal ungebetenen Besuch bekommen sollte. Bislang war sich Heather nicht einmal sicher gewesen, ob sie überhaupt in der Lage wäre, sie auf einen Menschen zu richten.

Jetzt hatte sie diese Bedenken nicht mehr. Wenn es ihr gelingen sollte, an die Waffe zu kommen, würde sie ohne Skrupel auf Bannister schießen, um ihr eigenes Leben zu retten, um den Tod Rockys und den kaltblütigen Mord an George zu rächen, und um zu verhindern, dass der Wahnsinnige noch weitere Morde begehen konnte.

Der Nachteil jedoch war, dass sich ihr Schlafzimmer im oberen Stockwerk befand. Um die Treppe zu erreichen, die sich dicht neben der Haustür befand, musste sie zunächst an Bannister vorbei, und dazu würde er ihr so leicht keine Gelegenheit geben.

In diesem Moment gab George Wilton ein leises, gequältes Stöhnen von sich. Er hatte die Augen geschlossen und bewegte sich auch jetzt nicht, aber das Stöhnen war eindeutig von ihm gekommen. Heathers ohnehin schon rasend schneller Herzschlag beschleunigte sich noch mehr. Trotz seiner furchtbaren Verletzungen lebte George!

„Hartnäckiger, als ich gedacht habe‟, kommentierte Bannister mitleidlos. „Aber eine gute Gelegenheit für einen kleinen Test, ob du wirklich würdig und bereit bist, dich mir anzuschließen. Töte ihn, Heather. Für den Anfang wird es dir bei ihm leichter als bei einem anderen fallen, denn er wird ohnehin sterben. Wenn nicht an den Verletzungen, die er bereits erlitten hat, dann werde ich ihn töten. Er ist schon so gut wie tot, also sollst du dieses Werk vollenden.‟

„Nein!‟, stieß Heather entsetzt hervor.

„Du musst! Um es dir zu erleichtern, kannst du dir sagen, dass du ihn nur von seinen Qualen erlöst, da er ohnehin dem Tode geweiht ist. Denk daran, wie erhaben und prachtvoll du den Tod stets gesehen und gemalt hast. Oder sollte ich mich vielleicht doch in dir getäuscht haben? Töte ihn als Beweis, dass du die Wahrheit gesagt hat, und damit ich weiß, dass wir zusammen gehören. Anderenfalls zeigst du, dass du nicht besser als die jämmerlichen Kreaturen bist, die den Tod fürchten. Dann verdienst du es auch, ebenso wie sie zu sterben.‟

Er hielt Heather das Messer entgegen, und sofort erkannte sie ihre Chance. Natürlich würde sie George nicht ermorden, niemals, aber wenn sie erst einmal das Messer hatte und Bannister waffenlos war, standen ihre Chancen schon wesentlich besser.

Scheinbar zögernd trat sie auf ihn zu. Langsam, als müsste sie sich selbst überwinden, streckte sie die Hand nach dem Messer aus. Sie rechnete damit, dass Bannister es im letzten Moment zurückziehen würde, doch als das nicht geschah, nahm Heather die Waffe nach einem weiteren kurzen Moment des Zögerns an sich.

An Bannisters Haltung erkannte sie, dass er vorsichtig war. Er war darauf gefasst, dass sie einen Angriff auf ihn unternehmen würde, und bereit, ihn abzuwehren. Anders, als es bei ihm wahrscheinlich der Fall war, hatte Heather im Messerkampf keinerlei Erfahrung. Wenn sie jetzt einfach plump nach ihm stach, würde er ihr bestimmt ausweichen können und sie anschließend sofort wieder entwaffnen. Dann wäre auch ihr Leben verwirkt.

Irgendwie musste sie ihn überrumpeln.

„Aber George ist mein Freund‟, presste sie hervor, während sie sich mit dem Messer in der Hand bückte und neben ihm in die Hocke ging. Auch jetzt bewegte George sich nicht, war immer noch bewusstlos.

„Freundschaft ist nur eine Illusion‟, behauptete Bannister. „Etwas, woran du doch selber nicht glaubst, wenn du dir selbst gegenüber ehrlich bist. Sonst hätte sich davon auch in deinen Bildern etwas gefunden. Wirf diesen Ballast über Bord und töte ihn. Du wirst sehen, es wird wie ein Schritt in eine neue Welt für dich sein.‟

Heather registrierte, dass er seine Abwehrhaltung lockerte. Offenbar rechnete er jetzt nicht mehr wirklich damit, dass sie ihn aus dieser für sie sehr ungünstigen Position angreifen würde, und plötzlich wusste sie, was sie zu tun hatte.

Mit aller Entschlossenheit und Kraft rammte sie ihm das Messer durch den Schuh in seinen rechten Fuß. Noch während Bannister vor Überraschung, Schmerz und Wut aufschrie, warf sie sich bereits zur Seite und sprang auf.

Trotz seiner Schmerzen reagierte er unglaublich schnell und versuchte nach ihr zu greifen, bekam ihre Jacke jedoch nicht richtig zu packen. Heather riss sich los und war im gleichen Moment an ihm vorbei. So schnell sie konnte, hastete sie die Treppe hinauf.

„Das wirst du bereuen, du Miststück!‟, brüllte Bannister ihr nach, während er sich bückte, und das Messer aus seinem Fuß zog. „Warte nur, ich kriege dich!‟

Heather rannte weiter. Sie erreichte ihr Schlafzimmer und hastete hinein. Mit zitternden Fingern zog sie ihre Nachttischschublade auf und ergriff die Pistole. Ihre Nerven waren wie hauchdünne Seidenfäden und drohten jeden Moment zu zerreißen, doch mit der Waffe fühlte sie sich bereits ein klein bisschen sicherer.

Anders als zuvor, war sie sich nicht wirklich sicher, ob sie es fertigbringen würde, auf Bannister zu schießen, doch sie hoffte, dass das auch gar nicht nötig sein würde. So gleichgültig ihm das Leben anderer war, so wertvoll schien ihm sein eigenes zu sein. Vielleicht würde er aufgeben, wenn sie die Pistole auf ihn richtete.

Als sie sich umdrehte, hatte auch Bannister die Schlafzimmertür erreicht. Sein Fuß blutete stark, und er humpelte, doch Wahnsinn und Fanatismus halfen ihm, den Schmerz zu verdrängen.

„Das wird dir nichts nutzen‟, keuchte er. Drohend richtete er das blutige Messer auf sie, während er mit der anderen Hand etwas aus seiner Hosentasche zog. „Während ich auf dich gewartet habe, hatte ich genug Zeit, um mich umzusehen, und natürlich habe ich die Pistole auch entdeckt.‟

Er öffnete seine Faust und hielt sie ihr mit einem triumphierenden Grinsen entgegen. Auf seiner Handfläche lag das Magazin der Waffe. Achtlos ließ er es fallen.

„Und jetzt wirst du für alles bezahlen!‟, stieß er hervor und kam weiter auf sie zu.

Heather wusste, dass sie verloren war. Um den einzigen Ausgang aus dem Raum zu erreichen, hätte sie direkt an Bannister vorbei gemusst, und das würde ihr niemals gelingen. Die Verletzung am Fuß behinderte ihn zwar, aber bei Weitem nicht so stark, wie sie gehofft hatte.

Obwohl sie wusste, dass ihr die Waffe ohne Munition nichts nutzen würde, drückte sie in ihrer Verzweiflung den Abzug, und das Unglaubliche geschah. Donnernd löste sich ein Schuss. Die Kugel traf Bannister dicht unterhalb des Halses und schleuderte ihn zurück. Ungläubig starrte er sie einen Moment lang an, dann stürzte er schwer zu Boden und blieb reglos liegen.

Heather selbst war mindestens so fassungslos und überrascht wie er. Erst nach Sekunden begriff sie, was geschehen war. Obwohl er sich selbst als eine Art Todesengel sah, kannte Bannister sich mit Schusswaffen offenbar nicht besonders gut aus. Er hatte zwar das Magazin aus der Pistole gezogen, aber nicht gewusst, dass eine Kugel bei diesem Modell bereits im Lauf steckte, damit man nicht erst durchladen musste.

Als hätte sie sich daran verbrannt, ließ Heather die Waffe fallen. Vorsichtig, immer noch furchtsam, näherte sie sich Bannister, darauf gefasst, dass er sich plötzlich aufrichten und sie erneut angreifen würde.

Sie war kein besonders guter Schütze, und es wunderte sie, dass sie ihn überhaupt getroffen hatte. Erst als sie ihn erreichte und sich über ihn beugte, erkannte sie, dass es sich sogar um einen wahren Meisterschuss gehandelt hatte. Auf Bannisters Gesicht zeigte sich noch immer ein verblüffter Ausdruck, als könnte er nicht glauben, was geschehen war, doch seine Augen waren bereits gebrochen.

Er war tot.

Der Alptraum war vorbei.

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Heather hatte sich getäuscht.

Mit Bannisters Tod war der Alptraum noch längst nicht vorbei.

War ihr die letzte halbe Stunde mit ihm wie der Vorhof der Hölle vorgekommen, so war das, was danach folgte, die Hölle selbst.

Dank ihrer panischen Angst hatte ihr Körper in der Zeit, in der sie mit dem wahnsinnigen Mörder durchs Fegefeuer gegangen war, massenweise Adrenalin produziert und in ihre Adern gepumpt, so dass sie praktisch die ganze Zeit über unter Hochspannung gestanden hatte. Sie war so damit beschäftigt gewesen, irgendwie zu überleben, dass sie gar nicht zum Nachdenken darüber gekommen war, was überhaupt passiert war. Panik und Entsetzen hatten ihren Verstand blockiert und keinerlei Raum für andere Gefühle mehr gelassen.

Das änderte sich erst, als sie nach Bannisters Tod ins Erdgeschoss zurückhastete, um sich um George zu kümmern, und erkennen musste, dass jede Hilfe für ihn zu spät kam. Das Stöhnen war offenbar nur ein letztes Aufbäumen vor dem Tod gewesen.

Kaum hatte Heather die Endgültigkeit seines Todes registriert, versagten ihr die Nerven vollends. Sie erlitt einen Zusammenbuch, der schließlich in einen minutenlangen Weinkrampf mündete.

Rocky war tot.

George war tot.

Sie selbst wäre um ein Haar ebenfalls ermordet worden, und sie hatte selbst einen Menschen getötet, auch wenn es sich um einen wahnsinnigen Mörder handelte.

Mit all dem auf einmal fertig zu werden, war nicht leicht. Minutenlang vergoss sie bittere Tränen über dem Leichnam ihres besten und einzigen Freundes, der ihr erst vor wenigen Stunden, die ihr mittlerweile wie Wochen vorkamen, einen Liebesantrag gemacht hatte.

Irgendwann versiegten ihre Tränen. Mühsam, als wäre sie eine uralte Frau, die sich kaum auf den Beinen halten könnte, wankte Heather ins Wohnzimmer und wählte mit zitternden Fingern die Nummer der Polizei

Die richtige Tortur für sie begann jedoch erst, als die Polizei nach einer knappen Viertelstunde, die ihr wie eine Ewigkeit erschien, schließlich eintraf.

Sie kannte Sheriff Brennan, einen noch relativ jungen und gutaussehenden Mann, der meist gutgelaunt war, flüchtig, und sie wusste, dass er seine Arbeit zwar gewissenhaft ausübte, aber nicht unbedingt ein absoluter Schnelldenker war. Die beiden Deputys, die er mitgebracht hatte, kannte Heather zwar nicht, aber für die beiden galt so ziemlich das gleiche wie für ihren Chef.

Wieder und immer wieder musste Heather berichten, was sich zugetragen hatte. Entweder begriff Brennan wirklich nicht auf Anhieb, was sie ihm mitzuteilen versuchte, oder er stellte sich noch begriffsstutziger, als er ohnehin war.

Ein Doppelmord mit anschließender Tötung des Täters stellte in einer so kleinen, ländlichen Gemeinde wie North Bend das vermutlich blutigste Verbrechen dar, das es hier je gegeben hatte. Entsprechend genau wollte Brennan alles wissen, um sich bei diesem Fall, der offenkundig ein paar Nummern zu groß für ihn war, nur ja kein Versäumnis vorwerfen lassen zu müssen.

Jedes noch so unbedeutende Detail interessierte ihn, und vor Allem mit Bannisters Motivation hatte er beträchtliche Schwierigkeiten. Sie lag so weit außerhalb seiner eigenen etwas naiven Denkweise, dass er kaum imstande war, sie nachzuvollziehen.

Ihre Aussage stellte für Heather eine grausame Qual dar. Sie wollte endlich allein sein, wollte ein Bad nehmen und sich so bald wie möglich hinlegen, um im Schlaf die schrecklichen Geschehnisse zumindest für eine Weile vergessen zu können.

Ganz bestimmt aber wollte sie sich nicht genauestens an alle blutigen Einzelheiten des Verbrechens erinnern, wozu der Sheriff sie mit seinen Fragen zwang. Es war, als ob sie alles noch einmal durchlebte, und dann ein weiteres Mal, wenn ihm wieder irgendein unwichtiger Punkt unklar erschien, und dann noch einmal.

Details

Seiten
Erscheinungsjahr
2018
ISBN (ePUB)
9783738916898
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Januar)
Schlagworte
jagd jenseitsmörder
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Titel: Jagd auf den Jenseitsmörder