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Folge 15/16 - Chronik der Sternenkrieger Doppelband

von Alfred Bekker (Autor:in)
©2018 300 Seiten
Reihe: Sternenkrieger Doppelband, Band 8

Zusammenfassung

Chronik der Sternenkrieger – Folge 15 und 16
Doppelband: In den Höhlen / Die Feuerwelt

von Alfred Bekker

Mitte des 23. Jahrhunderts werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner.

In dieser Zeit bricht die STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf...

Alfred Bekker schreibt Fantasy, Science Fiction, Krimis, historische Romane sowie Kinder- und Jugendbücher. Seine Bücher um DAS REICH DER ELBEN, die DRACHENERDE-SAGA,die GORIAN-Trilogie und seine Romane um die HALBLINGE VON ATHRANOR machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er war Mitautor von Spannungsserien wie Jerry Cotton, Kommissar X und Ren Dhark. Außerdem schrieb er Kriminalromane, in denen oft skurrile Typen im Mittelpunkt stehen - zuletzt den Titel DER TEUFEL VON MÜNSTER, wo er einen Helden seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einer sehr realen Serie von Verbrechen macht.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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Chronik der Sternenkrieger – Folge 15 und 16

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Doppelband: In den Höhlen / Die Feuerwelt

von Alfred Bekker

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EIN CASSIOPEIAPRESS E-Book

© 2005, 2008, 2012 by Alfred Bekker

© 2014 der Digitalausgabe by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich (Westf.)

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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MITTE DES 23. JAHRHUNDERTS werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner.

In dieser Zeit bricht die  STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf...

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ALFRED BEKKER schreibt Fantasy, Science Fiction, Krimis, historische Romane sowie Kinder- und Jugendbücher. Seine Bücher um DAS REICH DER ELBEN, die DRACHENERDE-SAGA,die GORIAN-Trilogie und seine Romane um die HALBLINGE VON ATHRANOR machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er war Mitautor von Spannungsserien wie Jerry Cotton, Kommissar X und Ren Dhark. Außerdem schrieb er Kriminalromane, in denen oft skurrile Typen im Mittelpunkt stehen - zuletzt den Titel DER TEUFEL VON MÜNSTER, wo er einen Helden seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einer sehr realen Serie von Verbrechen macht.

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DIESES EBOOK ENTHÄLT folgende zwei Bände:

Band 15:  In den Höhlen

Band 16:  Die Feuerwelt

Der Umfang dieses Ebook entspricht 225 Taschenbuchseiten.

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Band 15: In den Höhlen

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Samtran VIII, Nalhsara der Fulirr, Residenz des Flottenkommandanten

Marrashtuorr ließ seine Riechzunge kurz aus dem reptiloiden Maul hervorschnellen. Ein Zeichen der Nervosität. Aber der gegenwärtige Befehlshaber jener Flotte aus Einheiten der sauroiden Fulirr und der Methan atmenden Naarash, die sich im Samtran-System gesammelt hatte, um sich für den Angriff auf das Territorium der Humanen Welten vorzubereiten, wusste, dass eigentlich von ihm erwartet wurde, sich beherrscht und stark zu geben.

Narashtirr, der zweite Fulirr im Raum starrte derweil auf den großen Bildschirm, wo gerade die eingehenden Abstimmungsergebnisse erschienen. Die Allgemeinheit des Nalhsara entschied über Krieg oder Frieden. Lange hatte die große Mehrheit der Fulirr auf Grund der zu erwartenden hohen Verluste davor zurückgeschreckt, den Großangriff auf den Picus-Sektor und das von Menschen kontrollierte Wurmloch tatsächlich zu beginnen, nachdem man bei ersten Vorstößen gescheitert war.

Doch nun standen die Zeichen auf Krieg. Immer deutlicher zeichnete sich eine Mehrheit für einen sofortigen Angriff ab.

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Etwas abseits standen mehrere Gestalten in Raumanzügen, deren Helmvisiere keinerlei Blick ins Innere gewährten. Die entfernt humanoiden Körper schienen über sehr kräftige Arme und Beine zu verfügen.

Außerdem hatten sie offenbar an der Vorderseite des Kopfes einen langen Fortsatz. Ob es sich dabei um ein Maul, einen Schnabel oder einfach nur um einen sehr tiefen Zierkamm handelte, war nicht bekannt.

Es handelte sich um Methan atmende Naarash.

Gator, der regierende Handelsherr des Handelshauses Algorar weilte mit seinem Gefolge in der Schwebenden Stadt.

Es war dem Naarash-Handelsherrn gelungen, etwas zu schaffen, was vor ihm noch niemand geschafft hatte: Eine Flottenkoalition verschiedener Naarash-Handelshäuser, die allesamt ein einziges Ziel einte: Sie wollten das sich im Besitz der Menschen befindliche Wurmloch unter ihre Kontrolle bringen. Und da ihr Versuch, das Wurmloch auf eigene Faust zu erobern, kläglich am Widerstand des Space Army Corps gescheitert war, hofften sie nun, dieses Ziel mit Hilfe eines Verbündeten zu erreichen, dessen Ziele in dieser Hinsicht offenbar einigermaßen kongruent mit ihren eigenen waren.

Am problematischsten war vermutlich die Zeit nach dem Sieg über die Humanen Welten, wie sich das Staatsgebilde der Menschheit nannte. Dann wurde nämlich die Beute aufgeteilt und der Naarash-Handelsherr hoffte natürlich darauf, dass es letztendlich seine Seite sein würde, die am Ende das Wurmloch unter ihre Kontrolle bekam, mit dessen Hilfe eine Passage in ein fünfzigtausend Lichtjahre entferntes Raumgebiet erreicht werden konnte.

Doch noch war es nicht so weit.

Noch konnte alles an der Unentschlossenheit seiner Fulirr-Verbündeten scheitern, bei denen alle Entscheidungen durch das »Nalhsara« gefällt wurden. So wurde nicht nur das Staatsgebilde und das Territorium der Sauroiden bezeichnet, sondern der Begriff beinhaltete vor allem auch die Gesamtheit aller Fulirr.

Die Allgemeinheit.

Sie stimmte darüber ab, was zu geschehen hatte und nötigenfalls auch, wer die beschlossenen Maßnahmen durchführen musste.

Eine sehr radikale Form direkter Demokratie, die dem Handelsherrn des Hauses Gator suspekt war. Gator war lediglich dem Kapitänsrat der Flotte des Handelshauses Algorar gegenüber verantwortlich. Dessen Mitgliedern musste er in regelmäßigen Abständen Rede und Antwort stehen und sie überzeugen, ihn gegebenenfalls in seinem Amt zu bestätigen.

In den Perioden dazwischen jedoch war – Gators Handlungsfreiheit recht groß – und die Loyalität der Kapitäne eine Ehrensache.

Ich frage mich ernsthaft, wie es dieses unentschlossene Volk von Reptilienabkömmlingen jemals geschafft hat, doch ein vergleichsweise großes, wenn auch dünn besiedeltes Sternenreich aufzubauen und darüber hinaus einen jahrzehntelangen Krieg gegen die K'aradan zu führen, wenn sie stets vor einer strategischen Entscheidung dazu gezwungen sind die Allgemeinheit aller stimmberechtigten Bürger zu befragen!

In Gators etwas geringschätziger Meinung hatte dies den Naarash bisher einen Vorteil gebracht – nämlich, dass sie von allen Völkern, die den Naarash bekannt waren, die beste Datenübertragungstechnik entwickelt hatten, um jederzeit ein korrektes Abstimmungsergebnis des Nalhsaras sicherstellen zu können.

»Die Abstimmung ist beendet«, erklärte Narashtirr, der Adjutant des Kommandanten, zufrieden und riss den Naarash damit aus seinen Gedanken.

Dem Verborgenen Gott sei Dank hat diese Folter nun ein Ende!, durchfuhr es Gator.

Das Ergebnis war eindeutig.

Narashtirr wandte sich an seinen Kommandanten Marrashtuorr und meinte: »Das Nalhsara hat sich für einen sofortigen Angriff entschieden!«

»Ja, so sieht es leider aus!«

»Warum leider?«, fragte Narashtirr. »Jeder hatte die Möglichkeit, seine Stimme abzugeben. Du auch.«

»Das habe ich auch getan«, verteidigte sich Marrashtuorr.

»Sind Sie etwa nicht der Meinung, dass wir das Wurmloch unter unsere Kontrolle bringen sollten?«, wunderte sich Narashtirr, denn über die Medien hatte der Kommandant der Flotte bei Samtran VIII stets etwas anderes gesagt und immer darauf hingewiesen, was für eine immense Bedeutung Wurmloch Alpha, wie die Menschen es nannten, für die Fulirr besaß.

»Ich meine eigentlich nur, dass der richtige Zeitpunkt noch nicht gekommen ist«, entgegnete Marrashtuorr. »Es wäre besser, wir würden mit unserem Angriff noch warten, bis die Umstände günstiger sind und wir mit weniger Verlusten zu rechnen haben.«

»Verluste sind unvermeidlich«, erklärte Narashtirr sehr nüchtern.

»Das mag sein. Aber die Bevölkerung des Nalhsara erwartet offenbar beides zugleich von uns! Die Eroberung des Wurmlochs, aber bitte ohne Tote.«

Die Abstimmungsergebnisse verschwanden vom Bildschirm.

Sie machten dem Bild eines offenbar schon recht betagten Fulirr Platz, dessen Schuppen nicht mehr im besten Zustand waren.

Das war Hrrarr, der Ehrenflottenkommandant, dessen Pflicht es jetzt war, Marrashtuorr den Auftrag zu erteilen, mit der bei Samtran VIII gesammelten Flotteneinheiten in Richtung der Grenze zu den Humanen Welten aufzubrechen.

»Sie haben das Abstimmungsergebnis zur Kenntnis genommen, Marrashtuorr?«, fragte der alte Hrrarr.

Der Flottenkommandant nahm Haltung an und ballte die rechte Pranke zu dem Fulirr-Äquivalent einer Faust.

»Das habe ich. Unsere Schiffe stehen bereit. Ich kann jederzeit den Angriff befehlen.«

»Dann tun Sie dies – und zwar umgehend.«

»Jawohl!«

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Ein halbes Lichtjahr vom Samtran-System entfernt befand sich der Leichte Kreuzer NEPTUN unter dem Kommando von Commander Raphael Wong auf Erkundungsmission. Sicherheitshalber flog die NEPTUN im Schleichflug, nachdem zunächst in einem mehrstündigen Bremsmanöver die beim Austritt aus dem Sandström-Raum erreichte Geschwindigkeit von 0,4014 LG auf unter 0,2 LG gedrosselt worden war.

Sämtliche Systeme waren auf ein absolut notwendiges Minimum zurückgefahren worden, um verräterische Emissionen zu vermeiden.

Zwar bestand trotz der überlegenen Technologie der Fulirr keinerlei Gefahr, dass die NEPTUN unmittelbar der feindlichen Fernortung auffiel. Verräterische Emissionen brauchten schließlich ein halbes Jahr, ehe sie auf diese Entfernung im Samtran-System zu orten waren. Allerdings bestand in diesem Raumsektor immer auch die Gefahr, auf gegnerische Patrouillen zu stoßen, die aus weitaus geringerer Distanz ihre Ortungssysteme auf Hochtouren laufen ließen und dann natürlich unter Umständen in der Lage waren, beispielsweise die typische Signatur eines Ionentriebwerks anzumessen, wie es zur Standardausstattung der Space Army Corps Schiffe gehörte.

Die NEPTUN hatte ständig mindestens eine Sandström-Sonde auf Empfang.

Mit Hilfe dieser aus K'aradan-Technologie stammenden Sonden war es dem Space Army Corps erstmals möglich, im Sandström-Raum Ortungen vorzunehmen. Allerdings mussten die Sonden dafür auf mindestens vierzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden, um in den Sandström-Raum eindringen und von dort senden zu können.

Da dieser Beschleunigungsvorgang einige Stunden dauerte, und stets die Gefahr bestand, dass der Kontakt zwischen Schiff und Sonde irgendwann abbrach, wurden bei besonders wichtigen

Beobachtungsmissionen stets zwei Sonden zeitverzögert eingesetzt. Ansonsten bestand die Gefahr, dass man für mehrere Stunden keine Sandström-Ortung besaß und zumindest in Bezug auf den Zwischenraum blind war.

Seit einer Woche versah die Crew der NEPTUN bereits ihren Dienst mehrere Lichtjahre jenseits der unsichtbaren Grenze zwischen dem Machtbereich der Fulirr und dem Territorium der Humanen Welten.

Eine gewaltige Armada hatte sich im Samtran-System zusammengefunden – bereit, sich des Wurmlochs bei Alpha Picus gewaltsam zu bemächtigen.

Commander Raphael Wong saß in seinem Kommandantensitz und schlug die Beine übereinander. Äußerlich wirkte er gelassen, wozu zweifellos auch sein asiatisch geprägtes Gesicht beitrug. Innerlich jedoch war er auf das Höchste angespannt.

Ihm war – wie jedem an Bord – klar, dass der große Krieg um Wurmloch Alpha und die mit ihm verbundene Verheißung einer schnellen Verbindung in ein 50.000 Lichtjahre entfernt liegendes Raumgebiet jederzeit beginnen konnte.

Eigentlich ist es verwunderlich, dass der Angriff nicht längst stattgefunden hat, überlegte Wong. Die Flottenstärke der vereinigten Fulirr und Naarash reichte längst aus.

Zwar war die Überlegenheit der Fulirr in letzter Zeit durch die Verwendung der Sandström-Sonden etwas gemildert worden, da es nun möglich wurde, im Sandström-Raum herannahende Schiffe bereits bei ihrem voraussichtlichen Austrittspunkt im Normalraum mit Dauerfeuer zu empfangen.

Aber die technologische Überlegenheit der Fulirr war ansonsten unangefochten. Ihre Antimaterieraketen stellten die stärkste Waffe dar, denen die Menschheit bisher begegnet war.

Vergeblich hatten Wissenschaftler der Humanen Welten versucht, diese Technologie zu kopieren. Und die Fulirr, denen es zuvor gelungen war, die Menschheit als Verbündete in den Konflikt hineinzuziehen, der seit vielen Jahrzehnten mit unverminderter Härte zwischen dem Reich der K'aradan und dem Nalhsara tobte, hatten es zwar verstanden, den Humanen Rat und die Führung des Space Army Corps mit dem Versprechen eines Technologie-Transfers zu ködern, andererseits aber dafür zu sorgen, dass so gut wie kein Anwendungswissen die Seiten gewechselt hatte.

Die menschlichen Versuche, auf Grundlage des Fulirr-Wissens eine eigene Antimateriewaffe zu entwickeln, waren seinerzeit kläglich gescheitert, wie Raphael Wong sich nur zu gut erinnerte. Schließlich war er damals auf der STERNENKRIEGER I Erster Offizier unter Commander Rena Sunfrost gewesen, als der Leichte Kreuzer zur Durchführung des ersten Tests ins Apollo-System aufgebrochen war.

»Captain, eine der Sonden misst einen Eintritt in den Sandström-Raum an. Die Position entspricht dem Samtran-System. Ein zweiter Eintritt in den Sandström-Raum erfolgte kurz danach«, meldete Lieutenant Derek Batista, der Ortungsoffizier der NEPTUN.

»Wie der Beginn der großen Invasion sieht das nicht gerade aus«, kommentierte Lieutenant Brian Mayer, der Erste Offizier. »In den letzten Tagen haben immer wieder mal ein paar Schiffe das System verlassen...«

»Allerdings gab es keine Schiffe, die noch hinzugekommen wären, um die Armada der Fulirr und Naarash zu verstärken«, gab Derek Batista zu bedenken.

»Sie meinen also, wir können davon ausgehen, dass die Phase der Flottenkonzentration abgeschlossen ist«, glaubte Raphael Wong.

»Ja, Sir«, bestätigte Batista. »Im Wesentlichen ist sie das allerdings schon seit Wochen. Nach den Messungen, die sowohl wir als auch die anderen Kundschafterschiffe vorgenommen haben, sind innerhalb der letzten vierzehn Tage – gerade mal fünf Einheiten im Samtran-System eingetroffen.«

»Captain, der Eintrittsvektor der beiden soeben im Sandström-Raum angemessenen Fulirr-Raumer sollte uns zu denken geben«, meldete sich Lieutenant Pemmo Nebbson zu Wort. Er war der Funkoffizier der NEPTUN und als solcher für den Empfang jener Signale zuständig, die von den Sandström-Sonden zum Mutterschiff gesandt wurden. Die Verarbeitung der eingehenden Daten lag dann wiederum federführend beim Ortungsoffizier. Allerdings hatte natürlich auch Nebbson zwangsläufig ständigen Zugriff auf die Daten, da es ihm anders gar nicht möglich gewesen wäre, Übermittlungsfehler oder eine nachlassende Sendeleistung der Sonde rechtzeitig zu erkennen.

Gerade Letztere kündigte sich nämlich in der Regel durch eine immer schlechter werdende Daten-Dichte und Qualität an, wie sich im Laufe der Zeit gezeigt hatte.

»Ich bitte um eine Erläuterung, Lieutenant«, sagte Commander Wong.

»Der Eintrittsvektor verrät uns, dass der voraussichtliche Punkt, an dem die beiden Schiffe in den Normalraum zurückkehren werden, außerhalb der Ortung unserer Sandström-Sonden liegt. Unser Bordrechner vermutet den Austrittspunkt in einer Entfernung von mindestens vier Lichtjahren zum Samtran-System.«

»Das würde auf Alpha Picus und Wurmloch Alpha zutreffen«, stellte Wong düster fest.

»Zumindest dürfte feststehen, dass die beiden Schiffe eigentlich nur innerhalb des Territoriums der Humanen Welten rematerialisieren können.«

»Vielleicht handelt es sich um irgendeine Erkundungsmission«, überlegte Lieutenant Celine Al-Malik, die Waffenoffizierin der NEPTUN. »So ähnlich wie wir auch vorgehen, um die Flottenkonzentrationen des Gegners im Auge zu behalten.«

»Captain, sollen wir Commodore Soldo über die beiden Schiffe informieren?«, fragte Lieutenant Brian Mayer.

»Durch die Benutzung des Sandström-Funks würden wir unsere Tarnung aufgeben«, gab Lieutenant Nebbson zu bedenken.

Wong überlegte kurz.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich in der Nähe vorgeschobene Einheiten der Fulirr befanden, war recht groß.

Die über die Sandström-Sonden angemessenen Zwischenraum-Passagen der letzten Tage ließen das fast schon als gesicherte Erkenntnis erscheinen. Falls man die Funkstille brach und den Sandström-Sender der NEPTUN benutzte, musste das eigentlich von diesen Schiffen bemerkt werden.

Das wiederum bedeutete nichts anderes, als dass die Mission der NEPTUN damit beendet war. Sie konnte es dann wahrscheinlich gerade noch schaffen, rasch genug zu beschleunigen, um in den Sandström-Raum zu entkommen, ehe stärkere Verbände der Fulirr erschienen und die NEPTUN mit ihren gefürchteten Antimaterieraketen unter Feuer nahmen.

»Was ist Ihre Meinung, Templeton?«, erkundigte sich Wong bei Lieutenant Pierre Templeton, dem Ruderoffizier des Leichten Kreuzers, der sich bisher noch gar nicht zur Sache geäußert hatte.

»Meiner Einschätzung nach können die beiden angepeilten Fulirr-Einheiten nicht so viel Schaden anrichten, wie durch die Aufhebung der Funksperre entstehen wurde. Unser Posten wäre unbesetzt. Wir sind im Moment die am weitesten vorgeschobene Einheit und die Ortungsreichweite der Sandström-Sonden, die sich auf weiter zurückgezogenen Positionen befinden, reichen nicht bis ins Samtran-System. Daher kommt unserem Schiff im Moment eine Schlüsselposition zu.«

»Letzteres ist eine Einschätzung, die ich teile«, sagte Wong nickend.

»Sir, darf ich etwas anmerken«, meldete sich Lieutenant Celine Al-Malik zu Wort. Die Waffenoffizierin hatte sich von ihrer Konsole abgewandt, über die sie normalerweise im Gefechtsfall die Steuerung des Schiffs übernahm.

»Bitte, Lieutenant«, gab Wong zurück.

»Es könnte sich bei dem Aufbruch der beiden Fulirr-Schiffen um ein taktisches Manöver handelt, das dem Großangriff vorausgeht.«

»Sie denken, dass diese Schiffe ausgesandt wurden, damit wir die Sandström-Funksperre brechen«, schloss Wong.

»Ja, Sir. Die Fulirr wüssten dann, wie gut sie beobachtet werden und können sich immer noch überlegen, ob sie ihre Invasion bereits starten oder noch verschieben...«

»Dass diese Invasion unmittelbar bevorsteht, dafür sprechen eigentlich alle Erkenntnisse«, meinte Mayer. Der Erste Offizier der NEPTUN kratzte sich nachdenklich am Kinn und fügte dann noch hinzu: »Insbesondere könnte die verstärkte Sandström-Funk-Aktivität innerhalb des Nalhsara darauf hindeuten, dass gegenwärtig eine Abstimmung vonstatten geht!«

»Eine Abstimmung mit hohem Datenaufkommen, an der sich die Gesamtheit der Fulirr beteiligt«, stimmte Nebbson zu. »Das scheint mir plausibel zu sein.«

Raphael Wong atmete tief durch. Es ist meine Entscheidung.

Er erhob sich aus seinem Schalensessel, wandte den Blick kurz in Richtung des Panoramaschirms, auf dem die relativ nahe Sonne Samtran deutlich hervorgehoben zu sehen war und befahl schließlich: »Die Sandström-Funksperre bleibt aufrecht erhalten. Wir beobachten weiter die Flottenbewegungen des Gegners.«

»Aye, Sir«, bestätigte Mayer.

Zwei Stunden dauerte es, ehe die nächsten Eintritte in den Sandström-Raum durch die Sonden geortet wurden.

Inzwischen hatte die NEPTUN den Kontakt zu einer dieser Sonden verloren, was unweigerlich irgendwann geschah. Eine weitere war aber rechtzeitig auf den Weg geschickt worden, um den Ausfall zu ersetzen, sodass der Ausfall an Ortungsdaten nicht allzu lange andauerte.

Nach fünf Stunden waren bereits vierzig Einheiten angepeilt worden, die in den Sandström-Raum eingetreten waren.

Die Eintrittsvektoren verrieten, dass die Schiffe des Gegners zwei Gruppen bildeten, die offensichtlich auch zwei verschiedene Ziele ansteuerten, die mindestens ein paar Lichtjahre voneinander entfernt positioniert sein mussten.

Jetzt endlich gab Wong den Befehl, die Funksperre zu brechen.

»Funk! Schicken Sie eine Transmission an Commodore Soldo auf der LIBERTY«, verlangte Wong von Lieutenant Pemmo Nebbson. »Ruder! Maximale Beschleunigung und schnellstmöglicher Übertritt in den Sandström-Raum. Wir kehren zurück.«

»Ich nehme an, dass man im Picus-Sektor schon sehr bald jede Einheit brauchen wird«, glaubte Lieutenant Templeton.

Der Ruderoffizier nahm ein paar Schaltungen an seiner Konsole vor. Ein Rumoren durchlief die NEPTUN. Die Ionentriebwerke liefen warm und sorgten schon bald für einen erheblichen Schub.

Dennoch würde der Leichte Kreuzer für die nächsten Stunden noch im Normalraum festsitzen. Aber wir haben einen Trumpf auf unserer Seite, dachte Wong. Solange wir dafür sorgen, dass wir immer ausreichend Sandström-Sonden im Zwischenkontinuum haben, können wir den Feind orten – er uns aber nicht!

Dies war kein taktisches Geplänkel mehr, um Beobachterschiffe dazu zu verleiten, ihren Schleichflug aufzugeben und durch Benutzung des Sandström-Senders zu verraten.

Dies war der Beginn des Krieges!

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3

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Viele Lichtjahre entfernt, im Gebiet der K'aradan...

Die sichelförmige STERNENKRIEGER II materialisierte aus dem Sandström-Raum.

Warten wir ab, was wir hier finden werden, ging es Captain Rena Sunfrost, der Kommandantin des Sondereinsatzkreuzers, durch den Kopf.

Es war noch nicht lange her, da traf die Crew der STERNENKRIEGER in einem dreihundert Lichtjahre horizontal zur Spiralebene der Galaxis gelegenen System von sieben Dunkelwelten auf die Rodanag. Dem Raumgebiet hatte Professor Jack Metz die Bezeichnung Dark Area gegeben.

Ein Name, der sich bald auch für das Siebenersystem selbst eingebürgert hatte. Die krakenähnlichen Geschöpfe waren offenbar die degenerierten Verwalter eines künstlichen angelegten Objekts von gigantischer Größe gewesen. Wie die legendären Basir und die Etnord waren sie ein Hilfsvolk der Hochzivilisation der Alten Götter gewesen, die überall in der Galaxis Rudimente ihrer Baukunst und ihrer Technik hinterlassen hatten. Eine Hohlwelt gehörte ebenso dazu wie die zu einem exakten Siebeneck angeordneten Monde des Planeten Tardelli IV, der deshalb auch den Namen Heptagon erhalten hatte. Die sieben dunklen Welten – ebenfalls zu einem exakten Heptagon angeordnet und auf geheimnisvolle Weise miteinander verbunden – waren das bisher phantastischste dieser gigantischen Bauwerke.

Seine Funktion hatte die STERNENKRIEGER Crew wenig später kennen gelernt.

Dieses Siebeneck von Dunkelwelten diente offenbar der Erschaffung von Wurmlöchern, die als Transportpassagen dienten.

Eine Flut von sehr charakteristischen, fünfdimensionalen Impulsen hatte Heptagon erreicht, war  von dort wie bei einer Relais-Station weitergeleitet worden und hatte schließlich jenen geheimnisvollen Ort in der Dark Area erreicht.

Die STERNENKRIEGER hatte die Bildung des Wurmlochs durch gezielten Beschuss der technischen Anlagen verhindern können.

Sehr wahrscheinlich handelte es sich um den Invasionsversuch jener parasitären Organismen, die auch die menschlichen Siedler im 50.000 Lichtjahre entfernten Trans-Alpha-Sektor übernommen hatten und deren Armada nur darauf wartete, ihr Einflussgebiet endlich auch auf die andere Seite von Wurmloch Alpha ausdehnen zu können.

Inzwischen galt es als gesicherte Erkenntnis, dass auch jenes Wurmloch, das die Sonne Alpha Picus umkreiste und jetzt der Grund für so viele außenpolitische Verwicklungen war, einen künstliche Ursprung hatte.

Der planetare Nebel, der Alpha Picus umkreiste, stellte wohl die Restmaterie eines Systems von Sieben Dunkelwelten dar, das wahrscheinlich in einem vor Äonen tobenden Krieg vernichtet worden war.

»Die Austrittsgeschwindigkeit beträgt 0,4112 LG!«

Lieutenant John Taranos, seines Zeichens Ruderoffizier der STERNENKRIEGER II, nahm ein paar Schaltungen an seiner Konsole vor.

»Bremsmanöver einleiten«, befahl Lieutenant Commander Steven Van Doren, der Erste Offizier.

»Wir orten die charakteristischen fünfdimensionalen Impulse, die auch im Dark-Area-System und den Heptagon-Monden angemessen wurden«, meldete sich nun Lieutenant Wiley Riggs zu Wort.

Der junge, außerordentlich begabte Ortungsoffizier mit den dunklen, leicht gelockten Haaren berührte ein paar Sensorfelder seines Touchscreens und aktivierte ein Teilfenster des Panoramaschirms. Es zeigte eine schematische Positionsdarstellung mit einem markierten Radius von zwei Lichtstunden, was jenem Bereich entsprach, der von den Sensoren der STERNENKRIEGER ohne Zeitverzögerung abgetastet werden konnte.

Eine Markierung erschien plötzlich innerhalb dieses Radius.

Wenig später eine zweite und dritte.

»Captain, die Schiffe unserer K'aradan-Eskorte materialisiert gerade im Leerraum«, meldete Riggs.

»Damit war ja zu rechnen«, meinte Van Doren.

Nach der Rückkehr der STERNENKRIEGER aus dem System der sieben Dunkelwelten hatte der Humane Rat diplomatische Kontakte mit sämtlichen Sternenreichen in unmittelbarer Nachbarschaft der Humanen Welten aufgenommen, um ihnen deutlich zu machen, dass sie gut daran taten, innerhalb ihrer Territorien nach ähnlichen Siebenersystemen zu suchen.

Möglicherweise waren diese nichts anderes als Einfallstore der Etnord.

»Captain, eine Transmission des Flaggschiffs des K'aradan-Verbandes«, meldete Lieutenant Susan Jamalkerim, die Kommunikationsoffizierin der STERNENKRIEGER. »Der Kommandant möchte Sie sprechen.«

»Auf den Schirm mit ihm!«, befahl Sunfrost.

»Aye, aye, Captain!«

Wenig später erschienen Gesicht und Oberkörper eines K'aradan auf dem Panoramaschirm der Brücke. Seine Haut war leicht rotbraun getönt, wie es für die sehr menschenähnlichen

»Söhne Aradans« durchaus typisch war. Von der äußeren Anatomie her war ein K'aradan von einem Menschen nicht zu unterscheiden – allerdings galt dies nicht für die Anordnung der inneren Organe und die Physiologie. Der Umstand, dass K'aradan die meisten lebenswichtigen Organe zweifach besaßen, machte sie körperlich sehr viel widerstandsfähiger und robuster als Menschen. Außerdem waren ihre Augen wesentlich leistungsfähiger. Die K'aradan stammten von einer Spezies flugfähiger Jäger ab, die – ähnlich den irdischen Greifvögeln – auf ein sehr gutes Sehvermögen angewiesen waren. So gab es bei den K'aradan fünf Farbrezeptoren, während irdische Säugetiere nur drei besaßen und selbst Reptilien und Vögel lediglich mit vier Rezeptoren ausgestattet waren. Außerdem nahmen sie sehr viel mehr Einzelbilder pro Sekunde auf, als dies beim menschlichen Auge der Fall war. So erschien einem K'aradan selbst eine schnelle Bewegung vergleichsweise wie in Zeitlupe, sodass er seinerseits sehr schnell darauf reagieren konnte. »Reflexe wie ein K'aradan« war auch unter Menschen zu einer Redensart geworden, wenn jemand über eine außergewöhnlich gute Reaktionszeit verfügte.

Der Mann auf dem Bildschirm war kahlköpfig. Auf der linken Seite trug er auf dem Schädel eine Tätowierung, die ihn als Angehörigen eines Hohen Adelshauses auswies.

Sein Name war Sev Baldor aus dem Haus Candovan. Damit gehörte er einem der drei regierenden Erhabenen Häuser an, die das Erbtriumvirat auf Aradan stellten. Dass die K'aradan diese Mission unter das Kommando eines Angehörigen der erhabenen Triumvirats-Häuser stellten, kam einer besonderen Respektsbezeugung gleich. Es machte darüber hinaus aber auch deutlich, welch hohe Priorität das Triumvirat dieser Mission einräumte.

Die STERNENKRIEGER war bereits im Grenzgebiet mit Sev Baldors kleinem Flottenverband zusammengetroffen, um die Einzelheiten der Mission abzusprechen.

Die K'aradan hatten in einem vierhundert Lichtjahre von der Grenzregion zu den Humanen Welten entfernt gelegenen Gebiet ihres im Vergleich zu den Humanen Welten riesigen Sternenreichs genau jene charakteristischen fünf dimensionalen Impulse geortet, wie sie sowohl von Heptagon als auch vom Dunkelwelten-System bekannt waren.

Sie waren bisher neben den verbündeten Ontiden die Einzigen, die die Gefahr ernst nahmen, dass möglicherweise die Etnord oder sogar eine hinter diesen parasitären Intelligenzen stehende Macht versuchte, ein weiteres Wurmloch zu errichten, nachdem Wurmloch Alpha durch die Explosion der STERNENKRIEGER I kurzzeitig unpassierbar und inzwischen vermint worden war.

Es bestand die Gefahr einer groß angelegten Invasion des gesamten Raumsektors – was Naarash und Fulirr bislang einfach nicht zur Kenntnis genommen oder als gezielte Desinformation der Humanen Welten interpretiert hatten.

»Seien Sie gegrüßt, Captain Sunfrost«, sagte Sev Baldor, dessen bunte und mit Orden behängte Uniform seiner Erscheinung etwas Geckenhaftes gab. »Ich hoffe, Sie haben die Sandström-Passage gut überstanden.«

»Danke der Nachfrage, Kommandant Baldor«, erwiderte Sunfrost. »Unsere Ortungssysteme laufen bereits auf Hochtouren, um den Ursprung der 5-D-Impulse zu finden. Über erste Ergebnisse werden wir Sie mit einer gesonderten Transmission in Kenntnis setzen, sobald etwas Verwertbares vorliegt.«

»Danke, Captain.«

Die K'aradan wussten sehr genau, dass sie auf das Wissen, das die Flotte der Humanen Welten – und hier insbesondere natürlich die Crew der STERNENKRIEGER II – gesammelt hatte, angewiesen war. Andererseits war es Commander Sunfrost durchaus bewusst, dass den K'aradan stets das Gefühl gegeben werden musste, dass ihre Souveränität gewahrt blieb.

Schließlich fand diese Operation auf dem Territorium des Reiches von Aradan statt, was bedeutete, dass die letzte Entscheidungsgewalt immer beim zuständigen Kommandanten der K'aradan-Flotte lag – oder gegebenenfalls sogar beim Triumvirat selbst, wenn es um Fragen von weit reichender Bedeutung ging.

»Möglicherweise könnten Sie uns Ihre Suchparameter mit dem Datenstrom dieser Transmission übersenden«, schlug Baldor vor. »Dann wäre es möglich, unser ortungstechnisches Vorgehen aufeinander abzustimmen.«

»Veranlassen Sie das, Lieutenant Riggs!«, wies Sunfrost ihren Ortungsoffizier an.

»Jawohl, Captain«, meldete Riggs und nahm ein paar Schaltungen an seiner Konsole vor. »Daten sind übertragen.«

Eine am oberen Bildrand des Panoramaschirms eingeblendete Statusanzeige bestätigte den Datentransfer.

»Sie wissen, dass wir dieser Mission höchste Priorität einräumen und sich durch die gemeinsame Bewältigung dieser Krise unser Bündnis vertiefen wird.«

»Das entspricht auch der Auffassung unserer Regierung«, gab Sunfrost zurück und dachte: Nicht mehr lange und ich bin eine so gute Diplomatin, dass ich Bruder Guillermo Konkurrenz machen könnte! Genau in diesem Augenblick öffnete sich die Schiebetür der Brücke und der Olvanorer trat ein. Jetzt zu sagen: Wenn man vom Teufel spricht...  wäre vielleicht etwas arg unpassend, Rena!

Der Angehörige des Wissenschaftlerordens der Olvanorer tat seinen Dienst an Bord der STERNENKRIEGER als wissenschaftlicher Berater. Außerdem waren seine diplomatischen Fähigkeiten inzwischen legendär – doch Geschick im Umgang mit anderen Spezies sagte man den Olvanorern ja im Allgemeinen nach. Offenbar wurden sie gerade in dieser Hinsicht auf der Brüderschule von Sirius III geschult. Bruder Guillermo war zwar kein Teil der Space Army Corps Hierarchie, genoss an Bord der STERNENKRIEGER jedoch die Privilegien eines Offiziers.

»Ich denke, wir haben alles besprochen, Captain«, sagte Sev Baldor. Er straffte dabei die Haltung und fügte hinzu: »Wir hören voneinander. Baldor Ende.«

Die Verbindung wurde unterbrochen. Auf dem Panoramaschirm in der Zentrale der STERNENKRIEGER war jetzt eines der tellerförmigen K'aradan-Schiffe zu sehen.

Es war nun wirklich nicht das erste Mal, dass Sunfrost und ihre Crew einer Gruppe von K'aradan-Schiff begegneten. Bis vor kurzem hatte das Reich von Aradan noch zu den außenpolitischen Gegnern gezählt, während die Menschheit zusammen mit den sauroiden Fulirr gegen sie gekämpft hatte.

Aber die erneute Öffnung von Wurmloch Alphas hatte alles verändert. Alte Bündnisse hatten sich aufgelöst und neue waren entstanden, denn auf einmal gab es in der hintersten Provinz der Humanen Welten etwas, dass alle anderen galaktischen Mächte dieser Sternenregion ebenfalls begehrten. Eine Nullzeit-Verbindung in einen 50.000 Lichtjahre entfernten, Trans-Alpha genannten Sektor.

Auch wenn es nicht das erste Mal war, dass Sunfrost ein Tellerschiff der K'aradan auf dem Schirm hatte, so gab es doch eine weithin sichtbare Veränderung.

Der Teller des Schiffes drehte sich nicht...

Eigenartig. Bei der ersten Begegnung mit Sev Baldors Flottille ist mir das nicht aufgefallen, ging es Sunfrost durch den Kopf.

Dafür wurde es ihr nun umso deutlicher. Die K'aradan verfügten offenbar seit neuestem über Antigrav-Technik, die ihnen von den Humanen Welten geliefert worden war. Bisher waren die K'aradan darauf angewiesen, künstliche Schwerkraft durch die Fliehkraft drehender, radarartiger Konstruktionen herzustellen. Doch das war nun vorbei. Der Antigrav hatte seinerzeit Industrie, Wirtschaft und Raumfahrt der Erde revolutioniert – und zweifellos würde sich ein ähnlicher Revolutionsprozess nun auf vielen K'aradan-Welten ereignen.

Die Menschheit hatte im Gegenzug ebenfalls Zugang zu wichtigen Technologien erhalten – etwa den Sandström-Sonden. Auch die Raumminen, die derzeit die Alpha-Seite des Wurmlochs vor einem eventuell daraus hervorkommenden Feind sicherten, stammten von den K'aradan.

Der jahrelang erhoffte Technologie-Transfer mit den Fulirr hatte nie wirklich funktioniert – aber bei den K'aradan trug er bereits erste sichtbare Früchte.

»Captain...«, meldete sich Bruder Guillermo jetzt auf seine gewohnt zurückhaltende und etwas schüchtern wirkende Art und Weise.

»Bruder Guillermo. Haben Sie ein Anliegen?«, fragte Sunfrost.

»Ich möchte mich an der Auswertung der Ortungsdaten beteiligen, Ma'am.«

»Gerne, Guillermo. Ich glaube, Lieutenant Riggs wird sich über die Unterstützung sehr freuen.«

»Danke, Ma'am.«

»Eigenartig...«

»Was meinen Sie, Captain?«

»Sie tauchten genau in dem Moment auf, in dem ich an Sie gedacht habe...«

»Ich kann Ihnen versichern, dass beides nur in einem zeitlichen Zusammenhang steht, Ma'am.«

»Ja, natürlich. Und woher wussten Sie, dass wir aus dem Sandström-Raum ausgetreten sind und die Zielregion erreicht haben?«

»Es sind die Resonanzgeräusche der Mesonentriebwerke. Sie werden bei Einsetzen des Bremsvorgangs eingeschaltet und sind in meiner Kabine recht gut zu hören. Nicht, dass ich mich darüber beklagen möchte, aber es war deutlich genug, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

»Sicher.«

Bruder Guillermo nahm seinen Platz bei Lieutenant Riggs ein.

Rena Sunfrost wandte sich an Van Doren. »I.O., Sie haben die Brücke. Ich bin in meinem Raum.«

»Aye, Captain«, bestätigte der Erste Offizier der STERNENKRIEGER II.

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4

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An Bord der SEELE ARADANS, dem Flaggschiff der aus insgesamt drei Einheiten bestehenden Flottille unter dem Kommando von Sev Baldor verließ der Kommandant des Schiffes ebenfalls die Brücke und überließ sie seinem Ersten Offizier und Stellvertreter Subkommandant Mak Golens, der aus demselben Adelshaus stammte wie sein Kommandant.

Golens war ein entfernter Neffe. Sev Baldor mochte ihn nicht.

Aber es gehörte zur Hauspolitik, ihm einen Posten in der Flotte zu geben und Baldor hatte sich dem Ansinnen von ganz oben nicht entziehen können.

Mak Golens war nach Baldors Ansicht nur mit mäßigen Fähigkeiten ausgestattet. Eigentlich reichten seine bisher erbrachten Leistungen nach Baldors hohen Maßstäben nicht aus. Außerdem ergab sich das Problem, dass einige rangniedere Offiziere fähiger waren als der Erste Offizier und daher früher oder später dessen Autorität missachten würden. Das war nur eine Frage der Zeit, davon war Sev Baldor überzeugt.

Bisher hatte Baldor bei der Personalauswahl für sein Schiff davon profitiert, dass er dem Hause eines Erbtriumvirs angehörte. Nur die Besten waren auf die SEELE ARADAN versetzt worden.

Golens passte einfach nicht dazu.

In diesem Fall hatte sich der Vorteil, einem erhabenen Haus anzugehören, in einen Nachteil verkehrt, denn natürlich hatte sich Baldor dem Wunsch, seinen Großneffen als Ersten Offizier an Bord zu nehmen, nicht entziehen können.

Schließlich hatte der Erbtriumvir persönlich in dieser Hinsicht interveniert, was äußerst selten vorkam.

Mochten die verfluchten Götter des Übels wissen, was man ganz oben mit diesem Mann noch vorhatte.

Baldor durchschritt einen Korridor.

Der Großneffe ist wahrscheinlich im Moment auch die kleinste Sorge, die du dir machen solltest, ging es dem K'aradan-Komandanten durch den Kopf.

Bei dieser Mission ging es vielleicht um sehr viel mehr. Die Informationen der Humanen Welten waren durchaus glaubwürdig, wonach eine geheimnisvolle, uralte Rasse mit der mythischen Bezeichnung »die Alten Götter« offenbar dazu in der Lage gewesen war, Wurmlöcher zu öffnen und wieder zu schließen.

Die Etnord, die nun die ehemaligen Menschheitskolonien in Trans-Alpha übernommen und deren Bewohner zu ihren Soldaten umfunktioniert hatten, warteten jenseits des Wurmlochs im Gebiet der Menschen darauf, ihre Invasion beginnen zu können. Konnte es sein, dass sie über die Technologie jener uralten Superrasse verfügten, von denen sich überall im bekannten Universum mehr oder weniger starke Spuren fanden?

Der Gedanke beunruhigte Sev Baldor sehr.

Vor 2600 Jahren hatte sich jenes Wurmloch ebenfalls geöffnet. Und durch 5-dimensionale Strahlenschauer, die mit dem Krieg zweier verbitterter Feinde in Zusammenhang standen, war das Reich der K'aradan bis in seine Grundfesten erschüttert worden. Für Jahrhunderte waren jegliche Überlichtkommunikation und der Flug durch den Zwischenraum unmöglich gewesen. Ein großer Teil des K'aradan-Reichs war offenbar in einen Zustand der Primitivität zurückgefallen.

Auch dazu hatten die Menschen interessante Einzelheiten herausgefunden, die in den Mauern der Residenz des Fürstgouverneurs von Assano gespeichert waren, wo sie die Zeiten aufgrund der besonderen Beschaffenheit des Gesteins überdauert hatten.

Jene historische Phase vor 2600 Jahren, als das K'aradan-Reich einen jähen Sturz erlebte und anschließend fast ein halbes Jahrtausend verging, ehe die in die Primitivität zurückgefallenen Teile des Reiches wieder reintegriert werden konnten, war für die historische Erinnerung der K'aradan eine traumatische Erfahrung. Schon deshalb war das Interesse des Triumvirats riesengroß, den Hinweisen nachzugehen, die auf eine bevorstehende Invasion per Wurmloch vorlagen.

War es eine der alten Mächte jener düsteren Zeit, über die das meiste auch für die K'aradan noch im Dunklem lag?

Tatsache war, dass die Informationen der Menschen über eine Armada, die sich in 50.000 Lichtjahren Entfernung darauf vorbereitete, diesen Raumsektor zu erobern, sehr glaubhaft.

Das Tragische ist, dass unsere mächtigen sauroiden Feinde diese Wahrheit nicht hören wollen, ging es Baldor durch den Kopf.

Die Fulirr attackierten weiter die Grenzregionen des K'aradan-Reichs. Allerdings hatten sie die Intensität ihrer Angriffe stark zurückgefahren. Im Augenblick konzentrierten sie sich offenbar ganz darauf, den Menschen das Wurmloch abzunehmen – zusammen mit ihren geheimnisvollen Naarash-Verbündeten.

Kommandant Sev Baldor erreichte schließlich seinen Raum.

Die Schiebetür öffnete sich, und er trat ein.

Der Raum war mit den Ehrenzeichen jener Häuser geschmückt, aus denen die an Bord Dienst tuenden Offiziere stammten. Der Bildschirm nahm nur einen kleinen Teil der Wand ein. Ein kleineres Display stand auf dem Tisch. Es wurde über ein Terminal mit herkömmlicher Tastatur bedient, reagierte aber auch auf Spracheingabe.

Ein Mann hatte hinter dem Tisch Platz genommen.

Auf meinem Platz, dachte Sev Baldor und fühlte Ärger in sich aufkeimen. Die Gesellschaft der K'aradan war standesbewusst. Normalerweise hätte es niemand gewagt, seine Respektlosigkeit auf diese Weise zu demonstrieren – es sei denn, er war darauf aus, von dem Betreffenden sofort zum Drachenreiter-Duell gefordert zu werden.

Aber für den Mann, der hier Platz genommen hatte, galten andere Regeln.

Es handelte sich um Lurdre Traanlak, den Chef des K'aradan-Geheimdienstes Narumet. Ein gefürchteter Mann – und einer der mächtigsten Instanzen innerhalb des Reiches. Er gehörte keinem Haus an. Normalerweise wäre es für jemanden wie ihn unmöglich gewesen, bis ganz in die Spitze der Reichshierarchie aufzusteigen. Niemand, der eine hohe Position in der Flotte, in der Verwaltung, bei den Sicherheitskräften oder in der Industrie erreicht hatte, schaffte dies ohne die Protektion durch ein Haus.

Nur für den Narumet galt dies nicht.

Hier wurde jemand bevorzugt, der keinem Haus und damit auch keiner der Adelskoalitionen innerhalb des K'aradan-Reichs angehörte. Jemand, der unparteiisch war. Lurdre Traanlak hatte inzwischen als Graue Eminenz des Narumet eine Position erreicht, die selbst die Mitglieder der Erhabenen Häuser und des regierenden Erbtriumvirats bisweilen unruhig schlafen ließ.

Es gab niemandem im Reich von Aradan, über den der Narumet-Chef nicht brisante Informationen erlangt hatte, die er nur bei passender Gelegenheit hervorzaubern musste, um den Betreffenden damit zu vernichten.

»Es freut mich, dass Sie eine so eingespielte Mannschaft haben, dass Ihre Anwesenheit auf der Brücke bei dieser Mission selbst während einer so heiklen Phase wie der, in der wir uns gerade befinden, nicht nötig zu sein scheint«, äußerte Traanlak.

Sein Tonfall troff nur so vor Sarkasmus und beißender Ironie. Aber die vielen kleinen Bosheiten, die dieser Mann ständig verteilen konnte, waren nicht einmal das Unangenehmste für Sev Baldor.

Das Schlimmste war die unverhohlene Arroganz, mit der er alle behandelte, von denen er glaubte, es sich erlauben zu können. »Die SEELE ARADANS ist ein gut geführtes Schiff«, verteidigte sich Baldor. »Außerdem ist es nichts Ungewöhnliches, dass der Erste Offizier den Kommandanten vertritt. Aber als jemand, der nie in der Flotte gedient hat...«

»Sie haben Recht – ungewöhnlich ist das nur, wenn der Erste Offizier nicht die dazu nötigen Fähigkeiten mitbringt!« Traanlak lächelte kalt. »Na kommen Sie, ich erzähle Ihnen doch nichts Neues. Sie mussten Ihren Großneffen an Bord aufnehmen, sonst wäre Ihre Position im Haus Candovan ziemlich prekär geworden. Wer stellt sich schon gegen den Willen eines Erbtriumvirs? So etwas würde – zumindest offen – ja nicht einmal ich wagen!« Traanlak kicherte. Was genau ihn dabei erheiterte, blieb Sev Baldor verschlossen.

»Hat es einen bestimmten Grund, weswegen Sie sich hier in meinem Raum aufhalten?«

»Irritiert Sie das? Habe ich Ihr Territorium verletzt? Das tut mir Leid. Dabei dachte ich, da es doch nun schon gut zwanzig Millionen Jahre her ist, dass unsere Vorfahren als gierige Beutejäger am Himmel Aradans kreisten und sich aus Höhen von zweihundert bis dreihundert Metern auf Kleintiere stürzten. Da könnte man langsam mal so etwas wie einen evolutionären Fortschritt erwarten!«

»Wie auch immer... Was wollen Sie?«

»Ich habe Ihr Gespräch mit Captain Sunfrost auf dem Bildschirm mitverfolgt!«

»Sie hätten auf der Brücke anwesend sein und Ihre alte Bekannte Sunfrost begrüßen können«, erwiderte Baldor. »Sagten Sie mir nicht, dass Sie diese Frau auf Assano kennen gelernt hätten?«

»Ich habe seinerzeit veranlasst, dass ihr Außenteam festgenommen und ihr Schiff beschossen wird. Eine direkte Begegnung hatten wir nicht. Allerdings kenne ich Sunfrost trotzdem sehr gut. Einer meiner Agenten diente längere Zeit auf ihrem Schiff...«

»Interessant.«

»So weit man einen Menschen tatsächlich kennen kann«, setzte Traanlak noch hinzu.

Genetisch sind unsere Völker nicht miteinander verwandt, aber kulturell scheinen wir mehr Gemeinsamkeiten zu haben, als es unserer Würde lieb sein kann..., dachte Baldor.

»Kommandant, ich habe Ihnen ja schon vor einer Weile erklärt, dass ich in diesem Fall im Hintergrund bleiben möchte. Und nun habe ich noch ein paar Dinge mit Ihnen zu besprechen, die absolut unter uns bleiben müssen. Setzen Sie sich, Kommandant!«

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5

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Nach und nach trafen erste Daten ein, die auf die ehemalige Existenz eines ähnlichen Objekts hindeuteten, wie es das System der sieben Dunkelwelten in der Dark Area darstellte.

Zunächst schien die Interpretation des Materials nicht ganz einfach zu sein. Aber langsam formte sich ein Bild.

Größere und kleinere Materiebrocken wurden geortet, deren Zusammensetzung jener des Systems der Sieben Dunkelwelten in der Dark Area entsprach. Diese chemischen Übereinstimmungen waren  dermaßen exakt, dass sie kein Zufall sein konnten. Das stand ziemlich bald fest.

Allerdings waren es deutlich mehr als nur sieben dunkle Brocken, die an diesem Ort durch das All geisterten. Manche dieser Objekte hatten Planetengröße, andere glichen nur etwas größeren Bruchstücken.

»Wir haben es offenkundig mit den Trümmern eines Siebenersystems zu tun«, erläuterte Bruder Guillermo.

Auf dem Panoramaschirm wurde jetzt das Bild des dunklen Weltraums ausgeblendet. Es machte einer schematischen Darstellung Platz, die die bereits georteten Materiebrocken anzeigte.

Zwei der Dunkelwelten waren danach nahezu unbeschadet erhalten geblieben, eine weitere wies auf der Oberfläche Anzeichen für Einschläge anderer Himmelskörper auf. Die anderen Objekte, die zu dem Schwarm von Bruchstücken gehörten, der von diesem zweiten Siebenersystem geblieben war, waren mehr oder weniger unregelmäßig geformt. Immer weitere Bruchstücke wurden von den Sensoren erfasst und tauchten auf der schematischen Darstellung auf.

Der Bordrechner nummerierte sämtliche Objekte einfach durch. Inzwischen war er bei Objekt 2234 dieses namenlosen System angelangt.

Dass es sich tatsächlich um ein System handelte, machten die anschließenden Bahnberechnungen klar, die Bruder Guillermo mit Unterstützung des Bordrechners anstellte. Die Bahnverläufe wurden in der schematischen, scheinbar dreidimensionalen Darstellung eingeblendet. Die kleineren Objekte umkreisten die größeren und auch diese zogen sich gegenseitig an und umkreisten dann zumeist einen gemeinsamen Gravitationsschwerpunkt.

»Die angemessenen Impulse gehen von Objekt 442 aus«, meldete Lieutenant Riggs. Das betreffende Objekt wurde auf der schematischen Darstellung farblich hervorgehoben. »Es handelt sich um eines der verhältnismäßig unzerstörten Objekte. Die Masse entspricht etwa der der Erde. Der Durchmesser ist etwas größer.«

»Irgendwelche Signaturen?«, fragte Van Doren, während seine Finger über die Sensorfelder seiner Konsole glitten.

»Bis jetzt nicht, Sir«, meldete Riggs. »Aber wir sind noch etwas zu weit entfernt dafür.«

»In voraussichtlich sieben Stunden werden wir diese Trümmer eines Siebenersystems erreicht haben«, erklärte Taranos und fügte grinsend hinzu: »Unsere K'aradan-Freunde werden etwas später dort eintreffen.«

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6

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Während der weiteren Annäherung an das Planetengroße Objekt 442 ließ Sunfrost volle Gefechtsbereitschaft herstellen.

Schließlich war die STERNENKRIEGER bei ihrer letzten Annäherung an ein Siebenersystem von einem Schwarm robotisch gesteuerter Raumschiffe angegriffen worden.

»Die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs ist diesmal allerdings wesentlich geringer als beim letzten Mal«, war Van Dorens Meinung. »Schließlich richtete sich der Angriff, dem wir bei unserem Besuch des ersten Dunkelwelten-Systems in der Dark Area ausgesetzt waren, vornehmlich gegen unsere ontidischen Begleiter.«

»Sie haben Recht, I.O. Aber ich möchte auf Nummer sicher gehen und nichts riskieren. Schließlich müssen wir annehmen, dass die einzelnen Siebenersysteme untereinander in Kontakt stehen, sodass sie diesmal besser vorbereitet sind.«

»Im ersten Dunkelwelten-System hatten wir doch einen relativ kooperativen Kontakt zu den Rodanag«, erinnerte Bruder Guillermo.

Die vielarmigen Kopffüßer waren offenbar ein Hilfsvolk der Alten Götter, dessen Aufgabe die Bewachung des ersten Dunkelwelten-Systems gewesen war. Ob die Rodanag zu diesem Zweck auch in anderen Siebenersystemen eingesetzt worden waren, darüber konnte bislang nur spekuliert werden.

Bruder Guillermo hielt schon seit längerem besonders nach den typischen Energiesignaturen Ausschau, die im Dark-Area-System auf Aktivitäten dieses Volkes hingewiesen hatten.

Allerdings waren die Rodanag der Dark Area nur noch in der Lage gewesen, einen Teil der Anlagen, die innerhalb der Dunkelwelten eingerichtet worden waren, in Funktion zu halten. Das technische Wissen musste ihnen in einem über Jahrhunderte währenden Degenerationsprozess abhanden gekommen sein.

Ob das allerdings nur für die Rodanag des Dark-Area-Systems oder für alle Angehörigen dieser Spezies galt, darüber konnte nur spekuliert werden.

Was die Trümmer dieses Siebener-Systems anging, wusste man bislang natürlich noch nicht einmal, ob es überhaupt von Rodanag bevölkert war.

––––––––

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7

ALS SICH DIE STERNENKRIEGER II Objekt 442 bis auf zwei Lichtstunden genähert hatte, meldete die Ortung einen Schwarm von mindestens hundert Raumschiffen, die in einem Umkreis von etwa einer halben astronomischen Einheit um Objekt 442 operierten.

»Können Sie genauere Angaben zu den Schiffen machen?«, fragte Commander Sunfrost an Lieutenant Riggs gewandt.

Dieser schüttelte den Kopf. »Die Signaturen, die wir bislang anmessen konnten, passen zu keinem Vergleichsmuster in unseren Speichern. Das bedeutet, dass Schiffe des Space Army Corps derartigen Schiffen bislang nicht begegnet sind. Die Form variiert genau wie die Größe sehr stark. Die größten Einheiten haben etwa das Volumen eines Dreadnoughts. Die kleinsten erreichen gerade die Ausmaße unserer Landefähren.«

»Das wirklich Erstaunliche sind die Beschleunigungswerte, die manche dieser Einheiten erreichen«, erklärte Bruder Guillermo. »In diesem Punkt übertreffen sie die Möglichkeiten unserer herkömmlichen Ionentriebwerke bei weitem – und selbst das neuartige Mesonentriebwerk der STERNENKRIEGER II würde von ihnen abgehängt werden.«

»Ich kann einige Funkemissionen abhören«, erklärte unterdessen Lieutenant Jamalkerim. »Die Signale müssen noch entschlüsselt werden. Der Bordrechner ist gerade damit beschäftigt.«

»Interessant ist, dass diese Schiffe nicht nur untereinander in Kontakt stehen, sondern auch im Binär-Code der Rodanag mit Objekt 442 kommunizieren«, ergänzte Steven Van Doren, der sich die Kommunikationsdaten auf seine Konsole geholt hatte.

»Die in diesem Code gehaltenen Botschaften kann unser Translatorsystem problemlos übertragen«, sagte Jamalkerim. Die Kommunikationsoffizierin der STERNENKRIEGER drehte sich in ihrem Schalensitz herum und sah Sunfrost an. »Captain, das Kommunikationsvolumen ist unglaublich groß! Diese Schiffe bombardieren Objekt 442 geradezu mit einer Flut von Abfragen und...«

»Gebeten«, ergänzte Bruder Guillermo mit einem Blick auf das Display, an dem er tätig war. Er blickte auf und bemerkte erst jetzt, dass die Aufmerksamkeit aller auf ihn gerichtet war.

Etwas verlegen ergänzte er: »Es tut mir Leid, aber ich finde einfach keinen passenderen Begriff! Die Wesen in den Schiffen nennen sich Dabsokaar – während im Inneren von Objekt 442

offenbar tatsächlich eine Gruppe von Rodanag die Katastrophe überlebt hat, die sich hier vor langer Zeit ereignet haben muss.«

»Ich messe starke fünfdimensionale Impulse«, unterbrach in diesem Augenblick Lieutenant Wiley

Riggs den Olvanorer. »Captain, es handelt sich wieder um jene charakteristischen Impulse, die wir auch im ersten Dunkelwelten-System und auf Heptagon angemessen haben«, erklärte Van Doren.

»Wenn diese Siebenersysteme Anlagen zur Initiierung von Wurmlöchern sind, dann dürften diese 5-D-Impulse in diesem Fall wohl nicht von großem Erfolg begleitet sein«, meinte Lieutenant Robert Ukasi.

Der Taktik-Offizier der STERNENKRIEGER hatte die Arme vor der Brust verschränkt und blickte wie gebannt auf den großen Panoramabildschirm, der jetzt in den Infrarotmodus geschaltet worden war, sodass man die Bruchstücke des Siebenersystems sehen konnte. Diese Bruchstücke unterschieden sich deutlich in ihrer Emission von Wärmestrahlung.

Der obere Rand des Bildschirms wurde durch eine Datenzeile gebildet, auf der die Temperaturdaten einzelner angemessener Objekte sichtbar wurden. Viele der Bruchstücke waren Minus 260 Grad kalt. Manche lagen noch darunter.

Himmelskörper, die niemals vom wärmenden Licht einer Sonne beschienen worden waren, sondern deren Energie früher aus den Aggregaten in ihrem Inneren gestammt hatte. Doch die subplanetaren Anlagen waren offenbar bei der großen Mehrzahl der Trümmerobjekte nicht mehr aktiv. Daher herrschten dort Temperaturen, die nahe am absoluten Kältepunkt von Minus 273,5 Grad Celsius lagen. Bei dieser Temperatur kam die Bewegung der Moleküle zum Stillstand.

»Die angemessenen Resonanzen von 5-D-Impulsen flauen derzeit gerade wieder ab«, sagte Lieutenant Riggs. »Die gemessenen Werte sinken immer weiter.«

»Ich will nicht hoffen, dass wir jetzt erneut Zeuge des Versuchs werden, ein Wurmloch zu initialisieren«, sagte Van Doren etwa sarkastisch.

»Ich glaube, angesichts der Zerstörungen, die in diesem System zu finden sind, besteht da keine Gefahr!«, glaubte Bruder Guillermo.

»Ich hoffe nur, dass Sie recht behalten«, sagte Sunfrost.

»Die Kommunikation zwischen den Dabsokaar-Schiffen und den Rodanag von Objekt 442 verändert sich«, stellte Lieutenant Jamalkerim indessen fest. »Es treffen eine Flut von Danksagungen bei den Rodanag ein.«

»Was geht hier vor sich?«, fragte Rena Sunfrost. »Irgendwelche Ideen?«

»Ich konnte mir bis jetzt erst einen sehr groben Überblick über diese Kommunikationsflut verschaffen«, sagte Bruder Guillermo. »Glücklicherweise wird das meiste davon in dem uns bereits bestens bekannten Binärcode der Rodanag abgewickelt, sodass es so gut wie keine Übersetzungsprobleme gibt und wir es auch nicht mit einer Zeitverzögerung durch die Computerbearbeitung zu tun bekommen. So viel lässt sich allerdings bereits sagen: Die Dabsokaar haben die Rodanag zu Hunderttausenden um etwas gebeten, dass sie wenig später empfangen haben und nun in Dankesreden als das größte fassbare Glück und die Erfüllung ihrer transzendenten Sehnsüchte preisen.«

»Gibt es irgendeinen Hinweis darauf, worum es sich dabei handeln könnte?«, hakte Sunfrost nach.

»Die zeitliche Korrelation zu den 5-D-Impulsen ist sehr auffällig, Captain«, fand Lieutenant Riggs.

Rena erhob sich aus ihrem Schalensitz und trat ein paar Schritte auf Steven Van Doren zu. »Wie sollen wir uns verhalten, I.O.?«

»Ich würde angesichts der Übermacht dieser Raumschiffe eine Annäherung im Schleichflug bevorzugen, Captain«, erklärte der Erste Offizier der STERNENKRIEGER. »Ich habe mir die angemessenen Signaturen dieser Schiffe noch mal angesehen und mit den Suchfunktionen unseres Bordrechners bearbeitet. Dabei habe ich keinerlei Anzeichen für das Vorhandensein eines Überlichtantriebs gefunden. Dafür aber sehr deutliche Emissionen von offenbar sehr leistungsstarken Impulstriebwerken.«

»Es tauchen mehrere Objekte im Ortungsbereich auf«, meldete Riggs. »Ihre Geschwindigkeit liegt teilweise bei 0,6 LG!«

»Das sind doch Werte, bei denen sich bereits die Zeitdilatation bemerkbar machen dürfte!«, meinte Sunfrost.

»Zwar nicht gravierend«, meinte Lieutenant Taranos, »aber auf jeden Fall ist der Effekt bereits so störend, dass kein Schiff der Humanen Welten ohne Not bis in diesen Bereich beschleunigen würde – und davon abgesehen, muss man ja anschließend auch noch bremsen können.«

»Damit haben die Dabsokaar offenbar keine Probleme«, war Lieutenant Riggs überzeugt. »Nach den Einflugvektoren zu urteilen ist Objekt 442 das Ziel dieser sich schnell nähernden Schiffe. Sie müssen also in zwei Lichtstunden auf eine Geschwindigkeit herunter gekommen sein, die das Einschwenken in ein Orbit erlaubt.«

Bruder Guillermo wirkte nachdenklich. Er kratzte sich am Kinn.

Irgendetwas beschäftigt ihn und ich hoffe, dass er uns noch an seinem Gedankengang teilnehmen lässt, ging es Rena Sunfrost durch den Kopf.

»Ich glaube... ich weiß nicht...«, murmelte er.

»Bruder Guillermo?«, sprach Rena ihn an.

Der Olvanorer wandte sich zur Kommandantin der STERNENKRIEGER herum und zuckte mit den Schultern. Er wirkte jetzt – wie so oft – etwas verlegen. Ein noch ziemlich junger Mann, der nicht so recht zu wissen schien, was er von den Dingen zu halten hatte...

Aber Rena wusste nur zu gut, dass dies nur die Oberfläche war. In Wahrheit zeichnete sich Bruder Guillermo durch ein sehr sicheres Urteilsvermögen und eine für sein Alter erstaunliche Reife aus. Allerdings traute er selbst seinen Fähigkeiten wohl nicht immer ganz so wie andere. Für Rena Sunfrost jedenfalls war die Beratung durch Bruder Guillermo schon oft eine wesentliche Grundlage gewesen, wenn sie schwere Entscheidungen zu treffen gehabt hatte.

Ein Ruck ging durch Bruder Guillermos Körper. Er hob die Augenbrauen und sagte schließlich: »Unsere Schiffe würden wir schon deswegen nicht wesentlich über 0,4 LG beschleunigen, weil uns ab dieser Marke der Sandström-Antrieb für den Überlichtflug zur Verfügung steht. Aber vielleicht ist das bei den Dabsokaar nicht der Fall! Wir konnten bislang keinerlei Anzeichen dafür entdecken, dass sie über Sandström-Aggregate verfügen. Gut, vielleicht sind ihre Maschinenräume besonders gut isoliert, sodass keinerlei typische Emissionen registriert werden konnten. Genauso gut ist denkbar, dass sie ein ganz anders Prinzip des Überlichtflugs anwenden. Doch viel wahrscheinlicher erscheint mir die Variante, dass sie allein auf ihre Unterlichttriebwerke angewiesen sind!«

»Selbst bei dem Erreichen einer Geschwindigkeit von 0,6 LG oder vielleicht sogar mehr brauchten sie Jahre von einem Stern zum anderen«, gab Taranos zu bedenken.

»Eine Reise Erde – Alpha Centauri würde keine sechs Jahre bei diesen Schiffen dauern«, gab Bruder Guillermo zu bedenken. »Wenn man bedenkt mit welchem vergleichsweise primitiven Antriebssystem die Menschheit es seinerzeit geschafft hat, bis zur Wega vorzudringen, ist das gar nicht mal so übel!«

»Gibt es Hinweise auf die Bewaffnung dieser Schiffe?«, fragte Sunfrost.

»Bislang nicht«, erklärte Riggs.

Lieutenant Commander Robert Ukasi meldete sich zu Wort. Der Taktikoffizier der STERNENKRIEGER koordiniert im Gefechtsfall den Einsatz der Waffenoffiziere an den zehn Gauss-Geschützen. Im Augenblick hatte er sich die Orter-Daten auf die Konsole geladen, um sie nach waffentypischen Signaturen zu durchsuchen. Seine Finger schnellten über den Touch Screen. »Ich bin noch nicht ganz fertig, aber ich denke, wir müssen noch deutlich näher heranfliegen, bevor sich da irgendeine Aussage machen lässt. An der Außenhülle einiger Einheiten lassen sich Metalllegierungen nachweisen, die irgendeine Art von Wuchtkanonen oder anderen Projektilwaffen entsprächen. Aber vielleicht handelt es sich auch nur um die Außenbeschichtung der Panzerung...«

»I.O., ich greife Ihren Vorschlag auf und lasse die STERNENKRIEGER In den Schleichflug gehen«, sagte Sunfrost. »Zumindest so lange, bis die Kommunikation zwischen den Dabsokaar und den Rodanag genauer ausgewertet ist und wir uns ein besseres Bild der Lage machen können.«

»Aye. Captain«, bestätigte Van Doren.

»Vorher möchte ich Kontakt mit den K'aradan aufnehmen, Lieutenant Jamalkerim! Schließlich müssen wir uns mit Ihnen abstimmen.«

»Verbindung wird aufgebaut, Captain!«, meldete Susan Jamalkerim.

»Captain, eine Kleinigkeit noch...«, mischte sich Bruder Guillermo ein.

Rena Sunfrost runzelte die Stirn. Was ist denn jetzt? Habe ich irgendetwas Wichtiges übersehen?

»Captain, Sie sollten Kommandant Baldor fragen, ob sich die K'aradan bereits für einen Namen entschieden hätten!«

»Einen Namen?«, echote Rena etwas irritiert.

»Für dieses System – wenn man es so nennen mag. Ich glaube nicht, dass es in den K'aradan-Katalogen schon einen offiziellen Namen für diese Ansammlung von Gesteinsbrocken gibt, auch wenn sie sich auf ihrem Territorium befinden. Wenn doch, dann ist das auch nicht weiter schlimm, denn...«

»Bruder Guillermo, entschuldigen Sie, aber ist das jetzt wirklich so wichtig?«, fragte Van Doren.

Wenn man nicht gleich erkennt, dass eine Bemerkung von Bruder Guillermo WICHTIG sein könnte, liegt das meistens nicht an ihm – sondern an einem selbst, wusste Rena.

»Es ist wichtig, Captain«, beharrte Bruder Guillermo. »Sie können den K'aradan auf diese Weise deutlich machen, dass Sie ihre territoriale Herrschaft über diesen Raumsektor respektieren und sie nicht bevormunden wollen. Vielleicht gelingt es Ihnen dadurch, Ihre Vorstellungen bei der weiteren Vorgehensweise zu einem größeren Prozentsatz durchzusetzen.«

Was für ein ausgefuchster Diplomat, ging es Rena durch den Kopf. Man sollte sich stets die Zeit nehmen, sich anzuhören, was dieser Olvanorer zu sagen hat.

»Ein guter Vorschlag, Bruder Guillermo«, fand die Kommandantin der STERNENKRIEGER. Auch Van Doren nickte.

Wenig später wurde der Kanal freigeschaltet und das Gesicht von Kommandant Sev Baldor erschien auf dem Hauptschirm der STERNENKRIEGER.

Ein spöttisches Lächeln spielte um seine Züge, wobei Rena sich nicht sicher war, ob sie die Mimik eines K'aradan wirklich richtig zu interpretieren wusste. »Seien Sie gegrüßt, Captain Sunfrost. Gibt es irgendwelche Neuigkeiten?«

Die Ortungssysteme der K'aradan waren zwar bei der Feinortung teilweise leistungsfähiger als jene der Menschen und was die Ortung im Sandström-Raum anging, hatten sie sogar ein Monopol. Aber was die Reichweite betraf, so waren die Ortungssysteme der STERNENKRIEGER denen der sie begleitenden K'aradan-Schiffe um etwa die Hälfte überlegen.

Eine Lichtstunde weit vermochten die K'aradan ohne Zeitverzögerung Objekte von der Größe eines Raumschiffs zu erfassen. Das bedeutete, die Ansammlung von Dabsokaar-Schiffen war noch außerhalb ihres Erfassungsbereichs.

Knapp setzte Sunfrost die K'aradan über die neue Lage in Kenntnis.

»Fremde Raumschiffe auf unserem Territorium?«, ereiferte sich Sev Baldor.

»Unseren bisherigen Erkenntnissen nach ist es keine Eroberungsflotte. Unser wissenschaftlicher Berater Bruder Guillermo glaubt sogar, dass sie nicht einmal über einen Überlichtantrieb verfügen«, stellte Rena die Neuigkeiten gleich wieder ins richtige Verhältnis. »Unsere Ortungsdaten gehen Ihnen mit dieser Transmission als Datenstrom zu, sodass Sie über alles informiert sind!«

»Danke!«

Es schien Sev Baldor ganz und gar nicht zu gefallen, auf die Hilfe der STERNENKRIEGER angewiesen zu sein.

So hielt Rena den Augenblick für gekommen, ihn nach dem Namen des Trümmersystems zu fragen.

»Diese vagabundierenden Brocken sind nie auf irgendeine Art und Weise beachtet worden«, erklärte Baldor. »Zumindest nicht in jenen Epochen, aus denen wir Aufzeichnungen besitzen, die detailliert genug wären, um das näher bestimmen zu können. Daher hat das System einen vollkommen neuen Namen bekommen. Es heißt Kar'shandre.«

»Kar'shandre«, wiederholte Sunfrost. Sie hatte den Eindruck, das Sev Baldor zufrieden aussah. Danke für den Rat, Bruder Guillermo.

Die Notwendigkeit, sich zunächst im Schleichflug Objekt 442 zu nähern, wurde von Sev Baldor nicht bestritten, obwohl dies die Reise verzögerte. Schließlich waren die STERNENKRIEGER und ihre K'aradan-Begleitschiffe dazu gezwungen, Objekt 442 in einem weiten Bogen anzufliegen.

Da die Bremsmanöver auf ein Minimum reduziert wurden und möglichst nur durchgeführt werden sollten, wenn man sich im Ortungsschatten anderer Objekte des Kar'shandre-Systems befand, brauchte man einen entsprechend längeren Weg, um die Geschwindigkeit zu drosseln.

»Sie haben die größere Erfahrung mit Anlagen dieser Art und ihren Bewohnern«, sagte Baldor, wobei sich Rena nicht ganz sicher war, ob in seinen Worten nicht auch ein leicht spöttischer Unterton mitschwang. »Also werden wir tun, was Sie vorschlagen. Schließlich ist Ihr Interesse, diesen mysteriösen Feind zurückzuschlagen, mindestens genauso groß wie unseres!«

Die Verbindung wurde unterbrochen.

Rena Sunfrost seufzte und blickte fragend in Richtung von Bruder Guillermo. Na, das war doch schon ganz passabel als Aushilfsdiplomatin, oder?

Bruder Guillermo war jedoch gedanklich bereits wieder mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Seine Finger glitten in geradezu rasendem Tempo über die Sensorfelder seines Touch Screens. Das Gesicht bekam nun einen fast fanatischen und etwas verkniffenen Zug.

Schließlich hatte der Olvanorer wohl gefunden, was er offenbar in den Datenbanken der STERNENKRIEGER so intensiv gesucht hatte...

»Kar'shandre – der Name bezieht sich auf Shandre, den altk'aradan'schen Gegenspieler des erhabenen Lichtgottes Tembor«, sagte Bruder Guillermo. »Dem Mythos nach wurde Shandre von einem zaubermächtigen Verbündeten verraten, was zur Folge hatte, dass er auf ewige Zeiten in seine Burg Kar'shandre verbannt wurde...«

Na, wenn das kein schlechtes Omen ist, dachte Rena und berührte dabei das Projektil einer Steinschlosswaffe, die ein echsenartiger Bewohner des Planeten Dambanor II einst auf sie abgefeuert hatte und ihr jetzt als Talisman diente.

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8

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Man nannte ihn Geralgar, was in der Sprache der Rodanag der Schöne bedeutete. Geralgar war der oberste Krisenfall-Entscheider der Rodanag des Verheerten Landes, wie sie ihre Heimat seit jenen fernen Tagen nannten, da sie das Opfer einer furchtbaren Zerstörungsmacht geworden war.

Geralgar war sich sehr wohl bewusst, dass er es auch deshalb zum Krisenfall-Entscheider gebracht hatte, weil er von den anderen Rodanag als schön empfunden wurde – wobei dieser Begriff bei den Angehörigen seines Volkes beinahe ein Synonym für groß war.

Eine Laune der Natur bin ich – vielleicht auch ein Geschenk der Hohen Mächte. Wer weiß?, dachte Geralgar. Jedenfalls war der mit einer Reihe tentakelartiger Extremitäten unterschiedlicher Größe ausgestattete Kopffüßler etwa doppelt so groß, wie es dem Durchschnitt seiner Art entsprach.

Schon als er die Membran seines Weicheis durchbrach, nachdem sein Bewusstsein kurz zuvor erwacht war, hatte er eine für Rodanag außergewöhnliche Größe gehabt und war von den Brutpflegern sehr bewundert worden. »Ein so schöner Nachwuchs!« hatten sie alle immer und immer wieder ausgerufen. »Und wie groß er ist!«

In der gesamten Bewohnten Provinz des Verheerten Landes hatte sich die Nachricht vom Schlupf eines Riesenjungen wie ein Lauffeuer verbreitet.

Sein Aufstieg an die Spitze seines Volkes war vorgezeichnet gewesen. Von Anfang hatte ihn eine Aura der Sympathie und der Bewunderung umgeben. Eine Aura, die für Geralgar selbst nicht erklärlich war.

Geralgar hatte in den Schriften der Alten schließlich gelesen, dass seine Größe letztlich nichts weiter als eine Mutation war.

Die Alten hatten mehr gewusst als die jüngeren Generationen der Rodanag – wenn auch nicht ganz so viel wie die Basir oder die Etnord...

Ganz zu schweigen von den Erhabenen...

Aber seit Erstere verschwunden und Letztere wahrscheinlich tot waren, nachdem sie diesen Teil des Universums in ihren sinnlosen Kämpfen vollkommen verheert hatten, sodass man selbst Jahrtausende später die Folgen noch sehen konnte, war der Großteil ihres Wissens verloren gegangen.

Immer weniger Rodanag hatten sich mit der Bedienung von Maschinen zur Datenspeicherung ausgekannt.

Elektromagnetische Entladungen auf Grund von irreparablen Systemfehlern in den technischen Anlagen unter der Oberfläche dieses planetengroßen Himmelskörpers waren die Folge.

Außerdem war es immer wieder zu starken Strahlungsschauern mit fünfdimensionaler Komponente gekommen, was den technischen Fortschritt nicht gerade förderte – waren dadurch doch ganze Speicherbereiche unwiederbringlich verloren gegangen.

Geralgar bewegte sich auf seinen teilweise recht unterschiedlich dicken Tentakeln ein Stück nach vorn. Vor ihm befand sich eine dreidimensionale Projektion, die das Verheerte Land und seine Außenbereiche darstellte. Die Position eines jeden Bruchstücks war exakt nachgebildet und bei Bedarf ließen sich einzelne Bereiche heranzoomen.

Geralgar wusste, dass Sensoren überall in den Bruchstücken verteilt waren, die jetzt noch sendeten. Nach all den Äonen, die seit dem großen Krieg vergangen waren, lieferten sie immer noch Daten und informierten die Rodanag über das, was im Verheerten Land und in unmittelbarer Nachbarschaft geschah.

Über lange Zeiträume hinweg waren die Rodanag allein in der Bewohnten Provinz gewesen. Die Tatsache, dass es außer den Basir, den Etnord und den Erhabenen Göttern noch andere Lebewesen im Universum gab, war sogar schon von einigen unter den Rodanag bestritten worden. Manche waren der Meinung gewesen, dass dies nur erfundene Geschichten gewesen seien, mit denen insbesondere die Götter – mitunter auch einfach die Erhabenen genannt – ihre Unentbehrlichkeit für die Rodanag hätten herausstreichen wollen.

Es hatte viele Diskussionen gegeben.

Endlose Dispute über Dinge, die kein lebender Rodanag je gesehen hatte und die anhand des in der Bewohnten Provinz vorhandenen und vor allem auch zugänglichen Datenmaterials auch nicht belegbar waren.

Bis die ersten Dabsokaar im Verheerten Land auftauchten, ging es dem schönen Geralgar durch den Kopf.

Zuerst waren es nur ein paar wenige Raumschiffe dieses Volkes gewesen, deren Angehörige als Raumnomaden durch das All zogen. Ohne festes Siedlungsgebiet auf einem bewohnbaren Planeten reisten sie in ihren höchst unterschiedlichen und teilweise auch sehr eigenwillig wirkenden Raumschiffen durch das All. 

Was sie in die Bewohnte Provinz gezogen hatte, war den Rodanag zunächst nicht klar gewesen.

Aber es waren mit der Zeit immer mehr geworden. Nomaden des Alls, die durch irgendetwas unwiderstehlich angezogen wurden.

Inzwischen wussten die Rodanag, was es war, das die Fremden so in Verzückung versetzte, dass sie in den Rodanag verehrungswürdige Glücksbringer sahen und sie mit Dank- und Bittgebeten bedachten wie Gottheiten.

Es waren die Botschaften, die in unregelmäßigen Abständen das Verheerte Land erreichten. Sie lösten bei den Dabsokaar etwas aus, dass sie für Glückseligkeit hielten.

»Wir werden etwas unternehmen müssen«, sagte einer der beiden anderen Rodanag im Raum.

Die beiden waren deutlich kleiner als Geralgar. Ihr Körpervolumen betrug etwa die Hälfte. Sie hießen Maltranar und Baralbar und waren die Stellvertreter Geralgars im Amt des Obersten Krisenfall-Entscheiders.

Der offizielle Titel, den sie beide trugen, lautete Unterstützer und ihre Aufgabe bestand darin, den Krisenfall-Entscheider so gut wie möglich bei seinen Entscheidungen zu beraten.

Maltranar trat etwas vor und deutete auf eine ganz bestimmte Stelle innerhalb der Projektion. Er benutzte dazu einen seiner feineren Tentakel, an deren Enden sich jeweils noch viel feinere Greiforgane befanden. »Die Verehrung durch die Dabsokaar mag uns am Anfang geschmeichelt haben, aber inzwischen werden sie zu einer ernsten Bedrohung. Erst kürzlich gelang es uns nur mit Mühe, eine Gruppe besonders fanatischer Dabsokaar davon abzuhalten, mit ihrem Raumboot anzudocken und in die Bewohnte Provinz zu kommen, um sich das zu nehmen, worauf sie ein Anrecht zu haben glauben...«

»Ich weiß«, murmelte Geralgar in einer Sprache, die von Schnalz-und Brummlauten gekennzeichnet wurde.

»Andererseits wüsste ich nicht, wie wir uns gegen sie wehren könnten!«

Früher, in jener Zeit, als das Verheerte Land noch einen anderen, ruhmreicheren Namen getragen hatte und als Transporttor diente, hatte es unzählige kleinere Raumschiffe gegeben, die zwischen den einzelnen Welten des Siebenersystems hin und her geflogen waren. Von einer Dunkelwelt zur anderen zu gelangen, war kein Problem gewesen. Heute muteten diese Überlieferungen wie erfundene Märchen an, die darüber hinwegtäuschen sollten, dass man sich an einem nicht gerade besonders gastlichen Platz im Universum aufhielt.

Ein Ort ohne Sonne, dessen Wärme einzig und allein aus dem Inneren der Bewohnten Provinz kommen konnte.

Und auch diese Wärmequelle war längst nicht mehr so verlässlich und stark, wie es noch vor zwei oder drei Generationen den Anschein gehabt hatte.

Die robotischen Kampfschiffe waren größtenteils bereits bei der Verheerung zerstört worden, aber Transporteinheiten hatte es auch in der Zeit danach noch gegeben – bis schließlich eine nach der anderen nicht mehr funktionierte. Das technische Wissen der Rodanag hatte in den Zeitaltern, die seit dem großen Krieg vergangen waren, stark nachgelassen.

Gleichzeitig hatten immer mehr Systeme ihre Funktion eingestellt. Die Bewohnte Provinz war immer kleiner geworden. Schließlich beschränkte sie sich auf einige Sektoren eines einzigen Himmelskörpers.

»Unser Problem ist, dass wir nur sehr eingeschränkt dazu in der Lage sind, die Botschaftsimpulse selbst zu erzeugen«, fasste Maltranar zusammen. »Die Dabsokaar glauben, dass wir ihnen ihr Glück vorenthalten wollen, dabei kommen die Botschaften in der Regel aus weiter Ferne und werden von der Anlage in der Bewohnten Provinz nur weitergesandt. Wir können sie nur selten beeinflussen!«

»Aber das alte Wissen, das unsere Vorfahren darüber besaßen, muss doch reaktiviert werden können!«, dröhnte Geralgar in den Raum hinein.

»Das ist bislang leider kaum gelungen«, gab Maltranar ziemlich kleinlaut zu. »Mittelfristig könnte es uns vielleicht gelingen, die Signale zu verstärken, aber meiner Beobachtung nach lässt die Wirkung der Impulse immer schneller nach.«

»So?«, fragte Geralgar. »Du meinst, es tritt ein Gewöhnungseffekt auf, wie wir ihn bei stimulierenden Substanzen kennen, die bei uns so überaus knapp sind, da ihr Vorrat in der Bewohnten Provinz nicht erneuert werden kann...«

Maltranar spreizte zwei unterschiedlich große Tentakel in einem Winkel von fünfundvierzig Grad ab, was bei den Rodanag als eine Geste der Zustimmung galt.

»Genauso ist es, o schöner Geralgar!«, bestätigte Maltranar die Worte des Obersten Krisenfall-Entscheiders.

Er dachte, dass es grundsätzlich nicht schaden konnte, seinem obersten Herrn ein wenig zu schmeicheln. Dass es Geralgar ziemlich auf das empfindsame Rodanag-Nervengewebe ging, dass ihm so häufig ausgerechnet mit diesem Aspekt seiner Persönlichkeit geschmeichelt wurde, davon ahnte Maltranar nichts. Geralgar fühlte sich häufig auf seine Schönheit reduziert und die Privilegien, die ihm dadurch von seinem Eischlupf an gewährt worden waren, empfand er als peinlich. Ewig hatte ihn die Frage gequält, ob er das, was er in seinem Leben bisher erreicht hatte, auch ohne diese besondere Eigenschaft hätte erreichen können. Schließlich war es nicht sein Verdienst, als Mutant mit Übergröße geboren worden zu sein. Es war ihm in den Brutkasten gelegt worden und auf die Frage, ob er es auch ohne diesen eigentlich unfairen Vorteil bis zum Obersten Krisenfall-Entscheider gebracht hätte, würde er wahrscheinlich niemals letztgültig beantwortet bekommen.

Vielleicht sollte ich das Ganze von einer anderen Warte aus betrachten, ging es ihm durch den glupschäugigen Kopf, während er sein Gewicht auf einen der kräftigeren Tentakel verlagerte. Vielleicht wärst du nicht ohne die Eigenschaft der übergroßen Schönheit zum Obersten Krisenfall-Entscheider der Rodanag des Verheerten Landes geworden – aber wenn du ein Nichtskönner gewesen und dem Amt nicht gewachsen gewesen wärst, hätten dich deine Artgenossen ganz gewiss nicht lange in dieser Position belassen! Also hast du dann doch jedes Recht darauf, stolz auf deine Leistungen zu sein...

Maltranars Worte drangen unterdessen in Geralgars Gehörzellen, die gut verborgen in der Beuge unterhalb der Tentakelansätze verborgen waren. »Die Flut von Dankesgebeten, die uns die Dabsokaar übersandten, dauerte bei der Begegnung mit den ersten ihrer Raumschiffe, die hier auftauchten, noch gut doppelt so lange wie nach dem letzten Impuls. Ihre Dankbarkeit ist schneller erschöpft und die Gier nach weiteren Impulsen scheint sie inzwischen sehr viel schneller wieder ergriffen zu haben!«

»Der Vorfall mit dem Dabsokaar-Schiff, das in der Bewohnten Provinz versuchte anzudocken, sollte uns sehr vorsichtig werden lassen«, mischte sich nun Baralbar in das Gespräch ein. »Was tun wir, wenn sich die Besatzung von ein oder zwei Dutzend ihrer größeren Schiffe zusammenrotten und die Bewohnte Provinz angreifen? Wir hätten kaum die Macht, es zu verhindern. Dieser Tatsache müssen wir ins Auge sehen!«

Geralgar ließ eine Mischung aus einem Schnalzen und einem Zischen aus der Sprechmembran herausdringen, die vom eigentlichen Mund getrennt war.

Beides wurde von einem Brummlaut unterlegt. Ein Ausdruck des Erstaunens und der Ratlosigkeit. Genau das ist der Punkt, der mir schon seit längerem große Sorgen macht und verhindert, dass ich mich noch in aller Ruhe meinen Rekreationsphasen zu widmen vermag. Ich finde einfach keine Ruhe, was angesichts der bedrohlichen Situation auch nicht verwunderlich ist...

Aber Geralgar hütete sich davor, von diesen inneren Zweifeln auch nur das kleinste bisschen nach außen dringen zu lassen. Schließlich war er der Krisenfall-Entscheider. Man erwartete von ihm, dass er die Situation löste und seine Einfälle dazu beitrugen, dem Volk der Rodanag des Verheerten Landes gegen alle Widrigkeiten eine gute Zukunft zu sichern.

Geralgar war von so viel Optimismus in sein Amt getragen worden und hatte sich anfangs der rückhaltlosen Unterstützung aller sicher sein können. Wie einen Erlöser hatten sie ihn angebetet in der Hoffnung, sich keine eigenen Gedanken mehr über ihre Zukunft machen zu müssen. Und ich war dumm genug ihnen zu glauben, so wie ich dumm genug war, die Schmeicheleien in Bezug auf meine Schönheit zu glauben.

Geralgar wandte den Kopf und starrte auf die 3-D-Projektion in der Mitte des Raumes. Er erinnerte sich noch daran, dass es in seiner Jugend möglich gewesen war, diese Projektion in einem guten Dutzend Räumen innerhalb der Bewohnten Provinz zu aktivieren.

Jetzt war nur noch dieser Raum übrig geblieben, der darum den Namen Saal der weiten Sicht bekommen hatte. Niemand wusste, weshalb die Projektion der Ortungsdaten anderswo nicht mehr aktiviert werden konnte, wie auch niemand wusste, weshalb eigentlich nicht mehr einzelne Teilbereiche herangezoomt werden konnten. Diejenigen unter den Rodanag, die sich selbst die Systemspezialisten nannten, hatten vergeblich versucht, den alten Zustand wiederherzustellen.

Aber es war ihnen bis heute nicht gelungen und Geralgar hatte den leisen Verdacht, dass sie im Grunde viel zu wenig über jenes System wussten, dessen Spezialisten sie eigentlich hätten sein sollen.

Wir leben in einem endlosen Äon des Verfalls und des Niedergangs, ging es Geralgar durch den Kopf. Ein Gedanke, der ihn zeitweilig zutiefst deprimierte. Aber es gibt keine Möglichkeit, an diesem Zustand etwas zu ändern. Der Weg des Schicksals ist für uns vorgezeichnet – und er führt direkt in den Abgrund des Vergessens. Es sei denn, eines Tages würden doch noch die Götter zurückkehren. Und wenn sie nicht mehr existierten, dann wenigstens ihre Helfer, die Etnord oder die Basir...

Aber abgesehen von einigen rätselhaften Botschaften, die die noch funktionierenden Empfänger der Bewohnten Provinz als eine Art Relaisstation an irgendeinen Ort in den geheimnisvollen Tiefen des Kosmos abstrahlten, hatten die Rodanag nichts mehr von diesen Wesen gehört.

Es gab sporadischen Kontakt zu den Rodanag eines anderen Siebener-Systems, dass sich den Berichten nach in einem nicht ganz so maroden Zustand befand wie das Verheerte Land. Die Impulse, die bei diesen Kontakten verwendet wurden, waren weitaus schwächer als jene, die aus der Weiten Ferne stammten und vielleicht zehntausende von Lichtjahren unterwegs gewesen waren. Die Dabsokaar empfanden auch sie als angenehm, aber nur in der Anfangszeit hatten sie sie sich dadurch noch in mentale Ekstase versetzen lassen. Inzwischen war ein Stadium der Desensibilisierung erreicht, in dem die Raumnomaden einen derartigen Impuls nicht einmal mehr größere Dankgebete für würdig hielten. Die Botschaften aus der fernen Weite konnten durch die Rodanag jedoch nicht beeinflusst werden. Blieben sie aus, steigerte sich die Unzufriedenheit der Dabsokaar und die Rodanag warteten mittlerweile immer mit großer innerer Anspannung auf sie.

Eines Tages, das war wohl mittlerweile jedem Rodanag der Bewohnten Provinz klar, würden sich die Fremden holen, was sie begehrten...

Sie würden es zumindest versuchen und ehe sie feststellen konnten, dass sie einer Chimäre nachjagten, hatten sie dann vermutlich die Bewohnte Provinz zerstört und die Lebensgrundlagen der letzten Rodanag vernichtet...

Wäre es nicht deine Aufgabe als Krisenfall-Entscheider, etwas mehr Optimismus zu verbreiten?, meldete sich eine kritische Stimme irgendwo aus dem gewaltigen im Rodanag-Sinn des Wortes besonders schönen Hinterkopf des Kopffüßers, der jetzt beinahe regungslos zu einem Standbild erstarrt war. Das erfordert mentale Stärke und innere Stabilität – und angesichts der Lage mangelt es dir ebenso sehr daran wie allen anderen Bewohnern der Provinz. Aber dennoch wird von einem Krisenfall-Entscheider mehr erwartet als von einem gewöhnlichen Individuum...

Ganz besonders galt das für den Fall, dass dieser Krisenfall-Entscheider schön war...

Geralgars Augen fixierten eine ganz bestimmte Zone in dem von der Projektion erfassten Raumsektor.

Vier Objekte waren dort aufgetaucht, die dort zuvor noch nicht gewesen waren.

Ein kleiner Warnhinweis zeigte an, dass es sich um unbekannte Objekte handelte, die den Ortungsbereich des Verheerten Landes erst vor kurzem erreicht hatten.

»KOORDINATOR!«, sprach Geralgar die künstliche Intelligenz der Bewohnten Provinz an.

Auch ihre Funktionen waren im Laufe der Zeit auf ein Minimum zusammengeschmolzen und wenn man ihre Dienste anforderte, wusste man vorher nicht mit Sicherheit, dass sie auch tatsächlich reagierten. Geralgar grauste schon vor dem Tag, an dem der KOORDINATOR – wieso vieles andere – nicht mehr aktivierbar war.

Aber dieses Mal meldete er sich.

»Der KOORDINATOR erkennt dich als Krisenfall-Entscheider«, sagte eine für Rodanag-Gehörzellen angenehm klingende Stimme. »Deine Autorisation ist akzeptiert. Du wünschst meine Dienste?«

Der Krisenfall-Entscheider streckte einen seiner Tentakel aus und reichte damit in die Projektion hinein. »Ich möchte eine genauere Identifikation dieser vier Objekte.«

»Der automatische Abgleich mit bekannten Raumfahrzeugen hat ergeben, dass es sich nicht um Dabsokaar-Schiffe handelt«, erklärte der KOORDINATOR.

»Sind weitere Spezifikationen möglich?«, hakte Geralgar nach.

»Ist auf Wunsch in Bearbeitung. Ich gebe zu bedenken, dass dafür knappe Energieressourcen verbraucht werden und es ansonsten möglich wäre, das KOORDINATOR-System im Bereitschaftsstatus zu halten.«

»Ich möchte diese Identifikation trotz des damit verbundenen Mehrbedarfs an Energieressourcen!«, sagte Geralgar.

»Akzeptiert. Bedenken des KOORDINATORS wurden protokolliert!«

Geralgar spreizte zwei Tentakel ab und gab mit dieser Geste, die von einem Kameraauge des KOORDINATORS aufgezeichnet wurde, sein Einverständnis. Die KI verstand diese Geste.

Noch!, dachte Geralgar. Irgendwann wird der KOORDINATOR vielleicht nur noch über Sensorfelder eingegebene Befehle akzeptieren oder uns sonst was an Schwierigkeiten machen...

Über die geradezu legendären Fähigkeiten, die der KOORDINATOR zur Zeit des Großen Krieges gehabt hatte, kursierten noch heute Legenden unter den Rodanag. Geralgar hielt vieles davon für Übertreibungen. So war es offenbar eine der Aufgaben des KOORDINATORS gewesen, die Flotte von Abwehrraumdrohnen zu steuern und in den Kampf zu führen, wenn dies nötig war.

Das geschah vollkommen automatisch, ohne dass irgendein Rodanag dazu irgendetwas beitragen musste. Ein einziger Befehl des Krisenfall-Entscheiders genügte – und in dem Extremfall, dass vielleicht eine Kontaktaufnahme nicht möglich war oder es dem Feind durch einen Überraschungsschlag gelungen sein sollte, die Befehlshierarchie der Rodanag zu zerschlagen, war er sogar in der Lage gewesen, eigenständig zu reagieren.

Erst die Kontaktaufnahme mit einem mehrere hundert Lichtjahre entfernten Siebenersystem, in dem diese Funktionen des KOORDINATORS noch aktiviert waren, hatte Geralgar und den seinen gezeigt, dass vielleicht doch nicht alles ins Reich der Legenden gehörte, was man sich über das Computersystem der Bewohnten Provinz so erzählte...

Eine der Wände im Saal der weiten Sicht verwandelte sich in einen gigantischen Bildschirm. Allerdings deutete eine deutliche Unschärfe im rechten Bildrand darauf hin, dass sich auch hier ein Systemversagen ankündigte. Die Unschärferegion hatte sich seit dem Auftauchen der Dabsokaar verdoppelt. Das sprach nach Geralgars Ansicht für sich, aber leider gab es keinen lebenden Rodanag, der zu einer Reparatur in der Lage gewesen wäre.

Auf dem Bildschirm erschienen Datenkolonnen. Einst hatte es Rodanag gegeben, die in der Lage gewesen waren, diese Zeichen zu interpretieren. Heute stellten sie kaum mehr als magische Chiffren dar, von denen die Bewohner des Verheerten Landes ahnten, dass sie irgendetwas mit den Funktionen des KOORDINATORS zu tun hatten.

Die Abbildungen der angepeilten Raumschiffe erschienen in verschiedenen Bildfenstern. Es waren

lediglich Infrarotaufnahmen.

»Ein Objekt kann identifiziert werden«, erklärte der KOORDINATOR.

»Erbitte Spezifikationen!«, forderte Geralgar.

Manchmal musste man Befehle an den KOORDINATOR mehrfach wiederholen, bevor er sie ausführte. Einer der vielen Fehler, die sich im Lauf der Zeit in sein System eingeschlichen hatten. Fehler, die niemand beheben konnte, sodass sie sich mit der Zeit potenzierten und Wechselwirkungen ausbildeten – bis es schließlich zum Systemzusammenbruch kam.

Das Infrarotbild eines sichelförmigen Objekts wurde eingeblendet.

»Es handelt sich bei diesem Körper um ein Raumschiff, das bereits von den fernen Verwandten angemessen wurde!«, erklärte der KOORDINATOR. »Die Signaturen stimmen exakt überein. Bei unseren Verwandten tauchte dieses Schiff in Begleitung einer Einheit des Alten Feindes auf.

Glücklicherweise ist das hier nicht der Fall.«

»Aber es gibt Begleiter...«

»Ja, aber die können wir nicht identifizieren. In unseren Datenbanken befinden sich keine Vergleichsmuster mit einer hinreichend großen Übereinstimmung.«

Geralgar überlegte.

In einer ihrer letzten Botschaften hatten die entfernten Verwandten vom Auftauchen und dem ersten Kontakt mit diesem sichelförmigen Schiff berichtet, dass den seltsamen Namen STERNENKRIEGER trug. Geralgar erinnerte sich noch daran, wie sehr er sich darüber amüsiert hatte. Auch die Fernen Verwandten konnten sich keinen Reim darauf machen, wie Sterne Krieg führen konnten.

»Du erinnerst dich an die Schilderungen unserer entfernten Verwandten, nach denen dieses Schiff die Öffnung eines Wurmlochs verhinderte, indem es seine Waffen gezielt einsetzte«, gab Baralbar zu bedenken. »Leider liegt der letzte Kontakt zu den entfernten Verwandten schon eine Weile zurück und seitdem ist es uns nicht gelungen, ihn wiederherzustellen...«

»Wer weiß, ob nicht diese Fremden etwas mit dem Abbruch des Kontaktes zu tun haben!«, warf nun Maltranar ein.

»Abgesehen von diesem Eingreifen der Menschen berichteten unsere Verwandten aber auch von einem durchaus kooperativen Erstkontakt«, entgegnete Geralgar. »Die Tatsache, dass sie ihre Systeme auf Sparflamme laufen lassen und sich offenbar in einer Art Schleichflug der Bewohnten Provinz zu nähern versuchen, unterstützt meiner Meinung nach die These, dass sie in feindlicher Absicht hier sind«, glaubte Baralbar.

»Aber sie müssen über mächtige Waffen verfügen, wenn sie es schafften, die Öffnung eines Wurmlochs zu verhindern...«

Was genau ein Wurmloch war, hätte kaum einer der Rodanag noch zu erklären vermocht. Aber es war jedem Bewohner der Provinz klar, dass es sich dabei um eine Möglichkeit handelte, Materie in weit entfernte Raumsektoren zu transferieren. Aber damit war das Wissen bereits erschöpft.

Der Begriff Wurmloch war für die Rodanag einer von so vielen, die ursprünglich mal einen sehr konkret fassbaren Bedeutungsinhalt gehabt hatten und schließlich im Laufe der Zeitalter zu mystischen Worthülsen geworden waren, die das Geheimnis eigentlich nur noch mehr verbargen, anstatt es zu erklären.

»Wenn man die Erzählungen unserer Verwandten richtig deutet, dann waren die Wesen von der STERNENKRIEGER nur daran interessiert, die Ausbildung des Wurmlochs zu verhindern. Sie haben keineswegs einen weitergehenden Angriff gegen unsere Verwandten gestartet – und wenn das der Fall wäre, so bin ich mir sicher, dass wir davon gehört hätten.«

Baralbar und Maltranar spreizten jeweils gleich vier beziehungsweise fünf verschiedene Tentakel von sich, was ein Höchstmaß an Irritierung demonstrierte.

»Du solltest deinen Beratern sagen, was du vorhast«, meinte Baralbar, und Maltranar stimmte dem lauthals zu.

»Also gut«, sagte der Oberste Krisenfall-Entscheider. Der Blick seiner hervorquellenden Augen musterte seine beiden Gegenüber misstrauisch. Jetzt muss ich sehr diplomatisch sein, sonst nützt mir am Ende all meine Schönheit nichts, um Maltranar und Baralbar zu überzeugen!

»Den Berichten unserer Verwandten nach waren die Menschen allem Anschein nach in erster Linie auf der Suche nach Informationen. Sie suchten verloren gegangenes Wissen über den Großen Krieg, die Basir – und vielleicht auch über die niederträchtigen, insektoiden Alliierten, mit denen sie zu kooperieren schien. Ich schlage also vor, den Menschen ein Angebot zu machen...«

»Krisenfall-Entscheider! Das ist nicht dein Ernst!«, stieß Maltranar hervor.

Baralbars Empörung war so groß, dass er sogar ein Bein verlor. Er stieß es ab. Die Wunde schloss sich rasch wieder und im Zeitraum von mehreren Eigenrotationen der Bewohnten Provinz würde es nachgewachsen sein.

»Du bringst mich in Verlegenheit«, sagte Geralgar.

»Es geht um die Zukunft der Rodanag im Verheerten Land!«, ereiferte sich Baralbar. Die Schnalzlaute wurden mit einer so schnellen Geschwindigkeit durch die Sprechmembran ausgestoßen, dass sie sich zu einem schrillen Zirpen verdichteten.

»Oh ja, in diesem Punkt muss ich dir Recht geben!«, dröhnte Geralgar zurück. »Es geht um unsere Zukunft! Und mit diesem Raumschiff, das einen so grotesken Namen trägt, ist vielleicht unsere Rettung aufgetaucht. Ich bin es, der zum Krisenfall-Entscheider gemacht wurde. So ist es an mir, zu entscheiden – notfalls auch gegen das Votum meiner Berater!«

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9

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»Captain, wir bekommen eine Funktransmission im Binärcode der Rodanag«, meldete Lieutenant Jamalkerim. »Es ist allerdings nur ein Audiokanal.«

Sunfrost wandte sich Van Doren. »Kann es sein, dass man uns geortet hat?«

»Offensichtlich«, entgegnete er. »Vergessen wir nicht, dass die Siebenersysteme Hinterlassenschaften der Alten Götter sind. Dieses Volk ist uns technisch so weit überlegen wie wir dem Neandertaler! Schließlich hatten die Alten Götter die Macht, Monde und Planeten zu Siebenecken anzuordnen. Warum sollten sie nicht über eine sehr viel weiterreichende und vielleicht auch exaktere Ortung verfügen als wir?«

»Ich kann dieser Einschätzung nur zustimmen«, sagte Bruder Guillermo. »Die Rodanag des ersten Siebenersystems, auf das wir stießen, waren stark degeneriert, aber wir wissen ja nicht, inwiefern das auch hier der Fall ist. Außerdem ist es möglich, dass sich selbst dann noch sehr viel Anwendungswissen über die Zeitalter hinweg erhalten haben könnte und die Bewohner von Objekt 442 durchaus in der Lage sind, Ortungssysteme effektiv zu bedienen, auch wenn sie keinerlei Kenntnisse über deren technische Grundlagen haben.«

Habe ich denn ein wirklich profundes Wissen über die technischen Grundlagen des Mesonenantriebs?, ging es Sunfrost derweil durch den Kopf. »Ortung?«

»Ja, Ma'am!«, meldete sich Riggs.

»Gibt es irgendwelche auffallenden Veränderungen der Lage?«

»Nein, Ma'am. Ich glaube nicht, dass die Dabsokaar uns bereits bemerkt haben. Ihr Ortungsradius scheint geringer zu sein als der unsere. Die Rodanag haben wir allerdings in dieser Hinsicht wohl etwas unterschätzt. Ich registriere soeben einen Peilstrahl, mit dem wir abgetastet werden.«

»Lieutenant Jamalkerim! Öffnen Sie den Kanal zu den Rodanag«, befahl Sunfrost.

»Ja, Ma'am«, bestätigte die Kommunikationsoffizierin der STERNENKRIEGER und vollführte durch eine rasche Folge von Berührungen der Sensorfelder ihres Touch Screens mehrere wichtige Schaltvorgänge.

Unter anderem wurde das Translatorsystem aktiviert, wie eine Anzeige links oben auf der Bildfläche des Panoramaschirms deutlich machte.

Allerdings zeigte das Bild selbst auch weiterhin einen Infrarotscan des Systems, dem die K'aradan den Namen Kar'shandre gegeben hatten.

»Hier spricht Geralgar, der oberste Krisenfall-Entscheider der Rodanag des Verheerten Landes. Ich grüße das Raumschiff STERNENKRIEGER und seine Besatzung.«

Rena Sunfrost wechselte einen erstaunten Blick mit Van Doren.

Offenbar hat man uns bereits erwartet!, dachte sie und stellte sich dennoch vor. »Ich bin Rena Sunfrost, Captain der STERNENKRIEGER im Dienst des Space Army Corps der Humanen Welten.«

»Unsere Entfernten Verwandten haben uns von ihrer Begegnung mit euch berichtet«, erklärte Geralgar. »Wer sind eure Begleiter? Ihren Schiffstyp konnten wir nicht identifizieren!«

»Es handelt sich um K'aradan-Schiffe. Sie sind unsere Verbündeten.«

»Sind sie gut bewaffnet?«, erkundigte sich der Oberste Krisenfall-Entscheider zu Renas Überraschung.

»Sie wissen sich – genau wie wir – zu verteidigen. Aber wir kommen in friedlicher Absicht.«

»Unsere Entfernten Verwandten waren sich über eure Absichten nicht ganz einig«, erläuterte der Rodanag jetzt. »Ihr habt nach Informationen gesucht, die die Vergangenheit betreffen.«

»Das ist richtig.«

»Aber ihr habt auch durch euren Beschuss das Entstehen eines Wurmlochs verhindert.«

»Wir mussten eine unmittelbar drohende Gefahr abwenden.«

Es folgte eine Pause. Renas fühlte den Blick von Bruder Guillermo auf sich ruhen.

Na, habe ich jetzt diplomatisch alles vergeigt?, fragte sie sich.

Offenbar war sie nicht die Einzige, der diese Frage durch den Kopf ging. »Wir sind noch in Kontakt«, flüsterte Lieutenant Jamalkerim, nachdem sich der Rodanag mit seiner Erwiderung bedenklich viel Zeit ließ.

Schließlich sagte Geralgar: »Ich lade euch in unsere Bewohnte Provinz ein. Dort kann ich euch vielleicht ein auch für euch interessantes Angebot unterbreiten. Was denkst du darüber, Captain Sunfrost?«

»Es scheint um eine Art von Handel zu gehen?«, wich Sunfrost einer direkten Beantwortung der Frage zunächst aus.

Schließlich hatte sie nicht den geringsten Schimmer, worauf diese Unterhaltung eigentlich hinauslaufen sollte. Der Rodanag schien da sehr viel konkretere Vorstellungen zu haben, auch wenn Rena das Gefühl nicht loswurde, dass Geralgar ihr gegenüber nicht ganz offen war.

»Ja, es ist ein Handel«, bestätigte der Rodanag. »Wir würden euch die Auswertung unserer Datenspeicher gestatten, die wahrscheinlich die letzten Informationsquellen über die Basir sind...«

»Und was wäre unsere Gegenleistung?«, hakte Sunfrost nach, der die ganze Sache inzwischen ziemlich suspekt erschien.

»Darüber möchte ich mich gerne mit einer Delegation unterhalten. Menschliche Gäste wären uns sehr willkommen...«

»Wir werden darüber nachdenken und so schnell wie möglich unsere Entscheidung bekannt geben«, versprach Sunfrost. »Aber zuvor hätte ich noch ein paar Fragen.«

»Ich werde sie dir nach besten Wissen und Gewissen beantworten, Sunfrost«, erwiderte Geralgar. »Allerdings solltest du dabei bedenken, dass es Dinge gibt, die vielleicht wirklich besser von Sprechmembran zu Sprechmembran ausgetauscht werden.«

»Diesen Aspekt werde ich nicht aus den Augen verlieren«, erwiderte Rena. »Meine Frage bezieht sich auf die gut hundert Raumschiffe, die sich in einem Radius von einer halben astronomischen Einheit um den Himmelskörper bewegen, dem wir den Namen Objekt 442 gegeben haben.«

»Wir nennen ihn die Bewohnte Provinz«, gab Geralgar zurück. »Und was diese Schiffe angeht, so gehören sie nicht zu uns, sondern den Dabsokaar – fremden Raumnomaden, die sich zu uns verirrt haben.«

»Das haben wir inzwischen auch herausgefunden«, erwiderte Sunfrost.

»Du willst wissen, ob ihr etwas von ihnen zu befürchten habt?«, fragte Geralgar.

»Ja«, bestätigte Rena.

»Das habt ihr nicht«, meinte Geralgar. »Technisch sind diese Schiffe den euren vollkommen unterlegen. Die Dabsokaaer durchqueren im Unterlichtflug das All und leben an Bord ihrer Raumschiffe. Sie sind auf gewisse Art unsere Gäste. Ihr habt nichts zu befürchten.«

»Ich denke, wir werden mit ihnen Kontakt aufnehmen, bevor wir dich über die Annahme oder Ablehnung deines großzügigen Angebots informieren werden«, erklärte Sunfrost.

Es war schwer einzuschätzen, ob dem Rodanag Renas Antwort möglicherweise nicht behagte. Renas Intuition sagte ihr, dass es sich genau so verhielt. Vielleicht lag das aber auch einfach nur an der Verzögerung, mit der die Antwort gegeben wurde und die Rena so erschien, als suchte ihr Gegenüber erst noch nach einer diplomatisch verträglichen Formulierung, um ihr zu antworten.

»Es ist nichts dagegen einzuwenden«, sagte Geralgar. »Mein Angebot ist allerdings mit einer Bedingung verbunden.«

»Und die wäre?«, fragte Rena.

»Eure drei Begleitschiffe bleiben in einem Abstand von mindestens vier astronomischen Einheiten um die Bewohnte Provinz. Bitte verstehe das nicht falsch, aber wir wollen zunächst einmal ganz sicher gehen, dass ihr unsere Heimat tatsächlich in friedlicher Absicht aufsucht.«

»Dafür habe ich Verständnis«, erklärte Sunfrost.

»Das freut mich zu hören. Ich erwarte also deine Antwort.«

Die Verbindung wurde unterbrochen.

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10

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Rena atmete tief durch. Sie erhob sich von ihrem Schalensitz und ließ den Blick schweifen. Mit Ukasi, Taranos, Riggs, Van Doren und Jamalkerim war die Stammbesatzung auf der Brücke.

Dazu kam noch Bruder Guillermo, der die ganze Zeit über damit fort gefahren war, die aufgefangenen Funkbotschaften zwischen Rodanag und Dabsokaar weiter auszuwerten.

Inzwischen hatte sich der Olvanorer bereits ein sehr viel klareres Bild gemacht.

»I.O., ich bitte um Ihre Einschätzung!«, forderte Rena Sunfrost ihren Ersten Offizier auf. Van Doren war auf Grund der Tatsache, dass er gegenüber einer Besatzung feindlicher Qriid-Kämpfer Humanität hatte walten lassen und dabei die Sicherheit der eigenen Besatzung aufs Spiel setzte, vom Captain der DAEDALUS zum Lieutenant Commander und Ersten Offizier an Bord der STERNENKRIEGER herabgestuft worden.

Da er älter und raumerfahrener war, hatte sein Urteil in Renas Sicht der Dinge ein besonderes Gewicht. Anfangs hatte sie sich dagegen gesträubt, zu akzeptieren, dass einer ihrer Untergebenen offenbar deutlich mehr Kompetenz und Erfahrung besaß, als sie selbst.

Inzwischen hatte sie sich damit allerdings abgefunden – zumindest meistens – und sich vorgenommen, die Kompetenz ihres Ersten Offiziers auch in Anspruch zu nehmen. Letztlich konnte das immer nur von Vorteil für das Gelingen der gesamten Mission sein.

»Ich denke, wir sollten auf das Angebot der anderen Seite eingehen«, meinte Van Doren.

»Es könnte eine Falle sein«, glaubte indessen Ukasi.

»Wir mögen den Dabsokaar-Schiffen ja weit überlegen sein – aber erstens gilt das schon mal nicht für ihr Beschleunigungsvermögen und zweitens haben wir bislang nicht die kleinste Ahnung, welche Bewaffnung diese Schiffe besitzen. Vielleicht sind sie auch darin Spitze und am Ende sind wir von ihren Schiffen dermaßen eingekreist, dass wir ihre leichte Beute werden können!«

Bruder Guillermo hatte ganz andere Bedenken. »Ich glaube, der schwierigste Teil der Mission wird es sein, die K'aradan davon zu überzeugen, hier zurückzubleiben und einfach abzuwarten, bis wir den Orbit von Objekt 442 wieder verlassen!«

»Ich möchte zu bedenken geben, dass der Oberste Krisenfall-Entscheider der Rodanag vielleicht deswegen nichts mehr über Gegenleistung sagen wollte, weil er die Gefahr gesehen hat, dass er abgehört wird!«, war Lieutenant Jamalkerim überzeugt.

Van Doren war derselben Ansicht. »Darüber habe ich auch schon nachgedacht.«

»Kommunikation! Stellen Sie mir eine Verbindung zur SEELE ARADANS her!«, forderte Commander Sunfrost.

Jamalkerim nickte und strich sich dabei eine verirrte Haarsträhne aus den Augen, bevor sie ihre Finger über das Terminal ihrer Konsole gleiten ließ.

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Zur gleichen Zeit im Alpha-Picus-System...

»Datentransfer von den Sandström-Sonden eins, vier und sieben!«, meldete Lieutenant Commander Seiichi Ishikawa, der Kommunikationsoffizier der LIBERTY, einem Dreadnought.

Die LIBERTY war das Flaggschiff von Commodore Thorbjörn Soldo, dem Kommandanten der Space Army Corps-Einheiten, die zur Verteidigung des Picus-Sektors gegen die sich sammelnde Armadas der Fulirr und der mit ihnen verbündeten Naarash zusammengezogen worden war.

Nachdem die Meldung von der NEPTUN unter Commander Raphael Wong eingetroffen war, dass der Großangriff offenbar begonnen hatte, wartete man nun im gesamten Picus-Sektor auf den drohenden Angriff. Mehr Sandström-Sonden als sonst üblich waren abgeschossen und auf 0,4 LG beschleunigt worden, um anschließend in den Zwischenraum einzutreten und von dort aus wertvolle Daten über herannahende Angreiferschiffe zu liefern.

Details

Seiten
Jahr
2018
ISBN (ePUB)
9783738916843
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Juni)
Schlagworte
folge chronik sternenkrieger doppelband

Autor

  • Alfred Bekker (Autor:in)

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Titel: Folge 15/16 - Chronik der Sternenkrieger Doppelband