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2 Pete Hackett Wildwest-Romane: Das gnadenlose Gesetz / ...dann gnade dir Gott!

Western Spannung

©2018 260 Seiten

Zusammenfassung

Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.
Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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Das gnadenlose Gesetz

Western von Pete Hackett

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Über den Autor

UNTER DEM PSEUDONYM Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.

Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."

Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.

Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author

© 2012 der Digitalausgabe 2012 by AlfredBekker/CassiopeiaPress

www.AlfredBekker.de

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DER TAG NEIGTE SICH seinem Ende zu. Die Sonne stand schon weit im Westen und glühte über den fernen Graten und Zinnen der Roskruge Mountains. Ziemlich schnell krochen die Schatten über die heiße, staubige Main Street von Tucson und erreich­ten die Häuser auf der anderen Seite.

Sheriff Tom Jordan trat auf den Vorbau seines Office. Hart umspann­ten seine nervigen Hände das Gelän­der, das von Sonne, Wind und Regen blank geschliffen war. Aus engen Au­genschlitzen starrte der Sheriff nach Westen. Sein scharfkantiges Gesicht war ausdruckslos. Um ihn herum war reges Leben. Viele Menschen beweg­ten sich auf den hölzernen Gehstei­gen, Reiter kamen die Fahrbahn ent­lang, Buggies, hin und wieder ein schwereres Fuhrwerk. Tom Jordan nahm das alles nur unterbewusst wahr. Reglos stand er da, den Blick starr nach Westen gerichtet, als er­wartete er aus dieser Richtung irgendetwas.

Ein Mann steuerte von der gegen­überliegenden Straßenseite schräg auf den Sternträger zu. Er trug einen dunklen Anzug und ein weißes Hemd, das am Hals von einer weinro­ten Samtschnur zusammengehalten wurde. Auf seinem Kopf saß eine schwarze Melone. Er war wohl an die sechzig Jahre alt, und die Haare, die unter dem Hut hervorlugten, waren eisgrau. Der Ostwind trieb Staubspi­ralen gegen seine Stiefel und puderte sie grau.

Vor dem Vorbau blieb der Eisgraue stehen, blinzelte zu Jordan hinauf, der ihn allerdings nicht wahrzuneh­men schien.

»Hallo!«, grüßte er.

Von Jordan kam keine Resonanz.

Und so wiederholte er seinen Gruß, diesmal lauter und herausfordernder.

Und nun wandte sich Tom Jordan ihm zu. »Ah, Doc«, sagte er. »Hab Sie gar nicht kommen hören.« Er ver­suchte ein Lächeln, doch misslang ihm dies. Und so nahm sein Gesicht wie­der den ernsten Ausdruck an.

»Sie machen mir überhaupt einen recht abwesenden Eindruck in den letzten Tagen«, erwiderte der Doc und verzog den Mund. »Ich beob­achte Sie. Seit einer Woche stehen Sie täglich wiederholt hier auf dem Vor­bau und starren nach Westen.« Der alte Arzt nickte einige Male wie zur Bekräftigung seiner Worte. »Und ich glaube auch zu wissen, was Sie be­drückt, Tom Jordan«, fügte er dann etwas leiser hinzu.

»Dann brauche ich es Ihnen ja nicht zu erzählen«, entgegnete der Sheriff ziemlich schroff. Er hatte sich wieder umgedreht.

»Na, na, warum gleich so brum­mig?«, gab der Alte zurück und schüt­telte den Kopf. Er bohrte mit der Stie­felspitze in den Staub. Dann fragte er lauernd: »Glauben Sie, dass Jack Dodson seinen Schwur wahr macht und zurückkehrt, um sich an Ihnen zu rä­chen?«

Tom Jordan presste die Lippen zu­sammen. Deutlich traten seine Wan­genknochen hervor. »Ja«, antwortete er sehr ernst. Seine Stimme klang rau und belegt. »Er kommt. Und mit ihm seine schießwütigen Brüder. Ich erwarte sie täglich, denn die vier Jahre sind um.«

Eine Weile herrschte Schweigen zwischen den beiden Männern. Der Doc brach es, indem er sagte: »Ich an Ihrer Stelle würde nicht so viel auf solche Drohungen geben, wie sie Dodson damals bei seiner Verur­teilung ausstieß, als ihn der Richter für vier Jahre nach Fort Yuma ins Zuchthaus schickte. Vier Jahre in die­ser Hölle ändern einen Mann, auch ei­nen wie Jack Dodson. Er wird die Finger von Ihnen lassen, Sheriff. Er wird sich überhaupt hüten, noch einmal seinen Fuß in diese Stadt zu setzen.«

Tom Jordan lächelte grimmig. »Da kennen Sie Dodson aber schlecht, Doc«, meinte er gedehnt. »Dieser Ha­lunke steht zu seinem Wort. Also habe ich mich darauf eingestellt, dass er hier aufkreuzt, um mir das Tor zur Hölle aufzustoßen.«

Der Arzt kaute auf seiner Unter­lippe herum. »Warum mobilisieren Sie nicht die Bürgerwehr?«, fragte er schließlich. »Ein Dutzend Gewehre würden genügen, um den Schuften ei­nen heißen Empfang zu bereiten.«

Jordan winkte ab. »Von dieser Stadt kann ich gegen Kerle wie die Dodsons keine Hilfe erwarten«, erklärte er düster. »Und ich erwarte sie auch nicht. Es ist meine ganz persönliche Angelegenheit.«

»Nein.« Der Doc schüttelte den Kopf. »So sehe ich das nicht. Sie ver­körpern hier das Gesetz, Sheriff. Und dem Gesetz hat Dodson blutige Rache geschworen. Sie sind zu stolz, die Bürger um Hilfe anzugehen, das ist es. Aber es ist eine falsche Art von Stolz.«

Jordan zuckte mit den Achseln. »Meine beiden Deputies werden mir den Rücken freihalten, Doc. Ich will nicht, dass irgendein Mensch in dieser Stadt gefährdet wird. Ich kann doch gegen dieses mörderische Trio nie­mand ins Feld schicken, der keinerlei Kampferfahrung hat. Oder wissen Sie einen Mann in Tucson, der es mit ih­nen aufnehmen könnte?«

»Verdammt, nein.«

»Na also.«

»Sie wollen den Schuften doch nicht offen entgegentreten, wenn sie ...«

»Ich lasse es auf mich zukommen«, unterbrach Jordan den Doc. »Ort und Zeitpunkt werden allerdings die Halunken be­stimmen.«

Damit war das Gespräch beendet. Tom Jordan tippte lässig gegen die Krempe seines Stetsons und ging in sein Office.

*

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DIE LICHTER DER STADT tauchten vor den vier Reitern in der Dunkelheit auf. Ringsum dehnte sich ödes, von der Sonne ausgebranntes Land; Hügel­ketten, sandige Ebenen, Arroyos und steinige Senken. Unter den Hufen der Pferde raschelte das harte Galleta Gras. Der Weg der vier war gesäumt von Dornengestrüpp, Kreosot- und Mesquitebüschen.

Ein karges, schweigendes Land, das erfüllt war vom Wispern des Windes. Ein Land, in dem das Verhängnis überall lauern konnte und der Tod all­gegenwärtig war.

Nach einer halben Stunde passier­ten die Reiter die ersten Häuser und Hütten von Tucson.

Es ging auf Mitternacht zu. In den Behausungen der Bürger waren die Lichter längst erloschen. Nur in den Vergnügungsbetrieben war noch der Teufel los. Aus den riesigen, mit gro­ßen Lettern beschrifteten Fenstern fiel in breiten Bahnen das Licht auf die Gehsteige und in die Straße. Raue Männerstimmen schwangen ineinander und vermischten sich. Da­zwischen ertönte immer wieder das helle Lachen von Frauen. Unterstri­chen wurde das alles vom Hämmern der Orchestrions.

Eine wilde Stadt voller Laster und Sünden, in der es brodelte und gährte wie in einem Vulkan. Hier war man auf der Jagd nach Dollars, auf diese oder jene Weise. Gegolten hatte hier immer nur das Recht des Stärkeren. Egal, ob dieser gut oder schlecht war. So jedenfalls hatte Jack Dodson Tucson in Erinnerung.

Er ritt ein Stück vor seinen beiden Brüdern und jenem Burschen, der sie begleitete, als sie ihn in Yuma abhol­ten. Sein Name war Wy Hastings. Ein Hombre, dem die Niederträchtigkeit ins Gesicht geschrieben stand.

Jack Dodsons flackernder Blick schnellte über die Straße, ließ den Banditen al­les erfassen und in sich aufnehmen. Genugtuung wühlte in ihm, aber auch Hass. Er wütete tief in seinem Innern. Grenzenloser Hass auf einen Mann, der ihn vier Jahre seines Lebens geko­stet hatte.

Tom Jordan.

Jack Dodson lenkte sein Pferd zum größten Saloon der Stadt, dem Last Chance Inn. Am Holm stand ein gutes Dutzend Pferde. Aus dem Saloon drang Höllenlärm auf die Straße. Seine Begleiter schlossen auf. Gleich­zeitig saßen sie ab.

»Diese Atmosphäre habe ich vier Jahre lang missen müssen«, erklärte Jack Dodson heiser und begierig. »Also werden wir gleich den Teufel aus dem Sack lassen. Und dann holen wir uns Jordan, dieses Stinktier.«

Die anderen lachten. Sie schlangen die Zügel um den Hitchrack, dann stiegen sie die wenigen Stufen zum Vorbau empor. Tabakqualm quoll über die grün gestrichene Pendeltür ins Freie. Jack Dodson stieß die Tür­flügel auseinander und betrat den Sa­loon. Die drei anderen drängten ihm nach.

Rauchschwaden hingen unter der Decke und wogten um die Lampen. Es roch nach Bier und Brandy, nach Schweiß und dem Parfüm der Ani­miermädchen. Betrunkene torkelten zwischen den Tischen, lachten und grölten und hielten ihre Schnapsglä­ser fest in der Hand wie ein besonders wertvolles Gut. An vielen Tischen un­terhielten grell geschminkte Mädchen die Gäste, hier und dort fand eine Po­kerpartie statt. Die Spieler starrten unbewegt auf ihre Karten und scho­ben ohne große Worte ihre Einsätze in die Tischmitte. Von irgendwo kam ein derber Fluch.

Dodson und seine Gefährten wur­den kaum beachtet. Sie bahnten sich einen Weg zur Theke und verschaff­ten sich dort ohne viel Federlesens Platz. Ein Mann wollte aufbegehren, schwieg aber nach einem Blick in Dodsons stechende Augen, die deutlich werden ließen, dass er keiner Herausforderung aus dem Weg ging.

Nebeneinander bauten die vier sich am Schanktisch auf. Einer der Keeper wandte sich ihnen zu, um sie nach ih­rer Bestellung zu fragen - und er­starrte. Fahle Blässe überzog unver­mittelt sein Gesicht.

»Du, Dodson?«, ächzte er. »Bei Gott ...«

Jack Dodson grinste. »Ja, Curly, ich. Die Hölle hat mich wieder ausge­spuckt. Doch jetzt klapp deinen Mund wieder zu und gib uns eine Flasche und vier Gläser.«

Curlys Blick wanderte von einem zum anderen. Er sah ihre stoppelbär­tigen Gesichter, den Staub und den eingetrockneten Schweiß auf ihrer Haut und die Gnadenlosigkeit in ihren Augen. Curly schluckte trocken. Dann aber beeilte er sich, sie zu bedienen. Mit flatternden Händen schenkte er ihre Gläser voll.

»Tom Jordan trägt doch noch den Stern in diesem lausigen Nest, wie?«, fragte Jack Dodson ohne jede Einlei­tung. Erwartungsvoll, lauernd fixierte er Curly, den Keeper.

Der zuckte zusammen wie unter ei­nem Peitschenhieb. Dann aber nickte er wie unter einem inneren Zwang. »Ja, natürlich«, krächzte er. »Einen besseren Sheriff werden wir wohl nicht mehr bekommen.«

Dodson lachte spöttisch auf. »Ihr werdet euch aber nach einem anderen Sternschlepper umsehen müssen, Curly.« Er klatschte seine flache Hand gegen das Halfter an seinem rechten Oberschenkel. »Wir werden euren sauberen Sheriff nämlich in die Hölle schicken.« Er hatte es gerade so laut gesprochen, dass Curly ihn ver­stehen konnte. »Vorher aber wollen wir meine Rückkehr ins Leben begießen, mein Freund. Weißt du, was es für einen Mann heißt, vier Jahre in Yuma begraben zu sein? Nein, Curly, du kannst es wahrscheinlich nicht ein­mal erahnen. In der Hölle ist es gewiss angenehmer als in Yuma.« Jack Dod­son nahm sein Glas und hob es. »Cheerio«, stieß er hervor, dann kippte er den Inhalt mit einem Ruck hinunter. Die scharfe Flüssigkeit brannte in sei­nem Kehlkopf und trieb ihm das Was­ser in die Augen. »Trinkt, Leute«, knurrte er. »Das soll nämlich eine Freudenfeier werden, keine Trauer­feier.«

»Sollten wir damit nicht warten, bis Jordan ins Gras gebissen hat?«, ließ sich Hank Dodson vernehmen. Er war der vernünftigste der drei Brüder, aber nicht minder skrupellos und bösartig wie Jack und Ed. Seine Be­sonnenheit machte ihn höchstens noch gefährlicher.

»Warum warten?«, tat Jack seinen Einwand ab. »Jordan hat gegen uns nichts in der Hand. Lassen wir ihn doch ein wenig schmoren.«

»Er wird nicht warten, bis wir über ihn kommen.«

»Solange wir nicht unsere Kanonen auf ihn richten, ist er machtlos. Ich habe meine Strafe bis auf den letzten Tag verbüßt. Gegen euch liegt nichts vor in Arizona. Wir sind also unbe­scholtene Bürger in einem freien Land. Das bindet Jordan die Hände. Wenn er sich auch fühlen mag wie eine in die Enge getriebene Ratte. Ich will, dass ihn die Angst zerfrisst. Er soll keine ruhige Minute mehr haben, bis wir ihn — sagen wir — erlösen.«

Ein gemeines Grinsen bahnte sich in die ausgemergelten Züge des ehemaligen Sträfling, der einen Trail des Hasses und der blutigen Rache ritt.

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TOM JORDAN KEHRTE VON seinem letzten Rundgang für diese Nacht zu­rück. Das Office lag im Dunkeln. Der Lärm aus den Saloons drang nur noch schwach an seine Ohren. Die ver­worrenen Stimmen muteten an wie das ferne Gemurmel eines Flus­ses. Sie verstummten völlig, als der Sheriff die Tür hinter sich zuzog. Eine mit den Augen nicht zu durchdrin­gende Finsternis umgab ihn. Aber Jordan erreichte sicher den Schreib­tisch. Er riss ein Streichholz an, nahm den Zylinder von der Lampe und hielt die Flamme an den Docht. Die Flamme rußte und flackerte, dann aber brannte sie ruhig und Jordan stürzte den Zylinder wieder darüber. Helligkeit breitete sich im Raum aus. Das Streichholz warf er in den Aschenbecher, in dem Duffys Zigar­renstummel lagen. Der Alte lag wohl in einer der Zellen und schlief den Schlaf des Gerechten.

Auch Jordan war müde. Er öffnete die Schnalle seines Revolvergurts und warf ihn auf den Schreibtisch. Es pol­terte dumpf. In diesem Moment er­tönten vom Gehsteig schnelle, tackende Schritte. Gleich darauf wurde die Tür aufgestoßen. Ein kühler Luft­zug wehte herein.

Jordan hatte blitzschnell reagiert. Und der Ankömmling prallte zurück, als er den schweren Colt des Geset­zeshüters auf sich gerichtet sah. Der Daumen Jordans lag quer über der Hammerplatte. Aber die Anspannung fiel von Jordan ab, als er den Mann er­kannte.

»Du, Curly?«, fragte er überrascht. »Gibt es Ärger?« Jordan senkte die Hand mit dem Revolver.

Curly keuchte. Sein Kopf war von der Anstrengung des Laufens gerötet. »Ärger, Sheriff?«, entgegnete er laut und hastig zwischen zwei tiefen Atemzügen. »Es stinkt zum Himmel! Sie sollten sich setzen, bevor ich Ih­nen sage, wer bei mir an der Theke steht und Whisky säuft.«

Jordans Miene verhärtete sich. In seine Mundwinkel kerbten sich zwei Falten. »Ich kann es mir denken, Curly«, murmelte er düster. »Es sind die Dodsons, nicht wahr?«

Curly nickte erregt. Fahrig knetete er seine Hände. »Die Dodsons und ein vierter Kerl, der den dreien an Ge­meinheit in nichts nachstehen wird. Ich kenne diese Sorte. Die vier haben nur ein Ziel, Sheriff. Nämlich ...«

»... mich zum Teufel zu schicken«, vollendete Jordan Curlys Satz.

»So ist es«, bestätigte Curly mit zittriger Stimme.

Aus  dem  Zellentrakt  drangen schlurfende Schritte und unmutiges Gebrabbel. Die Tür ging auf und Duffy trat ins Licht. Bart und Kopf­haare waren zerzaust, Duffys Klei­dung war zerknittert. Schlaftrunken rieb er sich die Augen, dann krächzte er wie ein kranker Rabe: »Bei allen neunundneunzig geschwänzten Teufeln, was für ein hirnrissiger Idiot ...« Er ver­stummte, als er Tom Jordans verknif­fenen Gesichtsausdruck wahrnahm, in dem sich alles widerspiegelte, was in dem Sheriff vorging, Duffy schaute auf Curly, und seine Stirn legte sich in Falten. »Ver­dammt, Curly, warum veranstaltest du einen derartigen Höllenlärm, dass davon ein toter Indsmen wieder zum Leben erweckt werden würde?«

Curly zog den Kopf zwischen die schmalen Schultern und stieß heiser hervor: »Die Dodsons sind eingetroffen. Sie haben es auf den Sheriff abgesehen.«

Duffy war erstarrt. Und er benö­tigte eine ganze Weile, um diese Nachricht zu verarbeiten. Dann atmete er rasselnd aus. »Heiliger Rauch«, knurrte er. Er wandte sich Tom Jordan zu, schniefte vernehm­bar und fuhr fort: »Die Hundesöhne haben nicht lange auf sich warten las­sen, wie? Wahrscheinlich sind sie von Fort Yuma aus schnurstracks nach Tucson geritten. Was gedenkst du ge­gen sie zu unternehmen, Tom?«

»Ich weiß es nicht«, gab Jordan zu. »Ich weiß es wirklich nicht, Duffy. Seit vier Jahren bereite ich mich auf diesen Tag vor, und nun stehe ich da wie ein begossener Pudel. Tausend­mal habe ich es mir zurechtgelegt, wie ich den Kerlen gegenübertrete, wenn sie auftauchen, um mir das Fell über die Ohren zu ziehen. Und jetzt habe ich keine Ahnung, wie ich mich ver­halten soll.«

Tom Jordan war ratlos. Und er war verzweifelt. Sein Alptraum war wahr geworden. Und er spürte, wie ein Ge­fühl von Beklemmung in ihn hinein­kroch. Gewaltsam unterdrückte er diese aufkommende Empfindung. Er gab sich einen Ruck. »Ich werde die Kerle beobachten und abwarten. Mehr kann ich im Augenblick nicht tun. Ich werde sie auf Schritt und Tritt überwachen, und wenn sie den Rei­gen eröffnen, bin ich bereit.«

»Ich muss zurück in den Saloon«, mischte sich der Keeper ein. »Die vier Halsabschneider sollen nicht merken, dass ich verschwunden bin, um Sie zu warnen, Sheriff. Ich habe nämlich keine Lust, Opfer der wechselvollen und unberechenbaren Stimmung Jack Dodsons zu werden «

»Geh nur, Curly«, erwiderte Jordan.

Curly verschwand.

»Wir müssen diese Sattelstrolche aus der Stadt jagen«, forderte Duffy. »Alles andere wäre ein Witz. Willst du ruhig hier sitzen und zusehen, wie sie mit dir Katz und Maus spielen, he? Da mache ich nicht mit. Ich schnalle jetzt meine Kanone um und gehe in den Last Chance Inn, um ihnen ein paar Takte zu flüstern.« In seinen Au­gen blitzte es auf. Er wirbelte um seine Achse, um aus dem Zellenanbau seine Waffe zu holen, aber Jordans Stimme hielt ihn zurück.

»Das wirst du schön bleiben lassen, Duffy!«, rief der Sheriff barsch. »Wenn einer in den Last Chance geht, dann bin ich das. Für mich braucht kei­ner die Kastanien aus dem Feuer zu holen.«

Tom Jordan hatte seine alte Sicher­heit zurückgewonnen. Er hatte die aufkeimende Furcht überwunden. Kalte Gelassenheit hatte von ihm Be­sitz ergriffen.

In Duffys Bartgestrüpp geriet Be­wegung, als er erregt antwortete: »Ohne Rückendeckung setzt du auf keinen Fall einen Fuß in diese Laster­höhle, Tom. Wenn du mich schon nicht allein hinübergehen lässt, dann hast du mich eben im Schlepptau. Du wirst einen brauchen, der dir den Rücken deckt. Oder glaubst du allen Ernstes, dass in diesen Burschen auch nur ein Hauch von Anstand und Fairness steckt? Das Wort Ehrenkodex ist dieser Spezies fremd. Diese Bluthunde werden dich in die Zange nehmen und abknallen wie ei­nen Hasen. Außerdem bin ich dein Deputy. Und ich sehe nicht tatenlos zu, wie sie dir die Haut streifenweise abziehen. Verstanden?«

Ein Gefühl der Dankbarkeit durch­strömte Jordan. Er überlegte nicht lange. »Okay, Alter. Ich kenne deinen sturen Schädel. Also komm mit. Nimm die Shotgun. Sie wird den Ker­len Respekt einflößen.«

Fünf Minuten später traten sie auf die Straße. Tom trug in der linken Armbeuge eine Winchester, Duffy eine doppelläufige Parkergun. Ein har­ter Gang, an dessen Ende der schnelle Tod durch heißes Blei stehen konnte. Jordan gab sich keinen Illusionen hin. Die Entschlossenheit eines Mannes, der die Entscheidung suchte, ging von ihm aus. Bei jedem seiner Schritte streifte sein Handgelenk den Revol­verknauf. Eine Berührung, die ihm seine Stärke bewusst werden ließ und ihm Sicherheit verlieh. Tom Jordan war ein Kämpfer. Dieses Naturell war ihm schon in die Wiege gelegt wor­den. Ein Fighter konnte man nicht werden, ein Fighter musste man sein.

Seine Absätze mahlten durch den Staub. Mechanisch setzte er einen Fuß vor den anderen. Duffy wieselte neben ihm her. Er war mehr als einen Kopf kleiner als Jordan und konnte kaum mit diesem Schritt halten.

Sie erreichten den Last Chance Inn. Der Lärm des Barbetriebs brandete ihnen entgegen. Tabak- und Schnaps­geruch trieben über die Pendeltür ins Freie. Die Vorbaubretter knarrten unter dem Gewicht der beiden Män­ner.

Plötzlich ertönte eine gedämpfte Stimme aus der Dunkelheit, die unter dem Vorbaudach herrschte: »Du soll­test nicht hineingehen, Tom!«

Jordan, der gerade im Begriff ge­wesen war, die Schwingtür aufzusto­ßen, ruckte herum. Unwillkürlich legte sich sein Finger fester um den Abzug der Winchester. Duffy prallte gegen ihn und zerbiss eine Verwün­schung.

Aber von der Person, die gespro­chen hatte, drohte keinerlei Gefahr.

»Du, Cora?«, entrang es sich Jordan verdutzt.

Er konnte ihre schmale Gestalt nur als schattenhaften Umriss in der Dun­kelheit an der Schmalseite des Vor­baus ausmachen. Sie löste sich aus der Finsternis, trat in die Lichtbahn des großen Frontfensters, und er konnte Kummer und Sorge in ihren ebenmä­ßigen, hübschen Zügen erkennen. Sie kam ganz dicht heran und schaute hinauf in sein verschlossenes Gesicht.

Jordans Haltung entspannte sich, seine Überraschung verschwand. »Heavens, Cora, was treibt du hier um diese Zeit?« Sein Arm streifte sie.

»Das fragst du?«, antwortete sie leise, mit etwas rauchiger Stimme. »Außerdem ist es als Besitzerin dieses Etablissements mein gutes Recht, mich um diese Zeit hier aufzuhalten.«

»Gewiss, aber ...«

Sie ließ ihn nicht ausreden. »Geh nicht hinein, Tom!«, sagte sie ein­dringlich und beschwörend. »Die Dodsons wollen dich töten. Sie ma­chen kein Hehl daraus. Und wenn du dich jetzt da hineinbegibst, kommst du nicht mehr lebend heraus.«

Er starrte in ihr Gesicht und nahm jede Einzelheit darin in sich auf. Ja, er liebte diese Frau. Von ganzem Her­zen. Und sie erwiderte seine Gefühle. Irgendwann wollten sie heiraten. Das war beschlossene Sache.

Unschlüssig zog Jordan seine Un­terlippe zwischen die Zähne. Dann sagte er: »Ich muss mich den Dodsons stellen, Cora. Die Sache muss aus der Welt geschaffen werden. Nur wenn ich ihnen in den Weg trete, habe ich eine reelle Chance. Ich kann es mir nicht leisten, darauf zu warten, dass sie mich zermürben und schließlich als Nervenbündel vor ihre Kanonen holen.«

Sie seufzte. »Ich ahnte es. Nach­dem Curly zurückkam und mich in­formierte, begann ich hier auf dich zu warten. Und ich sagte mir die ganze Zeit über, dass es umsonst sein würde.« Sie senkte den Kopf, und bitter fuhr sie fort: »Ein Tom Jordan geht eben seinen Weg, auf Biegen oder Brechen und ohne Rücksicht auf Verluste. Ein Tom Jordan ist lieber ein toter Held als ein lebendiger Feig­ling. Geh nur hinein und lass dich erschießen. Mach dir nichts draus, wenn sie dich töten. Schließlich wirst du als mutiger, aufrechter Kämpfer für Recht und Ordnung sterben, und das Gesetz wird es dir sicher danken, weil du dich ihm aufgeopfert hast.«

»Verdammt, Cora, rede kein dum­mes Zeug!«, herrschte er sie an.

»Dummes Zeug!«, rief sie schrill. »Nur weil ich nicht will, dass dir etwas zustößt? Begreif das doch. Du weißt, wie ich zu dir stehe. Ich könnte es nicht ertragen, wenn sie dich ...«

Jordan legte ihr die rechte Hand auf die Schulter. Es sollte eine beruhi­gende, besänftigende Geste sein. »Keine Sorge, Cora«, flüsterte er rau. »Duffy ist bei mir. Der beste Gehilfe, den sich ein Mann nur wün­schen kann. Er hat mir zigmal den Rücken freigehalten. Er ist so etwas wie meine Lebensversicherung.«

Der Sheriff war von seinen Worten selbst nicht überzeugt. Aber er ließ es sich nicht anmerken.

Abrupt wandte Cora ihm den Rücken zu und schüttelte so seine Hand ab. Kraftlos sank sie herab. Gelbes Licht aus dem Saloon floss über Coras wellige, halblange Haare und ließ sie schimmern wie reifen Weizen.

Tief sog Jordan die Luft in seine Lungen. Es gab kein Zurück.

»Gehen wir!«, stieß er hart zwischen den Zähnen hervor.

*

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DER SHERIFF STIEß DIE Tür auf und trat ein, dicht gefolgt von Duffy. Die­ser glitt sofort zur Seite und postierte sich an der Wand.

Im Schankraum ging es nicht mehr so hoch her wie beim Eintreffen der Dodsons, aber die Stimmung war im­mer noch ausgelassen und teilweise überschwappend.

Jack Dodson führte an der Theke das große Wort. Alte Bekannte von ihm hatten sich eingefunden und wollten genau wissen, wie es ihm in Fort Yuma ergangen war.

Dodson wurde nicht müde, es wie­der und wieder zu erzählen, in den schillerndsten Farben die Hölle zu be­schreiben, die ein Mann in Yuma durchmachte. Er war eben krankhaft geltungssüchtig, überdies schürte er mit seinen Beschreibungen seinen un­bändigen Hass auf den Mann, dem er diese Hölle zu verdanken hatte. Und nun stand dieser Mann vor der Tür. Groß, hager, sehnig, mit versteiner­tem Gesicht.

Nach und nach verebbten im Schankraum die Geräusche. Beinahe eine Minute lang war es still wie in ei­ner Gruft. Dann aber ging ein Mur­meln und Flüstern durch den Raum, das aber sogleich wieder verstummte.

Die stechenden Blicke der Bandi­ten tasteten Jordan ab. Jack Dodson drehte sein Whiskyglas in der Hand. Plötzlich setzte er es hart auf den Tresen und trat einen Schritt vor. Sein Gesicht war hassverzerrt.

»Jordan!«, zischte er mit rauer Stimme. Er duckte sich ein wenig, seine Hand stahl sich zum Coltkol­ben.

Seine Brüder und Wy Hastings schoben sich zur Seite und nahmen drohende Front zu Jordan ein. Gäste und Animiermädchen flüchteten ha­stig aus der Schusslinie zwischen den Parteien.

Tödliche Bereitschaft ging von den vier Outlaws aus. Jack Dodson stierte den Sheriff durchdringend an. Seine Augen waren vom genossenen Alko­hol gerötet und wässrig.

»Yeah, Dodson, ich!«, peitschte Jor­dans Stimme durch den Inn. »Hast du angenommen, dass ich mich vor dir und deinem Anhang verstecke?«

Dodson schürzte die Lippen. »Das könntest du gar nicht, Jordan. Ich würde dich finden, und sei es am Ende der Welt.« Dodson äugte zu Duffy hin. Grimmig schaute der Oldtimer drein. Die Shotgun in seiner Arm­beuge bedrohte die Outlaws, wies aber auf keinen bestimmten von ih­nen. Ein böses, tückisches Schillern war in die Augen Jack Dodsons getreten. »Vier Jahre, Jordan, vier Jahre habe ich diesen Tag, habe ich diese Stunde her­beigesehnt.« Dodsons Stimme hatte den Klang zerspringenden Glases. »Ich habe dir Vergeltung geschworen, damals, vor vier Jahren. Und nun werde ich dich die Hölle von Yuma bezahlen lassen.« Die Haltung des Banditen hatte sich, während er sprach, gelockert.

»Dann fang an, Dodson!«, konterte der Sheriff furchtlos und unerschrocken.

Jack Dodson hob ironisch die Ober­lippe. »Du baust wohl auf den alten Duffy? Hat der überhaupt noch so viel Kraft, um die Flinte länger als fünf Minuten im Anschlag zu halten?«

»Das wirst du erleben, Hundesohn, wenn du dich zu einer Bewegung hin­reißen lässt, die mir nicht gefällt!«, rief Duffy gallig. Die Doppelmündung der Parker wies dabei auf Jack Dodsons Bauch.

Der maß Jordan von oben bis un­ten. »Duffy kann dich nicht retten, Sheriff.«

»Das mag schon sein«, keifte Duffy. »Aber es ändert nichts daran, dass du als erster mein gehacktes Blei in den Wanst kriegst.«

Dodsons Seitenblick traf seine Brü­der, dann Wy Hastings. Sie standen lauernd abwartend da und fixierten Jordan kalt. Dann musterte er wieder den Sheriff. Die Feindschaft, die er verströmte, berührte diesen wie ein fauliger Atem. »Ich habe Zeit mit meiner Ra­che, Sternschlepper.« Grollend und gedehnt kam es über Dodsons spröde Lippen.

Jordan schüttelte den Kopf. »Du hast keine Zeit, Amigo. Denn ihr vier Strolche werdet noch in dieser Stunde Tucson verlassen. Eure Sorte ist hier nicht erwünscht.«

»Du hast keine Handhabe, uns aus der Stadt zu jagen. Dass du um dein lausiges Leben zitterst, ist nicht Grund genug.«

»Ein Grund ließe sich finden.«

»Den musst du dir aber aus den Fin­gern saugen.« Ein hämisches Grinsen zerpflügte das Gesicht des Outlaws. »Allerdings wäre es gegen Gesetz und Recht. Und das weißt du sehr genau, Amigo.«

»Das Recht verleiht mir der Stern.«

»Auf den pfeife ich. Er ist nicht mehr wert als der Mann, der ihn trägt.«

Darauf antwortete Jordan nichts.

Fast gemächlich verschränkte Jack Dodson die Arme vor der Brust, als wollte er so dokumentieren, dass er den Zeit­punkt für einen Kampf noch nicht für gekommen hielt. Er legte den Kopf schief und meinte: »Wir lassen uns von dir nicht vertreiben, Jordan. Du musst dich schon damit abfinden, dass wir hier sind und hier bleiben, bis wir es für richtig halten, wieder zu ver­schwinden. Das werden wir, wenn er­ledigt ist, was wir uns vorgenommen haben.«

In Jordans Gesicht zuckte es flüch­tig. Er hatte Mühe, seine düsteren Ge­danken hinter einer nichts sagenden Miene zu verbergen.

»All right, Dodson. Ich habe es nicht nötig, mich hinter der Autorität des Abzeichens an meiner Brust zu verstecken. Bleibt von mir aus, aber geht mir aus dem Weg. Das ist eine Warnung. Nehmt sie euch zu Herzen. Und verhaltet euch ruhig. Radaubrü­der wandern hier ins Gefängnis.«

Jack Dodson verzog höhnisch den Mund. Seine Augenbrauen hoben sich. Belustigt rief er: »Danke, Sheriff, für den gut gemeinten Ratschlag und die Warnung. Allerdings klingt das alles ziemlich lächerlich aus dem Mund eines Mannes, der die Hosen gestrichen voll hat. Außerdem glaube ich nicht, dass wir uns davon beein­drucken lassen.«

Jordan hob die Schultern, ließ sie wieder sinken. »Das ist euer Problem. Aber ich versichere dir, dass ich euch gehörig auf die Zehen treten werde, wenn ihr mir einen Grund dazu bie­tet.«

Jordan machte kehrt und ging zur Tür. Ihm entging nicht der verblüffte Blick Duffys, dem sein Verhalten nicht einleuchtete.

»Verdammt!«, maulte der Oldtimer und starrte Jordan ungläubig an. »Willst du ...«

Weiter kam er nicht.

Jack Dodson hatte nur darauf ge­lauert, dass der Alte seine Aufmerk­samkeit von ihm nahm. Seine Rechte stieß nach unten, umfasste den Colt­knauf. Seine Brüder und Wy Hastings sahen es und handelten ebenfalls, blitzschnell, ohne zu zögern.

Die Eisen schwangen hoch. Ein Aufstöhnen ging durch den Saloon, in das hinein die Schüsse krachten. Feuer, Rauch und Blei stießen aus den Mündungen, und die Projektile fan­den ihr Ziel. Die Schüsse verdichteten sich zu einem einzigen, berstenden Knall, der von den Wänden zurückgeworfen wurde und den Saloon in sei­nen Fundamenten geradezu erbeben ließ.

Jordan erhielt einen derben Schlag in den Rücken und wurde durch die Pendeltür nach draußen gestoßen. Ein Feuerball explodierte vor seinen Augen, er erhielt noch einen zweiten fürchterlichen Schlag, dann versank alles um ihn herum. Er spürte nicht mehr, wie er hart mit dem Gesicht auf die Dielen des Vorbaues prallte, hörte nicht mehr den verzweifelten Auf­schrei Coras, die über die Tür hinweg alles beobachtet und die die Angst na­hezu zerfressen hatte, vernahm nicht die Detonation der Schüsse, die Duffy von den Beinen fegten.

Tom Jordan wurde niemals mehr etwas spüren oder hören. Denn als er auf den Vorbau schlug, war er bereits tot.

Und im Saloon starb Duffy, von mehreren Kugeln getroffen. Er hatte nicht einmal mehr Gelegenheit ge­habt, den Stecher der Shotgun durch­zuziehen.

Zwei Gesetzeshüter waren gestor­ben, sie waren skrupellos und  meuchlings ermordet worden. Ihr Blut klebte an den Händen bruta­ler Killer. Sie hatten dem ungeschrie­benen Gesetz dieses wilden Landes, nach dem nur der Gewissenlose und Unerbittliche überlebte, auf schreck­lichste Art und Weise Geltung ver­schafft.

*

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DAS PFERD GING MIT hängendem Kopf. Müde setzte es einen Huf vor den anderen. Der Reiter saß zusam­mengesunken im Sattel. Sein braunge­branntes, hohlwangiges Gesicht ließ auf die Strapazen eines langen Trails schließen.

Unbarmherzig brannte die Sonne vom ungetrübten Himmel. Pferd und Reiter waren über und über mit Staub bedeckt. Er rieb unter der Kleidung und knirschte zwischen den Zähnen.

Ringsum dehnte sich verbranntes, ausgedörrtes Land, karg und öde, mit Tausenden von Felsklötzen, Kakteen und Comas, so weit das Auge reichte. Lediglich in rauchiger Feme zeichne­ten sich schemenhaft die Konturen ei­ner Bergkette ab. Der Mann hielt sein Pferd an, hakte die Wasserflasche vom Sattel, schraubte sie auf und trank einen Schluck. Dann füllte er et­was Wasser in die Krone seines Stetson und ließ vom Sattel aus sein Pferd saufen.

Das Wasser schmeckte schal und brackig, dennoch belebte es. Der Rei­ter stülpte sich den Hut wieder auf den Kopf und prüfte den Stand der Sonne. Sie hatte ihren Zenit bereits überschritten.

Vor dem Blick des Mannes wand sich der Weg wie eine endlose graue Schlange. Er befand sich auf der alten Poststraße, die von El Paso durch New Mexico über den Apache-Pass nach Tucson und von dort über Maricopa Wells und Yuma nach Kalifor­nien führte.

Tucson war sein Ziel. Irgendwo an dieser Straße lag die Stadt.

Mit einem Zungenschnalzen trieb er das Pferd wieder an. Es schnaubte unwillig. Unmutig trottete der Braune dahin. Die Zeit schien für den Reiter stillzustehen. Hunderte von Meilen in sengender Hitze und treibendem Staub lagen schon hinter ihm. Wie viele noch vor ihm lagen, wusste er nicht genau. Aber als sich von Osten her die Abenddämmerung über das Land schob, erreichte er sein Ziel. Er erkundige sich bei einem Passanten nach dem Mietstall und lenkte sein Pferd in die angegebene Richtung.

Stickige Luft, vermischt mit dem Geruch von Stroh und Pferdeausdün­stung, schlug ihm entgegen. Er nahm die Füße aus den Steigbügeln, hob sein rechtes Bein über das Sattelhorn und ließ sich zu Boden gleiten. Auf steifen Beinen stakste er in den Stall, das Pferd am Zügel hinter sich her zie­hend. Es war düster hier drinnen, und es dauerte einige Zeit, bis sich seine Augen an die herrschenden Lichtver­hältnisse gewöhnt hatten.

Aus einer der Boxen trat der Stall­mann, ein Junge noch, der wohl erst dem Knabenalter entwachsen war.

Der Fremde reichte ihm die Zügel und klopfte sich dann den Staub aus der Kleidung, der ihn eine Zeitlang einhüllte wie eine Wolke, sich dann aber langsam senkte.

Aus entzündeten Augen sah der große, hagere Mann den Jungen an. »Versorge ihn gut, mein Freund. Und lass ihn anfangs nur ganz vorsichtig saufen. Er ist der beste und treueste Gaul, den ich je besaß. Und ich will nicht, dass er durch falsche Behand­lung kaputtgemacht wird.«

Der Junge tätschelte den Hals des Tieres. Es schnaubte und spielte mit den Ohren. »Yeah, Mister, wirklich ein gutes Pferd. Man sieht es ihm an, selbst jetzt, wo es ausgemergelt ist und am Ende zu sein scheint.« Der Junge betrachtete den Fremden auf­merksamer. »Sie sehen aber auch nicht besser aus als der Hengst. Auch Sie haben gute Versorgung nötig. Ih­nen werde ich allerdings nicht helfen können.«

Ein Lächeln huschte über das Ge­sicht des Fremden. Dann machte er sich daran, die Satteltaschen abzu­schnallen. Er warf sie sich über die Schulter und zog seine Winchester aus dem Scabbard. Als er zum Gehen ansetzen wollte, fragte der Junge: »Bleiben Sie länger, Stranger?«

Der drehte den Kopf und schaute den Stallboy über die Schulter an. »Ich weiß es nicht. Vielleicht einen Tag oder eine Woche, vielleicht auch immer. Warum fragst du?«

Der Halbwüchsige zuckte mit den Achseln, »Nur so. Ich frage jeden Fremden danach. Eine Angewohn­heit.«

»Nun, dann weißt du ja Bescheid.«

»Wollen Sie mir Ihren Namen nen­nen, Mister?«

Der Fremde verdrehte die Augen. »Du scheinst mir ja ein mächtig neu­gieriges Bürschchen zu sein«, entgegnete er nicht unfreundlich.

»Man muss doch schließlich wissen, wessen Gaul man pflegt.«

»Ich merke schon, du gehörst zu den Hartnäckigen. Also gut. Mein Name ist Kelly.«

»Und wie heißen Sie sonst noch?«

»Nur Kelly. Das muss dir genügen, mein Junge.« Und mit dem letzten Wort marschierte der Fremde davon. Er mietete sich im erstbesten Hotel ein Zimmer, badete und rasierte sich, zog saubere Unterwäsche und ein fri­sches Hemd an, dann fragte er an der Rezeption nach Sheriff Tom Jordan.

»Jordan?« Der Owner riss Mund und Augen auf. »Den gibt es hier nicht mehr«, stieß er dann hervor.

Kellys Brauen schoben sich zusam­men. »Was heißt das?«

Der Mann hinter der Rezeption starrte ihn misstrauisch an, dann knurrte er: »Wenn Sie auch gekommen sind, um Jordan das Lebenslicht auszublasen, dann sind Sie eine Wo­che zu spät dran. Die Dodsons waren schneller als Sie.«

Kellys Züge veränderten sich, sie wurden hart und kantig. Die Bräune wich einer fahlen Blässe. »Werden Sie deutlicher, Mann!«, knirschte er und beugte sich vor. Sein lodernder Blick hatte sich am Gesicht des Owners festgesaugt.

»Im Laufe der vergangenen Jahre sind immer wieder Kerle in Tucson aufgetaucht, die sich mit Tom Jordan messen wollten«, gab der Owner zu verstehen. »Er hatte sich einen Ruf als Gunman erworben, der weit über die Grenzen der Stadt hinausgedrungen ist.«

»Das meine ich nicht. Was hat es mit diesen Dodsons auf sich?«

»Nun, die Dodsons und ein vierter Mann haben Sheriff Jordan und einen seiner Deputys vor einer Woche im Last Chance Inn zusammengeknallt wie Vieh. Sie ließen ihnen keine Chance. Wenn Sie zu Jordan wollen, müssen Sie sich schon auf den Boothill begeben.«

Kelly schloss sekundenlang die Au­gen. Nur langsam kehrte wieder die Farbe in sein Gesicht zurück. »Ich bin wohl tatsächlich zu spät gekommen«, flüsterte er, und seine Wangenkno­chen mahlten.

»So ist das«, murmelte der Owner. »Jordan hat Jack Dodson vor vier Jahren ins Zuchthaus gebracht, und nun hat es der Bandit ihm blutig ver­golten. Jordan starb an zwei Kugeln, die ihn in den Rücken trafen. Und kein Hahn kräht mehr nach ihm.«

Kellys Gesicht straffte sich. »Danke.« Er machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Hotel.

In der Zwischenzeit war es ziemlich finster geworden. Auf der Main Street brannten bereits die Laternen. In den Saloons richtete man sich auf den Nachtbetrieb ein.

Gedankenvoll, nichts und niemand beachtend, schritt Kelly zum Last Chance Inn. Die Bar war kaum bevöl­kert. Hier ging es erst wieder rund, wenn die Nacht richtig da war. Die Animiermädchen befanden sich noch in ihren Zimmern. Die wenigen Gä­ste, die bereits anwesend waren, in­teressierten sich kaum für Kelly. Nach Tucson kamen tagtäglich Fremde, von überall her. Die einen machten hier nur Station, die anderen blieben länger. Geblieben war noch selten je­mand. Tucson war keine gute Stadt. Sie war wild und randvoll mit ungezü­gelten Leidenschaften.

An einem der freien Tische saß eine Frau und sortierte Chips. Sie arbeitete schnell und sicher. Ihr Blondhaar gleißte im Licht der Lampe, die über dem Tisch an einer dünnen Kette von der verräucherten Decke hing. Das Auffallende an der Frau war die dunkle, gediegene Kleidung, die ganz und gar nicht in einen Betrieb wie die­sen passen wollte.

Kelly dachte nicht darüber nach. Einige Keeper waren damit beschäf­tigt, Gläser und die Messingplatte des Tresens zu polieren. Kelly erfasste al­les mit einem Blick und steuerte die Theke an. Er legte beide Hände auf die Messingstange, die rundum lief, und bestellte ein Bier, das er auch so­fort bekam. Er trank einen Schluck, wischte mit dem Handrücken die Lip­pen ab und winkte einen der Keeper heran.

»Ich bin Hunderte von Meilen ge­ritten, um in dieser Stadt einen Mann zu treffen«, erklärte er dumpf. »Und soeben erfuhr ich, dass er vor einer Woche in dieser Bar erschossen wurde.«

Der Keeper wischte sich an seiner Schürze die Hände trocken, dann sagte er: »Vor einer Woche wurden hier zwei Sheriffs umgelegt. Ist einer davon der Mann, den Sie suchen?«

»Yeah. Er heißt Tom Jordan.«

»Den haben sie auf die ganz beson­ders niederträchtige und feige Art ins Jenseits befördert. Tut mir Leid, Mi­ster.«

Die dunkelgekleidete Frau war auf­merksam geworden. Sie starrte auf den Rücken des Fremden, und ein herber Zug hatte sich in ihre Mund­winkel gekerbt. Eine Weile saß sie re­gungslos, als lauschte sie den Worten nach, die bei der Theke gesprochen worden waren, dann erhob sie sich. Sie trat neben Kelly und studierte sein Gesicht von der Seite. Langsam wandte der Mann den Kopf, der Blick seiner rauchgrauen Augen traf sie. Er schaute in ein Gesicht voll weiblicher Harmonie. In ihren Zügen war keine Spur von dem Hauch des Verruchten, des Lasterhaften, der von den meisten der ungezählten Tingeltangelgirls im Lande ausging.

»Was wollten Sie von Tom Jordan, Fremder?«, erkundigte sie sich.

Kelly überlegte nur kurz, dann ant­wortete er: »Jordan war mein Halb­bruder. Ich sah ihn vor acht Jahren zum letzten Mal.«

Ihre Miene hellte sich sekunden­lang auf, ihre graugrünen Augen wei­teten sich. Überraschung zeichnete ihre Züge. »Ich wusste gar nicht, dass Tom einen Halbbruder hatte. Er hat mir nie von Ihnen erzählt, Mister.« In ihren letzten Worten hatte Argwohn gelegen.

Kelly nickte grimmig. »Tom und ich waren nie gut aufeinander zu spre­chen. Er hatte auch keinen Grund, auf seinen Halbbruder stolz zu sein, wirk­lich nicht. Ich war ein Satteltramp, ein Vagabund und Abenteurer. Ich glaube, Tom verachtete mich deswe­gen sogar.«

»Tom war ein guter Mann.« Ihre Stimme war leise, nur ein Hauch, wie der Wind in der Savanne. Sie senkte das Gesicht, und Kelly sah die Mus­keln darin zucken.

Ahnungsvoll stieg es in ihm hoch. »Standen Sie in einer besonderen Be­ziehung zu Tom, Ma'am?«, fragte er vorsichtig.

Ein Zittern lief durch ihre Gestalt. »Ja.« Sie legte ihre feingliedrigen Hände auf die Theke. »Ja, Tom und ich waren verlobt, und eines Tages wollten wir heiraten. Aber die Dodsons ...« Sie brach ab. Das Grauen, das die Erinnerung in ihr auslöste, würgte ihr die Stimme ab.

Einem plötzlichen Impuls folgend, reichte sie Kelly die Hand. Der ergriff sie und spürte die Weichheit ihrer Haut. Es war, als elektrisierte ihn diese Berührung. Ein nicht zu be­schreibendes, seltsames Gefühl durchflutete ihn.

»Seien Sie willkommen, Mister«, murmelte sie wehmütig. »Wenn Sie wollen, führe ich Sie morgen zu Toms Grab.«

Da reitest du nun Hunderte von Meilen den Sattel heiß, um deinen Bruder zu finden, und stehst am Ende vor seinem Grab, schoss es ihm durch den Kopf. Fassungslosigkeit wurzelte tief in seinem Gemüt. Es war irgendwie für ihn unbegreiflich.

»Acht Jahre«, entrang es sich ihm mühsam, »acht Jahre habe ich meinen Bruder nicht gesehen. Und nun komme ich um eine Woche zu spät. Nur ein paar Tage. Ich wollte Frieden schließen mit Tom, wollte bei ihm in Tucson bleiben und zur Ruhe kom­men. O mein Gott ...« Bitter, voll innerer Qual hatte es sich ihm entrun­gen.

»Mein Name ist Cora Miles«, stellte die schöne Frau sich vor und löste ihre Hand aus der seinen. »Mir gehört dieser Saloon.« Sie be­trachtete Kelly versonnen. Dann sprach sie weiter, leise, betont: »Es war furchtbar. Ich habe Tom geliebt. Und ich versuchte, ihn zu­rückzuhalten in jener Nacht, als die Dodsons ankamen. Aber Tom war mit Leib und Seele Sheriff, nahezu ein Sklave des Sterns. Sein Eid war ihm das Wichtigste auf der Welt. Es gelang mir nicht, ihn umzustimmen. Und ich musste zusehen, wie ihn Dodson hin­terrücks niederknallte. Tom ...« In ihren Augen begann es feucht zu schimmern, ihre Lippen zuckten. »Er stürzte vor meine Füße und war auf der Stelle tot.« Tränen rannen ihre Wangen hinunter.

Kellys Kehle wurde trocken. Voller Grimm fragte er: »Halten sich die Dodsons noch in Tucson auf?«

Cora wischte sich mit einem blüten­weißen, spitzenbesetzten Taschen­tuch, das sie aus ihrem Ärmel gezogen hatte, die Tränen ab. »Nein, sie sind nach dem Mord an Tom und Duffy verschwunden. Keine Ahnung, wo­hin.«

Kelly starrte eine Weile gedanken­verloren ins Leere. Lastendes Schweigen herrschte zwischen ihm und der Frau. Er brach es schließlich, indem er fragte: »Hat diese Stadt nichts gegen diese feigen Mörder unternommen?«

»Diese Stadt?«, fauchte sie zornig. Jäh hatte sich ihre Stimmung gewan­delt. Ihr Mund war hart geworden. »Diese Stadt ist eine Rattenburg, und ein jeder ist sich selbst der Nächste. Matt Rockford, Toms zweiter Deputy, versuchte, einige Männer für ein Aufgebot zu gewinnen. Ein nutzloses Unterfangen. Sie haben ja keine Ahnung, was diese Maulhelden plötz­lich für Ausreden parat hatten. Nein, die feinen Bürger haben keinen Fin­ger krumm gemacht.« Sie verstumm­te betrübt und resigniert.

»Und es gibt keinen Anhaltspunkt, wohin die Banditen sich gewandt ha­ben?«

»Nein. Sie sind in der Nacht wie ein Spuk verschwunden. Das einzige, was wir wissen, ist, dass sie sich in westlicher Richtung abgesetzt haben. Aber das sagt nichts. Sie können die Richtung gewechselt haben. Außer­dem ist Mexiko nicht weit.«

»Ich werde sie finden. Ja, ich werde diese hundsgemeinen Killer zur Re­chenschaft ziehen.« Kelly strömte wilde Entschlossenheit aus. Die Worte waren wie ein Schwur aus sei­nem Mund gekommen. Sein Blick suchte den der Frau. »Vorher aber will ich alles wissen, Cora, von An­fang an, seit Dodson zum ersten Mal Toms Weg kreuzte.«

Coras Gestalt straffte sich. »Es ist keine lange Geschichte. Ha­ben Sie auch einen Namen?«

»Kelly, ganz einfach Kelly.«

»Well, Kelly. Jack Dodson erstach bei einer Rauferei einen Mann und flüchtete. Tom heftete sich auf seine Fährte und brachte ihn nach zwei Wo­chen zurück. Der Richter schickte Dodson für vier Jahre nach Fort Yuma ins Staatsgefängnis. Nun, vor einer Woche kam Jack Dodson zu­rück, um sein Versprechen, Tom für seine Verurteilung büßen zu lassen, auf grausame Art wahrzumachen.« Wieder legte sich die schreckliche Erinnerung wie eine zentnerschwere Last auf sie und druckte ihre Schul­tern nach vorn. Ihr angespanntes Ge­sicht erschlaffte.

Jack Dodson!

Der Name brannte sich unaus­löschlich in Kellys Gehirn ein. Und in seinem Herzen brannte der Hass.

*

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KELLY STARRTE VOLLER Bitterkeit auf den flachen Grabhügel. Cora stand neben ihm, die Finger vor der Brust verschränkt, wie in ein stilles Gebet versunken. Das Grab war mit Blumen geschmückt. Hoch über den beiden schweigenden Menschen trällerte am blauen Himmel eine Lerche mit rast­losem Flügelschlag. Über den Grä­bern mit den oftmals schiefen Holz­kreuzen oder Gedenksteinen wogte der Morgendunst, der aber vom trä­gen Wind nach und nach zerfasert und fortgetragen wurde.

Ein bedrückendes Szenarium, von dem aber ein tiefer Friede ausging.

Ein Friede, der Kelly nicht er­reichte.

Er drehte seinen flachkronigen Stetson unruhig in den Händen. Hin­ter seiner Stirn jagten sich zermür­bende und unversöhnliche Gedan­ken. Gedanken, die sich im Kreis be­wegten und nur die vier Banditen, al­len anderen voran Jack Dodson, zum Inhalt hatten.

In sein bohrendes Denken hinein flüsterte Cora: »Ich habe beim Schrei­ner ein Kreuz mit einer Gedenkschrift in Auftrag gegeben, Kelly. Es soll im­mer daran erinnern, dass hier ein Sheriff begraben liegt, der in Ausübung seines Amtes von feiger Mörderhand getötet wurde.«

Kelly stieß die Luft durch die Nase aus. Mit einer ruckartigen Bewegung stülpte er sich den Hut auf den Kopf und drehte sein Gesicht Cora zu. »Ja, Cora, das ist gut. Ein jeder soll stets daran erinnert werden.«

Langsam wandten sie sich ab, ne­beneinander schritten sie zwischen den Gräbern hindurch zur Pforte in dem mannshohen Bretterzaun, der den Boothill umgab. Draußen ange­langt hakte sich Cora bei Kelly ein. Sie kannten sich erst wenige Stunden und nur flüchtig. Und trotzdem be­stand zwischen ihnen eine Verbin­dung, die jeder von ihnen spüren konnte. Eine geheimnisvolle Vertrautheit. Vielleicht war es der An­fang einer guten Freundschaft. Viel­leicht war es auch der Funke einer tie­fen, inneren Beziehung, der überge­sprungen war. Keiner vermochte es zu sagen. Es war einfach da, und sie versuchten nicht, es zu verdrängen.

»Wo werden Sie mit ihrer Suche nach den Dodsons ansetzen, Kelly?«, wollte Cora wissen.

»Ich werde nach Westen reiten«, antwortete er nach kurzer Überle­gung. »Kerle wie sie fallen auf. Ich werde jeden Menschen, der meinen Weg kreuzt, nach ihnen fragen. Und irgendjemand wird sie gesehen haben und sich an sie erinnern. Und dann werde ich mich auf ihre Spur setzen und nicht eher ruhen, bis der letzte von ihnen tot vor mir liegt.«

»Sie müssen höllisch aufpassen, Kelly. Die Dodsons sind wie die wil­den Tiere. Der Mord an Tom ist der beste Beweis dafür. Wenn die mer­ken, dass Sie ihnen folgen, um sie zur Rechenschaft zu ziehen, werden sie alles daransetzen, Sie aus dem Weg zu räumen.«

Kelly machte eine wegwerfende Handbewegung. »Sicher. Dazu kommt, dass die Ahndung von Sheriffmord in den Zuständigkeitsbe­reich des U.S. Marshals dieses Territo­riums fällt. Das wissen die Halunken. Das wird sie doppelt vorsichtig sein lassen. Jack Dodson und seinen Komplizen ist der Strick sicher. Darum werden sie ihre Haut so teuer wie möglich verkaufen.«

Gemächlich näherten sie sich der Stadt, die nach und nach zum Leben erwachte. Die Morgensonne vergol­dete die Dächer und floss gleißend in die breite Main Street. Ein neuer Tag war ange­brochen. Und mit ihm neuer Hass. Er brannte in Kelly und ließ ihn rastlos und ungeduldig werden.

Aus dem Vagabunden und Glücks­ritter Kelly sollte ein erbarmungsloser Menschenjäger werden. Die eiserne Entschlossenheit ließ ihn einen schwierigen und gefährlichen Weg beschreiten.

*

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DIE BANDITEN HIELTEN sich im Santa Rosa Valley versteckt. Es war Nacht. Das Lagerfeuer loderte. Die zucken­den Flammen warfen geisterhafte Schatten auf die Gesichter der vier Outlaws. Das glimmende Holz knackte und knisterte. Wy Hastings stocherte mit einem Ast gelangweilt in der Glut. Um sie herum war dichtes Gestrüpp. Das sanfte Murmeln des Santa Rosa Wash drang zu ihnen hin. Die Banditen hatten ihre Pferde ein Stück abseits angeleint. Die Tiere schliefen.

Ed Dodson hob den Kopf. In das la­stende Schweigen hinein sagte er: »Zur Hölle damit, Jack! Ich habe keine Lust, noch länger hier herumzusitzen. Sicher haben sie die Suche nach uns längst eingestellt. Seit wir Jordan und seinen Gehilfen erledigt haben, sind zehn Tage vergangen. Kein Aufgebot reitet zehn Tage durch die unwegsame Wildnis, nur um ein paar Kerle wie uns zu fangen.«

Jack Dodson schaute seinen Bruder scharf an. »Das Aufgebot aus Tucson, soweit uns überhaupt eins gefolgt ist, haben wir natürlich längst abgeschüt­telt. Aber vergiss den Telegraphen nicht. Jeder Sheriff oder Marshal im Land wird zwischenzeitlich wissen, dass wir zwei Sternschlepper auf die nicht gerade feine Art zu ihren Ahnen versammelt haben. Und mit Sheriffmördern machen sie kurzen Prozess. Du verstehst, was ich meine?«

»Wir können trotzdem nicht bis zum Jüngsten Tag hier herumsitzen und Daumen drehen«, warf Hank ein. »Wir wussten, worauf wir uns einlie­ßen, als wir nach Tucson trailten. Und nun müssen wir eben damit leben, dass im ganzen Territorium unsere Steckbriefe aushängen. Aber um uns zu kriegen, müssen sie uns schon ein Dutzend U.S. Deputy Marshals oder die Army auf den Hals hetzen.«

Jack Dodson winkte ab. »Wir blei­ben noch einige Tage. Sicher ist si­cher. Ich möchte nicht von einem auf­gebrachten Mob aufgehängt wer­den.«

Wy Hastings warf den Ast ins Feuer. »Warum verschwinden wir nicht einfach nach Mexiko?«, knurrte er. »Dort könnten wir in Ruhe abwar­ten, bis Gras über die Sache gewach­sen ist.«

»Du vergisst, dass ich in Yuma noch eine Sache zu erledigen habe«, gab Jack barsch zurück.

»Dieser Phil Walker läuft dir nicht davon. Du kannst diesem Sergeant auch noch in zwei oder drei Monaten ein paar Löcher in die Uniform pu­sten. Im Übrigen halte ich dein Vorha­ben für den hellen Wahnsinn. Die Blauröcke verstehen keinen Spaß, wenn es um einen von ihnen geht. Sie hetzen uns wie die Hasen.«

Jack Dodson zog die Beine an und bohrte die Absätze in das ausgedörrte Gras. »Dieser Hundesohn von einem Sergeant hat mich vier Jahre lang ge­demütigt und bis aufs Blut geschun­den.« In seiner Stimme lag unverhoh­lener Hass. »Und erst dann, wenn ich ihn in die Hölle geschickt habe, werde ich nach Mexiko verschwin­den. Keine Minute früher.« Er spuckte zur Seite aus. »Du hast doch keine Einwände mehr, Hastings?«, fügte er dann drohend hinzu.

Dem Banditen war der gefährliche Unterton in Jack Dodsons Stimme nicht entgangen. Er schüttelte den Kopf. »Schmecken will es mir aber trotzdem nicht«, gab er zu bedenken.

»Schluck es einfach runter.« Ed Dodson lachte. Dann wurde er ernst. »Und merke dir eines, Wy: Was sich Jack einmal in den Kopf gesetzt hat, führt er auch bis zum Ende durch. Und so wird er auch diesen Sergeant Walker zum Satan jagen, ehe wir nach Mexiko verduften. Du solltest nicht mehr versuchen, meinen Bruder umzustimmen. Du könntest wenig Freude daran haben.«

Hastings verzog säuerlich das Ge­sicht. »Hör mal!«, begehrte er auf. »Ich bin nicht mit euch geritten und habe geholfen, zwei Sternschlepper auf die lange Reise zu schicken, um jetzt von deinem Bruder herumkom­mandiert zu werden. Ich komme auch ohne euch ganz gut zurecht. Und wenn es euch nicht passt, dass ich meine Meinung äußere, dann sagt es. Dann verschwinde ich.«

»Jetzt hab dich nicht gleich so, ver­dammt!«, mischte sich Hank Dodson ein. »In ein paar Tagen reiten wir wei­ter. Auf dem Weg nach Yuma wirst du genug Gelegenheit kriegen, harte Dollars zu machen. Und wenn wir rei­che Leute sind und dieser verdammte Sergeant über die Klinge gesprungen ist, gehen wir nach Mexiko. Du wirst mit uns ein gemachter Mann, Amigo. Also fasse dich in Geduld. Das geht nicht von heute auf morgen.«

»Wenn sie uns nicht vorher die Hälse lang ziehen«, verlieh Wy Ha­stings seinen Zweifeln Ausdruck.

In diesem Moment raschelte und knackte es im Ufergebüsch,

Die vier lauschten in die Nacht hin­ein wie hungrige Wölfe. »Da ist je­mand!«, zischelte Jack Dodson zwi­schen den Zähnen. »Benehmt euch unauffällig!« Unter halbgesenkten Li­dern hervor wanderte sein Blick in die Runde.

Das Feuer brannte nicht mehr hoch genug, so dass sein Schein den Rand des Gestrüpps nicht erreichte. Dunkel und drohend, wie eine undurchdring­liche Mauer, umgab das Buschwerk den Lagerplatz der vier Outlaws.

Die Geräusche waren nicht mehr zu vernehmen. Kein Grund für die Banditen, in ihrer Wachsamkeit nach­zulassen. Ihnen, die einem heißen Trail folgten, waren Misstrauen und ständige Bereitschaft zur zweiten Na­tur geworden.

Jack Dodson erhob sich ohne jede Hast. Er zog seinen Revolvergurt in die Höhe und rückte den Stetson zurecht. »Ich schau mal nach den Gäulen«, sagte er laut genug, dass seine Stimme über die kleine Lichtung hinaus zu hören war, auf der sie kam­pierten. Er wechselte ei­nen bedeutungsvollen Blick mit sei­nen Brüdern und Wy Hastings, dann entfernte er sich mit kurzen, wiegen­den Schritten.

Die drei am Feuer Verbleibenden fühlten sich sichtlich unwohl in ihrer Haut. Vergeblich versuchten sie, mit den Augen die Dunkelheit zu durchdrin­gen. Wy Hastings gelang es nicht, ru­hig sitzen zu bleiben. Er neigte seinen Oberkörper ein wenig zur Seite und stützte sich mit der linken Hand ab. Seine Rechte verkrampfte sich um den Coltknauf.

»Vielleicht war es nur ein wildes Tier«, raunte er, kaum die Lippen be­wegend.

»Darauf kannst du dich in einem Land wie diesem, in dem es von rotem und weißem Ungeziefer nur so wim­melt, nicht verlassen«, gab Hank Dodson leise zurück, und jeder Beob­achter musste den Eindruck gewin­nen, dass der Bandit das belangloseste Gespräch der Welt führte. Er war eben eiskalt, dieser Hank Dodson.

In diesem Augenblick teilte sich das Gebüsch. Zwei zerlumpte Gestalten mit Pfeil und Bogen traten auf die Lichtung. Um ihre Köpfe mit den lan­gen Haaren waren bunte Tücher ge­schlungen. Ihre dunklen Gesichter verrieten nicht, was sie dachten.

Apachen!

Wy Hastings stockte der Atem, und er lüftete den Colt im Halfter.

Jack Dodson war herumgefedert und duckte sich wie ein zum Sprung bereites Raubtier. Seine Hand war zum Colt gezuckt. Die drei Banditen beim Feuer waren aufgesprungen wie von Taranteln gestochen.

Aber die Apachen kamen in Frieden. Sie deuteten es an, indem sie die rechte Hand hoben und den Banditen die Handflächen zeigten.

Jack Dodson fasste sich zuerst wie­der. Er glitt auf die Indianer zu und blieb zwei Schritte vor ihnen stehen. »Wenn ihr vorgebt, in Frieden zu kommen, was schleicht ihr euch dann an, als wärt ihr auf dem Kriegspfad?«, herrschte er sie an. »Seid ihr allein?«

Die beiden wechselten einige Worte in ihrer Sprache, dann richte­ten sie ihr Augenmerk wieder auf den großen, düsteren Mann vor ihnen.

»Wir Chiricahuas«, erklärte einer mit gutturaler Stimme. »Friedliche Jäger. Chiricahuas wollen nichts Bö­ses von Bleichgesichtern, nur jagen. Chiricahuas sehr zufrieden in Reser­vation.« Er nickte wie zur Bekräfti­gung seiner Worte.

»Ihr roten Läuse seid doch niemals friedlich«, grollte Jack Dodson. Hin­ter seinem Rücken raschelte Gras un­ter den Tritten seiner Komplizen. Sie traten neben ihn und musterten die Apachen argwöhnisch und feindselig.

»Chiricahuas friedliche Indianer«, murmelte der Apache.

»Eure Reservation liegt weit oben im Norden, am Gila River«, sagte Jack Dodson. »Was habt ihr so tief im Süden zu suchen?«

»Fleisch«, gab der Indianer bereit­willig Auskunft. »Wild in Reservat nicht ausreichend. Darum gehen Chi­ricahuas nach Süden, um Wild zu ja­gen, sonst Krieger, Frauen und Kinder hungern.«

»Trau diesen roten Bastarden nicht!«, murmelte Wy Hastings. »Sie erzählen dir das Blaue vom Himmel herunter, und wenn du ihnen den Rücken zukehrst, stoßen sie dir das Messer zwischen die Schulterblät­ter.«

»Diese beiden heruntergekomme­nen, halb verhungerten Wilden?« Ed Dodson lachte spöttisch auf. »Die blase ich auf den Mond, wenn ich merke, dass sie uns hereinlegen wol­len.«

Die Apachen blickten verunsichert von einem zum anderen. Verhaltene Angst flackerte in ihren schwarzen Augen. Sie waren auf schlechte Weiße gestoßen. Das hatten sie sehr schnell erfasst. Und sie fürchteten um ihr Leben. Das war deutlich.

Jack Dodson sagte: »Also noch ein­mal: Warum habt ihr euch angeschli­chen, als wolltet ihr Übles von uns? Und wo sind eure Gefährten, eure Brüder?«

Der Apache, der auch bisher das Wort geführt hatte, machte eine aus­holende Bewegung mit dem Arm. »Kein gutes Land. Viele Bleichgesich­ter hassen den roten Mann. Darum Chiricahuas vorsichtig. Leben eines Chiricahua vielen Männern nichts wert. Chiricahua misstrauisch. So ist es.«

»Wir vielleicht auch böse weiße Männer«, äffte Wy Hastings den Apa­chen nach. Er machte einen Schritt nach vorn, ging um die Indianer herum und betrachtete sie von oben bis unten. »Wie Geronimo mit sol­chen Figuren einen Krieg gegen die Armee führen konnte, ist mir ein Rät­sel«, sagte er zynisch. »Unmöglich, dass man mit diesen Typen ein Land in Angst und Schrecken versetzen kann.« Er baute sich wieder neben Jack Dodson auf und stemmte die Fäuste in die Seiten.

»Weiße Männer sahen friedlich aus«, erklärte der Apache.

Hastings lachte rasselnd. Er wollte etwas erwidern, aber Jack Dodson schnitt ihm schroff das Wort ab. »Wo sind eure Brüder?« Sein Blick wechselte ständig zwischen den beiden.

»Chiricahuas haben Lager vor zwei Stunden verlassen, kundschaften Wild aus. Wenn Sonne aufgeht, zu­rück ins Lager, um Brüder zu führen.«

»Wo sind eure Pferde?«

»Wir gelaufen. Hufgetrappel schreckt Wild auf. Wild flüchtet, wenn Jäger nicht vorsichtig. Darum Mustangs im Lager.«

»Wie viele Krieger seid ihr?«

»So viele, wie der weiße Mann Fin­ger an seinen Händen hat.«

»Zehn also.«

»Zehn, ja. Jäger möchten wieder gehen, Jäger gehen in Frieden. Sie kein Feind der weißen Männer.« Sein unergründlicher Blick tastete Jack Dodsons ausdruckslose Züge ab.

»Wir können sie nicht gehen las­sen«, ließ sich Wy Hastings verneh­men. »Diese Burschen reden vom Frieden und wollen uns in Sicherheit wiegen. Und morgen kommen sie mit ihrem Verein zurück und schneiden uns die Kehlen durch. Diese Kerle ha­ben es nicht verlernt, die Weißen zu hassen und sie lautlos umzubringen. Kannst du dir vorstellen, Jack, dass dein Skalp an einem ihrer Wickiups in der Sonne trocknet?«

Die beiden Apachen hatten jedes Wort verstanden. In der Reservation und in der Missionsschule hatten sie die Sprache der Weißen ziemlich gut gelernt. Sie begriffen, dass ihr Leben nur noch an einem seidenen Faden hing. Sie waren jung, und sie wollten leben. Und sie wollten die Not ihres Stammes lindern. Aber nun waren sie vier niederträchtigen, verkommenen Gesetzlosen in die Hände gefallen, in deren Mienen wenig Verheißungsvolles geschrieben stand. Und in der Brust eines jeden dieser Chiricahuas begann die Angst hochzulodern wie eine Flamme, hei­ßer und heißer.

Der Wortführer der beiden zi­schelte etwas in seiner Sprache, im selben Moment wirbelte er herum, um in die Büsche zu fliehen. Der an­dere setzte hinterher. Ihre gedrunge­nen Gestalten verschwammen vor dem Hintergrund der dichten Sträu­cher.

Doch ehe sie das schützende Ge­büsch erreichen konnten, leckten grelle Flammenzungen durch die Nacht. Die Schüsse zerrissen die Stille wie ein gewaltiger Donnerschlag.

Die flüchtenden Apachen wurden von dem Blei aus den Banditencolts eingeholt, es bohrte sich in ihre Kör­per und riss sie zu Boden. Ein erster­bendes Stöhnen, ein letztes, abgeris­senes Röcheln. Die Detonationen ver­hallten über dem Ruß. Pulverdampf wogte über die Lichtung und zerflat­terte.

Die Pferde der Banditen waren von dem Krach aus dem Schlaf gerissen worden. Sie zerrten an den Leinen, steilten, schnaubten von Panik erfasst und wieherten. Erregtes Hufestamp­fen mischte sich in diese Geräusche.

Wy Hastings rief heiser vor Erre­gung: »Willst du noch immer hierblei­ben, Jack?«

Der ersetzte seelenruhig die abge­feuerten Hülsen durch Patronen aus seinem Gurt, dann halfterte er seinen Colt. »Wir verschwinden. Wenn die Rothäute ihre toten Brüder finden, dann möchte ich eine Menge Meilen zwischen mich und diesen Platz ge­bracht haben.«

Seine Komplizen steckten ebenfalls ihre Colts weg, nachdem sie sie nach­geladen hatten. »Und wohin verduf­ten wir?«, wollte Ed Dodson wissen.

»Wir reiten nach Norden, nach Casa Grande, und warten ab, ob die Indsmen ruhig bleiben, und dann fol­gen wir von Casa Grande aus der Poststraße nach Fort Yuma.«

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SIE ERREICHTEN CASA Grande mit den ersten Sonnenstrahlen. Die Stadt schlief noch. In den Winkeln und Gas­sen hatten sich die Schatten verdich­tet, und über der Main Street lastete noch das Grau der Dämmerung. Nicht mehr lange, dann würde es dem grel­len Licht des neuen Tages weichen müssen. Im kühlen, knöcheltiefen Staub der Fahrbahn badeten Hühner. Irgendwo kläffte ein Hund. Das Federvieh stob erregt gackernd ausein­ander, als sich die Banditenpferde nä­herten. Die Straße mündete in eine große Plaza mit einem Brunnen als Mittelpunkt. Eine Gruppe von Aka­zien war um ihn herum angeordnet.

Am anderen Ende der Plaza setzte sich die Main Street fort, verschwand zwischen Häusern mit falschen Fassa­den und ärmlichen Adobehütten.

Am linken Rand des großen, freien Platzes erhob sich die Front einer Kir­che mit einem weißgetünchten Glockenturm.

Die Outlaws zügelten beim Brun­nen ihre Pferde und sprangen aus den Sätteln. Pferde und Reiter waren staubig und müde. Mit rasselnden Sporen ging Hank Dodson zur Seil­winde. Sie knarrte, als er den Eimer hinunterkurbelte, dann platschte es, als dieser auf das Wasser schlug. Hank drehte die ächzende Winde in die an­dere Richtung, und der volle Wasser­behälter kam hoch. Die Banditen tranken, dann wuschen sie sich die Gesichter. Hinterher versorgten sie ihre Pferde.

Wy Hastings blickte um sich. »Ein ödes Nest«, maulte er. »Wenn du mich fragst, dann ist hier der Hund ver­reckt.«

Jack Dodsons Schultern strafften sich, seine Brust hob sich unter einem tiefen Atemzug. »Lass dich nicht täu­schen«, versetzte er. »Casa Grande wirkt nur wie ein verschlafenes Nest. Du wirst eines Besseren belehrt werden. Hier gibt sich das übelste Gelichter ein Stelldichein. Dieser Ort ist genau richtig für uns. Hier können wir eine Zeitlang untertauchen.«

Sie zogen ihre Pferde hinter sich her quer über den Platz. Vor dem Trailman Saloon wickelten sie die Zü­gel um den Holm. Zwei Häuser weiter war das Büro der Wells & Fargo Com­pany, daneben das Postoffice. Die Fenster im Erdgeschoss beider Ge­bäude waren mit soliden Eisenstäben vergittert. Am Ende der Plaza, wo die Main Street weiterführte, war das Marshal's Office.

Jack Dodsons Augen wurden eng, als er das Schild mit der entsprechen­den Aufschrift las. Polternd betraten sie den Vorbau des Saloons.

Der Inn hatte noch geschlossen. Ed Dodson murmelte eine Verwün­schung. »Was jetzt?«

»Wir warten«, erklärte Jack Dod­son.

Sie setzten sich auf die Stühle, die auf dem Vorbau herumstanden, legten ihre Füße auf das Geländer und starrten über den Platz.

Irgendwo in der Nähe schlug eine Tür, die keifende Stimme einer Frau ertönte, gleich darauf das Plärren ei­nes Kindes. Casa Grande erwachte zum Leben. Die Morgensonne hatte den grauen Dunst aufgelöst. Im Licht glitzerte der Staub kristallen.

Zähflüssig rannen die Minuten da­hin. Die Geräusche in der Stadt ver­stärkten sich. Aus dem Marshal's Office trat ein Mann. Er blickte sekun­denlang in die Richtung der vier Banditen unter dem Vorbaudach, rückte sich den Hut in die Stirn und marschierte im Schatten der Häuser auf sie zu. Matt funkelte an seiner rechten Brustseite der Sechszack.

Gelassen blickten die Outlaws ihm entgegen. Aber die lässige Ruhe, die sie zur Schau trugen, täuschte. Jeder von ihnen war angespannt bis in die letzte Nervenfaser, war ein Pulverfass, in das nur ein Funke zu fallen brauchte.

Dann war der Marshal heran. »Gu­ten Tag, Gentlemen«, grüßte er und tippte an die Krempe sei­nes Stetson.

Die vier erwiderten den Gruß ohne jede Spur von Freundlichkeit. Ein Mann, von dessen Brust ein Stern blitzte, hatte von diesen Halunken eben keine Höflichkeit zu erwarten.

Der Blick des Marshals tastete nacheinander ihre verwegenen Ge­sichter ab, schätzte sie ein, und als der Gesetzeshüter fertig war, wusste er, dass er es mit Satteltramps zu tun hatte. Dumpf sagte er: »Ich bin Marshal Blaines.« Er fixierte Jack Dod­son, den er mit sicherem Instinkt so­fort als den Führer des Rudels ausge­macht hatte.

»Sehr erfreut!«, entgegnete der Bandit aufreizend spöttisch, ohne seine Haltung zu verändern.

Blaines gab sich, als berührte ihn der Zynismus des anderen nicht. Er blickte sekundenlang zu Boden, dann hob er wieder das Gesicht. »Sind Sie die Nacht durchgeritten, Gentlemen?«

»Sieht so aus, Marshal«, antwor­tete Jack und legte ein Bein über das andere. Einer seiner Sporen ratschte über das Geländer und riss das Holz auf. »Es ist doch nicht verboten, in der Nacht zu reiten, oder?« Er grinste, und den Marshal mutete dieses Grin­sen niederträchtig und gemein an. Diese Sorte war der Alptraum eines jeden Gesetzesmannes, denn sie ver­breitete nichts als Ärger.

Ein Schatten huschte über Blaines' glattes Gesicht, seine Brauen zogen sich zusammen. »Verboten — nein. Aber doch recht ungewöhnlich«, ant­wortete er bedächtig.

»In der Nacht ist es kühl und ange­nehmer im Sattel«, entgegnete der Outlaw.

»Es gibt aber auch Hombres, die das Licht des Tages scheuen. Nacht­reiter nennt man diese Burschen.«

Jack Dodson lachte belustigt auf. »Wir haben nichts und niemanden zu scheuen, Marshal.«

»Dann ist es ja gut. Ich wünsche Ih­nen einen angenehmen Aufenthalt in unserer Stadt, Gentlemen.«

»Tausend Dank.«

Marshal Blaines schoss noch einen scharfen Blick in ihre Gesichter ab, dann machte er kehrt und marschierte zurück zu seinem Office. Die Bandi­ten starrten düster hinter ihm her.

»Das gefällt mir nicht«, maulte Wy Hastings mit schiefem Mund, als der Marshal weit genug weg war. »Der Kerl gab sich zu aalglatt. Ich hatte den Eindruck, dass er lediglich unsere Vi­sagen aus der Nähe begutachten wollte.«

Jack Dodson nahm die Füße vom Geländer und erhob sich, kratzte sich am Kinn. Die tagealten Bartstoppeln raschelten. »Vielleicht haben wir ei­nen Fehler gemacht, als wir geschlos­sen in diese Stadt ritten. Es wäre klü­ger gewesen, wenn wir uns geteilt hät­ten. In der Zwischenzeit wird jeder im Territorium wissen, dass es vier Kerle waren, die den Sheriff von Tucson und seinen Gehilfen abgeknallt ha­ben.«

»Diese glorreiche Idee hattest du früher haben sollen«, sagte Hank Dodson. »Jetzt ist es zu spät.«

Der Marshal verschwand im Office.

»Jetzt wird er nichts eiligeres zu tun haben, als seinen Schreibtisch nach unseren Steckbriefen zu durch­wühlen«, ereiferte sich Wy Ha­stings. Auch er stand auf und stellte sich neben Jack Dodson an das Gelän­der.

»Da braucht er nicht lange zu wüh­len.« Ed Dodson lachte kehlig. »Die werden ganz oben liegen.«

»Verdammt, mir vergeht das La­chen!«, zischelte Hastings. Seine Fin­ger spreizten und schlossen sich.

Hank Dodson lehnte sich im Stuhl zurück. »Der Teufel soll mich holen, wenn ich mich vor dieser Schießbu­denfigur fürchte«, protzte er. »Für mich kommt es nach der Sache mit Jordan auf einen Sternschlepper nicht mehr an.«

»Es geht nicht nur um diesen Marshal«, gab Jack Dodson zu bedenken. »Wenn die Sache mit den Apachen herauskommt, haben wir das halbe Land gegen uns. Und dann wird es brenzlig. Den Pfeffersäcken im Land steckt die Angst vor den Indsmen zu tief in den Knochen.«

»Was willst du damit sagen?«, kam es von Hastings.

»Jeder befürchtet dann, dass die Apachen wieder einmal verrückt spielen. Und das ist gar nicht so ab­wegig. Sie sind unzufrieden mit dem Leben in der Reservation. Die Fleischversorgung klappt nicht so recht, Krankheiten und Seuchen grassieren. Da genügt der geringste Anlass, um die Rothäute durchdrehen zu lassen.«

»Und diesen Anlass, denkst du, ha­ben wir ihnen geliefert?«, warf Ed Dodson hin.

»Schon möglich. Die Indsmen sind unberechenbar. Wir werden wohl nicht sehr lange in Casa Grande blei­ben. Wir ruhen uns ein paar Stunden aus und machen uns dann auf den Weg nach Fort Yuma. Und wenn ich Sergeant Walker das Licht ausgebla­sen habe, setzen wir uns ab nach Me­xiko.«

»Vorher aber knacken wir noch ein paar Banken«, stieß Hastings zwi­schen den Zähnen hervor. »Ich will nicht als armer Mann in Mexiko an­kommen. Das war auch Teil meiner Abmachung mit deinen Brüdern.«

Jack Dodson sah den Komplizen wütend an, aber er sagte nichts. Schwer ließ er sich wieder auf den Stuhl fallen.

Hastings wirbelte zu ihm herum. Er beugte sich vor, und in seine Augen trat ein böses Flirren. »Verdammt! Warum schweigst du?«

Jack Dodson verschränkte die Hände über seinem Bauch. »Weil du mir mit deinem Geschrei nach Überfall und Raub langsam auf die Nerven gehst, mein Freund. Ich schätze, meine Brüder haben nicht besonders klug gehandelt, als sie sich mit dir zu­sammenschlossen.«

Wut verzerrte Hastings' Züge, machte sie zur Fratze. Sein Mund klaffte auf. Aber Hank Dodson kam ihm zuvor. Rau rief er: »Jetzt streitet nicht, verdammt! Wir vier stecken wahrscheinlich bis zum Hals im Dreck, und das Schlimm­ste, was uns passieren kann, ist, dass wir anfangen, uns gegenseitig zu zer­fleischen.«

Hastings stieß zischend den Atem aus.

Von Jack Dodson fiel die Anspannung ab. »Okay, Hastings«, kam es über seine Lippen. »Wir werden dafür sorgen, dass du zu deinen Greenbucks kommst. Aber vorher er­ledigen wir die Sache in Yuma. Ein­verstanden?«

»Das ist ein Wort«, brummte Ha­stings. »Es geht in Ordnung.«

*

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DER SALOON ÖFFNETE. Die Banditen suchten sich einen Tisch beim großen Frontfenster aus und nahmen Platz. Sie bestellten Bier und etwas zu essen. Jack Dodsons rastloser Blick wan­derte immer wieder durch das Fenster nach draußen über die Plaza, auf der der Tagesbetrieb begonnen hatte.

Am Tresen klirrte und schepperte es, als der Keeper Gläser und Fla­schen in das Regal, das die halbe Wand einnahm, sortierte. Das Dröh­nen der Kirchenglocke wehte über die Plaza. Reiter und Fuhrwerke zogen vorüber, auf den Gehsteigplanken hallten die Schritte der Passanten. Die Banditen tranken und rauch­ten, dann kam ihr Frühstück. Eier mit Speck. Hungrig schlangen sie das Es­sen in sich hinein, schoben die Teller zurück und spülten mit Bier nach.

Zwei Männer kamen in den Saloon. Sie streiften die Outlaws mit einem desinteressierten Blick und stapften zur Theke. Sie waren mit Revolvern und Gewehren bewaffnet. Der Kee­per schenkte jedem ein Glas mit Whisky voll. Sie prosteten sich zu und tranken.

»Ob die verdammte Kutsche heute wieder Verspätung hat?«, sagte der eine der beiden, nachdem ihm der scharfe Schnaps ein Hüsteln entrun­gen hatte.

»Was weiß denn ich«, antwortete der andere. »Jedenfalls bin ich froh, wenn ich wieder auf dem Bock sitze und der verdammten Stadt den Rücken kehren kann. Dann können sich Shorty und Lance hier zu Tode lang­weilen, bis wir wieder aus Yuma zu­rückkehren.«

Die Banditen hatten jedes Wort verstehen können. Jack Dodson war besonders aufmerksam geworden, nachdem von Yuma die Rede war. Er schaute seine Komplizen bedeutungs­voll an und gebot Hastings mit einer hastigen Handbewegung zu schwei­gen, als der etwas sagen wollte.

Die beiden Männer am Tresen setz­ten ihr Gespräch fort, während ihnen der Keeper die Gläser zum zweiten Mal füllte. »Ich hätte es schon noch eine Weile hier ausgehalten«, sagte der Mann, der zuerst gesprochen hatte. »Diese Conchita hat Feuer im Leib, das darfst du mir glauben. Und ich kann es kaum erwarten, nach Casa Grande zurückzukehren. Hoh, ich sage dir, das ist ein Weib!« Er schnalzte genießerisch mit der Zunge.

»Hoffentlich hast du dieser Lady gegenüber das Maul gehalten«, meinte der andere. »Diese feine Muchacha ist zu allen Burschen überaus nett und liebevoll. Auch zu Kerlen, denen man nicht über den Weg trauen darf, und die für eine Kiste voll ...« Er brach erschrocken ab, als hätte er schon viel zuviel von sich gegeben. Schnell schaute er über die Schulter auf die vier Männer beim Fenster.

Wieder wechselten die Banditen bezeichnende Blicke.

»Conchita ist schon in Ordnung«, schnarrte der Mann, der so sehr für diese Frau schwärmte. »Im Übrigen rede ich mit ihr nie über meine Arbeit. Wir reden überhaupt recht wenig, Conchita und ich.« Er lachte gluck­send und überließ es seinem Gefähr­ten, sich auszumalen, was ihm und Conchita besser gefiel, als zu reden.

Sie kippten den Whisky hinunter, bezahlten und gingen. Im Hinausge­hen sagte Conchitas Verehrer: »Der Teufel soll Shorty und Lance holen, wenn sie wieder einmal zu spät kom­men. Je eher wir aufbrechen, desto schneller sind wir wieder zurück. Und ich will keine fünf Minuten mit Con­chita missen.«

Die Türflügel pendelten knarrend hinter ihnen aus.

Hank Dodsons Gestalt wuchs in die Höhe. Mit wenigen Schritten war der Bandit bei der Tür und schaute über deren Ränder hinweg hinter den bei­den her. Sie schritten auf das Büro der Wells & Fargo Company zu.

Ein Mann kam mit sechs Pferden hinter dem Postoffice hervor. Er wechselte mit den beiden Bewaffneten ein paar Worte, dann betraten sie das Büro der Frachtgesellschaft.

»Was mag wohl in dieser Kiste sein?«, flüsterte Wy Hastings. Ein gie­riges Grinsen zerpflügte sein brutales Gesicht und ließ es noch abstoßender werden.

»Ja, was wohl?« Jack Dodson stand mit einem Ruck auf. Er stakste zum Schanktisch. »Waren das Postkut­schenfahrer?«, wandte er sich an den Keeper.

»Ja, die Ablösemannschaft. Sie fah­ren das Teilstück nach Fort Yuma und kehren dann wieder zurück.«

»Wann trifft die Stagecoach ein?«

»Jeden Augenblick, wenn sie nicht durch irgendetwas Unvorhergesehe­nes aufgehalten wurde.«

»Und wann fährt sie weiter?«

»Sie hat eine Stunde Aufenthalt.«

Jack Dodson ging zum Tisch zu­rück. Hank löste sich von der Tür und setzte sich ebenfalls wieder zu den an­deren. »Ich fresse meinen Hut, wenn die Kerle nicht eine Menge Geld mit nach Yuma nehmen«, raunte er. »Sie sind ins Büro der Wells & Fargo gegangen. Wahrscheinlich liegen die Bucks im Tresor der Gesellschaft.«

»Ganz meine Meinung«, tönte Wy Hastings, und die Habgier funkelte in seinen Augen.

»Seht mal lieber da hinüber!«, ließ sich Ed Dodson gedämpft verneh­men. Er wies zum Fenster.

Die Köpfe der anderen ruckten herum. Ihre Gesichter wurden kantig.

Eine Menschenrotte hatte sich auf der anderen Seite der Plaza vor der Kirche versammelt. Sie redeten und gestikulierten und starrten zum Saloon herüber. Es waren hauptsächlich Männer. Und sie trugen Waffen.

»Verflucht!«, knirschte Hastings. Seine Gesichtsmuskeln zuckten ner­vös. Er schluckte krampfhaft.

»Das muss gar nichts bedeuten«, versuchte Hank Dodson ihn zu beschwichtigen.

»Du hast wohl was an den Augen? Das hat uns dieser Höllenhund von ei­nem Marshal eingebrockt.«

»Weg vom Fenster!«, gebot Jack Dodson klirrend.

Stühle ruckten, Füße scharrten über die Dielen, ein Stuhl kippte pol­ternd um. Der Keeper zuckte zusam­men und verfolgte voll Bestürzung diese unvermittelte Reaktion der Banditen. Sie glitten zur Schwingtür und postierten sich zu beiden Seiten an der Wand, äugten nach draußen und erkannten, dass die Plaza zwi­schen dem Saloon und der Ansamm­lung auf der anderen Seite plötzlich wie leergefegt war. Wy Hastings riss den Colt aus der Halfter.

Die Banditen spürten das Unheil, das sich über ihnen zusammenbraute, nahezu körperlich.

»Höllenfeuer!«, stieß Hank Dodson hervor. »Wir hätten unsere Gewehre nicht in den Scabbards lassen sollen.«

Die Menge drüben zog sich ausein­ander, die wenigen Frauen ver­schwanden in den Häusern, die Män­ner in den Lücken dazwischen. Zwei Burschen rannten zum Brunnen und gingen dahinter in Deckung.

Es blieb kein Zweifel mehr offen. Es sollte den Outlaws ans Leder ge­hen.

»Well«, schnaubte Jack Dodson, und kalte Bereitschaft ging von ihm aus, »dann werden wir diesen Halbaf­fen eben zeigen, dass sich vier unseres Schlages so teuer wie möglich verkau­fen.«

Da gellte auch schon eine klirrende Stimme über die Plaza: »Hier spricht Marshal Blaines! Wir wissen Bescheid über euch Halunken. Kommt mit er­hobenen Händen und waffenlos her­aus! Ihr habt keine Chance! Der Saloon ist von zwei Dutzend entschlos­sener Schützen umstellt!«

Jack Dodson fluchte in sich hinein. Er zog den Colt. Seine Brüder folgten dem Beispiel. Es knackte metallisch, als sie die Hähne spannten.

Die Worte des Marshals waren ver­hallt.

Jack Dodson wischte mit dem Hand­rücken über die schweißnasse Stirn.

»Du musst uns schon holen, Marshal!«, brüllte er prahlerisch. »Und das wird nicht einfach werden für dich, schätze ich.« Er wandte sich sei­nen Brüdern zu. »Du, Ed, beziehst Stellung beim Fenster. Du, Hank, schnappst dir den Keeper. Vorwärts!« Angestrengt starrte er wieder auf die Plaza, die im grellen Sonnenlicht lag und auf der der Tod lauerte.

Ed Dodson schmiegte sich neben dem Fenster an die Wand. Seine Hand, die den Coltknauf umklam­mert hielt, wurde feucht.

Sein Bruder Hank lief geduckt zum Tresen. Die Mündung seines Schieß­eisens wies auf den Keeper, der wie versteinert dastand. Der Outlaw winkte mit dem Revolver und bedeu­tete dem verschreckten Mann, hinter dem Tresen hervorzukommen. Es ge­schah marionettenhaft, zögernd, ängstlich. Mitleidlos rammte Hank dem verstörten Mann die Mündung unterhalb des Ohres gegen den Hals und dirigierte ihn zur Tür.

Da kam donnernder Hufschlag auf, in den sich das Rattern der Postkutschenräder mischte. Schnell schwoll das Ge­räusch an. Und dann raste die Concord vorbei, eine wogende Staub­fahne hinter sich herziehend. Auf dem Bock saßen zwei Männer, hinter dem staubblinden Fenster des Schlages war undeutlich das Gesicht eines Fahrgastes auszumachen. Beim Postoffice riss der Kutscher die Pferde zurück. Die Tiere knickten auf der Hinterhand ein, dann steilten sie und keilten mit den Vorderhufen durch die Luft. Die Staubglocke verdichtete sich und ließ alles nur noch schemen­haft erkennen.

»Casa Grande!«, brüllte der Kut­scher. »Eine Stunde ...«

»Fahr weiter, Shorty!« schrie ein Mann mit sich überschlagender Stimme. »Hier werden gleich die Fet­zen fliegen!«

Der Kutscher begriff nicht sogleich. Verwundert blickte er um sich. Und nun wurde ihm die lastende Atmos­phäre, die über dem Platz lag, bewusst.

»Fahr weiter, zum Teufel!«

Details

Seiten
Erscheinungsjahr
2018
ISBN (ePUB)
9783738916812
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Januar)
Schlagworte
pete hackett wildwest-romane gesetz gott western spannung
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Titel: 2 Pete Hackett Wildwest-Romane: Das gnadenlose Gesetz / ...dann gnade dir Gott!