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Folge 11/12 - Chronik der Sternenkrieger Doppelband

von Alfred Bekker (Autor:in)
©2018 350 Seiten
Reihe: Sternenkrieger Doppelband, Band 6

Zusammenfassung

Mitte des 23. Jahrhunderts werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner.
In dieser Zeit bricht die STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf...

Alfred Bekker schreibt Fantasy, Science Fiction, Krimis, historische Romane sowie Kinder- und Jugendbücher. Seine Bücher um DAS REICH DER ELBEN, die DRACHENERDE-SAGA,die GORIAN-Trilogie und seine Romane um die HALBLINGE VON ATHRANOR machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er war Mitautor von Spannungsserien wie Jerry Cotton, Kommissar X und Ren Dhark. Außerdem schrieb er Kriminalromane, in denen oft skurrile Typen im Mittelpunkt stehen - zuletzt den Titel DER TEUFEL VON MÜNSTER, wo er einen Helden seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einer sehr realen Serie von Verbrechen macht.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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Chronik der Sternenkrieger – Folge 11 und 12

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DOPPELBAND: ANGRIFF auf Alpha / Hinter dem Wurmloch

von Alfred Bekker

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EIN CASSIOPEIAPRESS E-Book

© 2005, 2008, 2012 by Alfred Bekker

© 2014 der Digitalausgabe by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich (Westf.)

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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MITTE DES 23. JAHRHUNDERTS werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner.

In dieser Zeit bricht die  STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf...

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ALFRED BEKKER schreibt Fantasy, Science Fiction, Krimis, historische Romane sowie Kinder- und Jugendbücher. Seine Bücher um DAS REICH DER ELBEN, die DRACHENERDE-SAGA,die GORIAN-Trilogie und seine Romane um die HALBLINGE VON ATHRANOR machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er war Mitautor von Spannungsserien wie Jerry Cotton, Kommissar X und Ren Dhark. Außerdem schrieb er Kriminalromane, in denen oft skurrile Typen im Mittelpunkt stehen - zuletzt den Titel DER TEUFEL VON MÜNSTER, wo er einen Helden seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einer sehr realen Serie von Verbrechen macht.

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DIESES EBOOK ENTHÄLT folgende zwei Bände:

Band 11:  Angriff auf Alpha

Band 12:  Hinter dem Wurmloch

Der Umfang dieses Ebook entspricht 255 Taschenbuchseiten.

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Band 11: Angriff auf Alpha

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ES IST SO WEIT!, DURCHFUHR es Yasuhiro von Schlichten. Um diesen Moment mitzuerleben, würden Legionen von Wissenschaftlern ihren rechten Arm hergeben! Von Schlichten ließ die Finger über den Touchscreen seiner Konsole gleiten und nahm damit eine Feinjustierung der Messgeräte vor. Die Station trug die Bezeichnung Space Army Corps Base 567 und umkreiste die planetenlose Sonne Alpha Picus. Erst vor wenigen Monaten war die Vorgängerin dieser Station durch den Angriff einer Flotte von Naarash-Schiffen zerstört worden. Dementsprechend provisorisch waren im Augenblick die Arbeitsbedingungen der gut sechzig hoch qualifizierten Wissenschaftler, deren Aufgabe es war, die Bildung des Wurmlochs zu beobachten. Auf dem großen Panoramaschirm waren die äußersten Ausläufer eines Gasnebels zu erkennen. Genau dort sollte sich diese Abkürzung durch die Raumzeit öffnen.

»Die fünfdimensionalen Strahlungswerte sind 300 Prozent über Normalniveau«, meldete Dr. Xandra Dominguez, eine junge Nachwuchswissenschaftlerin, die sich auf der Station SACB 567 die ersten Meriten verdienen wollte. »Ich denke, jetzt geht es los, Professor!«

»Ja, ich weiß«, murmelte von Schlichten.

Ein Lichtblitz leuchtete kurz am Rand des Gasnebels auf.

Das ist der Beginn einer neuen Ära, dachte von Schlichten.

Und wahrscheinlich auch der Beginn ungeahnten Blutvergießens...

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SPACE ARMY CORPS BASE 567 – schon der Name wies darauf hin, dass sich diese Station in einem ganz bestimmten Punkt von ihrer einfach als Alpha-Picus-Station bezeichneten und von den Naarash zerstörten Vorgängerin unterschied. SACB 567 hatte nämlich neben dem wissenschaftlichen Auftrag auch eine eindeutig militärische Mission und unterstand der Hierarchie des Space Army Corps, den Raumstreitkräften der Humanen Welten. Die wissenschaftliche Leitung lag zwar bei einem der an Bord befindlichen Forscher, aber darüber hinaus war der Station ein Space Army Corps Offizier zugeordnet, der letztlich jede über rein wissenschaftliche Fragen hinausgehende operative Entscheidung zu bestätigen hatte. Außerdem hatte er die sofortige Weitergabe aller Daten an das Oberkommando des Space Army Corps sowie den Vorsitzenden des Humanen Rates zu gewährleisten.

Diese Funktion füllte Commander Riskoy McCann aus – ein nüchtern wirkender Mann aus dem inneren Stab des Oberkommandos, der als zuverlässiger Exekutor der Befehle seiner Vorgesetzten galt.

Im Grunde hatte Yasuhiro von Schlichten Verständnis für diese Maßnahme. Schließlich hatte er selbst entscheidend dazu beigetragen, den Verrat der rein wissenschaftlichen, wenn auch formal ebenfalls der Regierung der Humanen Welten und dem Space Army Corps unterstellten Besatzung der Vorgängerstation aufzudecken, die ihre Daten an die Führung der Genetiker-Föderation weitergegeben hatte, anstatt die eigene Regierung zu informieren.

Die Genetiker-Föderation hatte daraufhin sogar selbst Anspruch auf das Wurmloch erhoben und nur die massive Bedrohung durch den Angriff der Naarash hatte sie dazu bewegen können, diesen Anspruch vorerst aufzugeben und den außenpolitischen Bündnispflichten mit den Humanen Welten nachzukommen.

Wofür Professor Yasuhiro von Schlichten allerdings keinerlei Verständnis aufbringen konnte, war die Tatsache, dass man nicht ihn zum wissenschaftlichen Leiter der Station gemacht hatte, sondern Professor Metz, einen ebenso genialen wie arroganten Astrogeologen.

Alles, so fand von Schlichten, hätte in diesem Fall für mich gesprochen!

Von Schlichten war Chefentwickler von Far Galaxy, dem bedeutendsten Technologiekonzern der Humanen Welten. Er hatte sich jedoch eigens wegen der bevorstehenden Öffnung von Wurmloch Alpha von seinen Pflichten beurlauben lassen, um sich ganz der Erforschung dieses einzigartigen Phänomens zu widmen, von dem die Menschheit durchaus noch nicht wusste, ob es sich um eine natürliche Erscheinung oder ein – durch wen auch immer! – künstlich herbeigeführtes Ereignis handelte.

Wer mag da hinter den Kulissen die Fäden so gezogen haben, dass ich in letzter Sekunde aus dem Spiel geflogen bin?, ging es von Schlichten ärgerlich durch den Kopf. Er empfand es als tiefe Demütigung, dass man ihm einen Mann wie Metz vor die Nase gesetzt hatte.

Von Schlichten war aus tiefster Überzeugung der Ansicht, dass ihm dieser Rang zugestanden hätte. Aber andererseits war die Etablierung eines Wurmlochs ein derart seltenes Ereignis, dass es einfach nur töricht gewesen wäre, deswegen alles hinzuwerfen und die Mitarbeit an dem Projekt einzustellen.

Von Schlichten war klug genug, um zu wissen, dass er damit nur sich selbst geschadet und Metz einen Gefallen getan hätte.

Nein, ich bin nicht bereit, so einfach das Feld zu räumen, dachte er.

Wenn sich Wurmloch Alpha nach zehn Jahren von Neuem öffnete, dann wollte von Schlichten dabei sein.

Schon bei seinem ersten Erscheinen hatte den Wissenschaftler das Wurmloch fasziniert. Damals war Wurmloch Alpha jedoch sehr instabil gewesen und bereits nach anderthalb Jahren wieder verschwunden. Von Schlichten erinnerte sich noch gut an die allgemeine Euphorie die damals durch die gesamten Humanen Welten gebrandet war. Immerhin hatte das Wurmloch eine Passage in eine Trans-Alpha genannte Raumregion eröffnet, die über 50.000 Lichtjahre entfernt auf der gegenüberliegenden Seite des galaktischen Zentrums lag.

50000 Lichtjahre – wie lange mag es wohl noch dauern, bis wir ein reguläres Transportsystem besitzen, das in der Lage wäre, diese Distanz in einer auch nur annähernd akzeptablen Zeitspanne zu überbrücken, sinnierte von Schlichten. Diese Abkürzung durch die Raumzeit, die jedes Wurmloch im Grunde darstellt, ist eine einzigartige Chance für die Menschheit!

Bei der ersten Begegnung mit Wurmloch Alpha war die Menschheit nicht genug darauf vorbereitet gewesen und hatte einfach nicht gewusst, wie mit dieser Chance umzugehen war.

Der springende Punkt war wohl gewesen, dass man geglaubt hatte, eine Ewigkeit Zeit zu haben, um dieses Phänomen zu erforschen: Aber das war nicht der Fall gewesen. Das Wurmloch war wieder verschwunden. Die meisten der damals nach Trans-Alpha gezogenen Siedler waren rechtzeitig wieder zurückgekehrt. Nur eine Minderheit war seinerzeit im Sektor Trans-Alpha geblieben, um sich unabhängig von der Menschheit und völlig auf sich allein gestellt, eine neue Existenz aufzubauen.

Auch von ihnen werden wir jetzt wohl wieder etwas hören, überlegte von Schlichten. Vorausgesetzt, sie haben es geschafft ohne den Schutz der Humanen Welten in einer völlig unbekannten Region des Raums zu überleben, was bestimmt kein Zuckerschlecken gewesen ist.

Commander Riskoy McCann erschien in diesem Augenblick in der Zentrale von SACB 567. Beiläufig hatte Yasuhiro von Schlichten mitbekommen, wie Dr. Xandra Dominguez den militärischen Stationskommandanten über Interkom gerufen hatte. Das Gleiche galt für Professor Metz, der einen Moment später auftauchte.

»Jetzt geht es wohl los«, sagte Metz, der sich sofort einer der bereit stehenden Konsolen zuwandte, um sich die aktuellen Messdaten anzusehen.

Auf einem der Displays erschien eine schematische Darstellung. Sie zeigte die Positionen der Sonne Alpha Picus, der Station SACB 567 sowie jenen Punkt, an dem sich das Wurmloch öffnen würde.

»Ich möchte, dass eine Sandström-Sonde abgeschossen wird«, erklärte Metz. Er war kein Militär und daher war es für Männer wie Commander Riskoy McCann manchmal etwas verwirrend mit anzuhören, wie der wissenschaftliche Leiter von SACB 567 einen Befehl mit einer Formulierung wie »Ich möchte...« begann.

»Diese Sonden sind primär zu Verteidigungszwecken gedacht«, erklärte McCann kühl.

Vor kurzem erst hatte es eine Annäherung zwischen dem Reich der menschenähnlichen K'aradan und den Humanen Welten gegeben, die auch zu einem Austausch von Technologie führte.

Die K'aradan besaßen keinerlei Antigrav-Technik und waren sehr daran interessiert, in dieser Hinsicht mit den Humanen Welten ins Geschäft zu kommen. Umgekehrt gab es aber auch einiges, was die K'aradan zu bieten hatten. So zum Beispiel eine bislang geheime Technik, Sonden in den Sandström-Raum zu schießen, mit ihnen in stetem Kontakt zu bleiben und Messdaten aufzuzeichnen.

Die Möglichkeit eine Sonde auf 0,4 LG zu beschleunigen und dann in den Sandström-Raum zu schießen, hatte auch zuvor schon bestanden – nur waren die aufgezeichneten Werte völlig nutzlos gewesen. Sie glichen einem Chaos, das bislang nicht interpretierbar gewesen war. Die K'aradan besaßen in dieser Hinsicht mehr Erfahrung. Sie hatten Verfahren entwickelt, mit deren Hilfe, die aufgezeichneten Daten aus dem Zwischenraum so gefiltert werden konnten, dass aus ihnen wichtige Rückschlüsse gezogen werden konnten. Insbesondere war es mit Hilfe von Sandström-Sonden jetzt möglich, zu erkennen, ob sich ein Raumschiff in der Zwischenraumpassage einem bestimmten Punkt im All näherte, sowie wann und wo sich der genaue Austrittspunkt in das Einsteinuniversum befand.

Allerdings lagen diese Sonden derzeit nur in geringer Zahl vor. Und angesichts der Tatsache, dass durch die zu erwartende Öffnung der Wurmloch-Passage sich der Picus-Sektor zu einem der am meisten begehrten Raumsektoren mauserte, befand sich der Großteil der zurzeit zur Verfügung stehenden Sonden auf jenen Space Army Corps Schiffen, die hier in Dienst waren.

Waren diese Sonden einmal abgeschossen worden, konnte nicht vorhergesagt werden, wie lange der Kontakt zu ihnen aufrechterhalten werden konnte und man in der Lage war, Daten zu empfangen. Früher oder später gingen sie alle verloren.

McCann runzelte die Stirn. Sein Gesicht wirkte skeptisch.

»Wir sind gehalten, diese Sonden nur dann einzusetzen, wenn mit baldigen Angriffen zu rechnen ist.«

»Na und?«, fragte Metz. »Jüngsten Meldungen zu Folge sammeln sich doch im Grenzgebiet zum Nalhsara bereits Verbände der Fulirr, die jederzeit angreifen könnten.«

»Noch sind die Fulirr offiziell unsere Verbündeten«, gab McCann zu bedenken.

Metz machte eine wegwerfende Handbewegung. »Es pfeifen doch die Spatzen von den Dächern, dass dieses Bündnis vor dem Aus steht, seit die Fulirr den Humanen Welten ein Ultimatum gestellt haben, das darauf hinausläuft, ihnen die Kontrolle über Wurmloch Alpha zu überlassen!«

McCann hob die Augenbrauen. »Sie wollen eine Rechtfertigung für den Einsatz einer Sandström-Sonde zu Forschungszwecken«, erkannte der Commander endlich.

»Wir sind Zeuge eines wirklich außergewöhnlichen Ereignisses«, gab Metz zu bedenken.

»Im Übrigen dürfte es durchaus militärisch von unschätzbarem Vorteil sein, wenn wir über das Wurmloch genaueste Stabilitätsdaten erhalten«, mischte sich jetzt Yasuhiro von Schlichten ein.

Er hasste es, Metz in dieser Situation zur Seite springen zu müssen, aber andererseits war er in der Sache derselben Auffassung. Und alles, was mit Wurmloch Alpha zu tun hatte, war von Schlichtens Meinung nach einfach entschieden zu wichtig, als dass hier engstirnige militärische oder bürokratische Strukturen verhindern durften, dass das Notwendige getan wurde.

McCann blickte von Metz zu von Schlichten und nickte schließlich. »Ich nehme das auf meine Kappe.«

Ein wabernder Kreis aus bläulichem flirrendem Licht erschien in der Schwärze des Alls.

Von Schlichten blickte auf seine Anzeigen. Das kleine Wetterleuchten eines sich konstituierenden Wurmlochs – aber ein großer Augenblick für jeden forschenden Geist!

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ERDORBIT, SPACEDOCK 13, Konferenzraum C3

Raphael Wong, seines Zeichens Erster Offizier des Leichten Kreuzers STERNENKRIEGER, nahm Haltung an.

»Hiermit befördere ich Sie im Namen des Humanen Rates zum Commander des Space Army Corps«, sagte Admiral Norman Fabri, der Personalchef der Raumstreitkräfte.

Wong salutierte.

Anschließend händigte der Admiral dem frisch gebackenen Commander die Ernennungsurkunde aus und befestigte mit Unterstützung von Commodore Tim Bray Jackson die neuen Schulterstücke an Wongs Uniform.

»Als Ihr neuer direkter Dienstvorgesetzter gratuliere ich Ihnen, Commander Wong«, sagte Commodore Jackson. »Ich habe Ihren Weg seit langem verfolgt und wenn einer es verdient hat, dann Sie.«

»Danke, Sir«, sagte Wong.

Seinem ansonsten eher unbewegten asiatisch wirkenden Gesicht, das die chinesischen Vorfahren kaum verleugnen konnte, war anzusehen, dass ihn dieser Moment stark bewegte.

Selbst ein so kühler Karrieresoldat wie Wong kann also Gefühle zeigen, ging es Rena Sunfrost durch den Kopf. Die Kommandantin der STERNENKRIEGER war ebenso bei dieser Zeremonie anwesend wie ihr Ortungsoffizier Lieutenant David Kronstein.

»Rühren«, sagte Admiral Norman Fabri und erlöste damit alle Beteiligten aus den engen Fesseln militärischer Umgangsformen. Er wandte sich noch einmal an den frisch gebackenen Commander und erklärte: »Normalerweise hätten sie jetzt ein paar Tage Zeit, um sich in Ihre neue Aufgabe einzuarbeiten. Aber auf Grund der äußerst angespannten außenpolitischen Lage, in der sich die Humanen Welten derzeit befinden, müssen Sie leider ins kalte Wasser springen, Commander Wong. Sie werden noch heute Ihr Kommando auf dem Leichten Kreuzer NEPTUN antreten und zu Ihrer ersten Mission aufbrechen.«

»Ich könnte mir vorstellen, dass dies die schnellste Methode ist, um sich einzuarbeiten«, entgegnete Wong.

Fabri hob die Augenbrauen. »Wenn Sie das so sehen, Commander – um so besser!«

»Im übrigen haben Sie mit Lieutenant Commander Brian Mayer einen sehr erfahrenen Ersten Offizier, der Ihnen Ihre Aufgabe sicherlich sehr erleichtern wird«, ergänzte Commodore Jackson.

»Davon bin ich überzeugt.« Wong nickte.

Jackson überreichte ihm einen Datenträger und fügte hinzu: »Hier sind die codierten Files Ihrer Mission, Commander. Eigentlich ist das nicht die Art und Weise, in der ich einen frisch gebackenen Raumkapitän für seine erste Mission briefe, aber die Umstände erfordern schnelles Handeln.«

»Natürlich.«

»Sie brechen umgehend mit der NEPTUN nach Sedna auf. Botschafter Aljanov hält vor der dortigen Akademie einen Festvortrag. Sie werden den Botschafter an Bord nehmen und zu einer diplomatischen Mission ins Ontiden-Reich aufbrechen.«

Sedna – dieser nach einer indischen Göttin benannte und für kurze Zeit als zehnter Planet des Sonnensystems geltende fast merkurgroße Gesteinsbrocken am Rande des Jupitergürtels –

beherbergte eine vom Far Galaxy Konzern finanzierte Akademie. Der Asteroid war vollkommen ausgehöhlt worden und die dortige Akademie erfreute sich immer größere Beliebtheit bei aufstrebenden Wissenschaftlern.

»Haben Sie eine Ahnung, weshalb man jemanden wie Aljanov auf Sedna Festreden halten lässt?«, raunte Kronstein seinem Captain zu. »Mit Wissenschaft und Forschung hat der Mann doch so viel zu tun wie ein toter Hund mit dem Beißen.«

Rena zuckte leicht die Achseln. »Seit seinen unbestrittenen diplomatischen Erfolgen bei der Beendigung des Qriid-Krieges wird Botschafter Aljanov doch zu allem Möglichen eingeladen.«

Admiral Fabri bat jetzt alle Anwesenden an den Konferenztisch – insgesamt etwa ein Dutzend Space Army Corps Offiziere, die den Besatzungen von sechs Schiffen entstammten.

Es ging um die Erläuterung der Lage im Alpha Picus Sektor. Eine Pseudo-Drei-D-Darstellung auf der Tischfläche wurde aktiviert. Deutlich waren die Grenzen zwischen dem Reich der insektenartigen Ontiden, dem Nalhsara der Fulirr und den Humanen Welten zu sehen, die hier aufeinander trafen.

»Sie alle werden für die nächste Zeit wieder dem Kommando von Commodore Soldo unterstellt sein, der die Space Army Corps Einheiten im Picus-Sektor befehligt«, erklärte Jackson. »Für manche von Ihnen, die nur zwischenzeitlich mit anderen Aufgaben betraut waren oder Ihre Schiffe zur Reparatur auf den Spacedocks hatten, ist das ja nichts Neues. Grob gesagt entwickelt sich der Picus-Sektor erwartungsgemäß zu dem Krisenherd, den wir befürchtet haben.«

Schon der Angriff der eigentlich mehr an Handel als an kriegerischer Konfrontation interessierten Naarash hatte deutlich gemacht, welche Begehrlichkeiten das Entstehen einer Wurmlochpassage auslöste.

Wurmloch Alpha hatte bereits jetzt für eine völlige Neuorientierung der solaren Außenpolitik gesorgt.

Hatte die Menschheit zuvor die sauroiden Fulirr im Kampf gegen die K'aradan unterstützt, so schienen die Verbündeten von früher plötzlich zu Feinden zu werden, während umgekehrt die Annäherung zu den K'aradan als gelungen bezeichnet werden konnte.

»Die Fulirr sammeln im Grenzbereich ihre Flotteneinheiten«, erläuterte Jackson. »Wenn wir Glück haben, dann warten sie noch das Ende des Ultimatums ab, das sie dem Humanen Rat gestellt haben und versuchen erst danach die Kontrolle über das Wurmloch gewaltsam zu erringen.«

»Das heißt, Sie gehen davon aus, dass die Konfrontation unvermeidlich ist«, stellte Rena Sunfrost fest.

Jackson nickte entschieden. »Alle maßgeblichen Stellen gehen von dieser Voraussetzung aus«, stimmte er zu. »Der Geheimdienst ebenso wie die Taktikstäbe unseres Oberkommandos und führende Analytiker unserer auswärtigen Beziehungen äußern sich dazu in seltener Einmütigkeit. Es ist nur eine Frage der Zeit.«

»Was ist mit den Ontiden?«, erkundigte sich jetzt Commander Wong. »Können wir uns sicher sein, dass sie ihren Bündnisverpflichtungen uns gegenüber nachkommen? Schließlich standen wir ihnen auch bei der Vertreibung der Naarash aus dem System von Lerols Auge bei!«

Jackson verzog das Gesicht. »Genau das ist der Punkt, den Sie klären sollen, Commander!«, wandte sich der Commodore an den neuen Kommandanten des Leichten Kreuzers NEPTUN. »Zurzeit stellen sich die Ontiden diplomatisch tot. Das kann unterschiedliche Ursachen haben. Möglicherweise bereiten sie einen Seitenwechsel vor, weil ihnen die Fulirr irgendetwas versprochen haben, was für sie sehr wesentlich ist. Allerdings gibt es auch die Hypothese, dass sie einfach nur in Furcht vor den übermächtigen Sauroiden in die Knie gehen – falls diese Metapher bei einem sechsbeinigen Rieseninsekt überhaupt irgendetwas aussagt!«

Die Unterredung war schnell beendet, nachdem jeder der Kommandanten – mit Ausnahme von Wong – einen ganz bestimmten Austrittspunkt zur Rückkehr aus dem Sandström-Raum zugewiesen bekommen hatte.

»Diese Punkte sind auf Grund taktischer Erwägungen ausgesucht worden«, erläuterte Jackson. »Sinn der Sache ist einfach, Ihre Einheiten im Raum um Alpha Picus optimal zu verteilen.

Ansonsten werden Sie Routinepatrouillen durchführen, bis es ernst wird.«

Angesichts der verheerenden Wirkung der Antimateriewaffen, die die Fulirr benutzten, konnte man auf Seiten der Humanen Welten eigentlich nur darauf hoffen, dass es dazu nie kam. Die Defensivbewaffnung der Space Army Corps Schiffe war nämlich gegen die Waffen der Sauroiden so gut wie wirkungslos. Die Plasma-Schirme waren gegen die Trasergeschütze der vogelähnlichen Qriid sehr wichtig gewesen. Aber gegen die Waffensysteme der bisherigen Verbündeten konnten diese Schutzschirme nichts ausrichten.

Am Schluss des Briefings bekam jeder der Kommandanten einen Datenträger mit den neuesten Instruktionen sowie zusätzlichen Begleitdaten.

Alle außer Sunfrost und Kronstein durften wegtreten.

Wong drehte sich an der Tür noch einmal kurz um. Sein Blick traf sich mit dem seiner ehemaligen Kommandantin.

Rena Sunfrost lächelte. Bedauerlich, dass ich ihn verliere...

Aber persönlich gönnte sie ihm den Erfolg und hoffte, vor Aufbruch in den Picus-Sektor noch die Gelegenheit zu bekommen, ihm unter vier Augen zu gratulieren.

Unter einem glücklichen Stern hatte ihre Zusammenarbeit nun wahrlich nicht begonnen. Wong war als der Mann mit der Überflug-Karriere im Space Army Corps bekannt. Er hatte jeden seiner Karriereschritte mit beeindruckender Zielstrebigkeit und Schnelligkeit hinter sich gebracht. Als ihm dann die erfahrenere Rena Sunfrost als Kommandantin vor die Nase gesetzt worden war, hatte er das zunächst nur schwer akzeptieren können. Später war jedoch das Misstrauen einer Freundschaft gewichen.

Nun geht dein Traum in Erfüllung, Raphael, ging es Rena durch den Kopf. Wahrscheinlich bist du bereits Admiral, während ich immer noch das Kommando auf irgendeinem kleineren Raumer führe!

Wenig später waren abgesehen von Admiral Fabri und Commodore Jackson nur noch Sunfrost und Kronstein anwesend.

Jackson wandte sich zunächst an Sunfrost.

»Es tut mir Leid, dass wir Ihnen nicht sofort einen Ersatz für den Verlust Ihres Ersten Offiziers stellen können, Commander«, begann Jackson etwas gedehnt. »Seien Sie versichert, dass der STERNENKRIEGER in Kürze jemand zugewiesen wird. Bis dahin wird Lieutenant Kronstein diese Funktion kommissarisch erfüllen.«

»Ja, Sir«, bestätigte Sunfrost.

Jacksons Blick blieb einen kurzen Moment an der nun 32-jährigen Kommandantin der STERNENKRIEGER haften, ehe er sich Kronstein zuwandte und ihn dabei förmlich zu durchbohren schien. »Oder werden Sie auch diesmal vor der Verantwortung kneifen und mich bitten, diese dienstliche Anordnung zurückzunehmen und einen der anderen Bordoffiziere der STERNENKRIEGER damit zu beauftragen?«

Kronstein schluckte. Er wirkte fast Hilfe suchend. Worauf sein Gegenüber angespielt hatte, lag für alle Anwesenden sofort auf der Hand. Als Lieutenant, dessen Leistungsberichte vor Superlativen nur so strotzten, war er gut qualifiziert, um an Bord eines kleineren Space Army Corps Schiffs die Funktion eines Ersten Offiziers einzunehmen. Voraussetzung dazu war eine Beförderung zum Lieutenant Commander, für die aber auch die allerbesten Chancen bestanden.

Vor kurzem hatte Kronstein sich für die Stelle des Ersten Offiziers an Bord des Leichten Kreuzers ALHAMBRA beworben, diese Bewerbung aber wieder zurückgezogen, als er erfahren hatte, dass die ebenfalls vakante Position des Captains mit einem gewissen Thô Melrose besetzt werden sollte – einem gerade zum Commander beförderten Offizier, mit dem Kronstein irgendwelche persönlichen Differenzen aus alten Tagen an der Space Army Corps Akademie hatte.

»Ich werde meine Pflicht tun«, erklärte Kronstein fast tonlos.

»Ich weiß nicht, was der Begriff Verantwortung für Sie bedeutet, Lieutenant«, sagte Jackson jetzt gedehnt und lehnte sich dabei zurück. Auf seiner Stirn hatte sich dabei eine tiefe Furche gebildet. »Aber ich erwartete eigentlich von einem Offizier, dass er grundsätzlich die Bereitschaft dazu mitbringt, Verantwortung zu tragen und vor allem, in jedweder Form zur Kooperation bereit zu sein! Und zwar mit allen, die den Eid des Space Army Corps geschworen haben! Aber Sie...«

»Sir, Sie spielen auf die ALHAMBRA-Sache an...«

»Die ALHAMBRA-Sache war ein schrecklicher Irrtum Ihrerseits, Lieutenant! Und wenn Sie das nicht begreifen, dann werden Sie wahrscheinlich bis zu Ihrem Ausscheiden aus dem Space Army Corps Lieutenant bleiben. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das wirklich wollen!«

»Nein, Sir! Natürlich nicht.«

»Ich gebe Ihnen gerade einen freundschaftlichen Rat, sonst hätte ich selbstverständlich unter vier Augen mit Ihnen gesprochen, nicht vor ihrem Captain. Aber sie sollen dennoch wissen, dass ich enttäuscht von Ihnen bin! Wegen persönlicher Differenzen die Chance davonziehen zu lassen, eine Führungsposition an Bord eines Raumschiffs zu bekommen, dafür fehlt mir jedes Verständnis. Tut mir Leid, gerade von Ihnen hätte ich das nie gedacht, und Sie sollten froh sein, wenn Ihnen überhaupt noch mal jemand eine derartige Position anbietet.« Jackson atmete tief durch. Diese Angelegenheit schien ihn persönlich zutiefst aufzuwühlen. »Wegtreten, Lieutenant.«

»Ja, Sir!« Kronstein verließ den Raum.

Nachdem sich die Schiebetür hinter ihm geschlossen hatte, wandte sich Rena an Jackson.

»Sie meinen, dass ich zu hart war«, sagte der Commodore, bevor sie den Mund öffnen konnte.

»Nun, Sir...«

»Commander, ich möchte, dass der Lieutenant begreift, dass er sich entscheiden muss. Wenn es einen Offizier des Space Army Corps nicht danach drängt, Verantwortung zu übernehmen, ist er in dieser Organisation einfach fehl am Platz und sollte besser im Shuttle-Linienflug zwischen Erde und Mars anheuern!«

Etwas versöhnlicher fuhr der Commodore schließlich fort: »Ich hoffe, der Lieutenant hat seine Lektion gelernt.«

»Das hoffe ich auch.«

Rena blickte kurz zu Admiral Fabri, der die ganze Zeit über geschwiegen und damit sein Einverständnis gegenüber Commodore Jacksons Vorgehensweise signalisiert hatte.

»Sie dürfen wegtreten«, sagte Jackson.

Kurz bevor sie die Tür erreicht hatte, hielt sie die Stimme des Commodores noch einmal zurück. Aus irgendeinem Grund schien Jackson das Bedürfnis zu haben, ihr etwas zu erklären.

Sein Tonfall war jedenfalls ein anderer, das registrierte Rena im ersten Augenblick schon. »Commander?«

»Ja, Sir?«

»Vor einigen Jahren habe ich mich aus vergleichbaren Gründen in eine ähnlich ausweglose Karrieresackgasse begeben wie der Lieutenant. Glauben Sie mir, ich verstehe ihn besser, als er ahnt.«

»Davon bin ich überzeugt.«

»Aber wenn ich damals nicht mehr oder minder durch die blinde Macht des Zufalls in eine Situation gestellt worden wäre, in der ich mich bewähren musste, hätte man mich nie wieder befördert oder mir einen anspruchsvolleren Posten angeboten.«

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»SIE HABEN KAUM GESCHLAFEN, Professor«, hörte Yasuhiro von Schlichten die Stimme von Xandra Dominguez in seinem Rücken.

Tatsächlich hatte der Chefentwickler von Far Galaxy in den letzten Erdstandard-Schlafperioden

überhaupt nicht geschlafen. Bis auf kleinere, unvermeidliche Pausen hatte sich der hager und hohlwangig wirkende Wissenschaftler nicht von seiner Konsole in der Stationszentrale vertreiben lassen.

Schließlich wollte er keinen Augenblick dieses denkwürdigen Vorgangs verpassen, dessen Zeuge sie gerade wurden. Die Lichterscheinungen waren inzwischen sehr viel deutlicher zu erkennen. Immer, wenn diese mit fünfdimensionaler Energie gespeisten blitzartigen Erscheinungen aus dem scheinbaren Nichts herauszuckten, wurden sofort Dutzende von Sensoren und Kameras aktiviert, um das Geschehen festzuhalten. Ein Schlund, dessen schlauchartiger Fortsatz auf eine Weise leuchtete, die an Fluoreszenz erinnerte, öffnete sich.

»Die Werte sind gut!«, murmelte von Schlichten.

Xandra Dominguez stellte sich inzwischen die Frage, ob es wirklich irgendeinen Sinn hatte, gegen von Schlichtens Besessenheit anreden zu wollen. Er war nun einmal so, wie er war.

»Da kommt irgendetwas aus dem Wurmloch heraus«, stellte er fest.

»Das sollte in dem Stadium eigentlich unmöglich sein, oder?«, meinte Xandra.

»Es geschieht aber. Sehen Sie, unsere Ortungsanzeigen!«

Xandra Dominguez trat nahe an ihn heran, aber er schien über die sachliche Beziehung hinaus wenig Interesse an ihr zu haben. Für ihn war es einzig und allein wichtig, seine Studien fortführen zu können.

»Es handelt sich um verschiedene Objekte unterschiedlicher Größe«, charakterisierte von Schlichten schließlich das, was aus dem Wurmloch förmlich herausgeschleudert worden war.

»Allerdings wurden diese Objekte einer starken fünfdimensionalen Strahlung ausgesetzt und dadurch chemisch verändert!«

»Wir müssen Metz verständigen«, sagte Xandra Dominguez.

»Ja... Und vor allem sollten wir mit einem Shuttle näher an diese Dinger heran, um sie untersuchen zu können.«

»Vielleicht sollte ich die Sache Metz zur Entscheidung vorlegen«, meinte Xandra. Sie zuckte die Achseln und fuhr fort: »Ich meine, angesichts Ihrer gegenseitigen Abneigung...«

Von Schlichten verzog das Gesicht. »Metz wird es mir nicht verweigern, mit dem Shuttle nach Punkt Alpha zu fliegen.«

»So, wie ich ihn kenne, würde er das liebend gern selbst tun«, gab Xandra Dominguez zu bedenken.

Von Schlichten nickte. »Ja, aber er weiß genau, dass er als Stationsleiter jetzt hier unabkömmlich ist!« Er grinste plötzlich gehässig.

Xandra hob die Augenbrauen. »Es war nur ein freundliches Angebot meinerseits. Wenn Sie meinen, Metz überzeugen zu können... Bitte!«

»Keine Sorge!«, versicherte von Schlichten.

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UNGEFÄHR EINE WOCHE brauchten die sechs Leichten Kreuzer, um die gut fünfzig Lichtjahre von der Erde entfernten jeweiligen Zielkoordinaten innerhalb des Alpha-Picus-Systems zu erreichen.

Der Austritt aus dem Sandström-Raum erfolgte problemlos.

Mit einer Geschwindigkeit von 0,39 LG wurde die STERNENKRIEGER in das Einsteinuniversum

zurückgeschleudert.

Dieser Austrittsschwung war stark genug, um das Schiff innerhalb weniger Stunden an der Sonne Alpha Picus und der sie umkreisenden Space Army Corps Base 567 vorbeischnellen zu lassen.

Es wurde daher umgehend ein Bremsmanöver eingeleitet.

Acht Stunden und fünfzehn Minuten dauerte es nach den Berechnungen des Bordcomputers, bis der Leichte Kreuzer seine Geschwindigkeit so weit gedrosselt haben würde, dass beispielsweise ein Rendezvous mit der Station überhaupt möglich wurde.

Aber die Station war momentan gar nicht das Ziel der STERNENKRIEGER.

»Ausgangskoordinaten für Routinepatrouille im Alpha-Picus-System erreicht«, meldete Lieutenant John Taranos, der Rudergänger der STERNENKRIEGER.

David Kronstein hatte die Konsole des Ersten Offiziers übernommen und sich inzwischen auch in dieser Funktion erstaunlich gut eingearbeitet. An den Kontrollen der Ortungssysteme wurde Kronstein von Fähnrich Wiley Riggs vertreten. Die neue und sehr viel leistungsfähigere Ortungsanlage der STERNENKRIEGER machte es notwendig, dass ein Offizier sich ganz der Auswertung dieser Daten widmete, sodass es seit kurzem einen eigenen Kommunikationsoffizier an Bord gab und dieser Bereich nicht mehr vom Ortungsoffizier mit erledigt werden musste.

Funkoffizierin an Bord der STERNENKRIEGER war Lieutenant Susan Jamalkerim, die vor kurzem erst befördert worden war.

Rena Sunfrost, die in ihrem Kommandantensessel Platz genommen und die Beine übereinander geschlagen hatte, war froh, dass die begabte Offizierin auf diese Weise auch in ihrem neuen Rang an Bord der STERNENKRIEGER hatte bleiben können.

Ansonsten befand sich noch Waffenoffizier Robert Ukasi auf der relativ engen Brücke. Die zusätzliche Konsole des Funkers hatte die Enge noch verschärft.

Während der Woche, die die STERNENKRIEGER im Sandström-Flug verbracht hatte, hatte sich die Lage rund um das Wurmloch zugespitzt. Das Gravierendste waren die zunehmenden Truppenkonzentrationen der Fulirr in der Grenzregion.

Drei irdische Standardtage noch, dann lief das Ultimatum der Fulirr ab. Die Sauroiden hatten den Menschen einen relativ großzügig bemessenen Zeitraum zur Entscheidung gelassen, um nicht nur dem Humanen Rat, sondern auch der Bevölkerung die Gelegenheit zu geben, darüber einen Diskurs zu führen. So zumindest war es bei den ausgesprochen basisdemokratisch orientierten Fulirr üblich, die so gut wie sämtliche Entscheidungen ihres Nalhsaras durch direkte Abstimmung der gesamten Bevölkerung trafen. Alle Formen von repräsentativer Demokratie sahen sie lediglich als eine Art Vorstufe wahrer Volksherrschaft an. Dementsprechend wenig Ansehen genoss bei ihnen daher auch das politische System der Humanen Welten.

»Ma'am, wir bekommen eine Nachricht von der LIBERTY«, meldete Lieutenant Jamalkerim. »Es ist Commodore Soldo.«

»Auf den Schirm damit!«, forderte Rena. Augenblicke später erschien das weißblonde, bärtige und ziemlich breite Gesicht des Commodores auf dem Hautschirm der STERNENKRIEGER.

Rena Sunfrost grüßte den Kommandanten der Star-Corps-Verbände dieses Raumabschnitts pflichtschuldig.

Thorbjörn Soldo lächelte.

Susan Jamalkerim drehte sich in ihrem Sitz herum und meinte: »Es handelt sich um eine Transmission im Konferenzmodus, Captain. Sie sind an die Kommandanten aller sechs Leichten Kreuzer gerichtet, die innerhalb der letzten halben Stunde aus dem Sandström-Raum zurückgekehrt sind.«

»Dann wäre es schön, wenn ich die anderen Teilnehmer der Konferenz auch sehen könnte, Lieutenant«, sagte Sunfrost ruhig.

»Ich bitte um Verzeihung, Captain!« Jamalkerim war dieser Anfängerfehler merklich peinlich.

Eine Sekunde später erschienen die Gesichter der anderen Kommandanten in kleinen Nebenfenstern auf dem Hauptschirm: Commander Thô Melrose von der ALHAMBRA, Commander Rick Diberti von der UNIVERSE, Commander Donald Al-Azred von der FREEDOM, Commander Abdul Rajiv von der TAJ MAHAL sowie die Kommandanten Astley Chong und Ngojo Mbenda von den Schwesterschiffen WEGA FIGHTER I und II.

Manche dieser Männer kannte Rena von Fortbildungen oder Lehrgängen her. Mit Thô Melrose hatte sie einst zusammen im Stab von Admiral Müller angefangen. Sie konnte daher die Abneigung ihres kommissarischen Ersten Offiziers David Kronstein durchaus verstehen, denn Melrose hatte eine Vorliebe dafür, Menschen in seiner Umgebung subtil zu erniedrigen.

Zumindest war das seinerzeit im Stab von Admiral Müller der Fall gewesen, weswegen Rena ihm stets nach Kräften aus dem Weg gegangen war. Und nach allem, was man so über ihn hörte, hatte er sich in der Zwischenzeit nicht geändert. Einer der seltenen Fälle, bei dem sämtliche psychologischen Eingangs- und Zulassungstests zur Erlangung von Führungspositionen im Space Army Corps offenbar gründlich versagt hatten.

Aber Renas Gedanken beschäftigten sich im Augenblick mit etwas ganz anderem.

Da sie zunächst angenommen hatte, dass Commodore Soldo eine Einzeltransmission an die STERNENKRIEGER und ihre Kommandantin richtete, hatte sie sich dementsprechend verhalten und den Commodore entsprechend begrüßt. Erst nachdem Jamalkerim ihren Fehler korrigiert hatte, war dem Captain klar geworden, dass diese – für eine Konferenztransmission völlig unangebrachte Begrüßung – jetzt von allen ihren Kommandantenkollegen gesehen worden war.

Einige von ihnen machten bemerkenswert neutrale Gesichter.

Commander Melrose gehörte nicht dazu. Er konnte sich ein Grinsen kaum verkneifen.

Na typisch!, dachte Rena ärgerlich und fühlte, wie Wut in ihr aufkeimte. Wenn andere sich lächerlich machen, ist das für dich wohl ein innerer Siegeszug, was? Das liegt wohl daran, dass deine Seele nur aus einem einzigen großen Minderwertigkeitskomplex besteht!

Thorbjörn Soldo ließ sich hingegen nichts anmerken.

Er skizzierte die sich immer weiter zuspitzende Lage im nur wenige Lichtjahre entfernten Grenzgebiet zum Nalhsara, dem Gebiet der Fulirr.

»Insofern bin ich sehr froh, dass ich sämtliche Schiffe, die bisher im Gebiet um das Alpha-Picus-System im Einsatz waren, jetzt abziehen und meinem Verband als Verstärkung zuordnen kann, zumal es sich dabei auch um ein paar größere Schiffe handelt. Ihrer aller Aufgabe besteht nun darin, diesen Sektor und den unmittelbaren Entstehungsort von Wurmloch Alpha systematisch mit Patrouillenflügen zu durchziehen und ansonsten dem Wissenschaftlerteam um Professor Metz zur Seite zu stehen, das auf Space Army Corps Base 567 stationiert ist. Commander Rajiv?«

»Ja, Sir?«, meldete sich der Captain des Leichten Kreuzers TAJ MAHAL.

»Sie sind der dienstälteste Kommandant dieses Verbandes. Daher werden Sie die Koordination der einzelnen Patrouillenrouten übernehmen.«

»Aye, Sir!«, bestätigte Commander Abdul Rajiv, ein Mann mit dunklem Teint, von dem sich seine grauweißen, kurz geschorenen Haare sehr deutlich abhoben.

»Was den Einsatz der neuen Sandström-Sonden angeht, die uns seit kurzem zur Verfügung stehen, so ist ihre Zahl noch sehr begrenzt und daher setzen wir sie nur sehr sparsam ein.

Die einzigen Sandström-Sonden in ihrem Operationsgebiet befinden sich auf Space Army Corps Base 567. Darüber hinaus haben wir auf verschiedenen, an strategisch sensiblen Punkten positionierten Schiffen genug dieser Sonden, um einen Angriff der Fulirr rechtzeitig zu bemerken.«

»Das bedeutet, wir werden nicht auf ähnliche Weise überrascht werden wie beim Angriff der Naarash«, äußerte sich Sunfrost.

»Vollkommen korrekt, Commander. Diese neuen Sonden erhöhen unsere Abwehrmöglichkeiten etwas – ein operativ-taktisch kluges Verhalten vorausgesetzt. Entsprechende Strategie-Daten übersende ich mit dem Datenstrom dieser Nachricht. Alle Kommandanten sind aufgefordert, das Material genauestens durchzuarbeiten und mich auf eventuelle Fehler hinzuweisen. Es könnte sein, dass Ihr eigenes Überleben davon abhängt.«

Rena hatte von den neuen Sandström-Sonden schon gehört, die von den K'aradan geliefert wurden. Und das, obwohl ein offizieller Kooperationsvertrag erst noch unter Dach und Fach gebracht werden musste. Offenbar waren aber beide Seiten sehr stark an dieser Kooperation interessiert. Der einzige Grund, der im Augenblick dagegen sprach, diesen Vertrag formell einzugehen und damit an die Öffentlichkeit zu treten, war das Ultimatum der Fulirr.

Noch war man schließlich offiziell mit den Sauroiden verbündet, auch wenn das seit der Kontroverse um die Kontrolle des Wurmlochs nur noch in einem Datenfile stand, aber keine Substanz mehr hatte.

Doch wenn man zu diesem Zeitpunkt einen offiziellen Vertrag mit den K'aradan geschlossen hätte, wäre das Ultimatum der Sauroiden sofort beendet gewesen und wahrscheinlich im Handumdrehen der Krieg um Wurmloch Alpha ausgebrochen.

Das aber konnte nicht im Sinne der Menschheit sein. In ihrem Interesse lag es vielmehr, so viel Zeit wie möglich zu gewinnen, um die eigenen Verteidigungspositionen zu stärken.

Denn die Fulirr waren zwar von geringer Zahl und nur in der Lage eine verhältnismäßig kleine Raumflotte zu bemannen – aber ihre waffentechnische Überlegenheit war unbestreitbar.

Die K'aradan konnten ein Lied davon singen.

»Zum Schluss möchte ich Ihnen noch eine dienstliche Anweisung für den Fall geben, dass erneut Schiffe der Genetiker-Föderation im Alpha-Picus-System auftauchen, was nach Lage der Dinge niemand ausschließen kann«, erklärte Soldo schließlich. »Nach jüngster Direktive des Humanen Rates haben wir die Genetics als Verbündete zu betrachten. Aber wir sollten sie mit äußerster Wachsamkeit betrachten. Davon abgesehen werden wir ihren Beistand gegen die Fulirr dringend brauchen. Trotz der Sandström-Sonden!«

»Ich traue den Genetics ohne Weiteres zu, sich mit den Echsenköpfen zusammenzutun!«, sagte Commander Thô Melrose.

Commodore Soldo runzelte die Stirn. »Ich hoffe, dass Sie etwas mehr diplomatischen Takt erkennen lassen, sobald es tatsächlich zu einer Begegnung mit unseren Genetic-Verbündeten kommen sollte.« Seine Stimme klirrte wie Eis dabei. »Im Übrigen danke ich Ihnen allen und wünsche Ihnen viel Glück«, beendete er im nächsten Moment in einem völlig veränderten Tonfall die Konferenz.

Die Bildschirme zeigten nun wieder jene Region, in der das Wurmloch gerade dabei war, sich zu etablieren. Am Rande des Gasnebels, der Alpha Picus anstelle eines Planeten umkreiste, waren blitzartige Lichterscheinungen zu sehen. Das Wurmloch öffnete sich.

»In einer Entfernung von 0,23 astronomischen Einheiten befindet sich ein unterlichtschnelles Shuttle vom Typ der L-Fähren, wie sie auch auf der STERNENKRIEGER verwendet werden«, meldete Fähnrich Wiley Riggs, der das neue Ortungssystem bediente. Nicht immer zur Zufriedenheit von Lieutenant Kronstein, der sich des Öfteren die Orter-Daten auf die Konsole des Ersten Offiziers holte, um zu überprüfen, was sein Ersatzmann tat.

Da dieser Systemzugriff auf der Konsole des Ortungsoffiziers angezeigt wurde, trug dies natürlich nicht gerade zur Selbstsicherheit des jungen Fähnrichs bei.

Kronstein wiederum war anzumerken, dass er sich viel lieber an seinem angestammten Platz befunden hätte, als die Pflichten eines Ersten Offiziers zu übernehmen.

Für beide ist es keine einfache Situation, war es Rena Sunfrost durchaus klar. Aber wenn es gut geht, gehen vielleicht beide stärker daraus hervor, als sie zu Beginn waren...

»Gibt es ein Identifizierungssignal?«, fragte Kronstein unterdessen an Lieutenant Jamalkerim gewandt.

»Ja. Aber es ist verschlüsselt und richtet sich an die Station SACB 567.«

»Kein Space Army Corps Code?«, vergewisserte sich Sunfrost stirnrunzelnd.

»Wie soll ich mich da ausdrücken?«, meinte Jamalkerim. »Ich würde es eine Abwandlung nennen. Offensichtlich will die Besatzung der Fähre sicher sein, dass die Daten nur an die Station gelangen.«

»Senden Sie eine Grußfrequenz mit der Bitte, sich zu identifizieren«, sagte Sunfrost. »Wir müssen uns sicher sein, womit oder wem wir es da zu tun haben, und da wir uns nach Lage der Dinge wohl am nächsten zur gegenwärtigen Position dieser Fähre befinden, ist das unser Job!«

»Ja, Ma'am!«, bestätigte Lieutenant Jamalkerim. Ihre schlanken Finger glitten über einen der Touchscreens ihres Terminals.

Displays bauten sich auf, teilen sich auf der Sensoroberfläche der Konsole und Kolonnen von Daten erschienen. »Wir bekommen jetzt eine Transmission, Captain. Professor von Schlichten möchte Sie sprechen.«

Rena Sunfrost seufzte.

Na, wer sagt es denn! Man trifft immer wieder auf alte Bekannte!, ging es ihr dabei durch den Kopf.

»Es dürfte von Schlichten ziemlich gekränkt haben, dass man die wissenschaftliche Leitung von Space Army Corps Base 567 nicht ihm, sondern Professor Metz überlassen hat«, kommentierte Kronstein.

»Wissen Sie Näheres darüber, David?«, erkundigte sich Sunfrost.

Kronstein hob leicht die Schultern. »Nur das, was man sich so erzählt.«

»Und was erzählt man sich so?«

»Dass von ganz oben Einfluss dahingehend ausgeübt wurde, niemanden aus dem Dunstkreis des Far Galaxy Konzerns mit der Leitung der Station zu betrauen.«

Das ergab einen gewissen Sinn. Offenbar befürchtete man im Humanen Rat, dass jemand, der dem Far Galaxy Konzern zu nahe stand, vielleicht in die Versuchung kam, Daten zuerst seinen Konzernherren und danach erst dem Humanen Rat zur Verfügung zu stellen. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Besatzung der Vorgängerstation von den Genetics gekauft worden war und man auf Genet dadurch früher über die bevorstehende Re-Etablierung des Wurmlochs bescheid gewusst hatte als auf der Erde, war man nun wohl besonders misstrauisch.

Und das selbst gegenüber einem Mann, der diesen Skandal durch seine Hartnäckigkeit überhaupt erst aufgeklärt hat!, erinnerte sich Rena. Sie atmete tief durch. Gleichzeitig meldete sich eine ziemlich sarkastische Gedankenstimme in ihrem Hinterkopf. Du wirst doch jetzt nicht etwa mit einem Stinkstiefel wie von Schlichten auch noch Mitleid haben, wenn er mal nicht das bekommt, was er will!

»Schalten Sie den Kanal frei«, befahl Sunfrost.

Wenig später erschien das Gesicht Yasuhiro von Schlichtens auf dem Hauptschirm in der Zentrale der STERNENKRIEGER.

»Es freut mich außerordentlich, Sie wiederzusehen, Captain Sunfrost«, sagte der Wissenschaftler.

»Das Vergnügen ist ganz meinerseits. Darf ich fragen, was Sie so nahe an Punkt Alpha machen?«

Von Schlichten lächelte verhalten. »Es handelt sich um eine vom wissenschaftlichen Leiter der Station SACB 567 genehmigte Forschungsmission – falls Sie daran gezweifelt haben sollten.«

Er erwähnt nicht einmal Metzs Namen!, überlegte Rena. Es muss ihn schrecklich wurmen, auf SACB 567 nur die zweite Geige zu spielen!

»Daran habe ich nicht gezweifelt, Professor«, versicherte Rena.

»Wie Sie mit Ihren Ortungssystemen sicher festgestellt haben, sind bereits mehrere Gesteinsbrocken aus dem Wurmloch herausgeschleudert worden. Die untersuchen wir jetzt. Der größte von ihnen hat einen Durchmesser von fünfhundert Metern. Wir denken, dass es sich um Materie handelt, die auf der anderen Seite des Wurmlochs gewissermaßen angesaugt und uns dann hier vor die Füße geworfen wurde.«

»Ihr derzeitiger Standort liegt im Bereich unserer Patrouillenroute. Falls Sie irgendwelche Hilfe benötigen...«

»Dann werde ich es Sie sofort wissen lassen, Commander Sunfrost«, entgegnete von Schlichten. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden. Ich habe hier alle Hände voll zu tun.«

Der Kanal wurde geschlossen.

Commander Sunfrost wandte sich an Lieutenant Kronstein. »Sie haben das Kommando, David!«

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5

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DER ANBLICK, DER SICH auf dem Hauptschirm in der Zentrale des Leichten Kreuzers NEPTUN bot, war überwältigend.

Krümmungen im Dimensionsgefüge der Raumzeit wirkten in dieser Region des Alls wie eine gigantische Linse, auf deren Oberfläche sowohl räumlich als zeitlich weit entfernte kosmische

Ereignisse projiziert wurden. In einem beeindruckenden Zeitraffertempo waren hier die Geburt und der Tod ganzer Galaxien zu sehen. Sterne, die sich in schwarze Löcher verwandelten oder zu roten Riesen aufblähten.

Interstellare Gasnebel, in denen sich um Gravitationskerne herum Verdichtungen bildeten, die schließlich zur Entstehung von Sternen und Planeten führten. Hin und wieder geisterten auch bizarre Objekte aus der Frühzeit des Universums durch die Projektionsfläche dieses kosmischen Okulars.

Picus Wunder wurde dieses Phänomen genannt, das gleichzeitig auch den gesamten Raumsektor bezeichnete.

Ebenso wie die nahe Sonne Beta Picus mit der riesigen Raumstation Lerols Auge, befand sich Picus Wunder eindeutig im Reich der insektenähnlichen Ontiden. Die zum Einflussbereich der Humanen Welten gehörenden Systeme Picus Major und Alpha Picus waren nur wenige Lichtjahre entfernt.

Die unsichtbare Grenze zwischen beiden Sternenreichen, hatte die NEPTUN jedoch längst überschritten.

»Austritt aus dem Sandström-Raum!«, meldete Lieutenant Pierre Templeton, der Ruderoffizier der NEPTUN. »Wir befinden uns jetzt im direkten Anflug auf Lerols Auge. Bremsmanöver ist eingeleitet. Die Geschwindigkeit beträgt 0,4 LG. In 7 Stunden 34 Minuten werden wir uns Lerols Auge bis auf 20.000 Kilometer genähert und auf Andockgeschwindigkeit heruntergebremst haben.«

Raphael Wong, der neue Captain an Bord der NEPTUN, saß in seinem Kommandantensessel und wirkte etwas angespannt.

Eine irdische Woche hatte der Flug von Spacedock 13 in den Picus Sektor gedauert. Ein kleiner Zwischenstopp war im Picus-Major-System eingelegt worden, wo es menschliche Kolonien gab. Botschafter Aljanov war dort beinahe gleichzeitig mit dem Dreadnought HOUSTON eingetroffen und dann zur NEPTUN übergewechselt. Der Humane Rat wollte es vermeiden, durch die Entsendung eines übermäßig großen und stark bewaffneten Raumschiffs den diplomatischen Charakter der Aljanov-Mission in Frage zu stellen. Schließlich war auch das Verhältnis zu den ontidischen Verbündeten problematisch geworden, seit die Flotte der Fulirr sich im Grenzgebiet sammelte – wahrscheinlich um die Ansprüche des Nalhsara auf Wurmloch Alpha mit Waffengewalt durchzusetzen, falls die Menschheit nicht bereit war, in dieser Frage nachzugeben.

»Verständigen Sie Botschafter Aljanov«, sagte Wong an Lieutenant Pemmo Nebbson, den zuständigen Kommunikationsoffizier gerichtet.

»Aye, aye, Sir!«

Wong kannte Aljanov nur zu gut. Während der Missionen, die der Botschafter an Bord der STERNENKRIEGER mitgemacht hatte, war er wiederholt mit dem Diplomaten aneinander geraten, wenn dieser sich in innere Belange der Schiffsführung eingemischt hatte. Zumindest hatte Wong das so gesehen und war darin von Rena Sunfrost unterstützt worden.

Aljanov hatte da natürlich eine andere Sicht gehabt.

Und diesmal dürfte er nach seinen Erfolgen bei der Beendigung des Qriid-Krieges so gut wie unangreifbar sein!, überlegte Wong ärgerlich. Ich werde ihn wohl einfach ertragen müssen.

Ortungsoffizier Derek Batista meldete sich zu Wort.

»Captain, die Anzahl der im Umkreis von einer AE bis jetzt angemessenen Energiesignaturen bekannter Raumschifftypen liegt bei unter 5 Prozent der normalen Vergleichswerte!«

Die NEPTUN war neben der STERNENKRIEGER einer der wenigen Leichten Kreuzer, die bereits mit dem neuen, leistungsstärkeren Ortungssystem ausgestattet waren, das vor allem die Verarbeitung einer größeren Datenmenge zuließ. Ihre moderne Ausstattung verdankte die NEPTUN dabei der Tatsache, dass sie in einem der letzten Gefechte des Qriid-Krieges böse zusammengeschossen worden war.

»Es scheint auf Lerols Auge derzeit nicht viel los zu sein«, murmelte Wong nachdenklich. Er ließ sich die Orter-Daten auf seine eigene Konsole anzeigen.

Die Station Lerols Auge war zwar hoheitsrechtlich gesehen ein Teil des Ontiden-Reichs, war aber immer als ein fast neutraler Ort genutzt worden, der von Angehörigen aller Spezies angeflogen wurde. Die ontidische Raumflotte hatte sich zumindest bis zum Angriff der Naarash sehr zurückgehalten und stets nur unauffällig im Hintergrund bewegt.

Jetzt hatte sich die Situation vollkommen verändert. Offenbar liefen nicht mehr ungezählte Raumer Lerols Auge an, um den regelmäßigen Space Wave Meisterschaften beizuwohnen, bei denen

die Teilnehmer einen Nebeneffekt der Dimensionskrümmungen ausnutzten, indem sie auf

Gravitationslinien durch das All surften.

»Die besonderen Bedingungen, die rund um Picus Wunder herrschen, stehen mit Wurmloch Alpha in unmittelbarem Zusammenhang«, stellte Wong fest und wandte sich an den Ortungsoffizier. »Könnte es möglich sein, dass sich die Struktur der Raumzeit in diesem Gebiet durch das Erwachen von Wurmloch Alpha dermaßen verändert hat, dass das Space Waving nicht mehr durchführbar ist?«

»Eine Hypothese, die ich mit Hilfe der mir zur Verfügung stehenden Sensoren weder bestätigen noch verwerfen kann«, erwiderte Lieutenant Batista.

»Gibt es Schiffe der Fulirr in der Nähe?«

»Bislang konnten wir sie jedenfalls nicht orten«, wich Batista aus.

»Wir erhalten einen Funkspruch von Lerols Auge«, erklärte der für die Kommunikation zuständige Nebbson unterdessen.

»Auf den Schirm damit«, befahl Wong.

Lieutenant Pemmo Nebbson drehte sich herum. »Sir, es handelt sich lediglich um eine Audiospur. Ich habe sie durch den Translator laufen lassen. Das Original klingt nämlich wie ein Konzert aus Störgeräuschen.«

Wong nickte. »Dann wollen wir mal hören, was die andere Seite uns zu sagen hat.«

In diesem Moment erschien Botschafter Aljanov auf der Brücke der NEPTUN. Der hagere Mann ließ den Blick schweifen und blickte dann zum Panoramaschirm, wo die auf die kosmische Dimensionslinse projizierten Bilder von phantastischer Schönheit, für immer neue Abwechslung sorgten. Es war kaum möglich, sich diesem geradezu hypnotisch wirkenden Anblick entziehen zu wollen.

»Captain«, setzte er an, »unternehmen Sie bitte nichts, bis...«

Die Lautsprecherstimme des Bordrechners ließ den Botschafter verstummen. »Hier sprechen die Raumstreitkräfte im Dienst des Herrscherhauses der Ontiden«, sagte die Stimme. »Sie werden dringend aufgefordert, sich der Station Lerols Auge nicht weiter zu nähern.«

»Ist der Funkkanal nach Lerols Auge frei geschaltet?«, fragte Botschafter Aljanov.

»Von unserer Seite aus schon«, erklärte der Kommunikationsoffizier. »Allerdings scheint die andere Seite nicht an einem Kontakt interessiert zu sein.«

»Senden Sie Grußbotschaften«, forderte Aljanov. »Wir sind schließlich mit den Ontiden verbündet, da werden sie es uns ja wohl kaum ernsthaft verwehren, Lerols Auge anzufliegen.«

»Es sieht allerdings ganz so aus, Botschafter«, konnte sich Captain Wong seinen Kommentar nicht verkneifen.

»Commander, ich verlange, dass Sie weiterhin versuchen, einen Kontakt herzustellen«, sagte Aljanov. »Wir haben den Ontiden geholfen, Lerols Auge zurückzuerobern, als die Station von den Naarash besetzt war, jetzt können die uns nicht einfach ignorieren.«

Er sagt wir und meint eigentlich das Space Army Corps, ging es Wong durch den Kopf.

Eine Meldung des Ortungsoffiziers erlöste Wong von der Notwendigkeit, dem Botschafter zu antworten. »Mehrere Kriegsschiffe der Ontiden, die sich in der Umgebung um Lerols Auge befinden, habe den Kurs geändert und bewegen sich nun auf uns zu.«

»Dafür gibt es eigentlich nur eine Erklärung«, sagte Wong an den Botschafter gerichtet. »Wir sind hier im Moment wohl einfach unerwünscht!«

Das Gesicht des Botschafters hatte sich verfinstert. Eine tiefe Furche kerbte seine Stirn. Er hatte offenbar nicht damit gerechnet, von den ontidischen Verbündeten derart schroff abgewiesen zu werden.

»Offenbar ist Lerols Auge nicht mehr das, was es mal war!«, musste er schließlich zugeben.

Eine Meldung des Funkoffiziers ließ die ganze Situation in einem ganz neuen Licht erscheinen. »Captain, ich habe gerade ein fragmentarisches Sandström-Funksignal auffangen können«, meldete Lieutenant Nebbson. »Es war nur sehr schwach und außerdem verstümmelt. Aber die verwendeten Signalformen lassen unseren Bordrechner mit einer Wahrscheinlichkeit von 89 Prozent darauf schließen, dass es sich bei der verwendeten Sendeanlage um Fulirr-Technik handelt!«

»Ist es möglich, den Ursprung dieses Signals zu bestimmen?«, hakte Commander Wong sofort nach.

»Tut mir Leid, Sir. Aber um das zu ermitteln, war die Zeitspanne einfach zu kurz, in der es den Sensoren der NEPTUN gelang, das Signal aufzuzeichnen.«

»Die Wahrscheinlichkeit, dass Lerols Auge der Ausgangspunkt war, erachte ich allerdings als sehr gering«, mischte sich Lieutenant Commander Brian Mayer, der Erste Offizier der NEPTUN ins Gespräch ein. Er hatte sich die entsprechenden Daten auf seiner Konsole anzeigen lassen.

Seine Finger glitten über das Terminal. Mit konzentrierter Miene ließ er den Bordcomputer ein paar Berechnungen anstellen, die vielleicht etwas mehr Aufschluss gaben. »Selbst bei einem absichtlich unterdrückten Signal hätte die Sendestärke um den Faktor 12 stärker sein müssen«, setzte Mayer noch hinzu.

Wong hob die Augenbrauen. Zwischen Mayer und ihm gab es unterschwellige Spannungen,

die damit zusammenhingen, dass beide Männer eine völlig verschiedene Dienstauffassung hatten. Lieutenant Commander Mayer ließ gerne mal fünf gerade sein und nahm es auch mitunter mit den Vorschriften nicht so genau. Wong ging das gegen den Strich. Was ihm aber vor allem missfiel, war die Tatsache, dass Mayer offensichtlich glaubte, dass ein Captain nur sehr grob über die Geschehnisse an Bord Bescheid zu wissen brauchte.

Aber der neue Captain der NEPTUN war klug genug gewesen, diesen schwelenden Konflikt zunächst einmal unter der Decke zu halten. Wong hatte ohnehin kaum eine Chance gehabt, die Mannschaft in den anderthalb Wochen, die sie nun schon gemeinsam durch das All flogen, wirklich kennen zu lernen. Der ehemalige Erste Offizier der STERNENKRIEGER hatte genug damit zu tun, sich in seine neue Rolle einzufinden.

Immer wieder ertappte er sich nämlich dabei, dass er sich für Dinge verantwortlich fühlte, die jetzt nicht mehr zu seinen Pflichten gehörten. Der Gedanke, dass dies vielleicht der Kern seines Konflikts mit Mayer war, dämmerte Wong durchaus. Aber noch weigerte er sich, diese Erkenntnis an die Oberfläche seines Bewusstseins kommen zu lassen.

Vorrang vor allem anderem hatte jetzt die Mission, die die NEPTUN zu erfüllen hatte.

Das war nun sein Credo, und er dachte, dass es das Beste wäre, zunächst alle ungelösten persönlichen Probleme von sich zu schieben, um sie irgendwann in ruhigeren Zeiten einer Lösung zuzuführen.

In den raren Augenblicken, in denen der frisch gebackene Commander mal die Zeit zum nachdenken hatte, erinnerte er sich häufig an die erste Zeit, als Commander Sunfrost die STERNENKRIEGER übernommen hatte und er zunächst unfähig gewesen war, ihre Autorität wirklich anzuerkennen. Eine Autorität, wie er insgeheim überzeugt gewesen war, die ihm zugestanden hätte.

Seit er nun selbst ein Kommando hatte, ertappte er sich hingegen oft bei dem Gedanken: Was hätte das Eisbiest jetzt wohl an meiner Stelle getan?

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6

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RENA SUNFROST NIPPTE an ihrem Kaffee. Sie hatte in einem der Aufenthaltsräume an Bord der STERNENKRIEGER Platz genommen. Fähnrich Clayton Gomes, der auf dem Maschinendeck seinen Dienst im Techniker-Team des Leitenden Ingenieurs tat, war in eine Diskussion mit Sergeant Wugu verwickelt, die für die Versorgung an Bord verantwortlich war. Es ging um das Verhältnis zwischen den Humanen Welten und der Genetiker Föderation. Gomes, der unter dem Wolfsmensch-Syndrom litt und daher nahezu am ganze Körper von einem dichten Haarpelz bedeckt war, plädierte dafür, die liberaleren Gentechnik-Gesetze, wie sie in den drei Föderationssystemen Aurelis, Einstein und Epikur üblich waren, auch im Gebiet der Humanen Welten einzuführen.

»Ich weiß, für mich besteht so gut wie keine Hoffnung, dass selbst die fortgeschrittene Gentechnik mich von meinem Pelz befreien könnte«, sagte er resigniert. »Es sei denn, jemand erfindet

mal ein Verfahren zur hundertprozentigen Hauttransplantation. Aber wichtiger ist für mich ein anderer Punkt. Ich möchte irgendwann mal eine Familie gründen und dann sicher sein, diesen Defekt nicht an meinen Nachwuchs zu vererben!«

Sergeant Wugu – eine hoch gewachsene Massai-Frau – war anderer Ansicht und argumentierte, dass es unmenschlich sei, einen Menschen von vornherein zu einem bestimmten Zweck heranzuzüchten.

»Oder möchten Sie gerne als Organersatzteillager eines reichen Bürgers von Genet geboren werden?«

Fähnrich Gomes wollte etwas erwidern, aber Sergeant Wugu unterbrach ihn schon nach den ersten Worten, nachdem sie mit ihren Augen kurz auf ihr Chronometer geblickt hatte.

»Tut mir Leid, ich habe mich bereits etwas verquatscht und müsste dem I.O. eigentlich schon seit einer halben Stunde die aktuellen Bestandsdaten der Versorgungsdepots übermittelt haben.« Wugu seufzte. »Wong war in dieser Hinsicht großzügig. Er hat mich einfach meine Arbeit machen lassen, ohne mir dauernd mit irgendwelchen Kontrollen auf die Pelle zu rücken – aber diese anderthalb Wochen, in denen Lieutenant Kronstein hier das Regiment führt...«

»Nur kommissarisch!«, tröstete Gomes die Massai-Frau, deren grazile, feingliederige Gestalt den Fähnrich um einen Kopf überragte. »Und sollte Kronstein tatsächlich irgendwann befördert werden, so ist es unwahrscheinlich, dass er dann auf der STERNENKRIEGER bleiben kann. Im Allgemeinen bevorzugt die Personalführung des Space Army Corps in solchen Fällen doch eine externe Lösung.«

»Gott sei Dank!«, entfuhr es Wugu. »Außerdem...« Sie brach ab und wandte sich in Richtung Ausgang, während Gomes sich ebenfalls herumwandte, da er seinen Synthodrink-Becher in den Müllschlucker werfen wollte.

Beide erstarrten für einen kurzen Moment.

Erst jetzt hatten sie die Anwesenheit des Captains bemerkt.

Wie automatisch nahmen sie Haltung an und grüßten militärisch, obwohl das eigentlich innerhalb

der Freizeitbereiche des Schiffs unüblich war – es sei denn, es lag ein dienstlicher Anlass vor.

»Sie können wegtreten«, sagte Sunfrost.

Das ist wohl der Preis, den man zahlen muss, wenn man in der Hierarchie aufsteigt!, dachte Sunfrost. Gespräche verstummen, sobald man eintritt, und die Kommunikation wird formell. Sie blickte den beiden kurz nach.

»Nehmen Sie es nicht so tragisch«, ließ eine wohl bekannte, sanfte Stimme sie herumfahren. Sie gehört Bruder Guillermo, einem Angehörigen des Wissenschaftlerordens der Olvanorer, der an Bord der STERNENKRIEGER als wissenschaftlicher Berater tätig war und als solcher die Rangprivilegien eines Offiziers genoss.

Rena hatte nicht bemerkt, wie er sich ihr genähert hatte und an ihren Tisch getreten war.

»Wovon sprechen Sie, Guillermo?«, fragte sie etwas verwirrt, nachdem sowohl Gomes als auch Wugu den Raum verlassen hatten.

»Davon, dass man gewissermaßen von der Kommunikation ausgeschlossen wird, wenn man eine gewisse Rangstufe in einer Hierarchie erreicht hat. Das geht einem Abt des Olvanorer-Ordens nicht anders als Ihnen, wie ich annehme, Captain!«

Es versetzte Sunfrost einen Stich, dass Guillermo ihre eigenen Gedanken derart exakt getroffen hatte. Sein besonderes Einfühlungsvermögen, zudem noch gepaart mit diplomatischem Geschick, fielen ihr nicht zum ersten Mal auf.

Wie macht er das nur? So eine Ausbildung sollte man dem diplomatischen Corps angedeihen lassen!

Er lächelte leicht. »Ich konnte nicht umhin, etwas vom Gespräch des Fähnrichs mit Sergeant Wugu mitzubekommen – ganz zu schweigen von der Reaktion der beiden auf Ihre Anwesenheit.«

»Es ist nicht immer angenehm, das Eisbiest zu sein.«

»Dann hätten Sie nicht Captain werden dürfen. Aber mir scheint, Sie kommen mit dieser Situation ganz gut zurecht und können die Balance zwischen Nähe und Distanz halten, die für diese Aufgabe nötig ist.«

Auf Renas Gesicht erschien jetzt ein Ausdruck des Erstaunens.

Bruder Guillermo wirkte plötzlich verunsichert. Ihm schien gerade klar zu werden, wie ungeschützt und offen er sich geäußert hatte. »Es tut mir Leid, Ma'am, ich... Wissen Sie, ich neige manchmal dazu, einfach zu sagen, was ich denke...«

»Ist schon gut, Bruder Guillermo.«

»Darf ich mich zu Ihnen setzen?«

»Gerne.«

Er druckste etwas herum. Rena wusste sofort, dass er irgendein Anliegen hatte, dass er mit sich herumtrug. Wenn man Menschen gut kennt, braucht man sie manchmal nur zu beobachten, um zu wissen, was in einen vorgeht!, dachte sie.

Vielleicht ist das Bruder Guillermos Geheimnis!

»Captain, das Wurmloch ist im Begriff, sich zu öffnen. Nach den vorliegenden Daten wäre es zwar auf Grund der Subraumturbulenzen und einer gewissen Strukturinstabilität nach geradezu fahrlässig, ein Raumschiff auf den Weg nach Trans-Alpha zu schicken, aber...« Er verhaspelte sich etwas.

Rena schwieg und wartete geduldig ab, bis Guillermo schließlich den roten Faden wieder fand. »Es sind bereits einige Gesteinsbrocken aus dem Wurmloch herausgeschleudert worden, die offenbar von der anderen Seite stammen«, erklärte er schließlich. Seine Augen fixierten Rena dabei mit einem ungewöhnlich intensiven und konzentrierten Blick, den sie in dieser Form von dem Olvanorer-Mönch nicht gewöhnt war.

»Und da wir an Punkt Alpha vorbeifliegen, wo Professor von Schlichten sich zurzeit mit einer Fähre aufhält...«

»Hören Sie den Bordfunk ab, Bruder Guillermo?«

Er grinste ertappt. »Nein, ich stehe in privatem Funkkontakt zu Professor von Schlichten. Ich weiß, dass Sie ihn auf persönlicher Ebene nicht allzu sehr schätzen – aber nichtsdestotrotz halte ich ihn für einen genialen Wissenschaftler.«

»Was ist Ihr Anliegen, Bruder Guillermo?«

»Geben Sie mir eine der Landefähren, sodass ich mich ausschleusen könnte, um von Schlichten zu unterstützen.«

»Ausgeschlossen, Bruder Guillermo. Meinetwegen können wir das Tempo drosseln, sodass wir Sie mit einer Fähre zu von Schlichtens Shuttle übersetzen lassen können. Dagegen ist nichts einzuwenden.«

»Aber das ist nicht dasselbe!«, erwiderte Bruder Guillermo. »Wir könnten gleichzeitig Messungen an mehreren dieser Brocken durchführen, ganz abgesehen davon, dass wir die fünfdimensionale Strahlungsfelder besser...«

»Nein!«, unterbrach Rena ihn unmissverständlich. »Es tut mir wirklich Leid, aber Sie vergessen scheinbar, dass wir uns hier in einem potentiellen Kriegsgebiet befinden. Wir rechnen jederzeit mit einem Eingreifen der Fulirr. Es ist keineswegs sicher, dass die Sauroiden das Ende des Ultimatums abwarten. Aber spätestens dann wird sich die Lage dramatisch zuspitzen, da kann ich zu einem derartigen Manöver schon aus Sicherheitsgründen keine Zustimmung geben.«

Bruder Guillermo atmete tief durch. »Gut, dann wäre es nett, wenn ich zu von Schlichtens Shuttle überwechseln könnte, um ihm bei der Durchführung seiner Forschungsarbeiten zu unterstützen.«

»In Ordnung, Bruder Guillermo.«

Der Olvanorer erhob sich. Sein Gesicht wirkte etwas in sich gekehrt. Rena hatte das Gefühl, ihre Entscheidung in irgendeiner Form näher begründen zu müssen – obwohl das eigentlich Unsinn war.

Gerade als er sich zum Gehen wandte, sagte sie: »Bruder Guillermo, diese Entscheidung richtet sich nicht gegen Sie oder Ihre Forschungsarbeit. Es sind einfach die Umstände, die das Setzen von Prioritäten erfordern. Zwar bin ich gehalten die Arbeiten des Forscherteams um Professor Metz auf SACB 567 nach Kräften zu unterstützen...«

»Wenn Sie mich mit einer eigenen Fähre in die Nähe von Punkt Alpha lassen würden, wäre das eine sehr substantielle Unterstützung!«

»Aber nicht auf Kosten der militärischen Sicherheit! Tut mir Leid, Guillermo. Sie sind zwar kein Space Army Corps Offizier, aber in der Zeit, die Sie bereits an Bord der STERNENKRIEGER verbracht haben, müssten Sie eigentlich genügend Situationen erlebt haben, in denen der Einsatz der Raumfähren für das Überleben der Crew von entscheidender Bedeutung war.«

»Natürlich.«

Rena nippte an ihrem Kaffee. Er schmeckte nicht richtig.

Irgendetwas stimmte mit der Mischung nicht. Ich werde mit Sergeant Wugu darüber sprechen müssen, ob wirklich die richtigen Zutaten besorgt wurden!, ging es ihr durch den Kopf.

Ihr Armbandkommunikator summte, und der kommissarische Erste Offizier erschien auf dem kleinen Display. Lieutenant Kronsteins Gesicht wirkte angestrengt.

»Captain, an Punkt Alpha tun sich ein paar Dinge, die auch Sie interessieren dürften!«

»Werden Sie etwas konkreter, David!«

»Tut mir Leid, aber das ist leider – noch! – nicht möglich. Wir wissen, dass sich die Subraumwellenfrequenzen geändert haben und das fünfdimensionale Strahlungsniveau innerhalb der letzten Minuten um fast hundert Prozent gestiegen ist.«

»Nehmen Sie Kontakt mit von Schlichten und Metz auf.«

»Haben wir schon getan. Von Schlichten glaubt, dass wir in Kürze einen geradezu gigantischen

Brocken entgegengeschleudert bekommen. Metz ist noch dabei, diese Hypothese zu verifizieren, stimmt ihr aber im Prinzip bereits zu.«

Rena atmete tief durch.

»Ich bin gleich auf der Brücke!«, versprach sie.

Ein derartiges, wahrhaft kosmisches Schauspiel sollte sich kein Raumfahrer entgehen lassen!, dachte sie, erhob sich und wandte sich an Bruder Guillermo, der das Gespräch mit angehört hatte. »Das dürfte Sie auch interessieren!«

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LEUCHTFEUER BLITZTEN in der Dunkelheit des Alls auf, kleine Explosionen in dem Gasnebel. Punkt Alpha, an dem das Wurmloch erscheinen würde, lag jetzt mitten im Nebel.

Dieser Anblick nahm Rena und Bruder Guillermo unwillkürlich einige Augenblicke gefangen, nachdem sie die Brücke betreten hatten.

»Was Sie da sehen, sind sehr heftige Explosionen innerhalb des Nebels«, erläuterte Lieutenant Kronstein. »Wir hatten Kontakt mit von Schlichten. Er glaubt, dass die impulsartige Freisetzung von sehr energiereichen 5-D-Strahlen dafür sorgt, dass sich das Gas teilweise entzündet. Diese Impulse sind derart energiegeladen, dass sie begrenzte Fusionsreaktionen auszulösen scheinen.«

»Dann dürfte diese Strahlung wohl auch für ein vorbei fliegendes Raumschiff nicht ganz ungefährlich sein«, urteilte Sunfrost.

»Wenn wir uns nicht näher als 0,1 AE an Punkt Alpha heranwagen, dürfte keine Gefahr bestehen«, mischte sich Bruder Guillermo ein und erntete dafür einige erstaunte Blicke.

Rena hob die Augenbrauen. »Woher wollen Sie das so genau wissen?«

»Ich habe die Zeit, in der die STERNENKRIEGER auf Spacedock 13 lag und die neue Ortungsanlage installiert wurde, dazu genutzt, die Daten über Wurmloch Alpha aus dem Jahr 2241 noch einmal genau zu rekapitulieren. Damals wurden in der Etablierungsphase ebenfalls ähnliche Impulse gemessen, aber sie beschränkten sich stets auf einen Umkreis von nicht mehr als 0,08 AE um das Wurmloch herum. Die Gründe dafür waren auch damals schon rätselhaft.«

»Professor von Schlichten scheint da weniger Bedenken zu haben«, meldete sich Fähnrich Riggs, der mit der Zeit immer besser herausgefunden hatte, wie man das neue und vor allem mit einer größeren Reichweite ausgestattete Ortungssystem optimieren konnte. Seine Finger glitten über den Touchscreen seiner Konsole. »Das Shuttle des Professors befindet sich nämlich eindeutig innerhalb dieser Zone!«

»Wenn jemand das Risiko abschätzen kann, dann ist es zweifellos von Schlichten«, glaubte Ruderoffizier John Taranos.

»Captain, eine Nachricht von SACB 567«, meldete jetzt Lieutenant Jamalkerim. »Professor Metz möchte Sie sprechen.«

»Dann schalten Sie den Kanal frei«, befahl Rena.

Ein Fenster teilte sich von der Sichtfläche des Panoramaschirms. Das Gesicht des wissenschaftlichen Leiters der Station SACB 567 erschien dort, während der Rest des Schirms näher an das Geschehen im Nebel heranzoomte. In einer unteren Sichtleiste wurden dazu einige Messdaten angegeben. Daten, die erahnen ließen, welch gigantischen Kräfte dort am Werk waren.

»Captain Sunfrost, wie Sie wohl mitbekommen haben werden, tut sich rund um Punkt Alpha einiges. Wir erwarten, dass ein Materiebrocken von der Größe des Erdmondes in Kürze von Wurmloch Alpha ausgespuckt wird. Es kann sich um irgendein Objekt handeln, das auf der anderen Seite der Passage angesaugt und auf diese Reise geschickt wurde – so wie die kleinen Brocken, die Professor von Schlichten bereits untersucht.«

»Ich danke Ihnen, dass Sie uns über die Vorgänge an Punkt Alpha auf dem Laufenden halten«, sagte Rena. »Besteht durch die bevorstehende Passage dieses großen Objekts irgendeine Gefahr?«

»Das wissen wir nicht. Nie zuvor wurde die Wurmlochpassage eines auch nur annähernd vergleichbaren Objekts beobachtet. Alles, was ich Ihnen dazu sagen könnte, wäre reine Spekulation. Aber eine möglicherweise auch militärische relevante Besonderheit möchte ich Ihnen nicht vorenthalten.«

»Und die wäre?«

»Möglicherweise enthält dieses Objekt einen Sandström-Sender und ist damit künstlichen Ursprungs«, eröffnete Metz. »Wir konnten verstümmelte Signale auffangen, die wir noch nicht richtig einzuordnen wissen. Fest steht, dass es sich nicht um die von Menschen verwendeten Signale handelt.«

Einen Augenblick lag herrschte Schweigen.

Schließlich stellte Rena die entscheidende Frage. »Haben wir mit Besuch zu rechnen?«

»Möglicherweise. Commodore Soldo wurde bereits darüber informiert. Doch da Sie dem Objekt von allen Space Army Corps Einheiten am nächsten sein werden, wollte ich Sie persönlich ins Bild setzen. Ich bitte Sie selbstverständlich um Ihre volle Unterstützung, falls es zu Kampfhandlungen kommen sollte...«

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8

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STUNDEN VERGINGEN.

Die Explosionen erfolgten in immer rascherer Folge. Bruder Guillermo prophezeite im Übrigen, dass deren Intensität und Häufigkeit noch zunehmen würde, da sich das Wurmloch für die nächsten drei bis vier Standardtage innerhalb des Nebels befinden würde. Erst dann war damit zu rechnen, dass die sichtbaren Reaktionen nachließen, da dann einfach keine Materie mehr zur Verfügung stand, um das kosmische Feuerwerk fortzusetzen.

Commander Sunfrost ordnete eine Kurskorrektur an, die dafür sorgte, dass die STERNENKRIEGER nun wesentlich näher an Punkt Alpha vorbeifliegen würde. Zudem wurde das Tempo stärker gedrosselt, als ursprünglich geplant, um beim Erreichen des Zielgebietes die Möglichkeit zu weitergehenden Untersuchungen zu haben.

Rena stand nahezu ständig in Kontakt mit Commodore Soldo, um ihren derzeitigen Dienstvorgesetzten über den Stand der Entwicklungen informiert zu halten.

»Sollte es sich tatsächlich um ein künstliches Objekt handeln, muss es unverzüglich untersucht werden«, hatte der Commodore befohlen.

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9

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SHUTTLE SACB 567-III schwebte mit einer Geschwindigkeit von 0,002 LG auf Punkt Alpha zu.

Die Reibung mit den Gasmassen des Nebels, der Alpha Picus umkreiste, sorgte dafür, dass sich die Außenhülle erhitzte. Die Werte waren allerdings nie über die Grenzwerte gestiegen. Schließlich war die Außenhülle des Shuttle ja auch für den Flug innerhalb von planetaren Atmosphären konstruiert worden, deren Dichte um den Faktor zehntausend über der Gasdichte dieses Nebels lag. Kritisch wurden die Hitzewerte in diesem Sektor erst bei höheren Geschwindigkeiten.

Mit einer Höchstgeschwindigkeit von etwa zwanzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit, die von dem Shuttle erreicht werden konnten, bestand da jedoch nach von Schlichtens Berechnungen keine Gefahr.

Gefährlicher waren jedoch die bislang vollkommen unberechenbaren, impulsartig vom Wurmloch emittierten Schauer fünfdimensionaler Strahlung, die so energiereich waren, dass sie jeweils ein Gasvolumen von mindestens 5000 Kubikmetern innerhalb kürzester Zeit so stark erhitzten, dass sie anschließend buchstäblich verbrannten.

Von Schlichtens Shuttle hatte die äußerste Grenze, bis zu der diese Impulse bisher gemessen worden waren, um einige zehntausend Kilometer überschritten. Er ging das Risiko bewusst ein. Seinen eigenen Berechnungen nach war es vertretbar und so hatte er die Anordnung von Professor Metz, den Sicherheitsabstand zum Wurmloch einzuhalten, schlichtweg ignoriert.

Von Schlichten lächelte bei dem Gedanken daran, dass Metz jetzt in der Zentrale von Space Army Corps Base 567 saß und sich schwarz darüber ärgerte, dass er nichts dagegen tun konnte, wenn die Shuttle-Besatzung einfach auf eigene Faust handelte.

Und diese Besatzung bestand nur aus zwei Personen.

Außer von Schlichten war das noch Dr. Xandra Dominguez.

Da von Schlichten selbst über eine gültige Raumpilotenlizenz verfügte, die es ihm sogar gestattet hätte, kleinere überlichtschnelle Einheiten zu fliegen und sich als Ruderoffizier auf Zivilraumern zu bewerben, war darauf verzichtet worden, noch zusätzlich einen Shuttle-Piloten an der Mission teilnehmen zu lassen. Von Schlichten gab dies ein höheres Maß an Unabhängigkeit, dass er nun gnadenlos ausnutzte.

Was Xandra Dominguez anging, so war sie auf seiner Seite.

Die junge Frau teilte jene Besessenheit für die Forschung, die auch von Schlichten zu Eigen war. Eine Besessenheit, der alles andere untergeordnet wurde. Notfalls auch die eigene Sicherheit.

»Meinen Berechnungen nach kann es sich nur noch um Minuten handeln, bis dieser dicke Brocken auf unserer Seite des Wurmlochs auftaucht«, meldete sich Xandra Dominguez zu Wort und brach damit eine minutenlange Stille.

»Ist es nicht faszinierend?«, sagte von Schlichten. »Dieses Objekt ist noch immer 50.000 Lichtjahre von uns entfernt und treibt auf den Schlund des Wurmlochs zu. Und doch können wir es indirekt über die fünfdimensionalen Effekte, die durch die in das Wurmloch stürzende Masse verursacht werden, bereits jetzt orten.«

Eine Faszination von geradezu fiebriger Intensität hatte den Professor erfasst.

Der eigentliche Transfer der mondgroßen Masse würde in Nullzeit ablaufen, und er wollte ihn auf keinen Fall verpassen.

Eine grelle Lichterscheinung war jetzt auf dem Panoramaschirm zu sehen.

»Transfer von Objekt X hat stattgefunden«, meldete Xandra Dominguez.

Von Schlichtens Finger glitten über den Touchscreen seiner Konsole. Die Ruderfunktionen des Shuttle verfolgte er dabei nur beiläufig. Worauf es ihm jetzt ankam waren die Ortungsdaten der Sensoren, die unverzüglich an Professor Metz auf Space Army Corps Base 567 weitergeleitet wurden, um sie mit den größeren Rechnerkapazitäten des Computernetzwerks der Station sofort einer umfassenden Analyse zuzuführen.

Aber auch der Bordrechner des Shuttles wurde mit eingehenden Daten gefüttert, um ein vorläufiges Bild zu liefern.

»Es handelt sich um einen Himmelskörper von der Größe des Erdmondes«, stellte Xandra Dominguez fest. »Die Oberfläche besteht aus festem Gestein. Es gibt Krater, die auf den Einschlag von Meteoriten hindeuten. Atmosphäre: negativ. Es gibt ein paar Eispfützen, die jeweils Senken von mehrere hundert Quadratkilometern bedecken und bis zu hundert Kilometer tief sind...«

»Die Tatsache, dass sich diese Eiskappen nicht an den Polen gebildet haben, scheint dafür zu sprechen, dass dieser Himmelskörper schon vor längerer Zeit aus seinem System herausgerissen wurde!«, sagte von Schlichten.

»Ich halte es für genauso plausibel, dass sich der Standort von Wurmloch Alpha im Sektor Trans-Alpha vielleicht um ein paar astronomische Einheiten verschoben hat – so wie es auf unserer Seite ja auch der Fall ist«, war Xandra Dominguez' Ansicht.

»Und Sie meinen, dieser Mond hatte einfach das Pech, dem Wurmloch zu nahe zu kommen?«

»Wir sollten froh sein, dass es nicht eine ganze Sonne ist, die uns hier entgegen geschleudert wird!«

»Auch wieder wahr«, stimmte von Schlichten zu.

»Professor, ich bekomme hier seltsame Strahlungsreflektionen von der Oberfläche. Wenn Sie sich das mal ansehen würden.«

»Natürlich.«

Xandras schlanke Finger berührten ein paar Sensorpunkte des Terminals und im nächsten Moment hatte von Schlichten die Daten in seinem Display. »Hm... Die Oberfläche des Himmelskörpers wurde scheinbar durch die fünfdimensionale Strahlung verändert.«

»Ich empfange das verstümmelte Sandström-Signal, das wir bereits einmal registriert haben.«

»Lokalisieren«, befahl von Schlichten.

»Es scheint aus dem Inneren dieses Himmelskörpers zu stammen«, stellte Xandra fest.

Von Schlichten nickte nachdenklich. Er kratzte sich am Kinn. Sein Blick war starr auf die Anzeigen gerichtet. Dann ballte er die Hände zu Fäusten, während es in seinen Augen aufblitzte. »Die Strukturveränderung durch die Strahlung sorgt wahrscheinlich für die Verstümmelung des Sandström-Signals.« Von Schlichten stellte eine Verbindung zu Metz her.

Der Chefwissenschaftler von Space Army Corps Base 567 erschien auf einem Nebenbildschirm. Metzs Augen traten sehr stark hervor und ließen sein Gesicht wie eine Karikatur erscheinen. Seine Lippen waren ein dünner Strich. Das Kinn hob sich, nachdem der Kontakt zum Shuttle hergestellt war.

Xandra schaltete den Hauptschirm des Shuttle inzwischen auf Infrarotmodus um, denn anders war der vom Wurmloch ausgespieene Himmelskörper im Gasnebel derzeit nicht sichtbar zu machen. In einer Datenzeile waren die angezeigten Temperaturen an der Oberfläche abzulesen. Mit 90 bis 140

Kelvin lagen sie erheblich über dem absoluten Nullpunkt – mehr als man eigentlich hätte erwarten können.

»Nun, ich hoffe das übergroße Risiko, das Sie bislang eingegangen sind, hat sich nun endlich auch in Form von Erkenntnissen ausgezahlt«, drang Metzs überheblich klingende Stimme in von Schlichtens Bewusstsein. Seine weit auseinander stehenden Augen schienen dabei noch mehr hervorzutreten als dies ohnehin schon der Fall war.

Von Schlichten ging auf Metzs boshafte Bemerkung nicht weiter ein. »Wir haben versucht, den Ursprung des Sandström-Senders zu lokalisieren. Aber dazu werden wir noch näher heran müssen.«

»Sind Sie wahnsinnig?«

»Metz, Sie wissen doch, dass die Intervalle zwischen Outbursts von fünfdimensionaler Strahlung größer werden, je mehr sich das Wurmloch stabilisiert.«

»Sie wollen auf diesem Brocken landen, von Schlichten?«, rief Metz ungehalten.

»Ist das so abwegig? Im Inneren dieses Objekts sendet etwas. Und wir müssen herausfinden, was sich unter der Oberfläche befindet.«

Metz schwieg einen Moment. »Vielleicht haben Sie Recht. Ich werde diese Frage mit Commander McCann erörtern.«

»Tun Sie das. Ich werde gleichzeitig mit Captain Sunfrost von der STERNENKRIEGER Kontakt aufnehmen. Wenn wir tatsächlich ein Landeteam absetzen wollen, brauchen wir deren Unterstützung.«

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10

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»WIR ERHALTEN ERNEUT eine Nachricht, nach der uns der Zugang zu Lerols Auge ausdrücklich verweigert wird. Der neutrale Status der Station sei bis auf unbestimmte Zeit aufgehoben und die Space Wave Meisterschaften ausgesetzt«, meldete Lieutenant Nebbson, der Kommunikationsoffizier der NEPTUN. »Diesmal handelt es sich übrigens nur um einen Datensatz im Zeichensystem der Ontiden.«

»Ganz offensichtlich will man jeden direkten Kontakt vermeiden und versucht, uns mit einer formalen Abweisung auf Distanz zu halten«, meinte Captain Wong. Er wandte sich an Botschafter Aljanov. »Ich weiß nicht, ob es wirklich eine gute Idee ist, den Kurs Richtung Lerols Auge fortzusetzen und die Situation auf die Spitze zu treiben. Immerhin bewegen sich mehrere ontidische Kriegsschiffe auf uns zu.«

»Die werden es nicht wagen, uns anzugreifen!«, urteilte Aljanov, dem der Ärger über das Verhalten der Verbündeten überdeutlich anzumerken war. Sie ließen ihn einfach an einer Wand aus Ignoranz abprallen. Für einen Mann, der seine eigene Stärke im diplomatischen Dialog sah, eine sehr unbefriedigende Situation.

»Captain, ich habe das verstümmelte Signal im Code der Fulirr wiedergefunden«, berichtete nun

der Kommunikationsoffizier.

»Versuchen Sie, den Ursprungsort anzupeilen!«, befahl Wong.

Wenig später war das Signal wieder unterbrochen. Aber es gab zwei Dinge, die nach einer eingehenden Analyse schließlich herausgefunden werden konnten. Erstens stand nun fest, dass es sich nicht um einen zivilen Fulirr-Code handelte.

»Unser Bordrechner konnte Signalsequenzen isolieren, die wir schon früher beim militärischen Funkverkehr der Fulirr aufgezeichnet haben«, berichtete Lieutenant Nebbson dazu.

Außerdem war das Herkunftsgebiet des Signals eingegrenzt worden. Es stammte offenbar aus einem nur drei Lichtjahre entfernten System.

Lieutenant Derek Batista nahm ein paar Schaltungen vor, woraufhin sich der Panoramaschirm teilte. Die eine Hälfte zeigte weiterhin eine mit höchsten Zoomfaktor vergrößerte Nahansicht von Lerols Auge, von der man sich irgendwelche Aufschlüsse über das versprochen hatte, was auf ontidischer Seite im Moment vor sich ging. Die andere Hälfte wurde von einer Sternenkarte in Pseudo-3-D-Qualität ausgefüllt.

In mehreren Vergrößerungsschritten wurde jene Region herangezoomt, die als Ausgangspunkt der rätselhaften Signale identifiziert worden war.

»Infrage käme ein System, das in unseren Katalogen die Bezeichnung Braque 55 trägt«, erklärte

Lieutenant Mayer trocken. »Es gibt nur einen Planeten, der von einer Olvanorer-Expedition unter Abt Braque kartographiert wurde. Dabei handelt es sich um einen tiefgefrorenen Brocken aus Eis und Gestein. Es gibt nach dem Forschungsbericht der Braque-Expedition keinerlei relevante Rohstoffvorkommen. Außerdem konnten auch keine Spuren dafür gefunden werden, dass die Ontiden dort je gesiedelt hätten – und sei es auch nur auf einer Station.«

»Dennoch gehört das Braque-System eindeutig zum Ontiden-Reich!«, gab Aljanov zu bedenken.

»Ich schlage vor, dass wir dieser Eiswelt einen Besuch abstatten«, sagte Wong. »Die bisherigen Anzeichen sprechen meiner Ansicht nach dafür, dass die Fulirr dort einen geheimen Stützpunkt errichtet haben oder im Begriff sind, es zu tun.«

»Das würden die Ontiden niemals freiwillig zulassen«, war Aljanov überzeugt.

Wong hob die Augenbrauen. »Vielleicht glauben sie, angesichts der technischen Überlegenheit der Sauroiden keine andere Wahl zu haben, als ihnen ihren Willen zu lassen«, vermutete Wong.

»Ich stimme Ihrer Analyse ausdrücklich zu«, erklärte Brian Mayer zu Wongs Überraschung.

Bislang war der Erste Offizier der NEPTUN ja mehr durch seinen Widerspruch als seine Fähigkeit zur Kooperation aufgefallen.

Aljanov überlegte. Er schien die nötigen Konsequenzen, die aus der Situation gezogen werden mussten, noch zu scheuen.

Aber die gegenwärtige Lage ließ sich auch beim besten Willen nicht anders interpretieren, als dass die Ontiden momentan einfach keinerlei diplomatische Kontakte wünschten. »Ich fürchte, dass unsere Verbündeten derzeit einfach abwarten, wie sich die Situation zwischen uns und dem Nalhsara der Fulirr entwickelt«, sagte er schließlich desillusioniert. »Wahrscheinlich ist es auch unter diplomatischen Gesichtspunkten das Beste, wenn wir uns erst einmal aus dem Staub machen.«

»Ich bin nachdrücklich dafür, das System von Braque 55 anzufliegen«, erklärte Wong.

»Sie wissen, dass diese Mission unter dem Primat der Diplomatie steht«, erwiderte Aljanov. »Das bedeutet, dass ich in allen Fragen, die nicht im engeren Sinn zum operativen Bereich gehören, das letzte Wort habe.«

»Das habe ich nie in Zweifel gezogen«, erklärte Wong eisig.

Gleichzeitig dachte er allerdings: Falls es jetzt in der Sache zu einem Dissens kommt, werde ich unverzüglich Commodore Saldo davon unterrichten. »Die Frage, ob die Fulirr bereits über Stützpunkte auf dem Territorium der Ontiden verfügen, ist für die Humanen Welten von existenzieller Wichtigkeit. Ich bin mir sicher, dass man diese Auffassung auch an höherer Stelle teilen wird.«

»Wir müssen die Vorteile einer Untersuchung von Braque 55 gegenüber den diplomatischen Verwicklungen abwägen«, beharrte Aljanov. »Sobald die Ontiden herausgefunden haben, dass wir keineswegs zurück in unseren eigenen Einflussbereich entschwunden sind, sondern stattdessen in einem ihrer Systeme herumschnüffeln, wird das unsere Verbündeten nicht gerade glücklich machen«

»Mit Verlaub, Sir! Könnte es nicht auch sein, dass sie dadurch erst aus der Reserve gelockt werden und endlich den Dialog aufnehmen?«, mischte sich Lieutenant Commander Brian Mayer ein.

Wong hatte denselben Gedanken gehabt.

Aber vielleicht war es ganz gut, wenn ihn ein anderer äußert, und nicht ausgerechnet ich, überlegte er. Dann ist die Sache für Aljanov vielleicht etwas leichter verdaulich!

»Also gut«, stimmte der Botschafter schließlich zu. »Ich bin einverstanden.«

»Ruder! Beschleunigen Sie mit Maximalschub!«, befahl Wong. »Wir steuern Braque 55 an.«

»Aye, Sir!«, bestätigte der Ruderoffizier.

Gut fünf Stunden würde es dauern, bis die NEPTUN auf 0,4 LG beschleunigt hatte und dann fähig war, in den Sandström-Raum einzutreten. Die drei Lichtjahre weite Reise ins Braque-System war ein Katzensprung. Ein Sandströmflug von ein paar Stunden. Länger würde da schon die anschließende Bremsphase während des Anflugs auf den einzigen Planeten des verdächtigen Systems sein.

Commander Wong wandte sich an Mayer. »Sie haben bis auf weiteres die Brücke, I.O.«

»Aye, Sir!«

»Sollte sich irgendetwas Unvorhergesehenes ereignen, so möchte ich sofort verständigt werden!«

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EIN PAAR STUNDEN SPÄTER hatte die NEPTUN die notwendige Geschwindigkeit erreicht, um in den Sandström-Raum einzutauchen und auf Überlicht zu gehen.

Sofort nachdem die NEPTUN in der Nähe der roten Riesensonne Braque 55 aus dem Zwischenraum herausfiel, wurde die Ortung auf Hochtouren geschaltet. Mehrere Sonden wurden abgeschossen, darunter auch die einzige Sandström-Sonde, über die die NEPTUN verfügte und deren Einsatz gut überlegt werden musste.

»Allen bisherigen Erkenntnissen nach können die Sandström-Sonde weder von den Fulirr noch von sonst wem angemessen werden und uns durch verräterische Emissionen in Schwierigkeiten bringen«, erklärte Wong, der die Stunden während der letzten Sandström-Passage dazu genutzt hatte, sich zusammen mit Lieutenant Edna Kwon, der Leitenden Ingenieurin des Schiffs, so eingehend wie möglich mit den technischen Möglichkeiten der Sandström-Sonden vertraut zu machen. Edna Kwon war eine glühende Anhängerin der Humanity First-Bewegung, die dafür eintrat, der Menschheit ihren gebührenden Platz in der Galaxis zu sichern. Zwar traten die Humanity First-Anhänger seit langem dafür ein, im Krieg der Fulirr gegen die K'aradan die Seiten zu wechseln, da man Letztere auf Grund ihrer rein äußerlichen Ähnlichkeit zu den Menschen als eine Art Bruderspezies betrachtete, aber dass die Menschheit jetzt K'aradan-Technik verwendete, war Kwon dann doch ein Dorn im Auge. Für sie war das wohl eine Frage der Ehre.

Die Sandström-Sonde wurde auf Wongs Befehl schließlich abgeschossen.

In ein paar Stunden hatte sie auf 0,4 LG beschleunigt, verschwand im Sandström-Raum und würde dort nach eventuell herannahenden Einheiten der Fulirr Ausschau halten, die im Begriff waren, das System von Braque 55 anzufliegen.

Die Aufrechterhaltung des Kontakts zur Sonde oblag dem Kommunikationsoffizier, während die Daten der Sonde vom Ortungssystem verarbeitet wurden.

Weitere Stunden vergingen, ehe die NEPTUN schließlich in einen Orbit um den einzigen, aus der All-Perspektive einem gigantischen schmutzigen Schneeball von anderthalbfachem Erdvolumen gleichenden Planeten einschwenkte.

Braque 551 lautete die offizielle Bezeichnung, wie sie in den Sternkatalogen sowohl des Olvanorer-Ordens als auch des Space Army Corps verzeichnet war. Eine Welt, die noch nie irgendeine wesentliche Rolle gespielt hatte – weder für Ontiden noch für die Menschheit oder sonst irgendwen.

Aber das hatte sich vor kurzem vielleicht geändert...

Unter den Besatzungsmitgliedern hatte Braque 551 sehr schnell einen einprägsameren Trivialnamen

verpasst bekommen.

Schneematsch.

So lautete die Bezeichnung, die sich sehr schnell für diese Welt eingebürgert hatte, deren Eigenrotation mit einer Periode von 170 Sol-Tagen etwa halb so lang wie ein planetarer Umlauf war. Trotz anderthalbfachen Erdvolumens betrug die Schwerkraft nur einen Wert von 0,98 g, was damit zusammenhing, dass die Konzentration an schwereren Elementen und die mittlerer Dichte verglichen mit der Erde weitaus geringer war. Der Metallkern von Schneematsch wies nur eine halb so große Dichte wie der Metallkern der Erde auf. Die Temperaturen im Inneren waren mit weniger 500 Grad Celsius beinahe als vergleichsweise kalt zu bezeichnen. Die vulkanische Aktivität war bereits vor ein paar hundert Millionen Jahren zum Erliegen gekommen.

»Ich orte eine sehr schwache Energiesignatur«, meldete Lieutenant Batista. »Sie scheint auf ähnliche Weise abgedämpft zu werden, wie es bei den Signalen des Sandström-Senders der Fall gewesen ist.«

»Also Fulirr-Technik?«, vergewisserte sich Wong.

Batista nickte. »Der Bordrechner gibt dafür eine Wahrscheinlichkeit von fast 70 Prozent an. In der Tat weisen einige Fragmente dieser Signaturen sehr starke Ähnlichkeit mit Strukturen auf, die wir von Raumschiffen oder technischen Anlagen der Fulirr kennen.«

»Lassen sich diese Signaturen auf dem Planeten genauer lokalisieren?«, hakte Wong nach und erhob sich dabei von seinem Kommandantensitz.

Batista nahm ein paar Schaltungen an seiner Konsole vor.

Daraufhin teilte sich der Panoramaschirm. Während zwei Drittel weiterhin von einer Nahansicht des Planeten Schneematsch eingenommen wurden, sah man auf dem letzten Drittel eine schematische Darstellung dieser Welt in Form eines kugelförmigen Gitternetzes. Die wichtigsten

Oberflächenstrukturen wurden markiert. Ein roter, blinkender Punkt markierte den Ursprungsort der Singnatur.

»Dort ist es«, sagte Batista.

Wenig später ließ sich die Signatur nicht mehr aufzeichnen.

»Ich schlage das Absetzen von Marines vor!«, meinte Lieutenant Mayer.

Wong nickte. »Daran habe ich auch schon gedacht. Allerdings würde ich dazu gerne erst genauer wissen, womit wir es zu tun haben.«

Er ordnete an, Vorbereitungen für die Landung einer Gruppe von Marines zu treffen. Aber mit dem Aussetzen einer Fähre wollte er warten, bis die NEPTUN das Zielgebiet während ihrer Umkreisung des Planeten überflog. Dann erst war es nämlich möglich, wirklich exakte Ortungsergebnisse von der Oberfläche zu bekommen. Insbesondere von den Ergebnissen des Infrarotscans versprach sich Wong viel.

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»DIE TEMPERATUR DER Außenhülle wird nicht über die Grenzwerte steigen, sofern wir innerhalb des Nebels nicht eine Geschwindigkeit von 0,3 LG überschreiten«, erklärte Lieutenant John Taranos.

Der Rudergänger der STERNENKRIEGER hatte in den letzten Stunden immer wieder Kurskorrekturen vorgenommen und den Leichten Kreuzer in den Gasnebel hineingesteuert, der Alpha Picus umkreiste.

Die Anzeige auf dem großen Panoramaschirm war auf den Infrarotmodus geschaltet worden.

Der erdmondgroße Himmelskörper, der Wurmloch Alpha verlassen hatte, war deutlich zu erkennen. Auf einer schematischen, scheinbar dreidimensionalen Positionsübersicht war darüber hinaus auch die Lage von Shuttle SACB 567 III zu sehen, mit dem sich Professor von Schlichten gefährlich nahe an das Wurmloch heranbegeben hatte.

Von Schlichten hatte offiziell um die Unterstützung der STERNENKRIEGER bei einer Landung auf dem Objekt X genannten Himmelskörper gebeten, die die Herkunft von Sandström-Funksignalen klären sollte.

Commodore Soldo hatte inzwischen grünes Licht für die Mission gegeben, sofern die Sicherheitsrisiken nicht unvertretbar hoch waren. Aber die Ausbrüche sehr energiereicher fünfdimensionaler Strahlung waren in den letzten Stunden deutlich seltener und in ihrer Intensität auch schwächer geworden, wie sowohl die mit Hilfe des neuen Ortungssystems durchgeführten Messungen eindeutig belegten.

Somit kam es auch nur noch vereinzelt zu kleineren thermischen Reaktionen innerhalb der Gasmassen des Nebels.

Sowohl von Schlichten als auch Professor Metz interpretierten diese Entwicklung als ein deutliches Zeichen dafür, dass sich Wurmloch Alpha nun stabilisierte.

»Ein Funkspruch von Shuttle SACB 567 III!«, meldete Lieutenant Jamalkerim.

Auf einem Nebenschirm erschien Yasuhiro von Schlichtens hageres Gesicht. An einer Anzeige im linken unteren Bildrand des Nebenschirms war ersichtlich, dass dieselbe Nachricht im Konferenzmodus auch zur gleichen Zeit an Professor Metz gesandt wurde.

Ich kann mir vorstellen, dass es ihm alles andere als angenehm war, ausgerechnet die Besatzung der

STERNENKRIEGER um Unterstützung bitten zu müssen!, überlegte Rena.

»Hier noch mal von Schlichten mit einem Zwischenbericht!«, meldete sich der Wissenschaftler. »Shuttle III hat jetzt Objekt X erreicht. Wir sind im Begriff, in einen Orbit einzuschwenken. Die Austrittsgeschwindigkeit von Objekt X war mit 0,002 LG ohnehin sehr gering und wird auf Grund der Gasmassen noch weiter und sehr rapide abgebremst. Wegen der Reibung dieser Gase mit der Oberfläche kommt es dort teilweise zu thermischen Reaktionen. Die dadurch ausgelösten Turbulenzen erschweren eine Ortung.«

»Gehen Sie davon aus, dass diese Turbulenzen von Dauer sein werden?«, erkundigte sich Professor Metz, dessen Gesicht jetzt in einem Teilfenster des Nebenbildschirms erschien.

Von Schlichten schüttelte den Kopf. »Nein. In etwa fünf Stunden dürften sie ein Niveau erreicht haben, dass uns eine Landung erlaubt. Bis dahin werden wir Objekt X auch bereits einmal mit dem Shuttle umrundet haben, sodass wir ein vollständiges Bild der Oberfläche erhalten.« Von Schlichten machte eine kurze Pause und wandte sich dann ausdrücklich an Rena. »Captain Sunfrost, Sie bekommen jetzt einen aktualisierten Datenstrom.«

»Danke. Wir werden in etwa sechs Stunden den Orbit von Objekt X erreichen«, erklärte Rena.

»Sie werden uns dann nicht mehr im Orbit finden, Commander. Bis dahin haben wir einen geeigneten Landeplatz ermittelt und befinden uns im Landeanflug. Es wäre schön, wenn Sie ebenfalls ein Außenteam schicken würden.«

»Das ist von Commodore Soldo bereits genehmigt«, erklärte Rena.

»Ich nehme an, Sie werden unter anderem Bruder Guillermo mit dieser Mission betrauen«, vermutete von Schlichten.

»Er hat zweifellos die besten Qualifikationen dafür!«, stellte Rena klar. »Bruder Guillermo wird unter anderem von Lieutenant Kronstein und Lieutenant Erixon begleitet werden.«

»Einverstanden. Hauptsache, es ist jemand dabei, der sich mit Exotechnik auskennt, denn damit haben wir es zweifellos zu tun.«

»Lieutenant Erixon hat darin eine Zusatzausbildung absolviert«, sagte Sunfrost.

Bruder Guillermo, der sich inzwischen fast rund um die Uhr auf der Brücke aufhielt, meldete sich nun zu Wort. »Wir haben die eigenartigen Sandström-Signale, die aus dem Inneren von Objekt X stammen mit allen bisher in den Archiven gespeicherten Signalformen verglichen.«

»Und?«, fragte von Schlichten ziemlich barsch, was den Christopherer für einen Moment etwas verunsicherte. Er verhaspelte sich und musste zweimal seinen Satz neu beginnen, ehe er schließlich herausbrachte, was er zu sagen hatte.

»Die aufgezeichneten Signalformen ähneln keinem bisher bekannten Muster.«

»Vor zehn Jahren, als sich das Wurmloch zuletzt schloss, kehrten nicht alle menschlichen Siedler, die bis dahin die Passage nach Trans-Alpha mitgemacht hatten, von dort zurück«, gab von Schlichten zu bedenken. »Könnte es nicht sein, dass die Installierung dieses Senders vielleicht auf diese Leute zurückgeht?«

»Es ist definitiv kein menschliches Signalsystem, zumindest keines, das bisher schon einmal verwendet wurde«, erklärte Bruder Guillermo im Brustton der Überzeugung. »Ich habe gerade diesen Punkt genauestens überprüft. Wenigstens eine Übereinstimmung von einzelnen Signalsequenzen hätten sich dann zwangsläufig ergeben müssen – und das auch unter der Voraussetzung, dass die Trans-Alpha-Siedler sich erheblich weiterentwickelt hätten und vielleicht heute einen leicht veränderten Kommunikationscode verwenden würden.« Bruder Guillermo schüttelte heftig den Kopf. »Aber es gibt ein anderes Ergebnis meiner Analysen, das Sie interessieren dürfte.«

»Spannen Sie mich nicht auf die Folter!«, forderte von Schlichten schroff. »Was ist es?«

»Die chemische Veränderung des Oberflächengesteins entspricht jener, wie sie etwa bei dem von Picus Major II stammenden Gestein zu finden ist, aus dem der Palast des K'aradan'schen Fürstgouverneurs von Assano erbaut wurde. Das könnte auch der Grund dafür sein, weshalb uns das Signal dieses Senders nur in verstümmelter Form erreichte.«

Von Schlichten nickte langsam.

»Ein interessanter Nebenaspekt, Bruder Guillermo. Ansonsten freue ich mich über Ihre Unterstützung und erwartete Sie auf der Oberfläche von Objekt X.«

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STUNDEN SPÄTER ERREICHTE die STERNENKRIEGER den mondgroßen Himmelskörper. Die Objekt X umgebenden Gasmassen behinderten die optischen Systeme, aber es war inzwischen genug von der Oberfläche zu erkennen, um einigermaßen deutliche Bilder auf den Hauptschirm zu bekommen.

In mehr oder minder regelmäßigen Abständen hatte ein Datenstrom von Shuttle SACB 567 III die STERNENKRIEGER erreicht. Oft genug meldete sich von Schlichten dann gleich darauf über Funk, um mit Bruder Guillermo ein paar Hypothesen auszutauschen. Inzwischen hatte das Shuttle Objekt X einmal ganz umrundet, sodass nun ein vollständiger Satz von Oberflächendaten vorlag.

Als die STERNENKRIEGER in einen stabilen Orbit einschwenkte, befand sich von Schlichtens Shuttle bereits im Landeanflug.

Er und Dr. Xandra Dominguez blieben jetzt in permanentem Kontakt sowohl mit der STERNENKRIEGER als auch mit Professor Metz.

Als Landeplatz war eine Position festgelegt worden, die fast dreihundert Kilometer nördlich des Äquators lag. Von Schlichten glaubte, dort einen Zugang zu einer subplanetaren Anlage entdeckt zu haben. Genau ließ sich das natürlich erst nach der Landung überprüfen.

Das von Sunfrost zusammengestellte Außenteam für die Fähre L-1 stand unter dem Kommando von Lieutenant Kronstein. Außer Bruder Guillermo nahm daran auch der Leitende Ingenieur Lieutenant Simon E. Erixon teil. Als zweiter Techniker war Fähnrich Clayton Gomes dabei, da von Schlichten ausdrücklich um einen weiteren Techniker gebeten hatte.

Darüber hinaus wurde auch die Schiffsärztin Dr. Simone Nikolaidev in Ermangelung eines Exobiologen dem Landeteam zugeteilt. Dort, wo es technische Systeme wie einen Sandström-Sender gab, musste es schließlich auch Leben geben.

Zumindest in der Vergangenheit.

Möglicherweise ließen sich genetische Spuren sichern und auswerten.

Zum zehnköpfigen Außenteam gehörten außerdem noch die Marines Kelleney, Levoiseur und Terrifor sowie Yakuf Bogdan als Pilot.

»Landefähre L-1 wird ausgeschleust«, meldete Lieutenant Jamalkerim. »Ein Dauerpeilsignal ist ebenso aktiviert wie ein permanenter Transfer der Ortungsdaten.«

»Gut«, murmelte Sunfrost.

»Wir erhalten jetzt außerdem einen permanenten Datentransfer von Professor von Schlichtens Shuttle, dass sich bereits im Tiefflug über der Oberfläche befindet!«, fuhr Jamalkerim fort.

»Auf den Hauptschirm damit«, befahl Rena.

Die Ansicht der pockennarbigen Oberfläche von Objekt X, die die optischen Sensoren der STERNENKRIEGER bis dahin auf den Hauptschirm der Brücke übertragen hatten, wurde jetzt durch die Übertragung der Audiodaten ersetzt, die von Professor von Schlichtens Shuttle stammten.

Der Wissenschaftler steuerte die Raumfähre dicht über der zerklüfteten Oberfläche, deren Eintönigkeit nur durch die wenigen Eisflächen und einige Gebirgszüge unterbrochen wurde. Was die Eisflächen betraf, so ergab die Spektralanalyse, dass es sich um ein Gemisch von Wasser- zu Trockeneis in einem Verhältnis von 3:1 handelte.

»Ehrlich gesagt, wusste ich gar nicht, dass von Schlichten ein so guter Pilot ist«, kommentierte Lieutenant John Taranos die Bilder mit einer guten Portion ehrlicher Bewunderung.

»Scheint ein regelrechtes Multitalent zu sein!«

Rena reagierte nicht weiter auf Taranos' Statement.

Stattdessen verfolgte sie fasziniert die Bilder vom Landeanflug des Shuttles.

»Wir erreichen jetzt die Koordinaten, an denen ich bereits bei der Umkreisung von Objekt X die Legierung Taranit orten konnte«, meldete sich von Schlichten. »Die Ontiden verwenden sie beim Bau von Raumschiffen und zur Errichtung von Kolonien auf für sie lebensfeindlichen Welten.«

Rena wies Lieutenant Jamalkerim an, einen Funkkanal zu öffnen und fragte wenig später an den Wissenschaftler gerichtet: »Könnte es sich bei der von Ihnen vermuteten subplanetaren Station um eine Hinterlassenschaft der Ontiden handeln?«

»Möglich wäre das«, bestätigte von Schlichten. »Allerdings wird Taranit auch von den K'aradan benutzt – und das – so weit wir wissen – bereits seit mindestens tausend Jahren. Davon abgesehen unterscheidet sich das hier verwendete Taranit ganz erheblich in Struktur und Zusammensetzung von den heute üblichen Modifikationen dieses Stoffes.«

Von Schlichtens Gesicht erschien auf einem Bildfenster des Hauptschirms. »Ich weiß, worauf Sie hinauswollen, Captain.«

Rena hob die Augenbrauen. »So?«

»Vor zehn Jahren sind auch ontidische Schiffe durch Wurmloch Alpha gegangen, und Sie vermuten jetzt, dass Objekt X in irgendeiner Verbindung dazu steht.«

»Ist das so abwegig, Professor?«

»Ich muss Sie enttäuschen. Eine erste Isotopenanalyse des Taranits hat ergeben, dass es etwa 2500 Jahre alt sein muss. Plusminus hundert Jahre. Aber das werden wir noch näher eingrenzen können, wenn wir erst vor Ort sind. Jedenfalls wurde dieses Taranit auf keinen Fall von jenen Ontiden hinterlassen, die 2241 nach Trans-Alpha gelangten.«

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VON SCHLICHTEN LANDETE mit seinem Shuttle unweit einiger Felsmassive, von denen das größte etwa zweihundertfünfzig Meter emporragte, während die meisten eine Höhe von sechzig Metern nicht überschritt.

»Lassen Sie uns aussteigen und schon mal ein paar Analysen durchführen, bis die Unterstützung von der STERNENKRIEGER eintrifft!«, wandte sich von Schlichten an Dr. Xandra Dominguez.

Beide legten Standard-Raumanzüge des Space Army Corps an und traten wenig später durch die Luftschleuse ihres Shuttle ins Freie.

Die Außensensoren der Fähre lieferten davon bewegte Bilder, die zu Professor Metz auf Space Army Corps Base 567, die STERNENKRIEGER und die L-1 gefunkt wurden.

Von Schlichten und Dominguez bewegten sich hüpfend in Richtung der gut zweihundert Meter entfernt gelegenen Stelle, an der sie zuvor Taranit geortet hatten. Diese Fortbewegungsart war in Anbetracht der geringen Schwerkraft von 0,32 g die effektivste Möglichkeit voranzukommen. Beide Wissenschaftler hatten offensichtlich schon Erfahrung mit dem Einsatz auf Himmelskörpern

mit derart geringer Anziehungskraft und dementsprechend keinerlei Schwierigkeiten damit.

Xandra Dominguez blickte auf ihr Ortungsgerät, schwenkte es etwas herum und scannte damit die Umgebung.

Anschließend richtete sie es auf eine Felswand, die zu einem etwa fünfzig Meter aus dem staubigen Boden herausragenden Block bestand. Sie aktivierte einen Laserpointer, dessen Strahl auf der Felswand herumtanzte.

»Hier ist es!«, stieß sie hervor. »Reinstes Taranit. Allerdings in einer Zeit hergestellt, die schon lange zurückliegt.«

»Der Eingang zu einer subplanetaren Anlage!«, stand für von Schlichten fest. Auch er trug ein Ortungsmodul bei sich.

»Was ist mit Bio-Impulsen?«, wandte er sich schließlich an Dominguez.

»Bei mir bis jetzt negativ«, meinte Dominguez. »Und bei Ihnen?«

»Dasselbe. Aber mir scheint, dass es hier irgendeine Schicht gibt, die nicht nur diesen Sandström-Sender stark dämpft, sondern auch eine effektive Ortung verhindert!«

Von Schlichten trat an die Felswand heran. Auf den ersten Blick war das Taranit nicht zu erkennen. Zu dick waren die Ablagerungen, die sich im Laufe der Zeit auf der eigentlichen Metallplatte gelegt hatten.

Es mussten Jahrtausende vergangen sein, seit dieses Taranit-Bauelement im Fels befestigt worden war.

Dahinter befand sich ein Hohlraum. Wahrscheinlich ein Schacht, der in die Tiefe führte.

»Ich hoffe, Sie haben eine Idee, wie wir in diese Anlage hineingelangen!«, meinte von Schlichten.

»Ich kann eine Signatur von minimaler Signalstärke orten«, stellte Dominguez fest. Sie wanderte mit dem Erfassungskegel ihres Scanners ein Stück den Felsen entlang und richtete ihr Ortungsmodul schließlich auf eine Stelle, die etwa in Augenhöhe lag. »Das ist genau hier!«

»Analyse?«

»Es handelt sich um ein Rechnersystem mit Speichermedium, das physikalisch gesehen nach ganz anderen Gesichtspunkten arbeitet als unsere Computer.«

»Wahrscheinlich um die Funktionen eines Schlosses zu verwalten«, glaubte von Schlichten.

»Richtig. Aber jetzt kann ich das Signal nicht mehr anmessen. Die Anlage scheint tot zu sein.«

Details

Seiten
Erscheinungsjahr
2018
ISBN (ePUB)
9783738916768
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Juni)
Schlagworte
folge chronik sternenkrieger doppelband

Autor

  • Alfred Bekker (Autor:in)

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Titel: Folge 11/12 - Chronik der Sternenkrieger Doppelband