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Neal Chadwick Western - Brigade der Desperados

von Alfred Bekker (Autor:in)
©2018 140 Seiten

Zusammenfassung

Brigade der Desperados
Western-Roman von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 140 Taschenbuchseiten.

Sein Name war Jesse Connor, und er war auf der Durchreise. Es hielt ihn nicht lange an einem Ort. Die letzten Monate war er eigentlich ständig auf Wanderschaft gewesen. Vor Jahren hatte er in Texas eine Ranch besessen. Aber dann war der Bürgerkrieg gekommen...

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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Brigade der Desperados

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Western-Roman von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 103 Taschenbuchseiten.

Sein Name war Jesse Connor, und er war auf der Durchreise. Es hielt ihn nicht lange an einem Ort. Die letzten Monate war er eigentlich ständig auf Wanderschaft gewesen. Vor Jahren hatte er in Texas eine Ranch besessen. Aber dann war der Bürgerkrieg gekommen...

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Copyright

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author /Titelbild Firuz Askin

© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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Die Sonne hatte den ganzen Tag über wie ein Glutofen auf die Erde herabgebrannt. Jetzt hatte sie an Kraft verloren und war milchig geworden.

Die Dämmerung würde bald einsetzen.

Der Reiter, der an diesem Tag nach Lordsburg kam, war über und über mit Staub bedeckt. Er hatte einen langen, weiten Ritt hinter sich.

Vermutlich war er wochenlang unterwegs gewesen. Seine Wangen waren von Barthaaren überwuchert.

Sein Name war Jesse Connor, und er war auf der Durchreise.

Es hielt ihn nicht lange an einem Ort. Die letzten Monate war er eigentlich ständig auf Wanderschaft gewesen. Vor Jahren hatte er in Texas eine Ranch besessen. Aber dann war der Bürgerkrieg gekommen.

Fanatische Anhänger der Konföderierten hatten ihm das Dach über dem Kopf angezündet, weil sie ihn bezichtigten, mit der Union zu sympathisieren.

Connor hatte sich aus dem Krieg herausgehalten, weil er fand, dass ihn die Sache nichts anging. Er hatte keine Lust, für ein paar Sklavenhalter in die Schlacht zu ziehen.

So war er nach Westen gegangen.

Der Krieg war nun längst zu Ende.

Connor ließ seinen Blick über die Häuserreihen zu beiden Seiten der belebten Main Street gleiten. Dann lenkte er seinen Gaul auf den ersten Saloon zu, der ihm unter die Augen kam.

Er hatte eine verdammt trockene Kehle.

Ein Whisky, dachte er.

Und dann ein heißes Bad und nach langer Zeit wieder ein richtiges, weiches Bett!

Er stellte sein Pferd zu einem Dutzend anderen, machte es mit einer flüchtigen Bewegung fest und klopfte sich dann etwas den Staub von den Kleidern.

Aber das nützte nicht viel.

Einen Augenblick später ließ er die Schwingtüren des Saloons auseinanderspringen und trat in den Schankraum.

Zänkisches Stimmengewirr drang an seine Ohren.

An der Theke lachte jemand laut und irgendwo stieß eines der Animiermädchen einen spitzen, schrillen Schrei aus.

Connor ging zum Schanktisch und wandte sich an den Barkeeper, einen kleinen, hageren Mann mit Knebelbart.

"Whisky?", fragte er.

Connor nickte.

"Ja."

Das Glas wurde auf die Theke geknallt und der braune Saft hineingegossen.

"Haben Sie ein Zimmer?", fragte Connor dann. "Und ein heißes Bad?"

Der Barkeeper kniff die Augen etwas zusammen und musterte Connor misstrauisch.

"Können Sie das denn auch bezahlen?"

"Kann ich."

"Dann tun Sie es im Voraus."

"Kein Problem."

Connor wusste, dass seine Kleidung bei dem langen Ritt sehr gelitten hatte und dass er im Augenblick einen etwas abgerissenen Eindruck machte. Er verübelte dem Keeper seine Frage also nicht.

Aber auf die Dauer konnte es nicht schaden, wenn er sich bei Gelegenheit ein neues Hemd zulegte...

Dann stieß ihn plötzlich einer an. Connor blickte sich um und dann sah er dass das kein Versehen gewesen war, sondern Absicht.

"Hey, du!"

"Was ist?"

Connor blickte in ein braungebranntes Gesicht, in dessen Mitte ein hellblonder, buschiger Schnurrbart stand.

"Du bist Texaner, nicht wahr?"

"Was geht dich das an, woher ich komme, Hombre?"

"Streite es nicht ab! Deine Sprache verrät dich! Das habe ich gleich gedacht, als du hier den Whisky bestellt hast! Und dann habe ich draußen bei den Pferden nachgesehen! Dein Sattel kommt auch aus Texas!"

Connor bemerkte, wie einige der Männer sich jetzt zu ihm umwandten.

Eine gespannte Stille war auf einmal entstanden. Die Männer kümmerten sich weder um die Saloongirls, noch um ihre Karten, oder die halbleeren Whisky-Gläser, die sie vor sich hatten.

Das, was da vor sich ging, hörte sich nach Streit an. Und so ein Streit war allemal interessanter als alles, was der Saloon sonst noch zu bieten hatte.

"Du verdammter Konföderierter!", rief der blonde Schnauzbart wütend. Und sein Gesicht verzog sich dabei zu einer grimmigen Maske. Connor bemerkte, wie die Nasenflügel seines Gegenübers zu beben anfingen.

Der Fremde runzelte ein wenig die Stirn.

Er hatte nicht die geringste Ahnung, in welches Wespennest er da getreten war.

So sagte er sachlich: "Der Krieg ist vorbei, Mister. Aus und vorbei. Und ich finde, so sollte jeder über die Sache denken."

"Schön, wenn es so wäre!", meinte der Schnauzbart dann.

"Aber es scheint Leute zu geben, die anderer Meinung sind!"

"Das verstehe ich nicht!"

"Leute, die den Krieg auf eigene Faust weiterführen wollen!"

Connor dachte an die Guerilla-Banden, die es im Krieg gegeben hatte, sowohl auf konföderierter, wie auf Unions-Seite. So war Kansas-City beispielsweise mehrfach von den Banden beider Seiten geplündert worden.

Und dann waren da die Reynolds-Brüder in Colorado...

Aber hier, so weit südlich, nahe der Grenze zwischen New Mexico und Arizona?

Davon hatte er bisher noch nichts gehört.

"Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst!", meinte er. "Ich bin gerade erst in Lordsburg angekommen und war wochenlang in der Wildnis unterwegs."

"So?", höhnte der Schnauzbart. "Willst du etwa auch behaupten, dass du den Major und seine Bande nicht kennst?"

"Welchen Major?"

"Major Henry Roscoe."

Die Nennung dieses Namens sagte Connor nichts.

Sein Gesicht drückte Unverständnis aus. Er zog die Augenbrauen in die Höhe.

"Was ist mit diesem Major?"

"Er führt eine Bande von Männern an, für die dieser Krieg noch nicht zu Ende ist! Die Polizei der Union hat sie aus Texas hinausgeworfen und jetzt führen sie hier ihr Unwesen!", meldete sich ein anderer Sprecher, dessen Stimme wesentlich freundlicher klang. "Sie geben vor, für die Ideale der Konföderierten zu kämpfen, aber in Wahrheit sind sie wohl in erster Linie einfache Plünderer, die unter der Flagge der Südstaaten reiten!"

Der Schnauzbart kniff die Augen zusammen. Dann hob er seine Hand und deutete auf Connor.

"Dieser Mann will uns wohl für dumm verkaufen!", schimpfte er. "Er ist Texaner! Und viele von Roscoes Leuten sind ebenfalls Texaner!"

"Das muss nichts heißen!", meinte jemand anderes.

"Nein? Ich behaupte, dass dieser Kerl dazugehört!"

Jetzt war es also heraus.

Connor blieb ruhig und gelassen, während der Schnauzbart sich kaum noch beherrschen zu können schien.

Connor stellte sein Glas ab. Er sah den Revolver an der Seite seines Gegenübers.

"Diese Hunde haben meine Farm niedergebrannt, weil ich nicht zahlen konnte!", schimpfte er. "Wir hatten eine schlechte Ernte, ich hatte nichts! Meinen Sohn haben sie einfach über den Haufen geschossen. Und meine Tochter wurde vergewaltigt! Sie hat sich nie wieder davon erholt." Sein Blick ging nach innen, seine Hände waren grimmig zu Fäusten geballt. "Sie ist schwachsinnig geworden", murmelte er. "Sie sitzt teilnahmslos da und spricht wirres Zeug. Aber sie war mal eine aufgeweckte junge Frau..."

Tränen des Zorns rannen ihm über die Wangen. Er wischte sie hastig fort, und dann ging seine Hand zur Seite, dorthin, wo sein Revolvergriff aus dem Holster ragte.

Sein Gesicht war eine Maske aus Hass und Schmerz geworden.

"Wehr dich, Texaner!"

"Was diese Kerle mit deiner Familie getan haben, tut mir Leid. Ich versichere dir, dass ich nichts mit dieser Sache zu tun habe, Amigo!"

"Nenn mich nicht Amigo, sondern zieh!"

Connor drehte sich nun vollständig herum. Die anderen Männer wichen ein wenig zur Seite.

Wenn geschossen wurde, wollten sie nicht das Opfer irgendeiner verirrten Kugel werden.

"Brody! Lass es gut sein!", meinte der Barkeeper. "Du kannst nicht beweisen, dass dieser Mann zu der Bande gehört! Oder erkennst du ihn etwa wieder?"

Brody achtete nicht auf den Keeper.

Er stand da, wie ein wilder Stier, der mit den Vorderhufen im Sand scharrt, bevor er zu einem Sturmlauf ansetzt, bei dem ihn niemand mehr aufzuhalten vermag.

"Sei vernünftig, Hombre!", meinte Connor. "Ich möchte dich nicht gerne erschießen - und ich tue es auch nur, wenn du mir keine andere Wahl lässt!"

Connor verengte ein wenig die Augen.

Er wusste, dass das alles für den Wind gesprochen war. Brodys gesamter Körper war angespannt. Jeder Muskel, jede Sehne...

Connor wusste, dass es jetzt auf des Messers Schneide stand.

Dieser Mann war zu allem entschlossen. Er hatte soviel erlitten, dass er keine Furcht und keine Vorsicht mehr kannte.

Er war bereit, in den Tod zu gehen, weil ihm sein eigenes Leben nicht mehr viel zu bedeuten schien. Und gerade das machte ihn so gefährlich.

Einige Sekundenbruchteile lang geschah überhaupt nichts.

Man hätte eine Nadel auf die ungehobelten Fußbodenbretter des Saloons fallen hören können.

Dann legten sich Brodys Finger um den Coltgriff.

Er riss die Waffe heraus und brachte sie in Anschlag. Wenn man bedachte, dass er kein Revolvermann, sondern ein einfacher Farmer war, dann war er sogar ziemlich schnell.

Aber nicht schnell genug.

Blitzartig hatte Connor seine eigene Waffe aus dem Holster gezogen, den Hahn gespannt und sofort gefeuert.

Connor war ein sicherer Schütze.

Und nur diese Tatsache war es, die es ihm gestattet hatte, so lange zu warten, ohne die Nerven zu verlieren und als Erster zu ziehen, worauf Brody es angelegt hatte.

Brody schrie ärgerlich auf. Seine Waffe polterte zu Boden und der Farmer hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Hand.

Connor steckte den Revolver wieder ein.

"Du verdammter Hund!", zischte Brody.

"Du hast Glück, dass du an mich geraten bist!", erklärte Connor. "Ein schlechterer Schütze hätte dir vielleicht nicht nur den Revolver aus der Hand gefeuert, sondern dich ins Jenseits geschickt!"

In diesem Moment flogen die Saloontüren auseinander und ein dunkel gekleideter Mann trat ein. Er trug eine Schleife um den Hals und einen Sheriffstern an der Brust, der sich von seiner dunklen Jacke gut abhob.

Der Schuss musste den Gesetzeshüter aufgescheucht und hier her gelockt haben.

"Was war hier los?", fragte er streng.

Er klemmte sich die Daumen hinter die blinkende Schnalle seines Revolvergurts.

"Brody meinte, dass dieser Texaner hier zur Bande des Majors gehört und hat gegen ihn gezogen!", meldete sich der Barkeeper, der von allen Anwesenden die flinkeste Zunge zu haben schien.

Der Sheriff ließ den Blick von Brody zu Connor schweifen.

Er trat an Connor heran.

"Sie haben ihn absichtlich nur an der Hand getroffen?"

"Ja."

"Sie scheinen ein guter Schütze zu sein, Mister..."

"Connor. Jesse Connor."

Der Sheriff nickte.

"Mein Name ist Lemieux. Und es ist meine Aufgabe, hier für Recht und Ordnung zu sorgen."

"Sieht man. An Ihrem Abzeichen."

"Wir haben hier jede Menge Ärger zur Zeit, Mr. Connor..."

"Ich habe schon davon gehört."

"Dann können Sie sich sicher denken, dass ich keine Lust habe, mich auch noch um Revolverleute wie Sie zu kümmern!"

"Ich glaube, Sie schätzen mich falsch ein, Sheriff!"

Er zuckte mit den Schultern.

"Mag sein oder nicht, Connor. Darauf kommt es nicht an."

"Worauf dann?"

"Ich möchte, dass Sie so schnell wie möglich aus Lordsburg verschwinden. Es liegt zwar nichts gegen Sie vor, aber ich glaube, dass das das Beste für alle Seiten wäre..."

"Hören Sie Sheriff, alles, was ich will ist ein Drink, ein heißes Bad und acht Stunden Schlaf in einem richtigen Bett."

"Meinetwegen. Aber morgen früh sind Sie verschwunden."

Connor nickte.

"Ich hatte ohnehin nicht vor, länger in Lordsburg zu bleiben."

"Um so besser, Mr. Connor. Um so besser!"

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Am Morgen stand Connor in aller Frühe auf. Er hatte keine Lust, mit dem Sheriff aneinander zu geraten.

Er verstand den Mann im übrigen.

Wenn er selbst an der Stelle des Sheriffs gewesen wäre, hätte er womöglich ähnlich gehandelt.

Und wenn es stimmte, was die Leute über diesen Major Roscoe und seine Bande erzählten, dann konnte er auch gut verstehen, dass sie allesamt offensichtlich auf Texaner nicht allzu gut zu sprechen waren und jeden von ihnen verdächtigten, ein Mitglied dieser berüchtigten Bande zu sein.

Bevor Connor aus der Stadt ritt, wandte er sich noch zum hiesigen Drugstore und klopfte den Kaufmann aus dem Bett.

Er war etwas ungehalten, aber als Connor dann sagte, dass er sich ein neues Hemd kaufen wollte, wirkte er schon versöhnlicher.

Connor wusste nicht, wann den nächsten Drugstore zu Gesicht bekommen würde. Und sein Hemd war wirklich schon ziemlich zerrissen.

Ein paar Vorräte und etwas Munition nahm er auch mit.

"Wohin wollen Sie?", erkundigte sich der Drugstore-Besitzer dann, während er alles zusammenrechnete.

"Weiß noch nicht genau", murmelte Connor. "Auf jeden Fall nach Westen. Tucson vielleicht."

"Dann passen Sie nur auf, dass Sie dieser verdammten Roscoe-Bande nicht in die Hände fallen!"

Connor lächelte.

"Deshalb habe ich ja meinen Vorrat an Munition aufgestockt!", erwiderte er.

Der Drugstore-Besitzer machte ein ernstes Gesicht.

"Bei Gott, ich hoffe nicht, dass Sie ihn brauchen!", meinte er. "Diese Bande besteht aus wahren Teufeln! Seit fast zwei Monaten schon ist nicht eine einzige Postkutsche von Tucson hier her durchgekommen!"

"Ich werde schon auf mich aufpassen!", meinte Connor.

Das neue Hemd zog Connor sogleich an. Den alten Fetzen, den er zuvor getragen hatte, überließ er dem Kaufmann.

"Hier!", meinte er. "Vielleicht brauchen Sie ja noch einen Putzlappen!"

Er bezahlte, nahm seine Sachen und saß wenig später im Sattel.

Der Großteil der Bürger von Lordsburg schlief noch, als Jesse Connor die Main Street entlang preschte, um schließlich in westliche Richtung aus der Stadt zu reiten.

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Die Reiter sammelten sich auf dem Kamm des Hügels und blickten hinab ins Tal. Sie waren zwei Dutzend gut bewaffnete Männer.

Finstere Kerle, Gesindel aus zehn verschiedenen Staaten.

Ein paar Mexikaner waren auch darunter.

Und dann war da noch eine Flagge.

Die Flagge symbolisierte etwas, das eigentlich nicht mehr existierte. Es war das Kriegsbanner der Konföderierten Staaten von Amerika.

Dutzende von Kugeln hatten feine Löcher in den Stoff gerissen.

Aber keine einzige dieser Kugeln war in einer Schlacht des amerikanischen Bürgerkrieges abgefeuert worden.

Und die meisten waren auch nicht aus den Waffen der Yankee-Blauröcke oder der Unions-Polizei abgeschossen worden, sondern stammte aus den Schießeisen einfacher Leute, die zumeist nichts weiter gewollt hatten, als ihre Familie und ihr Hab und Gut zu verteidigen...

Der Anführer dieses Trupps war ein finster wirkender Kerl mit einer Augenklappe. Als dann die Postkutsche über den Horizont kroch, ging ein Ruck durch seinen Körper.

Die Männer holten die Gewehre aus ihren Sätteln und luden sie durch.

Der Einäugige hob die Hand.

"Ihr wisst, was Ihr zu tun habt, Männer!", rief er.

Zustimmendes Gemurmel kam von den Kerlen. Sie wussten es tatsächlich. Für sie alle war es nicht der erste Überfall dieser Art.

In ihrer aller Augen blitzte es gefährlich. Ein furchtbarer Hunger war in ihren Gesichtern zu lesen.

Hunger nach Beute.

Und vielleicht sogar so etwas wie Mordlust.

"Diesmal ist eine Eskorte bei der Kutsche!", rief jemand.

Aber der Einäugige machte eine wegwerfende Geste.

"Wir sind in der Übermacht, Brian. Damit werden wir leicht fertig!"

"Hoffentlich hast du Recht, Valdez!"

Der einäugige Valdez grinste zynisch.

Er war überzeugt davon, dass er Recht behalten würde.

Wenig später war die Kutsche samt den Reitern, die sie begleiteten nahe genug heran und Valdez gab das Zeichen zum Angriff.

"Für die Konföderation!", rief er und ballerte in die Luft.

"Und für unseren Major!"

"Für den Major!", antworteten einige der anderen aus heiseren, rauen Kehlen. Und dann jagten sie in vollem Galopp den Hang hinunter.

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Die von dem einäugigen Valdez angeführte Reiterschar ritt einen wilden Sturmangriff.

Sie warteten nicht, bis sie die Postkutsche erreicht hatten, sondern feuerten sogleich drauflos.

Alles, was sich bewegte, war in der Gefahr, eine Kugel verpasst zu bekommen.

Sieben Mann ritten in Begleitung der Kutsche. Offenbar waren es freiwillige, die sich für diese gefährliche Aufgabe gemeldet hatten.

Sie rissen ihre Pferde herum und feuerten zurück. Aber zwei von ihnen waren bereits tot, bevor sie Gelegenheit dazu gehabt hatten, ihre Waffen herauszuholen und in Anschlag zu bringen.

Ein weiterer starb, noch bevor er seinen ersten Schuss abgegeben hatte.

Die Angreifer machten einen weiten Bogen und verteilten sich in verschiedene Richtungen. Es gab für die Postkutsche und ihre Beschützer kaum einen weg, der drohenden Gefahr auszuweichen.

Und zudem war weit und breit nichts zu sehen, was man als Deckung hätte verwenden können.

Zwei gezielte Schüsse holten den Kutscher und seinen Nebenmann oben vom Bock herunter. Die Pferde - halb verrückt von der Schießerei - gingen nach vorn durch und jagten in wildem Galopp davon.

Auch aus der Kutsche heraus wurde jetzt geschossen. Ein paar Mündungsfeuer zuckten und zwei der Banditen gingen getroffen aus den Sätteln.

Vier Reiter waren von der kleinen Eskorte noch übrig, davon hatte es einen bereits an der Schulter erwischt. Sie wehrten sich verzweifelt und jagten hinter der führerlosen Kutsche hinterher.

Aber auf Dauer hatten sie gegen diese Übermacht nicht die geringste Chance.

Einen nach dem anderen würden sie niedermachen.

Keiner würde am Leben bleiben, so war es bei allen Überfällen, die diese Bande zuvor verübt hatte, ebenfalls gewesen.

Die Männer der Eskorte und die Reisenden, die sich im Inneren der Kutsche befanden, wussten also, dass sie nichts zu verlieren hatten.

Schuss um, Schuss ging von einer Seite zur anderen.

Dann kam aus der Kutsche ein kurzer Schrei.

Der Arm, der zuvor noch eine Waffe fest umklammert gehalten hatte, erschlaffte und das Eisen viel hinaus ins Präriegras.

"Die Pferde!", rief der einäugige Valdez seinen Leuten zu.

"Feuert auf die Pferde von dieser verdammten Kutsche! Anders können wir sie nicht zum Stehen bringen!"

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Jesse Connor hörte Schüsse und Schreie und es war ihm sofort klar, dass sich hier ganz in seiner Nähe etwas Furchtbares zutragen musste.

Eine regelrechte Schlacht schien da im Gange zu sein, wenn er die Geräusche richtig deutete, die da an sein Ohr drangen.

Er zügelte kurz sein Pferd um genauer die Richtung zu bestimmen, aus der das Getöse kam.

Dann gab er dem Gaul die Sporen und jagte voran.

Als er den Kamm der nächsten Hügelkette erreicht hatte und den Hang hinabblickte, sah er, was geschehen war. Eine wilde Meute gieriger Steppenwölfe machte sich über eine Postkutsche her, die bereits keinen Fahrer mehr hatte.

Vier Reiter waren noch da, die die Kutsche offenbar zu verteidigen suchten. Einer von ihnen wurde gerade von einer ganzen Salve von Schüssen förmlich durchsiebt und kippte nach hinten aus dem Sattel.

Ein Fuß verfing sich in einem Steigbügeln so dass der leblose Körper noch ein paar Dutzend Meter über das trockene Gras geschleift wurde.

Ein anderer Verteidiger war bereits schwer getroffen konnte sich nur noch mit Mühe im Sattel halten. Er hielt seinen Colt fest umklammert und gab Schuss um Schuss ab.

Aber er richtete nichts mehr aus.

Die Bleikugeln gingen irgendwo ins Leere. Die Schüsse kamen zu ungezielt.

Die Banditen ballerten unterdessen auf die Pferde der Kutsche, die wild voranpreschten. Mit markerschütterndem Wiehern stolperten die getroffenen Tiere noch ein paar Schritte vorwärts, ehe sie dann endgültig strauchelten und zu Boden gingen.

Die Kutsche raste von hinten auf sie drauf. Ihre Räder zermalmten die Tiere unter sich. Das hässliche Geräusch brechender Knochen war zu hören.

Dann schlug das Gefährt zur Seite. Es verlor das Gleichgewicht und stürzte um, während die Taschen und Koffer im hohen Bogen vom Dach herunterfielen.

Jesse Connor überlegte für einen Sekundenbruchteil, was zu tun war. Sich als Einzelner gegen eine solche Bande zu stellen war fast schon selbstmörderisch, aber andererseits brauchten hier Menschen seine Hilfe, auf die wohl der sichere Tod wartete.

Connor bemerkte die Fahne, die im Wind wehte.

Es war das Südstaatenbanner. Das mussten die Leute dieses geheimnisvollen Majors sein, von dem die Leute in der Stadt gesprochen hatten.

Major Roscoe, für den der Krieg noch immer nicht zu Ende - und schon gar nicht verlieren war.

Als dann plötzlich Schüsse in seine Richtung donnerten, wusste Connor, dass er nun keine Wahl mehr hatte. Sie hatten ihn bemerkt und das hieß auch, dass sie ihn nicht am Leben lassen konnten.

Schließlich war er ein Zeuge.

Connor griff blitzartig zum Revolver und feuerte zurück.

Zwei der Kerle holte er auf Anhieb aus dem Sattel. Dann riss er sein Pferd herum und ritt in einem Bogen um die überfallene Kutsche.

Dabei hängte er sich bei seinem Pferd an die Seite, so dass er wenigstens ein bisschen Deckung hatte.

Pfeilschnell jagte er dann, während die Band versuchte, ihn aus dem Sattel zu holen.

Aber damit hatten sie zunächst einmal wenig Glück. Connor schoss nicht oft, aber wenn er eine Patrone verschwendete, dann traf er zumeist auch. Zwei weitere aus der Meute sanken getroffen zu Boden.

Connors plötzliches Auftauchen hatte den beiden verbliebenen Verteidigern Mut gemacht.

Aber die Hoffnung, die in ihnen aufzukeimen begonnen hatte, währte nicht lange. Ein paar Schüsse holten sie einen nach dem anderen aus den Sätteln.

Einer von ihnen humpelte getroffen noch ein paar Meter weiter und wollte sich offenbar bei der umgestürzten Kutsche in Deckung legen.

Zwei Kugeln fuhren ihm jedoch zuvor in den Rücken, ließen seinen Körper mit einem plötzlichen Ruck erstarren.

Dann ging er schwer zu Boden.

Connors sah, dass er jetzt offensichtlich allein gegen die Bande stand. Es schien keiner der Verteidiger überlebt zu haben. Und so gab es allem Augenschein nach auch niemanden mehr, dem er noch helfen konnte.

Er hatte sich in eine schlimme Lage hineingebracht und er wusste das auch.

Aber er war keineswegs bereits, sich geschlagen zu geben.

Er jagte weiter vorwärts, wobei er peinlich genau darauf achtete, den Banditen möglichst kein Ziel zu bieten.

Wieder holte er einen von ihnen aus dem Sattel und dann war sein Revolver leergeschossen. Er steckte ihn zurück ins Holster. An ein Nachladen war im Moment nicht zu denken, so wie er da seitlich im Sattel hing.

Und an die zwölfschüssige Winchester auf der anderen Seite des Gauls kam er jetzt nicht dran. Zumindest nicht, ohne dabei sein Leben zu riskieren.

Er trieb sein Pferd nach vorne.

Einige der Banditen hatten sich an seine Fersen geheftet.

Sie sahen nicht aus, als würden sie lockerlassen, ehe sie ihn nicht zur Strecke gebracht hatten. Schüsse krachten und Bleikugeln flogen ihm um die Ohren.

Dann spürte Connor, dass mit seinem Pferd etwas nicht stimmte. Offenbar war es von einem Geschoss erwischt worden.

Ein paar Schritte noch, dann ging es zu Boden.

Connor sprang zuvor ab, um unter dem Tierkörper nicht zerquetscht zu werden. Dann rollte er sich herum. Seine Waffe war leer. Es schien nichts mehr zu geben was ihn noch retten konnte.

Nichts.

Er rappelte sich auf und dann waren die Reiter auch schon heran. Connor blickte in finstere Gesichter. Hin und wieder sah er ein zynisches Grinsen um raue Lippen spielen.

Sie richteten ihre Waffen auf ihn.

"Revolver weg!", schnauzte einer von ihnen.

Connor schnallte den Gurt ab und warf ihn samt Schießeisen ins Gras.

Einer der Kerle richtete seine Waffe auf Connor und spannte den Hahn.

"Hey, Mac, wir können doch noch etwas Spaß mit ihm haben! Oder gönnst du uns das nicht?"

Die Waffe senkte sich um ein paar Grad.

Der Finger verstärkte den Druck auf den Abzug und dann krachte ein Schuss.

Die Kugel ging wenige Zentimeter von Connors Stiefelspitzen entfernt in den Boden.

Die Männer lachten rau.

Dann schwang einer von ihnen ein Lasso. Blitzschnell senkte sich die Schlinge über Connor und zog sich um seinen Oberkörper.

Connor sah in einen Mund mit schlechten Zähnen.

Ein teuflisches Grinsen spielte dort, das nichts Gutes verheißen konnte.

Ein Ruck und dann lag Connor unsanft im Gras. Die Männer schien das zu belustigen.

"Ich bekomme seinen Sattel!", hörte er irgendwo jemanden sagen. "Ein verdammt schönes Stück!"

Dann spürte Connor einen erneuten Ruck. Die Schlinge zog sich brutal um seinen Oberkörper und er wurde durch das Gras geschleift.

"Na, wie gefällt dir diese Art zu reisen, Hombre? Mal was Neues, was?"

Die Wölfe fanden das lustig und grölten laut herum.

Dann ritten sie hinterdrein und feuerten auf den geschundenen Connor, der noch immer über den Boden gezogen wurde.

Sie vermieden es allerdings, ihr Opfer auch zu treffen. Sie schossen immer knapp daneben. Schließlich wollten sie sich nicht vorzeitig den Spaß verderben!

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Schließlich erreichten sie die überfallene Kutsche und da war erst einmal Endstation. Connor keuchte. Sein gesamter Körper schmerzte und schien aus einer einzigen Schürfwunde zu bestehen.

"Heh, Valdez hier ist der Kerl!", meinte der Bandit, der Connor mit seinem Gaul hinter sich hergeschleift hatte.

"Gute Arbeit, Randy!", erklärte eine befehlsgewohnte Stimme. Connor machte die Augen schmal und sah in das Gesicht eines Einäugigen.

Der einäugige Valdez musterte Connor nachdenklich.

"Wie ich sehe, habt ihr euren Spaß gehabt Männer."

"Sollen wir ihn fertigmachen, Boss?"

"Ja, was sonst?"

Valdez wandte sich ab.

Dann drang zänkisches Stimmengewirr von irgendwoher heran.

Da schien ein handfester Streit im Gange zu sein.

Zwei Männer standen sich wie Stiere gegenüber und brüllten sich wütend an.

Da packte der eine den anderen auch schon beim Kragen und holte zu einem brutalen Haken aus.

"Aufhören!"

Die Stimme des Einäugigen drang wie ein Messer durch den Lärm. Die beiden Kerle erstarrten mitten in der Bewegung.

Sie ließen sich los.

"Was gibt es?", erkundigte sich Valdez.

"Es geht um den Sattel von diesem Kerl da!" Ein Finger deutete auf Connor. "Ich habe zuerst Ansprach darauf erhoben!"

Unweit der beiden lag das gute Stück im Dreck. Valdez trat mit dem Fuß dagegen.

"Ist das der Sattel, um den es geht!"

"Ja, um den geht es. Ein Prachtstück! Und er steht mir zu, verdammt noch mal!"

"Das ist ein texanisches Stück!", meinte Valdez nachdenklich. Er wandte sich an die beiden Streithähne. "Der Major entscheidet die Sache, wenn wir zurück im Lager sind. Ist das klar?"

Die beiden Männer verzogen grimmig die Gesichter. Im Augenblick schienen sie fast wütender auf Valdez als aufeinander zu sein.

Valdez drehte sich herum und bedachte Connor mit einem nachdenklichem Blick. In seinem einzigen Auge blitzte es.

"Du kommst aus Texas?"

"Ja."

"Du kannst verdammt gut mit dem Eisen umgehen."

"Schon möglich."

Valdez wandte sich an seine Leute.

"Bindet ihn auf eines der Pferde. Wir nehmen ihn mit ins Lager!"

"Aber, ich dachte..."

Randy, der Mann, der Connor hinter sich hergeschleift hatte, schien die Welt nicht mehr zu verstehen.

"Ich richte mich nur nach den Anweisungen des Majors!", erklärte Valdez kalt. "Tut, was ich sage. Der Major wird dann entscheiden, was mit dem Kerl hier wird!"

Ein unverständliches Grunzen war alles, was als Antwort zurückkam. Aber es schien, als wagte es keiner der Wölfe, gegen Valdez aufzumucken.

Valdez war hier der Boss und sein Wort entschied darüber, was getan wurde und was nicht.

Aber hinter ihm stand einer, der noch größer war.

Der Major...

Connor wusste nicht, wie er diese Wendung einzuschätzen hatte. Er war erst einmal froh, ein bisschen länger am leben zu bleiben. Das bedeutete, dass für ihn noch nicht alles verloren war.

Mit unbewegter Miene sah Connor dann den Wölfen zu, wie sie über ihre Beute herfielen.

Es schien nichts an der Postkutsche oder den Leichen der Erschossenen zu geben, was sie nicht irgendwie gebrauchen konnten.

Zwischen erschossenen Komplizen und den toten Mitgliedern der Kutschen-Eskorte wurde dabei kein Unterschied gemacht...

Sie alle wurden gleichermaßen gefleddert.

Vor allem aber interessierte die Kerle das Bargeld, dass die Kutsche mitgeführt hatte...

Sie sind wie Aasgeier und Hyänen!, durchfuhr es Connor grimmig. Er verachtete sie. Aber wie die Dinge nun einmal standen, hing sein Leben im Moment von dem Wohlwollen dieser Männer ab...

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Sie schnürten Connor Hände und Füße zusammen und legten ihn bäuchlings über einen Pferderücken.

Der Gaul hatte wohl einem jener Männer gehört, die bei dem Gefecht ihr Leben gelassen hatten.

Es dauerte nicht mehr lange und der ganze Trupp brach auf.

Für Connor wurde es ein harter Ritt. So über einen Pferderücken geschnürt zu liegen war alles andere, als eine angenehme Art des Reisens.

Leichen wurden so transportiert, aber einem Lebenden wurde dabei ganz schön der Magen durchgeschüttelt.

Aber Connor biss die Zähne zusammen.

Er wusste, dass das vielleicht nur der Anfang von dem war, was er noch durchzustehen hatte.

Die Sonne brannte unbarmherzig vom wolkenlosen Himmel herab, während die Banditen durch das karge, trockene Prärieland zogen.

Die Stunden vergingen, ohne dass die Bande ihr Ziel erreicht hatte. Zwischendurch wurde bei einem Wasserloch eine kurze Rast eingelegt.

Die Männer füllten ihre Feldflaschen auf und die Pferde bekamen auch etwas.

Connor bekam nichts.

Mit den Augenwinkeln sah er das Gesicht von Randy, jenem Kerl, der ihn am Lasso hinter sich hergezogen hatte und der es nun offensichtlich sehr bedauerte, den Gefangenen nicht endgültig kaltmachen zu dürfen.

Aber dagegen stand das Wort von Valdez und hinter dem stand der Major...

Doch seinen Ärger darüber konnte er nicht verhehlen.

Während die anderen sich mit Wasser versorgten und auch der Gaul, auf den sie Connor geschnürt hatten, seinen Kopf in das erfrischende Nass steckte, trat Randy zu dem Gefangenen hin und bedachte ihn mit einem hohntriefenden Grinsen.

"Deine Stunde kommt noch, Hombre!", zischte er mit einem gefährlichen Unterton. Mit diesem Mann war nicht zu spaßen.

Randy verzog das Gesicht. "Glaub mir, Amigo. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Du wirst auch noch zur Strecke gebracht."

Connor antwortete nicht.

Es war besser, seine Kräfte zu sparen, anstatt auf so etwas einzugehen. Aber genau diese Reaktion schien Randy noch mehr zu reizen.

Er zog Connors Kopf brutal an den Haaren ein Stück hoch und hielt ihm die Feldflasche vor die Nase.

"Hast du Durst?", fragte er süffisant.

"Was denkst du?", erwiderte Connor. Seine Lippen waren aufgesprungen und staubtrocken. Seine Kehle wie ausgedörrt.

Randy grinste.

Dann drehte er ganz langsam die Feldflasche herum, so dass das Wasser herausfloss.

Es spritzte gegen die Beine des Pferdes. Das meiste ging direkt auf den Boden und wurde von diesem innerhalb von Sekunden aufgesogen.

Randy lachte schallend und ließ Connors Kopf wieder los.

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Die Dämmerung war längst hereingebrochen, als der Trupp schließlich sein Ziel erreichte.

Es war kurz vor Einbruch der Dunkelheit, als in der Ferne eine Farm auftauchte.

Connor hatte versucht, etwas die Orientierung zu behalten.

Man konnte nie wissen, wozu das mal gut sein würde.

Sie waren in karges Hochland gekommen, das zum Teil schwer zugänglich war. Ein ideales Versteck für eine Bande wie die, mit der er es hier zu tun hatte.

Die Farm kam rasch näher. Einige Männer empfingen die Ankömmlinge bereits mit lauten, freudigen Rufen.

Insgesamt schätzte Connor die Bande auf etwa vierzig bis fünfzig Mann.

Aber das war nur eine Schätzung, er konnte ebenso gut danebenliegen. Schließlich konnte er ja nicht wissen, ob andere Untergruppen der Bande noch irgendwo auf Beutefang waren.

Die Männer kümmerten sich erst einmal um ihre Pferde, und erst ganz zum Schluss kam der Gefangene an die Reihe.

Er wurde rau gepackt und von dem Pferderücken heruntergeholt.

Sie warfen ihn dann einfach auf den steinigen Boden, so wie einen Sack Mehl. Da Connor weder Arme noch Beine bewegen konnte, hatte er keine Chance, den Sturz irgendwie abzufangen.

Ziemlich hart kam er auf der Erde auf.

Er blinzelte etwas und schüttelte sich wie ein Tier. Dann blickte er sich kurz ein wenig um. Über dem Farmhaus wehte die Flagge der Konföderierten!

Es war ein einfaches, aber offenbar recht geräumiges Farmhaus. Daneben gab es noch einen Pferdestall, eine Scheune und ein Nebengebäude, in dem der Großteil der Banditen zu hausen schien.

Ursprünglich war es wohl für Farmarbeiter und Tagelöhner gedacht gewesen.

Aber wenn man sich das Land ansah, das um die Farm herum lag, dann war kaum zu übersehen, dass hier schon seit Monaten kein Feld bestellt worden war!

Zunächst schien kaum jemand auf Connor zu achten. In dem Banditenlager herrschte reges Treiben.

Die Wölfe freuten sich über die reiche Beute, die der Überfall eingebracht hatte. Eine Kassette mit Bargeld war auch darunter.

Schon begannen die ersten Whiskyflaschen die Runde zu machen. Die Männer grölten und lachten.

Connors Blick fiel dann auf eine Frau, die aus dem Stall gekommen war.

Sie war vielleicht gerade zwanzig und dunkelhaarig.

Vermutlich war sie eine Mexikanerin.

Connor wechselte einen Blick mit ihr. Im Grunde wunderte es ihn nicht, hier eine Frau vorzufinden. Schließlich bestand die Bande nicht aus Mönchen...

Sie schienen sich sehr sicher hier zu fühlen und kaum jemanden ernstlich fürchten zu müssen. Und da sie alles hier hatten, was ihnen das Leben angenehm machte - warum nicht auch Frauen?

Geld hatten sie ja offenbar genug und es war sicherlich auch keine Schwierigkeit, ein paar käufliche Mädchen dazu zu überreden, sich hier ihre Dollars zu verdienen.

Aber als Connor in die Augen der jungen Mexikanerin sah, wusste er, dass es so nicht sein konnte. In ihren Augen stand nackte Furcht.

Sie wirkte gehetzt und unsicher.

Und fast konnte man auf die Idee kommen, dass auch sie eine Art Gefangene war...

Außerdem hatte sie von ihrer Aufmachung her keinerlei Ähnlichkeit mit den grell angemalten leichten Mädchen von El Paso oder Nogales.

Sie kam näher zu ihm heran, wobei sie sich immer wieder umschaute, so als täte sie etwas Verbotenes.

Als sie ihn erreicht hatte, schluckte sie.

Connor blickte zu ihr hinauf.

"Wasser?", fragte sie.

Connor nickte.

Sie ging zur nahen Pferdetränke und holte ihm etwas mit der blechernen Schöpfkelle.

Sie setzte ihm die Kelle an den Mund.

Er sog das kühle Nass gierig in sich auf. Er wusste nicht, wann man ihm das nächste Mal etwas geben würde.

"Danke!", brachte er dann heraus.

"Man hat dir übel mitgespielt", meinte sie. Sie hatte einen schweren mexikanischen Akzent, obwohl sie sich gut ausdrücken konnte und ihr keineswegs die Worte fehlten.

"Noch lebe ich!", meinte Connor nicht ohne Sarkasmus.

"Die Abschürfungen müssten ausgewaschen werden!", meinte sie.

"Wie heißt du?"

"Teresa. Mein Name ist Teresa Calderon y Reyes."

"Ziemlich langer Name. Was machst du hier? Wie ein leichtes Mädchen siehst du nicht aus..."

"Ich bin auch keins!", meinte sie empört.

Dann packte sie jemand am Arm und riss sie hoch.

"Was machst du da? Verschwinde!"

Es war Randys hässliches verzogenes Gesicht, dass da auf einmal aufgetaucht war.

Mit eisernem Griff hielt Randy Teresas Arm umklammert und warf ihr einen giftigen Blick zu. Er fletschte die Zähne wie ein wildes Tier.

Dann warf er sie von sich. Sie strauchelte und kam zu ächzend zu Boden.

Dann wandte Randy sich an den Gefangenen.

"Wir wollen nicht so sein!", meinte er. "Du bekommst für die Nacht ein Dach über dem Kopf!" Dann lachte er schallend und Connor konnte sich denken, dass das nichts Gutes zu bedeuten haben konnte.

Randy winkte zwei rohe Kerle herbei, die ihn an Schultern und Füßen packten.

Sie trugen ihn fort.

Wenige Augenblicke später hatten sie ihn in den Pferdestall gebracht. Sie schnürten ihn mit einem Lasso an einen der hölzernen Stützpfeiler.

Bevor sie dann gingen, verpasste Randy dem wehrlosen Gefangenen noch einen Tritt in die Seite.

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Der Blick des Majors blieb unbewegt, als seine Hand durch die Bündel von Dollarnoten ging.

Er war ein hochgewachsener Mann Ende fünfzig.

Mitten in seinem braungebrannten, markanten Gesicht stand ein grauer Schnurrbart.

Die Uniform, die Major Roscoe trug war nicht die eines Majors der Konföderierten Staaten von Amerika. Sie war vielmehr aus verschiedenen Uniformteilen der Südstaatenarmee zusammengewürfelt.

Sein besonderer Stolz war der Säbel, der ihm neben dem Army-Holster vom Gürtel hing.

Die äußere Erscheinung des Majors hatte etwas Operettenhaftes an sich, aber das durfte niemanden darüber hinwegtäuschen, dass er ein gefährlicher Fuchs war, der seine Gegner mehr als einmal genarrt hatte.

Der einäugige Valdez stand erwartungsvoll vor seinem Boss.

"Na, Major, das kann sich sehen lassen, was?"

Major Roscoe nickte.

"Ja, das bringt uns unserem Ziel ein wenig näher..."

Valdez verfluchte ihn innerlich.

Er sah immer nur das große Ziel, das in irgendeiner weiten Ferne zu liegen schien.

Über das Erreichen einer einzelnen Etappe schien er sich kaum freuen zu können.

Roscoe dachte nur daran, eine neue Südstaaten-Armee aufzubauen. Die Bande von Halsabschneidern und Marodeuren, die er im Moment befehligte war nur der Anfang.

Eine richtige Armee, das schwebte ihm eigentlich vor.

Er war gewillt, den Krieg weiterzuführen und die verfluchten Yankees doch noch zu schlagen!

Aber um das zu verwirklichen, brauchte man Geld. Mehr noch als alles andere!

Roscoe war dabei, es zusammenzusammeln.

Ein Anfang war gemacht.

Zunächst hatte Roscoe Rückschläge hinnehmen müssen. Nur mit knapper Not war er der Polizei der Union aus Texas in diesen abgelegenen Teil des Westens entkommen.

Aber nach und nach würde seine Truppe Zulauf bekommen und der ganze Süden würde sich irgendwann wieder erheben. Damit rechnete der Major.

Davon träumte er.

Die meisten seiner Männer hatten sehr viel naheliegendere Träume. Viele waren nur der Aussicht auf Beute und einen guten Anteil wegen bei ihm und der Major wusste das.

Ein ganzes Jahr war es jetzt schon her, dass das Oberkommando der Konföderierten kapituliert hatte. Die Männer die dort das Sagen hatten, waren in den Augen des Majors alles Feiglinge.

Er wollte nicht wahrhaben, dass der Süden am Ende und das Volk kriegsmüde geworden war...

"In der letzten Zeit läuft doch alles hervorragend!", meinte Valdez. "Sie können langsam auch mal ein etwas fröhlicheres Gesicht machen, Major!"

"Wenn kein Yankee seine dreckigen Stiefel mehr auf texanischen Boden stellt, dann, Valdez, dann..."

"Ein hohes Ziel, Major..."

"Jawohl, Valdez! Ein hohes Ziel!"

Valdez wandte sich zum Gehen.

Bei der Tür blieb er dann stehen und wandte sich noch einmal um.

"Ist noch etwas, Valdez?"

"Ja, eine Kleinigkeit noch..."

"Heraus damit!"

"Wir haben einen Gefangenen... Ein Texaner, der uns in die Quere kam und der verdammt gut mit dem Eisen umgehen kann."

Der Major runzelte die Stirn.

"Meinen Sie, dass der etwas für unsere Truppe sein könnte?"

Valdez zuckte mit den Schultern.

"Dazu habe ich noch keine Meinung. Jedenfalls habe ich mich an Ihre Anordnungen gehalten."

"Das ist gut! Sie wissen, dass wir dringend gute Männer brauchen. Männer die ebenso patriotisch sind wie ich oder Sie, Valdez. Nicht solches Gesindel... Wo ist der Mann?"

"Randy hat ihn im Pferdestall festgebunden!"

Der Major nickte.

"Ich werde ihn mir ansehen...", murmelte er.

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Der Raum war fast stockdunkel. Ab und zu schnauften die Pferde laut vor sich hin.

Jesse Connor war in einen leichten, unruhigen Schlaf gefallen, als sich mit einem lauten Knarren die Stalltür öffnete.

Connor blickte auf und sah den Umriss eines hochgewachsenen Mannes, er hielt eine Petroleum-Lampe in der Hand, deren Schein schräg in das Innere des Stalles einfiel. Connor war ein wenig geblendet.

Von seinem Gegenüber konnte er nicht mehr als einen Schatten sehen. Ein schwarzer Schatten, der jetzt näherkam.

Von draußen war ausgelassenes Treiben zu hören.

Die Männer schienen sich noch immer prächtig zu amüsieren und unterdessen eine beträchtliche Menge Whisky in sich hineingeschüttet zu haben.

Der Schatten trat dicht an Connor heran und hielt die Lampe so, dass ihr Schein das Gesicht des Gefangenen beleuchtete.

Connor blinzelte.

Es dauerte etwas, bis er sich an die ungewohnte Helligkeit gewöhnt hatte.

Dann sah er einen Mann in Uniform, deren Einzelteile etwas zusammengewürfelt wirkten.

"Sind Sie der Major?", fragte Connor.

"Ich stelle hier die Fragen!", kam es schroff zurück.

Er musste es sein, Connor war sich ziemlich sicher.

Wie sonst war diese Operettenuniform zu erklären?

Der Major hielt die Lampe nun ein wenig höher, so dass Connor in sein Gesicht konnte.

Der Gefangene sah in ein tiefliegendes Augenpaar, in dem ein unruhiges Feuer brannte. Mit der Linken fuhr sich der Banditenführer über den Schnurrbart und strich ihn glatt.

"Sie kommen aus Texas?", fragte der Major dann.

Connor nickte.

"Ja."

"Es muss jedem echten Texaner doch in der Seele wehtun, dass jetzt diese stutzerhaften Yankees aus dem Norden dort das Sagen haben, nicht wahr? Sie sind nicht der Einzige, der seine Heimat verlassen hat. Hatten Sie Schwierigkeiten?"

"Ja, so kann man es ausdrücken."

Natürlich meinte der Major Schwierigkeiten mit der Unionspolizei und den Blauröcken.

Connor beließ ihn in dem falschen Glauben.

Er musste ihm ja nicht gerade auf die Nase binden, dass es Fanatiker wie Major Roscoe selbst gewesen waren, und nicht in erster Linie die Blauröcke, mit denen er Schwierigkeiten gehabt hatte.

Aber der Major erschien Connor als ein Mann, der dazu neigte, sich seine eigene Wahrheit zurechtzulegen.

Connor überlegte.

Vielleicht würde sich das ausnutzen lassen, wenn es darum ging, den Kopf auf den Schultern zu behalten.

"Wie heißen Sie?"

"Connor. Jesse Connor."

"Hm..."

Der Major beugte sich zu dem Gefangenen nieder.

Er packte mit seiner behandschuhten Linken Connors Kinn und drehte ihm den Kopf zur Seite.

Die Schrammen, die der Gefangene davongetragen hatte, waren selbst bei dem bescheidenen Licht nicht zu übersehen.

Dann ließ der Major ihn los und richtete sich wieder zu voller Größe auf.

"Man hat Ihnen übel mitgespielt was?"

"Ihre Männer sind nicht gerade zimperlich!"

"Nein, es sind allesamt Raubeine. Aber sie kämpfen für eine gute Sache!"

"Für die Taschen voller Dollars kämpfen sie!"

Der Major schwieg einen Moment. Sein Gesicht wirkte jetzt sehr ernst!

"In welcher Einheit haben Sie gedient?", fragte er dann.

"Ich war nicht in der Armee."

Der Major runzelte die Stirn.

"Warum nicht?"

"Ich hatte meine Ranch zu bewirtschaften!", meinte Connor.

Das war nicht die tatsächliche Antwort auf die Frage des Majors.

Connor war von Anfang an gegen den Krieg gewesen und hatte ihn dann, als er ausgebrochen war, nicht als seine Sache empfunden.

Im Nachhinein betrachtet hatte er Recht behalten. Der Süden hatte verloren und es würde verdammt lange brauchen, bis er wieder auf die Beine kam.

"Valdez sagte, Sie hätten ihm und seinen Leuten 'ne Menge Schwierigkeiten gemacht..."

"Ich habe es mir nicht ausgesucht..."

"Sie seien ein guter Revolverschütze."

"Ja, das stimmt."

"Sie sagten, Sie waren nicht bei der Armee. Vielleicht schulden Sie ihrem Land noch etwas."

"Das Gefühl habe ich nicht."

"Wie wär's, wenn Sie mal für eine gute und richtige Sache kämpfen würden!"

Connor schwieg.

Daher wehte also der Wind.

Und wie die Alternative jetzt aussah, konnte er sich ebenfalls denken: Sie wollten ihn als einen der ihren. Und wenn er sich weigerte, überließ ihn der Major vielleicht diesem Sadisten namens Randy...

Vielleicht musste er erst einmal gute Miene zum bösen Spiel machen...

"Gibt es etwas, das Sie und Ihre Meute von gewöhnlichen Verbrechern unterscheidet - außer, dass Sie eine interessante Uniform und einen Säbel mit sich herumtragen, Major? Ich darf Sie doch so nennen, oder?"

Der Major blickte nachdenklich auf seinen Gefangenen herab.

Dann raunte er: "Wir werden uns morgen weiter unterhalten!"

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Die Nacht war kalt und unangenehm. Connor versuchte, sich von seinen Fesseln zu befreien, aber er hatte damit kein Glück.

Man hatte ihn derart eingeschnürt, dass er keine Chancen hatte, sich selbsttätig zu befreien.

Vor dem Stall patrouillierte ein Posten herum.

Es war schon kurz vor Sonnenaufgang, als die letzten betrunkenen Banditen endlich auf ihre Lager sanken und ihren Rausch auszuschlafen begannen.

Connor schlief auch etwas.

Er musste Kräfte für den nächsten Tag sammeln. Schließlich konnte er nicht wissen, was ihn erwarten würde.

Am Morgen schien das Leben auf der Farm nur sehr schleppend in Gang zu kommen. Das war an sich kein Wunder, schließlich hatten die Kerle fast die ganze Nacht hindurch gezecht.

Sicher hatten die meisten von ihnen jetzt ziemlich dicke Köpfe...

Es dauerte ziemlich lange, bis die Stalltür wieder geöffnet wurde.

Das strahlende Sonnenlicht fiel ein und Connor musste von der ungewohnten Helligkeit blinzeln.

Zwei Männer kamen zu ihm. Einer von ihnen war Randy.

Connor hatte ein ungutes Gefühl.

Randy war ein Mann, der offensichtlich großes Vergnügen daran fand, Wehrlose zu quälen.

Als er auf den Gefangenen herabblickte verzog er zynisch das Gesicht und spuckte dann aus.

"Du bist ein Stück Dreck, Texaner! Ein ganz gewöhnliches Stück Dreck!", zischte er. Dann bekam Connor einen brutalen Tritt in die Magengrube.

"Hör auf, Randy!", mischte sich da der Zweite ein.

"Halt's Maul, Mac!"

"Der Major hat gesagt, dass wir den Kerl zu ihm bringen sollen! Und genau das machen wir jetzt auch! Nicht mehr und nicht weniger!"

Randys Nasenflügel bebten vor Erregung.

"Ich möchte wissen, was der Boss an diesem Kerl für einen Narren gefressen hat!"

Connor wurde rau auf die Beine gestellt.

Dann zog Randy ein langes Bowiemesser aus dem Gürtel. Ein teuflisches Grinsen spielte um seine blutleeren Lippen.

"Was hast du vor?", fragte Mac, der zweite Bandit.

"Ich habe keine Lust, ihn zu tragen", murmelte Randy.

Ein paar schnellen Schnitten dem Bowiemesser und Connors Füße waren frei. Die Hände blieben auf dem Rücken zusammengeschnürt.

"Vorwärts, du Bastard!", zischte Randy.

Sie packten Connor und führten ihn ab.

Draußen blickte Connor sich ein wenig um.

Einige der Banditen lagen noch im Staub und schnarchten.

Ein paar Whiskyflaschen konnte man auf dem Farmgelände verteilt finden.

Auf einer nahen Anhöhe war ein Posten mit Winchester-Gewehr zu sehen, der von dort aus vermutlich die gesamte Umgebung überblicken konnte.

Auf der anderen Seite waren ebenfalls Posten.

Wenn einer aus diesem Banditenlager fliehen wollte, brauchte er schon einiges an Glück.

Die Posten konnten jede Bewegung auf der Farm und in weitem Umkreis sehen.

Und wenn man sie überwunden hatte - was an sich schon schwierig genug sein würde - kam dann das karge, trockene Hochland.

Connors Blick fiel Teresa, die gerade aus dem Haus kam.

Sie blieb einen Moment lang stehen und sah ihn an. Connor erwiderte das, aber dann stießen ihn die beiden Schergen rau vorwärts.

Teresa sah ihm nach, sah, wie sie ihn zu jener Tür führten, aus der sie gerade gekommen war.

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Major Roscoe wandte ihnen den Rücken zu, als sie den Gefangenen hereinführten. Und er schien es auch nicht für nötig zu halten, sich nach Randy und Mac umzudrehen.

Zwischen seinen Lippen qualmte eine dicke Havanna, die er jetzt mit Daumen und Zeigefinger packte. Genüsslich blies er den Rauch in den Raum.

"Hier ist der Bastard!", erklärte Randy.

Der Major nickte.

"Gut."

"Was sollen wir mit ihm machen, Major?"

Das war Mac.

Seine Stirn hatte sich in Falten gelegt. Er schien etwas unschlüssig zu sein.

"Lasst mich mit ihm allein!", befahl Roscoe. Der Major sagte das, als wäre es etwas Selbstverständliches.

"Sind Sie sich sicher, Boss, dass..."

"Ich bin mir sicher, Randy!"

Jetzt erst wandte er sich um und machte eine Geste mit der Hand, die an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig ließ.

"Verschwindet, Männer!"

"Wie Sie wollen, Major..."

Sie wandten sich zur Tür und waren dann einen Augenblick später verschwunden.

Connor war nun mit dem Major allein.

Roscoe musterte den Gefangenen scharf und deutete dann zum Tisch. Jetzt erst bemerkte Connor, dass dieser mit einem reichlichen Frühstück gedeckt war.

"Schätze, Ihr Magen kann etwas vertragen..."

"Das ist richtig."

"Teresa hat das angerichtet. Bitte, bedienen Sie sich!"

"Haben Sie vor, mich zu füttern?"

Roscoe lachte.

"Nein, natürlich nicht." Dann zog er seinen Säbel aus der Scheide. "Bevor ich Ihnen die fesseln löse, möchte ich, dass Sie folgendes wissen: Das Lager ist mit Posten umstellt, von denen jeder Einzelne Sie mit Freuden zur Strecke bringen würde! Das sind hungrige Wölfe, denen kommt es auf ein Menschenleben nicht an. Und selbst wenn es Ihnen gelänge, an ihnen vorbeizukommen, dann würde Sie danach nichts als eine menschenfeindliche Einöde erwarten. Es gibt in weitem Umkreis niemanden, der Ihnen helfen könnte. Allenfalls ein paar Indianer, die gegen den Skalp eines umherirrenden Weißen nichts einzuwenden hätten..." Er trat dicht an Connor heran.

"Wir haben uns verstanden?"

Connor nickte leicht.

Dann schnitt der Major ihm mit einer schnellen, geschickten Bewegung die Fesseln durch.

Connor rieb sich die durchgescheuerten Handgelenke. Dann setzte er sich an den Tisch, nahm einen Schluck von dem heißen, dampfenden Kaffee und machte sich über das Frühstück her.

"Haben Sie über das nachgedacht, was ich Ihnen gesagt habe, Mr. Connor?" Er wartete Connors Antwort gar nicht erst ab, sondern sprach über das große Ziel, dass er vor Augen hatte.

"Wenn Sie unsere Truppe für eine Bande von Strauchdieben halten, dann irren Sie sich Connor! Wir brauchen Geld, um diesen Kampf zu führen. Sehr viel Geld. Geld um Waffen zu kaufen und Männer anzuwerben. Kurz: um eine Armee auszurüsten..."

Dann bedachte er Connor mit einem nachdenklichen Blick.

"Ich will ehrlich zu Ihnen sein..."

"Ich bitte darum, Major!"

"Ganz gleich, ob es nun Zufall oder Schicksal war, dass Sie zum Zeugen des Überfalls gemacht hat: Sie haben nun einmal gesehen, was Sie gesehen haben und normalerweise wären Sie jetzt nicht mehr am Leben. Aber Sie sind ein Texaner, ein waschechter Südstaatler. Und Sie können verdammt gut schießen, selbst wenn nur die Hälfte von dem stimmt, was Valdez und die Männer mir erzählt haben! Männern wie Ihnen lasse ich eine Chance! Sie haben die Wahl..."

"...ob ich mich Ihrer Truppe anschließe oder lieber ins Gras beißen möchte, nicht wahr?"

"So ist es."

"Woher wissen Sie, dass ich mich nicht bei der ersten Gelegenheit davonmache?"

"Weil Sie ein Texaner sind und weil ich davon ausgehe, dass Sie ihr Land lieben und diejenigen, die dafür kämpfen nicht verraten werden!"

"Ich kann mir nicht denken, dass sich ein Mann wie Sie darauf verlässt!"

Der Major verzog das Gesicht.

"Deserteure und Verräter werden bei uns sehr hart bestraft!", meinte er. "Wir stellen sie nicht einfach an die Wand... Nein, vorher sorgt Randy dafür, dass sie sich wünschen, niemals geboren worden zu sein!"

Connor konnte sich lebhaft vorstellen, wie eine derartige Bestrafung aussah. Für Randy war es sicher ein besonderes Vergnügen, einen Abtrünnigen zu Tode zu foltern.

Der Major hob wie zur Entschuldigung etwas die Schultern.

"Wenn man aus Lumpengesindel eine Armee formen will, dann ist es verdammt schwierig, die Disziplin aufrecht zu erhalten!", brummte er. "Für mich sind da alle Mittel erlaubt..."

Dieser Mann ist verrückt!, dachte Connor. Vollkommen größenwahnsinnig!

Aber im Augenblick würde er sich auf seine Seite schlagen müssen, zumindest zum Schein.

Er hatte keine andere Wahl...

"Sind Sie dabei, Connor?"

Connor grunzte etwas und nickte.

"Ich wusste, dass Sie vernünftig sind."

Connor aß nicht weiter. Er trank den Kaffee aus und schob den Rest zu Seite.

"Diese Mexikanerin... Teresa..."

"Was ist mit ihr?"

"Was macht Sie hier, Major? Ein leichtes Mädchen ist sie wohl nicht!"

"Wenn ich den Kerlen erlauben würde, Freudenmädchen hier her zu bringen, wäre die Disziplin sofort im Eimer... Nein, so etwas ist sie nicht. Ich gebe Ihnen einen guten Rat: Kümmern Sie sich nicht um sie!"

Dann wandte der Major sich um und ging zu einer einfachen Kommode. Er zog die Schublade auf und holte ein Bündel mit Dollarscheinen hervor.

Er legte es vor Connor auf den Tisch.

"Hier" sagte er.

Connor zog die Augenbrauen hoch.

"Wie soll ich das verstehen?"

"Ein Vorschuss, Connor. Nicht mehr, aber auch nicht weniger."

Connor zögerte, die Hand nach den Dollars auszustrecken.

Es war blutiges Geld und er hatte kein gutes Gefühl dabei, es einzustecken.

Nicht, das er es nicht gut gebrauchen konnte. Aber er hatte seinen Stolz.

Schließlich nahm er es dann doch. Vornehmlich deshalb, weil er bei seinem Gegenüber kein Misstrauen erregen wollte.

Schließlich hing sein Leben immer noch an einem seidenen Faden...

Roscoe lächelte zufrieden.

Er denkt, dass er mich gekauft hat!, dachte Connor. Er denkt, dass ich jetzt, wo ich sein Blutgeld genommen habe, auch zu seinem Komplizen geworden bin!

Aber da hatte der Major die Rechnung ohne Jesse Connor gemacht!

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Das Frühstück hatte Connor gutgetan.

Seine Lebensgeister waren zurückgekehrt und trotz der vielen Schrammen, die er mittlerweile abbekommen hatte, fühlte er sich gut.

Allerdings ahnte er auch, dass nicht einfach werden würde, aus dieser Sache wieder herauszukommen.

Der Major ging zur Tür und rief Valdez hinein.

Valdez kam und er schien schon zu ahnen, was der Major ihm zu sagen hatte. Er machte alles andere als ein besonders frohes Gesicht.

"Sorgen Sie dafür, dass er seine Sachen wiederbekommt, Valdez!"

Das Gesicht des Einäugigen schien um ein ganzes Stück länger zu werden.

Er runzelte die Stirn.

"Alles?"

"Alles", bestätigte der Bandenführer. "Alles, bis auf die Waffen. Die bekommt er später - wenn er sie das erste Mal im Dienst unserer guten Sache brauchen wird!"

Valdez musterte Connor stirnrunzelnd. Dann machte er eine Seitwärtsbewegung mit dem Kopf, womit er seinem Gegenüber bedeutete, ihm zu folgen.

Sie traten hinaus ins Freie.

Die Männer kamen nach und nach zu sich. Einige von ihnen hielten sich die schweren Köpfe. Einer machte das einzig Richtige: Er steckte den Kopf in die Pferdetränke, um ihn etwas abzukühlen und wieder klar zu bekommen.

"Bilde dir nur nichts ein, Texaner!", zischte Valdez. "Du bist hier einer unter vielen. Eine Nummer. Verstanden?"

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Etwas später stand Connor an der Tränke, zog sich das zerfetzte Hemd aus, dass bei der Schleiferei über das harte, vertrocknete Präriegras ziemlich gelitten hatte und begann sich zu waschen.

Die Männer im Lager kümmerten sich kaum um ihn.

Einzig und allein Randy bedachte ihn immer wieder mit misstrauischen, hasserfüllten Blicken. Aber im Moment wagte er es nicht, sich an dem Neuen zu vergreifen.

Er wusste, dass er dann mit dem Major aneinandergeraten würde und das wagte er nicht.

"Ich hätte dich dort draußen bei der Kutsche gleich ins Jenseits befördern sollen!", raunte er Connor zu, als dieser sich den Oberkörper wusch.

Randy spuckte aus und legte all die Verachtung, die er empfand, in diese Geste.

"Ich glaube, es ist besser für uns beide, wenn wir uns für eine Weile vertragen", meinte Connor sachlich.

Randy verzog das Gesicht zu einem dünnen Lächeln.

"Keine Sorge. Aber es wird der Tag kommen, an dem wir abrechnen, Amigo!"

Dann zog er davon.

Wahrscheinlich hat er Recht!, dachte Connor grimmig. Dieser Mann war ein wandelndes Pulverfass und für sich genommen schon ein hinreichendes Argument, um möglichst schnell von hier zu verschwinden!

Aber im Augenblick bestand dazu noch keine Chance.

Connor würde warten müssen.

Auch sein Tag würde kommen, da war er ganz zuversichtlich.

Der größte Fehler würde es im Augenblick sein, überstürzt zu handeln.

Aber so etwas war nicht Connors Art. Er blieb ruhig und gelassen. Auf einen kühlen Kopf würde es ankommen.

Connor nahm das zerfetzte Hemd und trocknete sich damit ab. Die Schrammen an seinem Oberkörper waren allesamt verkrustet. Bald würde nichts mehr davon bleiben, als ein paar mehr oder weniger unscheinbare Narben.

Er sah Teresa herankommen und blickte zu ihr hin. Sie erwiderte den Blick sehr freundlich und trat an ihn heran.

In den Händen hielt sie ein Hemd.

Details

Seiten
Jahr
2018
ISBN (ePUB)
9783738916133
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Januar)
Schlagworte
neal chadwick western brigade desperados

Autor

  • Alfred Bekker (Autor:in)

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Titel: Neal Chadwick Western - Brigade der Desperados