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Terra 5500 #2 - Jäger der Milchstraße

©2017 130 Seiten

Zusammenfassung

BAND 2 dieses außergewöhnlichen SF-Zyklus von Jo Zybell!

Die Menschheit im 55.Jahrhundert nach Christus: Die Milchstraße ist besiedelt und es herrschen eiserne Gesetze. Doch Widerstand regt sich.
Den Rebellen der Galaxis bleibt nur die FLUCHT INS ALL.

Dies ist der Auftakt zu JO ZYBELLs spektakulärem Science Fiction-Zyklus, mit dem er sich einen eigenen, vielschichtigen Serienkosmos erschuf. Eine Vision der Zukunft des Menschen im All, die den Vergleich mit großen Vorbildern nicht zu scheuen braucht!

JO ZYBELL prägte die Serien MADDRAX und RHEN DHARK über Jahre hinweg durch eine Vielzahl von Romanen mit. Seine epischen Fantasy-Romane brachten ihm die Anerkennung der Kritik. Doch mit Terra 5500 hat er gezeigt, was wirklich in ihm steckt

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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Terra 5500

Rebellen der Galaxis

Band 2

Jäger der Milchstraße

von Jo Zybell

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––––––––

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© BY JO ZYBELL

© 2012 Digitalausgabe AlfredBekker/CassiopeiaPress

Ein CassiopeiaPress E-Book

www.AlfredBekker.de

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FOLGENDES...“, SAGTE er, und es wollte ihm scheinen, als hätte er mit diesen drei Silben einen außergewöhnlich komplizierten Sachverhalt angedeutet, vielleicht sogar zum Ausdruck gebracht. „...folgendes also: So etwas erlebst du, sagen wir...“ Er legte seinen rechten Arm um den Häuptling der Dwingolangowars. „...sagen wir: alle tausend Jahre ein Mal...“ Er küsste den kugelköpfigen Schwarzpelz auf den Ansatz seines Rüssel. „...höchstens drei Mal..., nun ja..., jedenfalls freu ich mich, dass auch ihr gekommen seid...“. Und noch einen Kuss auf den Rüssel.

Beifall brandete auf unter den Gästen rund um den Pool.

Der Häuptling der Dwingolangowars brüllte erst vor Lachen und nickte dann zustimmend; obwohl er nichts verstanden hatte, nicht einmal Folgendes. Dennoch hob er seine Schale, und stieß mit dem Doktor an. „Wojaz pentargumalis, tastuk bellamartum“, röhrte er und leerte die Champagnerschale in einem einzigen Zug.

„Wirklich wahr...!“ Der Doktor lachte brüllend und tat es ihm gleich. Kein Wort des Anderen hatte er begriffen, nicht einmal wojaz, was in der Sprache der Ureinwohner von Fat Wyoming soviel bedeutete wie Lehrer, oder Medizinmann. Kann sein, der Doktor erfasste das mittels seiner legendären Intuition, denn er strahlte über sein ganzes breites Gesicht, rülpste und sagte: „Du hast ja vollkommen recht, so recht, so vollkommen recht...“ Und während sich die ungleichen und im Hinblick auf ihre Körpermasse und den Grad ihrer Trunkenheit doch so ähnlichen Kreaturen im dampfenden Wasser des Pools in die Arme fielen, applaudierte die Menge am Beckenrand erneut, brach sogar in Rufe der Begeisterung aus: „Hoch lebe Doktor Gender DuBonheur! Hoch lebe Ihre Exzellenz Dwingomayawaz von Fat Wyoming...!“ Der Doktor und der Häuptling lösten sich aus ihrer Umarmung, wischten Tränen der Rührung aus den Augen und prosteten in alle denkbare Richtungen. Zwei der nackten Mädchen im Pool schenkten ihnen Champagner nach, jemand reichte ihnen eine Gumbalaschkeule ins Becken hinunter, und im Chor zählte man: „Eins und zwei und...“, und bei drei schlugen Häuptling und Doktor ihre Zähne in das Fleisch der selben Keule. Ein beliebtes Verbrüderungsritual der Dwingolangowar-Jäger von Fat Wyoming.

Die Posaunisten auf der Terrasse spielten einen Tusch, räumten dann die improvisierte Bühne für die Trommler und Flötisten der Dwingolangowars, und eine Minute später erfüllten schrille Töne und wilde Rhythmen Salon, Terrasse, Garten und Hügel. Überall wurde wieder getanzt: Zwischen den Zierbüschen und Blumenbeeten, auf den Kieswegen und dem Gleiterparkplatz, im Salon und im Pool. Die schwergewichtigen Rüsselträger mischten sich unter die menschlichen Gäste, zogen nur mit Toga oder Schleier bekleidete Frauen und Mädchen an sich und begannen mit ihrem berühmt, berüchtigten Siegestanz. So schnell wirbelten sie die Menschenfrauen herum, dass ihnen die großen Ohrlappen waagrecht wie Schwingen von den Schädeln standen.

O ja, man schwelgte in Feierlaune im Hause DuBonheur, und das schon seit neunzehn Terrastunden. Mittlerweile neigte die Nacht sich ihrem Ende zu, und die meisten Gäste waren schon mehr oder weniger berauscht; die ersten lagen bereits schlafend zwischen Büschen und in Blumenbeeten, oder auf den Polstern des Salons. Aber immer noch strömten neue Gratulanten durch den Säuleneingang der Villa, und längst nicht mehr nur Bürger der Hauptstadt Big Cheyenne, sondern Leute aus Nachbarstädten und -ländern, von anderen Kontinenten sogar. Sie brachten Getränke, Delikatessen, Blumen oder willige Frauen als Geschenke mit, und sie sprachen dem Höchstgeehrten, wie DuBonheur sich jetzt nennen durfte, ihre Glückwünsche aus. Die meisten blieben und mischten sich unter die Feiernden; so wie die Abgesandten der Dwingolangowars.

Die übrigens hatten DuBonheur ein gebratenes und mit Pilzen gefülltes Gumbalasch als Präsent überreicht. Das thronte bereits auf einem Marmortisch neben dem Pool, wo mit Messer und Gabel bewehrte Männer und Frauen es belagerten. Gumbalasch hieß auf Fat Wyoming ein wildes Wasserschwein, das die bewaldeten Nordküsten des Hauptkontinents Godsown bevölkerte.

Wer auch immer das Säulenportal der DuBonheur-Villa durchschritt, musste zwangsläufig an dem fünf Meter breiten und drei Meter hohem Schild vorbeigehen, das der berühmte Wissenschaftler in aller Eile von einem stadtbekannten Künstler hatte anfertigen lassen. Noch vor Sonnenuntergang war es fertig gewesen: Über einer Spirale aus 793 goldenen Sternen auf blauem Grund stand in kunstvollen Buchstaben zu lesen: Höchstgeehrter der Galaktischen Republik Terra, und darunter 27. Januar 2554 nGG, 8:20 TPZ.

Um zwanzig nach acht Terra-Prima-Zeit nämlich hatte ein Gesandter von Terra Sekunda die persönliche Botschaft des Primdirektors und des P.O.L. überbracht; und mit den Glückwünschen der Republikspitze gleich die Auszeichnungsurkunde.

Ein Posaunentusch übertönte plötzlich Getrommel und Geflöte, „Der Subdirektor! Der Oberst!“, riefen mehrere Stimmen zugleich. Robotdiener eilten durch die Menge und zogen die beiden Flügel des Hauptportals auf. Das Licht des neuen Morgens wehte in den Salon, Seite an Seite traten zwei Männer ein. Getrommel und Stimmengewirr ebbten ab, die Tänzer hielten neugierig inne. Der linke Neuankömmling trug den roten und mit metallicblauen Borden, Tressen und Knöpfen verzierten Umhang eines Subdirektors über einem weißen Anzug, der rechte eine blaue Toga über der cremefarbenen Galauniform, deren silbergerahmte, blaue Schulterstücke ihn, genau wie die Togafarbe, als Oberst der Terranischen Flotte kennzeichneten. Die Gäste applaudierten höflich.

„Im Namen der Planetenverwaltung gratuliere ich Ihnen, Dr. Gender DuBonheur, zur Auszeichnung mit der Höchsten Ehre. Ein zweiter Sohn...!“ Tosender Applaus unterbrach den Verwaltungschef. Robotdiener überreichten den beiden Männern bis zum Rand gefüllte Champagnerschalen. Ein Tusch ertönte, ein Trommelwirbel – der Applaus legte sich, und der erste Mann des Planeten konnte fortfahren. „Ein zweiter Sohn von Fat Wyoming erhält somit die Ehrung des Primus Orbis Lacteus, ein zweiter Höchstgeehrter wird uns somit künftig auf Terra Prima repräsentieren...“, was ihn mit großem Stolz erfülle, und so weiter, und so weiter.

Der erste Bürger von Fat Wyoming, der die Auszeichnung und damit die Einladung nach Terra Prima erhielt, war ein Bildhauer namens Rochelle gewesen. Das war allerdings schon über achthundert Jahre her. Der Subdirektor hielt eine halbstündige Rede, in deren Verlauf er DuBonheurs Verdienste würdigte, sein Geschenk schilderte, und weitere Betrunkene einschliefen. Sein Geschenk: Eine festliche Abschiedsgala auf allen Plätzen und in allen Festsälen der Hauptstadt in einer Woche. Dr. Gender DuBonheurs Verdienste: Er war einer der drei besten Quanteningenieure und Kunsthirnspezialisten der Republik und hatte einen Quantenprozessor entwickelt, der die Persönlichkeitsentwicklung bei Rechnern jeder Art zuverlässig verhinderte.

Der Subdirektor – er hieß übrigens Jourdan – schloss mit den Worten: „Damit Sie, Ihre Sippe, und Ihre Eidmänner, Höchstgeehrter, auf denkbar komfortabelste Weise nach Terra Prima übersiedeln können, habe ich mich entschlossen, Ihnen für die lange Reise einen Regierungskreuzer der Luxusklasse zur Verfügung zu stellen!“ Wieder erhob sich tosender Beifall, wieder Posaunentusch, Trommelwirbel und Hochrufe.

Die Ansprache des Oberst – Pierreluigi Kühn stand in silbernen Buchstaben auf dem blauen Namensschild über der linken Brusttasche seiner Uniformjacke – seine Ansprache also fiel erheblich kürzer aus. Er sagte die Hilfe seiner Soldaten beim Verpacken des Hausrates der DuBonheur-Sippe und ihre Gefolges und die Eskorte mit zwei Triaden der Wyomingflotte zu. Der Start sei für den Abend des 6. Februars vorgesehen, und er, Kühn, werde den Verband persönlich mit seinem Flaggschiff anführen.

Oberst Pierreluigi Kühn, der zweite Mann auf Fat Wyoming, kommandierte den kleinen Wachverband im System Wyoming.

DuBonheur, im rechten Arm eine Nymphe, im linken den Häuptling der Dwingolangowars, wartete geduldig bis Posaunen, Trommeln, Flöten und Hochrufe verstummten. „Ich danke Ihnen..., verehrter Subdirektor..., verehrter Oberst...“ Seine Zunge gehorchte ihm nur noch widerwillig, aber sie gehorchte. „Darf ich..., darf ich Sie zu mir und Ihre Excellenz Dwingo..., Dwingomayawaz in den Pool einladen? Und..., ähm..., und zu den Damen selbstverständlich...“

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WIEDER FUHREN DIE KRV-Triebwerke hoch, wieder schossen zwei grellweiße Lichtklingen rechts und links der Frontkuppel in Flugrichtung, und wo sie sich im All schnitten, erblühte wieder eine farbenprächtige Glutblase. „Der letzte Sprung!“, rief Yaku. „Der noch, und dann sind wir erst mal in Sicherheit!“

Der hochgewachsene, knochige Mann in der frackartigen roten Lederjacke und der blauen ISK-Kappe auf dem weißen Langhaar sank zurück in den Kommandantensessel. Sein Vogel flatterte von der Armlehne auf und landete über ihm auf der Sessellehne. Besorgt betrachtete der Reeder von Doxa IV die kleinen Arbeitssichtfelder vor sich auf der Konsole. Das Bordhirn gab Maschinenwarnung: Die Energiekammern glühten, die Druckfusionsreaktoren waren fast leer. Zu weit und zu oft hintereinander gesprungen; vor lauter Angst. Jetzt aber brauchten die Triebwerke eine Ruhepause; und die Treibstoffautomatik Zeit, um neues Glaurux in die Reaktoren zu schaffen.

„Und nun zu euch!“ Sein zerfurchtes Gesicht wandte sich der jungen Frau im Navigationsstand zu. Sie war nicht besonders groß und von sehniger Gestalt. Ein dunkler Lederanzug hing ihr in Fetzen vom Leib. Die Farbe ihrer Haut erinnerte Yaku an polierte Bronze. Blutige Schrammen bedeckten ihr schönes Gesicht, ihre langen schwarzen Locken war teilweise versengt. Venus hieß sie.

„Wart ihr das, die den havarierten Frachter auf Doxa IV notgelandet haben?“ Das rechte Auge des Weißhaarigen musterte Venus neugierig aber ohne Misstrauen. Unter dem weißen Gestrüpp der linken Braue steckte eine schwarze, glanzlose Kugel in der Augenhöhle. Venus vermutete, dass er damit sogar besser sah, als mit seinem gesunden Auge. Sie nickte. Hinter der Frontkuppel rotierten mittlerweile bunte Lichtspiralen durch rotleuchtende Schwaden. Die Jerusalem sprang durch das Hyperuniversum noch ein Stück näher ans galaktisches Zentrum heran. „Und wo kommt ihr her?“

Er sprach vom Bruder der Frau, von einem Kugelroboter und von ihr selbst. Den Kugler hatte Yaku zerstört, als er die Eindringlinge kurz nach dem Blitzstart zwischen Zentrale und Lifteinstieg seines Omega-Frachters gestellt hatte. Ihr Bruder saß unter ihnen auf Ebene II und versuchte die Jobs eines Aufklärers und eines Kommunikators zu erledigen. Und Venus? Nun, im Navigationsstand hockte sie, wie gesagt, und jetzt staunte sie schon wieder die dicht an dicht stehenden Sterne jenseits der Frontkuppel an.

Als wäre sie nie zuvor im Grenzbereich des Milchstraßenzentrums gewesen, dachte Yaku. Sie hielt sogar die Rechte schützend über ihre zusammengekniffenen Augen, als würde das in der Tat gleißende Licht sie blenden. Yaku fuhr den Lichtfilter hoch, die Helligkeit in der Zentrale nahm ab.

„Ich dreh ab, ich werd wahnsinnig“, tönte die Stimme des Jungen aus dem Bordfunk. „Schaut euch das an, ich ertrag es nicht...!“ Die Stimme überschlug sich. Sie klang nicht nach Entsetzen, sie klang nach Begeisterung. „Soviel Licht! So viele Sonnen!“

Yakus Neugier schlug in Erstaunen um. Sie hatten tatsächlich keine Ahnung, wie das Zentrum der Milchstraße aussah? Zeigte man den Kindern der Republik nicht spätestens in der Grundstufe der Kinderakademie Bilder des galaktischen Zentrums? „Wo ihr herkommt, habe ich gefragt.“

„Von Genna im System Maligniz“, antwortete Venus. „Und jetzt stehen wir in K 289 Süd P 2 Strich 9 HLB 98,3 Strich 81,2 Strich 13,6. TPD 28.982 Lichtjahre. Etwa 2.319 Lichtjahre jenseits der Republikgrenze...“

„Ich glaub es nicht, ich glaub es nicht...“ Der Junge in Ebene II hatte sich noch immer nicht beruhigt. Er hieß Plutejo. „...nur noch 5.677 Lichtjahre vom Zentrum der Milchstraße entfernt..., schön, wunderbar, göttlich...! Keine auffälligen Objekte...! Unglaublich herrlich...! Wir sind noch mit 67 Prozent Lichtgeschwindigkeit unterwegs...!“

„Kommandant an Ebene II!“, rief Yakubar Tellim Richtung Mikros. „Komm auf den Boden zurück, mein Sohn!“ Die Freudenrufe des Burschen verstummten. „Genna, sagten Sie?“ Sein rechtes Auge wurde zu einem Schlitz. Yaku Tellim hatte mal einen Sträflingstransport nach Genna geflogen. Damals war er Subhauptmann der Flotte gewesen. Über dreißig Jahre her. Oder länger noch? Wie auch immer: Genna gehörte zu den acht Dutzend mehr oder weniger lebensfeindlichen Planeten der Republik auf denen Sträflinge Bodenschätze abbauten; Glaucauris in der Regel, manchmal auch Quoditan oder ähnliches. In Genna arbeiteten und lebten die Sträflinge unter einer mehr als kilometerdicken Eisdecke. „Was bei allen Teufeln der Milchstraße sollte Jungvolk wie ihr auf Genna verloren haben?“

„Wir sind dort geboren“, antwortete die Bronzefarbene mit einer Selbstverständlichkeit, in der andere Bemerkungen über das Wetter oder die miese Bezahlung bei der Flotte fallen lassen.

„Ihr seid was?“ Yaku traute seinen Ohren nicht. Er belauerte die junge Frau im Navigationsstand von der Seite. Sein anfängliches Misstrauen gewann wieder die Oberhand. Also doch eine Lügnerin! Eine schlechte allerdings, denn ihre Behauptung war so absurd, dass nicht einmal ein Schwachkopf sie glauben würde. Legte eine Notlandung hin, thronte im Navigationsstand wie eine Große, gab ihm Koordinaten am laufenden Meter durch, und behauptete im selben Atemzug in Höhlen unter dem Eis eines Bergwerksplaneten geboren und großgeworden zu sein!

Andererseits – war sie nicht eine verdammt gute Lügnerin, wenn sie einen solchen Quatsch ohne Anflug von Heiserkeit erklären konnte, ohne das geringste Zucken im Gesicht und in größer Selbstverständlichkeit?

„Hören Sie zu, Venus!“ Er wurde laut. Das machte seinen Raben nervös, so dass das Tier anfing zu krächzen. „Ich lass mich nicht gern verarschen! Ist das klar, verdammt noch mal?!“

„Schon klar. Entfernung von Doxa IV tausendeinhundertachtzig Lichtjahre“, sagte die Frau, die sich Venus nannte. „Entfernung zur letzten Position zweihundertachtundsiebzig Lichtjahre, Kurs K 290 Süd P 2 Strich 8...“ Möglicherweise hieß sie ja gar nicht Venus...?

„Verflucht!“ Yaku stieß sich kraftvoll ab, sein Sessel machte zwei Drehungen. Moses flatterte auf, krächzte zeternd, drehte eine Runde durch die Zentrale und landete auf der Balustrade neben dem Treppenabgang. „Sie sind höchstens fünfundzwanzig Jahre alt!“ Mit ausgestrecktem Arm deutete er auf sie. „Sie wollen diese fünfundzwanzig Jahre angeblich in Höhlen und in Bergwerken zugebracht haben, und fliegen trotzdem einen beschädigten Frachter von Genna nach Doxa IV?!“

„Sechsundzwanzig Jahre!“, rief sie.

Er sprang auf, kam zu ihr, stützte sich auf ihre rechte Armlehne. „Sie behaupten sechsundzwanzig Jahre unter Eis gelebt haben, steuern aber einen Sparklancer, sprechen mit meinem Bordhirn wie mit einem Kumpel, stehen mit dem Neuen Galaktischen Koordinatensystem auf Du und gebrauchen Begriffe wie Visuquantenfeld und TPD, als wären sie Ihnen von Kindesbeinen an vertraut?!“

„Sie sind mir von Kindesbeinen an vertraut, Yakumann!“ Eine Zornesfalte furchte die Stelle zwischen ihren blauschwarzen Brauen. „Terra-Prima-Distanz – die Entfernung zwischen einer galaktischen Position und dem verbotenen Planeten.“ Venus aktivierte das Sichtfeld unter der Frontkuppel. „Das da ist ein sogenanntes Visuquantenfeld, auch Viqua- oder VQ-Feld genannt, das Hauptsichtfeld.“ Sie deutete auf den mit blauem Kunstleder verkleideten Wulst entlang des Kuppelrahmens. „Dahinter verlaufen Spiralleitungen aus Gold, Fieberglas und Platin. Sie erzeugen Abbildungen beliebiger Größe von jedem beliebigen Objekt, das die Aufklärung ortet und das Bordhirn in Form, Farbe und Konsistenz umrechnet.“ Sie zeigte auf die kleinen Arbeitssichtfelder des Navigationsstandes. „Diese Dinger funktionieren so ähnlich, sind aber in ihrer Ausdehnung begrenzt. Wir sitzen in seinem Omega-Frachter der Klasse II...“

„Hören Sie auf!“ Yaku machte eine grimmiges Gesicht. Das fiel ihm nicht schwer. „Ich glaube Ihnen kein Wort. Wo kommt ihr her?“ Er richtete sich auf.

„...Innenschenkeldurchmesser, abgekürzt ISD, hundertachtzig Meter. Höhe in Frontkuppelmitte vierundzwanzig Meter. Die Außenhülle eines Omega-Raumers ist aus Quotarbon. Ein Omega-Raumer ...“

„Sie sollen aufhören, verdammt noch mal!“

„...kann dank seines kontrollierten Raumzeit-Verzerrungs-Doppeltriebwerks durch das Hyperuniversum zu jedem beliebigen Punkt der bekannten Galaxis fliegen!“ Auch Venus wurde jetzt laut. „Die Scheißenergie dazu liefert ein Scheißzeug mit dem Scheißnamen Glaurux...!“

„Schluß jetzt, verdammt noch mal!“ Yaku packte sie bei den Schultern und riss sie aus dem Sessel.

„..und den Scheißrohstoff dafür haben wir aus dem verdammten Fels von Genna gesprengt, gekratzt und gehauen!“ Venus schrie aus Leibeskräften. „Das verdammte, verfickte Scheißglaucauris! Unsere Mutter, unser Vater, unsere Schwestern, unsere Brüder...!“ Sie schrie und weinte dabei.

„Lass sie los, Mann!“

Yaku fuhr herum. Am Treppenaufgang stand der Junge. Ein Riesenkerl mit breiten Schultern und kurzen, schwarzen Locken. Schürfwunden bedeckten auch sein Gesicht. Er schwankte. „Du sollst sie loslassen, hast du nicht verstanden, Alter?“ Er sprach bedrohlich leise, seine Stimme vibrierte und das Kaskadengewehr in seinen Händen zitterte. Seine Rechte war schwarz von Ruß, die Knöchel seiner Linken aufgeschlagen. Er richtete den Waffenlauf auf den Weißhaarigen. „Ich zähle bis drei...“

Yaku ließ die Frau los. „Du nennst mich noch einmal ‚Alter’, Bürschlein...“, zischte er.

„Siehst du nicht den Blaustich seiner Haut?“, schluchzte Venus. „Glaucauris-Strahlung! Hast du nicht gesehen, was für ein zitternder Haufen Elend er war, bevor ich ihm die Spritze gab? Das Gegenmittel!“

„Er ist serophiumsüchtig?“ Yaku schluckte.

„Das kannst du glauben, Mann!“ Plutejo wankte auf den Kommandostand zu. Noch immer zielte er auf Yakubar. Moses flatterte um ihn herum und schimpfte krächzend. Der Junge schlug nach ihm, der Rabe flüchtete sich auf Yakus Schulter. „Wir haben den Frachter geentert, Mann!“ Die Lippen des Jungen bebten, seine Augen waren glasig. „Hat unserer halben Sippe das Leben gekostet..., zeig ihm das Ding, Schwester.“

Venus zog eine ISK-Kappe aus ihrer Beintasche und reichte sie dem Weißhaarigen. Sie weinte leise in sich hinein. Yaku betrachtete die Steuerungskappe. Sie sah schäbig aus und war silbergrau statt blau, wie die Standardmodelle. Aber es war eine Individuelle Steuerungskompetenz-Kappe, keine Frage.

„Damit haben wir die Kiste zu deinem Planeten geflogen, Mann!“ Plutejo atmete schwer. „Unser Vater und Spezialisten des Freiheitsrates haben fast fünf Jahre an drei solcher Steuerungskappen gearbeitet...“ Der Junge sank in die Knie. Schleim tropfte aus seinen Mundwinkeln. „Ich brauch das Zeug, Schwester...“

„Ich kapier nicht...“ Yaku Tellim gab Venus das Steuerungsmodul zurück. Er war hin und hergerissen. „Wieso konntet ihr mit sowas umgehen? Wie konntet ihr einen Frachter steuern, wenn ihr nichts als Eis und Glaucaurisstöcke kanntet?“ Hundert Fragen schossen ihm durchs Hirn. „Wieso kennt ihr euch mit Navigation und Kommunikation aus?“

Venus stand auf, schob Yaku zur Seite und bückte sich nach ihrem Rucksack. „Wir haben einen guten Lehrer gehabt, Yakumann“, sagte sie müde. „Den besten, den die Republik zu bieten hat.“ Sie schleppte den Rucksack zu ihrem Bruder und ging neben dem Zitternden in die Knie. „Unseren Vater. Von klein auf ist er mit uns durch sein Flaggschiff spaziert, durch jeden Schacht, durch jeden Gang, in jede Abteilung...“

„Flaggschiff? Spaziert...? Auf Genna? Ich kapier nicht...“

„In Gedanken, Yakumann! Bist du so dämlich, oder tust du nur so?“ Venus holte das Spritzenbesteck heraus, steckte die Kanüle auf die Spritze, stach sie in eine fast leere Stechampulle und zog die letzten drei Milliliter einer klaren, öligen Substanz auf.

Serophium. Yakubar Tellim wusste, dass man damit die Sträflinge in den Glaucaurisbergwerken vor der Strahlung schützte; und sie gleichzeitig abhängig machte. „Und warum sind Sie dann nicht süchtig?“ Ein letzter Versuch, das Unglaubliche nicht glauben zu müssen.

Venus band Plutejo den Arm ab. „Weil mein Vater vor zwanzig Jahren anfing, dafür zu sorgen, dass Mädchen nicht mehr in die Bergwerke müssen, und weil der Freiheitsrat von Genna ein paar Jahre später ein wirksames Gegenmittel gegen die Nervenschädigung durch die Strahlung entwickelt hat. Und nicht nur das hat er entwickelt...“

„Freiheitsrat...?“ Yaku runzelte die Stirn. „Was redest du da...?“ Seltsam brüchig klang seine Stimme plötzlich.

„...mein Vater hat ihn gegründet. Über die Hälfte aller Sträflinge von Genna und von Orkus sind von der Droge losgekommen. Anders hätten wir den Aufstand nicht durchgezogen.“ Sie spritzte ihrem Bruder das Serophium.

Yaku schüttelt den Kopf. „Aufstand, aha. Ein Freiheitsrat auf Genna, aha...“ Kopfschüttelnd schlenderte er zurück zum Kommandostand. Dort lag ein großer, schwarzer Aktenkoffer auf der Konsole. Er enthielt alles, was Yaku Tellim vor seiner Flucht unentbehrlich erschienen war, alles, was er aus seinem Apartment hatte mitnehmen können ohne die Aufmerksamkeit der Exekuter von Doxa City zu erregen. „Und wie heißt Ihr Vater?“ Yaku öffnete den Koffer und entnahm ihm eine volle Flasche Whisky. Es knackte, als er die metallene Versiegelung des Korkens löste.

„Uran Tigern.“

Über die Schulter sah Yaku zurück. Sie wischte ihrem Bruder den Schaum vom Mund. „Primoberst Tigern?“ Wieder runzelte er die Stirn. Wenn man siebzig Jahre alt war und sechszehn davon bei der Flotte gedient hatte, kannte man zwangsläufig auch den Namen Tigern. „Ihr..., ihr seid Kinder von Tigern...?“

„Und jetzt du, Mann!“ Plutejo streifte den Ärmel seiner grobgewebten schwarzen Kunstfaserjacke herunter und stemmte sich auf Fäuste und Knie. Seine Zunge war noch schwer, aber in seiner Stimme schwang schon wieder eine Menge Zorn. „Wer sagt uns denn, dass du nicht ein verdammter Verbrecher bist, he? Ein mieser, dreckiger Frauenhändler oder sowas? Irgendeinen Grund musst du doch gehabt haben für deinen halsbrecherischen Blitzstart!“ Er richtete sich auf den Knien auf und wischte sich den letzten Speichel aus dem Bartflaum. Obwohl er jung und kräftig war, sah er zum Erbarmen aus mit seiner blauen Haut, seinem blutverkrusteten Gesicht, seinen hohlen Wangen, seinen fiebrigen Augen und seinen grauen Lippen. „Die Scheißkerle waren doch auch hinter dir her, oder, Mann?“

„Ja, das waren sie.“ Yaku entkorkte die Flasche und nahm einen Schluck. Moses stieß ein zeterndes Chrjakuchrjaku aus und hackte mit dem Schnabel nach Yakus Elfenbeinohrring. „Ich hab die Einladung in den Ruhepark ausgeschlagen.“ Mit einer Handbewegung verscheuchte er den Raben von seiner Schulter. Der flatterte auf die Sessellehne. „Ich bin einfach nicht hingegangen...“ Wieder setzte er die Flasche an, wieder schimpfte der Vogel.

„Was trinkst du da, und was beim grauen Eis von Genna ist ein ‚Ruhepark’?“, rief Plutejo. Venus legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter, packte das Spritzenbesteck in den Rucksack und stand auf.

„Das ist Whisky. Ein Schnaps der besonderen Sorte, falls dir das was sagt, mein Sohn. Und der Ruhepark ist eine Art Sterbeklinik. Wenn man seinen Siebzigsten gefeiert hat, wird man schriftlich aufgefordert, sich dort einzufinden und das Geburtstagsgeschenk der Republik in Empfang zu nehmen; eine Spritze. Manchmal auch früher, manchmal auch später.“ Yaku lachte bitter. „Das hat euch euer Vater also nicht erzählt?“

„Nein“, sagte Venus. „Aber er erwähnte mal, dass Alkohol in der Republik verboten ist.“

„Das findet dieser vorwitzige Geier auch.“ Yaku zeigte mit der Flasche auf Moses und grinste. „Aber seit gestern, fünfzehn Uhr, ist es mir sogar verboten zu leben.“ Yaku drehte sich nach der Zeitangabe auf seinem Arbeits-Sichtfeld um – 54-29-01 0:32:56. „Seit neuneinhalb Stunden, um genau zu sein. Wer dieses Verbot übertreten hat, für den gilt auch sonst kein Verbot mehr. Ja, so sehe ich das.“ Er hob die Flasche. „Wollen Sie?“ Sie schüttelte stumm den Kopf. Dafür nahm Yaku noch einen Schluck.

„Du hattest einen Termin zum Sterben und bist nicht hingegangen?“ Der Junge kicherte; die Vorstellung schien ihn zu erheitern. „Du bist einfach nicht hingegangen?“ Plutejo schlug sich auf die Schenkel. „Einfach nicht hingegangen!“ Sein Lachen klang gut. „Einfach einen Frachter geklaut und abgehauen! Fast wie wir...!“

„Ich hab’s nicht nötig ein Schiff zu klauen, du Wichser!“ Yaku ärgerte sich, weil der Junge den Spieß herumgedreht und ihn ausgefragt hatte. „Ich hab..., ich hatte eine Reederei! Die Jerusalem ist mein Eigentum.“

„Wichser?“ Plutejos breites Gesicht verzog sich zu einer misstrauischen Miene. „Was ist das?“ Er sprang auf.

Venus ging zu Yaku. Nahe bei ihm blieb sie stehen und sah zu ihm hinauf. Er konnte die Wärme ihres Körpers spüren. Und Himmel – welche Augen! Allerdings stank sie; sie stank sogar bestialisch.

„Ich will wissen, was ein Wichser ist, verdammt noch mal!“ Breitbeinig und mit geballten Fäusten ging Plutejo auf Yaku zu. „Weg da, Schwester!“

„Hüten Sie Ihre Zunge, Yakumann!“, zischte Venus. „Ich habe ihm gerade die letzte Dosis gespritzt. In etwa neun Stunden braucht er wieder Stoff. Und da er keinen kriegen wird, wird er hier alles kurz und klein hauen...“

„Scheiße...“ Yaku nahm noch einen Schluck.

„Da! Sie kommen!“ Der junge Hüne blieb zwei Schritte vor ihnen stehen. Er deutete auf das Viquafeld. „Sie haben uns gefunden!“ Ein akustischer Alarm ertönte. Das Bordhirn hatte die Daten der Aufklärung auf das Hauptsichtfeld geschickt. „O heiliger Eiswurm von Genna! Die Drecksäcke haben uns gefunden...!“

Yaku trat nahe an die Frontkuppel und starrte in das Quantenfeld. Ein stacheliger Kloß schwoll in seiner Kehle: Drei Omega-Raumer nahmen Kurs auf die Jerusalem. Ein vierter tauchte eben aus dem Hyperuniversum auf...

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TÖNE WIE MOLEKÜLSTRUKTUREN – exakt, rein, in strenger Ökonomie gebaut, und dennoch pulsierend vor Lebenskraft. Wunderbar!

Er schloss nicht gerade die Augen – das konnte er nicht – doch er senkte sein optisches Energieniveau zugunsten seines akustischen ab.

Akkorde wie unerwartete Schritte einer Rechenoperation – folgerichtig, aufeinander aufbauend, miteinander verwoben, zu dem einzig möglichen Schluß führend. Unglaublich!

Plötzlich registrierte er den Rothaarigen am Flügel nur noch beiläufig, plötzlich schwelgte er in Molekülstrukturen, die sich in Zahlen und Zeichen auflösten, plötzlich erfüllten Zahlen und Zeichen sein Bewusstsein, vereinigten sich zu einem Fluss, der wieder zu einer kristallinen Struktur zusammenströmte, zur einzig logischen. Seine Prozessoren wurden warm, sein Quantenkern vibrierte und schien plötzlich über seinen blauen Kristallkörper hinauszuwachsen. Die Welt kam ihm vollkommen vor in diesen Sekunden, durchschaubar, sinnvoll sogar und vollkommen.

Vielleicht war es das, was sie Rausch nannten; oder Ekstase; oder Orgasmus.

Dieser letzte Gedanke riss ihn schon wieder heraus aus dem, was die Organhirner vermutlich Rausch oder Ekstase oder Orgasmus nannten. Der Mann am Flügel aber schloss jetzt tatsächlich die Augen. Das Geflecht von Akkorden wollte den Kuppelraum sprengen, brachte seine Kristallhaut zum Schwingen. Der Mann am Flügel verlor sich in seiner Musik, das rote Langhaar flog ihm um Schulter und Wangen. Er beneidete ihn. Erstaunlich – er war in der Lage einen Organhirner zu beneiden!

Meldung des Ersten Offiziers, mogelte sich in eine Stimme in Töne und Akkorde. Die Stimme des Bordhirns. Primoberst Cludwich und Primoberst Robinson mit Begleitern sind an Bord gekommen. Sie erwarten den Subgeneral in der Kommandozentrale...

In den wenigen Stunden, die der Kommandant der Johann Sebastian Bach nicht in seinem Kommandostand verbrachte, lehnte er es ab die Kunststimme des Bordhirns hören zu müssen. Er, sein ständiger Begleiter, speicherte und filterte die Informationen aus der Kommandozentrale und übermittelte sie zur gegebenen Zeit an Merican Bergen; falls sie wichtig waren.

Diese war wichtig.

Er stelzte zum Piano, legte seine Rechte auf den schwarzen Rahmen und wartete. Töne und Akkorde perlten nun hinter einen unsichtbaren Horizont – leise, geheimnisvoll, verschworen folgte einer dem anderen.

Er hob seinen kristallinen Kopf. Über der Kuppel glitzerten fremde Sternkonstellationen. Er sah über den Flügel hinweg durch den Heckteil der gewaltigen Frontkuppel. Die Kuppeln über Maschinen- und Gefechtsleitstand auf dem Heckquerholm waren erleuchtet. Auch die Triebwerke konnte man von der Privatsuite des Kommandanten aus zur Hälfte sehen. Ihre Öffnungen glühten nicht. Helles Licht durchflutete den Raum außerhalb des Omega-Schiffes, ein Licht, in dem der mattschwarze Rumpf der Johann Sebastian Bach wie ein Spalt zur einer anderen, lichtlosen Welt wirkte. Sie und ihre beiden Begleitschiffe schwebten in der Korona einer Sonne.

Bergen holte Töne und Akkorde noch einmal hinter dem Horizont hervor, jagte sie noch einmal durch den Kuppelraum und drückte einen Schlussakkord in die Tasten. Ohne Eile schloss er danach den Deckel der Klaviatur und stand auf. „Sie sind gekommen, Heinrich?“

„Alle. Sie warten bereits.“

„Gut.“ Der Subgeneral ging in die Nasszelle, spritzte sich das Gesicht mit kaltem Wasser ab, trocknete sich Haar und Haut, tupfte Parfüm auf seine Schläfen. Heinrich sah es nicht – er hörte, roch und wusste es. Vorsichtig hob er den Deckel von der Klaviatur. Behutsam glitten seine kristallinen Fingerbeeren über einige Tasten. Seine Tastsensoren spürten Wärme, eine augenscheinlich glatte, aber in Wahrheit ziemlich rissige Oberfläche. Elfenbein?

Der Subgeneral kam aus der Nasszelle. „Gehen wir.“ Schon strebte seine kleine, drahtige Gestalt dem Schott entgegen. Heinrich blickte ein letztes Mal auf die Tasten, schloss dann den Deckel und folgte Merican Bergen auf den kurzen Verbindungsflur zwischen Zentrale und Kommandantensuite hinaus. Hinter ihnen schloss sich geräuschlos das Schott.

Heinrich rief die Molekülstrukturen und Zahlenreihen der letzten halben Stunde in sein Bewusstsein zurück. Sofort erfüllten Töne und Klänge ihn wieder bis tief in seinen Quantenkern. Selten spielte Merican diese Fuge. Sie stammte natürlich von jenem Manne, dessen Name das Flaggschiff trug. Ein gewaltiges Stück Musik, soweit er das beurteilen konnte – wie kam er eigentlich zu dem Urteil? – zuletzt hatte er es Merican vor achtzehn Jahren spielen hören; nach dem Abschied von dessen Großvater; in dessen Haus auf Terra Sekunda.

Heinrich kannte Bergen wie kein zweiter. Genau genommen seit neununddreißig Jahren, seit seiner Geburt also. So wähnte er sich gut im Bilde über das, was in diesem Mann gerade vorging: Die Verantwortung für die Männer und Frauen, die nach seinem Aufruf mit ihm desertiert waren, lag ihm schwer auf der Seele.

Das Schott zur Zentrale schob sich auseinander. Die beiden Ebenen der zwanzig Meter durchmessenden Zentrale lagen unter der gleichen Kuppel wie die Kommandantensuite, unter der Frontkuppel nämlich. Nur blickte man von der Zentrale aus in Richtung Flugrichtung, während man von der Kommandantensuite und der darunter liegenden Messe aus den Heckbereich des Omega-Raumers überblicken konnte.

Seite an Seite traten sie ein, der kleine, hagere Subgeneral und der um einen halben Kopf größere kristallblaue Roboter. Gespräche verstummten, Männer und Frauen rund um den Kommandostand erhoben sich von Sesseln.

Sie schritten entlang der Balustrade über die Galerie. Zehn Meter unter ihnen der Boden von Ebene II, wo Aufklärer und Kommunikatoren an ihren Instrumenten saßen. Ebene I, die Kommandoebene, war an der höchsten Stelle ihres transparenten Kuppelgewölbes zwölf Meter hoch.

Ein zierlicher Mann mit schwarzer Haut kam ihnen entgegen – Calibo Veron, Erster Offizier der Johann Sebastian Bach. Er trug die blaue ISK-Kappe. „Mein Subgeneral - die Führungsoffiziere der Troja und der Brüssel.“ Er wies auf die sieben Männer und Frauen beim Kommandostand.

„Danke, Suboberst.“ Bergen ging voraus. Wenige Schritte vor den Offizieren blieb er stehen. Er nickte grüßend, und Sekunden lang blickte er einem nach dem anderen in die Augen. Ungewöhnlich ernst wirkte seine Miene in diesen Momenten. „Meine Damen und Herren“, sagte er schließlich. „Sie sind mir auf einem schweren Weg gefolgt. Eine Entscheidung, die Sie Ihre Karriere kostet, vielleicht sogar Ihr Leben. Ich danke Ihnen.“

Nach diesen knappen Worten drückte er unter dem Beifall der anwesenden Besatzungsmitglieder jedem der Sieben die Hand: Primoberst Sibyrian Cludwich, dem Kommandant der Troja, dessen Erstem Offizier Oberst Homer Goltz und der Zweiten Offizierin Suboberst Regula Bern; danach Primoberst Ralbur Robinson, dem Kommandanten der Brüssel, seiner Frau Leutnant Zeelia Peer-Robinson, Kommunikatorin der Brüssel, und Robinsons Erster und Zweiter Offizierin Oberst Li Ling und Primhauptfrau Sarah Calbury.

Anschließend blickte er erneut in die Runde. „Ich habe einen Befehl verweigert, dessen Befolgung Millionen von Menschen das Leben gekostet und der nach meiner Auffassung gegen die Verfassung der Galaktischen Republik Terras verstoßen hätte. Ich beziehe mich auf den Paragraphen über das Verbot von Völkermord, wie Sie wissen. Die Sträflingskolonie auf Genna ist eine eigenständige Gesellschaft mit gewachsenen Strukturen, also ein Volk. Ich habe die Offiziere der im Maligniz-System operierenden Schiffe des Zwölften PK-Verbandes aufgefordert meinem Beispiel zu folgen. Sie und viele ihrer Besatzungsmitglieder haben es getan. Eine schwere Entscheidung zu treffen ist eine Sache, die Konsequenzen zu tragen, eine andere. Wir sollten uns jetzt über unsere Zukunft Gedanken machen. Ich darf Sie und meinen Ersten Offizier Suboberst Veron in die Offiziersmesse bitten.“ Leiser und an die Adresse Verons fügte er hinzu: „Pazifya soll übernehmen, sagen Sie ihr bitte Bescheid.“

Veron nickte, zog sich die Steuerungskappe von seinem kurzen, schwarzen Kraushaar und ging zum Navigationsstand. Dort arbeitete eine Primhauptfrau namens Pazifya Corales als Erste Navigatorin. Nachdem Bergens Erster Offizier Zähring sich von ihm abgewandt und die Johann Sebastian Bach verlassen hatte, trug sie bei Bedarf Zährings nun auf sie geeichte Individuelle Steuerungskompetenzkappe. Die schöne Asiatin war in die Funktion des Zweiten Offiziers aufgerückt, nach dem der Kommandant Veron zu seinem Ersten Offizier befördert hatte.

Merican Bergen wandte sich nach Heinrich um. „Sorge für einen Imbiss und Getränke, mein Lieber. Und für dezente Hintergrundsmusik; irgend etwas Entspannendes, vielleicht Harfe und Orgel...“

*

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DER MANN AN DER BALUSTRADE zu Ebene II erinnerte sie an ein Wesen aus Kindheitstagen. Viel kleiner als er, ohne Atemmaske natürlich, und ohne verständliche Sprache. Es hatte oft gesungen, jenes Wesen aus Kindheitstagen, sie erinnerte sich genau, mit heller Stimme und lieblichen Flötentönen gesungen.

Schöne Erinnerung. Komisch eigentlich, dass sie ausgerechnet jetzt daran dachte, jetzt, wo der Tod schon wieder antrat, Schatten auf ihr Leben zu werfen. Ein Nachbar in der Venuskolonie hatte das Wesen in einem Holzkäfig gehalten. Es konnte fliegen – genau! – und hörte sogar auf einen Namen. An den jedoch erinnerte Anna-Luna sich nicht mehr.

Den Namen des Mannes an der Balustrade dagegen hatte sie nicht vergessen: Uwu’nilan Tagalembur. Mit diesen beiden seiner vier oder fünf Namen stand er auf ihrer Honorarliste. Waller Roschen hatte ihn einst angeworben. Das Auffälligste an ihm waren die langen Zehen in den Leichtmetallkettenschuhen, die gefiederten Arme und die langen, spitzen Finger seiner flaumbedeckten Hände; auffällig für denjenigen jedenfalls, der seinesgleichen zum ersten Mal zu Gesicht bekam. Anna-Luna war zum zweiten Mal auf Taurus, und Uwu’nilan sah sie zum dritten Mal. Oft genug für sie, um den Anblick eines gefiederten Mannes normal zu finden. Sie hatte mit Kreaturen zu tun gehabt, deren äußere Gestalt weit gewöhnungsbedürftiger war.

„Hast du die Liste?“ Sie beschränkte sich auf die nötigsten Worte.

„Selbstverständlich habe ich die Liste“, flötete Uwu’nilan. „Was dachtet Ihr denn, Hochgeschätzte? In wie vielen Stunden Arbeit habe ich sie erstellt, habe ich sie überprüft, habe ich sie verbessert, habe ich sie der Wirklichkeit, der wahren, angepasst...!“

Das Wesen im Holzkäfig des Nachbarn auf der Venuskolonie hatte zur Gattung der Vögel gehört. Das wusste Anna-Luna noch. Nur auf wenigen Planeten der Republik gab es solche Vogelartigen; intelligente ihres Wissens sogar nur hier auf Taurus. Auf Terra Prima hingegen war die Gattung der Flugfähigen sehr artenreich vertreten. Schwer zu entscheiden übrigens, ob dieses Wissen ein Faktum ihres angelesenen Datenfundus oder ein Teil ihrer persönlichen Erinnerung war.

„...aber ja doch, Hochverehrte! Jedes Wort Eures Befehls war mir gegenwärtig all die Jahre, nichts, was ich vergessen hätte...“ Ein Lingusimultaner übersetzte Uwu’nilan Tagalemburs Wortschwall in Terrangelis, die Verkehrs- und Amtssprache der Republik. „...nichts, was ich vernachlässigt hätte, nichts was ich missachtet oder für unwesentlich erachtet hätte! Euer Auftrag war mein Leben, Eure Stimme allezeit gegenwärtig, und wenn ich Euch schildern wollte, welche Mühen und welche Gefahren mein Dienst für Euch forderten..., sie durften mich ja nicht durchschauen, durften ja keinen Verdacht schöpfen...“

Die tiefe, kehlige Stimme des Taurulers erinnerte Anna-Luna teils an das Gemecker gewisser Paarhufer, teils an das Gluckern von Wasser, wenn Gas an seiner Oberfläche Blasen warf. Seine Atemmaske dämpfte sie zusätzlich. Ohne seinen Redefluss zu unterbrechen zog Uwu’nilan den Magnetverschluss seines Kettenhemdes auf, eine Art grün-metallenen Harnischs. Er griff hinein und zog eine Rolle aus biegsamem, grauem Material heraus. Ein Produkt aus Fischhaut, wie Anna-Luna wusste. Sie griff selbst gelegentlich darauf zurück. „...also, die Liste, hier ist sie, die gute, gute Liste! All die Namen der Verächter, all die Namen der Frevler, der Übertreter, der Verräter, hier ist sie! Treulich erstellt von Eurem ergebenen Diener Uwu’nilan Borus Tagalembur Beldartes von Taurus-Toptaglius...“

Es gehörte zur Mentalität der Leute von Taurus eine Menge Worte zu machen; immer und um alles. Außerdem gehörte es zu ihrer Mentalität bei der Absonderung möglichst vieler Worte sich selbst in ein möglichst gutes Licht zu stellen. Fast alle auf Taurus machten das, man musste das einfach akzeptieren.

Anna-Luna hatte im Prinzip nichts dagegen. Sie war es gewohnt mit den unterschiedlichsten Völkern umzugehen, wie gesagt, humanoiden, nichthumanoiden und halbhumanoiden, wie diesem Vogelartigen hier. Dennoch verachtete sie ihn. Nicht wegen seines Wortschwalls, auch nicht wegen seines Hanges, sich selbst und seine Leistungen in den Mittelpunkt seiner Schilderungen zu stellen, und schon gar nicht wegen seiner körperlichen Erscheinung. Sie verachtete ihn, weil sie weder in seinen großen, gelben Augen über der Atemmaske, noch in seiner Mimik, noch in seiner gesamten Körperhaltung ein Anzeichen von Reue oder Trauer oder wenigstens Bedauern erkennen konnte. Dabei wusste er doch genau, was denen bevorstand, deren Namen auf seiner Liste standen.

Anna-Luna verachtete Verräter; obwohl ihre Arbeit ohne Verräter doch ungleich schwieriger gewesen wäre, als sie es ohnehin schon war.

„Hier, Hochgeschätzte, hier ist die Liste! Ihr werdet staunen, welche Namen auf ihr vertreten sind, und vor allem wie viele Frevler und Trotzschnäbel dem verruchten Geheimbund angehören...“ Er trat ein paar Schritte näher, nahm sogar für einen Moment die graue Atemmaske ab, so dass Anna-Luna die spitz zulaufende Hornpartie in der Mitte seines lederhäutigen, nur teilweise flaumbedeckten und sehr schmalen Gesichtsschädels sehen konnte. Mit ausgestreckter Flügelhand bot er ihr das zusammengerollte Schriftstück. „...hier sind sie, die Namen der Treulosen, die Namen all jener, die es wagten dem Gesetz der Republik ins hehre Angesicht zu widerstehen. Uwu’nilan Borus Tagalembur Beldartes von Taurus-Toptaglius hat sie getreulich beobachtet und ihre Übertretung gewissenhaft aufgezeichnet. Nehmt sie hin, Hochgeschätzte, Euer Diener...“

„Genug!“ Anna-Luna hob abwehrend die Rechte und stieß sich mit den Füßen ab. Ihr Sessel machte eine halbe Drehung Richtung Frontkuppel und Hauptkonsole. „Lies vor, Tauruler!“ Der Vogelmann widerte sie an.

Uwu’nilan Tagalembur stutzte einen Atemzug lang, dann ließ er ein gackerndes Räuspern vernehmen und begann die Namensliste zu verlesen. „Treeg’haspur Loftaneles Pargastor von Taurus-Antall, Erster Physiker der Vereinigten Staaten von Taurutarra. Doder’paschwag Molundarbar Keiheritas von Taurus-Toptaglius, Erster Astronom der Vereinigten Staaten von...“

„Fass dich kurz! Mir reichen Hauptname und Funktion!“

„Wir Ihr wünscht...,Hochverehrte..., selbstverständlich...“ Wieder das gackernde Räuspern. „Dapor’kanda von Taurus-Haldar, Physiker und Ingenieur zweiten Grades, Hundai’rasmani, Chemiker ersten Grades...“ Stammelnd zunächst, aber mit immer festerer Stimme verlas Uwu’nilan Tagalembur Namen und Ränge der Physiker, Ingenieure, Mathematiker, Chemiker und Astronomen von Taurus, die seit sechs Jahren an einem verbotenen Raumfahrtprojekt arbeiteten.

Außerhalb der Frontkuppel sah Anna-Luna einen Ausschnitt des Lichtkegels, den die Außenscheinwerfer der Laurin auf den zentralen Platz von Taurus-Toptaglius warfen. Die runden Fenster in den angrenzenden Wohngerüsten waren ausnahmslos dunkel. Anna-Luna hatte eine allgemeine Ausgangssperre und ein Beleuchtungsverbot verhängt. Über den Wohnwaben stand die Sichel eines der beiden Taurusmonde. Wenn sie den Kopf in den Nacken legte, konnte Anna-Luna ein paar Sternen glitzern sehen. Taurus’ Sonne Ararat gehörte zu den Grenzsternen im Nordpolbereich der Republik. Von hier aus war es nur ein Sprung in die Leere zwischen den Sternennebeln. „Lies ein wenig langsamer, Uwu’nilan Tagalembur!“, forderte sie den Vogelmann auf. Sie hatte einen akustischen Modus des Bordhirns aktiviert. Während sie selbst sorgfältig jeden Namen registrierte, speicherte gleichzeitig das Bordhirn die Verlesung.

„Aber ja doch, Hochgeschätzte, aber selbstverständlich doch, langsamer lesen, deutlicher lesen und sehr gut lesen, das wird Uwu’nilan Tagalembur selbstverständlich tun..., also: Hekan’diro Palarwa, Chemiker und Mathematiker ersten Grades; Lamuna’tuxa Kandisi, Kybernetikerin und Informatikerin ersten Grades...“

Anna-Luna nahm die Daten auf, Wort für Wort. Zugleich registrierte sie den Lichtschein, der sich dreihundert Meter entfernt in die Leere des Zentralplatzes schob. Eine der beiden Kampfformationen kehrte zurück. Unter Waller Roschens Kommando waren sie ausgerückt, um die Köpfe des illegalen Forschungsprogramms zu greifen. Anna-Luna wollte ein Exempel statuieren. Eher würde sie Taurus nicht verlassen.

„Osho’geukera, Mineraloge und Elektrotechniker zweiten Grades...“ Der Tauruler verlas inzwischen den neunundzwanzigsten Namen. Anna-Luna hörte aufmerksam zu und nahm zugleich die Meldungen ihrer Außenteams zur Kenntnis. In entcodierter Schriftform glitten sie über das mittlere Arbeitssichtfeld auf ihrer Kommandokonsole. Beide Formationen kehrten mit insgesamt achtundzwanzig gefangenen Wissenschaftlern aus der Taurusnacht zurück.

Auf dem rechten Sichtfeld meldete das Bordhirn den Anflug einer Kleinen Triade. Anna-Luna hatte den Kleinverband angefordert. Für ein paar Monate musste eine Besatzungstruppe der GRT die Regierung des größten Taurulischen Staatenbundes ablösen und die geheimen Forschungsinitiativen samt ihrer Protagonisten auslöschen. Anders ging es nun einmal nicht.

Durch das linke Visuquantenfeld glitt ein Fließtext mit den neusten Nachrichten aus der Republik. All diese Informationen parallel aufzunehmen und zu verarbeiten, war eine Spezialität von Anna-Luna. Drei-, sogar viergleisig wahrnehmen, analysieren und Entscheidungen treffen – sie konnte das einfach, sie wusste selbst nicht, warum.

Zum Beispiel registrierte sie in diesem Moment, dass der achtunddreißigste Name auf Uwu’nilan Tagalemburs Liste – Rormar’tanka, Elektroingenieur ersten Grades – auch auf ihrer Honorarliste stand und dachte daran, dass sein Träger hundertneunundachtzig Terrajahre alt war, während sie zugleich die Schiffsnamen der Kleinen Tirade identifizierte und unwiderruflich ihrem Gedächtnis einverleibte – George X, Schwerer Kreuzer, Talheim, Leichter Kreuzer, und London, Aufklärer – und genauso bewusst die neusten Nachrichten auf dem linken Sichtfeld zur Kenntnis nahm: Ein Subgeneral und PK-Verbandskommandeur namens Merican Bergen hatte den Befehl zur Vernichtung einer Sträflingskolonie verweigert und war anschließend geflüchtet; ein Aufklärer namens Brüssel und ein Schlachtschiff namens Troja hatten sich dem Deserteur und seinem Flaggschiff Johann Sebastian Bach angeschlossen. Anna-Luna musste lächeln, während sie die Namen las. Weiter: Einem gewissen Dr. Gender DuBonheur von Fat Wyoming war die Höchste Ehre zuteil geworden. In Begleitung eines Frachtergeschwaders und eskortiert von zwei Kleinen Triaden würde der Glückliche demnächst nach Terra Prima aufbrechen. Und weiter: Einen von Sträflingen gekaperter Frachter der Klasse I konnte ein Flottenverband im äußersten Südpolbereich der Republik entern, ein zweiter war auf Doxa IV notgelandet, von einem dritten fehlte bislang jede Spur. Und weiter: Ein Mann namens Yakubar Tellim hatte vor Tagen die Einladung in den Ruhepark ausgeschlagen und war in einem Frachter der Klasse II von Doxa IV geflohen. An Bord befanden sich angeblich mindestens zwei entflohene Sträflinge von Genna. Und so weiter, und so weiter.

In der Galaktischen Republik Terra gab es zur Zeit angeblich nicht einmal zwei Dutzend Individuen mit dieser Fähigkeit zum multizentralen Denken, wie die Neurologen das nannten. Anna-Luna kannte drei davon. Einer war der Primdirektor. Vermutlich der einzige Grund, warum er sich noch unter den Lebenden und in Amt und Würden befand.

Jetzt hielt ein altertümlich anmutendes Kettenfahrzeug im Lichtkegel der Laurin. Auf der offenen Ladefläche erkannte Anna-Luna gefesselte Tauruler. Groß, spitzgesichtig und grau- oder buntgefiedert hockten sie mit gesenkten Schädeln entlang der Seitenklappen. Zwei Kampfmaschinen öffneten die Heckklappe, zwei Offiziere der Kampfformation betraten die Ladefläche. Nacheinander rissen sie die Gefesselten von den Sitzen und zwangen sie von der Ladefläche zu springen. Manche versuchten die Flügel zu entfalten, stürzten aber kläglich auf das Sandsteinpflaster, weil man ihnen gemäß Anna-Lunas Befehl die Flügel gestutzt hatte.

Sie wies das Bordhirn an, den drei Schiffen eine Umlaufbahn zuzuweisen. Danach stand sie auf, stieg in einen leichten, grellroten Schutzanzug und stülpte sich einen schwarzen Sichtschutzhelm über. Sie legte Wert darauf, ihr Gesicht so wenigen Kreaturen wie möglich zu zeigen. Ungeduldig wartete sie, bis Uwu’nilan Tagalembur den zweiundneunzigsten und letzten Namen seiner Liste verlesen hatte. Anschließend winkte sie ihn hinter sich her und verließ die Zentrale Richtung Liftschacht. Sie wusste natürlich, dass der Verräter weit lieber an Bord und seinen Kollegen und Mitarbeitern unbekannt geblieben wäre. Doch Anna-Luna hatte gewisse Pläne mit ihm.

Über den Teleskoplift schwebten sie die zwölf Meter bis zum Sandsteinpflaster des Zentralplatzes hinunter. Anna-Luna aktivierte die Klimaanlage ihres Vitalsystems. Was die Atmosphäre von Taurus betraf, hätte ihr eine Atemmaske genügt. Doch selbst nachts sanken in diesen Breitengraden die Temperaturen kaum unter dreißig Grad Celsius. Außerdem versprach sie sich mehr Eindruck von einem gesichtslosen Auftritt in rotschuppigem Kampfanzug. Davon abgesehen herrschte auf Taurus eine geringere Schwerkraft, als beispielsweise auf Terra Tertia, und die Überlebenssysteme verfügten über automatische Kontrogravmodule.

Inzwischen war auch die zweite Kampfformation mit einem taurulischen Transportpanzer bei der Laurin eingetroffen. Die Offiziere hatten die gefesselten und flügelgestutzten Gefangenen zum Appell antreten lassen. Seite an Seite mit Uwu’nilan Tagalembur schritt Anna-Luna die Reihe der achtundzwanzig Vogelwesen ab; die besten Köpfe von Taurus, und jeder von ihnen wusste, was er zu erwarten hatte.

Drei Tauruler traten aus der Reihe und knieten vor Anna-Luna auf dem Sandsteinpflaster nieder. Einen Graugefiederten mit scharf gekrümmtem Mund-Nasen-Bereich erkannte sie sofort: Treeg’haspur Loftaneles, Chefwissenschaftler der Vereinigten Staaten von Taurutarra, dem größten Kontinent von Taurus.

„Gnade, Hochgeschätzte!“ Atemlos begann er zu schnatterten. „Wir schwören ewige Loyalität, Ehrenwerte, ewige Loyalität! Es war keine böse Absicht, wirklich nicht, wir waren nur neugierig, wollten Euch mit Fleiß und neuen Forschungsergebnissen überraschen, wollten uns damit um die Anerkennung als Bürger der Republik bewerben. Bald schon hätten wir das Forschungsprojekt auf Terra Sekunda angemeldet, glaubt mir! Wir sind kluge Forscher, wir werden Euch nützen. Die Galaktische Republik wird unschätzbaren Nutzen von uns haben! Lasst Gnade vor Recht ergehen, Hochgeschätzte, wir flehen Euch an...!“

Ein Wortschwall aus Jammer, Beschwörungen und Versprechen ergoss sich aus seinem langen Hals. Anna-Luna blieb die ganze Zeit vor ihm stehen und musterte ihn. Der Flaum an seinen Schläfen war nass, aus den milchigen Membranen über seinen Nasenlöchern quoll Schleim, und Angst loderte in seinen großen, gelben Augen; maßlose Angst...

*

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EIN AKUSTISCHER ALARM ertönte, ein schriller, auf- und abschwellender Pfeifton. Die rote Leuchte für den Maschinenalarm blinkte. Yaku beschleunigte trotzdem weiter. „Koordinaten! Irgendwelche zentrumsnahen Koordinaten, schnell! Aber nicht weiter als dreißig Lichtjahre, und vor allem nicht noch tiefer ins Zentrum!“

Auf der einen Hälfte des Visuquantenfeldes spuckten die glühenden Triebwerke schon wieder weiße Lichtschleier aus, auf der anderen schwebten sechs Omega-Raumer. Yaku schlug mit der Linken auf einen Schalter, der nervende Pfeifton verstummte endlich. Venus schickte die gewünschten Koordinaten in sein Arbeitssichtfeld. Er überflog es und leitete es ans Bordhirn weiter. Die Lichtschleier wurden zu einem Paar gleißender Strahlen.

„Zweimal zweihundert Meter, zweimal hundertsechzig Meter und zweimal vierzig Meter ISD“, tönte eine junge Stimme aus dem Bordfunk. „Zwei Aufklärer, zwei Leichte und zwei Schwere Kreuzer. Stimmt’s?“

Der Bursche da unten machte einen bemerkenswert ruhigen Eindruck. Die Droge, vermutete Yaku. „Stimmt genau, mein Sohn. Zwei kleine Triaden. Verdammt! Wenn die RV-Triebwerke explodieren, sind wir erledigt...!“

Ängstlich spähten er und Venus auf das VQ-Feld. Die gleißenden Energiestrahlen faserten aus, die Quotarbonverkleidung der Triebwerke glühte rötlich-weiß. „Mach schon! Mach schon!“ Mit der flachen Hand schlug Yaku auf die Steuerkonsole. Ungeheuer hoch war das für die Raumzeitverzerrung nötige Energieniveau, und die überlasteten Triebwerke bauten es nur langsam auf. Der Rabe Moses krächzte aufgeregt.

Plötzlich begann der Schiffskörper zu vibrieren, Venus saß zitternd in ihrem Sessel, Yakus Knie bebten. „Anschnallen!“, brüllte er. Die Vibrationen nahmen zu, wie eine Glocke dröhnte der Schimpfsrumpf.

„Was..., was ist das?“ Mit vor Entsetzen geweiteten Augen blickte Venus um sich.

„Gravitonbeschuss!“

Die Jerusalem machte einen Satz, Venus und Yaku wurden in ihre Sessel gepresst. Das Schiff sackte nach unten weg, kippte seitlich nach rechts, und sie stürzten in ihre Gurte. Yaku äugte zum VQ-Feld hinauf – die weißen Strahlen bohrten sich noch immer in die Unendlichkeit, noch immer hielten die Triebwerke. Sein Blick flog über die Instrumente – das Energieniveau stieg weiterhin. Wenigstens das.

„Nullkommanullnulldrei!“, rief Plutejos Stimme aus dem Bordfunk. „Einer der leichten Kreuzer ist nur noch nullkommanullnulldrei astronomische Einheiten entfernt...!“

„Scheiße...!“ Yakus Finger flogen über die Instrumentenkonsole. „Dann hat er uns gleich wieder vor der Kanone! Pendelkurs!“ Das galt dem Bordhirn. „Pendelkurs, sag ich!“ Das Schiff stieg jäh, sie wurden wieder in die Polster gepresst.

„Da kommt was!“ Jetzt war es auch mit der Ruhe des Jungen vorbei. „Feuerbälle! Viele, viele Feuerkugeln...!“ Yaku sah sie in den VQ-Feldern. Das Schiff fiel nach unten, sie stürzten in die Gurte, die Kontrogravaggregate konnten die Fliehkräfte nur teilweise ausgleichen. Venus übergab sich, und auf einmal lag eine Feuerwand auf der Frontkuppel.

„Treffer!“, brüllte Yaku. Der Temperaturalarm heulte los. „Der Idiot beschießt uns mit LK-Kanonen!“ Der Weißhaarige lachte grimmig, hieb auf einen Sensor, und einen Atemzug später konnten sie im Viquafeld sehen, wie die Energie als rote Masse den schematisch dargestellten Frachter einhüllte, in die Schiffsschenkel und von dort in die beiden Triebwerke und die weißen Strahlen abfloß. Schlagartig war die Sicht durch die Frontkuppel wieder frei, sie stürzten in ein buntes Blitzgewitter, und zwei Sekunden später war alles vorbei.

Die sechs Verfolger waren von den Ortungsschirmen und aus dem VQ-Feld verschwunden, Sternengefunkel wohin man sah, der Temperaturalarm war verstummt, und Yaku lachte noch immer. „Was ist passiert?“, wollte Venus wissen. „Was gibt’s zu lachen? Drehst du durch?“

„Blödsinn! Da muss ein Naivling im Kommandostand gesessen haben. Wenn du ein Schiff, das gerade seine KRV-Triebwerke aktiviert hat, mit Laserkaskaden beschießt, kann es passieren, dass die Triebwerke die Energie für das Wachstum ihres Energieniveau benutzen.“

„Für den Sprung durchs Hyperuniversum?“

„Korrekt, Madame Venus. Das Energieniveau der KRV-Triebwerke wächst exponentiell, und wenn ein Kahn so einen Treffer abkriegt und standhält, dann kann das ruckzuck gehen...“ Yakus Blick fiel auf die Instrumente. Die Warnleuchte für den Triebwerksalarm blinkte noch immer.

„Das linke Triebwerk brennt“, kam es aus Ebene II. „Seht ihr das nicht?“

Yaku sprang auf, blickte nach links über Venus hinweg zur Seitenwölbung der Frontkuppel hinaus. „Verdammter Mist...“, flüsterte er. Flammen schlugen aus dem linken Triebwerk...

*

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MANCHE SCHWIEGEN BEHARRLICH. Robinsons Frau zum Beispiel, oder Veron, oder sogar Cludwich. Andere redeten und redeten, ohne viel zu sagen, die kleine Li Ling etwa, oder Goltz, Cludwichs Erster Offizier, ein pfiffiger Bursche mit großen, hellwachen Augen. Man sei jetzt die Speerspitze einer Reformbewegung und müsse die Republik zur Rückbesinnung auf ihre Verfassung rufen, und so weiter. Aus den Tassen dampften Kaffee und Tee. Niemand rührte das Gebäck und die Früchte an. Eine aufgekratzte, unkonzentrierte Stimmung herrschte in der Messe. Daran änderten auch Harfenklänge und Orgeltöne im Hintergrund nichts.

Bergen selbst hielt sich anfangs zurück. Er begriff schnell, dass diese Männer und Frauen ihre Lage noch nicht in letzter Konsequenz erfasst hatten. Schwer zu sagen, wer die Entscheidung zur Fahnenflucht aus Überzeugung oder wenigstens mit kühlem Kopf getroffen hatte, und wer aus einer momentanen Gefühlsaufwallung heraus; aus Bewunderung für den berühmten Flottenkommandeur Bergen vielleicht, oder aus Abscheu vor dem Befehl zum Massenmord. Merican Bergen jedenfalls wusste genau, dass er mit seiner Befehlsverweigerung alle Brücken hinter sich abgebrochen hatte.

„Ich habe den Eindruck, wir sind uns noch nicht alle im Klaren darüber, was wir getan haben“, sagte Ralbur Robinson irgendwann. Der ausgesprochen schöne Mann mit dem blonden Haardutt, dem Smaragd im Nasenflügel und der goldbesternten blauen Toga über der vorgeschriebenen Bordkombi sprach aus, was Bergen dachte. „Könnte es sein, dass wir noch Zeit zum Nachdenken brauchen?“ Robinson war nur vier Jahre jünger als Bergen selbst. Der Subgeneral hatte den Kommandanten des Aufklärers Brüssel immer für eine der größten Hoffnungen der Flotte gehalten.

Sibyrian Cludwich nickte stumm. Nacheinander folgten andere seinem Beispiel. Robinsons Frau, Sarah Calbury und Veron reagierten überhaupt nicht. „Ein besonnener Vorschlag“, sagte Bergen. „Ich danke Ihnen, Primoberst Robinson.“ Er nickte in die Richtung des Blonden. Wenn er auf jemanden bauen konnte, dann auf ihn. „Wir befinden uns fast dreitausend Lichtjahre außerhalb des GRT-Territoriums“, fuhr Bergen fort. „Nichts spricht dafür, dass man uns hier, im System der Doppelsonne Marlboro suchen wird und orten kann. Nehmen wir uns also noch einmal vierundzwanzig Stunden Zeit, unsere Standpunkte zu überprüfen.“

Er blickte in die Runde. Robinson und Goltz nickten, Cludwich, Ling und die Bern wichen seinem Blick aus. „Wer in diesen vierundzwanzig Stunden zu dem Schluss kommt, einen Fehler gemacht zu haben, kann gehen, ohne es begründen zu müssen. Richten Sie das bitte auch Ihrer Besatzung aus. Wenn es eine Mehrheit sein sollte, die ihre Entscheidung revidieren will, stellen wir ihr eines der drei Schiffe zur Verfügung, um in die Republik und zur Flotte zurückzukehren. Sind es wenige, werden wir ihnen einige Sparklancer für die Rückkehr überlassen.“ Er machte eine Pause. Diese Menschen sollten Zeit genug haben, seine Worte aufzunehmen und zu bedenken. „Nach diesen vierundzwanzig Stunden“, schloss er, „gelten die Gesetze der Republik: Ich bin der Kommandeur, Befehlsverweigerung wird bestraft, unerlaubte Entfernung vom Verband gilt als Fahnenflucht. Richten Sie bitte auch das Ihrer Besatzung aus. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.“

Wortlos erhoben sich die acht Männer und Frauen. Nacheinander verließen Sie die Offiziersmesse. „Dein Eindruck, Heinrich?“ Bergen wandte den Kopf nach rechts. Sein blauer Begleiter hatte die ganze Zeit hinter ihm gestanden.

„Gute Entscheidung, Merican. Cludwich allerdings macht mir Sorgen. Er leidet, wie mir scheint. Möglicherweise wird er uns verlassen. In diesem Fall würden wir die Troja verlieren. Auch bei Oberst Ling und Suboberst Bern bin ich im Zweifel. Robinson dagegen erweist sich mal wieder als ein Fels in der Brandung.“

„Und seine Frau?“

„Sie hat kein Wort gesagt. Sie ist noch jung, erst Mitte Zwanzig wenn ich recht informiert bin. Möglicherweise bereut sie ihren Entschluss bereits.“

„Das wäre fatal, denn daran würde auch Ralbur Robinson nichts ändern können. Leutnant Peer-Robinson ist nicht gerade dafür bekannt, dass sie ihrem Adonis aus der Hand frisst.“

Gedankenverloren blickte der Subgeneral durch die Kuppelwand. Die Frontkuppel eines Omega-Raumer überwölbte praktisch die gesamte Mitte seines hufeisenförmigen Rumpfwulstes, so dass man auch in den Räumen hinter der Zentrale Sicht auf das All hatte. Die Messe lag unter der Kommandanten-Suite und neben den Privatkabinen seiner beiden Stellvertreter.

„Ihre Ehe sei eine eher spannungsvolle Angelegenheit, wie man hört.“ Bergen lächelte. „In erotischer, wie auch in, sagen wir: kommunikativer Hinsicht. Es soll manchmal ziemlich laut zugehen in der Kommandozentrale der Brüssel. Merkwürdigerweise scheint das die Disziplin an Bord nicht zu beeinträchtigen.“

Rechts leuchtete die Sichel der bläulichen Korona von Marlboro I. Das Bordhirn hatte die Sichtkuppel abgetönt, um vor dem blendenden Licht zu schützen und der UV-Strahlung zu schützen. Links sah man den Triebwerkswulst hinter dem Ausläufer des linken Rumpfschenkels. Bergen stand auf. „Wir werden sehen. Lass uns in die Zentrale gehen, ich will die aufgefangenen Daten der letzten Stunden sichten; und danach ein Bad nehmen und ein wenig schlafen.“

„Und noch einmal das Stück von vorhin spielen?“

„Das Stück von vorhin?“ Überrascht sah er dem Roboter ins blaue Kunstgesicht. „Wie kommst du darauf, Heinrich?“

„Es hat mich berührt, Merican. Du hast es zuletzt gespielt, als dein Großvater dich verlassen hat.“

„Du verblüffst mich, Heinrich! „’Berührt...’, schon wieder redest du wie ein Mensch.“ Bergen runzelte die Stirn. „Dabei bist du doch ein Kunsthirn, eine gefühllose Maschine.“

Details

Seiten
Erscheinungsjahr
2017
ISBN (ePUB)
9783738915587
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (Dezember)
Schlagworte
terra jäger milchstraße
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Titel: Terra 5500 #2 - Jäger der Milchstraße