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Ein Bankraub zu viel

©2017 120 Seiten

Zusammenfassung

Vier Banküberfälle innerhalb von acht Wochen, und alle trugen dieselbe Handschrift: Zwei Maskierte stürmen kleine Bankfilialen, und mit der fetten Beute gelingt ihnen in einem wartenden Wagen ungehindert die Flucht. Dabei ist es kein Zufall, dass jedes Mal die beiden Cops Paul und Bertrand vergeblich die Verfolgung aufnehmen. Für die Aufklärung der Überfälle werden die Ermittler Jesse Trevellian und Milo Tucker vorübergehend der „Bank Robbery Task Force“ zugeteilt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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Ein Bankraub zu viel

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Krimi von Thomas West

Der Umfang dieses Buchs entspricht 121 Taschenbuchseiten.

Vier Banküberfälle innerhalb von acht Wochen, und alle trugen dieselbe Handschrift: Zwei Maskierte stürmen kleine Bankfilialen, und mit der fetten Beute gelingt ihnen in einem wartenden Wagen ungehindert die Flucht. Dabei ist es kein Zufall, dass jedes Mal die beiden Cops Paul und Bertrand vergeblich die Verfolgung aufnehmen. Für die Aufklärung der Überfälle werden die Ermittler Jesse Trevellian und Milo Tucker vorübergehend der „Bank Robbery Task Force“ zugeteilt.

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Copyright

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker.

© by Author

© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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Die Ampel sprang auf grün. Der cremefarbene Ford bog von der Sixth Avenue nach links in die fünfundzwanzigste Straße ein. "Sieh zu, dass du einen Parkplatz direkt an der Ecke kriegst", sagte der kleine, hagere Mann auf dem Beifahrersitz.

Der Fahrer, ein untersetzter, dunkelhaariger Bursche von höchstens zwanzig Jahren mit auffallend hochstehenden Wangenknochen, nickte stumm. Er ließ den Wagen langsam auf die Seventh Avenue zurollen. Aus dem Autoradio dröhnte laute Musik.

"Da fährt gerade einer raus, Potty." Der Mann auf dem Rücksitz deutete auf einen grünen Chrysler am Straßenrand, der nach links blinkte und eben anfuhr. "Dass man in dieser mit Blech vollgestopften Stadt mal einen Parkplatz erwischt ..."

"Ein gutes Omen, Andy", der Mann auf dem Beifahrersitz sprach mit hoher Fistelstimme. "Ein sehr gutes Omen." Mit seinen Gedanken war er schon bei dem Eingang der Bank, die hier, an der Ecke Seventh Avenue, fünfundzwanzigste Straße lag. Aufmerksam beobachtete er eine Frau, die eben die Glastür öffnete.

">Ein gutes Omen<", der Mann auf dem Rücksitz schnaubte verächtlich. Er griff in den Fußraum hinter den Fahrersitz und zog einen großen Aktenkoffer aus schwarzem Leder zu sich herauf. "Reiner Zufall." In aller Ruhe klappte er den Koffer auf und holte die Einzelteile einer Maschinenpistole heraus. "Weiter nichts."

"Es ist kein Zufall", meckerte der Kleine auf dem Beifahrersitz. "Du bist ein ungläubiger Bastard, Andy!"

Andrew Hurst lachte trocken. "Und du bist ein bigotter Spinner, Nickie." Er sprach langsam, fast schleppend. Nur noch ein schütterer, rötlicher Haarkranz umrahmte die glänzende Platte über seinem Vollmondgesicht. "Was hat dir denn deine Wahrsagerin diesmal prophezeit?" Mit einem metallischen Schnappen rastete das Magazin der Maschinenpistole ein.

"Sie hat mir heute Nacht die Geldkarte gelegt." Nick Rispolli wandte sich an den jungen Fahrer. "Mach' den Motor aus, Potty." Der schweigsame Mann drehte den Zündschlüssel um.

">Die Geldkarte<!" Andy warf den Kopf in den Nacken und lachte dieses wiehernde, dreckige Lachen, das Nick fast regelmäßig auf die Palme brachte. "Warum zum Teufel zwingt mich der Schakal mit so einem abergläubischen Spinner wie dir zusammenzuarbeiten? He - verrat mir das!"

"Weil er weiß, dass du den Instinkt einer Dampfwalze und den Verstand eines Suppenhuhnes hast." Nick öffnete das Handschuhfach und angelte ein dunkles Stoffknäuel heraus. "Ohne mich wärst du doch Dauergast auf Rikers Island." Er dröselte das Knäuel auseinander und reichte eine der beiden Strumpfmasken über seine linke Schulter nach hinten.

"Und dass ich stattdessen drei Banken mit dir geknackt habe, liegt natürlich nur daran, dass du jedes Mal vorher in der Kirche eine Kerze angezündet hast." Seelenruhig überprüfte Andrew Hurst die fertig zusammengesetzte Waffe und legte sie dann quer über seine Oberschenkel.

"Nein", sagte Nick und drehte sich zu seinem Partner um. "Es liegt daran, dass ich immer zwei angezündet habe. Auch heute Morgen. Eine für mich und eine für dich."

Andy verdrehte die Augen. "Ach du Scheiße!" Er zog drei Leinensäcke aus der Tasche und warf sie Nick auf den Schoß. "Wie ich dich kenne, setzt du die Kerzen dem Schakal auf die Spesenrechnung."

"Selbstverständlich", sagte Nick mit todernstem Gesicht.

"Hoffentlich hast du dir beim Kerzenanzünden nicht die Pfoten verbrannt", Andy holte einen kurzstieligen Vorschlaghammer aus der Tasche und reichte ihn zwischen den beiden Vordersitzen hindurch nach vorn. "Du musst nämlich noch gewaltig zulangen heute."

Nick nahm ihm den Hammer ab. "Ich weiß, was ich heute zu tun habe." Er zog den Reißverschluss seiner schwarzen Windjacke herunter und steckte das Werkzeug unter die Jacke. "Kümmere dich lieber um deinen Job."

Das Gespräch verstummte. Nick lehnte sich zurück und schloss die Augen. Andy trommelte nervös mit den Fingern auf dem Magazin der Maschinenpistole herum. Der Mann auf dem Fahrersitz - ein russischer Emigrant namens Pjotr - beobachtete aufmerksam den Rückspiegel. Die Minuten verstrichen.

"Lassen sich verdammt viel Zeit heute", murmelte Andy ungeduldig. "Wird doch nichts dazwischen gekommen sein?"

"Dann hätten sie uns gewarnt", sagte Nick ohne die Augen zu öffnen.

Wieder eine Zeit lang Schweigen. Nur Nicks gleichmäßige Atemzüge und das Trommeln von Andys Fingern auf dem Metall der Waffe waren zu hören.

"Sie kommen, Mr. Rispolli", sagte der Fahrer plötzlich. Er sprach mit einem schwerfälligen, russischen Akzent. Seine Augen hingen am Rückspiegel.

Nick und Andy drehten sich fast gleichzeitig um. Ein Streifenwagen näherte sich. "Na endlich", knurrte Andy.

Der Streifenwagen drosselte die Geschwindigkeit und rollte langsam heran. Als er auf gleicher Höhe mit ihrem Ford war, kroch er nur noch im Schneckentempo. Nick und Andy starrten die beiden Cops in dem Wagen an.

Am Steuer saß ein breitschultriger Hüne mit Quadratschädel und blondem Bürstenhaarschnitt. Der Beifahrer war kleiner - ein drahtiger, schwarzhaariger Lockenkopf mit einer großen, scharf geschnittenen Nase. Er bewegte lässig zwei Finger seiner an das Seitenfenster gelehnten Hand. So, als wollte er Nick und Andy grüßen.

"Die Luft scheint rein zu sein", brummte Andy. Sie sahen dem Streifenwagen hinterher, bis er kaum zwanzig Schritte vor ihnen nach rechts in die Seventh Ave abbog. "Also - ran an den Speck." Andy stieß die Tür auf.

Nick bekreuzigte sich und stieg ebenfalls aus. Mit schnellen, kleinen Schritten ging er seinem Partner hinterher. Der schaukelte bei jedem Schritt und sah sich nervös nach allen Seiten um.

Erst auf der Treppe vor dem Glasportal der Bank streiften sie sich die Strumpfmasken über. Mit der Schulter drückte Andy die Tür auf und holte die MP unter seiner Windjacke heraus. Wie auf Kommando rannten sie los, stießen die innere Flügeltür auf stürmten in die Bank.

"Überfall!", brüllte Andy und fuchtelte mit der Maschinenpistole herum. "Pfoten hoch!" Sprachlos vor Entsetzen rissen die Kunden im Schalterraum und die Bankangestellten hinter dem Tresen und an der Kasse die Arme hoch.

Nick stand schon am verglasten Kassenraum. Er holte den Hammer aus seiner Jacke und holte zum Schlag aus. Krachend fuhr der Zehnkilokopf des Hammers in die Glasscheibe. Die große, blonde Frau hinter dem splitternden Spezialglas riss Augen und Mund auf, als hätte der Schlag sie getroffen.

"Ich will niemanden sehen, der nach einem Alarmknopf greift!", brüllte Andy. "Ich schieß' ihn ab! Ich schieß' ihn ab!"

Immer wieder führte Nick wuchtige Hammerschläge gegen die Trennscheibe. Erst beim siebten Schlag ging sie endgültig zu Bruch. Die Kassiererin rutschte neben der Tür des kleinen Kassenraums an der Holzwand entlang auf den Boden und presste die Hände vor den Mund. Nick warf ihr die Leinensäcke zu. "Nur Scheine!", flüsterte er.

Doch die Frau war nicht fähig, sich zu rühren. "Verflucht noch mal!", schrie Andy. "Einer von euch zu ihr! Los!" Ein kleiner dicker Mann, der mit erhobenen Händen hinter einem Schreibtisch stand, lief zum Kassenraum und schloss die Tür auf. Er ließ Andy dabei nicht aus den Augen.

Auch nicht, als er sich nach den Leinensäcken neben seiner Kollegin bückte. Hastig räumte er die Kasse leer und versenkte Geldbündel um Geldbündel in den Säcken.

Andy beobachtete ihn fasziniert. Eine Kopfbewegung Nicks ließ ihn herumfahren. Hinter dem Tresen, ganz am Ende des Schalterraums, hatte ein junger Mann eine Hand heruntergenommen und griff unter die Oberfläche des Schranktisches. Ohne nachzudenken zog Andy durch. Die Salve peitschte durch den Schalterraum, einige Kunden zogen die Schultern hoch, eine Frau schrie laut auf, und zwei Männer warfen sich auf den Boden. "Hände hoch, hab' ich gesagt!"

Der junge Bankangestellte knallte mit dem Oberkörper auf den Tresen, rutschte langsam seitlich weg und verschwand dann hinter dem Schalterschrank. Dumpf schlug sein Körper auf den Marmorfliesen auf.

Nick riss dem Mann an der Kasse die Leinensäcke aus der Hand. Er gab seinem Partner einen Wink und rannte auf die Tür zu. Andy ging ihm rückwärts hinterher. Erst als er die Außentür erreichte, ließ er die Waffe sinken und spurtete hinter Nick her zum Wagen zurück.

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"Gib ein bisschen Gas, Randy." Sergeant Paul Vanessa zog eine zerknautschte Packung Marlboro aus der Brusttasche seines blauen Uniformhemdes. "Eine Einbahnstraße zwischen uns und der Bank könnte nicht schaden, wenn der Notruf kommt."

Detective Bertrand Halifax und nahm die nächste Einbahnstraße in Richtung Westen. Kurz vor der Eighth Avenue parkte er in der zweiten Reihe.

"Zünd' mir mal eine von deinen Kippen an, Paulie." Halifax warf einen begehrlichen Blick auf die Zigarette seines Partners.

Der runzelte die Stirn. "Schon wieder blank? Hey - sind noch fast zwei Wochen bis zum Ersten!" Er fischte eine Marlboro aus seiner Brusttasche.

"Teures Wochenende", brummte Halifax und schob sich die Zigarette zwischen seine wulstigen Lippen.

"Verloren?"

Der große Blonde schlug mit der Faust auf das Lenkrad. "Sie haben den Jockey gekauft, jede Wette! Blizzard war in Bestform! Ich hab den halben Tag damit verbracht, die Pferde zu studieren!" Er wurde blass vor Wut. "In Bestform - glaub' mir! Und in der letzten Runde lässt dieser Wichser von Jockey das Prachtstück zurückfallen! Wenn ich ihn in die Finger krieg ..."

"Ist ja gut, ist ja gut, Randy", Vanessa legte seinem Partner die Hand auf den Arm. "Jedenfalls hast du auf Sieg gesetzt und musst den Rest des Monats Haferflocken fressen, seh ich das richtig?" Verlegen strich sich der andere über seinen blonden Bürstenhaarschnitt. Vanessa schüttelte den Kopf. "Du bist unverbesserlich, Randy."

"Wann schiebt denn der Schakal die Kohle rüber?", wollte Halifax wissen. Vanessa ahnte, was als Nächstes kommen würde. Er ließ seinen Partner zappeln.

"Nach dem nächsten Wochenende. Nocheese lässt es uns über Rispolli zukommen. Wir sollen am Montag in seine Bar kommen."

"Kannst du mir nicht bis bis dahin was leihen, Pauli?"

Vanessa musterte den Blonden streng. Trotz seiner achtunddreißig Jahre hatte Halifax das Gesicht eines Schuljungen - glatt und rosig. Aus seinen braunen, treuen Hundeaugen blinzelte er den kleineren und vier Jahre jüngeren Sergeant an.

"Wenn du deine Finanzverwaltung nicht deiner Mutter überlassen willst, dann solltest du mich dafür engagieren", seufzte Vanessa und holte seine Brieftasche heraus. "Du kannst so unschuldig gucken wie mein Jüngster, wenn er Schokolade aus dem Küchenschrank geklaut hat." Er kramte eine Hundert-Note aus der Brieftasche und drückte sie seinem Partner in die Hand. "Kann dir einfach nichts abschlagen."

"Wagen zwölf, kommen." plärrte das Funkgerät plötzlich. Ihr Revier in der Zwanzigsten funkte sie an.

"Zwölf hört." Vanessa hatte sich das Mikro geschnappt. Halifax fuhr an.

"Standort?"

"Ave eight, Höhe Sechundzwanzigste", log Vanessa.

"Banküberfall in der City-Bank, Filiale fünfundzwanzigste Straße Ecke Ave seven. Zwei Bewaffnete. Kommen, ob verstanden."

"Fünfundzwanzigste Ecke siebte, verstanden!" Halifax hatte Rotlicht und Sirene eingeschaltet und bog eben in die Eighth Avenue ein.

"Wir schicken noch einen zweiten Wagen. Ende!"

Vanessa knallte das Mikro in die Halterung. "Bullshit!", zischte er. "Diesmal musst du dich beeilen, Randy! Wir müssen vor den Kollegen da sein!"

Vier Minuten später stoppten sie vor dem Jugendstilhaus, in dem die City-Bank ihre Filiale in Chelsea untergebracht hatte. Auf der Treppe des Eckeinganges fuchtelte ein glatzköpfiger, dicklicher Mann mit beiden Armen. Er sah aus, als hätte man ihn gerade nach allen Regeln der Kunst verprügelt. "Sie sind Richtung Dreiundzwanzigste geflüchtet!", rief er. "In einem cremefarbenen Ford! Gerade eben!"

Ein Ambulanzwagen kam die Straße heruntergefegt und bremste scharf. Dahinter der angekündigte zweite Streifenwagen. Zwei Cops sprangen heraus. "Wir verfolgen sie", schrie Vanessa seinen Kollegen zu und hechtete zurück auf den Beifahrersitz. "Los, hinterher!"

Sie bretterten die Seventh Ave hinunter und sahen den Ford links in die dreiundzwanzigste Straße abbiegen. "Verdammt! Was für ein Lahmarsch!", schimpfte Vanessa.

"Der junge Russe hat keine Ahnung vom Autofahren", brummte Halifax verächtlich. "Wie kann man so einen hinter's Steuer setzen ..."

Etwa eine halbe Meile weit jagten sie dem Ford auf der Sixth Ave in nördliche Richtung hinterher. Sie sahen ihn zwar in die achtundzwanzigste Straße abbiegen, fuhren aber über die Kreuzung hinweg. Erst nach hundert Metern bremste Halifax scharf und wendete.

Der Ford stand vor einem der zahlreichen Blumenläden in der Achtundzwanzigsten. Halifax hielt wenige Meter hinter ihm. "Zwölf an Revier zehn, kommen!", bellte Vanessa ins Mikro.

"Revier zehn hört, kommen."

"Wir haben das mutmaßliche Tatfahrzeug gefunden", Vanessa gab Standort und Kennzeichen durch. Mit gezogenen Dienstwaffen näherten sie sich dem Ford. Vanessa deutete mit dem Kopf auf einen großen Kühlwagen für Blumen, der in der Hofeinfahrt eines Blumengeschäftes etwa zwanzig Schritte hinter dem Ford stand. Halifax nickte.

Zwei Minuten später funkte Vanessa wieder ihr Revier an. "Schicken Sie Verstärkung - die Insassen des Fords sind spurlos verschwunden. Müssen sich hier irgendwo versteckt haben."

In dem Augenblick fuhr der Blumentruck an. Halifax hielt ihn auf und ließ sich vom Fahrer die Papiere zeigen. Er überflog sie kurz und reichte sie wieder durch das offene Seitenfenster des Lieferwagens. Der bog in die Sixth Avenue ein und verschwand Richtung Norden.

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Die Frau lag auf einer Trage. Sie war groß und blond und zitterte so heftig, dass das Aluminiumgestell der Trage klappernd auf die Marmorfliesen schlug. Ich ging neben ihr in die Hocke und sah fragend den Arzt an, der ihr gerade eine Kanüle in die Armbeuge schob.

"Schock", sagte er leise. "Diabetischer Schock. Sie ist zuckerkrank." Ein Teppich kleiner Schweißperlen bedeckte das Gesicht der Frau. "Stress kann so was ganz schnell auslösen. Vor allem kurz vor dem Mittagessen." Der Arzt nahm eine Spritze entgegen, die einer der Sanitäter ihm anreichte. >Glucose< las ich auf der Ampulle in der Hand des Sanitäters. Der Arzt drückte die Flüssigkeit in die Vene und schloss dann eine Infusion an. "In fünf bis zehn Minuten können Sie mit ihr sprechen, schätze ich."

Es war der vierte Bankraub innerhalb von acht Wochen. Und alle trugen dieselbe Handschrift: Zwei maskierte Kerle stürmen eine kleine Bankfiliale in Chelsea oder Greenwich Village, einer hält Kunden und Belegschaft mit einer Maschinenpistole in Schach, der andere zertrümmert die Glasverkleidung vor dem Kassenschalter mit einem Vorschlaghammer und lässt sich weiße Leinensäcke mit Scheinen füllen.

Seit dem zweiten Überfall ermittelten Milo und ich in dem Fall. Oder genauer: Die >Bank Robbery Task Force< - eine Sondereinheit für Banküberfälle, die wir vom New York District Office gemeinsam mit der City Police unterhielten. Die Einheit hatte in den letzten Wochen eine Menge Ausfälle zu verkraften gehabt. Deswegen waren Milo und ich vorübergehend zu dieser Einheit abkommandiert worden.

Milo stand mit einigen Sanitätern, zwei Leuten der Gerichtsmedizin und George Sarotti hinter dem Schaltertresen im Geschäftsraum. Sarotti gehörte zur Sondereinheit. Er war mittelgroß, ständig unrasiert, und trug fast ausschließlich helle Anzüge, bordeauxrote Krawatten und Cowboystiefel.

Dem schwarzen Gewucher nach, das seinen Schädel bedeckte, stand er morgens fünf Minuten vor dem Spiegel, um sich die Haare so lange zu raufen, bis von einer Frisur nichts mehr übrig war. Der Siebendreißigjährige sah eher aus, wie der chronisch unausgeschlafene Manager eines Footballclubs als wie ein Cop. Aber er war ein Cop. Und was für einer.

Ich ging hinter den Tresen. Einer der Männer von der Gerichtsmedizin zog eben den Reißverschluss eines Leichensackes hoch. Betreten starrten wir auf den Plastiksack. Der Mann darin war höchstens fünfundzwanzig Jahre alt. Heute Morgen hatte er vielleicht noch mit seiner Freundin über Urlaubspläne gesprochen. Vor einer Stunde hatte er möglicherweise noch an seiner Karriere gebastelt. Und vor zwanzig Minuten hatte er als Einziger den Mut aufgebracht - oder den Leichtsinn besessen - den Alarmknopf zu drücken. Jetzt war er tot.

"Es ist das erste Mal, dass sie geschossen haben", sagte Milo, "müssen ziemlich nervös gewesen sein."

"Vielleicht auch nur kaltblütig bis in die Haarspitzen", George Sarotti steckte die Hände in die Hosentaschen. "Bei den anderen Überfällen hatten sie einfach keinen Grund zu schießen."

"Captain Sarotti muss es mal wieder besser wissen", knurrte Milo, "Klugscheißer." Sarotti grinste nur. Irgendwie gerieten die beiden sich ständig in die Wolle. Ich hatte noch nicht herausgefunden, wie ernst ich das nehmen musste.

Wir sprachen mit dem Filialleiter, einem kleinen glatzköpfigen Schreibtischmalocher. Er schien völlig erschlagen zu sein. Er war der Letzte, der mit dem jungen Mann gesprochen hatte, den unsere Kollegen jetzt in den Leichenwagen schoben.

Wir ließen ihm ein wenig Zeit, seinen Kummer auszusprechen. Er war fassungslos und konnte sich kaum beruhigen. "Wie viel Geld lag in der Kasse?", wollte Milo schließlich wissen.

"Etwa sechzigtausend Dollar", sagte der Mann kleinlaut. "Die ganzen Wochenendeinnahmen wurden uns heute Vormittag gebracht!" Er hob beide Arme, als wollte er sich entschuldigen. "Die Hotels und Restaurants, die bei uns Kunden sind - das >Chelsea Hotel< liegt praktisch um die Ecke, dann der Nachtclub und die große Pizzeria auf der anderen Seite der Avenue, und im Madison Square Garden gab's am Samstag einen Boxkampf."

Die Stimme des Mannes bekam eine weinerliche Nuance. "Der Veranstalter ist Kunde bei uns - er allein hat fast zwanzigtausend eingezahlt!"

"Ist das Geld registriert?", wollte George Sarotti wissen.

Der Filialleiter schüttelte traurig den Kopf. "Nur die zehntausend Dollar, die ich heute Morgen aus dem Tresor geholt habe. Die waren noch fein säuberlich gebündelt."

Wir notierten alles Wissenswerte und verhörten die Kunden und Angestellten noch an Ort und Stelle. Auch mit den beiden Cops, die das Tatfahrzeug verfolgt und gefunden hatten, sprachen wir.

Nach zwei Stunden wussten wir nur, was sowieso schon feststand: Wir hatten es exakt mit denselben Tätern zu tun, wie bei den anderen Banküberfällen. Diesmal würden wir unserer kargen Spurensammlung allerdings ein trauriges Beweismittel hinzufügen können: Einige Kugeln aus der Maschinenpistole der Täter.

Vor der Bankfiliale dann Presse und Fernsehen. Eine schwarzhaarige Frau Ende zwanzig streckte uns ein Mikrophon entgegen. Cynthia Parker - sie berichtete schon seit dem zweiten Überfall dieser Art über unsere Ermittlungen. In irgendeinem New Yorker Nachrichtensender. Wir schätzten ihre Arbeit alle drei. Vor allem wegen der aufregend kurzen und engen Kostüme, die sie trug.

"Was können Sie unseren Zuschauern über den brutalen Überfall sagen?" Sie richtete die Frage an Milo. Überhaupt wandte sie sich meistens an Milo. Eine Tatsache, die Sarotti mit einem gewissen Missmut zur Kenntnis nahm. Jedenfalls hatte ich den Eindruck.

Ich huschte an der Frau vorbei die Treppe hinunter. Fernsehauftritte lagen mir noch nie. Im Vorübergehen schnappte ich eine Nase voll Parfümduft auf. Tief sog ich die Luft ein. Wie immer roch Cynthia verlockend.

Auch Sarotti erwies sich mal wieder als medienscheu und verdrückte sich. Cynthias Kameramann hielt also auf Milo, und der tat seine Pflicht und erzählte das, was er erzählen konnte.

Nachdem der Kameramann sein Gerät in den Van des Fernsehsenders verfrachtet und Cynthia ihr Mikro abgeschaltet hatte, plauderte sie noch ein wenig mit meinen beiden Kollegen. "Wie wäre es, wenn wir an einem der nächsten Abende mal zusammen essen gehen", strahlte George die Lady an.

"Sehr gerne", strahlte sie zurück, "Sie werden doch sicher mitgehen, Milo, oder?"

Eine halbe Stunde später saßen wir in der Federal Plaza im Büro unseres Chefs. Ein massiger, großer Mann mit rotem Gesicht, Tränensäcken und Doppelkinn wartete schon in der Konferenzecke. Etwa fünfzig Jahre alt und in zerknittertem, dunkelgrünem Anzug. Äußerlich in jeder Hinsicht so ziemlich das Gegenteil von unserem Chef.

Er hieß Norman Ruther und war Inspektor der New York City Police. Als leitender Beamte der >Bank Robbery Task Force< war er für die Ermittlungen verantwortlich. Zusammen mit unserem Chef, versteht sich.

Wir lieferten unseren Bericht ab. "Auffällig scheinen mir vor allem drei Tatsachen", sagte Milo. "Erstens: Der kleine Gangster mit dem Vorschlaghammer spricht nie ein Wort, während der andere herumbrüllt wie ein ein wild gewordener Schwarzbär."

"Du meinst, er ist Ausländer?", unterbrach ich ihn.

Milo zuckte mit den Schultern. "Oder er hat einen Sprachfehler."

"Oder seine Stimme ist den Bankangestellten bekannt", meinte Sarotti.

"Schwer vorzustellen, dass die Mitarbeiter verschiedener Bankhäuser zufällig ein und denselben Mann kennen", überlegte Jonathan McKee laut.

"Wenn es ein hoher Beamter von der Finanzbehörde ist, warum nicht?" Milo grinste. "Aber Spaß beiseite - ich tippe auch mehr auf den Ausländer. Zweitens: Bei jedem Überfall ist überdurchschnittlich viel Geld in der Kasse. Dieses Mal vor allem durch die Boxveranstaltung im Madison Square Garden. Die Burschen müssen also über eine gute Informationsquelle verfügen. Wir sollten die Kunden noch einmal sorgfältig durchsehen, die an den entsprechenden Tagen ihr Geld zur Bank getragen haben. Und drittens - das Fluchtfahrzeug ist jedes Mal in Little Italy gestohlen worden."

"Und die Täter jedes Mal in der Gegend achtundzwanzigsten Straße, Sixth Avenue spurlos verschwunden", ergänzte Norman Ruther. Er rieb sich über seinen ansehnlichen Bauch. Ich hatte während der Wochen, die wir mit ihm zusammenarbeiteten, beobachtet, dass er das immer dann tat, wenn er angestrengt nachdachte.

"Irgendwelche Informationen von unseren V-Leuten?", fragte Jonathan McKee in die Runde.

"Die sind merkwürdig schweigsam in letzter Zeit", Milo rieb sich nachdenklich sein Kinn. "Einer allerdings gab einen Hinweis auf Little Italy. Dort sei vor einigen Wochen ein junger Russe aufgetaucht, der weiter nichts tut, als ab und zu mal einen Wagen zu stehlen. Mehr konnte mir unser Informant nicht sagen."

"Dann sollten wir uns zur Abwechslung mal wieder in Little Italy umschauen", schlug ich vor.

"Aber ohne Dienstmarke", brummte Ruther. "Wäre ein Job für dich, Georgie, was meinst du?"

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"Ich möchte Mr. Brookman persönlich sprechen", der Mann legte seine teure Ledermappe auf den Tisch des Kundenberaters und nahm unaufgefordert Platz.

"Haben Sie denn einen Termin, Mister ...?" Der knapp dreißigjährige Bankangestellte bemühte sich um einen verbindlichen Ton. Er hatte den Mann in dem dunkelblauen Anzug noch nie in der Transatlantik Bank gesehen. Sein kantiges Gesicht hatte etwas Raubvogelartiges, die angegrauten Haare waren mit Pomade nach hinten gekämmt. Altersmäßig siedelte er ihn irgendwo zwischen achtunddreißig und fünfundvierzig an.

Der Mann schob ihm seine Visitenkarte über den Tisch. "Mr. Peter Nocheese", las der Bankangestellte murmelnd. "Das Modehaus N&S in Brooklyn?"

"Richtig, junger Mann. Meines Wissens müsste Mr. Brookman heute im Hause sein", sagte Peter Nocheese gelangweilt. "Bitte melden Sie mich an." Er schlug die Beine übereinander und sah sich in der weiträumigen Schalterhalle um.

Die einzelnen Beratungsplätze waren durch schwere spanische Wände abgeteilt. Den wartenden Kunden standen Sitzecken mit Sesseln aus dunkelrotem Leder zur Verfügung. Sie waren durch riesige Yuccapalmen von den eigentlichen Geschäftsräumen und voneinander getrennt. Teilweise berührten die Pflanzen die Gewölbedecke.

An den holzgetäfelten Wänden hingen Ölgemälde italienischer Barockmaler, und ein dicker, anthrazitfarbener Teppichboden verschluckte die Schritte.

Man kam sich ein wenig vor wie in einer zweckentfremdeten Kirche. Nocheese grinste, als ihm dieser Gedanke durch den Kopf ging. "Gar nicht so verkehrt", dachte er, "schließlich dreht sich hier alles um die Vermehrung und Verehrung der wichtigsten Sache der Welt.

Statt einem Altar stand ein runder Kassenschalter in der Mitte der Halle. Hinter Panzerglasscheiben bediente ein halbes Dutzend Kassierer die Kundschaft. Beim Hereinkommen hatte Nocheese gesehen, dass mitten in dem pavillonartigen Aufbau eine Wendeltreppe nach unten führte. In den Tresorraum nahm er an.

Der Kundenberater ihm gegenüber telefonierte inzwischen mit seinem Chef, dem Direktor der New Yorker Filiale der Transatlantik Bank. "Ist in Ordnung, Mr. Brookman ... selbstverständlich, Mr. Brookman ... sofort, Mr. Brookman."

Nocheese musterte den devoten Mann am Telefon verächtlich. Der deutete sogar kleine Verbeugung an, während er mit seinem Chef sprach. "Wie unangenehm, unten zu stehen", dachte er. Niemals wollte er so etwas erleben. Er vertrat die erste Generation der Nocheeses, die ganz oben stand.

Aber er konnte sich gut an seine Kindheit erinnern. An die kleine Schneiderwerkstatt seines Großvaters. Mühsam hatte er sich seinen Betrieb nach der Einwanderung aus Sizilien aufgebaut, hatte sich vor Behörden und Kunden verbeugen müssen, um sich den Weg nach oben zu bahnen.

Franklin Nocheeses Vater dann, Anthony Nocheese, war aus anderem Holz gewesen. Er hatte sich vor niemandem verbeugt. Auch nicht vor dem Gesetz. Mit harter Hand hatte er sich sein Vermögen erarbeitet - und mit harten Mitteln. Freilich hatte er die Hälfte seiner Jugend dafür in Rikers Island verbracht.

"Darf ich Sie zu Mr. Brookman bringen?" Der junge Schnösel hatte aufgelegt und war noch höflicher als zuvor.

"Ich bitte darum", sagte Nocheese und folgte ihm. Sie verließen die Schalterhalle durch eine schwere Doppeltür mit handgeschnitztem Türblatt und gelangten in eine kleine Zimmerflucht, an deren Ende sich eine Tür öffnete.

Eine ältere Dame erschien im Türrahmen. "Mr. Nocheese?" Der Kundenberater nickte und verabschiedete sich übertrieben freundlich. Nocheese fand ihn widerwärtig. Die Frau, Brookmans Sekretärin, ging ihm voraus durch das Vorzimmer und öffnete den rechten Flügel einer ledergepolsterten Tür. "Mr. Brookman erwartet Sie."

"Sie sind also Mr. Nocheese", freundlich lächelnd kam Brookman hinter seinem schweren Jugendstilschreibtisch und streckte Nocheese die Hand entgegen. "Endlich lerne ich den Geschäftsführer des exzellenten Herrenausstatters persönlich kennen. Wenn ich gewusst hätte, dass Sie heute kommen, hätte ich einen Anzug angezogen, den ich bei Ihnen gekauft habe."

Brookman lachte, als hätte er etwas besonders Witziges gesagt. Nocheese war verblüfft über die Offenheit, mit der Brookman ihn begrüßte. Ein gutmütiger Mann, so schien es - aber Nocheese kannte gutmütig wirkende Männer, die Kehlen durchschnitten und Löcher in Schädel schossen, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Deswegen hielt er sich mit einem endgültigen Urteil noch zurück.

"Nehmen Sie Platz, Mr. Nocheese. Was kann ich für Sie tun?"

Mit einem Blick taxierte Nocheese die schwammige Gestalt Brookmans. Er war weder klein noch groß, weder dick noch dünn, hatte aber etwas Weiches, Rundes an Körper und Gesicht.

Vermutlich lag das daran, dass der Bankdirektor seit dreißig Jahren vor allem hinter seinem Schreibtisch lebte. Dass Brookman ein Workaholic war, hatte Nocheese mehr als einmal gehört. Von irgendwelchen Geschäftspartnern, auf irgendwelchen Gesellschaften der Brooklyner Geldadels oder der Upper East Side.

"Ich möchte mit Ihnen ins Geschäft kommen, Mr. Brookman."

"Oh - das klingt zunächst einmal nicht schlecht", lächelte Brookman. "Trinken Sie etwas?" Nocheese nahm ein Glas Soda. "Was für eine Art von Geschäft?"

"Nichts Besonderes. Ich möchte einige meiner Geschäfte in Zukunft über Ihr Haus abwickeln, und ich möchte einen Teil meines Vermögens bei Ihnen anlegen. Einen nicht unbeträchtlichen Teil."

Brookman lehnte sich in seinen ledernen Drehsessel zurück und bot Nocheese eine Zigarre an. Der lehnte ab, und Brookman zündete sich allein eine an. "Das ist gar kein Problem, Mr. Nocheese. Das ist sogar sehr erfreulich für mich. Aber gestatten Sie mir die indiskrete Frage - sind Sie mit Ihrer Bank nicht mehr zufrieden?"

"Nun, es ist so", Nocheese faltete die Hände und legte sie auf den Schreibtisch seines Gegenübers. "Ich arbeite bisher mit der Bank of New York und der Brooklyn Exchange Bank zusammen. Und beide Institute haben sehr viel Geld in den Tigerländern investiert, wie Sie vielleicht wissen. Und sehr viel Geld dort verloren. Die Anlagezinsen sind drastisch gesunken in den letzten Wochen."

"Verstehe", Brookman paffte an seiner Zigarre, und Nocheese hatte das Gefühl, dass der Mann sich geschmeichelt fühlte. Langsam gewann er ein Bild von seinem Opfer. "Dann sollten wir uns verabreden, um die Einzelheiten durchzusprechen, Mr. Nocheese."

"Zu diesem Zweck würde ich sie gern zum Essen einladen", Nocheese lächelte charmant. Das war der entscheidende Augenblick seines Besuches. Er bemerkte, wie ein Anflug von Verwirrung über das Gesicht seines Gegenübers huschte: Die Lippen öffneten sich leicht, und die Brauen zuckten in der Mitte kaum merklich nach unten.

In dieser Phase des Gesprächs ließ Nocheese seine Augen keinen Moment vom Gesicht des Anderen. "Ich dachte an das >Le Régence<", sagte er, als hätte Brookman schon zugestimmt. "Oder mögen Sie es lieber amerikanisch? Dann würde ich >The Four Seasons< empfehlen."

Brookman zögerte einen Moment. "Wissen Sie, Mr. Nocheese", er lächelte verlegen. "Eigentlich gehe ich sehr selten aus, ich habe einen exzellenten chinesischen Koch angestellt und ..."

"Ich weiß - Sie haben den Ruf, eher zurückgezogen zu leben, mein Bester - und doppelt so viel zu arbeiten, wie der amerikanische Durchschnitt. Und doppelt so gut." Nocheese ließ das Kompliment einen Moment wirken. Dem Gesicht seines Gegenübers sah er an, dass er sich gebauchpinselt fühlte.

Sofort setzte Nocheese nach. "Aber wissen Sie - in meiner alten Heimat wurden wichtige Geschäfte immer bei einem guten Essen und einem edlen Wein abgeschlossen. Das habe ich von meinem Großvater und meinem Vater gelernt. Bitte tun Sie mir den Gefallen!"

Zehn Minuten später verließ Nocheese das Gebäude der Transatlantik Bank, das in der Dover Street direkt an der Brooklyn Bridge lag. Er war zufrieden. Sehr zufrieden - am Donnerstag nächster Woche würden er und der Bankdirektor in >Le Régence< in der Upper East Side miteinander speisen. Und noch ein dritter Gast, von dem Brookman nichts ahnte.

Der erste Schritt eines langen Weges war getan. Eines Weges, der - wenn alles nach Nocheeses Vorstellungen lief - direkt in Brookmans Tresorraum führen sollte.

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>Nickie's< stand in roten, geschwungen Leuchtbuchstaben über der Tür. Die rote Corvette bog in die Hofeinfahrt neben der kleinen Nachtbar in der Mulberry Street ein. Betrand Halifax und Paul Vanessa zogen es auch heute vor, ohne Uniformen und spät abends in Rispollis Kneipe aufzutauchen. In Little Italy erregten Polizeiuniformen noch immer Aufsehen. Auch wenn die betreffenden Cops davon meistens nichts mitbekamen.

Durch die Hintertür, vorbei an den Toiletten, betraten die beiden die Bar. Wie meistens ging Vanessa voran. Nicht nur auf Streife spielte er die Rolle des Teamleaders.

Rauchschwaden schwebten in schummrigem Licht. Klänge eines Pianos und eines Saxophons verschränkten sich zu einem schläfrigen Rhythmus. An der Bar drängten sich Männer auf eng zusammengerückten Hockern. Sie alle hatten sich von der Theke abgewandt und stierten gebannt auf ein kleines Podest neben dem Klavier.

Dort bog eine blonde Frau ihren nur noch mit schwarzem Slip bekleideten Körper schlangengleich zum Rhythmus der Musik. Mit beiden Händen presste sie ihre großen Brüste zusammen, und präsentierte sie den gierigen Zuschauern.

Halifax blieb wie angewurzelt stehen. Sein Mund wurde trocken, und er verschlang den prallen Busen der Frau mit den Augen. Sie führte die Fingerspitzen an ihren großen, feucht glänzenden Mund und leckte sie mit ihrer Zunge ab. Langsam ließ sie ihre Hände nach unten tanzen. Über Hals, Brustwarzen und Bauch bis zum Rand ihres Höschens.

Halifax schluckte und hielt seinen Partner an dessen Lederjacke fest. "Mensch Paulie, schau dir diese Titten an", flüsterte er.

Vanessa grinste. "Du guckst wie ein Junge vor dem Bescherungstisch." Er versuchte ihn mit sich zu ziehen. Doch Halifax war nicht von der Stelle zu bewegen.

Vanessa verdrehte die Augen und ging allein zur Bar. Er stand nicht auf diesen Frauentyp. Außerdem war er mit einer Frau verheiratet, deren Körper sein Blut auch nach neunjähriger Ehe noch in Wallung brachte.

Während das Saxophon nur noch heiser krächzte, und das Piano ganz verstummt war, fuhr sich die Nackttänzerin mit beiden Händen in ihr Höschen. Die Männer an der Bar fingen an zu johlen. Einige klatschten anfeuerden Beifall.

Die Frau drehte sich mit dem Rücken zu ihrem Publikum. Das Saxophon spielte einen lang gezogenen Ton, der sich allmählich die Tonleiter hinaufschraubte und anschwoll. Sie bog ihren Körper nach hinten. So weit nach hinten, dass ihr langes Blondhaar den Boden berührte. Ihre Brüste wogten über ihren Schlüsselbeinen. Plötzlich setzte das Klavier wieder ein. Die Tänzerin riss ihren Oberkörper nach oben, ihre blonde Mähne peitschte durch die Rauchschwaden. Dann wirbelte sie herum und riss sich den Slip vom Leib.

Das Publikum grölte laut, und Halifax stand immer noch da wie eine der Statuen über dem Eingang der Grand Central Station. Die Frau drehte sich auf dem Podest und zeigte was sie hatte. Das überwiegend männliche Publikum applaudierte wild. Diejenigen, die am Podest saßen, streckten gierig die Hände aus. Die Tänzerin entzog sich den Griffen, deutete eine Verbeugung an und verschwand hinter einem blauen Vorhang.

"Hier, Randy", Vanessa war mit zwei Gläsern Bier zu seinem Partner zurückgekehrt. "Halt dich daran fest. Das wird dich ein bisschen abkühlen." Mit einer Kopfbewegung bedeutete er Halifax ihm zu folgen. "Rispolli sitzt ihm Hinterzimmer."

Durch eine Tür neben der Theke gelangten sie in einen schmalen Flur, von dem aus Türen in vier Räume führten. Vanessa öffnete gleich die erste Tür links.

Vier Männer saßen um einen runden Tisch und hielten Karten in ihren Händen. Unter der tief abgehängten Lampe waberten die Rauchschwaden noch dichter als in der Bar. Und unter den Rauchschwaden stapelten sich Münzen neben Dollarnoten und umgedrehten Karten. Es roch nach Schnaps und schwarzem Tabak.

"Hi, Paulie", strahlte Nick Rispolli, als er die beiden Cops erkannte. Andrew Hurst sah nur kurz auf. "Kommt, setzt euch - bin gleich so weit."

Vanessa und Halifax lehnten sich mit ihren Biergläsern an die Wand und beobachteten die Pokerspieler. Sie kannten nur Rispolli und Hurst. Dass die anderen beiden ihr Geld nicht unbedingt in der Stadtverwaltung oder bei der Post verdienten, lag nahe. Aber Vanessa und Halifax hatten sich angewöhnt, nicht so genau hinzuschauen, wenn sie sich in diesen Kreisen bewegten. Und nicht zu viele Fragen zu stellen.

Die Runde ging an Rispolli. "Hey - ihr habt mir Glück gebracht!", rief er und versenkte seine Dollars in der Hosentasche. Er griff sich sein Jackett von der Stuhllehne und verließ das Zimmer. Vanessa und Halifax folgten ihm durch die gegenüberliegende Tür. Ein kleiner Schreibtisch und zwei altmodische Aktenschränke aus Blech standen an den Wänden des winzigen Raumes. Und ein paar Stühle.

Nick Rispolli nahm einen Stapel Aktenordner aus einem der Schränke. Ein Wandsafe wurde sichtbar. Er öffnete ihn und nahm einen prall gefüllten Briefumschlag heraus. "Fünf Prozent für euch", sagte er, "zählt nach."

Vanessa holte das Geldbündel heraus und zählte die Hundert-Dollar-Noten. "Dreitausendzweihundert", sagte er nach einigen Sekunden. "Vierundsechzigtausend Dollar habt ihr also gemacht." Rispolli nickte.

"Sucht euch'n ander'n Fahrer", maulte Halifax während er seine Fünfzehnhundert in der Innentasche verstaute, "der Russe versaut euch den nächsten Coup, verlass dich drauf!"

"Dann fahr eben nicht so schnell, Randy!", sagte Rispolli, der gegen den blonden Hünen geradezu zwergenhaft wirkte. "Der Schakal, in seiner Großzügigkeit, schiebt euch fünf Prozent rüber", wechselte er übergangslos das Thema. "Andy und ich kriegen vierzig. Den Rest verschlingt er."

Vanessa lachte. "Fast wie bei uns - wir machen die Arbeit und unser Deputy sitzt sich für das doppelte Gehalt den Arsch platt."

"Ich biete euch zehn Prozent." Wieder ging Rispolli nicht auf die Bemerkung des anderen ein.

"Wie - >zehn Prozent<?" Vanessas Augen wurden schmal. Halifax' Augen weiteten sich gierig.

"Ich dreh das nächste Ding auf eigene Faust und teil nur mit Andy. Und ihr kriegt zehn Prozent. Was ist daran so schwer zu kapieren?"

"Kein Problem", tönte Halifax, "klar machen wir mit." Vanessa legte ihm die Hand auf den Arm, um ihn zum Schweigen zu bringen.

Rispolli merkte es nicht, und sein faltiges Gesicht entspannte sich etwas. "Hab doch gewusst, dass ihr eine fruchtbare Geschäftsbeziehung nicht einfach so aufgebt ..."

"Moment", unterbrach Vanessa. "Ich muss mir die Sache noch einmal durch den Kopf gehen lassen."

Rispolli ließ sich seine Enttäuschung nicht anmerken. "Tu das, Paulie. Aber denk dran: Wir sind schon längst ein Gespann. Du kannst dich nicht so ohne Weiteres herausziehen. Und findest du nicht, dass unsere Zusammenarbeit unter einem guten Stern steht?"

Vanessa musterte ihn mit einem Gesicht, dass weder Misstrauen noch Wohlwollen zeigte. Wie gemeißelt wirkte er plötzlich. Halifax kannte seinen Partner. Bei dieser Miene war es das beste keine Fragen zu stellen und zu tun, was Paulie sagte. "Ich ruf' dich morgen an, Nickie."

"Und jetzt bekommt ihr euer Trinkgeld", wieder der abrupte Themenwechsel. Rispolli ging den beiden Cops voran in die Bar. "Bestellt euch noch was." Er wies auf die wenigen Frauen, die an der Theke saßen. "Sucht euch eine aus."

Vanessa reagierte nicht. Er lehnte sich lässig an den Tresen und bestellte einen Whisky.

"Ich will die Tänzerin", sagte Halifax ohne lange nachzudenken.

Rispolli breitete bedauernd die Arme aus. "Das geht leider nicht, Randy. Sie arbeitet nicht für mich. Sie gehört dem Schakal."

"Ich will sie." Der große Blonde knallte sein Bierglas auf den Tresen und durchquerte mit Riesenschritten die Bar. Auf dem Tanzpodest verschwand er hinter dem blauen Vorhang.

Er klopfte an eine der Garderobentüren. Erst hinter der zweiten fand er die Tänzerin. Sie saß in ein Badetuch gewickelt vor einem ovalen Spiegel und schminkte sich ab. Ihre blonden Haare steckten unter einer Duschhaube.

"Ich bin ein Freund von Rispolli ...", Halifax mühte sich redlich, seine Geilheit hinter einer krampfhaften Freundlichkeit zu verbergen. "... und ein Freund des Schakals."

Die Frau drehte sich um und runzelte unwillig die Stirn. Sie hatte eine hohe Stirn. "Komm zur Sache, Bursche - was willst du?" Ihre grünen Augen und ihr schmallippiger, großer Mund mit der trotzig vorgewölbten Unterlippe verrieten eine eigensinnige Frau.

Doch für solche Feinheiten hatte Halifax keine Antennen. "Ich will dich, Baby  - was sonst?" Mit zwei Schritten war er bei ihr und schob seine riesige Pranke zwischen ihre Brüste.

Sie stieß die Hand von sich und sprang auf. "Verpiss dich, Bursche! Ist mit scheißegal, wer hier wessen Freund ist! Ich such mir die Leute ganz allein aus, denen ich den Arsch hinhalte, kapiert?!"

Er glotzte sie ungläubig an. Dann riss er sie an seinen breiten Brustkorb, presste sie an sich und versuchte seinen Mund auf ihre Lippen zu pressen. Im nächsten Moment brüllte er auf, ließ die Frau los und klappte zusammen. Sie hatte ihm ihr Knie zwischen die Beine gerammt.

"Hilfe!", schrie sie an der offenen Tür. "Hilfe!" Vanessa stand plötzlich im dunklen Gang. Sie drängte sich an ihm vorbei und suchte hinter ihm Schutz.

Halifax wankte aus der Garderobe. Er stöhnte. Mehr vor Wut, als vor Schmerz. "Verfluchtes Miststück! Ich werd' dich ..." Er erkannte seinen Partner und verstummte.

Der ging drohend auf ihn zu. Vanessas dunkle Augen sprühten vor Zorn. So nahe trat er an seinen Partner heran, dass dessen Atem ihm von oben heiß über die Stirn wehte. Er sah zu ihm hinauf. Solange bis Halifax den Blick senkte. "Du kannst so dämlich sein, Randy!", zischte er.

"Verzeihen Sie, Ma'am", Vanessa wandte sich zu der Frau um. "Es wird nicht wieder vorkommen. Ich entschuldige mich für meinen Freund und garantiere Ihnen, dass sich in Zukunft benehmen wird."

Sie funkelte Halifax böse an und verschwand wortlos in ihrer Garderobe.

"Die Frau arbeitet eng mit dem Schakal zusammen, du blöder Hund!", schimpfte Vanessa, als sie ein paar Minuten später wieder in Randys Corvette saßen. "Sharon Cellar heißt sie, 'ne ziemlich große Nummer. Kostet mehr als zweitausend die Nacht. Also vergiss sie." Er guckte Halifax giftig an. "Kapiert?" Der andere brummte irgendetwas Zustimmendes. "Und jetzt gibst du mir dein Handy." Vanessa griff in die Außentasche des Jacketts seines Partners und angelte das Mobiltelefon heraus.

"Rufst du den Schakal an?" Vanessa nickte und tippte eine Brooklyner Nummer ein.

Eine Männerstimme meldete sich. "Ihr Mitarbeiter Rispolli will sich selbstständig machen, Mr. Nocheese. Er hat uns zehn Prozent geboten." Schweigen am anderen Ende.

Dann: "Was halten Sie davon, Paulie?"

"Wir stehen auf Ihrer Gehaltsliste, Mr. Rispolli", sagte Vanessa ungerührt, "und wir stehen auf der Gehaltsliste der New York City Police. Ich denke, das reicht." Er bemerkte den enttäuschten Blick seines Partners neben sich am Steuer.

"Ich habe keine andere Antwort von Ihnen erwartet, Paul."

Details

Seiten
Erscheinungsjahr
2017
ISBN (ePUB)
9783738913637
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (Oktober)
Schlagworte
bankraub
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Titel: Ein Bankraub zu viel