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Alfred Bekker Thriller: Die Gen-Bombe

von Alfred Bekker (Autor:in)
©2017 150 Seiten

Zusammenfassung

Die Gen-Bombe
Thriller von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Ebook entspricht 150 Taschenbuchseiten.

Genmanipulierte Pockenerreger werden aus einem Labor entwendet, dass sich mit der Entwicklung biologischer Kampfstoffe befasste. Jetzt besteht höchste Gefahr. Die Ermittler versuchen um jeden Preis zu verhindern, dass die entwendeten Proben in die Hände skrupelloser Terroristen gelangen.

Doch dort befinden sich die gestohlenenen Proben längst. Eine schier unglaubliche Verschwörung zeichnet sich ab...

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

Titelbild: Firuz Askin.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Die Gen-Bombe

Thriller von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Ebook entspricht 127 Taschenbuchseiten.

Genmanipulierte Pockenerreger werden aus einem Labor entwendet, dass sich mit der Entwicklung biologischer Kampfstoffe befasste. Jetzt besteht höchste Gefahr. Die Ermittler versuchen um jeden Preis zu verhindern, dass die entwendeten Proben in die Hände skrupelloser Terroristen gelangen.

Doch dort befinden sich die gestohlenenen Proben längst. Eine schier unglaubliche Verschwörung zeichnet sich ab...

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

Titelbild: Firuz Askin.

Copyright

Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author

© 2015 der Digitalausgabe by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

1

Wie die Feuerzunge eines Drachen leckte das Mündungsfeuer aus dem Schalldämpfer. Gleichzeitig war ein Geräusch zu hören, das an den Schlag einer zusammengerollten Zeitung erinnerte.

Der blau uniformierte Wachmann sackte in sich zusammen,  ehe er in der Lage war, die Waffe aus dem Gürtelholster zu ziehen. Sein Hemd färbte sich in Herzhöhe dunkelrot.

Ein Ruck durchlief den am Boden liegenden Körper, als der Killer noch einmal schoss – diesmal in den Kopf.

Er wollte auf Nummer sicher gehen.

Dann erst senkte er die Automatik. Seine dunkle Sturmhaube ließ nur die Augen frei. Er trug eine schusssichere Weste aus Kevlar. Auf dem Rücken befand sich ein kleiner Rucksack aus schwarzem Leder.

Der Killer würdigte den Toten keines weiteren Blickes und stürmte zum Ende des Korridors.

2

Dort befanden sich sowohl Aufzüge als auch der Zugang zum Treppenhaus.

Als der Killer sah, dass jemand den Lift benutzte, entschied er sich für das Treppenhaus.

Mit dem Fuß trat der Killer die Tür zur Seite. Er hob die Waffe und stürmte vorwärts. Die Beleuchtung wurde automatisch über einen Bewegungsmelder eingeschaltet.

Es war niemand dort.

Immer mehrere Stufen auf einmal nehmend hetzte der Killer hinunter bis ins Erdgeschoss. Hinter einer feuerfesten Tür befand sich das Foyer des zehnstöckigen Büro- und Laborgebäudes der Firma General Biotech Ltd.

Aber der Killer zog den Notausgang vor.

Er steckte eine Chipkarte in den Schlitz des elektronischen Schlosses, woraufhin sich die Tür leicht öffnen ließ.

Draußen war es dunkel.

Ein eisiger Wind blies aus Nordwesten über Yonkers hinweg, die frische, aufstrebende und vor allem nicht ganz so teure Stadt vor den Toren New Yorks. Irgendwo hinter den schroffen Industriefassaden, die das das Gewerbegebiet Johnsdale beherrschten, graute ein eiskalter Morgen.

Der Killer lief in geduckter Haltung über den Parkplatz. Um diese Zeit standen dort abgesehen von den Einsatzfahrzeugen des Privaten Security Service SAFETY FIRST INC. keine Wagen. Das würde sich erst in zwei bis drei Stunden ändern, wenn die ersten Mitarbeiter eintrafen und die Sicherheitsschleuse am Haupttor passierten. Zwei mit MPis bewaffnete Männer patrouillierten dort. Sie trugen schwarze Jacken mit der Aufschrift SAFETY FIRST. Der Parkplatz war gut beleuchtet.

Der maskierte Killer zog es vor, im Schatten des Hauptgebäudes zu bleiben. Zu dem von einer sieben Fuß hohen und mit aufgesetztem Stacheldraht gesicherten Firmengelände gehörten auch noch zwei kleinere Gebäudekomplexe. Vor einem dieser Nebengebäude waren drei firmeneigene Lieferwagen von General Biotech abgestellt worden. Spezialfahrzeuge, die dem Transport von biologisch sensiblen Präparaten dienten, die auf keinen Fall in die Umwelt gelangen durften - und zwar auch dann nicht, wenn das betreffende Fahrzeug einen Unfall hatte.

Der Killer schlich im Schatten der Gebäudewand weiter, nutzte dann eine weitere Schattenzone im hinteren Bereich des Firmengeländes aus und gelangte schließlich zu den Spezialfahrzeugen. 

Einer der mannscharfen Hunde, die von den patrouillierenden Security Guards an der kurzen Leine geführt wurden, bellte.

Der Killer legte sich auf den Boden und rollte anschließend unter einen der Wagen.

Ein Gullydeckel lag dort auf dem Asphalt. Daneben gähnte der Einstieg in das unterirdische Labyrinth der Abwasserkanäle von Yonkers.

Der Killer stieg ein paar der metallenen Tritte in die Tiefe hinab und zog dann den Deckel wieder auf die Öffnung.

Ein schabendes Geräusch war dabei nicht zu vermeiden.

Es wurde stockdunkel, aber das störte den maskierten Killer nicht. Er setzte das Nachtsichtgerät auf, das ihm an einem Riemen um den Hals hing. Es arbeitete nicht mit Restlichtverstärkung, sondern auf Infrarotbasis, sodass es auch bei vollkommener Dunkelheit funktionierte.

Ein hechelnder Laut war jetzt zu hören.

Einer der Hunde kroch unter den Wagen.

Der Killer verharrte regungslos. Er griff nach seiner Waffe, die er zwischenzeitlich unter seinem Blouson verstaut hatte und richtete sie nach oben. 

„Ist ja schon gut, was hast du denn gefunden?“, hörte er die Stimme eines Security Guards. Lichtblitze flackerten durch die Löcher im Gullydeckel.

„Da ist nichts“, sagte eine andere Stimme.

„Wäre nicht das erste Mal, dass unsere Kanalisation zum Himmel stinkt.“

„Und unsere Hunde macht das verrückt!“

„Du sagst es.“

„Komisch. Heute rieche ich gar nichts!“

„Hunde haben feinere Nasen, Billy! Vergiss das nicht!“

„Man sollte den Stadtrat von Yonkers mal geschlossen in die Kanäle schicken und nicht eher wieder rauslassen, bis sie sich darauf geeinigt haben, wie man das marode Abwassernetz wieder instand setzen kann!“

„Meinetwegen könnte die ganze Bande auch dort unten bleiben. Dann wären die Brüder doch bei ihren Verwandten.“

„Wieso?“

„Na, bei den Ratten!“

Ein heiseres Lachen folgte. Der Hund bellte ungeduldig. Gut, dass ihr nicht so gute Nasen habt wie euer Köter!, dachte der maskierte Killer. Er hörte die Schritte der Männer sich langsam entfernen und atmete tief durch.

3

Milo und ich trafen um kurz nach acht auf dem Gelände der Firma General Biotech in Yonkers ein. Die Security Guards am Haupttor winkten uns durch, nachdem mein Kollege Milo Tucker und ich unsere ID-Cards vorgezeigt hatten. 

Der Parkplatz war noch nicht einmal zu einem Viertel gefüllt. Dafür standen umso mehr Einsatzfahrzeuge des Yonkers Police Departement vor dem Hauptgebäude. In der Nacht hatte es einen Einbruch in das hochsensible Biolabor dieses Unternehmens gegeben, von dessen Produktpalette ich bislang nur ein ziemlich diffuses Bild hatte. Ich wusste, dass General Biotech unter anderem für die US Army Impfstoffe gegen Biowaffen herstellte. Zumindest hatte uns das Mister McKee, unser Chef, am Telefon gesagt, als er uns nach Yonkers beorderte.

Es bestand der Verdacht, dass es einen Zusammenhang zum internationalen Terrorismus gab.

Und das bedeutete automatisch, dass das FBI auf den Plan gerufen wurde.

„Ich glaube, man würde uns auch rufen, wenn in einer Firma wie General Biotech nur ein Bleistift abhanden gekommen wäre“, meinte Milo. „In dieser Branche ist doch immer alles gleich sicherheitsrelevant.“

„Du hast Recht, Milo!“, meinte ich und schlug mir den Mantelkragen hoch. Es war lausig kalt an diesem Morgen.

Mir fiel auf, dass kein Wagen des Coroners unter den Einsatzfahrzeugen war. Die Leiche des bei dem Einbruch erschossenen Wachmanns war also schon in der Gerichtsmedizin. Allerdings hatten vor dem Haupteingang auch zwei Fahrzeuge der Scientific Research Division geparkt. Dieser zentrale Erkennungsdienst arbeitete für alle New Yorker Polizeieinheiten. Auch für uns vom FBI. Wäre dies ein normaler Einbruch gewesen, bei dem ein Wachmann ums Leben gekommen war, so hätte man mit Sicherheit den eigentlich für Yonkers zuständigen Erkennungsdienst des YPD verständigt. Aber die Sache wurde an höherer Stelle offenbar als so wichtig angesehen, dass man die Spezialisten der in der benachbarten Bronx beheimateten SRD angefordert hatte.

Ein Cop in Uniform nahm uns am Haupteingang in Empfang und brachte uns zu dem zuständigen Einsatzleiter der Polizei.

Es handelte sich Captain Marv Bronstein, den Leiter der Homicide Squad III des Yonkers Police Department. Bronstein war ein grauhaariger, fülliger Mann und konservativ gekleidet. Im hing allerdings die Krawatte wie ein Strick um den Hals.

Milo und ich stellten uns kurz vor.

„Wir haben schon auf Sie gewartet“, sagt Bronstein. „Was wissen Sie schon?“

„Nur, dass eingebrochen wurde und ein Wachmann dabei ums Leben kam“, sagte ich. „Außerdem sollen wichtige Daten und ein Behälter mit gefährlichen Krankheitserregern gestohlen worden sein.“

„Das war zunächst nur ein Verdacht“, nickte Bronstein. „Inzwischen haben wir die Gewissheit, dass die Festplatten mehrerer Computer kopiert wurden. Darauf befinden sich Forschungsdaten von unschätzbarem Wert.“

„Wäre so ein Datendiebstahl nicht leichter über das Internet möglich?“, fragte ich. „Hacker aus Hamburg sind vor ein paar Jahren in die Datenspeicher des Pentagon eingedrungen, da dürfte es doch möglich sein bei General Biotech datentechnisch zu wildern.“

„Da fragen Sie besser Professor Davis, den Chefentwickler von General Biotech“, erwiderte Bronstein. „Der wird Ihnen jede Einzelheit erklären können. Aber soweit ich das verstanden habe, hat das Datennetz des Labortrakts von General Biotech überhaupt keine Verbindung zur Außenwelt. Internet oder andere Datenfernleitungen gibt es ausschließlich in den Abteilungen, die mit Verkauf und Marketing zu tun haben.“

Wenn es tatsächlich nur ein internes Netz gab, war ein Hackerangriff kaum möglich. Für eine militärische Befehlszentrale wie das Pentagon war ein derart isolierter Zustand natürlich nicht denkbar. Die Methode, mit der Hacker sich in solche Datenverbundsysteme hineinschlichen, war immer dieselbe. Sie marschierten nicht durch den gut gesicherten Haupteingang, sondern kamen durch die ungesicherte Hintertür. In einem Verbund von Tausenden von Rechnern reichte es, wenn man ein Zugangsgerät fand, dessen Sicherheitsfunktionen noch auf Werkseinstellung geschaltet waren.

Aber das Hochsicherheitslabor einer verhältnismäßig kleinen Firma ließ sich viel hermetischer sichern.

„Was ist mit dem Verdacht, dass auch Präparate gestohlen wurden?“, erkundigte sich jetzt mein Kollege Milo Tucker.

„Gegenwärtig wird noch geprüft, ob etwas fehlt“, erklärte Bronstein. „Kommen Sie mit mir!“

Wir folgten dem Chief der Homicide Squad III des Yonkers Police Department in den fünften Stock.

Die Flure waren mit Teppichboden ausgelegt. Man hörte fast keinen Laut, wenn man darüber ging.

Mehrere Männer und Frauen in den weißen, hauchdünnen Schutzoveralls der Scientific Research Division machten hier ihren Job und suchten die Umgebung nach kleinsten Spuren ab, die der oder die Täter vielleicht hinterlassen hatten.

Eine weiße Kreidemarkierung zeigte an, wo der tote Wachmann zu Boden gegangen war.

„Wie hieß der Tote?“, fragte ich.

„Norman Grey“, gab Bronstein bereitwillig Auskunft und nahm dabei einen kleinen Block hervor, auf dem er sich ein paar Notizen gemacht hatte. „Grey hatte das Pech, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Aus irgendwelchen Gründen scheint er eine außerplanmäßige Runde durch das Gebäude gemacht zu haben!“

„Könnte es sein, dass er Verdacht geschöpft hat?“, warf Milo ein.

„Dann frage ich mich, weshalb er seinen Kollegen nicht Bescheid gesagt hat und einen Alleingang versuchte“, meinte Bronstein. „Aber vielleicht ist die Lösung viel einfacher.“

„So?“, fragte Milo.

„Am Ende des Ganges liegt die Personaltoilette dieses Traktes. Wahrscheinlich ist Norman Grey deswegen hier gewesen.“

„Das leuchtet ein“, meinte ich.

Milo hob den Arm und deutete auf eine der Überwachungskameras, die gut sichtbar angebracht waren. „Wie ich sehe, gibt es hier eine Videoüberwachung.“

„Der Mord müsste gefilmt worden sein“. meinte ich.

„Richtig“, stimmte Bronstein zu „Es gibt eine Sicherheitszentrale, von der aus die Kameras über Monitore überwacht werden. Natürlich ist es nicht möglich, jeden Winkel dieses Gebäudekomplexes ständig zu überwachen.“

„Das bedeutet, in der Zentrale hat niemand etwas gesehen“, schloss ich.

„Die Kollegen von SAFETY FIRST werten gerade mit unseren Leuten die Videoaufzeichnungen aus. Schließlich kann sich der Täter kaum innerhalb des Gebäudes bewegt haben, ohne von einer der Kameras aufgenommen worden zu sein. Das Ganze ist nur eine Frage der Zeit.“

4

Marv Bronstein führte uns zum Labor Nummer 5c, einem Trakt, der hermetisch vom Rest des Gebäudes abgeschlossen war. Es herrschten strenge Quarantänebedingungen. Milo und ich mussten Schutzoveralls und Mundschutz tragen und passierten in Begleitung einer jungen Mitarbeiterin von General Biotech die Sicherheitsschleuse.

Bronstein brauchte etwas länger, um sich in seinen Overall zu zwängen und folgte uns wenig später.

Kollegen der SRD nahmen gerade die Türen genauestens unter die Lupe, denn es war noch immer ein Rätsel, wie der Täter in den Quarantäne-Bereich gelangt war.

„Woher wissen Sie so genau, dass es nur ein Täter war?“, fragte ich.

„Normalerweise wird hier ein Iris-Scan bei jedem durchgeführt, der den Sicherheitsbereich betritt“, sagte Bronstein. „Und in dieser Nacht wurde Labor 5c nur von einer einzigen Person betreten, das steht fest.“

„Aber dann musste diese Person doch autorisiert gewesen sein“, schloss ich.

„Der abgespeicherte Iris-Scan stimmt mit keinem der autorisierten Mitarbeiter überein“, erklärte Bronstein.

Milo und ich wechselten einen etwas irritierten Blick. „Wie ist der Kerl dann hier herein gekommen?“, hakte mein Kollege nach.

„Wir nehmen an, dass am Rechnersystem herummanipuliert wurde“, antwortete jetzt die junge General Biotech-Mitarbeiterin anstelle von Captain Bronstein. An ihrem Schutzanzug stand ihr Name: Dr. Tessa Johnston. Ich schätzte sie auf Mitte zwanzig. Sie musste ziemlich schnell studiert haben, um bereits in so jungen Jahren so weit zu kommen.

Ich wandte ihr den Blick zu. „Das würde bedeuten, dass der Täter einen Komplizen bei General Biotech haben muss.“

„Ich fürchte, Ihre Schlussfolgerung ist die einzig logische Konsequenz“, nickte sie. Sie seufzte hörbar. „Der Gedanke gefällt mir absolut nicht, dass einer meiner Kollegen dem Verrückten geholfen hat, der uns das alles hier einbrockte.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Wenn man weiß wie, ist die Angelegenheit doch ziemlich simpel. Man sorgt nur einfach dafür, dass ein bestimmtes, ins System eingeschmuggeltes Irisbild mit der Autorisation eines Zugangsberechtigten verknüpft wird.“

„Aber soweit ich bisher verstanden habe, ist das Datennetz von General Biotech nach außen hin absolut abgeschlossen“, vergewisserte ich mich noch einmal bei der jungen Wissenschaftlerin. „So kann diese Manipulation nur von innen vorgenommen worden sein.“

„Vollkommen richtig“, bestätigte sie.

Wenig später erreichten wir einen Laborraum, dessen Tür erkennbar beschädigt worden war. Offenbar war die Tür mit einem Tritt geöffnet worden. Weitergehende Sicherheitsmaßnahmen – abgesehen von ganz gewöhnlichen elektronischen Schlössern – schien es im inneren Sicherheitsbereich nicht mehr zu geben.

Warum auch?, überlegte ich. Schließlich gab es eigentlich genug Barrieren, die verhinderten, dass sich ein Unbefugter Zutritt zu den streng geheimen Labors des aufstrebenden Biokonzerns verschaffte.

Aber genau das war hier geschehen.

Und dass mit einer generalstabsmäßigen Planung, die ihresgleichen suchte. Der Täter hatte zunächst die Außenbarriere des Geländes überwinden oder an den Wachen am Haupteingang vorbei müssen. Dann gab es das elektronische Schloss mit ID-Kontrolle und einem elektronischen Schloss, das mit einer Chipkarte geöffnet werden konnte.

Anschließend kamen noch mehrere solcher Schlösser, bevor der Täter die Sicherheitsbarriere des Quarantäne-Sektors sowie die Tür zum eigentlichen Labor mit der Bezeichnung 5c, überwand.

„Der Kerl hat also eine gültige Chip Card besessen“, stellte ich fest. „Wie konnte er denn an so ein Ding herankommen?“

„Auch da muss ihm jemand geholfen haben“, meinte Dr. Johnston.

In Labor 5c herrschte penible, sehr sterile Ordnung. Eigentlich hatte ich nach einem Einbruch etwas anderes erwartet. Aber der Täter schien ganz genau gewusst zu haben, was er wollte.

Mehrere SRD-Kollegen waren inzwischen im Einsatz und machten mit den Laborassistenten eine Bestandsaufnahme der  vorhandenen Präparate. 

Die Rechner waren hochgefahren worden.

„Das ist Professor Dr. Lew Davis, der wissenschaftliche Leiter der Entwicklungsabteilung von General Biotech“, stellte uns Tessa Johnston einen Mann vor, dessen Kopf vollkommen haarlos war. Sein Alter war schwer zu schätzen. Ich nahm an, dass er Ende fünfzig war.

„Jesse Trevellian, FBI“, stellte ich mich vor. „Dies ist mein Kollege Milo Tucker.“ 

Lew Davis blickte kurz in Bronsteins Richtung. Dann meinte er: „Jetzt sagen Sie nicht, dass ich den beiden G-men alles noch einmal erzählen muss, Captain!“

„Ich denke, wir werden nicht einmal die letzten sein, denen gegenüber Sie alles noch mal haarklein wiederholen müssen“, erwiderte ich kühl, noch bevor Bronstein etwas hatte sagen können.

Lew Davis schluckte. Er verschränkte die Arme vor der  Brust, was seiner Körperhaltung einen abweisenden Ausdruck verlieh. Er schien zu überlegen. Schließlich machte er eine wegwerfende Handbewegung. „Wahrscheinlich haben Sie sogar Recht, Agent Trevellian“, musste der Chefentwickler des General Biotech Konzerns zugeben. Versicherungen und die Presse würden sich vermutlich gleich nach uns der Sache annehmen, später folgten dann unweigerlich Staatsanwaltschaft und das Gericht.

Davis sah mich einige Augenblicke lang nachdenklich an, ehe er schließlich sagte: „Der Einbrecher hat zunächst einmal einen hochsensiblen Datensatz kopiert und auf einen Datenträger gezogen. Das geht aus den Protokolldaten hervor.“

„Ich nehme an, Sie benutzen Passwörter und dergleichen Sicherungen“, erwiderte ich.

Die sehr hellen und daher kaum sichtbaren Augenbrauen des Wissenschaftlers zogen sich zusammen. Er schien allein schon meine Frage als Beleidigung zu empfinden. 

„Selbstverständlich!“, sagte er ziemlich pikiert. „Aber dieser ungebetene Gast hat es trotzdem geschafft.“

„Dann nennen Sie mir bitte alle Personen, denen die Zugangscodes zu diesem Rechner bekannt sind.“

„Das beschränkt sich auf die Mitglieder unseres wissenschaftlichen Teams – meine Person und die von Dr. Johnston eingeschlossen. Dazu kämen noch der Systemadministrator unseres internen Datennetzes und seine Mitarbeiter. Insgesamt etwa 25 Personen. Ich werde in der Personalabteilung Bescheid sagen, dass man Ihnen eine Liste anfertigen soll.“

„Wissen Sie inzwischen, ob auch Präparate entwendet wurden?“, fragte Milo Tucker.

Professor Davis’ Gesicht wurde sehr ernst. Er nickte stumm und schluckte. „Ja. Der Täter hat genug RCH-432 entwendet, um damit eine Katastrophe auszulösen.“

„Was ist RCH-432?“, hakte ich nach.

Ein Tumult entstand draußen auf dem Flur.

Ein Mann ohne den vorgeschriebenen Schutzanzug ließ die Labortür zur Seite fliegen und trat zusammen mit zwei Begleitern in dunklen Anzügen ein. Er war groß, hager, hatte eine hohe Stirn und einen Knebelbart. Sein Gesicht war V-förmig, die Augen eisgrau. Er hielt einen Ausweis wie ein Bannschild vor sich. „Scott Graham, National Security Agency! Wir übernehmen jetzt!“

„Trevellian, FBI“, sagte ich.

„Danke für Ihre Mithilfe, Agent Trevellian, Sie können jetzt gehen.“

„So einfach geht das nicht“, erwiderte ich. „Mein Kollege Agent Tucker und ich haben den Auftrag, hier Ermittlungen durchzuführen und solange ich vom Chef des Field Office New York keine gegenteilige Anweisung bekomme, gilt für mich das, was Assistant Director Jonathan D. McKee sagt.“

Scott Graham trat nahe an mich heran.

Wir waren etwa gleich groß.

Der Blick seiner eisgrauen Augen bohrte sich förmlich in die meinen. Er verzog das Gesicht. Ein Lächeln konnte man das nicht nennen. Es erinnerte eher an das Zähneblecken eines Raubtiers. „Dieser Fall berührt die nationale Sicherheit und fällt daher in unser Ressort.“

„Wenn ich das richtig sehe, sind Sie mir gegenüber keineswegs weisungsberechtigt!“, erwiderte ich kühl. „Und jetzt hindern Sie mich bitte nicht daran, meine Arbeit zu tun und ein Verbrechen aufzuklären.“

„Hier gibt es nichts zu klären, Agent Trevellian. Jedenfalls nicht für Sie!“

„Wenden Sie sich an Mister McKee, den Chef unseres Field Office an der Federal Plaza. Sollte von ihm die Anweisung kommen, dass wir dir Sache abgeben, bin ich schneller weg, als Sie glauben. Aber bis dahin werde ich meinen Job machen und sollte dieser Job eine Anzeige gegen einen Regierungsbeamten wegen Behinderung der Justiz beinhalten, so sollten Sie sich darüber später nicht wundern, Agent Graham!“ Ich wandte mich an Professor Davis. „Sie wollten mir gerade erklären, was RCH-432 ist.“

„Das ist eine interne Bezeichnung für...“

„Stopp!“, fuhr Graham dazwischen. „Sie Sind Professor Dr. Lew Davis?“

„Ja.“

Er hielt ihm seinen NSA-Ausweis unter die Nase.

„Dann sehen Sie sich diesen Ausweis gut an. Ihre Firma arbeitet im Regierungsauftrag an Abwehrpräparaten und Impfstoffen gegen biologische Kampfmittel...“

„Das ist korrekt, aber...“

„Sämtliche Informationen darüber, was hier hergestellt wurde und woran im Einzelnen geforscht wird, unterliegen den Bestimmungen zur Aufrechterhaltung der Nationalen Sicherheit und den damit verbundenen Geheimhaltungsrichtlinien. Alle Mitarbeiter, die an diesem Projekt teilgenommen haben, sind über diese Bestimmungen aufgeklärt worden und haben sich mit ihrer Unterschrift verpflichtet, sie auch einzuhalten. Das gilt auch für Sie, Professor Davis. Ein unbedachtes Wort und Sie haben einen Prozess am Hals, der Sie nie wieder froh werden lässt!“

Davis wandte sich an mich.

„Es tut mir Leid, Agent Trevellian, aber...“

„Das kann nicht Ihr Ernst sein, Graham“, mischte sich Milo ein. „Da läuft ein Kerl mit einem hochgefährlichen Präparat herum und die ermittelnde Polizeibehörde bekommt noch nicht einmal die nötigen Informationen darüber, um die Gefahren abwenden zu können!“

„Wir werden schon die richtigen Schritte veranlassen“, versprach Graham.

„Aber noch ist das unser Tatort!“, wies ich ihn zurecht. „Sorgen Sie für eine rechtliche Klärung, dann sehen wir weiter! Und jetzt möchte ich wissen, was RCH-432 ist!“

„Ich werde keine Aussage dazu machen, Agent Trevellian, bis ein Justiziar von General Biotech anwesend ist“, erklärte Davis. Er drehte sich herum, wandte sich den anderen anwesenden Mitarbeitern zu. „Ich werde jedem von Ihnen raten, dasselbe zu tun! Schließlich hat Agent Graham recht, wir haben alle eine Erklärung unterzeichnet, die uns zu striktester Geheimhaltung verpflichtet.“

Scott Graham grinste schief. „Viel Spaß bei der Arbeit, Agent Trevellian! Ich werde mich jetzt darum kümmern, dass man Ihnen im Bundesgebäude einen besonders warmen Empfang bereitet und Sie wahrscheinlich nie wieder auf irgendeiner Beförderungsliste stehen!“

„Überschätzen Sie sich nicht!“, erwiderte ich.

„Ach – noch etwas, Trevellian!“ 

Ich habe Ihre Erklärung nicht unterschrieben, Graham! – falls Sie darauf hinauswollen! Und was die nationale Sicherheit angeht, würde ich niemals etwas tun, was diese gefährdet.“

Graham verzog das Gesicht.

„Absichtlich vielleicht nicht, aber wenn Sie wüssten, welche Gefahren schon durch gutmütige Trottel verursacht wurden... Wie auch immer, was ich Ihnen noch zu Ihrer Beruhigung sagen wollte, ist Folgendes: Ich weiß sehr genau, was RCH-432 ist und bin auch in der Lage diese Gefahr einzuschätzen. Wir bekommen die Sache in den Griff, seien Sie sich dessen gewiss! Falls wir dabei Ihre Hilfe brauchen, werden wir euch G-men schon verständigen!“ Er machte eine ausholende Geste. „Wenn hier irgendeiner Ihrer Leute was am Tatort vermasselt, dann sind Sie und Ihre Vorgesetzten dran, das kann ich Ihnen flüstern.“

Damit wandte sich Graham um. Er machte seinen Begleitern ein Zeichen, woraufhin sie ihm folgten. Lautstark fiel die Tür hinter ihnen ins Schloss.

„Sieht nach Ärger aus, Jesse!“, meinte Milo. „Was bildet dieser Kerl sich eigentlich ein?“

Wahrscheinlich war Graham uns bereits ein paar Schritte voraus und glaubte wohl auch deshalb, uns wie dumme Jungs behandeln und dementsprechend abkanzeln zu können.

„Ich werde mit Mister McKee sprechen“, kündigte ich an. Ich griff zum Handy. Wenige Augenblicke später hatte ich unseren Chef am Telefon.

„Was gibt es Jesse?“

In knappen Worten schilderte ich Mister McKee die Begegnung mit Graham.

„Machen Sie weiter wie bisher“, sagte unser Chef. „Das nehme ich notfalls auf meine Kappe. Es geht schließlich nicht an, dass die Bekämpfung des Verbrechens durch Kompetenzstreitigkeiten behindert wird.“

„Ganz meine Meinung, Sir.“

„Ein Dutzend unserer Agenten sind auf dem Weg zu Ihnen, um Sie zu unterstützen“, kündigte unser Chef dann an.

„Unterstützung haben wir hier dringend nötig – und das nicht nur wegen den Knüppel, die uns Agent Graham zwischen die Beine wirft, sondern auch deshalb, weil hier wahrscheinlich mehrere Dutzend Mitarbeiter von General Biotech sowie dem Sicherheitsdienst SAFETY FIRST befragen müssen.“

„Zwei Spezialisten in Sachen Biowaffen sind bei der FBI-Zentrale in Washington angefragt. Gegen 11 Uhr steigen die am JFK Airport aus dem Flieger und sind dann entsprechend später bei Ihnen, Jesse.“

„Gut. Aber vielleicht wissen wir ja bis dahin auch ohne diese Spezialisten schon etwas mehr.“

„Ich werde mich inzwischen ganz offiziell mit den Kollegen der NSA in Verbindung setzen, um die bestehenden Kompetenzprobleme zu lösen! Bis später, Jesse!“

„Ja, Sir.“

5

Später traf der Justiziar von General Biotech ein. Er hieß George W. McConnor, ein Harvard-Absolvent, der früher in einer großen New Yorker Kanzlei als Anwalt tätig gewesen war, bis er die juristische Vertretung von General Biotech übernommen hatte.

Unglücklicherweise unterstützte er Grahams Linie, wonach keiner der angestellten Wissenschaftler zu Details der bei General Biotech Betriebsforschung Stellung nehmen sollte.

„Diese Einschränkung betrifft wirklich nur alles das, was mit unseren Forschungen zu tun hat“, erläuterte George W. McConnor, ein kleiner, übergewichtiger Mann, der unter seinem Jackett sowohl Gürtel als auch Hosenträger trug. Er war also wohl jemand, der in jeder Hinsicht auf Nummer sicher ging. „Was den Tathergang angeht oder eventuell sonstige sachdienliche Hinweise, Aussagen zu besonderen Beobachtungen, die im Zusammenhang mit der Tat gemacht wurde und der gleichen mehr, haben die Mitarbeiter unserer Firma natürlich eine umfassende Aussageerlaubnis. Zumindest sehe ich da keinerlei juristische Probleme.“

„Zu gütig“, knurrte Milo. Ich sah ihm an, wie sehr ihn diese Spitzfindigkeiten innerlich kochen ließen.

Aber gegenwärtig mussten wir uns mit den Gegebenheiten abzufinden. Natürlich hätten wir formal die Möglichkeit gehabt, alle, von denen wir annahmen, dass sie sachdienliche Hinweise zurückhielten, in Gewahrsam zu nehmen und im Bundesgebäude an de Federal Plaza zu verhören. Gegebenenfalls war sogar nach richterlicher Anordnung Beugehaft möglich, um eine Aussage zu erzwingen, aber es war anzunehmen, dass sich die Betreffenden dann auf den 5. Zusatz zur US-Verfassung beriefen, wonach jedermann das Recht hat, gegenüber der Justiz zu schweigen, wenn er sich durch wahrheitsgemäße Aussage selbst belasten würde.

Und so lange der Kompetenzstreit mit der NSA nicht geklärt war, hatte ein Staatsanwalt wohl auch kaum Chancen, Beugehaft für irgendeinen der wissenschaftlichen Köpfe von General Biotech bei Gericht durchzusetzen.

Etwa gegen 10.00 Uhr traf unser Kollege Clive Caravaggio zusammen mit seinem Einsatzpartner Orry Medina am Tatort ein. Der flachsblonde Italoamerikaner Clive war im Rang der zweite Mann bei uns im Field Office, während unser indianischer Kollege Orry Medina als bestangezogendster G-man im Bundesgebäude an der Federal Plaza galt. Von seinem Maßanzug war unter der Schutzkleidung, die natürlich auch er tragen musste, nichts mehr zu sehen.

Etwas später trafen noch unsere Erkennungsdienstler Sam Folder und Mell Horster ein. Trotz der Tatsache, dass sich das FBI Field Office New York zumeist auf die Dienste der Scientific Research Division verlässt, verfügen wir darüber hinaus selbstverständlich auch noch über unsere eigenen Spezialisten, die wir gegebenenfalls hinzuziehen können.

Von Clive erfuhr ich, dass unsere Kollegen Jay Kronburg und Leslie Morell damit beauftragt worden waren, die angekündigten Biowaffenspezialisten vom John F. Kennedy Airport abzuholen.

„Ich schätze, die stecken jetzt in einem richtig schönen Stau“, meinte Orry dazu. „Kam vorhin durch den Lokalfunk. Auf dem Bruckner Expressway ist nur noch ein Fahrstreifen befahrbar, nach dem ein Dreißigtonner aus der Spur geraten ist und sich quer gelegt hat!“

„Na, dann kann das ja noch ein bisschen dauern“, murmelte ich.

„Ist dieser Graham noch mal aufgetaucht?“, wandte sich Clive Caravaggio an mich.

Ich schüttelte den Kopf.

„Nein. Zum Glück nicht.“

„Wahrscheinlich werden da jetzt hinter den Kulissen die Messer gewetzt.“

„Bin mal gespannt, wer die schärferen hat!“

„Einfach zu dumm, diese übertriebene Geheimniskrämerei der NSA-Kollegen!“

„In einem anderen Fall ärgern die sich vielleicht über uns“, meinte Milo.

Tatsache war, dass man in den vergangenen Jahren immer wieder versucht hatte, derlei Kompetenzwirrwarr zu entflechten. Trotzdem kam es immer wieder vor, dass die verschiedenen Geheimdienste und Polizeieinheiten in Einzelfällen miteinander konkurrierten, anstatt zu kooperieren.

Captain Bronstein bekam in diesem Augenblick eine Meldung über Funk.

Ein Lieutenant aus seiner Abteilung meldete sich.

„Wir haben gerade die Überprüfung der Videoaufzeichnungen abgeschlossen“, erklärte er.

„So schnell?“, fragte Captain Bronstein skeptisch.

Seine Zweifel waren berechtigt. Wenn man in Betracht zog, dass im Hauptgebäude von General Biotech sämtliche Flure sowie alle Räume im sicherheitsrelevanten Bereich  Videoüberwacht wurden, musste eine Unmenge von Material gesichtet werden.

„Das Ergebnis wird Sie überraschen, Sir!“

6

Wir folgten Captain Bronstein und verließen dabei den Sicherheitsbereich. Ich sah Tessa Johnston an einem Kaffeebecher nippen. Sie wirkte nachdenklich und in sich gekehrt. Dass sie bereits vor uns das Labor 5c verlassen hatte, war mir nicht aufgefallen.

Ich blieb stehen, während die anderen in Richtung Lift gingen.

„Wie gefährlich ist das Zeug, das der Einbrecher gestohlen hat?“

Sie blickte auf, sah mich etwas irritiert an und schluckte. Milo und die anderen verschwanden im Lift. Ich würde ihnen sobald wie möglich folgen. Aber irgendwie sagte mir mein Instinkt, dass es ein günstiger Zeitpunkt war, um Tessa Johnston anzusprechen. Im Gegensatz zu Lew Davis schien sie sich nicht ganz so sicher zu sein, dass es wirklich das Richtige war, über die Forschungen bei General Biotech zu schweigen.

„Wir werden es doch herausbekommen“, sagte ich.

„Ich tue einfach nur, was mir gesagt wird, okay?“, erwiderte sie gereizt. „Und wenn das juristische Gezerre zu Ihren Gunsten entschieden wurde, dann rede ich wie ein Wasserfall und über alles, was Sie wollen.“

„Das klingt gut. Aber dann kann es zu spät sein. Zeit ist ein wichtiger Faktor.“

Sie atmete tief durch.

Im Grunde war ihr klar, dass ich Recht hatte.

Sie blickte sich um und sagte dann in gedämpftem Tonfall: „Das was ich Ihnen jetzt sage, können Sie weder vor Gericht verwenden noch sonst wo. Wenn Sie irgendwem gegenüber meinen Namen erwähnen werde ich alles abstreiten.“

„Klar.“

„Überlegen Sie doch mal, Agent Trevellian...“

„Nennen Sie mich ruhig Jesse.“

„Meinetwegen... Jesse! Ich schlage vor, Sie äußern Ihre Vermutungen und wenn sie falsch sind, werde ich widersprechen.“

„Gut.“

„Also, bitte!“

„Sie entwickeln Impfstoffe gegen biologische Kampfstoffe.“

„Richtig.“

„Ich nehme an, dass sich diese Impfstoffe nur herstellen lassen, wenn man auch mit dem Erreger experimentieren kann.“

„Da hören Sie von mir auch keinen Widerspruch.“

„RCH-432 ist ein Krankheitserreger, der als biologischer Kampfstoff verwendet werden kann.“

Tessa Johnston schwieg und nippte an ihrem Kaffee. Schließlich flüsterte sie: „Ganz grundsätzlich kann ich Ihnen sagen, dass in Labor 5c mit verschiedenen Stämmen von Pockenerregern gearbeitet wird. Man hielt diese Krankheit ja mal für ausgerottet, aber das hat sich in der Zwischenzeit als Irrtum erwiesen.“

„Warum stiehlt jemand einfache Pockenerreger? Das macht keinen Sinn.“

„Sie haben recht, es macht keinen Sinn“, gab sie zu. „Selbst für Terroristen gäbe es weniger risikoreiche Möglichkeiten, an einfache Pockenerreger heranzukommen, als ein Hochsicherheitslabor!“

„Dann sind dies keine einfachen Pockenerreger?“, schloss ich.

„Ich kann jetzt nicht weiterreden. Vielleicht in den nächsten Tagen. Aber nicht jetzt.“

Ich gab ihr meine Karte.

„Rufen Sie mich an.“

Sie antwortete mir nicht.

Ihr Blick ging plötzlich an mir vorbei. Ich drehte mich um und sah das nervöse Gesicht von George W. McConnor. Der Justiziar von General Biotech Inc. fixierte erst mich und dann Tessa Johnson.

„Hat man versucht, Sie unter Druck zu setzen, Dr. Johnston?“, fragte er.

„Nein, Mister McConnor.“

7

Während ich den Kollegen zur Zentrale des Security Service folgte, ging mir einiges durch den Kopf. Weshalb stahl jemand, bei dem es sich ganz offensichtlich um einen Profi-Einbrecher handelte, einen Behälter mit Pockenerregern? Ein terroristischer Hintergrund drängte sich da geradezu auf.  Die Welle von Postsendungen mit Milzbranderregern, die es in ganz Amerikas gegeben hatte, war mir noch gut in Erinnerung. Die Angst vor einer tödlichen Seuche war tief in der menschlichen Psyche verankert. Ein kollektives Trauma aus den Zeiten der großen Epidemien, die in grausamer Regelmäßigkeit die Menschheit heimgesucht hatten.

Aber selbst mit der High Tech-Medizin des 21. Jahrhunderts war diese Gefahr nicht völlig zu bannen.

Die Gefahr bestand immer, dass ein bisher isoliert existierender Erreger sein ursprüngliches Verbreitungsgebiet verließ und sich dann epidemisch ausbreitete. Und genauso groß war die Gefahr, dass Terroristen und kriminelle Erpresser mit der Angst der Menschen spielten.

Ich fragte mich, was so besonderes an dem entwendeten Pockenerregerstamm war. Möglicherweise war er gentechnisch verändert worden und hatte jetzt Eigenschaften, die ihn besonders gefährlich machten.

Bis zur Sicherheitszentrale musste ich mich erst durchfragen und kam deshalb etwas zu spät, um das Entscheidende mitzubekommen.

Niemand drehte sich nach mir um, als ich den Raum betrat.

Ich hörte nur, wie Clive sagte: „Das ist doch unmöglich!“

„Leider nein“, meinte ein ziemlich kleinlaut wirkender Mann in der Uniform des SAFETY FIRST Security Service. An seinem Uniformhemd war sein Name aufgenäht. Er lautete G.P. Walker und er war offenbar der Chef in der Sicherheitszentrale.

Dave Ontario, ein Computerspezialist der SRD, stand daneben. Seine Finger klackerten über eine der Tastaturen. Auf einem Flachbildschirm erschienen Kolonnen von Daten. Ontario zuckte die Achseln. „Ich kann es nur bestätigen“, meinte er. „Die Sache ist äußerst raffiniert – und sehr effektiv.“

„Was ist hier los?“, raunte ich Milo zu.

„Es gibt keine Bilder vom Täter“, brachte es mein Kollege auf den Punkt. „Du denkst, das ist unmöglich? Hätte ich auch gedacht...“

G.P. Walker erklärte den Anwesenden die Sachlage noch einmal. „Wir speichern die Videoaufzeichnungen auf einer Festplatte. Genau zu dem Zeitpunkt, als der Einbruch stattgefunden haben muss, wurden die Bilder des Vortages auf die Monitore projiziert, sodass die diensthabende Besatzung der Zentrale keinerlei Verdacht schöpfte. Gleichzeitig wurden die Daten der aktuellen Aufzeichnung gelöscht.“

„Lassen sie sich nicht irgendwie rekonstruieren?“, fragte Clive.

Walker zuckte die Achseln. „Da dürfen Sie mich nicht fragen. Ich bin froh, wenn ich das System richtig bedienen kann – für Reparaturen sind wir nicht zuständig.“

„Ich glaube, die Frage war an mich gerichtet“, sagte unser SRD-Kollege Dave Ontario sehr ruhig. Er wandte den Blick in Clives Richtung und fuhr fort: „Ob eine Möglichkeit der Datenrekonstruktion besteht, müssten wir im Labor feststellen. Außerdem kann es eine Weile dauern und eine Garantie gibt es auch nicht. Es kommt vor, dass sich Daten auf einem Rechner wiederherstellen lassen, der bei einem Hausbrand regelrecht zusammengeschmolzen wurde, während in anderen Fällen schon Stromschwankungen dafür ausreichen, an der betreffenden Stelle auf der Festplatte einen so nachhaltigen Schaden zu verursachen, dass selbst mit größtem Aufwand überhaupt nichts mehr geht!“

„Wir werden das ganze Zeug hier mitnehmen müssen“, meinte Clive.

8

Scott Graham blickte auf die Uhr an seinem Handgelenk. Die Ziffern leuchteten. Es war fast fünf Uhr morgens. Scott Graham gähnte.

„Na, komm schon! Wo steckst du denn?“, murmelte er vor sich hin. Der Klang seiner eigenen Stimme sorgte dafür, dass er wieder etwas wacher wurde.

Es war nicht das erste Mal, dass er eine Nacht ohne Schlaf auskommen musste. Manchmal gehörte das einfach zum Job.

Graham hatte seinen Wagen, einen unscheinbaren metallicfarbenen Chevrolet, am Straßenrand abgestellt. Er hatte das Mietshaus auf der gegenüberliegenden Seite der 90. Straße Ost im Blick.

Graham gähnte erneut.

Dann sah er auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen Mann auf den Eingang des Mietshauses zugehen.

Für einen Moment geriet der Mann in den Schein einer Neonreklame. Das ist er!, dachte er. Der Mann hieß Lary Primrose und war Mitarbeiter von General Biotech. Wie jeden Mitarbeiter dieser Firma gab es auch über Primrose ein detailliertes NSA-Dossier. Es lag auf dem Beifahrersitz. Aber Graham hatte sich das Gesicht durch die darin enthaltenen Fotos gut genug eingeprägt, um nicht noch einmal nachsehen zu müssen.

Graham stieg aus, überquerte die Straße und schaffte es gerade noch, den Eingang des Mietshauses zu erreichen, bevor dort die Tür ins Schloss fiel.

Larry Primrose hatte kurz zuvor das Haus betreten.

Graham folgte Primrose bis zu dessen Apartment im dritten Stock. Primrose kannte ihn nicht. Daher schöpfte der Mann, der sich sein Geld als Fahrer bei General Biotech verdiente, keinerlei Verdacht.

In der Firma war Primrose nicht gewesen. Er hatte Urlaub genommen und nach Grahams Überzeugung hatte das einen Grund.

Der NSA-Mann wartete ab, bis Larry Primrose die Tür zu seiner Wohnung hinter sich ins Schloss fallen ließ.

Graham griff nach seiner Dienstwaffe, einer Automatic. Er  überprüfte die Ladung. Dann steckte er die Waffe wieder weg und trat an die Tür.

Er klingelte.

Die Tür öffnete sich.

Graham hielt Primrose seinen Ausweis unter die Nase. „Agent Graham, NSA. Ich hätte ein paar Fragen im Zusammenhang mit dem Einbruch in das Labor 5c auf dem Firmengelände von General Biotech.“

„Ich... wieso?“

„Passen Sie auf, Primrose, das Spiel geht ganz einfach: Ich stelle die Fragen und Sie beantworten Sie.“

„Kommen Sie rein!“

„Danke.“

Graham machte einen Schritt nach vorn und bemerkte in letzter Sekunde, dass das ein Fehler gewesen war. Primrose tat zunächst so, als wollte er Graham den Rücken zuwenden. Dann wirbelte er plötzlich herum. Blitzschnell traf Graham eine sehr effektive Kombination von Karateschlägen.

Graham sackte zu Boden.

Regungslos blieb er liegen und Primrose zog ihn an den Schultern ein Stück weiter, damit er die Tür seines Apartments endlich schließen konnte.

9

Wir hatten sämtliche Computer in der Sicherheitszentrale beschlagnahmt. Darüber hinaus aber auch die aus Labor 5c, auch wenn sowohl Professor Davis als auch der Justiziar heftig protestierten.  Aber Mister McKee hatte dies in Zusammenarbeit dem zuständigen District Attorney James E. Longoria III. durchgesetzt.

Am nächsten Tag fand eine Besprechung im Büro unseres Chefs statt, an dem außer Milo und Mister McKee auch unsere Kollegen Orry Medina, Clive Caravaggio und Jay Kronburg teilnahmen. Dazu kamen noch Greg Naismith und Tom Dalban, die beiden Biowaffenexperten aus Washington sowie der SRD-Computerexperte Dave Ontario.

„Für mich steht außer Frage, dass General Biotech mit veränderten Pocken-Erregern experimentiert hat“, erklärte Greg Naismith.

„Und worin bestehen diese Veränderungen?“, fragte Mister McKee stirnrunzelnd.

„Üblich ist beispielsweise eine längere oder kürzere Inkubationszeit. Je nachdem, ob man sehr schnell viele Menschen außer Gefecht setzen möchte oder eine schleichende, dafür umso verheerendere Epidemie im Sinn hat“, lautete Naismith’ Antwort.

„Das klingt für mich sehr beunruhigend“, bekannte Mister McKee.

„Es gibt immerhin eine gute Nachricht“, mischte sich nun Tom Dalban ein. „Die Erreger befanden sich in einem so genannten CX-Behälter und sind darin unschädlich, solange dieser nicht geöffnet wird.“

„Ein schwacher Trost, wenn man bedenkt, dass sich dieses Teufelszeug jetzt wahrscheinlich in den Händen eines irren Kriminellen befindet“, warf Milo Tucker ein.

„Sagen Sie das nicht“, wandte Dalban ein. „Es ist erst ein paar Jahre her, da transportierten Mitarbeiter eines Labors in Washington den Kadaver eines an Ebola verendeten Versuchsaffen in einer Plastiktüte. Sie legten ihn einfach in den Kofferraum ihres Dienstwagens und fuhren damit in den Straßen Washingtons herum. Es wäre nur ein ganz gewöhnlicher Verkehrsunfall nötig gewesen, um eine Katastrophe auszulösen!“

„Was glauben Sie, was die Ziele des Täters sind?“, fragte Mister McKee.

Dalban zuckte die Achseln. „Das war ein Profi, der will wahrscheinlich nur Geld verdienen und handelt im Auftrag.“

„Und wer steckt dahinter?“

„Eine gute Frage. Abwandlungen des Pocken-Virus sind beliebte Kampfstoffe, die sich wahrscheinlich hervorragend an zahlreiche Regierungen verkaufen lassen, wenn man es darauf anlegt.“

„Wir haben allerdings keine Hinweise darauf gefunden, dass auch ein Impfstoff entwendet wurde“, stellte ich nun fest. „Eigentlich ist der zwingend notwendig!“

„Schließlich sollen ja nicht die eigenen Leute an einem resistenten Pocken-Erreger sterben“, ergänzte Jay Kronburg.

„In diesem Zusammenhang wäre es natürlich vorteilhaft, wenn wir Einzelheiten über die Forschungen von General Biotech wüssten“, meinte Clive Caravaggio. „Leider sagte mir Mister Ontario, dass bislang auf den beschlagnahmten Rechnern nicht allzu viele Hinweise gefunden worden seien.“

„Ich möchte, dass die Kollegen Naismith und Dalban sich den Inhalt der Festplatten der Laborrechner noch einmal in aller Ruhe ansehen“, erklärte Mister McKee.

Die beiden Angesprochenen nickten zur Bestätigung.

In diesem Augenblick wurde die Tür mit unverhältnismäßiger Wucht zur Seite geschleudert. Gemessenen Schrittes trat Scott Graham ein. 

Alle Augen waren jetzt auf den NSA-Mann gerichtet, der die Krawatte gelockert und jetzt seine Hände in die Hosentaschen steckte.

Er schien gerade etwas sagen zu wollen, als unser Chef ihm zuvor kam.

„Mein Name ist Assistant Director in Charge Jonathan D. McKee und ich möchte, dass Sie sich jetzt setzen und unsere Sitzung nicht weiter durch Ihre Selbstinszenierung stören, Mister!“

Scott Grahams Gesicht wurde ernst.

Er nahm einen der noch freien Stühle und setzte sich.

„Sie haben Glück“, fand Mister McKee. „Die  Untersuchungsergebnisse vom Tatort haben wir ebenso wenig besprochen wie die weitere Vorgehensweise bei den Ermittlungen und die Abgrenzung der Kompetenzen. Sie haben also nichts verpasst.“

„Tut mir leid, dass ich so spät dran bin. Aber auf dem Elevated Highway ist der Teufel los und...“

„Schon gut, Mister Graham“, schnitt ihm Mister McKee das Wort ab. „Ich denke, es gibt gravierendere Probleme in unserer Zusammenarbeit als Unpünktlichkeit.“

Alle Augen waren jetzt auf Graham gerichtet. Die Arroganz, die ihn gestern noch ausgezeichnet hatte, war einer vorsichtigeren, abwartenden Haltung gewichen. Ich vermutete, dass ein Gespräch auf Vorgesetztenebene dahinter steckte.

Mister McKee erhob sich von seinem Platz.

Die Hände steckten in den Hosentaschen, das Gesicht war ernst. „Ich hatte mit dem stellvertretenden NSA-Director ein langes Gespräch, Agent Graham. Es mag Ihnen oder mir nun persönlich passen oder nicht – wir werden bei diesem Fall kooperieren müssen. Und Kooperation setzt einen Austausch an Informationen voraus.“

„Meiner Ansicht nach reicht es, wenn der Kerl mit dem CX-Behälter wieder eingefangen wird“, erwiderte Graham.

„Ich kenne Ihre Ansicht“, schnitt ihm Mister McKee das Wort ab. „Aber wie mir Assistant Director Cunningham versicherte, kennen Sie inzwischen auch die Ansicht Ihres Vorgesetzten. Also richten Sie sich danach!“

„Ja, Sir“, gab Graham klein bei.

„Inzwischen weiß ich auch, weshalb Sie in diesem Fall auf Geheimhaltung so großen Wert legen“, erklärte Mister McKee. „Ein mutierter Pocken-Erreger, produziert im Auftrag der US-Regierung – das würde unsere Regierung außenpolitisch in Erklärungsnotstand bringen.“

„Vielleicht kann uns Agent Graham darüber aufklären, was das besondere an dieser speziellen Form des Pockenerregers ist“, schlug ich vor.

„Sie ist unter anderem besonders ansteckend und führt sehr viel schneller zum Tod als das bei gewöhnlichen Pocken der Fall ist. Außerdem besteht eine Resistenz gegen sämtliche bekannten Behandlungsmethoden“,  berichtete Graham. „Im Übrigen möchte ich betonen, dass unsere Regierung die Entwicklung derartiger Stoffe nicht in Auftrag gegeben hat, um sie gegen außenpolitische Feinde einzusetzen. Der einzige Zweck von Projekten wie den bei General Biotech durchgeführten Forschungen ist es, Impfstoffe und Gegenmittel zu entwickeln. Wir wissen, dass es mindestens ein Dutzend Staaten auf der Welt gibt, in denen an mutierten Krankheitserregern gearbeitet wird und befürchten schon lange, dass derartige Biowaffen auch in die Hände von Terroristen gelangen könnten.“ Graham beugte sich vor. „Der bei General Biotech entwendete Bio-Kampfstoff ist einem Präparat im chemischen Aufbau nachempfunden worden von dem wir wissen, dass es in einem uns nicht gerade freundlich gesonnenen Staat bereits produziert wurde. Leider ist der erste Schritt zur Entwicklung eines Impfstoffs immer die Isolierung des Krankheitserregers. Da werden Ihre Biowaffen-Experten mir sicher zustimmen.“

Naismith und Dalban nickten kurz.

„Unglücklicherweise sind auf den beschlagnahmten Laborrechnern weite Bereiche der Festplatte gelöscht worden und es ist sehr schwer, sie zu rekonstruieren“, meldete sich nun Dave Ontario zu Wort. „Andere Bereiche sind mit Verschlüsselungscodes so gesichert, dass ich noch Zeit brauchen werde, um sie zu knacken. Es wäre nett, wenn unser Kollege von der NSA die Wissenschaftler von General Biotech die Angst vor rechtlichen Konsequenzen nehmen und sie zur Kooperation überreden könnte. Dann würde wir sicherlich schneller vorankommen.“

„Ich glaube, das überlassen wir besser der Vorgesetzten-Ebene“, meinte Mister McKee.

Offenbar traute er Graham nicht zu, dass dieser tatsächlich über seinen Schatten zu springen vermochte.

Graham sagte: „Ich denke, Sie wissen jetzt alles, was für die Verfolgung des Täters notwendig ist. Wir verhindern, dass die falschen Leute das Präparat im CX-Behälter in die Finger bekommen.“

„Ganz meiner Ansicht“, nickte Mister McKee. „Haben Sie dazu irgendwelche Vorschläge zu machen?“

„Das Zeug wird früher oder später auf dem Markt angeboten“, meinte Graham. „Ich bin überzeugt davon, dass der Einbrecher ein Profi war, der selbst damit gar nichts anzufangen wüsste, sondern es so schnell wie möglich loswerden will. Für noch wahrscheinlicher halte ich die Annahme, dass der Täter in direktem Auftrag gehandelt hat. Da als Auftraggeber von  irgendwelchen Terroristen über todessehnsüchtige Verrückte bis hin zu Agenten ausländischer Geheimdienste nun wirklich jeder in Betracht kommt, müssen wir bei den Helfen ansetzen, die der Täter zweifellos hatte.“

„Ja, zum Beispiel muss ihm jemand Zugang zum Gelände verschafft haben“, meine Milo.

„Ich denke, die Frage ist schnell geklärt“, sagte Graham, woraufhin ihn alle Anwesenden erstaunt ansahen.

„Dann lassen Sie uns an Ihren Erkenntnissen teilhaben“, verlangte Mister McKee.

„Ich habe mit einigen der Wachleute gesprochen. Durch den Austausch der Videodaten auf den Computern der Überwachungszentrale wissen wir ziemlich genau von wann bis wann der Einbruch stattgefunden hat.“

„Die Frage ist, woher Sie das wissen, Agent Graham! Sie waren doch gar nicht dabei, als wir...“

„Ich habe meine Quellen, Agent Trevellian.“

Das bedeutete, jemand von General Biotech oder SAFETY FIRST hatte den NSA-Agenten angerufen und sofort über alles informiert, was sich in der Überwachungszentrale getan hatte. Mir gefiel der Gedanke nicht, dass dieser Kerl uns offenbar ein paar Schritte voraus war – und ich fragte mich, in wie weit er jetzt tatsächlich mit offenen Karten spielte.

Graham fuhr fort: „Genau zu der Zeit, als der Täter das Gelände verlassen haben muss, schlug einer der Hunde an. Das Tier führte die Wachmänner zu einem der Spezialfahrzeuge und kroch darunter. Es war auf einem Gullydeckel geparkt worden.“

„Sie glauben, dass der Täter über das Abwassersystem entkommen ist?“, glaubte Mister McKee.

Graham nickte.

„Ganz recht.“

„Das hätten Sie uns mitteilen müssen“, erklärte Mister McKee. „Dann hätten die Kollegen der SRD die Möglichkeit gehabt, Spuren zu sichern.“

„Sie werden keine Spuren dort finden. Der Täter war ein Profi, dem passiert so etwas nicht.“

„Das kann nicht Ihr Ernst sein, Graham!“

„Im Übrigen habe ich alle Informationen sofort weitergegeben – allerdings an meine Vorgesetzten. Aber die wirklich interessante Frage war doch, wer den Wagen genau auf den Gullydeckel gefahren hat, um dem Einbrecher eine Tarnung zu geben.“

„Und?“, fragte Mister McKee ungeduldig.

„Sein Name ist Larry Primrose. Einer der Security Guards hat mitbekommen, wie er den Wagen extra noch einmal umgefahren hat, damit sich der Gully unter dem Fahrzeug befindet. Natürlich wurde dem Wachmann erst im Nachhinein klar, was das zu bedeuten hatte.“

„Erzählen Sie mehr über diesen Primrose!“, verlangte Mister McKee. 

„Er ist bei General Biotech als Fahrer angestellt und hat passenderweise ab heute für ein paar Tage Urlaub eingereicht. Primrose wohnt am Lennox Hill in der 90. Straße West, Hausnummer 332. Ich habe ihm gestern Abend einen Besuch abgestattet. Er war nicht da. Ich habe die halbe Nacht vor seiner Adresse im Wagen gewartet. Gegen fünf kam er nach Hause. Ich passte ihn ab und habe ihn verloren. Der Kerl hat mir eins übergebraten und ich war eine Zeitlang ausgeknockt.“

„Daher Ihre Verspätung“, sagte Clive schneidend. „Und jetzt brauchen Sie die Hilfe des FBI, um ihn ins Netz gehen zu lassen!“

„So ein Unsinn!“

„Ich darf annehmen, dass Sie auch in diesem Fall sofort Ihre Vorgesetzten informiert haben, als Sie in Primroses Wohnung aufwachten.“

Graham nickte.

„Das ist richtig. Offenbar hat es hier ein gewisses Kommunikationsdefizit auf höherer Ebene gegeben“, erwiderte er.

Mister McKee nahm nun das Gespräch wieder auf. „War jemand von der NSA bereits in Primroses Apartment, um Spuren zu sichern?“

„Das weiß ich nicht. Aber wenn meine Vorgesetzten Ihnen darüber nichts mitgeteilt haben, dann wird das seine wohl abgewogenen Gründe haben.“ 

„Ich denke, dass ich da noch ein paar Dinge mit Ihrer Behörde zu klären habe, Agent Graham.“

Graham antwortete nicht darauf.

Er hob nur das Kinn um ein paar Grad.

Mister McKee verzichtete auf die Gelegenheit, darauf herumzureiten, dass Agent Graham durch seinen Alleingang für das Verschwinden eines wichtigen Zeugen die Verantwortung trug. Polizeiarbeit war nun einmal Teamarbeit. Gleichgültig ob beim FBI, dem New York Police Department, der DEA oder sonst wo. 

Mister McKee wandte sich an Milo und mich. „Fahren Sie mit Agent Graham noch einmal zu Primroses Wohnung und versuchen Sie im Umfeld zu ermitteln. Ich gebe diesen Kerl in die Großfahndung.“

„In Ordnung, Mister McKee.“

„Die Kollegen der Fahndungsabteilung haben die Nacht über alle nur erdenklichen Informationen über sämtliche Mitarbeiter von General Biotech und SAFETY FIRST gesammelt und die gestern durchgeführten Befragungen ausgewertet. Jeder hier im Raum bekommt die Liste, die nach Prioritäten geordnet ist. Eine richterliche Genehmigung zur Einholung von Bankauskünften ist zwar bereits heute Nacht erteilt worden, aber diese Überprüfung kann jetzt erst beginnen. Ich nehme an, dass wir gegen Mittag wissen, ob jemand verschuldet war und plötzlich reich geworden ist oder dergleichen.“

10

Larry Primrose hatte in der hintersten Ecke von Tonys Coffee Shop, 233 Elizabeth Street, Platz genommen und blickte nervös auf die Uhr. Draußen fegte ein eisiger Wind durch die Straßen. Es hatte angefangen zu schneien. Allerdings schmolzen die wenigen Flocken gleich wieder weg. Die Vorboten eines drohenden Blizzards waren das noch nicht.

Larry bestellte einen Cappuccino, wofür er von der Bedienung nur ein müdes Lächeln erntete.

Larry nippte an dem heißen Getränk und blickte angestrengt nach draußen. Er tickte unruhig mit den Fingerkuppen auf der Tischplatte herum und bot damit eine Art rhythmischer Begleitung zu der im Hintergrund laufenden Musik. Italienischer Belcanto mit dem typischen Pathos.

Larry ging der Gesang ziemlich auf die Nerven. Aber er hatte diesen Treffpunkt ja auch nicht ausgemacht.

Durch das Fenster sah er eine vermummte Gestalt durch das graue Wetter schleichen.

Wenig später ging die Tür des Coffee Shops auf und ein hoch gewachsener Mann in einem grünen Parka trat ein. An der Kapuze war ein Fellkragen. Der Kopf wurde von einer Base Cap mit der Aufschrift ,Homeboy’ bedeckt.

Der Kerl schaute sich erst um.

Im Augenblick waren nicht viele Gäste im Coffee Shop. Auf der gegenüberliegenden Seite des Schankraums saßen ein paar ältere Männer um einen runden Tisch und erzählten lautstark davon, wie sehr sich Little Italy in den letzten Jahren doch verändert hätte und das man drauf und dran sei, einen Straßenzug nach dem anderen an Chinatown zu verlieren. Little Italy war seit Jahren in einem Prozess der Schrumpfung begriffen, während Chinatown wuchs.

Der Mann mit dem ,Homeboy’-Cap setzte sich zu Larry Primrose an den Tisch.

„Wie geht’s, Larry?“, fragte er.

„Du hast gut reden! Wie soll’s schon gehen? Beschissen natürlich.“

Der ,Homeboy’-Mann blieb gelassen. Er verzog das Gesicht zu einem dünnen, kalten Lächeln und deutete auf den Cappuccino.

„Du wolltest wohl unbedingt auffallen, was?“

„Wieso?“

„Kein Italiener trinkt nach elf noch einen Cappuccino. Das ist einfach stillos!“

„Du hast wirklich Sorgen“, knurrte Larry. Er beugte sich etwas vor und sprach dann in gedämpftem Tonfall weiter. „Ich sitze bis zum Hals in der Scheiße und du hast mir das ganze eingebrockt! Jetzt musst du mir auch dabei helfen, aus diesem Sumpf wieder herauszukommen!“

„Nun mal ganz ruhig. Es hat doch alles wunderbar geklappt!“

„Hast du eine Ahnung!“

Der Mann mit der ,Homeboy’-Mütze seufzte.

„Was ist denn passiert, Larry?“

„Heute Morgen hatte ich in aller Frühe einen  unfreundlichen Besuch von einem NSA-Agenten, der ziemlich viel zu wissen schien!“

„Und? Wie kommt es, dass du dann hier vor mir sitzt und nicht etwa in einer Zelle auf Rikers Island?“

„Ich habe ihn ausgeknockt.“

„Ist er tot?“

„Nein, natürlich nicht. Glaubst du, ich will mir einen Mord ans Bein binden?“

„Du denkst zu negativ, Larry.“

„Ach ja?“

„Ja. Denn du gehst davon aus, dass sie dich schnappen. So darf man nie an die Sache rangehen.“

„Ich brauche von dir kein kluges Gequatsche sondern Hilfe! Wahrscheinlich muss ich untertauchen und so schnell wie möglich zusehen, dass ich ins Ausland komme. Für die Dollars, die ich von dir bekommen habe, ist das natürlich alles nicht zu machen!“

„Du bist für deinen kleinen Dienst fürstlich entlohnt worden“, stellte der Mann mit der ,Homeboy’-Mütze kühl fest. „Und eigentlich hätte dir von Anfang an klar sein müssen, dass jeder sein Risiko selbst trägt!“

„Ich brauche Hilfe. Denk doch mal nach, wenn die mich in Verdacht haben, ist es nur eine Frage der Zeit, wann sie auf deine Spur kommen!“

„Das glaube ich nicht, Larry.“ Die Stimme des ,Homeboy’-Mützenträgers klang wie Eis. Er kratzte sich am Kinn und bleckte die Zähne. Dann griff er unter seine Jacke, holte einen Block hervor und schrieb etwas darauf. Er riss das Blatt ab und schob es Larry über den Tisch. „Das ist die Adresse eines Bekannten. Da kannst du ein paar Tage  untertauchen. Sag ihm, dass ich dich geschickt habe.“

Larry runzelte die Stirn und blickte auf den Zettel.

„Ethan Darrington, 567 Lazenby Road, Hoboken.“

„Er ist ein guter Kumpel. Du kannst ihm vertrauen. Außerdem ist es wahrscheinlich tatsächlich das Beste, wenn du erstmal aus der Schusslinie kommst.“

„Ich brauche Geld, einen Pass, eine neue Identität!“

„Nicht so ungeduldig, Larry.“

„Versuch nicht, mich reinzulegen! Wenn ich hochgenommen werde, dann geht es auch den anderen an den Kragen!“

Das Gesicht des Mannes mit der ,Homeboy’-Cap wurde zu einer eisigen Maske. Harte Linien furchten sich durch sein Gesicht und gaben ihm Züge, die wie aus Stein gemeißelt aussahen.

„Verlier nicht die Nerven, Larry.“

„Du hast verdammt gut reden!“

„Wie lautet der Name dieses NSA-Agenten?“

Larry Primrose griff in die Innentasche seiner Jacke und holte eine ID-Card der NSA hervor. „Das ist sein Dienstausweis. Ich dachte mir schon, dass ihr den gerne hättet.“

Der Mann mit der ,Homeboy’-Cap steckte die ID-Card ein.

„Mal sehen, was sich so für dich tun lässt. Spätestens morgen ist alles für dich vorbei. Das verspreche ich dir.“

11

Milo und ich suchten zusammen mit Agent Scott Graham noch einmal das Apartment von Larry Primrose auf, um nach Anhaltspunkten für den Verbleib des Fahrers in den Diensten von General Biotech zu suchen.

Unsere Erkennungsdienstler Mell Horster und Sam Folder hatten zugesagt, so schnell wie möglich nach zu kommen, um kriminaltechnische Untersuchungen durchzuführen. Ein Durchsuchungsbefehl lag jedenfalls vor.

Den Sportwagen parkten wir auf der gegenüberliegenden Straßenseite.

Scott Graham setzte seinen unscheinbaren Chevy dahinter. Wir stiegen aus und überquerten die Straße.

„Ich schlage vor, dass wir die Konkurrenz zwischen uns ein für allemal begraben“, meinte ich an Graham gerichtet. „Schließlich haben wir doch dasselbe Ziel!“

Graham verzog das Gesicht. Ein schwer beschreibbarer Ausdruck prägte jetzt seine Züge. Er lag irgendwo auf halber Strecke zwischen Zynismus und Verachtung.

„Was die Ziele anderer angeht, kann man sich da nie ganz sicher sein“, meinte er. „Jedenfalls nicht, solange es nicht irgendwelche Telepathen gibt, die in der Lage wären, das zu überprüfen!“

Milo und ich tauschten einen kurzen Blick. Nach all den Jahren, die wir schon zusammen arbeiteten, brauchten wir manchmal keine Worte, und wussten trotzdem haargenau, was der andere gerade gedacht hatte.

Milo hob die Augenbrauen.

Es hat keinen Sinn, Jesse, schien er mir sagen zu wollen.

Graham legte offenbar auf einen Waffenstillstand für die Dauer ihrer gemeinsamen Ermittlungen keinerlei Wert.

Die Eingangstür zum Haus mit der Nr. 332 war verschlossen. Wir klingelten bei einer der anderen Mietparteien, meldeten uns mit unserem Respekt einflößenden Standardspruch und konnten schon Augenblicke später die Tür öffnen.

Ich registrierte sofort, dass es offenbar so gut wie überhaupt keine Überwachungs- und Sicherheitstechnik gab.  Weder Video-Kameras noch sonst etwas. 

Wir fuhren mit dem Lift hinauf in den dritten Stock.

Wenig später standen wir vor dem Apartment von Larry Primrose.

Von innen waren Geräusche zu hören.

Wir zogen unsere Dienstwaffen.

„Mister Primrose scheint wieder zu Hause zu sein“, meinte Milo.

Milo postierte sich rechts der Tür, Graham links.

Ich postierte mich ebenfalls rechts von der Tür, allerdings in der Mitte des Flurs.

„Warum haben Sie eigentlich nicht gleich Verstärkung gerufen, als Sie in Mister Primroses Apartment aufgewacht sind?“, fragte ich an Graham gewandt.

„Sind Sie jetzt plötzlich mein Dienstvorgesetzter – oder was?“

„Ich frage ja nur!“

„Der Kerl war seit Stunden über alle Berge! Was hätte das gebracht?“

Milo klingelte.

Einen Augenblick lang geschah gar nichts. Hinter der Tür war es vollkommen still. Dann waren Schritte zu hören.

„Wer ist da?“, fragte jemand von innen.

„FBI. Larry Primrose?“, fragte ich.

„Was wollen Sie?“

Scott Graham schüttelte den Kopf. Offenbar glaubte er nicht, dass die Stimme von Primrose war. Andererseits fragte ich mich, wie intensiv er sich wirklich mit ihm unterhalten hatte, bevor der Fahrer von General Biotech ihn bewusstlos schlug.

Ich nahm meine SIG Sauer P226 mit beiden Händen.

Mit wem auch immer wir da jetzt redeten, vielleicht ließ er sich ja dazu herab, uns die Tür wenigstens einen Spalt zu öffnen, was den Zugriff mit Sicherheit erleichterte.

„Wir haben ein paar Routinefragen im Zusammenhang mit dem Einbruch bei General Biotech in Yonkers an Sie“, sagte ich. „Leider konnten wir Sie bislang noch nicht vernehmen, da Sie heute Urlaub haben.“

Einige Sekunden lang war es auf der anderen Seite der Tür vollkommen still.

Dann gab es plötzlich einen Knall.

Ein Schuss schlug durch die dünne Holztür und riss ein daumendickes Loch. Kurz hintereinander folgten vier weitere Schüsse aus einer offenbar ziemlich großkalibrigen Waffe. Anschließend waren schnelle, sich entfernende Schritte zu hören.

Ich schnellte nach vorn, trat die Tür ein. Sie flog zur Seite. „Waffe weg, FBI!“, rief ich, aber da er niemand mehr.

Mit der Waffe in beiden Händen stürmte ich durch den kleinen Vorraum.

Milo und Graham waren mir dicht auf den Fersen. Milo trat die Tür zum Bad auf, aber da war niemand.

Ich stieß die halb offen stehende Tür zum Wohnzimmer zur Seite.

Ein Mann im pelzbesetzten Parka und einem Base Cap mit der Aufschrift ,Homeboy’ war gerade im Begriff, die Balkontür zu öffnen. Er feuerte einen ungezielten Schuss in meine Richtung. Blutrot leckte das Mündungsfeuer aus seiner 45er Automatik hervor. Die Kugel zischte knapp an meinem Kopf vorbei und schlug in den Rahmen der Wohnzimmertür ein, wo sie ein ziemlich großes Loch riss.

Ich feuerte zurück.

Der Kerl ließ sich im selben Moment durch die geöffnete Balkontür fallen und feuerte Schuss um Schuss in meine Richtung.

Ich zuckte zurück und nahm neben der Tür Deckung, während mir die Kugeln nur so um die Ohren flogen. Zum Glück war er ein schlechter Schütze.

Der Geschosshagel verebbte.

Sein Magazin musste so gut wie leer geschossen sein. Ich tauchte mit der Waffe in beiden Händen aus der Deckung hervor.

„Stehen bleiben!“, rief ich.

Der Mann mit der ,Homeboy’-Cap schwang sich gerade über das Balkongeländer. Er landete auf dem Absatz einer Feuertreppe, die neben dem Balkon in die Tiefe führte.

Im ersten Moment wollte ich ihm nachsetzen.

Mein Instinkt für Gefahr ließ mich zögern.

Dann bemerkte ich den eiförmigen Gegenstand auf dem Teppich. Es war tarnfarben und hob sich vom Fleckenmuster des Teppichbodens kaum ab.

Eine Handgranate.

Ich zuckte zurück, riss Milo mit mir, der ebenfalls gerade im Begriff gewesen war, dem Mann mit der ,Homeboy’-Basecap nachzusetzen. Wir warfen uns zu Boden, während im Nebenraum die Hölle losbrach.

Details

Seiten
Erscheinungsjahr
2017
ISBN (ePUB)
9783738912074
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Dezember)
Schlagworte
alfred bekker thriller gen-bombe

Autor

  • Alfred Bekker (Autor:in)

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Titel: Alfred Bekker Thriller: Die Gen-Bombe