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Zwei Western: Delanys letzter Kampf/Die Rückkehr des Leslie Morgan

von Alfred Bekker (Autor:in)
©2017 300 Seiten

Zusammenfassung

Eigentlich will John Delany nur einer Frau in Bedrängnis helfen, die sich gegen ein paar üble Kerle wehren muss. Aber der Cowboy und Revolvermann ahnt nicht, mit wem er sich da in Wahrheit angelegt hat. Es sind die Männer von Mark McKenna, dem größten Rancher der Gegend. Und McKennas Wort ist in diesem wilden Land Gesetz. Er achtet niemanden und duldet keinen Widerstand. Und er kennt keine Gnade. Bald steht Delany allein gegen eine waffenstarrende Bande von Killern.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Delanys letzter Kampf

von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 104 Taschenbuchseiten.

Eigentlich will John Delany nur einer Frau in Bedrängnis helfen, die sich gegen ein paar üble Kerle wehren muss. Aber der Cowboy und Revolvermann ahnt nicht, mit wem er sich da in Wahrheit angelegt hat. Es sind die Männer von Mark McKenna, dem größten Rancher der Gegend. Und McKennas Wort ist in diesem wilden Land Gesetz. Er achtet niemanden und duldet keinen Widerstand. Und er kennt keine Gnade. Bald steht Delany allein gegen eine waffenstarrende Bande von Killern.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2016 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

1

"Nein! Nicht!"

Es war eine Frauenstimme, daran konnte es keinen Zweifel geben.

John Delany hatte sein Pferd augenblicklich gezügelt.

Seine Hand glitt instinktiv zum Revolverholster, um den Sitz der Waffe zu überprüfen, die darin steckte.

Er blickte sich um.

Überall braunes Präriegras und sanfte Hügel, ab und zu eine Gruppe von knorrigen Bäumen.

War es nur der Wind gewesen, der seinen Ohren einen Streich gespielt hatte? Delany hielt das für ausgeschlossen. Und das, was dann an sein Ohr drang, bestätigte ihn.

Wieder der Schrei einer Frauenstimme, ein Schrei, der vermutlich nicht durch körperlichen Schmerz, sondern durch namenlose Angst hervorgerufen worden war.

Dann das Wiehern von Pferden.

Und ganz im Hintergrund und sehr viel leiser ein paar Männerstimmen...

Delany bestimmte kurz die Richtung, aus der diese Geräusche gekommen waren, gab seinem Pferd die Sporen und preschte den nächsten Hügel hinauf.

Irgend jemand brauchte dort seine Hilfe, soviel war klar.

Und wahrscheinlich kam es darauf an, rasch zu handeln.

Als Delany den Hügelkamm erreicht hatte, sah er in einiger Entfernung einen zweispännigen Kastenwagen, zu dem ein Mann und eine Frau gehörten.

Und dann waren da noch vier schwer bewaffnete, finster aussehende Reiter, die den Wagen offenbar angehalten hatten.

Mochte der Teufel wissen, weshalb.

Eine menschenfreundliche Absicht stand wohl in keinem Fall dahinter.

Zwei der Reiter waren von ihren Pferden gestiegen und hatten die Frau vom Kutschbock gezerrt. Sie wehrte sich verzweifelt, aber gegen die kräftigen Arme ihrer Widersacher konnte sie nichts ausrichten.

Delany sah, wie der Mann versuchte, nach seiner Winchester zu greifen, aber ehe er etwas unternehmen konnte, hatte sich die Schlinge eines Lassos um seinen Oberkörper gelegt. Ein kräftiger Ruck und er lag im Gras.

Ein paar Meter weit wurde er rau über den Boden geschleift. Ehe er sich dann hochgerappelt hatte, waren zwei Mann bei ihm und verpassten ihm ein paar brutale Faustschläge, die ihn in sich zusammensacken ließen.

Er lag im Gras und rührte sich nicht mehr.

"Der wird uns 'ne Weile nicht stören!" Ein zynisches Grinsen stand im Gesicht des Mannes, der das gesagt hatte. Er hatte ein hart geschnittenes, pockenarbiges Gesicht, in dessen Mitte sich zwei kalte blaue Augen befanden.

Er wandte den Blick zu der Frau, deren Arme von einem seiner Kumpanen mit eisernem Griff fixiert wurden. Sie erschrak, als ihre Blicke sich begegneten.

"Hey, Shaw!", rief einer der anderen Männer. "Dahinten kommt jemand!"

Das Gesicht des Pockennarbigen veränderte sich, als er den Reiter erblickte, der den Hang hinabgeritten war und jetzt direkt auf sie zukam.

Er presste die dünnen Lippen aufeinander und verengte die Augen. Die Hand glitt zur Hüfte, so dass sie den Griff des Revolvers berührte, der dort im Holster steckte.

"Kein Grund, sich in die Hosen zu machen!", zischte er.

2

Als Delany den Ort des Geschehens erreichte, konnte er die feindseligen Blicke, die in seine Richtung geworfen wurden, regelrecht fühlen.

Er sah in das Gesicht der Frau, die sich noch immer in den Klauen ihres Peinigers befand.

Der Schrecken stand ihr in den Augen, ihre Frisur hatte sich durch die raue Behandlung zum Teil aufgelöst und so fiel ihr ein Teil des langen, aschblonden Haars über die Schulter und ins Gesicht.

Es war ein Bär von einem Mann, der sie festhielt. Ein riesiger Kerl mit einem schwarzen Vollbart, in dessen Gesicht ein freches Grinsen stand.

Er schien sich förmlich an der Angst der Frau zu weiden!

Keine Frage, hier war eine ganz üble Sache im Gang!

Delanys Blick ging von einem zum anderen und dabei versuchte er, sie so gut wie möglich einzuschätzen.

Sein Instinkt sagte ihm, dass er es nicht mit gewöhnlichem Gesindel zu tun hatte.

Er musste damit rechnen, Männer vor sich zu haben, die sich auf den Umgang mit dem Revolver verstanden.

Mochte der Teufel wissen, wer sie waren - oder in wessen Lohn und Brot sie standen.

"Sind Sie auf Ärger aus, Mister?"

Der pockennarbige Mann, der das gesagt hatte, musterte Delany mit einem arroganten Zug um die Mundwinkel.

Er machte ein paar Schritte in Delanys Richtung, bis er neben dem Wagen schließlich stehenblieb.

"Wenn nicht, dann machen Sie, dass Sie davonkommen!", setzte der Kerl dann noch hinzu, ohne die Antwort seines Gegenübers abzuwarten.

Aber so leicht war Delany nicht einzuschüchtern.

"Was wollen Sie von der Lady?", erkundigte er sich.

Delany blieb völlig ungerührt von der unverhohlenen Drohung der Halunken. Er blieb äußerlich so gelassen wie möglich, während seine innere Anspannung wuchs.

Jeden Augenblick musste er damit rechnen, dass einer der Männer die Waffe aus dem Holster riss und auf ihn feuerte.

"Das ist nicht Ihre Angelegenheit!", zischte der Pockennarbige kalt. Sein dünnlippiger Mund schien sich dabei kaum zu bewegen. "Wenn Sie daran interessiert sind, noch eine Weile am leben zu bleiben, dann sollten Sie die Sache vergessen und sich schleunigst verziehen!"

"Knallen wir ihn doch einfach über den Haufen, wenn er es nicht anders haben will, Shaw!", rief der Bär, während die Frau einen erneuten verzweifelten Versuch unternahm, sich aus seinem unbarmherzigen Griff zu befreien.

Sie biss ihren Widersacher in den Arm und bekam postwendend einen Schlag mit der flachen Hand, der sie niederstreckte.

"Verdammtes Luder!"

Sie setzte sich auf und rieb sich die schmerzenden Handgelenke, während sie voller Furcht den schwarzbärtigen Riesen im Auge behielt.

Dieser fletschte die Zähne und ließ ein ärgerliches Grunzen hören. Mit ausgebreiteten Pranken machte er einen Schritt auf sie zu, während sie auf die Beine zu kommen und ihm auszuweichen versuchte.

Dann erstarrte der riesenhafte Mann auf einmal. Der Ärger, der noch soeben seine Gesichtszüge beherrscht hatte, wandelte sich in fassungsloses Unverständnis, als es klick! machte und er in die Mündung eines Revolvers blickte, dessen Hahn gerade gespannt worden war.

"Schön ruhig bleiben!", befahl Delany, der blitzschnell zur Hüfte gegriffen und den Colt gezogen hatte. Er hatte nicht mehr als einen winzigen Sekundenbruchteil dazu gebraucht.

Alles war so schnell gegangen, dass keiner der Männer rechtzeitig hatte reagieren können.

Die Frau raffte unterdessen ihr Kleid zusammen und nutzte ihre Chance.

Sie lief zu Delany hinüber. Atemlos blieb sie neben seinem Pferd stehen.

"Diese Kerle haben uns überfallen!", stieß sie hervor.

Delany blieb völlig unbewegt.

Er sah die Anspannung bei seinen Gegenübern.

Vier gegen einen!, dachte Delany. Die Kerle hatte alle Chancen auf ihrer Seite. Aber noch zögerten sie und blickten etwas ratlos zu dem pockennarbigen Shaw, der ihr Wortführer zu sein schien.

Jeder von ihnen wusste, dass derjenige, der als erster zur Waffe langte, auch als erster tot im Gras liegen würde... Ein Mann, der seinen Colt so schnell ziehen konnte wie Delany, war aller Wahrscheinlichkeit nach auch ein sicherer Schütze...

"Die Dame fühlt sich von Ihnen belästigt!", erklärte Delany. "Ich denke, hier legt niemand mehr Wert, auf Ihre Gesellschaft!"

Das war dreist.

Und das Risiko lag auf der Hand.

Wenn sie alle auf einmal zogen, war Delany ein toter Mann, aber er rechnete mit ihrer Feigheit.

Ein tödliches Schweigen hing in der Luft.

Und dann griff der Bär zur Waffe. Der Colt war kaum zur Hälfte aus dem Holster, da hatte Delany bereits gefeuert.

Der Bär stieß einen kurzen Schmerzensschrei aus. Die Waffe entfiel seiner Hand, während er sich den rechten Arm hielt.

Etwas unterhalb der Schulter wurde es rot.

Delany hatte längst erneut den Hahn gespannt und die Waffe auf den pockennarbigen Shaw gerichtet, dessen Hand bereits am Coltgriff war.

"Steckenlassen!"

Shaw erstarrte.

Ein Muskel zuckte nervös in seinem Gesicht. Einen Augenaufschlag lang hing alles in der Schwebe, dann hob der Pockennarbige die Hände.

"Okay, okay..."

Er hatte verloren, auch wenn es ihm schwerfiel, sich das einzugestehen.

Mit Genugtuung beobachtete Delany, wie die Männer ihre Pferde bestiegen. Der Bär hatte dabei wegen seiner Verletzung einige Schwierigkeiten, aber schließlich hatte auch er es geschafft.

"Ich habe eine offene Rechnung mit Ihnen, Mister!", rief Shaw, als er schon im Sattel saß. "Und ich vergesse nichts... Niemals!"

Sein Gesicht war zu einer hasserfüllten Fratze geworden. Er fühlte ohnmächtige Wut.

Delany nahm diese Drohung mit Gelassenheit hin. Er wartete noch, bis Shaw und seine Männer ihren Pferden die Sporen gegeben hatten und steckte dann seinen Revolver zurück ins Holster.

Die Frau warf ihm einen dankbaren Blick zu.

"Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll!"

"Keine Ursache, Ma'am."

"Wer sind Sie?"

"Mein Name ist Delany." Er nickte ihr freundlich zu und stieg dann aus dem Sattel. "John Delany. Und mit wem habe ich das Vergnügen?"

"Sabella Carter."

Sie hatte grüne, leuchtende Augen.

Delany schätzte sie auf Anfang zwanzig.

Sie strich sich mit einer gekonnten Bewegung eine Haarsträhne aus dem Gesicht und deutete dann auf ihren Gefährten, der noch immer reglos im Gras lag.

"Wir müssen uns um Trump kümmern! Die Kerle haben ihm übel mitgespielt!"

Sie gefiel ihm.

Er konnte nicht sagen, was genau es war, das ihn so faszinierte, aber als ihre Blicke sich begegneten, wusste er, dass dieses Augenpaar in den kommenden Nächten seine Träume beherrschen würde.

Ganz gleich, was noch geschah.

3

"Haben Sie eine Ahnung, um wen es sich bei diesen Männern handelt?", erkundigte sich Delany, während er neben dem Wagen herritt.

Sie hatte ihn eingeladen, sie zur Ranch ihres Vaters zu begleiten. Und er hatte nichts dagegen. Im Übrigen hätte es ihm keine Ruhe gelassen, sie den Weg allein fahren zu lassen und sie damit vielleicht einer nicht zu unterschätzenden Gefahr auszusetzen.

Schließlich konnte es ja sein, dass die Reiter zurückkamen...

"Das waren McKennas Leute." Sie sagte das mit einem bitteren Tonfall. "Sie sind fremd hier, nicht wahr?"

"Ja. Wer ist dieser McKenna?"

"Er ist der größte Rancher in der Gegend. Ein Viertel des County gehört Mark McKenna..." Sie schluckte. "Dieser Mann mit den Narben..."

"Ja?"

"Das ist sein Vormann. Shaw heißt er. Ein Mann, der über Leichen geht... Er macht für McKenna die Drecksarbeit. Es geht das Gerücht um, er sei unehrenhaft aus der Army entlassen worden..."

"Was Sie nicht sagen! Wegen Feigheit?"

"Nein, angeblich soll er seine Untergebenen misshandelt haben. Er ist ein Menschenschinder, Mr. Delany!"

Hinten auf dem Wagen lag Trump, der sich langsam von den Schlägen erholte, die man ihm versetzt hatte.

Er war ein großer, hagerer Mann mit grauen Haaren, dessen Alter schwer zu schätzen war. Die wettergegerbte Haut wirkte ledern, fast wie bei einem Indianer.

Er setzte sich auf und hielt sich den schmerzenden Kopf.

Dann, als er Delany erblickte, meinte er: "Sie sind noch gerade rechtzeitig gekommen!"

"Was hat dieser McKenna gegen Sie?", fragte Delany etwas ratlos.

"Er will, dass mein Vater die Ranch verkauft", antwortete Sabella. "McKenna will seinen Besitz vergrößern. Und alle, die nicht freiwillig an ihn verkaufen wollen, die versucht er davonzuekeln... Er schüchtert sie ein, schikaniert sie, lässt ihre Rinder erschießen oder brennt ihre Häuser nieder...

Menschen sind auch schon umgekommen. McKenna ist ein harter, kompromissloser Mann, der keine Skrupel kennt, wenn es darum geht, seine Interessen durchzusetzen!"

"Was glauben Sie wohl, wie viele hier in der Umgebung bereits aufgegeben und verkauft haben", setzte Trump hinzu. "Natürlich zu seinen Bedingungen, versteht sich!"

"Und Ihr Vater ist entschlossen, durchzuhalten?", wollte Delany wissen.

Sabella zuckte mit den Schultern.

"Im Moment ja. Aber ich weiß nicht, ob das vernünftig ist. Welche Chance hat man auf die Dauer gegen jemanden wie Mark McKenna, der einen Stall von bezahlten Killern unterhalten kann, um jeden aus dem Weg zu räumen, der nicht pariert!"

Er sah, wie ihre Züge sich verhärtet hatten, wie eine Mischung aus Wut und Trauer in ihr Gesicht getreten war. Es schmerzte ihn, das mitansehen zu müssen.

Er hätte sie gerne getröstet, aber es fiel ihm nichts Passendes ein.

Nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten, fragte er dann: "Gibt es in der Gegend eigentlich keinen Sheriff?"

"Doch, den gibt es", meinte Trump. "Aber wenn etwas vorfällt, dann steht meistens Aussage gegen Aussage. Sheriff Collins meint, in solchen Fällen könnte man nichts machen! Jeder Richter würde McKenna und seine Männer wieder freisprechen."

"Nichts ist hier so billig wie ein Zeuge!", zischte Sabella wütend.

Eine böse Geschichte, dachte Delany.

Er dachte an das Gesicht des pockennarbigen Shaw und überlegte, dass es eigentlich an der Zeit war, solchen Halunken das Handwerk zu legen!

Aber war das seine Aufgabe?

Was hatte er überhaupt mit der Sache zu tun?

Nichts, wenn man es nüchtern betrachtete.

Sein Blick ging zu Sabella.

Das Beste würde sein, so schnell wie möglich aus der Gegend zu verschwinden, um Shaw möglichst nicht noch einmal über den Weg zu laufen.

4

Phil Carter war ein Kleinrancher, dessen bescheidenes Anwesen auf einer Anhöhe errichtet worden war. Man hatte einen weiten Blick in die Umgegend. In der Ferne konnte man ein paar Rinder grasen sehen.

Ein einfaches Blockhaus, eine kleine Scheune und ein Pferdecorral, das war alles.

Aber Phil Carter war stolz auf das, was er sich zusammen mit seiner Frau aufgebaut hatte. Und er war fest entschlossen, sich von niemandem vertreiben zu lassen.

Er hatte dies alles nicht zuletzt auch für seine Kinder aufgebaut, für seinen Sohn Wesley, aus dem im Laufe der Jahre ein erwachsener Mann geworden war, der seinem Vater zur Hand gehen konnte, und für Sabella.

Carter blickte hinaus über das Land.

Sollten sie nur kommen, und versuchen, ihn davonzujagen!

Er würde sich zu wehren wissen!

Maud, seine Frau trat in diesem Moment aus dem Haus. Als sie neben ihn kam, nahm er sie mit einem wortlosen Lächeln in den Arm.

Wesley war bei den Pferden im Corral.

"Dort hinten! Der Wagen! Sind das nicht Sabella und Trump?", fragte sie.

Carter nickte.

"Aber sie kommen nicht allein. Ein Reiter ist bei ihnen!"

5

"Trump! Was ist geschehen? Hat es irgendwelchen Ärger gegeben?"

Trump schleppte sich vom Wagen und hielt sich den Kopf.

"Es war dieser Shaw..."

"McKennas Vormann!"

Phil Carters Gesicht bekam einen grimmigen Zug.

"Sabella! Ist alles in Ordnung?"

"Ja, Dad. Sie haben Trump übel mitgespielt, aber es hätte viel schlimmer kommen können, wenn dieser Gentleman Mr. Delany - nicht eingegriffen hätte. Er hat Shaw und seine Leute verjagt!"

Carters Blick ging zu John Delany, der abwartend im Sattel saß. Als ihre Blicke sich trafen, nickte er dem Kleinrancher freundlich zu.

Carter trat auf ihn zu und reichte ihm die Hand.

"Ich möchte Ihnen aufrichtig danken, Sir!"

"Es war Zufall, dass ich gerade vorbeikam..."

"Ja, aber Sie hätten auch die Augen zumachen und weiterreiten können. Dass Sie es nicht getan haben, beweist, dass Sie ein Ehrenmann sind. Davon gibt es leider hier wie anderswo nicht allzu viele..."

Er wandte sich an seine Tochter. "Ich hätte euch beide nicht allein mit dem Wagen in die Stadt reiten lassen dürfen!", meinte er. "Ich hätte ahnen müssen, dass McKenna vor nichts zurückschreckt..."

"Phil, wir sollten Mr. Delany anbieten, bei uns zu übernachten!", mischte sich jetzt Mrs. Carter ein. Sie deutete zum Horizont. "Nicht mehr lange und es wird stockdunkel werden..."

Carter bestätigte mit einem kräftigen Nicken. Er wandte sich wieder an den Fremden.

"Ich denke nicht, dass Sie heute noch lange reiten wollten..."

"Nein, ich hätte mir jetzt irgendwann einen geeigneten Lagerplatz gesucht."

"Wie gesagt: Das Angebot meiner Frau gilt! Wir können Ihnen zwar nicht den Luxus bieten, den Sie vielleicht in der Stadt finden würden, aber..."

"Ich danke Ihnen!"

Delany stieg aus dem Sattel.

Unterdessen war auch Wesley, der Sohn der Carters, vom Corral herübergekommen.

"Kommt alle ins Haus!", forderte Mrs.Carter auf. "Es steht noch heißer Kaffee auf dem Herd!"

6

"Früher standen drei, vier Cowboys auf meiner Lohnliste!", erzählte Carter mit bitterem Unterton. "Trump ist der einzige, der übrig geblieben ist..."

Delany zog die Augenbrauen hoch.

"Was ist mit den anderen?"

Phil Carter machte eine verächtliche Geste.

"Hasenfüße!", schnaubte er. Dann, nach einer kurzen Pause setzte er etwas versöhnlicher hinzu: "McKennas Leute haben sie mehrfach in die Mangel genommen und unter Druck gesetzt."

Er zuckte mit den Schultern, seine Augen machten einen müden Eindruck. "Einer nach dem anderen hat dem Druck nicht mehr standhalten können... Einer von ihnen verdient seine Dollars jetzt sogar auf der McKenna-Ranch, die anderen haben sich davongemacht."

Seine Frau hatte unterdessen die einfachen, aber praktischen Tassen auf den Tisch gestellt und den Kaffee eingegossen.

"Wir lassen uns hier nicht vertreiben, Mr. Delaney!", warf jetzt der junge Wesley ein, der die Entschlossenheit seines Vaters geerbt zu haben schien. "Wir haben auf diesem Land unsere Existenz und werden uns nicht einfach verjagen lassen..."

"Ich weiß nicht...", murmelte Mrs.Carter mehr zu sich selbst, als zu ihrem Sohn.

Dieser wirbelte zu ihr herum.

"Was willst du damit sagen, Ma?"

"Ich will damit sagen, dass wir vielleicht anders darüber denken werden, wenn..."

"Wenn was?"

"Wenn sie einen von uns umgebracht haben, mein Junge. Ich weiß nicht, ob es das Wert wäre..."

"Wir sind im Recht!", sprang Carter seinem Sohn zu Hilfe.

"Ja, natürlich, aber..."

"Der Haken an der Sache ist nur, dass das Gesetz hier lediglich auf dem Papier steht, weil niemand da ist, der es durchsetzt!", zischte der Kleinrancher und ließ die Faust wütend auf den Tisch fahren.

Dann wandte er sich an Delany.

"Das sind unsere Sorgen, Sir. Verzeihen Sie uns unser Gejammer, aber wir sind in keiner einfachen Lage, wie Sie inzwischen sicher mitbekommen haben werden." Er runzelte die Stirn. "Sie sind nicht aus der Gegend, nicht wahr?"

"Nein", bestätigte Delany.

"Auf der Durchreise?"

"So könnte man es nennen."

"Als was haben Sie bisher gearbeitet?"

Delany zögerte mit der Antwort.

Dann schien er es vorzuziehen, zu schweigen.

"Mal auf einer Ranch gewesen?"

Carter ließ nicht locker.

Delany fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.

"Nein", erklärte er dann.

"Schade!" Carter zuckte mit den Schultern. "Ich hätte einen Cowboy gut gebrauchen können. Einen, der Mut hat und nicht gleich davonrennt!"

"Ich verstehe nichts von Rindern, Sir. Es tut mir Leid."

Es war offenkundig, dass Delany auf seine Vergangenheit nicht gerne angesprochen werden wollte. Sein Gesicht hatte sich verändert.

Es war nachdenklich geworden.

Mit einem Mal schien er mit den Gedanken ganz weit weg zu sein...

Dann begegneten ihm abermals Sabellas leuchtende Augen und holten ihn zurück in das Hier und Jetzt.

Er spürte, wie diese Sache ihn langsam aber sicher einzuwickeln begann, was einer Hälfte in ihm entschieden missfiel.

Und doch unternahm er nicht viel dagegen.

7

Später, als er seinen Gaul versorgte, tauchte Sabella bei ihm auf. Ihre Frisur war längst wieder in Ordnung gebracht und der Schrecken vollständig aus den zarten Zügen ihres Gesichts verschwunden.

"Was haben Sie vor?", fragte sie.

"Wie meinen Sie das, Miss?"

"Sie reiten morgen weiter, nicht wahr?"

Delany nickte.

"Ja."

"Das ist schade."

Er versuchte, ihrem Blick auszuweichen, weil ihm das, was er dort sah, schmerzlich bewusst machte, in welchem Zwiespalt er lebte.

Er war ihr nicht gleichgültig, das glaubte er zu spüren.

Vielleicht fühlte sie dasselbe für ihn wie er es für sie tat, wer vermochte das schon genau zu bestimmen?

Delany versuchte, diese Gedanken zu verscheuchen, so gut es ging.

Welche Bedeutung hatte das alles?

Keine, wenn man es nüchtern betrachtete.

Morgen würde er weiterreiten und sie würden sich vermutlich nie wieder begegnen...

Sie machte ein trauriges Gesicht.

Als er dann auf sie zutrat, hob sie den Kopf und blickte ihm mit einer Mischung aus Enttäuschung und Trotz in die Augen.

"Ich bin kein Ranchmann, Miss."

"Sie könnten einer werden..."

"Ich glaube, dass Sie sich in mir täuschen, Sabella..."

"Nein, das glaube ich nicht!"

"Was wissen Sie schon von mir..."

Sie zuckte mit den Schultern.

Und er kam sich ziemlich unbeholfen vor.

8

Das Leben auf der kleinen Ranch der Carters begann früh am Morgen, nicht weit nach Sonnenaufgang.

Trump war mit Wesley bereits auf die Weide geritten, als John Delany noch seinen Morgenkaffee austrank.

"Wie heißt hier die nächste Stadt?", erkundigte er sich bei Phil Carter, der ihm gegenüber saß.

"Conway. Keine Weltstadt, aber es gibt dort alles, was man so braucht."

"Wohin muss ich reiten, um dort hin zu gelangen?"

"Nach Südwesten. Ich weiß nicht, wie schnell Ihr Gaul ist, aber ich denke in zwei Stunden sind sie da."

Wenig später packte Delany seine Sachen zusammen und sattelte das Pferd.

Von langen Abschiedszeremonien hielt er nichts.

Das konnte alles nur noch schlimmer machen.

Er sah, wie Sabella ihm nachwinkte. Nach etwa einer halben Meile drehte er sich noch einmal im Sattel herum und sah sie immer noch.

Erst als er den nächsten Hügelkamm überschritten hatte, war sie nicht mehr zu sehen.

Vor ihm lag weites, fruchtbares Rinderland. Kein Wunder, dass sich bei einem Mann wie McKenna da Begehrlichkeiten regten!

Und ebenso gut konnte er die Carters verstehen, die ihr kleines Reich um jeden Preis verteidigen wollten!

Warum nicht?, fragte Delany sich dann unvermittelt. Warum nicht sesshaft werden und Rinder züchten?

In jedem Fall war es ungefährlicher, als das, was er bisher gemacht hatte...

Die Sonne stieg höher und bekam mehr und mehr Kraft. Ihre Strahlen lösten die Morgenkühle auf und es dauerte nicht allzu lange und Delany spürte Schweiß auf seiner Haut.

Er blickte hinauf zum wolkenlosen Himmel, nahm den Hut kurz vom Kopf und wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn.

Der Tag würde heiß werden, vielleicht noch heißer, als der letzte.

Irgendwann tauchte dann in der Ferne eine Ansammlung von Holzhäusern auf.

Das musste Conway sein.

Die Stadt lag in einem Flusstal, das sowohl von Nordosten wie von Südwesten von mächtigen Hügelketten umgeben war. Der Fluss war im Augenblick nicht mehr, als ein schwaches Rinnsal.

Aber wenn im Herbst die ergiebigen Regenfälle herniederprasselten, würde aus ihm sicher ein reißender Strom werden...

Ein Nest wie viele andere!, war Delanys erster Gedanke, als er die Hauptstraße entlangritt, vorbei an den wenigen Geschäften, den dafür etwas zahlreicheren Saloons und den schmucklosen Wohnhäusern.

Vor einem der Saloons hielt er an, stieg aus dem Sattel und machte sein Pferd neben ein paar anderen fest.

Später würde er einen Drugstore aufsuchen, um ein paar Vorräte einzukaufen, aber zunächst einmal hatte er Durst auf ein kühles Bier.

Die Schwingtüren flogen auseinander, als er den Schankraum betrat. Ein gemütlich wirkender, dicker Barkeeper stand hinter der Theke und hielt eine Whisky-Flasche in der Hand.

Um diese Zeit war hier noch nicht viel los.

Ein paar Zecher hingen hinter ihren Gläsern, hier und dort war zänkisches Stimmengewirr zu vernehmen.

Als Delany eintrat, wurde es kurz still. Die Männer blickten von ihren Gläsern auf und musterten den Neuankömmling kurz, bevor sie sich wieder abwandten.

Delany stellte sich an den Schanktisch und verlangte ein Bier. Der Keeper schenkte ihm ein.

"Kennen Sie einen Mann namens McKenna?"

Die Frage sprudelte einfach so aus Delany heraus.

Der Keeper hob die Augenbrauen und runzelte dann etwas verwirrt die Stirn.

"Jeder hier in der Gegend weiß, wer McKenna ist!", meinte er. "Er ist der mächtigste Mann im ganzen County! Einfach schon deswegen, weil ihm das meiste Land gehört." Er schlug mit seiner breiten, flachen Hand auf die verkratzte Theke und setzte dann mit heiterer Miene hinzu: "Wenn sie so wollen, dann ernährt er indirekt auch mich!" Er lachte. "Die Dollars, die er seinen Cowboys zahlt, werden anschließend bei mir im Saloon vertrunken!"

"So kann man es auch sehen...", brummte Delany, nahm einen Schluck Bier und wischte sich dann den Schaum vom Mund.

"Man sollte ihn zum Teufel jagen, diesen Halunken!", meldete sich ein einsamer Zecher zu Wort, der etwas abseits an der Theke lehnte und bisher ziemlich trübsinnig in sein Glas geblickt hatte. "Aber verdammt nochmal, es gibt wohl weit und breit niemanden, der dazu denn nötigen Mumm hätte."

Der Mann leerte sein Glas in einem Zug, donnerte es zurück auf den Schanktisch und verlangte vom Keeper, dass er ihm nachschenkte.

Delany stellte sich zu ihm.

"Kennen Sie ihn persönlich?"

"Ja. Ich habe für ihn gearbeitet."

"Jetzt nicht mehr?"

"Nein."

"Was war los?"

"Wenn ich vielleicht auch nicht so aussehe, Mister, aber ich habe auch meine Ehre!" Er machte ein verbittertes Gesicht. "Ich bin Cowboy, meine Aufgabe ist es nicht, Menschen so lange zu schikanieren, bis sie ihr Land zu jedem Preis verkaufen und am Ende froh sein können, überhaupt noch ein paar Dollar bekommen zu haben!"

Erneut leerte er sein Glas in einem Zug.

"Whisky!", krächzte er.

"Ich finde, du hast genug, Steve!"

"Hörst du schwer? Ich habe gesagt: Whisky!"

"Es ist noch verdammt früh am Tag!"

Steve schlug mit der Faust auf den Schanktisch.

Der Keeper machte eine beschwichtigende Geste.

"Schon gut, schon gut..."

Als Steve sah, wie sich das Glas wieder füllte, entspannte sich sein Gesicht wieder.

"Was ist dieser McKenna für ein Mensch?", fragte Delany.

Steve verengte die Augen und sah sein Gegenüber befremdet an.

"Was soll das? Was sollen überhaupt diese ganzen Fragen nach McKenna?"

"Es interessiert mich eben..."

9

Vier Männer betraten in diesem Augenblick den Saloon. Die Schwingtüren gingen noch ein paar Mal hin und her, nachdem der letzte von ihnen eingetreten war.

Aber ganz entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit stürmten sie nicht gleich weiter bis zur Theke, sondern blieben etwa in der Mitte des Raumes ziemlich abrupt stehen.

Mit den Augenwinkeln bemerkte Delany ein wohlbekanntes pockennarbiges Gesicht, das keinem anderen als Shaw, dem Vormann der McKenna-Ranch gehörte. Links und rechts standen seine Gefolgsleute.

Delany trank zunächst noch sein Glas leer und ließ die Rechte dann langsam in Richtung Hüfte gleiten, bis sie schließlich den Coltgriff berührte.

Man musste mit allem rechnen.

Sie waren zu viert.

Delany hingegen war nur auf sich allein gestellt. Auf sich und seinen Revolver.

Genau wie bei ihrem gestrigen Zusammentreffen...

Es würde Ärger geben, das stand so jetzt schon so fest wie das Amen in der Kirche. Delany sah es bereits an dem mordlüsternen Funkeln, das in Shaws Augen zu sehen war.

"Sieh an, sieh an... So sieht man sich wieder..."

Shaws Stimme war hohntriefend.

Delany fand, das es am besten war, erst einmal gelassen abzuwarten.

"Erinnern Sie sich an das, was ich Ihnen gesagt habe, Mister?" Wieder bewegte er beim Sprechen kaum seine dünnen Lippen. Er sprach leise, aber mit drohendem Unterton. "Ich habe eine Rechnung mit Ihnen offen..."

"Ich erinnere mich...", sagte Delany kühl.

Erst jetzt drehte er sich ganz herum.

Sein Blick glitt musternd über seine Gegenüber und blieb einen kurzen Moment lang bei dem bärenhaften Schwarzbart hängen, dem er am Tag zuvor eine Kugel verpasst hatte. Dieser trug seinen Arm in einer Schlinge und da nicht anzunehmen war, dass er mit links schießen konnte, würde er bei dieser Begegnung aller Wahrscheinlichkeit nach ausfallen. Aber drei waren immer noch mehr als genug.

Es war still geworden im Saloon.

Man hätte eine Stecknadel fallen hören können.

Der Keeper war vorsorglich aus der voraussichtlichen Schussrichtung gegangen, während die Männer von der McKenna-Ranch den Sitz ihrer Colts überprüften.

Dann fiel Shaws Blick auf Steve, der in einer etwas jämmerlichen Pose vor seinem inzwischen wieder leeren Glas hing.

"Ah, noch ein alter Bekannter..."

Steve antwortete nur mit einem unverständlichen Grunzen und Shaw verzog das Gesicht zu einer zynischen Maske.

Er gab seinen Gefolgsleuten ein Zeichen, woraufhin sie ein wenig nach rechts und links auseinanderwichen.

Delany gefiel es ganz und gar nicht, auf diese Weise eingekreist zu werden. Aber es gab im Augenblick nichts, was er dagegen tun konnte.

Shaw trat dann mit ein paar schnellen, entschlossenen Schritten an die Theke heran.

Er postierte sich direkt zwischen Delany und Steve.

"Dein Abgang ist dir nicht bekommen, Steve! Du siehst ziemlich heruntergekommen aus..."

Steve hob den Blick.

Dann versetzte Shaw dem ehemaligen McKenna-Cowboy einen furchtbaren Kinnhaken, der diesen niederstreckte. Steve versuchte noch, sich festzuhalten, dabei fiel das Glas klirrend zu Boden.

Steve war viel zu betrunken gewesen, um sich wehren zu können.

Er fiel hart auf die Bretter und schlug mit dem Kopf gegen einen Pfosten. Blut quoll aus einer Wunde am Hinterkopf. Er hatte die Augen weit aufgerissen. Sein Blick war wie eingefroren...

"Mein Gott, er ist tot!", rief einer der noch anwesenden Zecher und lief daraufhin voller Panik aus dem Saloon.

Die McKenna-Leute ließen ihn gewähren.

Shaw schien das alles völlig kalt zu lassen.

Er wandte sich zu Delany um und fixierte ihn mit einem überheblichen Blick.

Es waren kaum zwei Schritt, die sie voneinander trennten.

Shaws Rechte war am Revolvergriff.

"Ich hoffe, Sie haben Ihr Testament gemacht!"

Delany deutete auf die Gefolgsleute des Vormannes, die ganz den Eindruck machten, als wären sie jederzeit bereit, blitzschnell ihre Waffen aus den Holstern zu reißen und abzufeuern.

"Ist das Ihre Vorstellung von einem fairen Revolverkampf?"

Shaw verzog höhnisch den Mund.

"Ja!"

10

Delany bemerkte ein unmerkliches Zucken im Gesicht des Pockennarbigen. Shaw schien wirklich fest entschlossen zu sein, aus Ganze zu gehen.

Er wollte den Kampf und - so unsinnig der Anlass auch erscheinen mochte - es gab für Delany keinerlei Möglichkeit, dem ausweichen.

"Einen Whisky!", wandte Delany sich an Keeper. Er ließ dabei weder die Hand vom Revolvergriff, noch die Augen von seinen Gegenübern.

Mit unsicheren Bewegungen stellte der Keeper ihm ein Glas Whisky auf die Theke.

Delany nahm es wortlos in die Linke.

Genau in diesem Augenblick glaubten die McKenna-Leute, daß der richtige Zeitpunkt gekommen wäre, um die Sache zu Ende zu bringen.

Delany sah mit den Augenwinkeln, wie zu seiner Rechten ein Revolver aus dem Holster glitt.

Sie haben sich verdammt geschickt postiert!, schoss es ihm durch den Kopf. Wenn aus drei Richtungen gleichzeitig gezogen wurde, war es für Delany fast unmöglich, schnell genug herumzuwirbeln und sie alle zu erwischen, ehe sie ihm ihre Kugeln in den Körper jagten.

Selbst dann nicht, wenn sie schlechte Schützen waren und mehrmals feuern mussten, um ihn zu treffen.

Aber Delany hatte auf seine Weise vorgesorgt.

Dennoch, es war ein riskantes Spiel mit dem Tod.

Dem Schergen zu seiner Rechten jagte er eine Kugel in die Schulter, bevor dieser noch den Hahn seines gezogenen Revolvers hatte spannen können. Die Wucht des Schusses riss ihn nach hinten herum, er stöhnte vor Schmerz auf und ließ die Waffe fallen.

Shaw hatte fast gleichzeitig den Colt herausgerissen, aber er kam nicht zum Schuss.

Delany hatte ihm, während er mit der anderen Hand auf seine Kumpanen feuerte, das Glas Whisky in die Augen geschüttet.

Der pockennarbige Vormann schrie vor Wut auf und fluchte lautstark. Für ein paar Augenblicke konnte er nichts sehen und rieb sich verzweifelt die Augen.

Aber diese wenigen Sekunden, die Shaw außer Gefecht gesetzt war, reichten Delany vollauf, um mit dem zweiten Schergen fertig zu werden.

Dieser hatte bereits einen Schuss abgefeuert, aber die Schnelligkeit war auf Kosten der Genauigkeit gegangen. Das Geschoss ging in den Tresen und riss dort ein Loch.

Es war nicht das erste...

Delany wirbelte zu ihm herum und jagte eine Kugel in seine Richtung.

Sie traf ihn am Bein.

Er schwankte und legte noch einmal auf Delany an.

Aber bevor sich ein zweiter Schuss aus seiner Waffe lösen konnte, riss ein Treffer an der Seite ihn herum und streckte ihn nieder.

Wie erwartet, fiel der verletzte schwarzbärtige Bär als Schnellschütze aus. Er stand wie angewurzelt da und rührte sich nicht. Er wusste, dass er in keinem Fall schnell genug mit der Linken hinüber zur rechten Hüfte würde greifen können, wo seine Waffe im Holster steckte.

So tat er gar nichts.

Und das war auch das beste für ihn...

Delany wandte sich nun Shaw zu, der sich indessen von der Whisky-Dusche etwas erholt hatte.

Er hielt dem Vormann den Colt unter die Nase und spannte den Hahn.

"Fallenlassen!"

Shaw verzog ärgerlich das Gesicht, sah aber ein, dass er kaum eine andere Wahl hatte.

So legte er seine Waffe vorsichtig auf den Schanktisch.

Ihre Blicke begegneten sich für einen Moment und Delany sah den abgrundtiefen Hass in den Augen seines Gegenübers.

"Na los, worauf warten Sie! Sie haben meine Leute hingestreckt, warum nutzen Sie nicht die Gelegenheit und jagen mir eine Ladung Blei in den Kopf?"

Delanys Gesicht blieb unbewegt.

Er zögerte etwas.

Dann brummte er: "Ich bin nicht wie Sie! Ihr Glück!"

Delany steckte den Revolver zurück ins Holster.

11

Die Schwingtüren flogen auseinander und die Männer wirbelten herum. Ein großer, etwas schlaksig wirkender Mann mit einem abgewetzten Anzug war eingetreten.

An seiner Brust hing ein Blechstern, der ihn für jedermann als Gesetzeshüter auswies.

"Was war hier los?"

Seine Miene war bedeutungsvoll. Er stellte sich breitbeinig auf und klemmte die Daumen hinter den Revolvergurt, der im übrigen einen sehr viel gepflegteren Eindruck machte, als seine sonstige Erscheinung.

Zunächst herrschte allgemeines, etwas verlegenes Schweigen.

Dann meldete sich der Barkeeper zu Wort.

"Kleine Meinungsverschiedenheit, Collins!" Er zuckte mit den Schultern. "Aber es leben ja alle noch..."

"Bis auf den hier..." Delany deutete auf den toten Steve.

Unterdessen regten sich die Verletzten stöhnend am Boden.

Sheriff Collins begutachtete sie kurz. Sie würden es wahrscheinlich überleben, wenn der hiesige Doc sie zusammengeflickt hatte...

Dann trat Collins zu Steve, beugte sich zu ihm hinunter und schloss dem toten Cowboy die Augen.

Da war nichts mehr zu machen.

"Wie ist das geschehen?", fragte er fast tonlos.

"Dieser Gentleman hier", - Delany deutete auf Shaw - ,"fand es besonders witzig, einen wehrlosen, angetrunkenen Mann niederzuschlagen, der ihn nicht im geringsten provoziert hatte..."

"Es war ein Unfall!", erklärte Shaw.

Sein pockennarbiges Gesicht zeigte nicht einmal eine Ahnung von Bedauern.

Delany ließ ein kurzes, heiseres Lachen hören. Die Dreistigkeit, mit der Shaw seine Lügen im Brustton der Überzeugung vortrug, war schon bemerkenswert!

Sheriff Collins erhob sich unterdessen wieder und wandte sich an die anderen Männer im Saloon.

"Hat noch jemand etwas dazu zu sagen?"

Die Männer blickten zu Boden oder in ihre Gläser.

Shaw fixierte sie einen nach dem anderen mit seinen kalten Augen.

Seine schmalen Lippen waren fest aufeinandergepresst.

"Nein!", meinte einer der Anwesenden, ohne aufzuschauen.

Zustimmendes Geraune antwortete ihm wie eine Art Echo.

Es schien, als fürchtete jeder, sofort auf der Abschussliste des Pockennarbigen zu stehen, wenn er sich jetzt zu Wort meldete.

Und deshalb schwiegen sie.

Obwohl sie alle gesehen hatten, wie es gekommen war.

Delany verfluchte innerlich ihre Feigheit. Aber irgendwie konnte er sie auch verstehen.

Die meisten von ihnen hatten wahrscheinlich Frau und Kinder, für die sie zu sorgen hatten. Und nur die wenigsten konnten gut genug mit der Waffe umgehen, um einem Mann wie Shaw die Stirn bieten zu können.

"Sie sind in letzter Zeit recht oft in solche Unfälle verwickelt, Shaw...", stellte Collins kühl fest.

Der Pockennarbige zuckte mit den Schultern.

Um seine Mundwinkel machte sich ein mehr als unverschämtes Grinsen breit.

"Das ist nicht meine Schuld, Sir!", meinte er.

"Es wäre in unser beider Interesse, wenn sich das ändern würde!"

Shaw nahm seinen Revolver vom Tresen und steckte ihn ins Holster. Der Sheriff schien nichts dagegen einzuwenden zu haben und ließ es gewähren. Er machte einen ohnmächtigen Eindruck.

In Shaws Gesicht stand hingegen unverhohlener Triumph.

Der Vormann ging ohne noch ein weiteres Wort zu sagen an Collins vorbei. Zusammen mit dem bärenhaften Schwarzbart half er den beiden Verletzten.

Mit einigen Schwierigkeiten schleppten sie sich durch die Schwingtüren hinaus ins Freie.

12

"Verdammt, warum haben Sie ihn gehen lassen, Sheriff?"

Delany war ehrlich empört, während sich Collins zur Theke wandte.

Der Keeper hatte ihm ein Glas Whisky ausgefüllt und der Gesetzeshüter leerte es sogleich in einem Zug.

"Es wäre Ihre Aufgabe gewesen, diesen Mann festzunehmen und vor Gericht zu stellen!", zischte Delany ärgerlich.

Collins hob die Augenbrauen.

"So, wäre es?"

"Dieser Shaw hat einen Mann erschlagen, der ihm dazu keinerlei Anlass gegeben hat und der darüber hinaus bereits soviel getrunken hatte, dass er kaum eine Chance hatte, sich zu wehren!"

Collins deutete auf den Stern an seiner Brust.

"Ich sorge hier für die Durchsetzung der Gesetze - und nicht Sie!" Er löste die Schleife, die er um den Hemdkragen trug und rieb sich den Hals. "Ich hoffe, wir haben uns recht verstanden... Außerdem mag ich es nicht besonders, wenn mir jemand dreinzureden versucht!"

Delany hatte durchaus verstanden.

Collins schien es vorzuziehen, Schwierigkeiten so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen.

Unterdessen wandten sich die wenigen anwesenden Zecher wieder ihren Gesprächen zu.

Der Sheriff machte eine hilflose Geste.

Er deutete auf die anderen.

"Glauben Sie, einer von denen würde vor Gericht aussagen?"

"Ich würde aussagen!", erklärte Delany im Brustton der Überzeugung.

Collins zuckte mit den Schultern.

"Wer sind Sie schon? Und aus wem würde die Geschworenen-Jury bestehen? Aus Bürgern von Conway und Umgebung natürlich. Und von denen würde es keiner wagen, ein Urteil zu fällen, das auf schuldig lautet."

"Verstehe..."

"Ich frage mich, ob Sie wirklich verstehen, Mister..."

"...Delany."

"Shaw ist der Vormann von McKenna, dem mächtigsten Mann der Gegend."

"Ist mir bekannt."

"Sie haben sich den Falschen für einen Händel ausgesucht!

Solange Sie in der Gegend sind, werden Sie ab jetzt eine Zielscheibe sein..."

"Ich dachte, es wäre Ihr Job, so etwas zu unterbinden!"

Collins lachte heiser und freudlos.

"Bin ich Ihr Kindermädchen? Wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf, dann setzen Sie sich auf ein schnelles Pferd und hauen Sie ab, solange man Sie noch lässt..."

"Entspricht eigentlich nicht meiner Art!"

Collins zuckte mit den Schultern.

"Sie würden Ihnen und mir bestimmt 'ne Menge Ärger ersparen. Aber es ist Ihre Entscheidung. Ich kann Ihnen nur einen guten Rat geben, nicht mehr!" Er deutete auf den toten Steve. "Ich habe ihm dasselbe gesagt. Er wollte nicht hören. Ich wusste, dass es irgendwann soweit sein würde..."

Delany wandte sich zum Gehen

"So long, Sheriff. Ich muss sagen, Ihre Dienstauffassung hat mich tief beeindruckt!", versetzte er ironisch.

Collins sandte ihm einen ärgerlichen Blick nach, als er durch die Schwingtüren verschwand.

13

Mark McKenna hatte ein kantiges Gesicht mit harten Gesichtszügen, die auch durch den dunklen Oberlippenbart, den er trug, nicht abgemildert wurden. Er war der Sohn eines Schotten und einer Mexikanerin. Sein Teint war dunkel, fast wie bei einem Mestizen. Die Sonne hatte seine Haut verbrannt und sie mit den Jahren lederig werden lassen.

McKenna stand vor seinem prächtigen Ranchhaus, das er zusammen mit den großzügigen Unterkünften für seine Cowboys, den Scheunen und Corrals, auf einer Anhöhe errichtet hatte.

Soweit das Auge reichte, gehörte das Land ihm.

McKenna war vor einigen Jahren wie aus dem nichts aufgetaucht, hatte einen Batzen Geld in den Satteltaschen gehabt, sich eine Ranch gekauft, dann noch eine und so fort.

Über die Herkunft des Geldes kursierten wilde Gerüchte, aber ihnen allen war gemein, dass es höchstwahrscheinlich aus zwielichtigen Geschäften stammte.

Die einen behaupteten, er habe irgendwo wertlose Claims, die ihm darüber hinaus noch nicht einmal gehört hatten, an gutgläubige Digger verkauft. Andere meinten zu wissen, dass der Großteil seines Geldes aus Waffenschieber-Geschäften nach Mexiko stammte.

Aber ein Mann wie McKenna pflegte gut dafür zu sorgen, dass die Spuren in seine Vergangenheit sorgfältig verwischt wurden, so dass nichts blieb, als wilde Sattelgerüchte und Spekulationen...

Jedenfalls war er nun hier sesshaft geworden und versuchte, seinen Besitz mit allen Mitteln auszudehnen. Dabei war er bei der Wahl seiner Methoden weiß Gott nicht zimperlich...

Im ganzen County fürchtete man ihn und er genoss diesen Zustand.

McKenna kannte keine Freundschaft, keine Loyalität außer der zu sich selbst.

Der Rancher sah hinaus über die sanften, grasbewachsenen Hügel. Er blinzelte gegen die Sonne.

Ein Reiter näherte sich seiner Residenz.

Er war bereits nahe genug, um ihn erkennen zu können. Es war Slim Thompson, sein Anwalt.

Thompson war in McKennas Auftrag in die Hauptstadt geritten. Der Rancher hatte seiner Rückkehr schon lange entgegen gefiebert.

Ich hoffe nur, dass er Erfolg hatte!, durchzuckte es McKenna voller Erwartung.

Von Thompsons Mission hing eine Menge für ihn ab!

Aber nicht nur er, auch andere würden davon betroffen sein...

14

Thompson klopfte sich den Staub von seinem guten Anzug, als er aus dem Sattel gestiegen und sein Pferd festgebunden hatte.

"Wie war's?", erkundigte sich McKenna.

"Ich habe interessante Neuigkeiten."

"Gibt's irgendwelche Probleme?"

"Wie man's nimmt, Mr. McKenna."

Thompson nahm seine Satteltaschen vom Rücken des Pferdes.

"Gehen wir ins Haus, dann werde ich es Ihnen erklären, Sir!"

McKenna nickte und führte den Anwalt in das für hiesige Verhältnisse großzügig ausgestattete Wohnzimmer des Ranchhauses.

"Nun?", fragte der Rancher hart. "Was ist Sache? Reden Sie nicht lange um den heißen Brei herum."

Thompson nahm die Satteltasche und holte eine Landkarte hervor, die er dann auf dem Tisch ausbreitete.

"Was ich jetzt sage, ist noch nicht offiziell. Ich habe meine Verbindungen spielen lassen und..."

"Langweilen Sie mich nicht mit den Einzelheiten!"

Der Anwalt zuckte mit den Schultern.

"Wie Sie wollen." Thompson beschrieb mit dem Finger eine Linie auf der Karte. "Die Eisenbahn wird gebaut. Und zwar genau hier her."

McKenna schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.

"Großartig!", rief er. Die Linie führte genau durch sein Gebiet. Billiges Weideland würde er für ein Vielfaches an die Eisenbahngesellschaft verkaufen können... Ein riesiger Gewinn lag in Reichweite...

"Es gibt aber einen Haken."

McKenna runzelte die Stirn.

"Und der wäre?"

"Hier, sehen Sie... Dort liegt der Besitz der Carters."

"Na und?"

"Die Carter-Ranch hat eine Schlüsselrolle. Wenn dieser halsstarrige Kerl sich weigert, zu verkaufen, dann wird die Bahn eine andere Route nehmen - weniger günstig für Sie, Mr.McKenna..."

Der Rancher ballte in ohnmächtiger Wut die Hände zu Fäusten.

Er wusste, wie Phil Carter war.

Er hatte sein - McKennas - Geld abgelehnt und er würde dasselbe auch mit den Dollars der Eisenbahngesellschaft machen.

McKenna war schon seit langem scharf auf das Land der Carters, aber bisher hatte er auf Granit gebissen. Als die Dollars keine Wirkung versprachen, hatte er versucht, sie einzuschüchtern...

Shaw war ein Mann, der sich vortrefflich darauf verstand, Menschen in Angst zu versetzen. Bei einem halben Dutzend der umliegenden Kleinrancher war es ihm auch gelungen. Sie hatten ihre Sachen gepackt und das Land verlassen.

Aber Carter war anders...

Vielleicht muss ich jetzt stärkere Geschütze auffahren!, überlegte McKenna.

Es musste ihm gelingen, die Carters so schnell wie möglich von ihrem Land zu vertreiben...

Um jeden Preis!

15

Sie waren zu dritt in der einfachen Wohnstube des Blockhauses.

Carter setzte sich an den Tisch, den Sabella gedeckt hatte.

Maud, seine Frau, stand noch am Herd und rührte in dem gutriechenden Rinder-Stew herum, das dort in einem großen, gusseisernen Topf heiß gemacht wurde.

"Wann werden Wesley und Trump von der Weide kommen?", fragte Maud, ohne dabei den Blick vom Essen zu nehmen. Sie rührte weiter. Wenn man jetzt nicht aufpasste, war alles verdorben und würde angebrannt schmecken.

"Sie haben heute 'ne Menge zu tun", erklärte Carter. "Sie werden wohl erst bei Anbruch der Dunkelheit heimkommen..."

"Dann hat es keinen Sinn, auf mit dem Essen auf sie zu warten", entschied Maud.

Sie stellte den Topf mit dem Stew auf den Tisch.

Dann setzte sie sich.

Auch Sabella nahm Platz.

Einen Moment lang waren die Gedanken der jungen Frau bei dem fremden Reiter - Delany - der wie aus dem Nichts aufgetaucht war.

Genau im richtigen Augenblick, dachte sie.

Sie bedauerte es wirklich, dass er noch etwas geblieben war.

Wer konnte schon in die Zukunft sehen? Aber vielleicht hätte sich mehr zwischen ihnen entwickeln können...

Sehr wahrscheinlich sogar...

Aber es war müßig, jetzt darüber nachzudenken.

Delany war davongeritten und sie würden sich wohl kaum je noch einmal sehen.

Die Stimme ihres Vaters holte sie aus ihren Gedanken in das Hier und Jetzt zurück.

Phil Carter sprach ein kurzes Gebet, dann füllte seine Frau das Essen aus.

16

John Delany hatte die Stadt verlassen. Irgendwo hinter seinem Rücken verschwanden die Häuser von Conway am Horizont.

Delany blickte nicht zurück.

Er hatte sich etwas über die Gegend kundig gemacht. Im Büro des Sheriffs hing eine Landkarte des Countys, die einigermaßen ihren Zweck erfüllte. Delany hatte sie eingehend studiert, bevor er sich auf den Weg gemacht hatte.

Und so war ihm auch bewusst, dass er, wenn er seine Richtung beibehielt, unweigerlich Mark McKennas Land durchqueren würde...

Aber Delany hatte keine Furcht.

Er würde der McKenna-Mannschaft so gut es ging aus dem Weg gehen.

Die Sonne brannte unbarmherzig vom Himmel.

Vielleicht war das der Grund, vielleicht auch etwas anderes...

Aber er begann über alles mögliche nachzugrübeln und das gefiel ihm überhaupt nicht.

Wohin reitest du?, fragte er sich selbst.

Weg. Weiter.

Das war alles, was er wusste.

Er zog schon eine ganze Weile auf diese Weise durch den Westen, nie lange an einem Ort.

Und eigentlich auch ohne wirkliches Ziel. Eine Art Glücksritter - und ein Revolvermann. Es war nicht eine innere Unruhe, die ihn trieb, sondern sein Ruf. In Wahrheit sehnte er sich nach nichts so sehr, als sich irgendwo ansiedeln und ein ganz normales Leben führen zu können.

Es war bereits ein paar Jahre her, da hatte er den Fehler gemacht, in einer wilden Rinderstadt den Sheriff-Stern anzunehmen. Innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit hatte er für Ordnung gesorgt, aber leider sprach es sich herum, wie vortrefflich er mit dem Colt umzugehen wusste.

Sein Ruhm lockte Revolverhelden und Pistoleros von überall her an, die sich mit ihm messen wollten. Schließlich packte er seine Sachen und zog davon. Noch ein paar weitere Nester befriedete Delany, aber die Geschichte blieb jedesmal dieselbe.

Hier schien ihn bis jetzt niemand von diesen Dingen zu wissen und das war gut so.

Er dachte an Sabella, deren Gesicht er nicht vergessen konnte.

Unter anderen Umständen hätte er nicht gezögert, zu bleiben, aber so... Es würde wieder auf dasselbe hinauslaufen, er sah es im Geiste schon vor sich.

Aber er hatte keine Lust, ein weiteres schmutziges Nest auszumisten... Er war die Art von Leben, die er bisher geführt hatte leid! Sollten sich andere finden, die den Kampf gegen Leute wie McKenna und Shaw ausfochten! Er hatte seinen Teil im Kampf gegen das Unrecht geleistet!

Stunde um Stunde verging, die Hügel hoben und senkten sich, und Delany hatte mehr und mehr das Gefühl, einen schweren Fehler zu begehen.

Sabella...

Dieses Gesicht, diese Stimme, diese leuchtenden grünen Augen. Das alles wollte ihm nicht aus dem Sinn gehen. Und dann war ihm auf einmal klar, dass er umkehren musste.

Eine Frau wie Sabella traf man nicht alle Tage.

Er zügelte sein Pferd.

Was sprach dagegen, noch etwas in der Gegend zu bleiben?

Weiterziehen konnte er immer noch, aber wenn er seinen Ritt jetzt in die falsche Richtung fortsetzte, dass war ihm in diesem Moment klar, dann würde er sich das vielleicht später nie verzeihen können...

17

Es war später Nachmittag.

Mark McKenna ritt an der Spitze einer Gruppe von gut zwei Dutzend bis auf die Zähne bewaffneter Reiter. Der Rancher hatte alles zusammengetrommelt, was im Augenblick verfügbar war und eine Waffe hinreichend bedienen konnte.

Nein, es konnte jetzt kein Pardon und kein Zögern mehr geben!

Dieser dickschädelige Carter würde ihm am Ende gar noch das Geschäft seines Lebens vermasseln! Das musste unbedingt verhindert werden!

Koste es was es wolle!, durchzuckte es ihn heiß.

Es konnte nicht mehr lange dauern und die Eisenbahngesellschaft würde Leute schicken, um mit Phil Carter zu verhandeln. Natürlich würde er ablehnen und dann war die Route durch das McKenna-Land gestorben!

Nein, viel Zeit war nicht mehr zu verlieren!

Carter war ihm schon seit langem ein Dorn im Auge. McKenna lechzte geradezu danach, sein Land übernehmen zu können, so wie es ihm bei vielen anderen Kleinranchern gelungen war.

Aber bei den anderen hatte er auf Zeit setzen können.

Irgendwann waren sie alle mürbe geworden und hatten ihre Sachen gepackt...

Aber in diesem Fall musste alles schnell über die Bühne gehen.

Auf einem Hügelkamm zügelte McKenna sein Pferd und die anderen folgten deinem Beispiel.

In weniger als einer halben Meile Entfernung sahen sie die kleine Ranch der Carters.

"Ihr wisst, was Ihr zu tun habt, Männer!", wandte sich der Rancher an seine Leute.

Ein Gemurmel entstand.

Shaw, der Vormann, meldete sich zu Wort.

"Wie weit sollen wir gehen, Boss?"

McKenna grinste.

Shaw war ein rauer Bursche, der es verstand, Angst einzujagen. Manchmal war der Pockennarbige dem Rancher selbst unheimlich und er war froh, dass er auf seiner Lohnliste stand - und nicht auf der eines anderen.

"Ich hoffe, dass sich auf eine vernünftige Lösung einlassen", meinte McKenna.

"Und wenn sie nun einfach nicht verschwinden wollen? Was dann?"

McKenna zuckte mit den Schultern.

"Das wird ihnen schlecht bekommen!"

"Sie meinen... Wir haben freie Hand?"

"So kann man es auch ausdrücken, Shaw!"

Dann gaben sie ihren Tieren die Sporen und preschten auf die kleine Ranch zu.

Die Stunde der Carters hatte jetzt endgültig geschlagen!

McKenna war nicht gewillt, sich noch länger von einem kleinen Niemand auf der Nase herumtanzen zu lassen!

Sie würden schon sehen, was ihnen ihr Starrsinn einbrachte!

18

Maud Carter blickte hinaus in die Ferne und erstarrte plötzlich.

Es war, als habe sich eine eisige Hand um ihren Hals gelegt.

Sie sah einen Pulk von Reitern, mindestens zwanzig Mann, und sie wusste, dass das nichts Gutes bedeuten konnte.

Das mussten McKennas Leute sein!

"Sabella!", rief sie ihre Tochter, die ein paar Meter entfernt dabei war, die Hühner zu versorgen.

"Ja, Ma?"

"Sag Dad Bescheid! Wir bekommen Schwierigkeiten!"

Sabella schaute auf und sah auch sie das herannahende Verhängnis.

Sie lief in die Scheune und holte ihren Vater.

Als Phil Carter ins Freie gestürmt war, hörte man bereits leise das Getrappel vieler Hufe.

Mein Gott!, durchschoss es Carter.

Einen Moment lang war er wie gelähmt.

Zu dumm, dass sein Sohn Wesley und der getreue Trump noch nicht von der Weide zurück waren!

Die Übermacht von McKenna und seinen Leuten wäre allerdings auch dann noch überwältigend gewesen.

"Ins Haus!", befahl Carter den beiden Frauen.

"Phil! Was sollen wir tun?"

Maud schlug die Hände vor das Gesicht. Sie schien völlig ratlos.

"Erst einmal ins Haus, habe ich gesagt! Dann werden wir weitersehen!"

"Ja..."

Die Reiter kamen näher und näher.

Einige von ihnen hatten die Winchester-Gewehre aus den Sätteln gezogen. Offenbar nahmen sie an, sie bald benutzen zu müssen.

Verdammte Bande!, durchfuhr es Carter.

Als sie ins Haus kamen, schloss Sabella die Tür.

Indessen ging Carter mit weiten Schritten auf den Gewehrschrank zu. Er nahm eine Waffe heraus und reichte sie seiner Frau Maud. Eine weitere ging an Sabella.

Er hatte ihnen beigebracht, mit Waffen umzugehen.

Dies war ein raues Land, in dem es von Gesindel wimmelte.

Man musste sich zu wehren wissen, wenn man überleben wollte.

Und das galt für die Carters ganz besonders, seit Mark McKenna seine Finger nach ihrem Land ausgestreckt hatte...

Phil Carter selbst hatte auch ein Gewehr genommen. Mit entschlossenen Bewegungen schob er Patronen in das Magazin.

Sabella stand am Fenster.

"Dad! Sie sind da!"

"Schieb das Fenster hoch!"

"Ja, Dad!"

Die Frauen postierten sich am Fenster. Carter selbst ging zur Tür und öffnete sie einen Spalt.

Die Reiterschar hatte die Ranch erreicht.

Er sah McKennas Gesicht, dessen Züge von Überheblichkeit gezeichnet waren.

Zur Hölle mit ihm!, dachte Carter.

Aber noch war alles ruhig geblieben, noch war kein Schuss gefallen...

"Carter!", rief die heisere Stimme von Mark McKenna.

Carter schluckte.

"Ich bin hier!", rief er dann entschlossen zurück. "Was wollen Sie?"

"Carter, ich bin dafür, den Streit zu begraben! Gehen Sie auf mein Angebot ein und verkaufen Sie!"

"Niemals! Verdammter Hund!"

"Erinnern Sie sich an das Angebot, was ich Ihnen gemacht habe?"

"Ich erinnere mich... Und vielleicht erinnern Sie sich noch, dass ich von keinem der verschiedenen Angebote, die Sie mir gemacht, sonderlich begeistert war..."

"Ich bin bereit, um das Doppelte zu erhöhen!"

"Scheren Sie sich zum Teufel! Ich verkaufe nicht! Dies ist mein Land und es wird auch das Land meiner Kinder sein! So wahr ich stehe!"

In McKennas dunklem Gesicht war kaum eine Veränderung zu sehen. Der Rancher hatte kaum ernstlich damit gerechnet, dass Carter sich würde umstimmen lassen.

Ja, dachte McKenna kalt. wer weiß, wie lange du da noch stehst, du kleiner Wurm...

"Sehen Sie, ich habe ein paar von meinen Männern mitgebracht, um meinem Angebot etwas mehr Nachdruck verleihen, Carter!" McKenna überprüfte mit einer flüchtig wirkenden Bewegung den Sitz seines Revolvers im Holster. "Wir verstehen uns doch richtig, oder?"

Carter verzog grimmig das Gesicht.

Da war nicht viel misszuverstehen.

Das, was McKenna da vorgetragen hatte, war nichts weiter, als eine ziemlich unverblümte Drohung.

"Wenn Sie denken, dass Sie mich einschüchtern können, dann sind Sie schief gewickelt, McKenna! Das haben Sie bisher nicht geschafft und das wird Ihnen auch jetzt nicht gelingen!"

McKenna verengte die Augen ein wenig.

Es hat keinen Sinn!, dachte er.

Vielleicht würde ein kleines Bleigewitter Carters Meinung ändern...

"Hören Sie!", rief McKenna dann. "Alles, was bisher gewesen ist, war nicht mehr, als ein Vorgeplänkel! So harmlos wird es nicht bleiben!"

"Verschwinden Sie, McKenna! Sie haben gehört, was ich dazu zu sagen habe! Das Recht ist auf meiner Seite!"

McKenna nickte langsam.

Er hatte mit nichts anderem gerechnet.

Dann wandte er sich an seine Leute und gab ihnen ein Zeichen.

"Fangt an, Männer!"

19

Nur Sekunden später prasselte ein Geschosshagel in Richtung der Carters.

Die Verteidiger kamen kaum dazu, einen Schuss zurückzugeben.

Es war für sie nahezu unmöglich, sich aus der Deckung herauszuwagen. Die Bleikugeln pfiffen den Carters um die Ohren.

"Runter!"

Aber das musste Phil Carter den beiden Frauen nicht erst sagen. Sie duckten sich, so gut es ging.

Das Haus war stabil und solide gebaut, aber es war keine Festung.

Einige der Kugeln durchschlugen die Wände, als wären sie aus Papier.

Holz splitterte an den Rahmen von Tür und Fenster.

Entschlossen packte Carter seiner Winchester, lud sie durch, öffnete die Haustür mit einem beherzten Fußtritt vollends und sandte ein paar Schüsse in Richtung der McKenna-Leute.

Einen holte er aus dem Sattel, einem anderen schoss er das Pferd unter dem Gesäß weg.

Dann schnellte er zurück.

Die Antwort war ein um so wütenderes Bleifeuer.

Die Kugeln pfiffen durch Fenster und Tür und holten dann das einfache Porzellan-Geschirr und die Blechtassen aus den Regalen, die auf der anderen Seite des Raumes angebracht waren.

Es schepperte und klirrte.

"Dad!"

Das war Sabellas Stimme.

Es war ein Schrei; ein schriller, aus Angst und Entsetzen geborener Laut.

Carter wandte den Blick, und dann sah er es auch.

"Oh, mein Gott!"

Es war wie ein Stoßgebet, was in diesem Moment über Carters Lippen kam, aber er wusste auch, dass es nichts nützen konnte.

Er sah seine Frau in sich zusammengesunken an der Wand lehnen. Eine Kugel musste ihr in den Oberkörper gefahren sein.

Ihr Kleid hatte sich dort rot verfärbt und ihre Augen blickten ihn starr und voller Schrecken an.

"Dad! Sie ist tot!", schluchzte Sabella völlig aufgelöst.

Carters Züge verfinsterten sich.

Tränen des Zorns traten ihm in die Augen.

Sein Mund verzog sich vor Schmerz.

"Diese Hunde!", stieß er hervor. "Diese verdammten Hunde! Dafür werden sie zahlen!"

Er packte sein Gewehr fester und schnellte dann erneut aus seiner Deckung.

Er feuerte Schuss um Schuss, diesmal allerdings, ohne besonders auf seine eigene Sicherheit zu achten.

Sie hatten seine treue Gefährtin, die Mutter seiner Kinder, auf dem Gewissen und er wollte, dass viele wie möglich von ihnen mit ihr unter die Erde kamen.

Die McKenna-Leute war unterdessen damit beschäftigt, Feuer zu legen.

Einige von ihnen hatten Fackeln dabei, die nun entzündet wurden. Die Scheune brannte bereits.

Da spürte Carter auf einmal einen höllischen Schmerz.

Zuerst im Oberschenkel, dann in der Seite. Verzweifelt versuchte er, das Gewehr in den Händen zu behalten und weiter zu feuern, aber er spürte gleichzeitig, wie die Kraft aus seinem Körper floh...

Er krümmte sich, sackte zusammen und rutschte zu Boden.

20

Die Sonne stand schon weit im Westen.

Wesley und Trump hatten einen harten Tag auf der Weide hinter sich. Jetzt waren sie auf dem Heimweg.

"Ich hoffe nur, dass Ma uns was vom Essen übriggelassen hat!", meinte Wesley.

Trump lachte herzhaft.

"Hat sie dich schon jemals hungern lassen?"

Von Ferne drangen Schüsse an ihre Ohren.

Sie zügelten die Pferde, um genau hinhören zu können, aus welcher Richtung das kam.

"Da ist irgendetwas los..." meinte Wesley. Eine unheilvolle Ahnung machte sich in ihm breit...

Dann sahen sie eine dunkle Rauchfahne am Horizont aufsteigen.

Es schnürte Wesley Carter fast die Kehle zu.

"Das muss bei uns zu Hause sein, Trump!"

Er schluckte und war für einen Augenblick wie vor Schreck gelähmt.

Dann trieb er seinem Pferd die Sporen in die Seiten und scheuchte es vorwärts. Trump folgte ihm.

21

Die Flammen loderten aus der Scheune und auch aus dem Wohnhaus stieg eine schwarze Rauchfahne.

Wesley Carter verzog vor Grimm und Schmerz das Gesicht, als er den Pulk von Reitern sah.

Es waren McKenna und seine Schergen!

Jetzt haben sie wirklich ernst gemacht!, durchfuhr es Wesley bitter. Er selbst hatte an der Scheune mitgebaut und nun würde sie in wenigen Augenblicken in sich zusammenbrechen, wie ein schlecht gebautes Kartenhaus.

Er dachte an seine Eltern und seine Schwester.

Es war nur zu hoffen, dass ihnen nicht allzu übel mitgespielt worden war.

Mit McKennas Leuten war nicht zu spaßen.

Wesley wusste, dass sein Gaul einen schweren Tag hinter sich hatte und dementsprechend müde war. Aber das konnte er in diesem Moment nicht gelten lassen. Mit Gewalt und einer Härte, die ihm sonst fremd war, trieb er das Tier die Anhöhe hinauf.

Trump hatte alle Mühe, hinter ihm her zu kommen.

Indessen wurde bei der Ranch nicht mehr geschossen.

Wesley beobachtete, wie einer der Reiter die Pferde aus dem Corral scheuchte und auseinander trieb. Das Feuer und die Schüsse hatten die Tiere ohnehin halb irre gemacht. Es würde einige Mühe machen, sie wieder einzufangen.

Die McKenna-Leute sammelten sich und preschten davon. Sie entfernten sich schnell von der Ranch.

Wesley hätte nicht übel Lust gehabt, den Colt aus dem Holster zu reißen, und ihnen ein paar Kugeln hinterher zu jagen.

Aber auf diese Entfernung war das vollkommen sinnlos.

Er musste sie ziehen lassen, aber wenn sie einem auf der Ranch etwas angetan hatten, dann sollten sie es bereuen!

Wesley ritt an der brennenden Scheune vorbei bis zum Wohnhaus und sprang dann aus dem Sattel.

Ein paar Sekunden später kam auch Trump an.

"Mein Gott! Dad!"

Wesley sah, wie Sabella den Körper ihres Vaters durch die Haustür zu schleifen versuchte. Sie hatte ihn unter den Achseln gefasst, aber es ging nur sehr langsam vorwärts. Phil Carter war ein Mann von beachtlicher Statur.

Wesley sprang seiner Schwester zu Hilfe.

"Was ist mit ihm?"

"Ich weiß nicht, Wes... Er hat ein paar Kugeln abbekommen!"

"Oh, verdammt! Diese Hunde!"

Sie zogen ihren Vater ins Freie. Carter stöhnte, rang nach Luft und hustete.

Der Rauch schien ihm ziemlich zugesetzt zu haben.

"Wo ist Ma?", fragte Wesley.

Er sah die Tränen in Sabellas Augen.

Ein Kloß bildete sich in seinem Hals

"Sie haben sie erschossen, Wes...", sagte sie fast tonlos. Ihre Stimme erstickte. "Einfach erschossen!"

22

Es hatte bereits zu dämmern begonnen, als John Delany die Ranch der Carters erreichte.

Schon von weitem waren die Flammen und der Rauch zu sehen, die die Scheune verzehrten. Es war nicht mehr viel von ihr übrig und auch das Wohnhaus war arg in Mitleidenschaft gezogen.

Er sah Sabella, die sich über ihren verletzten Vater beugte und ihn versorgte.

Sie hob den Kopf.

"Mr. Delany...!"

Er stieg aus dem Sattel und trat zu ihr. Dann beugte er sich zu Carter hinab.

Es war nicht schwer zu erraten, wer für all das verantwortlich war!

Sabella hatte ihren Vater notdürftig verbunden und jetzt war er in einen unruhigen Schlaf gefallen.

"Trump ist in die Stadt geritten, um den Doc zu holen", berichtete sie.

Delany blickte sich kurz um.

"McKennas Leute?"

"Ja! Sie haben Ma erschossen!"

Delany legte den Arm um ihre Schultern, um sie zu trösten.

Einen Augenblick nur gestattete sie es sich, sich an seine Schulter zu lehnen, dann blickte sie ihn besorgt an.

"Sie müssen Wesley aufhalten!", rief sie voller Verzweiflung. "Ich bitte Sie... Ich kann nicht weg, ich muss hier bei Dad bleiben. Und Trump ist unterwegs, um den Doc zu holen!"

"Wo ist Wesley?"

Delany hatte eine Ahnung. Sekunden später sollte sie durch Sabella bestätigt werden.

"Er ist auf dem Weg zur McKenna-Ranch! Mein Gott, er wird in den Tod reiten, wenn ihn niemand aufhält!"

"Wann ist er aufgebrochen?"

"Ich weiß nicht genau... Es ist noch nicht sehr lange her." Sie stockte. "Er war völlig außer sich, weil sie Ma getötet haben! Bitte halten Sie ihn zurück! Es nützt niemandem, wenn er auch noch stirbt!"

Dieser Narr!, durchfuhr es Delany ärgerlich. Glaubte er wirklich, gegen McKennas versammelte Meute etwas ausrichten zu können?

Delany fasste sie bei den Schultern.

"Ich werde tun, was ich kann!", versprach er. "Beschreiben Sie mir ungefähr den Weg, den er vermutlich nehmen wird!"

Sie nickte.

23

Delany trieb sein Pferd unbarmherzig vorwärts und jagte durch die beginnende Dämmerung.

Er konnte sich gut vorstellen, wie es in dem, jungen Wesley aussah. Schreiendes Unrecht war geschehen und es war verständlich, dass der junge Carter ungeduldig danach dürstete, den Mann zur Rechenschaft zu ziehen, der für den Tod seiner Mutter die Verantwortung trug.

Aber ebenso klar lag auf der Hand, dass er in sein Verderben reiten würde.

Wenn man gegen einen so mächtigen Mann wie Mark McKenna vorgehen wollte, dann genügte es nicht, die Winchester zu laden und ein guter Schütze zu sein.

Man musste auch seinen Verstand gebrauchen und die Gefühle unter Kontrolle bringen, soweit das überhaupt möglich war.

Sabella hatte ihm in knappen Worten den kürzesten Weg von der Carter Ranch zu McKennas Anwesen beschrieben und Delany hoffte nun, dass er ihn auch benutzen würde.

Es sprach einiges dafür, sicher konnte er trotzdem nicht sein.

Zumindest hatten die McKenna-Leute diesen Weg benutzt, dass wiesen die Hufspuren eindeutig aus. Und es lag nahe, dass Wesley der Meute des Ranchers folgte.

Natürlich war es völlig unmöglich, zu sagen, ob unter den unzähligen Spuren, die das Präriegras aufgewühlt hatten, auch die von Wesleys Pferd waren.

Delany musste einfach darauf vertrauen, dass sein Instinkt ihm treu blieb.

Und während er über die Hügel jagte, so schnell ihn sein Gaul zu tragen vermochte, wurde ihm mit einem Mal bewusst, wie sehr er sich selbst inzwischen in diese Geschichte verstrickt hatte.

Es war jetzt seine Sache.

Ob es ihm nun gefiel oder nicht.

Und er würde sie auch zu Ende bringen.

Delany zügelte zwischendurch kurz sein Pferd, kniff die Augen angestrengt zusammen und warf erneut einen Blick auf die Spuren der McKenna-Leute.

Die Sicht war bereits merklich schlechter geworden.

Nicht mehr lange und er würde nichts mehr von den Spuren sehen können. Dann hatte er nur noch Sabellas Beschreibung zur Orientierung.

Meile um Meile ließ er hinter sich.

Er hoffte nur, dass er nicht zu spät kam.

24

"Boss, da kommt einer!"

Shaw deutete nach rückwärts und Mark McKenna zügelte sein Pferd. Ein Reiter kam heran und holte auf.

McKenna runzelte die Stirn.

Dann verzogen sich seine Züge zu einem zynischen Grinsen, als er den Mann erkannte.

"Ist das nicht der junge Carter?", meinte Shaw.

McKenna nickte.

"Ja, sieht ganz so aus."

Es war nicht schwer zu erraten, was er wollte.

"Der Junge ist uns sicher nicht gefolgt, um Ihnen einen guten Tag zu wünschen, Mr.McKenna!", stellte Shaw kühl fest.

Wesley Carter war unterdessen herangekommen.

Sein Gesicht war rot angelaufen, seine Züge wie versteinert.

Die Rechte befand sich in der Nähe des Revolvers.

Die Gesichter der McKenna-Leute drückten teils Verwunderung teils Unverständnis aus. Wesley Carter musste wirklich von allen guten Geistern verlassen worden sein. Anders war einfach nicht erklärlich, dass er es wagte, allein der Mannschaft von McKenna zu folgen und sich ihr auf diese Weise zu stellen...

Ein unersättlicher Durst nach Rache und Vergeltung hatte sich Wesleys Innerem breitgemacht und durchmischte sich mit dem Schmerz, den er empfand.

Sie sollten bezahlen, diese Hunde!

Wesley war bereit, dafür sein Leben einzusetzen. Wenn die Situation eine andere gewesen wäre, wäre er vielleicht zunächst zum Sheriff in die Stadt geritten.

Aber zu Collins, den er für einen ausgemachten Feigling hielt, hatte er kein Vertrauen.

Nein, dachte er, während sein Blick die Gesichter der McKenna-Leute entlang glitt, man muss die Gerechtigkeit in die eigenen Hände nehmen! Collins würde es kaum wagen, etwas zu unternehmen und so glaubte er, dass ihm kein anderer Weg blieb, als die Sache selbst zu regeln!

"Was wollen Sie, Carter?", erkundigte sich McKenna. Das Gesicht des Ranchers blieb völlig unbewegt. Es schien ihm kaum etwas auszumachen, jemandem gegenüber zu stehen, dessen Mutter durch seine Schuld zu Tode gekommen war und dessen Vater noch schwer verletzt um sein Leben rang.

Wesley machte das fast rasend vor Wut.

"Ich will Sie fordern, McKenna!", erklärte er selbstbewusst.

Einen Augenblick lang schien McKenna verdutzt. Er sagte nichts und seine Augen traten etwas hervor.

Dann platzte ein schallendes Gelächter aus ihm heraus, in das seine Männer - allen voran der pockennarbige Shaw - nach und nach einfielen.

"Dieser Knirps ist ziemlich dreist, was Boss?", meinte jemand, während McKenna leicht nickte.

Der Rancher sah, das sein Gegenüber nahe am Kochen war und es durchaus ernst meinte.

Das rauhe Gelächter der Männer verebbte nach und nach.

"Ich will einen fairen Revolverkampf zwischen Ihnen und mir!", präzisierte der junge Wesley seine Vorstellung vom weiteren Ablauf der Ereignisse. "Ich finde, dass ist viel mehr, als Sie eigentlich erwarten dürfen!"

McKenna schien das ganze inzwischen nicht mehr so witzig zu finden.

"Ach, meinst du, Bürschchen?"

"Für das, was Sie auf dem Kerbholz haben, würde man Sie andernorts am nächsten Baum aufknüpfen. So haben Sie immerhin die Chance, schneller zu ziehen, als ich..."

Die Augen des Ranchers wurden schmal.

"Sehr großzügig!"

McKenna verzog spöttisch den Mund.

Aber der Unterton, mit der das sagte war sehr ernst.

Der Spaß war vorbei.

Wesley bemerkte, wie sich die Körperhaltung seines Gegenübers versteifte. Hier und da glitten Hände an die Hüften.

Wesley schluckte.

Jetzt wurde es ernst.

Langsam dämmerte ihm, dass seine überschäumenden Gefühle ihn zum Leichtsinn verführt hatten. Sein Blick begegnete dem des Ranchers und mit einem Mal wurde ihm klar, dass sein Gegenüber nicht im Traum daran dachte, sich auf ein Revolverduell einzulassen...

McKennas Leute hatten unterdessen eine Art Halbkreis um Wesley gebildet.

Der Rancher gab mit der Hand ein fast unmerkliches Zeichen.

Wesley begriff zu spät.

Er versuchte zwar noch, den Revolver aus dem Holster zu reißen und zu schießen, aber etwas hielt seinen Arm nieder.

Der Schuss ging in den Boden.

Wesley spürte, wie eine Lasso-Schlinge sich um seinen Oberkörper gelegt hatte und sich blitzschnell zusammenzog.

Ein Ruck und er wurde brutal aus dem Sattel gezogen.

Sekundenbruchteile später landete er unsanft am Boden. Und ehe er noch irgendetwas unternehmen konnte, waren ein paar von McKennas Cowboys aus den Sätteln gesprungen, hatten sich auf ihn gestürzt, ihn entwaffnet und überwältigt.

"Was machen wir mit ihm, Boss?"

McKenna zuckte mit den Schultern.

Er wandte sich an Shaw.

"Hast du eine Idee?"

"Er muss auf jeden Fall weg vom Fenster!", meinte der Vormann. "Er wird Ihnen sonst nur weiteren Ärger bereiten!"

McKenna nickte leicht.

"Ja, ich fürchte, du hast recht..."

"Da vorne ist ein Baum!", meinte Shaw.

McKenna grinste.

"Richtig! Haben wir den jungen Carter nicht gerade in flagranti beim Viehdiebstahl erwischt, Männer?"

Wesley schlug der Puls bis zum Hals.

Seine Gefühle hatten ihn jede Vorsicht vergessen lassen.

Und das rächte sich nun.

25

Delany hörte einen Schuss.

Das musste ganz in der Nähe sein!

Hoffentlich ist es noch nicht zu spät!, dachte er, als er sein Pferd vorwärts trieb.

Als er die nächste, vor ihm liegende Hügelkette überquert hatte, sah er einen Pulk von Cowboys im fahlen Dämmerlicht bei einem Baum stehen. Die meisten waren aus den Sätteln gestiegen.

Und in ihrer Mitte sah Delany einen Gefesselten.

Das war Wesley.

Jemand hatte sein Lasso über einen Ast geworfen. An einem der herunterhängenden Enden wurde eine Schlinge geknüpft. Es war ziemlich eindeutig, was hier vor sich ging.

Als Delany den Ort des Geschehens erreichte, blickte er in verwunderte Gesichter.

Nur der pockennarbige Shaw ließ sogleich die Hand zur Hüfte fahren, als er den Neuankömmling erkannte. Das Gesicht des Vormannes verzog sich zu grimmigen, hasserfüllten Maske.

Delany hatte Mark McKenna noch nie in seinem Leben gesehen, aber es war nicht schwer zu erraten, wer es hier zu sagen hatte.

McKenna zeigte sich gerne in der Pose eines absoluten Herrschers, der nur einen Wink zu geben brauchte, um seine Männer in Bewegung zu setzen.

Der Rancher stand da, wie ein Mann, der es gewohnt war, zu herrschen und der keinerlei Widerspruch duldete.

Die Männer blickten auf ihren Boss und warteten ab.

Sie würden es nie wagen, ohne einen Befehl ihres Chefs auch nur mit den Finger zu schnippen!, dachte Delany.

Selbst Shaw, der sonst gerne sehr großspurig tat, stand jetzt wie ein abgerichteter, zähnefletschender Wachhund da, dem sein Herrchen noch nicht das Signal zum Angreifen gegeben hatte...

Delany schob sich den Hut in den Nacken.

"McKenna?"

Der Rancher machte eine verächtliche Miene.

"Das bin ich!"

"Habe ich mir gedacht."

"Ich weiß nicht, wer Sie sind, aber ich halte es für besser, wenn Sie Ihres Weges ziehen, Mister!"

Delany entging der drohende Unterton nicht, der in den Worten seines Gegenübers mitschwang. Es war ihm sofort klar, dass er es mit einem äußerst gefährlichen Gegner zu tun hatte, dem alles zuzutrauen war.

Aber Delany hatte nicht die Absicht, sich einschüchtern zu lassen. Schließlich ging es hier um ein Menschenleben!

Er deutete auf den gefesselten Wesley.

Sie hatten ihn verdammt gut verpackt!

"Ich bin gekommen, um den jungen Carter mit nach Hause zu nehmen!", erklärte Delany selbstbewusst. Sein Tonfall war fest und sachlich.

McKenna machte eine bedauernde Geste.

"Tut mir leid, Sir, aber wir haben mit dem Kerl andere Absichten." Er zuckte mit den Schultern. "Leider hat er sich an unserem Vieh vergreifen wollen. Und Ihnen ist doch sicher auch bekannt, was man gemeinhin mit Viehdieben so macht..."

"Lügner!", schrie Wesley. "Verdammter Lügner!"

Einer der Männer versetzte ihm einen heftigen Schlag ins Gesicht und einen weiteren in die Magengegend, so dass der Gefangene vor Schmerz aufstöhnte.

Delany stieg aus dem Sattel und trat ein paar Schritte auf McKenna zu. Etwa zwei Meter von dem Rancher entfernt blieb er stehen und klemmte die Daumen hinter den Revolvergurt.

"Ich kenne den Mann, Boss!"

Das war Shaws leise Stimme.

Seine dünnen, blutleeren Lippen flüsterten fast.

"Ist das der Mann, der euch im Saloon Schwierigkeiten gemacht hat?", erkundigte sich McKenna.

Shaw nickte.

Sein Gesicht wurde zu einer eisigen Maske, die geeignet war, einem das Blut in den Adern gefrieren zu lassen.

"Ja..."

Es klang wie das Zischen einer Schlange. Delany war sich darüber im Klaren, dass er auf den Pockennarbigen aufpassen musste.

Er hatte etwas von einer bösartigen, zähnefletschenden Terrier, der bereit war, jeden zu zerfleischen, der ihm in den Weg kam.

Ein Zeichen seines Herrn und er würde nicht zögern, zum Colt zu greifen. Er brannte darauf, sich für seine vormalige Niederlage zu revanchieren.

Delany sah das Funkeln in den kalten Augen des Vormanns.

Aber das alles konnte ihn nicht beeindrucken.

Er blieb ruhig und gelassen und wandte sich erneut an McKenna.

Von ihm hing alles ab.

"Sie können mir erzählen, was Sie wollen, McKenna. Es bleibt meine Entscheidung, Ihnen zu glauben oder nicht."

"Sie sollten den Bogen nicht überspannen!"

McKenna kniff die Augen etwas zusammen.

"Ich habe nicht vor, mit Ihnen zu diskutieren", erklärte Delany ungerührt. "Ich bin hier, um Wesley mitzunehmen und ich würde Ihnen raten, nicht zu versuchen, mich daran zu hindern..."

"So? Und was sollte mich davon abhalten?", erkundigte sich McKenna spöttisch.

Delany deutete auf den Revolver, den der im Holster trug.

"Ich bin ein ganz passabler Revolverschütze." Er warf einen Blick zu Shaw. "Fragen Sie ihren Vormann!"

McKenna deutete auf seine Männer.

"Es wird Ihnen nicht entgangen sein, dass das Zahlenverhältnis zu Ihren Ungunsten steht!"

Delany verzog das Gesicht.

"Stimmt", gab er zu. "Aber selbst, wenn alle Ihre Männer exakt im selben Augenblick zu den Colts greifen würden, hätte ich noch Zeit genug, mindestens einen von euch niederzustrecken. Und wer weiß... Vielleicht fällt meine Wahl auf Sie, McKenna!"

Ihre Blicke begegneten sich und Delany glaubte, so etwas wie Verunsicherung in den Augen seines Gegenübers lesen zu können.

Er ist es nicht gewohnt, dass ihm jemand die Stirn bietet!, wurde es Delany klar.

Die Männer blickten wie gebannt auf ihren Boss, erwarteten ein Zeichen von ihm, um endlich losschlagen zu können, aber einen langen Augenblick lang geschah nichts dergleichen.

McKenna schien wie gelähmt.

Und Delany rechnete bewusst damit, es mit Feiglingen zu tun zu haben, die es gewohnt waren, in großer Übermacht aufzutreten - vorzugsweise gegen Leute, die ihnen nicht gewachsen waren.

Es war still geworden, niemand regte sich.

Delany hielt den Zeitpunkt für gekommen und machte zwei Schritte zur Seite und stand dann vor dem Gefangenen. Aus der Hosentasche holte er ein Klappmesser.

Ein rascher, beherzter Schnitt und Wesley hatte seine Hände frei.

Dann geschah das, womit Delany längst gerechnet hatte.

In seinem Rücken machte es klick! - ein Geräusch, das ihm nur allzu sehr vertraut war.

Jemand hatte den Hahn seines Revolvers gespannt.

26

Delanys Instinkt sagte ihm, dass es Shaw war, der gegen ihn gezogen hatte.

Er sollte recht behalten.

Delany ließ das Messer fahren, griff blitzartig zur Waffe, riss sie förmlich aus dem Holster und feuerte bereits, während er sich noch nicht einmal zur Hälfte gedreht hatte.

Shaw kam auch zum Schuss, aber der ging ins Leere.

Der Pockennarbige hatte ein kleines Loch, mitten auf der Stirn. Dumpf und schwer fiel er zu Boden, während Delany einen kleinen Satz nach vorne gemacht hatte und Mark McKenna den Colt unter die Nase hielt.

"Steckenlassen!", befahl er dem Rancher, dessen Hand sich um den Coltgriff gelegt und die Waffe zu zwei Dritteln herausgezogen hatte.

Einen Augenblick lang geschah gar nichts.

McKennas Blick bohrte sich in Delanys Augen.

Dann entspannte sich der Gesichtsausdruck des Ranchers etwas. Er ließ den Revolver gänzlich zurück ins Holster gleiten und gab seinen Männern ein Zeichen, nicht zu schießen. Delany hatte derartig schnell gehandelt, dass die Leute jetzt ohnehin kaum gegen ihn vorgehen konnten, ohne gleichzeitig ihren Boss zu gefährden.

Und dafür schreckten sie verständlicherweise zurück, schließlich lebten sie von ihm.

"Lasst die Eisen stecken!", erklärte McKenna noch einmal, wie zur Bekräftigung. Dann machte der Rancher eine Geste der Anerkennung. "Ich habe noch nie einen Mann gesehen, der so schnell mit dem Revolver war!", bekannte er mit unverhohlener Bewunderung.

Delany zuckte mit den Schultern.

"Vielleicht haben Sie noch nicht viele gesehen...", versetzte er dann in bewusster Tiefstapelei. Er hatte schon lange kein Interesse mehr an dieser Art von Ruhm.

"Nein, nein", beeilte sich McKenna. "So ist das nicht! Ich kann das sehr wohl beurteilen. Sie sind verdammt gut!"

Die Tatsache, dass der pockennarbige Shaw kaum einen halben Meter von ihm entfernt mausetot im Gras lag, schien ihn nicht im mindesten zu berühren.

Er ist völlig gefühllos!, erkannte Delany. Selbst seinen eigenen Männern gegenüber! Für ihn waren sie nicht mehr, als Werkzeuge.

"Wie heißen Sie?"

Delany zögerte.

In seinem Gesicht zuckte es fast unmerklich.

Dann nannte er seinen Namen und McKenna machte ein nachdenkliches Gesicht.

"Irgendwo glaube ich, diesen Namen schon einmal gehört zu haben..."

"Das glaube ich kaum!"

"Doch, doch! Ich bin mir fast sicher!" Er machte ein nachdenkliches Gesicht. "Könnte es sein, dass wir uns irgendwann - vielleicht ist es schon Jahre her - einmal begegnet sind?"

Delany schüttelte energisch den Kopf.

"Halte ich für ausgeschlossen. An einen Schuft wie Sie hätte ich mich erinnert!"

McKenna war im ersten Moment konsterniert, dann grinste er breit und hässlich.

Er deutete auf Wesley, der sich unterdessen auch die Fesseln von den Füßen abgestreift hatte. Mit freien Händen war das eine Kleinigkeit.

"Sie können den jungen Carter mitnehmen!", erklärte der Rancher. "Unter der Bedingung, dass er mir in Zukunft keine Schwierigkeiten mehr macht!"

"Ich bin nicht sein Kindermädchen!", versetzte Delany. "Ich bin ihm lediglich nachgeritten, um ihn vor einer Dummheit zu bewahren, die ihm das Leben kosten könnte. Leider kam ich etwas spät..."

McKenna trat zu Delany hin und klopfte ihm auf die Schulter, als wären sie langjährige Freunde. Diese Geste wirkte etwas aufgesetzt, Delany war sich nicht so recht klar darüber, was er davon zu halten hatte.

Dann deutete der Rancher auf Shaws Leiche, die mit dem Gesicht zum Boden gewandt ausgestreckt dalag.

"Sie können seinen Posten haben!", erklärte er.

Delany hob die Augenbrauen hoch. Das war wirklich eine Überraschung.

Fast glaubte er, sich verhört zu haben.

"Ich meine es ernst!", setzte McKenna hinzu. "Jemanden wie Sie kann ich brauchen! Mein Gott, wie Sie mit dem Revolver umgehen... Da wirken die meisten meiner Männer doch wie blutige Anfänger!"

Delany sah dem Rancher in die Augen.

Er meint es wirklich ernst!, durchfuhr es ihn.

"Kein Interesse!", erklärte Delany.

"Ich zahle gut!"

"Trotzdem."

"Jeder hat seinen Preis, Delany. Und jeder ist käuflich!"

"Ich war es bisher nicht!"

McKenna ließ ein schallendes, freudloses Lachen hören. Dann wurde sein Gesicht plötzlich wieder sehr ernst. Er musterte sein Gegenüber mit einem kühlen Blick.

"Ich denke, Sie werden sich die Sache durch den Kopf gehen lassen, Mr. Delany... Verdammt, ich komme noch darauf, woher mir Ihr Name so bekannt vorkommt!"

27

Wesley Carter war sichtlich erleichtert über die Entwicklung der Ereignisse. Er schwang sich auf seinen Gaul, der ihm von den McKenna-Leuten etwas widerwillig - zusammen mit seinen Waffen - zurückgegeben worden war.

Aber es war nun einmal McKennas Wille, und das allein zählte. Da half auch noch so lautes Zähneknirschen nichts.

McKenna versprach sich etwas davon, so zu handeln und das hatte die Meute zu akzeptieren.

Und sie tat es auch.

Die Männer waren nichts anderes gewöhnt.

Sie waren wie eine Meute dressierter Hunde, die aufs Wort gehorchte.

"Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder, Mr.Delany!", gab McKenna seiner Hoffnung Ausdruck.

Delany nickte.

"Bestimmt, Sir."

McKenna schien einigermaßen zufrieden.

Aber Delany hatte das ganz anders gemeint, als sein Gegenüber es verstanden hatte.

Er hatte keineswegs die Absicht, als Killer in die Dienste dieses Mannes zu treten - um dann irgendwann einmal ein ähnliches Ende zu nehmen, wie der pockennarbige Shaw!

Sehr wohl aber würde sein Weg ihn wieder mit McKenna zusammenbringen. Das stand so fest wie das Amen in der Kirche.

Diese Sache war noch nicht erledigt. Da waren noch ein paar Rechnungen offen, die beglichen werden mussten.

In diesem Punkt war er vermutlich mit dem jungen, temperamentvollen Wesley einer Meinung. Aber Delany hatte nicht die Absicht, seinen Kopf bei den bevorstehenden Auseinandersetzungen aus dem Spiel zu lassen! Man musste verdammt schlau sein, um einen Gegner wie McKenna in die Knie zu zwingen.

Ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren, lenkte Delany sein Pferd herum und ließ es davontraben.

Er warf keinen Blick zurück.

Wesley folgte ihm, zunächst glücklich darüber, mit dem Leben davongekommen zu sein.

Aber dann verdüsterte sich mehr und mehr sein Gesicht.

Er schien sich nicht recht freuen zu können und Delany verstand ihn nur zu gut.

Unterdessen war es ziemlich dunkel geworden. Die letzten Sonnenstrahlen hatten sich über den Horizont gestohlen und bald würde es ziemlich schwierig werden, sich überhaupt noch zu orientieren.

"Ich hoffe, Sie kennen sich gut genug aus, um den Weg zur Ranch zu finden!", meinte Delany.

"Ich würde den Weg blind finden!", meinte Wesley trotzig.

Dann, nach kurzer Pause setzte er hinzu: "Sie haben eine Menge riskiert, Sir!"

"Ja, aber meine Rechnung ist aufgegangen. Andernfalls, würden Sie jetzt nicht neben mir im Sattel sitzen, Wesley."

"Stimmt, wenn man es so sieht..."

"Ich sehe es so."

"Ich wollte McKenna diesen Hund, zu einem Revolverduell fordern!"

"Machen Sie solche Dummheiten nie wieder, Wesley! Das nächste mal ist vielleicht niemand in der Nähe, der Sie raushaut!"

"Und was soll ich Ihrer Meinung nach tun?" Das Gesicht des jungen Carter hatte jetzt etwas, wildes, ärgerliches. Hass und Schmerz standen ihm im Gesicht geschrieben.

Eine gefährliche Mischung!, dachte Delany. Eine Mischung, die einen den Verstand verlieren lassen konnte... Und dabei war in dieser Situation nichts so dringlich, wie gerade den zu bewahren!

"Soll der Tod meiner Mutter vielleicht ungesühnt bleiben? Und mein Vater! Wer weiß, ob er sich je wieder ganz erholt!" Wesley schluckte. "Vielleicht ist er inzwischen auch schon tot. Wenn der Doc ihm nicht helfen konnte..." Er ballte die Hände zu Fäusten. "Ist das Gerechtigkeit, Mr. Delany? Dass ein Mann wie McKenna das County als sein Eigentum betrachtet! Dass er glaubt, das Gesetz missachten zu können! Dass er Menschen nach belieben vertreiben darf, wenn sie ihm im Weg sind und niemand etwas dagegen unternimmt!" Und mit sehr bitterem Unterton setzte er noch hinzu: "Für mich ist McKenna ein Mörder, der zur Rechenschaft gezogen werden muss! Ich werde nicht eher ruhen, bis das geschehen ist!"

Delany nickte.

"Ich auch nicht! In dem Punkt stimmen wir überein!"

"Gut!"

"Aber ich möchte noch am Leben sein, wenn diese Sache vorüber ist!"

28

Im fahlen Mondlicht erreichten Delany und Wesley die Ranch der Carters.

Von der Scheune stand nichts mehr. Das Wohnhaus sah zwar schlimm aus, aber man würde es retten können. Ein wenig Arbeit würde das schon machen, aber das war im Augenblick eines der geringeren Probleme.

Delany machte sein Pferd an einem Holzpflock fest, der von dem niedergerissenen Corral übriggeblieben war. Die Pferde, die hinter dem Gatter gewesen waren, streunten jetzt irgendwo auf den Weiden herum.

Sie würden schon nicht verloren gehen.

Es gab jetzt Wichtigeres, als Pferde einzufangen.

Ein paar gesattelte Gäule standen vor dem Wohnhaus. Eines gehörte Trump, ein anderes wahrscheinlich dem Doc.

Und der kam gerade in diesem Augenblick durch die zerschossene Haustür getreten.

Sein Gesicht war ernst.

"Tag, Dr. Andrews", wurde er von Wesley begrüßt.

Der Doc antwortete nur mit einem flüchtigen Nicken. Er vermied es, dem jungen Carter direkt in die Augen zu schauen.

"Wie steht es, Doc?"

"Es ist aus, Wesley", flüsterte der Arzt. "Tut mir leid, aber ich habe mir alle Mühe gegeben, Ihrem Vater zu helfen!"

Wesley schien fassungslos.

Er stürzte vorbei an Dr. Andrews ins Haus.

Der Doc wandte sich an Delany.

"Gehen Sie rein und trösten Sie Miss Sabella ein wenig! Das alles hat sie verständlicherweise sehr mitgenommen. Viel mehr, als sie zugeben will."

Das musste man Delany nicht zweimal sagen.

29

Im Inneren des Hauses brannte Licht, das den Blick auf verruste Wände freigab. Das Haus hatte bei dem Brand stark gelitten, aber Sabella und Trump hatten es retten können.

Phil Carter lag mit geschlossenen Augen auf seinem Lager.

Er würde sie nie wieder öffnen.

Und dasselbe galt für Maud, seine Frau, Sabellas und Wesleys Mutter.

Delany fasste Sabella vorsichtig bei den Schultern, woraufhin sie sich an seine Brust lehnte.

Eine ganze Weile - keiner von ihnen hätte hinterher genau sagen können, wie lange eigentlich - standen sie so da.

Delany legte den Arm um sie.

Er sagte nichts.

Alles, was in Augenblicken wie diesen sagen konnte, wäre irgendwie unpassend gewesen, das spürte er. Er strich ihr sanft über das Haar, während ihre Tränen sein Hemd benetzten.

Schließlich hob sie den Kopf und blickte ihm in die Augen.

"Das ist alles so furchtbar sinnlos!", flüsterte sie.

Und er nickte.

"Ja", hörte er seine eigene Stimme sagen und sie klang ihm in diesem Moment sehr fremd.

30

Früh am nächsten Morgen machten Delany und Wesley sich auf, um in die Stadt zu reiten.

Trump würde bei der Ranch bleiben.

Man mute schließlich mit allem rechnen. Auch damit, daß McKennas Leute erneut auftauchten.

"Passen Sie auf meinen Bruder auf", meinte Sabella. "Sie wissen ja, wie er ist..."

"Mach ich, Miss."

Als er bereits im Sattel saß, drückte sie ihm warm die Hand und hielt sie ein paar Augenblicke lang fest.

"Seien Sie vorsichtig, Mr. Delany. Ich möchte nicht, dass Ihnen etwas passiert."

"So leicht bin ich nicht zu überrumpeln", meinte er.

Das sollte leicht klingen, aber es erreichte sie nicht wirklich. Und es konnte auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es alles andere als ein Spaziergang war, was ihnen bevorstand.

"Ich werde an Sie denken", sagte sie.

Details

Seiten
Jahr
2017
ISBN (ePUB)
9783738911909
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (September)
Schlagworte
zwei western delanys kampf/die rückkehr leslie morgan

Autor

  • Alfred Bekker (Autor:in)

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Titel: Zwei Western: Delanys letzter Kampf/Die Rückkehr des Leslie Morgan