Commander Reilly #15: Die Weisen vom Sirius: Chronik der Sternenkrieger
Zusammenfassung
Chronik der Sternenkrieger
Science Fiction Roman von Alfred Bekker
Der Umfang dieses Buchs entspricht 123 Taschenbuchseiten.
Im Jahr 2234 übernimmt Commander Willard J. Reilly das Kommando über die STERNENKRIEGER, ein Kampfschiff des Space Army Corps der Humanen Welten. Die Menschheit befindet sich im wenig später ausbrechenden ersten Krieg gegen die außerirdischen Qriid in einer Position hoffnungsloser Unterlegenheit. Dem ungehemmten Expansionsdrang des aggressiven Alien-Imperiums haben die Verteidiger der Menschheit wenig mehr entgegenzusetzen, als ihren Mut und ihre Entschlossenheit.
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Commander Reilly #15: Die Weisen vom Sirius
Chronik der Sternenkrieger
Science Fiction Roman von Alfred Bekker
Der Umfang dieses Buchs entspricht 116 Taschenbuchseiten.
Im Jahr 2234 übernimmt Commander Willard J. Reilly das Kommando über die STERNENKRIEGER, ein Kampfschiff des Space Army Corps der Humanen Welten. Die Menschheit befindet sich im wenig später ausbrechenden ersten Krieg gegen die außerirdischen Qriid in einer Position hoffnungsloser Unterlegenheit. Dem ungehemmten Expansionsdrang des aggressiven Alien-Imperiums haben die Verteidiger der Menschheit wenig mehr entgegenzusetzen, als ihren Mut und ihre Entschlossenheit.
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Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Jack Raymond, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.
Übersicht über die Serie “Chronik der Sternenkrieger”
in chronologischer Reihenfolge
Einzelfolgen:
Commander Reilly 1: Ferne Mission (Handlungszeit 2234)
Commander Reilly 2: Raumschiff STERNENKRIEGER im Einsatz
Commander Reilly 3: Commander im Niemandsland
Commander Reilly 4: Das Niemandsland der Galaxis
Commander Reilly 5: Commander der drei Sonnen
Commander Reilly 6: Kampf um drei Sonnen
Commander Reilly 7: Commander im Sternenkrieg
Commander Reilly 8: Kosmischer Krisenherd
Commander Reilly 9: Invasion der Arachnoiden
Commander Reilly 10: Das Imperium der Arachnoiden
Commander Reilly 11: Verschwörer der Humanen Welten
Commander Reilly 12: Commander der Humanen Welten
Commander Reilly 13: Einsatzort Roter Stern
Commander Reilly 14: Im Licht des Roten Sterns
Commander Reilly 15: Die Weisen vom Sirius
Commander Reilly 16: Die Flotte der Qriid
Commander Reilly 17: Ein Raumkapitän der Qriid
Commander Reilly 18: Commander der Sternenkrieger
Commander Reilly 19: Eine Kolonie für Übermenschen
Commander Reilly 20: Kampfzone Tau Ceti
Commander Reilly 21: Prophet der Verräter
Commander Reilly 22: Einsamer Commander
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Terrifors Geschichte: Ein Space Army Corps Roman (Handlungszeit 2238)
Erstes Kommando: Extra-Roman (Handlungszeit 2242)
Erster Offizier: Extra-Roman (Handlungszeit 2246)
Chronik der Sternenkrieger 1 Captain auf der Brücke (Handlungszeit 2250)
Chronik der Sternenkrieger 2 Sieben Monde
Chronik der Sternenkrieger 3 Prototyp
Chronik der Sternenkrieger 4 Heiliges Imperium
Chronik der Sternenkrieger 5 Der Wega-Krieg
Chronik der Sternenkrieger 6 Zwischen allen Fronten
Chronik der Sternenkrieger 7 Höllenplanet
Chronik der Sternenkrieger 8 Wahre Marsianer
Chronik der Sternenkrieger 9 Überfall der Naarash
Chronik der Sternenkrieger 10 Der Palast
Chronik der Sternenkrieger 11 Angriff auf Alpha
Chronik der Sternenkrieger 12 Hinter dem Wurmloch
Chronik der Sternenkrieger 13 Letzte Chance
Chronik der Sternenkrieger 14 Dunkle Welten
Chronik der Sternenkrieger 15 In den Höhlen
Chronik der Sternenkrieger 16 Die Feuerwelt
Chronik der Sternenkrieger 17 Die Invasion
Chronik der Sternenkrieger 18 Planetarer Kampf
Chronik der Sternenkrieger 19 Notlandung
Chronik der Sternenkrieger 20 Vergeltung
Chronik der Sternenkrieger 21 Ins Herz des Feindes
Chronik der Sternenkrieger 22 Sklavenschiff
Chronik der Sternenkrieger 23 Alte Götter
Chronik der Sternenkrieger 24 Schlachtpläne
Chronik der Sternenkrieger 25 Aussichtslos
Chronik der Sternenkrieger 26 Schläfer
Chronik der Sternenkrieger 27 In Ruuneds Reich
Chronik der Sternenkrieger 28 Die verschwundenen Raumschiffe
Chronik der Sternenkrieger 29 Die Spur der Götter
Chronik der Sternenkrieger 30 Mission der Verlorenen
Chronik der Sternenkrieger 31 Planet der Wyyryy
Chronik der Sternenkrieger 32 Absturz des Phoenix
Chronik der Sternenkrieger 33 Goldenes Artefakt
Chronik der Sternenkrieger 34 Hundssterne
Chronik der Sternenkrieger 35 Ukasis Hölle
Chronik der Sternenkrieger 36 Die Exodus-Flotte (Handlungszeit 2256)
Chronik der Sternenkrieger 37 Zerstörer
Chronik der Sternenkrieger 38 Sunfrosts Weg (in Vorbereitung)
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Sammelbände:
Sammelband 1: Captain und Commander
Sammelband 2: Raumgefechte
Sammelband 3: Ferne Galaxis
Sammelband 4: Kosmischer Feind
Sammelband 5: Der Etnord-Krieg
Sammelband 6: Götter und Gegner
Sammelband 7: Schlächter des Alls
Sammelband 8: Verlorene Götter
Sammelband 9: Galaktischer Ruf
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Sonderausgaben:
Der Anfang der Saga (enthält “Terrifors Geschichte”, “Erstes Kommando” und
Chronik der Sternenkrieger #1-4)
Im Dienst des Space Army Corps (enthält “Terrifors Geschichte”, “Erstes Kommando”)
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Druckausgabe (auch als E-Book):
Chronik der Sternenkrieger: Drei Abenteuer #1 -12 (#1 enthält Terrifors Geschichte, Erstes Kommando und Captain auf der Brücke, die folgenden enthalten jeweils drei Bände und folgen der Nummerierung von Band 2 “Sieben Monde” an.)
Ferner erschienen Doppelbände, teilweise auch im Druck.
Copyright
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author
© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.
Alle Rechte vorbehalten.
Prolog: Schwarzsandwelt
(Aus den persönlichen Aufzeichnungen von Prosper Xavier Smith, Captain des Prospektorenschiffs BERESANTO aus der Firmenflotte der Outer Worlds Mining Company mit Firmensitz in Alphaville auf Alpha Centauri A II – Die Daten stammen aus dem Bordrechner, dessen Speicher aber nur teilweise aus dem Wrack der BERESANTO gesichert werden konnte. Sämtliche Angaben zu Uhrzeit und Datum der Einträge sind entweder durch interne Systemfehler gelöscht oder mit unsinnigen Angaben überschrieben worden. Es ist aber anzunehmen, dass sich der Aufzeichnungszeitraum vom Mai 2237 bis mindestens Juli 2237 erstreckt.)
Datum: XX.XX.XXXX
Uhrzeit: XX.XX.XX
Ich kann sagen, dass ich wirklich froh war, diesen Job zu bekommen. Die Outer Worlds Mining Company ist ja schließlich nicht irgendwer und nach der letzten Havarie, die ein von mir kommandiertes Frachtschiff sauber hingelegt hat, hatte ich eigentlich gedacht, nie wieder ein ziviles Kommando zu bekommen. Wer nimmt schon jemanden, dem das Pech an den Füßen zu kleben scheint. Aber lag es vielleicht in meiner Verantwortung, dass die Linie, für die ich geflogen bin, an der Wartung der Sandström-Aggregate sparte? Da ist es eben passiert und so ein Ding fliegt uns allen buchstäblich um die Ohren, kurz nachdem wir in den Normalraum zurückkehrten und Alpha Centauri A II ansteuern konnten. Ich hatte Glück, mit einer Rettungskapsel davonzukommen. Der Captain soll ja nach antikem Brauch eigentlich als letzter sein Schiff verlassen, aber dieses Ideal ist meines Erachtens nicht mehr zeitgemäß. Nur Dummköpfe tun so etwas. Und so war ich der einzige Überlebende. Aber das ist eine andere Geschichte.
Tatsache ist, dass ich vom untersuchenden zivilen Raumgericht in allen Punkten für unschuldig erklärt wurde, während die beratende Kammer in ihrer Urteilsbegründung ausdrücklich die erheblichen Mängel hervorhob, die es auf wartungstechnischer und organisatorischer Seite gegeben hatte.
Trotzdem. An mir blieb der schlechte Ruf hängen. Das scheint ein Naturgesetz zu sein, gegen das sich nicht viel machen lässt – und mag es auch noch so ungerecht sein. Aber wer kümmert sich schon darum, was gerecht ist und was nicht? Wer soll das beurteilen?
Manchmal denke ich, in diesem Punkt sind uns die Geierköpfe – sorry: politisch korrekt heißen die Biester ja Qriid – voraus. Sie wissen nämlich, wer ihr Universum regiert. Sie haben sehr feste Vorstellungen darüber, was richtig und was falsch ist und weshalb Gott ihr Volk unter allen erwählt hat, um das Heilige Imperium bis ans Ende der Vorstellungskraft auszudehnen. Was geschieht, geschieht, weil Gott es will. So einfach ist das für einen Qriid. Ein Mensch hat es da ohne Zweifel schwerer. Wenn ihm etwas zustößt, das er für ungerecht hält, hadert er mit sich und dem Universum und es scheint dann manchmal einfach keine Versöhnungsmöglichkeit mehr zwischen beiden zu geben.
Wie auch immer, ich war heil froh bei Outer Worlds anheuern zu können. Es geschah wohl gerade in einem sehr glücklichen Moment. Einem Moment, in dem der Markt für Piloten, Raumschiffkapitäne und dergleichen wie leergefegt war. Wen immer man hatte kriegen können, diente jetzt im Space Army Corps. Der Krieg mit den vogelköpfigen Qriid zog sich hin und forderte hohe Verluste.
Aber für mich wäre es nie in Betracht gekommen, meine Fähigkeiten dem Space Army Corps zur Verfügung zu stellen. Das hat keine finanziellen Gründe. Die Bezahlung ist bei den Raumstreitkräften schon in Ordnung und ich glaube sofort, dass die eine sehr wichtige Aufgabe erfüllen, angesichts der Tatsache, dass sich das Qriid-Imperium immer weiter und scheinbar unaufhaltsam ausweitet.
Nein, der Grund weshalb ich mich dort nie gemeldet habe und auch nie melden werde, ist purer Egoismus. Ich habe einfach keine Lust, in einem Blechkasten durch das All zu fliegen, der eines Tages mein Grab werden könnte. Lieber ein Qriid-Sklave als ein toter Space Army Corps Held, sage ich mir da immer. Das habe ich einmal in der Offiziersmesse der BERESANTO etwas zu laut gesagt. Carnavan, unser Rudergänger ist Anhänger der Humanity First Bewegung und konnte sich über meinen seiner Ansicht nach etwas laschen Standpunkt nur unwahrscheinlich aufregen.
In dem Moment vergaß er sogar, dass ich ihm durch meinen Rang übergeordnet und er mir per vertraglicher Zusicherung zu Höflichkeit und Respekt verpflichtet war.
Aber die Tatsache, dass eine Firma wie Outer Worlds so etwas in ihre Verträge hineinschreiben lässt, zeigt, dass es mit der Autorität ihrer Raumkapitäne wohl nicht immer zum Besten steht - denke ich zumindest.
Aber vielleicht behalte ich meine Meinung über viele Dinge in Zukunft einfach besser für mich.
Abends habe ich dann ja Gelegenheit dazu, ein bisschen in den Rechner einzugeben und das Geschehene zu reflektieren.
Wie auch immer.
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Datum: XX.XX.XXXX
Uhrzeit: XX.XX.XX
Eigentlich bin ich nicht Captain eines Raumschiffs, sondern eines gewaltigen Schaufelbaggers. So ähnlich muss man sich die BERESANTO vorstellen. Von der Größe her kommen wir an die Dreadnought-Schlachtschiffe heran, mit dem Unterschied, dass auf der BERESANTO kam mehr als 100 Mann Dienst tun. Und die hundert Mann waren schon schwer genug zusammenzukriegen, weil geeignetes Personal im Augenblick knapp ist. Rudergänger zum Beispiel findet man kaum noch. Es gibt so viele Pilotenjobs beim Space Army Corps, dass für andere kaum etwas übrig bleibt. Scheinen alle ganz versessen darauf zu sein, im Kampf gegen die schnabeltragenden Heiligen zu sterben. Die BERESANTO muss mit zwei Rudergängern auskommen – Leila Al-Hazred und Ulrich Blendker. Erstere ist eine strenge Muslima, trägt ein Kopftuch und hat über ihre Gewerkschaft die Einhaltung der Gebetszeiten eingeklagt und Recht bekommen. Und das bei nur zwei ausgebildeten Rudergängern, die theoretisch Zwölfstundenschichten fahren müssten! Outer Worlds steht auf dem Standpunkt, dass die Gebetsregelung nun innerhalb der Humanen Welten gilt und unser Zielgebiet im Braden-System liegt eindeutig außerhalb des Geltungsbereichs der Bundesgesetze, da sind sich alle einig.
Also hat mein Vorgesetzter vom Konzern mir gesagt, ich soll auf die Einhaltung des Gesetzes dringen – und das gilt nur innerhalb der Bundesgrenzen. Ganz einfach. Im Braden-System soll meine Erste Rudergängerin beten wann sie will, nur nicht während ihrer Schicht.
„Haben Sie das mit ihr besprochen?“, frage ich den Kerl. Er heißt Patterson und nennt sich Sub-Director. Er residiert im 456. Stock des Main-Tower von Alphaville auf Alpha Centauri A II. Viereinhalb Lichtjahre sind es von dort bis zur Erde und bei klarem Nachthimmel kann man Sol sehr gut sehen. Man muss nur nach den hellsten Stern am Himmel suchen. Und da die Nacht auf Alpha Centauri A II auf Grund der langsamen Rotation gut zwei Erdmonate dauert, gibt es da natürlich nicht den normalen Tag/Nacht-Wechsel. Deshalb war ich auch mitten in der langen Nacht in Pattersons Büro, sah durch die transparente Wand die Erdsonne leuchten – von hier aus heller als Sirius – und wartete auf eine Antwort.
Paterson erhob sich hinter seinem Rechner-Terminal.
Ein kleiner Mann mit schmalen Augen. Ich wusste, dass er mit seinen 90 Jahren kurz vor der Pensionsgrenze für Mitarbeiter des Outer Worlds Konzerns stand. Eine Regelung, die bei einer durchschnittlichen menschlichen Lebenserwartung von ca. 110 Jahren dem Durchschnitt entsprach. Aber Patterson sah nicht aus wie 90. Sein Haar und sein Bart waren pechschwarz wie einem dreißigjährigen und die Haut wirkte straff und elastisch. Wahrscheinlich hatte er eine der illegalen Gen-Behandlungen auf den Drei Systemen mitgemacht. Er wurde zwar nicht wirklich jünger dadurch, aber er sah zumindest so aus.
„Sie haben das doch mit Rudergänger Al-Hazred besprochen, oder?“, vergewisserte ich mich. Ich kannte Leila Al-Hazred nur flüchtig, wusste aber genug, um zu wissen, dass sie ziemlich durchsetzungsfreudig bei der Verfolgung ihrer Interessen war. Und ich hatte wirklich keine Lust, mich mit ihr auf irgendeinem Außenweltlerplaneten wegen der Auslegung eines bundesgerichtlichen Richterspruchs herumstreiten zu müssen.
„Nein, Sir, ich habe mit Rudergänger Al-Hazred nicht gesprochen. Ich hatte mir gedacht, dass...“
„...dass ich das mache?“, hakte ich nach.
„Sie sind für Ihr diplomatisches Einfühlungsvermögen berühmt, Captain Smith.“
„Keine Ahnung, wer Ihnen das erzählt hat, Sub-Director Patterson.“
„Nun, ich...“
„Derjenige kann mich unmöglich kennen.“
„Hören Sie, Smith! Ich denke, dass die Macht des Faktischen Ihren Ersten Rudergänger schon zur Vernunft bringen wird. Sie wird das schon einsehen.“
„Sie scheinen ein unverbesserlicher Optimist zu sein.“
„Weisen Sie sie einfach darauf hin, dass sie für alle finanzielle Folgen verantwortlich ist, die sich aus ihrer Abwesenheit an der Steuerkonsole ergeben können – etwa wenn das mitten in einer Schürfphase geschieht und die Ansaugrohre verstopfen, weil sie nicht früh genug die Kurskorrekturen durchgeführt hat!“
Ich dachte nur: Feigling!
Aber vielleicht war ich selbst einer, weil ich ihm das nicht ins Gesicht sagte.
Wie auch immer.
Ich hatte die Wahl. Jetzt den Ärger oder später im Braden-System. Ich wählte später. Wahrscheinlich ein Fehler, aber ich weiß nicht, ob es nicht genauso gut ein Fehler gewesen wäre, mich jetzt und hier mit Patterson anzulegen.
Mit so einem wie mir könnt ihr’s ja machen!, dachte ich und hätte Patterson am liebsten eins in seine gentherapierte Visage geschlagen, um zu testen, wie groß die Spannkraft seiner injizierten Frischzellen wohl wirklich sein mochte.
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Datum: XX.XX.XXXX
Uhrzeit: XX.XX.XX
Der Erste Offizier heißt Liedong Wang – oder eigentlich Wang Liedong, denn er besteht darauf, den Familiennamen zuerst zu nennen, wie es chinesischer Tradition entspricht. Ein fähiger Mann, genau wie Walter Brennan unser L.I, dem an Bord der BERESANTO nicht nur die Kontrolle über die Triebwerke obliegt, sondern auch über die Förderanlagen. Dabei arbeitet er mit unserer Chefmechanikerin Larissa Seinig zusammen. Die beiden sorgen dafür, dass wir immer das Richtige an Mineralien und Erzen aus dem Boden herausholen. Im Prinzip ist BERESANTO für alle möglichen Arten der Boden- und Materialbeschaffenheit ausgerüstet. Man schickt diesen Koloss zu irgendeinem Materieklumpen, der munter seine Bahn durch Universum zieht und fängt an, dessen Oberfläche durchzupflügen. So funktioniert das. Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen – nur dass wir das Gott sei Dank nicht von Hand machen müssen, sondern Maschinen dafür haben. Am Heck der BERESANTO ist ein riesiges Ausstoßrohr, aus dem die Schlacke herauskommt. Wir nennen es den „After des Wals“. Hier draußen außerhalb der Grenzen der Humanen Welten brauchen wir ja die auf die Vorschriften zum Schutz planetarer Umwelt oder den Gesetzen gegen die Weltraumverschmutzung keine Rücksicht zu nehmen. Und ein Konzern wie Outer Worlds tut das dann auch nicht. Warum auch? Das Braden-System ist, wenn man es genau betrachtet, ein Haufen herrenloser Materiebrocken, der vielleicht irgendwann mal zum K'aradan-Reich gehört hat, aber von diesem nicht mehr beansprucht wird. Oder es gibt einen Anspruch, der aber nicht durchgesetzt werden kann. Ist mir auch gleichgültig.
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Datum: XX.XX.XXXX
Uhrzeit: XX.XX.XX
Der Trivialname von Braden VI lautet Schwarzsandwelt. Keine Ahnung, wer auf die Idee gekommen ist, diesem Planeten einen derartigen Bandwurmnamen zu geben. Vielleicht die Olvanorer-Mönche, die im Braden-System ein paar Stationen betreiben.
Schwarzsandwelt.
Klingt seltsam. Aber der Name passt.
Die Oberfläche dieser Welt besteht aus einer Art Nano-Granulat, das wertvolle Stoffe enthält. Vor allem Metalle und seltene Erden. Allerdings in einer chemischen Zusammensetzung und einem Aggregatzustand, der mehr als ungewöhnlich ist. Das ganze gleicht einem stark blei- und wolframhaltigen feinen Sand. Im Inneren vermuten wir große Mengen Uran, das zum Kern hinab gesunken sein dürfte, dort eine kritische Masse von Uran-235 erreicht hat einen natürlichen Reaktor in Betrieb hält. Dafür spricht, dass die Oberflächentemperatur mit etwa null Grad Celsius viel zu warm ist, wenn man bedenkt, dass die Entfernung vom Zentralgestirn Braden fast acht Astronomische Einheiten beträgt.
Wir saugen diesen Nano-Sand an, schaufeln ihn in den Bauch der BERESANTO und unterziehen ihn einer Reihe von Trennungsprozessen. Genauer habe ich mich damit nie beschäftigt. Warum auch? Soll sich Larissa Seinig darum kümmern. Das ist ihr Job. Dafür hat sie schließlich studiert und wohl auch einen akademischen Grad erworben.
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Datum: XX.XX.XXXX
Uhrzeit: XX.XX.XX
„Versuchen Sie mit der Olvanorer-Station hier auf Schwarzsandwelt Kontakt aufzunehmen“, forderte ich Pär Hellström, unseren Funker auf.
„Wie bitte, Sir?“, fragte er mich und sah mich dabei an, als ob er einen leibhaftigen Geist vor sich hätte.
Ich erwiderte Hellströms Blick.
Er war mit den Gedanken offenbar woanders gewesen.
Wahrscheinlich bei der dunkelhaarigen, mit der er auf Far Away 93 dauernd herumgeflirtet hatte. Far Away 93 war einer der äußersten Außenposten der Humanen Welten. Eigentlich eine militärische Dock-Station, die in der Lage war, im Kampf beschädigte Schiffe zu reparieren. Aber so weit draußen nahm man das Reglement nicht so genau. Space Army Corps Schiffe hatten natürlich Vorrang, aber sofern Kapazitäten übrig waren, konnten auch Konzernschiffe die Station anlaufen.
„Wäre schön, wenn Sie ihre schwülen Träume auf die Zeit außerhalb Ihrer Schicht verlegen könnten, Mister Hellström“, sagte ich.
Er knurrte irgendetwas.
Die jungen Leute sind heute aber auch so verdammt empfindlich. Ich stelle mir vor, dass er nachher in der Kantine herumerzählte, ich sei Schuld an der schlechten Stimmung an Bord.
„Es wäre schön, wenn Sie sachlich bleiben, Captain“ sagte er.
„Und ich fände es toll, wenn Sie zur Abwechslung mal Ihren Job machen würden und der besteht darin, meine Befehle auszuführen. Ist doch nicht so schwer, oder? Die Codierung der Olvanorer-Station dürfte im Bordrechner zu finden sein. Also funken Sie die frommen Männer an und holen Sie mir einen davon auf den Schirm.“
„Ja, Sir!“, erwiderte er gepresst.
Innerhalb der Humanen Welten gilt das Bundesgesetz, innerhalb der Konzernhierarchie das Konzern-Reglement – aber auf einem Schiff, das ich kommandiere gilt nur Gottes Wort.
Und Gott ist mein dritter Vorname, den ich aus Bescheidenheit immer verschweige.
*
Wenig später war es Pär Hellström endlich gelungen, Kontakt zum hiesigen Olvanorer-Camp zu bekommen.
„Ich hoffe, Sie können dieses Signal einwandfrei empfangen“, sagte eine blasse Gestalt von unserem Panorama-Schirm herab. Die dunkle Kutte ließ diese jämmerliche Erscheinung noch erbärmlicher aussehen. Da sein Gesicht mit dem Faktor eins zu zehn hochgezoomt war, sah man jede Hautunreinheit und die Mitesser in den Poren. Das Gesicht des grauhaarigen Olvanorer-Bruders wirkte abwesend. Als ob er nicht so richtig von dieser Welt stammte. Das Lächeln fand ich eher debil als freundlich. Aber ich bin mir sicher, dass ich in diesem Punkt mit dem Gros meiner Mannschaft keinen Konsens erreichen würde.
„Hier Olvanorer-Station Schwarzsandwelt an BERESANTO. Mein Name ist Bruder Murius, wie Sie sicher der ID-Kennung dieses Signals entnehmen werden. Ich muss Sie warnen. Ihre Vorgehensweise bei der Gewinnung von Rohstoffen...“
Der Rest war nicht zu verstehen.
Bruder Murius bewegte den Mund und unterstrich seine Ausführungen noch mit weit ausholenden Gesten.
Allerdings konnte man von seinen Worten nichts mehr verstehen.
Nicht ein einziger Laut wurde übertragen. Schließlich entstanden auch noch Schlieren im Bild. Sie tanzten wie Luftschlangen.
„Was ist los, Mister Hellström?“, fragte ich.
„Keine Ahnung, Sir. Die Qualität des Signals lässt rapide nach.“
„Ihre Analyse, I.O.?“
Wang runzelte die Stirn. Sein asiatisch-unbewegtes Gesicht gab in diesem Moment überraschend viel von seinem Innenleben preis. „Ich habe so etwas noch nie gesehen, Captain.“
„Wovon sprechen Sie, Wang?“
Wang schaltete an seiner Konsole herum. Er öffnete ein Fenster in der Bildanzeige des Panorama-Schirms, in dem ein Ausschnitt am Horizont herangezoomt wurde.
Der staubfeine schwarze Sand, der den Planeten bedeckte, hatte sich zu einer Wolke erhoben. Unzählige Partikel schwebten umher. Sie bildeten einen Schwarm, der an Insekten erinnerte. Eine grauschwarze Staubwand bildete sich. Im Hintergrund ging einer der Monde der Schwarzsandwelt auf. Durch das Licht, das dieser Himmelskörper reflektierte wurde die schwarmartig durcheinander wirbelnde Partikelwolke besser sichtbar.
„Ist das die Ursache der Funkstörung?“, fragte ich.
„Positiv, Sir“, meldete sich unsere Ortungsoffizierin Patti Mikolaainen zu Wort. Ihre Ausdrucksweise ging mir manchmal ziemlich auf den Geist. Positiv, Sir. Negativ, Sir. So was lernt man wohl beim Space Army Corps. Da war sie unehrenhaft ausgemustert worden. Ich glaube wegen sexueller Belästigung und fortgesetztem Stalking gegenüber einer Vorgesetzten. Vielleicht hätte sie besser auf einem Olvanorer-Schiff mit ausschließlich männlicher Besatzung angeheuert. Weder Leila Al-Hazred noch Larissa Seinig wissen über Pattis Vergangenheit Bescheid und ich warte eigentlich nur darauf, dass es da das erste Mal knallt.
Patti hatte den größtmöglichen Zoomfaktor eingestellt. Ich ließ mir die Ortungsdaten auf meiner Konsole anzeigen, um mir ein eigenes Bild machen zu können.
Frei bewegliche Nano-Teilchen, für deren Verhalten es keine plausible Erklärung gab. Man muss dazu wissen, dass es auf Schwarzsandwelt keine Atmosphäre gibt.
Das gehört zu den vielen Anomalien auf dieser Welt. Jeder Gesteinsbrocken hat von einer gewissen Größe an eine Atmosphäre. Selbst der Merkur, der streng genommen eine Sauerstoffwelt ist, weil seine Atmosphäre etwa zur Hälfte aus diesem Gas besteht. Dass die Atmosphäre so dünn ist, dass sie einem Industrie-Vakuum auf der Erde entspräche, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Aber eigentlich ist es normal, dass ein massiver, aus Metall und Gestein bestehender Planet gast. Und auf einem Himmelskörper von der Größe der Schwarzsandwelt müssten diese Gase eigentlich auch festgehalten werden und sich im Laufe der Jahrmillionen zu einer Atmosphäre verdichten, die diesen Namen auch verdient. Ich schaute auf die Anzeigen. 1,1 g zeigte unsere Ortung an. Eine Schwerkraft, die zehn Prozent über dem Erdniveau lag. Innerhalb der BERESANTO bekamen wir davon natürlich nichts mit, dafür sorgte unsere künstliche Schwerkraft, die ständig auf einem gleich bleibenden Niveau von exakt 1,0 g gehalten wurde.
„Funkkontakt ist komplett ausgefallen“, meldete Pär Hellström. „Die Signale der Olvanorer dringen nicht mehr durch.“
„Versuchen Sie es im Sandström-Frequenzbereich“, forderte ich.
Den Überlichtfunk für die Kommunikation auf einem Planeten zu benutzen, machte nur dann Sinn, wenn sich Sender und Empfänger auf unterschiedlichen Hemisphären befanden und quasi der ganze Planet wie eine riesige Abschirmung dazwischen lag. Aber das war hier nicht der Fall. Die Olvanorer-Station war keine fünfhundert Kilometer von uns entfernt.
Ein Katzensprung.
„Kein Kontakt“, erklärte Pär Hellström nach einer kurzen Pause.
Ich wandte mich an die Nummer Eins.
„Und Sie glauben wirklich, dass das mit diesen tanzenden Staubpartikeln zu tun hat?“
„Schwer zu sagen.“
Ich hasse es, wenn Leute sich nicht festlegen können.
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Datum: XX.XX.XXXX
Uhrzeit: XX.XX.XX
Ich sprach später mit Larissa Seinig. Doktor Seinig, wie ich immer vergesse zu erwähnen. Aber Doktor Seinig war der Ansicht, dass es schwer genug war, in Chemie einen akademischen Grad zu erwerben und dass es ihr deshalb auch zustand, von jedem als Doktor angesprochen zu werden. Ich bin ja bekannt dafür, dass ich immer auf ein kooperatives Verhältnis zu meinen Crew-Mitgliedern achte und so weit es irgendwie möglich ist, auf ihre Schrullen eingehe.
„Also, dann lassen Sie mal hören, Doktor Seinig“, sagte ich und sie runzelte die Stirn, weil sie wohl aus der Art und Weise, in der ich ihren akademischen Grad betonte einen nicht näher zu bestimmenden Grad an Herablassung herauszuhören glaubte. Manche Leute leiden tatsächlich unter Verfolgungswahn.
„Patti hat mir die Ortungsergebnisse überspielt und ich habe sie einer gründlichen Analyse unterzogen“, sagte Seinig.
„Und?“
„Sieht wie eine Selbstorganisation kleinster Teilchen aus.“
„Klingt, als wären die lebendig.“
„Nein, das trifft es nun wirklich nicht. Ich kann es Ihnen auch nicht näher erklären, Captain. So ein Phänomen ist bisher nur theoretisch beschrieben worden – und auch nur auf Quantenebene. Aber was hier stattfindet... Das widerspricht einfach allen physikalischen Gesetzen.“ Sie zuckte die Schultern. „Aber der ganze Planet scheint ja nicht ganz normal zu sein. Ich habe noch mal die Daten gecheckt. Es gibt wirklich kein einziges Gasmolekül in dem von unseren Sensoren erfassten Bereich.“
„Und was ist mit dem Zeug, das wir hier aus dem Boden holen?“
„Erstklassige Qualität Captain.“
„Das ist ja schon mal was.“
„Allerdings frage ich mich auch, wie sich das Oberflächenmaterial in dieser quasi pulverisierten Form halten kann? Eigentlich wäre es normal, dass es durch die Gravitation zusammengepresst wird. Außerdem müssten chemische Reaktionen stattfinden, aber die scheinen in dem speziellen Zustand, in dem sich die Materie der Schwarzsandwelt befindet, irgendwie gehemmt zu werden. Durch welchen chemisch-physikalischen Mechanismus das geschieht, ist mir noch nicht klar.“ Seinig zuckte die schmalen Schultern. „Ehrlich gesagt weiß ich auch nicht, ob es sich überhaupt lohnt, die Sache weiter zu erforschen.“
„Wie?“
Ich sah sie erstaunt an.
Und dann erklärte mir Seinig in aller Ruhe: „In zwei Wochen sind unsere Ladedecks voll und dann machen wir hier einen Abflug. Wen interessiert es schon, weshalb hier ein paar Staubteilchen durch die Luft fliegen und den Funkverkehr behindern? Und abgesehen davon: Sind Sie wirklich so scharf drauf, sich mit ein paar pazifistischen Olvanorern zu streiten, die Sie bereits für einen Anti-Alienisten á la Humanity First halten, wenn Sie nur einen fremden Sandklumpen durchpflügen, den sowieso niemand haben will. Aber für die Mönchs-Kollegen ist das sicher schon eine Form von Gewalt.“
Ich starrte Seinig etwas ratlos an.
Jetzt wunderte es ich zumindest nicht mehr, warum sie nur Chefchemikerin auf einem fliegenden Schaufelbagger wie der BERESANTO war und wohl auch nie einen Nobel-Preis gewinnen würde. Bei dem ausgeprägten Forscher-Ehrgeiz! Da haben ja die Siriusischen Vakuum-Schaben mehr neugierigen Forschergeist als diese abgehalfterte Schachtel, der die Erwähnung ihres akademischen Grades so wichtig war.
„Versuchen Sie trotzdem herauszufinden, was es damit auf sich hat, falls es Ihre begrenzte...“ – beinahe hätte ich Auffassungsgabe oder geistige Kraft gesagt, aber ich konnte mich beherrschen – „...ihre begrenzte Zeit zulässt, Doktor Seinig.“
„Ja, Sir.“
„Wenn nämlich diese anomalen Eigenschaften auch dem Material eigen sind, das wir an Bord genommen haben, dann könnte das ziemlich üble Folgen haben.“
„Sie haben offenbar mit dem L.I. gesprochen...“
„Ja“, sagte ich, obwohl das nicht stimmte. Aber es verlieh meinen Worten in diesem Moment noch etwas mehr Nachdruck, wie ich fand.
Den Leitenden Ingenieur Walter Brennan hatte ich das letzte Mal auf einem Bildschirm gesehen, kurz bevor wir mit der Förderung auf Schwarzsandwelt begannen. Ein Eigenbrötler, aber das darf er in seinem Job auch sein. Dass Seinig ihn nicht leiden konnte, war mir klar. Er redet nur das nötigste und macht im Großen und Ganzen, was er will. Solange die Maschinen laufen habe ich auch nichts dagegen. Aber Seinig kommt mit Brannigans lakonischer Art nicht klar, was für mich kein Wunder ist. Seinig kontrolliert gerne alles. Und Brennan hasst Kontrollen durch andere. Das ist wie Feuer und Wasser. Kurz gesagt: Unvereinbar.
„Und Brennan hat dazu wirklich etwas gesagt?“, fragte Seinig. Sie konnte es offenbar nicht wirklich fassen.
„Sie können sich ja gerne vergewissern.“
„Nein, danke.“
„Im Moment befinden wir uns doch in der Delta-Phase, wenn ich das Gebrumme aus dem Maschinentrakt richtig deute. Da hat unsere Plaudertasche sicher jede Menge Zeit.“
„Sehr witzig, Captain. Ihr Humor ist wirklich so was von kultiviert...“
„Da können Sie mal sehen. Sobald Sie Ergebnisse haben, melden Sie die sofort zeitgleich an die Brücke und an meine persönliche Kommunikator-Adresse.“
Datum: XX.XX.XXXX
Uhrzeit: XX.XX.XX
Der aufgewirbelte Nano-Staub – oder wie immer man das Phänomen jetzt auch bezeichnen mag – hat sich wieder abgesetzt. Die Ursache für die seltsamen und vollkommen anomalen Materialeigenschaften konnte nicht ermittelt werden.
Wir nähern uns jetzt der Olvanorer-Station.
Ich habe mich etwa hingelegt und Wang das Kommando überlassen.
Er hatte Anweisung, mich zu wecken, sobald es der BERESANTO gelingen sollte, Kontakt zum Olvanorer-Camp aufzunehmen.
Pär Hellström informierte mich darüber, dass das nicht gelungen sei.
„Irgendeine Erklärung dafür?“, fragte ich.
„Nein, Captain, wir sind jetzt so nahe dran, dass nicht einmal ein ausgewachsener Sandsturm oder so etwas irgendwelche Beeinträchtigungen des Funkverkehrs mit sich bringen könnte. Davon abgesehen gibt es auf der Schwarzsandwelt ja auch keine Stürme, weil keine Atmosphäre existiert.“
„Sehen Sie, genau das ist der Punkt, der mir Sorgen macht.“
Ich ließ mich direkt von meiner Kabine aus mit Otto Blendker, dem Zweiten und vor allem gerade diensthabenden Rudergänger verbinden. Seine Schicht hatte gerade erst begonnen, was den unschätzbaren Vorteil hatte, dass er nicht so müde war, dass er über die Audio-Komleitung völlig debil wirkte. Gegen Ende seiner Schicht konnte das schon mal passieren, zumal er auch noch unter einem Sprachfehler litt. Na ja, er wurde von Outer Worlds ja auch nicht für seine Sprecher-Qualitäten engagiert.
„Wie groß ist der Abstand zu Olvanorer-Station?“, fragte ich.
„Fünfzig Kilometer“, sagte Blendker.
Wenn man sich an sein Genuschel gewöhnt, versteht man ihn ganz gut.
„Seltsam, dass die sich nicht melden. Können Sie Biozeichen orten, Hellström?“, fragte ich.
Hellström verneinte.
„Nicht auf diese Entfernung und nicht im Inneren der Station. Allenfalls, wenn jemand draußen unter freiem Himmel ist. Aber dann müsste es auch Signaturen von Raumanzügen, Gleitern, Shuttles et cetera geben.“
„Und so etwas haben die Mönche nicht?“
„Jedenfalls nichts, was in Betrieb wäre. Ich kann keine Energiezelle orten, die noch Aktivität zeigt. Diese heiligen Männer können ja wohl schlecht durch das Vakuum gehen, ohne einen Schutzanzug. Und was die Station angeht, müsste die auch ein Minimum an Energieversorgung haben.“
Ein Ruck ging in diesem Moment durch die BERESANTO.
Der Andruckabsorber konnte den plötzlichen Stoß offenbar nicht auffangen. Es ist immer dasselbe. Auf den Outer Worlds-Schiffen werden immer nur die preiswertesten Aggregate verwendet. Und die werden dann noch nicht einmal so gewartet, wie das eigentlich sein müsste.
Ich wurde gegen die Wand meiner Kabine geschleudert.
Das vertraute Brummen, das den Schiffskörper der BERESANTO durchdrang und den Boden immer ein bisschen vibrieren ließ, war verstummt.
Das bedeutete, dass der Fördervorgang abgebrochen worden war. Ich betätigte den Armbandkommunikator.
„Hier Captain an Brücke. Was ist da los?“
„Ein Schaden in der Förderanlage“, sagte mein I.O..
Wang hat immer eine unverwechselbar stoische Art, so etwas mitzuteilen. Ich sah sein Gesicht auf dem Mini-Display des Kommunikators. Es bewegte sich kaum und wirkte ungerührt.
Der Leitende Ingenieur meldete sich zu über eine Konferenzschaltung an alle zu Wort. „Da blockiert irgendetwas“, meinte er. Eine weitergehende Erklärung schien er nicht für nötig zu erachten. Es war insgesamt das dritte Mal, dass während unseres Aufenthaltes auf der Schwarzsandwelt irgendetwas blockierte. So etwas kam gelegentlich vor. Aber nicht so häufig. Dann verstand entweder der L.I. oder der Chefchemiker oder der Rudergänger sein Handwerk nicht. Vielleicht auch alle drei und das hielt ich dann doch für ziemlich unwahrscheinlich.
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Datum: XX.XX.XXXX
Uhrzeit: XX.XX.XX
Der L.I. hat mir versucht zu erklären, warum die Förderanlage blockiert. Manche der Staubpartikel seien so fein, dass sie die Rohre durchdringen können. Nano-Partikel eben.
„Da geht eben immer ein bisschen daneben und nach einer Weile hat man den Salat.“
„Wie lange brauchen Sie, um das wieder hinzukriegen?“, hakte ich nach. Das war das Einzige, was mich interessierte. Sonst hätte ich selbst irgendwann Ingenieurwesen studiert.
„Ich tue, was ich kann.“
Beim ersten Mal war die Sache in zehn Minuten behoben gewesen, beim zweiten Mal hatte es eine Stunde gedauert. Mir schwante nichts Gutes, was die Dauer dieser Reparatur betraf.
*
Zwei Sunden später traf ich mich mit den Offizieren in der Messe, um die Lage zu besprechen. Die Lebenserhaltung und die Energieerzeugung funktionierten einwandfrei.
„Das ist ja schon mal etwas“, konnte ich mir einen gewissen Sarkasmus nicht verkneifen. „Das heißt immerhin, dass wir nicht ersticken werden und auch die um zehn Prozent höhere Schwerkraft dieses Planeten nicht aushalten müssen, wozu nebenbei gesagt wohl jeder von uns in der Lage wäre!“ Ich wandte mich an den Ersten Offizier. „Ich bitte um einen Lagebericht, Wang!“
„Die Reparatur kommt nur schleppend voran. Dieser Nano-Staub dringt buchstäblich in jede Ritze und da werden wir wohl erst die halbe Anlage reinigen müssen, ehe das wieder läuft. Davon abgesehen ist die Hauptenergieversorgung zwar noch intakt, aber ein paar Nebenaggregate hat es erwischt. Vielleicht kann Ihnen der L.I. dazu etwas mehr sagen.“
„L.I.?“, wandte ich mich fragend an Brennan.
„Es sind die Aggregate, die zum Betrieb der Förderanlage wichtig sind, aber nicht mit der Hauptversorgung in Verbindung stehen“, gab Brennan Auskunft.
Ein ganzer Satz ohne zu stocken! Eine reife Leistung für den Lakoniker Brennan. Da sieht man mal wieder wie jemand über sich hinauswächst, wenn es die Situation von ihm erfordert.
„Da haben wir ja mächtig Glück, dass beide Bereiche an Bord der BERESANTO strickt voneinander getrennt sind.“
„Ich hoffe nur, dass es nicht zu Verunreinigungen in erheblichem Ausmaß gekommen ist und die Qualität des Materials am Ende darunter leidet“, meldete sich nun unsere Chefchemikerin DOKTOR Larissa Seinig zu Wort. DOKTOR in Großbuchstaben und in jeder nur erdenklichen Hinsicht natürlich betont. „Ihnen allen ist bewusst, dass wir in so einem Fall mit Abzügen von unserer Raum-Heuer rechnen müssen.“
„Wenn die mir was abziehen, werde ich gerichtlich dagegen vorgehen“, mischte sich Pär Hellström ein.
Ortungsoffizierin Patti Mikolaainen versuchte, das Gespräch wieder in eine etwas sachlichere und professionellere Bahn zu lenken. „Ist so etwas denn auf Grund der bisherigen Ereignisse möglich?“
„Die Gefahr besteht bei jedem Förderstopp – gerade, wenn man mit einem so feinen Material umzugehen hat, wie es im Moment der Fall ist“, erklärte Seinig. „Normalerweise gibt es Mechanismen, die bei einem kompletten oder teilweisen Ausfall von Systemen Verunreinigungen ein vertretbares Maß überschreiten, aber im Moment haben wir solche Vorfälle in Serie und ich fürchte, da nützen unsere Schutzmechanismen nichts mehr.“
Na großartig!, ging es mir ärgerlich durch den Kopf. Eine gekürzte Heuer. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Ein Raumkapitän in der freien Wirtschaft verdient ohnehin nicht unbedingt Reichtümer.
Da gab es noch eine andere Sache, die mich brennend interessierte.
Das Camp der Olvanorer.
Ich sprach Mikolaainen und Hellström darauf an.
Aber es gab weder Funksignale noch irgendetwas, das sich ortungstechnisch hätte erfassen und uns etwas darüber verraten konnte, was sich dort abspielte.
„Nach Angaben des L.I. hätten wir Zeit, uns im Camp mal umzusehen“, meinte Ulrich Blendker. Der zweite Rudergänger strich sich mit einer fahrigen Geste über das Gesicht. „Sie wissen, dass wir zur Hilfeleistung verpflichtet sind, falls wir auf Menschen stoßen, die in Not sind, Captain Smith.“
„Allerdings habe wir keinen Notruf empfangen“, gab Patti Mikolaainen zu bedenken. „Verpflichtet sind wir also zu gar nichts.“
„Notruf oder eine andere geeignete Form der Kenntnisnahme einer Notsituation – das ist die Originalformulierung im Outer Worlds Reglement, die übrigens wörtlich aus den Statuten der Humanen Welten übernommen wurde“, mischte sich Leila Al-Hazred ein.
„Ich fürchte ein plötzlicher Abbruch jeglicher Funkaktivität wird die Versicherung unsers Konzens letztlich als andere geeignete Form der Kenntnisnahme interpretieren“, glaubte Wang. „Und das bedeutet, dass zumindest die Offiziere am Ende persönlich haftbar gemacht werden können, wenn sich herausstellt, dass hier irgendeine Tragödie stattgefunden hat, bei der wir hätten helfen können und es nicht getan haben.“
Eins musste man unserem I.O. lassen.
In Rechtsfragen kannte er sich aus.
Er wusste, wie man so viel wie möglich für sich rausholte, ohne dass man in irgendwelche Schwierigkeiten kam.
Ich habe mir mal erlaubt, in seine Personaldatei, etwas genauer hineinzuschauen – und zwar auch in die Sektoren, die eigentlich nur unter bestimmten Voraussetzungen einsehbar sind. Mit ein paar Tricks ist das kein Problem. Wang Liedong hat den Outer Worlds Konzern insgesamt dreimal verklagt und dabei Summen herausgeholt, die einem Jahresgehalt entsprechen. Immer ging es um irgendwelche Spitzfindigkeiten. Ich frage mich weshalb sie ihn immer wieder anheuern und nicht einfach rausgeschmissen haben. Wahrscheinlich ist es einfach unmöglich, ihn derzeit zu ersetzen.
„Wir werden uns dort umsehen“, entschied ich. „Ehrlich gesagt glaube ich nämlich nicht, dass es sich um eine freiwillige Funkabstinenz handelt. Da muss irgendetwas passiert sein.“
„Aber wir können nicht mit Energiezellen aushelfen Captain“, erklärte der Leitende Ingenieur Walter Brennan. „Es sind bei dem letzten Aggregatausfall so viele davon unbrauchbar geworden, dass wir selbst knapp damit sind.“
„Ich werde ihnen anbieten an Bord zu kommen“, erwiderte ich. „Und ich werde ihnen ausrichten, dass unserer L.I. seine Kabine mit großer Freude zur Verfügung stellen wird.“
Brennan sah mich etwas verdutzt an.
Mein Humor war ganz offensichtlich nicht der seine und vielleicht hätte ich das wissen müssen. Ich zuckte mit den Schultern. Die Stimmung an Bord war ohnehin bereits auf einem Tiefpunkt. Da konnte ein unsensibler Captain wohl auch nichts mehr verderben.
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Datum: XX.XX.XXXX
Uhrzeit: XX.XX.XX
Ich nahm selbst an der Außenmission teil. Es war unendlich lange her, dass ich an einer vergleichbaren Operation teilgenommen hatte. Ich konnte mich kaum noch erinnern und obgleich es wirklich kein Vergnügen ist auf einem Planeten wie Schwarzsandwelt festzusitzen und es am Ende wieder nur jede Menge unangenehmer Fragen hageln würde, so empfand ich die Möglichkeit, wenigstens für ein paar Stunden aus der Bordroutine auszubrechen, als sehr erfrischend.
Den Weg zur Station der Olvanorer legten wir mit einem Shuttle zurück.
Es wurde von Ulrich Blendker, dem zweiten Rudergänger geflogen. Wang hatte währenddessen das Kommando auf der BERESANTO, aber viel zu kommandieren gab es während einer derartigen Reparaturphase nicht. Ich glaube, er war ein bisschen sauer, dass ich mir das Vorrecht nahm, das Außenteam anzuführen. Aber irgendwann muss es auch mir als Captain mal gestattet sein, die Tatsache, dass ich der Kommandant bin, persönlich auszunutzen. Schließlich bekomme ich ja auch den größten Ärger für den Fall, dass etwas danebengeht. Selbst dann, wenn man gar nichts dafür kann.
Von den Offizieren begleitete mich außer Blendker noch Hellström. Die Funkanlage der BERESANTO war schließlich in Ordnung und konnte auch vom zweiten Funker während unserer Abwesenheit bedient werden. Und wenn die Olvanorer uns nicht antworteten – von wem hätten wir dann in diesem ansonsten menschen- und alienleeren System wohl eine Funkbotschaft empfangen sollen, die es wert gewesen wäre, gehört zu werden?
Gerassimov und Pendelton, die das Außenteam komplettierten, gehörten dem Sicherheitsdienst des Outer Worlds Konzerns an.
Ich nahm sie nicht deshalb mit, weil ich ernsthaft dachte, dass wir es mit einem Sicherheitsproblem zu tun hätten.
Schließlich besuchten wir absolut pazifistische Olvanorer, die wahrscheinlich ihrem außerirdischen Gegenüber auch noch die linke Hand hinhalten würden, nachdem die rechte schon abgenagt wäre – nur um irgendeine fremde Art zu erhalten.
Nein, der Grund dafür, dass ich die Jungs mitnahm war schlicht und ergreifend, dass die armen Säcke sowieso immer nur dumm herumsitzen und nichts zu tun haben. Sterben vor Langeweile anstatt im Kampf. So sieht die Realität dieser modernen Konzern-Krieger aus. Na, wohl dem, der einen Captain hat, der ihn daraus erlöst.
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Datum: XX.XX.XXXX
Uhrzeit: XX.XX.XX
„Energiestatus gleich null“, sagte Blendker, nachdem er den Vogel vor dem kuppelartigen abgesetzt hatte, das den Hauptteil der Olvanorer-Station ausmachte. Vogel, so nannten wir die Shuttles. Sie waren durchnummeriert und trugen die Bezeichnungen Vogel-1 bis Vogel-4. Das Lasten- und Transportshuttle war dann der der Große Vogel. Diese Namensgebung war durch die Form der Shuttles bedingt. Um bessere Eigenschaften bei einem Atmosphärenflug zu bekommen und notfalls auch im Gleitflug von der Stratosphäre unbeschadet zur Oberfläche zu kommen, hatten die Dinger ausklappbare Tragflächen. Bei den Beibooten des Space Army Corps wird darauf verzichtet, weil man argumentiert, dass man bei Ausfall der Triebwerke immer noch mit den Antigravaggregaten landen und in der Atmosphäre fliegen kann. Und dass der Antigrav komplett ausfällt – also wirklich nicht mehr genügend Projektoren übrig bleiben, um einen stabilen Flug zu ermöglichen - sei extrem unwahrscheinlich. Zumindest nach Ansicht derjenigen, die, die den Etat des Space Army Corps verwalten. Ein Schelm, der Übles dabei denkt. Unsere Konzernshuttles haben einfach deswegen Flügel, weil die Versicherung das zur Risikominimierung bei Missionen im sogenannten Fernen Weltraum gefordert hat. Wie man die Sache auch dreht und wendet, es geht wohl immer zuerst um Geld und nie um das, was eigentlich im Mittelpunkt stehen sollte. Die Frage nämlich, welches Shuttlesystem wirklich das Beste ist.
„Captain, da ist niemand“, stellte Blendker fest.
„Und weshalb stehen dann die Raumschiffe der Olvanorer am Rand des Camps herum?“, fragte Hellström. „Sorry, aber wenn sie davongeflogen wären, hätten sie die Dinger ja wohl benutzen müssen.“
„Der Energiestatus der Raumfähren ist auch gleich null“, erwiderte Blendker. „Da ist auch die letzte Energiezelle tot und die Innentemperatur hat sich den Verhältnissen des Planeten schon sehr stark angeglichen. Daraus kann man den Rückschluss ziehen, dass diese Raumschiffe bereits seit Monaten in diesem Zustand sind.“
„Sehen wir uns mal um“, murmelte ich.
*
In Raumanzügen marschierte ich mit Hellström, Gerassimov und Pendelton auf das Hauptgebäude der Station zu.
Ulrich Blendker bekam die undankbare Aufgabe, im Shuttle zu bleiben.
Hellström gab Blendker den Befehl, noch mal auf mehreren Frequenzen einen Kontaktversuch zu unternehmen. Aber erwartungsgemäß antwortete uns auch diesmal niemand.
Hellström setzte mit einem gezielten Energiestoß die Außenschleuse in Betrieb, sodass der interne und zum Glück autonome Rechner wieder funktionierte. Das Schott ließ sich öffnen, ohne, dass wir Gewalt anwenden mussten. Obwohl die eigentliche Schleuse nach diesem Energiestoß problemlos und einwandfrei funktionierte, hielt ich es für besser, die die Schutzanzüge verschlossen zu lassen. Zwar war die Sauerstoffatmosphäre im Inneren der Station atembar, und auch die Temperaturen waren mit etwa null Grad Celsius recht moderat. Aber ich wollte kein Risiko eingehen. Wir wussten schließlich nicht, ob nicht möglicherweise Mikroorganismen in die Station eingedrungen waren und sie verseucht hatten, auch wenn Schwarzsandwelt auf den ersten Blick wie ein Planet aussah, der kein Leben trug. Aber da hatten wir uns bereits in unserem eigenen Sonnensystem in der Vergangenheit schon so manches mal getäuscht. Ja, selbst auf der Erde gab es sauerstofflose, eiskalte oder kochend heiße Areale, von denen man lange Zeit angenommen hatte, dass sie vollkommen lebensfeindlich waren, bis man schließlich erkannt hatte, dass das Leben offenbar sehr viel anpassungsfähiger war, als die Vorstellungskraft des menschlichen Geistes.
Wir sahen uns um.
Das erste, was wir taten war, nach menschlichen Biozeichen zu suchen. Aber wir fanden keine.
„Allerdings gibt es auch einerlei Hinweise auf andere Biozeichen“, sagte Hellström. „Auch keine Mikroorganismen.“
„Trotzdem bleiben die Helme geschlossen“, bestimmte ich.
„Wie Sie meinen, Captain!“
Wir sahen uns in den Laboratorien um. Es sah alles so aus, als wäre es vor langer Zeit einfach stehengelassen worden. Da waren sogar noch Versuchsanordnungen. Aber in den Rechnern war nicht ein Funke Energie. Hellström nahm einen davon in Betrieb, in dem er ihn über ein Modul mit Energie versorgte.
„Den Inhalt der Speicher sollten wir auf den Bordrechner des Shuttles übertragen“, schlug er vor. „Ich nehme nicht an, dass wir hier Zeit genug haben, um den Datenwust genauer zu untersuchen.“
„In Ordnung“, stimmte ich zu.
„Allerdings sieht mir das auf den ersten Blick nicht gerade nach Material aus, das besonders brisant ist. Es geht hier um eine chemische Analyse der Planetenoberfläche.“
„Unsere Konzernführung wird sich freuen, wenn wir so etwas mit nach Hause nach Alpha Centauri bringen“, meinte Gerassimov. „Schließlich müssten Outer Worlds viel Geld dafür bezahlen, wenn Sie dieses Know-How kaufen wollten.“
Ich sah Gerassimov erstaunt an.
„Werden arbeitslose Controller zum Einsatz beim Sicherheitsdienst abgeordnet?“, grinste ich.
Gerassimov fand das nicht witzig.
Ich sah durch das Helmvisier, wie er das Gesicht verzog.
Hellström nahm mit Blendker Kontakt auf.
„Datenübertragung wird eingeleitet“, meldete unser Funkoffizier wenig später.
„Datenempfang bestätigt“, kam es vom Shuttle aus zurück. Blenders Gesicht erschien über den Interkom-Konferenz-Modus auf den Kommunikator-Display. „Datentransfer hat begonnen.“
Pendelton meldete sich in der Zwischenzeit aus einem Aufenthaltsraum.
„Eine Sache ist allerdings schon sehr seltsam“, sagte er – plötzlich sehr nachdenklich geworden.
„Ich denke, das sollten Sie sich selbst ansehen, Captain!“, sagte Pendelton. „Warten Sie, ich richte die Kamera meines Kommunikators darauf, dann müssten Sie es sehen können...“
Ich starrte auf das Display.
„Mein Gott...“, murmelte ich.
Was dort zu sehen war, konnte xxxx xxxxx xxx xxxxxx xxxxxxx
(Der Rest der Eintragung wurde ähnlich den Zeitangaben mit unsinnigen Zeichen überschrieben. Die Ursache dafür ist unbekannt. Der Versuch einer rechnergestützten Rekonstruktion ist abgebrochen worden; ein zweiter befindet sich in Vorbereitung)
1. Kapitel: Ankunft im Braden-System
Wir erreichen in Kürze das Braden-System. Es liegt 56 Lichtjahre von der Erde entfernt in einer Niemandszone zwischen den Humanen Welten und dem Reich der K'aradan, in deren Sternkatalogen es als System K’ambas 3345-Ta aufgeführt wird. Es handelt sich um eine Sonne vom G-Typ, deren System sich dadurch auszeichnet, dass das Zentralgestirn einen Gasriesen auf der Innenbahn hat. Braden I hat die fünffache Jupitermasse und umkreist sein Zentralgestirn innerhalb von fünf Standard-Tagen. Irgendeine Laune der Natur muss diesen Planeten daran gehindert haben, selbst eine Sonne zu werden, aber die Grenze zwischen einem heißen Gasplaneten und einem Stern ist wohl auch eher fließend. Braden II ist im Vergleich dazu fast ein Zwerg, auch wenn er immer noch die anderthalbfache Größe Jupiters hat. Der zweite Planet des Braden-Systems fällt durch das leuchtende Orange auf. Von den äußeren Planeten aus muss es sehr beeindruckend sein, wenn die beiden Riesen die Sonne verdecken.
Dem Katalog des Olvanorer-Ordens zu Folge tragen die Planeten Braden III-VI die Trivialnamen Meerwelt, Steinwelt und Schwarzsandwelt, während. Es scheint hier geradezu eine Ansammlung sehr interessanter Forschungsobjekte zu geben. Anders ist es nicht erklärbar, dass es gerade im Braden-System gleich mehrere Forschungsstationen des Olvanorer-Ordens gibt.
Unser wissenschaftliche Berater, Bruder Padraig, hat die Forschungsberichte über den Server der Brüderschule auf Sirius III per Sandström-Funk transmittiert. Er meint, dass die dortigen Forschungsstationen zu den ältesten des Olvanorer-Ordens gehören und sich mit sehr interessanten Forschungsgegenständen befassten. Ich persönlich hatte noch keine Zeit, mich näher damit zu beschäftigen. Der Grund für unsere Mission im Braden-System ist sehr viel prosaischer Natur. Es gab Verdachtsmomente dafür, dass Qriid-Schiffe in diesem Raumsektor seit neuestem operieren. Die BERESANTO, ein Prospektorenschiff der Outer Worlds Mining Company wird im Braden-Sektor vermisst. Dasselbe gilt für den Leichten Kreuzer MARTIAN PRINCESS, der zu einem Aufklärungs- und Patrouillenflug in diese nicht mehr den Humanen Welten unterstehenden Raumgebiet aufbrach. Von der MARTIAN PRINCESS gibt es keine Spur. Weder traf ein Notruf ein, noch gibt es andere Hinweise über das Schicksal von Schiff und Besatzung.
Wir haben den Auftrag, zunächst das 40 AE vom Zentralgestirn entfernte Objekt Braden Triple anzufliegen, dass die Sonne vom G-Typ auf stark geneigten elliptischen Bahn umkreist. Dort treffen wir uns mit dem Leichten Kreuzer PLUTO unter dem Kommando von Commander Steven Van Doren und dem Zerstörer DUNMORE, die von Captain Roger DiMario befehligt wird, der auch das Gesamt-Kommando über diese Mission hat. Die Tatsache, dass trotz der nach wir vor äußerst angespannten Lage im Grenzgebiet zum Raumsektor Niemandsland gleich drei Einheiten damit beauftragt wurden, die Vorfälle im Braden-System zu klären, spricht dafür, welche Priorität das Oberkommando und insbesondere Admiral Raimondo dieser Operation einräumt – auch wenn ich ehrlich gestehen muss, dass ich die Verdachtsmomente, die für eine Beteiligung der Qriid sprechen, in meinen Augen nicht sehr stichhaltig sind. Aber vielleicht hat man ja auf höherer Ebene eine breitere Basis an Erkenntnissen.
Aus dem persönlichen Logbuch von Commander Willard J. Reilly, Captain des Leichten Kreuzers STERNENKRIEGER im Dienst des Space Army Corps der Humanen Welten;
August 2237
1
„Schach!“, sagte Dr. Miles Rollins. In dem kantigen Gesicht des Schiffsarztes an Bord des Leichten Kreuzers STERNENKRIEGER erschien ein Lächeln.
Commander Willard J. Reilly hob die Augenbrauen und versuchte die Spielsituation, wie sie sich nun darstellte, innerhalb der nächsten Sekunden so tiefschürfend wie nur möglich zu analysieren und auf ihre impliziten Konsequenzen hin abzuklopfen.
Dann bewegte er sein Pferd.
Ein Zug, der ihm einen Aufschub geben, ihn aber nicht aus seiner verzweifelten Lage befreien würde.
Rollins reagierte entsprechend und schob mit einer nachlässigen Bewegung einen Bauern nach vorn. Ein unscheinbarer Zug, aber Commander Reilly hatte sich angewöhnt, während eines Schachspiels nichteinmal das Zucken von Augenbrauen oder Mundwinkeln bei seinem Gegenüber für etwas Unwesentliches zu halten.
„Sie scheinen der bessere Logiker von uns beiden zu sein“, stellte Reilly fest. Eine ziemlich plumpe Methode, um Zeit gewinnen zu wollen!, ging es dem Captain der STERNENKRIEGER durch den Kopf. Aber angesichts der Spielsituation bleibt mir wohl nichts anderes übrig...
„Vielleicht hat es mehr mit Ihrem Konzentrationsvermögen zu tun als mit Ihrer Fähigkeit zum logischen Denken“, erwiderte Dr. Rollins.
„Ach, ja?“
Reilly machte seinen nächsten Zug und sah, dass er sich damit nur noch mehr in Schwierigkeiten bringen würde. Aber es war zu spät. Er hatte gesetzt und es war unmöglich, an diesem Zug jetzt noch etwas rückgängig zu machen. Okay, dann verkürze ich damit wenigstens etwas das Elend!, ging es im durch den Kopf. Vielleicht ist das sogar die ganze Zeit über unbewusst mein Bestreben gewesen! Ich habe die Niederlage befördert, weil ich Rollins’ Überlegenheit schnell erkannt habe! Eine lächerlichere Ausrede hast du wohl nicht finden können, was?
Die Worte des Schiffsarztes drangen in Reillys Gedanken.
„Was ich damit eigentlich sagen wollte ist folgendes: Sie sind nicht bei der Sache, Captain.“
„Ist das so offensichtlich?“
„Dazu braucht man nicht einmal Grundkenntnisse in Psychologie oder Körpersprache.“
„Was glauben Sie, wie lange sich diese Partie noch hinziehen wird?“
„Vielleicht fünf, sechs Züge, Captain. Unter normalen Umständen würde ich Ihnen noch zehn Züge zutrauen, aber solange Ihre Aufmerksamkeit dermaßen abgesaugt ist könnten es auch nur noch drei oder vier sein.“
Reilly lächelte mild. „Die Möglichkeit, dass ich vielleicht Sie schlagen könnte, ziehen Sie gar nicht weiter in Betracht, was?“
Rollins schüttelte energisch den Kopf. „Ehrlich gesagt nein.“
Reilly legte seinen König nieder.
„Sie haben Recht, Dr. Rollins. Ich habe heute keine Chance gegen Sie und es ist reine Zeitverschwendung, meinen König noch retten zu wollen.“
Die beiden Männer saßen im Aufenthaltsraum A. Es war nicht die erste Schachpartie zwischen den beiden, und bisher hatte Reilly sich in etwa acht von zehn Partien gegen Rollins geschlagen geben müssen. Reilly hatte kein Problem damit. Er sah die Schachpartien mit dem Schiffsarzt als eine Möglichkeit des Trainings an. Ein geistiges Training, bei dem der Captain der STERNENKRIEGER voll gefordert wurde und nach und nach etwas dazulernte. Vor allem forderten ihn diese Partien in der Regel so sehr, dass es ihm dadurch gelang, sämtlichen anderen geistigen Ballast, der ihn ansonsten belastete, einfach für eine halbe Stunde vergessen konnte.
Allerdings war bisher noch keine Partie durch Aufgabe beendet worden. Das war zweifellos ein Novum in der noch jungen Geschichte ihrer denksportlichen Duelle.
„Darf ich fragen, was es ist, was Sie so beschäftigt, Sir?“, fragte Dr. Rollins.
Commander Reilly kannte diesen Unterton bei Dr. Rollins nur zu gut.
„Da spricht jetzt nicht nur der Schachpartner, sondern auch der besorgte Schiffspsychologe, was?“, fragte Reilly etwas gereizter, als er eigentlich beabsichtigt hatte.
„Da spricht jemand, der sich Sorgen um Sie macht, Sir.“
„Vielleicht bin ich tatsächlich etwas in Gedanken, aber Sie machen sich unnötig Sorgen, Doktor.“
„Wenn Sie meinen... Der Krieg setzt uns allen zu und Sie wären nicht der erste Space Army Corps Kommandant, der sich weigert, das zuzugeben. Die Dauerbelastung ist nicht wegzudiskutieren und mit jedem Schiff, das von den Qriid abgeschossen wird, steigt die Belastung der verbleibenden Einheiten.“
„Wir sind an den Grenzen unserer Möglichkeiten“, gab Reilly zu.
„Sich das bewusst zu machen, kann manchmal schon helfen, Sir. Und außerdem sollten Sie eins bedenken: Dem Gegner geht es vielleicht ganz ähnlich.“
Reilly verzog das Gesicht zu einem dünnen Lächeln.
„Wie kommen Sie darauf, Dr. Rollins?“
„Die Angriffe bei New Hope konnten mit großer Mühe abgewehrt werden und es weiß niemand, was geschehen wäre, wenn die Qriid einfach mit weiteren Flottenverbänden gegen das löchrig gewordene Abwehrbollwerk angestürmt wären. Die einleuchtendste Erklärung dafür ist, dass die Qriid auch unter einer Erschöpfung ihrer Kapazitäten leiden...“
„...womit endlich das eingetreten wäre, was man die Überdehnung eines Imperiums nennt“, erwiderte Reilly. „Alexander, Napoleon... Es ist immer dasselbe Problem.“
Dr. Rollins nickte.
„Nur, dass wir eigentlich nicht mit dem Glück rechnen konnten, dass dieser Effekt noch eintritt, bevor die Humanen Welten zu einem Teil des Qriid-Reichs wurden!“
„Ehrlich gesagt traue ich diesem Glück auch nicht“, gestand Reilly. „Es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass eine Überdehnung unmittelbar bevorstand. Davon abgesehen kann es den Qriid doch nicht verborgen geblieben sein, wie nahe die Humanen Welten am Abgrund standen. Das Auftauchen der Wsssarrr im Sonnensystem hat uns doch fast den Rest gegeben, von Rendor Johnsons knapp gescheitertem Putsch-Versuch mal ganz abgesehen...“
„Wir wissen nicht, was die Qriid davon mitbekommen haben“, gab Rollins zu bedenken. „Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ihnen verborgen geblieben ist, wie die Fulirr uns gegen die Wsssarrr zu Hilfe kamen. Vielleicht lässt sie das etwas vorsichtiger agieren.“
„Warten wir ab... Ich trau dem Braten einfach nicht...“
Reillys Armbandkommunikator summte.
Er nahm das Gespräch entgegen.
„Hier ist die Brücke“, meldete sich Lieutenant Sara Majevsky, Brückenoffizier für Ortung und Kommunikation. „Sie wollten vor dem Eintritt in den Normalraum verständigt werden, Captain.“
„Danke, Lieutenant“, murmelte Reilly. „Ich bin gleich bei Ihnen.“
„Die Pflicht ruft“, stellte Rollins fest.
Reilly nickte. „Sehen, Sie: Das belastet mich im Moment wirklich. Während niemand weiß, ob die Qriid nicht zu einem erneuten Großangriff ansetzen, gibt man uns die Aufgabe, in einem System nach dem Verbleib von zwei Schiffen zu suchen, das noch nicht einmal zum Hoheitsbereich der Humanen Welten gehört...“
„Ich dachte, man verdächtigt die Qriid, dass sie sich auch im Braden-Sektor breit machen!“, gab Dr. Rollins zurück.
„Vage Anhaltspunkte. Eine Raumstation am Grenzgebiet will eine Sandström-Funksignatur empfangen haben, die Merkmale der Qriid-Signale aufweist. Aber ehrlich gesagt wissen wir zu wenig über die Übertragung solcher Signale via Sandström-Raum, als dass man sichere Rückschlüsse auf die Position des betreffenden Schiffes machen könnte. Und wenn das Oberkommando wirklich daran glauben würde, hätten sie mehr als nur drei Schiffe geschickt!“
2
Wenig später traf Reilly auf der Brücke der STERNENKRIEGER ein.