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Commander Reilly #10: Das Imperium der Arachnoiden: Chronik der Sternenkrieger

von Alfred Bekker (Autor:in)
©2017 150 Seiten
Reihe: Commander Reilly, Band 10

Zusammenfassung

Commander Reilly #10: Das Imperium der Arachnoiden
Chronik der Sternenkrieger
Science Fiction Roman von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 123 Taschenbuchseiten.

Im Jahr 2234 übernimmt Commander Willard J. Reilly das Kommando über die STERNENKRIEGER, ein Kampfschiff des Space Army Corps der Humanen Welten. Die Menschheit befindet sich im wenig später ausbrechenden ersten Krieg gegen die außerirdischen Qriid in einer Position hoffnungsloser Unterlegenheit. Dem ungehemmten Expansionsdrang des aggressiven Alien-Imperiums haben die Verteidiger der Menschheit wenig mehr entgegenzusetzen, als ihren Mut und ihre Entschlossenheit.

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Commander Reilly #10: Das Imperium der Arachnoiden

Chronik der Sternenkrieger

Science Fiction Roman von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 123 Taschenbuchseiten.

Im Jahr 2234 übernimmt Commander Willard J. Reilly das Kommando über die STERNENKRIEGER, ein Kampfschiff des Space Army Corps der Humanen Welten. Die Menschheit befindet sich im wenig später ausbrechenden ersten Krieg gegen die außerirdischen Qriid in einer Position hoffnungsloser Unterlegenheit. Dem ungehemmten Expansionsdrang des aggressiven Alien-Imperiums haben die Verteidiger der Menschheit  wenig mehr entgegenzusetzen, als ihren Mut und ihre Entschlossenheit.

––––––––

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

Übersicht über die Serie “Chronik der Sternenkrieger”

in chronologischer Reihenfolge

Einzelfolgen:

Commander Reilly 1: Ferne Mission (Handlungszeit 2234)

Commander Reilly 2: Raumschiff STERNENKRIEGER im Einsatz

Commander Reilly 3: Commander im Niemandsland

Commander Reilly 4: Das Niemandsland der Galaxis

Commander Reilly 5: Commander der drei Sonnen

Commander Reilly 6: Kampf um drei Sonnen

Commander Reilly 7: Commander im Sternenkrieg

Commander Reilly 8: Kosmischer Krisenherd

Commander Reilly 9: Invasion der Arachnoiden

Commander Reilly 10: Das Imperium der Arachnoiden

Commander Reilly 11: Verschwörer der Humanen Welten

Commander Reilly 12: Commander der Humanen Welten

Commander Reilly 13: Einsatzort Roter Stern

Commander Reilly 14: Im Licht des Roten Sterns

Commander Reilly 15: Die Weisen vom Sirius

Commander Reilly 16: Die Flotte der Qriid

Commander Reilly 17: Ein Raumkapitän der Qriid

Commander Reilly 18: Commander der Sternenkrieger

Commander Reilly 19: Eine Kolonie für Übermenschen

Commander Reilly 20: Kampfzone Tau Ceti

Commander Reilly 21: Prophet der Verräter

Commander Reilly 22: Einsamer Commander

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Terrifors Geschichte: Ein Space Army Corps Roman (Handlungszeit 2238)

Erstes Kommando: Extra-Roman (Handlungszeit 2242)

Erster Offizier: Extra-Roman (Handlungszeit 2246)

Chronik der Sternenkrieger 1 Captain auf der Brücke  (Handlungszeit 2250)

Chronik der Sternenkrieger 2 Sieben Monde 

Chronik der Sternenkrieger 3 Prototyp

Chronik der Sternenkrieger 4 Heiliges Imperium

Chronik der Sternenkrieger 5 Der Wega-Krieg

Chronik der Sternenkrieger 6 Zwischen allen Fronten

Chronik der Sternenkrieger 7 Höllenplanet

Chronik der Sternenkrieger 8 Wahre Marsianer

Chronik der Sternenkrieger 9 Überfall der Naarash

Chronik der Sternenkrieger 10 Der Palast

Chronik der Sternenkrieger 11 Angriff auf Alpha

Chronik der Sternenkrieger 12 Hinter dem Wurmloch

Chronik der Sternenkrieger 13 Letzte Chance

Chronik der Sternenkrieger 14 Dunkle Welten

Chronik der Sternenkrieger 15 In den Höhlen

Chronik der Sternenkrieger 16 Die Feuerwelt

Chronik der Sternenkrieger 17 Die Invasion

Chronik der Sternenkrieger 18 Planetarer Kampf

Chronik der Sternenkrieger 19 Notlandung

Chronik der Sternenkrieger 20 Vergeltung

Chronik der Sternenkrieger 21 Ins Herz des Feindes

Chronik der Sternenkrieger 22 Sklavenschiff

Chronik der Sternenkrieger 23 Alte Götter

Chronik der Sternenkrieger 24 Schlachtpläne

Chronik der Sternenkrieger 25 Aussichtslos

Chronik der Sternenkrieger 26 Schläfer

Chronik der Sternenkrieger 27 In Ruuneds Reich

Chronik der Sternenkrieger 28 Die verschwundenen Raumschiffe

Chronik der Sternenkrieger 29 Die Spur der Götter

Chronik der Sternenkrieger 30 Mission der Verlorenen

Chronik der Sternenkrieger 31 Planet der Wyyryy

Chronik der Sternenkrieger 32 Absturz des Phoenix

Chronik der Sternenkrieger 33 Goldenes Artefakt

Chronik der Sternenkrieger 34 Hundssterne

Chronik der Sternenkrieger 35 Ukasis Hölle

Chronik der Sternenkrieger 36 Die Exodus-Flotte (Handlungszeit 2256)

Chronik der Sternenkrieger 37 Zerstörer

Chronik der Sternenkrieger 38 Sunfrosts Weg (in Vorbereitung)

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Sammelbände:

Sammelband 1: Captain und Commander

Sammelband 2: Raumgefechte

Sammelband 3: Ferne Galaxis

Sammelband 4: Kosmischer Feind

Sammelband 5: Der Etnord-Krieg

Sammelband 6: Götter und Gegner

Sammelband 7: Schlächter des Alls

Sammelband 8: Verlorene Götter

Sammelband 9: Galaktischer Ruf

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Sonderausgaben:

Der Anfang der Saga (enthält “Terrifors Geschichte”, “Erstes Kommando” und

Chronik der Sternenkrieger #1-4)

Im Dienst des Space Army Corps (enthält “Terrifors Geschichte”, “Erstes Kommando”)

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Druckausgabe (auch als E-Book):

Chronik der Sternenkrieger: Drei Abenteuer #1 -12 (#1 enthält Terrifors Geschichte, Erstes Kommando und Captain auf der Brücke, die folgenden enthalten jeweils drei Bände und folgen der Nummerierung von Band 2 “Sieben Monde” an.)

Ferner erschienen Doppelbände, teilweise auch im Druck.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

Kapitel 1: Frieden

Die Große Königin ist die Mutter unseres Volkes – aber der Botschafter verkündet ihren Willen. Die Königin spricht nicht zum Volk, außer durch den Botschafter.

(aus: Das Friedensbuch der Königinnen; der erste Text, der im Datennetz des Friedensimperiums verfügbar war)

1

Vor langer Zeit...

Auf Wsssarrr-Kama, der Urheimat der Wsssarrr und dem Sitz der Großen Königin...

Die Halle war gigantisch. Aber sie war nur ein winziger Vorhof jenes Gebäudes, in dem sich die Königin befand. Shrrr krabbelte mit seinen acht Beinen auf eine erhöhte Plattform. Die Abtaster eines Holoscanners erfasste ihn und projizierten sein überlebensgroßes, dreidimensionales Bild auf mehrere Holosäulen, die gleichmäßig im Raum verteilt waren.

Mindestens eine Million Wsssarrr waren in dieser Halle des Friedens versammelt. Zumeist waren es Angehörige der Friedensbehörde und des Friedensministeriums. Außerdem die Würdenträger des Friedensflotte, die vom Planeten Wsssarrr-Kama aus aufbrach, um immer größere Teile des Alls für das Friedensimperium der Wsssarrr zu gewinnen.

Gewinnen.

Nicht erobern.

Dieses Wort gehörte ebenso wie der Begriff Krieg zu den Unaussprechlichkeiten.

Die Wsssarrr betrachteten sich als Diener einer Idee. Der Idee des Friedens. Wohlstand, Handel und Produktivität sollten im Schutz der Großen Königin gedeihen.

Achtundzwanzig Planeten hatte das System jener Sonne, die man als das Licht der Wsssarrr kannte. Fünf davon befanden sich in der Lebenszone und waren ohne weiteres von den Arachnoiden zu besiedeln gewesen. Auf allen anderen gab es Siedlungen und Vorposten. Inzwischen hatte man auch einige benachbarte Systeme in Besitz genommen. Hier und da hatte es zwar intelligente Arten gegeben, die aber entweder gar keine oder nur eine primitive Weltraumfahrt zu Stande gebracht hatten. Mit sanftem Druck war es möglich gewesen, sie dem Friedensimperium einzuverleiben. Die Aussicht, die interstellaren Transportkapazitäten der Wsssarrr nutzen zu können, hatte sie sicherlich darin bestärkt, auf ihre Selbstständigkeit zu verzichten. Eine andere Wahl hätte ihnen die politische Doktrin der Großen Königin auch gar nicht gelassen.

Manchmal – und das musste auch Shrrr zugeben – musste man dem Frieden durchaus bei seiner Geburt behilflich sein. Am Ende bedeutete dies für alle Beteiligten einen Vorteil.

Shrrr ließ den Blick seiner zahlreichen Augen über die Menge schweifen.

Schon seit geraumer Zeit hatte er zum Inneren Kreis der Friedensbehörde gehört. Dieser Innere Kreis bildete das Machtzentrum um die Große Königin, die zu groß war, um an einer derartigen Veranstaltung teilzunehmen. Sie füllte ihre eigene Halle bereits zu über neunzig Prozent aus. Ihr massiger, kaum noch an die traditionelle Form eines Wsssarrr erinnernder Körper, der aus einer amorphen, von Haaren überwucherten organischen Masse bestand, an dem sich irgendwo auch ein paar rudimentäre, winzige Beine befanden, durchmaß insgesamt zehn Kilometer. Da das Wachstum der Großen Königin noch keineswegs aufgehört hatte, stand ein Ausbau der Königinnenhalle zur Debatte. Jede Königin der Wsssarrr war größer geworden, hatte länger gelebt und war länger fruchtbar gewesen als ihre Vorgängerinnen.

Shrrr war genau genommen einer ihrer Söhne, denn er war – wie alle derzeit lebenden Wsssarrr – aus einem von ihr produzierten Ei geschlüpft.

Eigentlich hatte man schon vor Shrrrs Schlupf damit gerechnet, dass die Große Königin sehr bald das Wachstum einstellen und ihr Leben sich der Endphase nähern würde. Diese Endphase dauerte nur wenige Planetenumläufe von Wsssarrr-Kama, dessen Sonnenumlauf als allgemein akzeptierte Zeitgröße galt.

Zumindest wurde innerhalb des Friedensimperiums auf dieser Basis gemessen und auch die anderen Völker, die unter dem Frieden der Königin lebten, waren nach leichtem Drängen sofort bereit gewesen, die Maßeinheit zu übernehmen. Die Beglückten wurden diese Rassen von den Wsssarrr zusammenfassend genannt. Sie waren überwiegend intelligent genug, um die Vorteilhaftigkeit einheitlicher Maßsysteme sofort einzusehen. Bei den anderen hatte das Imperium eben etwas Überzeugungsarbeit leisten müssen.

Die Idee des Friedens war es schließlich, die das ganze Gebilde zusammenhielt.

Ihr etwas zu opfern war in jedem Fall lohnender, als sich der opferbereiten Anbetung primitiver, vorzugsweise unsichtbarer Gottheiten zu widmen.

Shrrr war auch dieser Ansicht.

Die kulturelle und technische Überlegenheit der Wsssarrr hatte sich als gutes Vehikel zur Verbreitung der Friedensidee erwiesen.

Shrrr beobachtete mit einem Teil seiner Augen eines der überlebensgroßen Holoabbilder.

Eine Stimme schallte durch den Raum.

„Hier ist er! Der gerade ernannte Botschafter seiner Königin! Shrrr! Begrüßen wir ihn, wie es dem Verkünder des Willens der Majestät entspricht und würdig ist!“

Ein Geräusch erhob sich, das wie das Rauschen des großen Binnenmeers von Wsssarrr-Kama klang.

Eine Million Arachnoide rieben ihre Beißwerkzeuge gegeneinander und erzeugten damit einen Klangteppich, der wie Urgewalt wirkte. Da dieses Ereignis in die Haushalte aller Gen-Gemeinschaften im gesamten Friedensimperium übertragen wurde, erklang dieses Rauschen nicht nur überall auf Wsssarrr-Kama, sondern auf allen Wsssarrr-Welten.

Die Beglückten, denen zumeist die anatomischen Voraussetzungen für diese Art der Respektsbezeugung fehlten, hatten die Möglichkeit, ihren Willen zur Gefolgschaft durch die Verwendung eines königlichen Klangmoduls zu bezeugen. Der Handel mit diesen Modulen war für die Regierung der Königin inzwischen zu einer wichtigen zusätzlichen Einnahmequelle geworden, denn es war keinesfalls auf den Beglückten-Welten erlaubt, irgendwelche x-beliebigen Krachmacher dafür zu verwenden.

Natürlich waren zahllose Imitate im Umlauf. Module, die irgendein Klangsample eines die Beißwerkzeuge wetzenden Wsssarrr in einer Loop-Funktion abspielten.

Eigentlich gab es auch keine Veranlassung, wegen irgendwelcher Traditionen oder Überlieferungen, die Benutzung dieser Billig-Module zu verbieten oder gar Klangdateien über das Datennetz zu  verschicken, die dieselbe Funktion erfüllen konnten. Aber es musste auf der anderen Seite auch klar sein, dass es den Frieden der Königin nicht zum Nulltarif geben konnte. Sicherheit hatte ihren Preis und die Regierung auf Wsssarrr-Kama war dringend auf die Einnahmen aus dem Modulverkauf angewiesen. Für die Beauftragten der Königin war das ein blendendes Geschäft. Schließlich besaßen sie ein Monopol auf den Modul-Handel, sodass sie die Preise praktisch diktieren konnten. Auf der anderen Seite überwachte die Friedenspolizei, dass imperiumsweit in jeder Gen-Gemeinschaft eine Mindestanzahl von Modulen vorhanden war. Ähnliches galt auch für die Völker der Beglückten, auch wenn da sehr viel schwieriger war nachzuvollziehen, auf welche Grundlage sich dort jeweils Lebensgemeinschaften, Kooperationen, Symbiosen und ähnliches bildeten, die vielleicht gemeinsam ein Modul nutzen konnten.

Die Friedenspolizei war bekannt dafür, in dieser Hinsicht ein sehr strenges Regime zu führen und die Staatseinnahmen niemals aus den Augen zu verlieren.

Man erwartet jetzt von mir, dass ich ein paar Worte sage!, ging es Shrrr durch den Kopf, während die tosende Geräuschkulisse über einen ziemlich langen Zeitraum hinweg anhielt. Dieses Geräusch vereinigte in diesem Moment das gesamte Imperium im Willkommensgruß an den neuen Botschafter der Königin. Ein erhebender Moment – auch für Shrrr. Sowohl die Wsssarrr, als auch die Massen der Beglückten signalisierten ihm die Gefolgschaft – und der Botschafter versicherte seinerseits allen, dass der Frieden gesichert war.

Da Rauschen verklang.

Die Aufmerksamkeit des gesamten Imperiums war jetzt auf Shrrr gerichtet.

Er wartete einige Augenblicke.

Übergroße Hast galt als Zeichen mangelnder Sicherheit. Und genau dieser Eindruck war es, den ein Botschafter der Königin niemals verbreiten durfte.

Schließlich sagte er: „Ich überbringe euch meine erste Botschaft im Auftrag der Großen Königin. Der Frieden wird garantiert. Das Imperium sichert allen Bürgern Wohlstand und Glück. Es lebe die Königin, die unsere Zukunft verkörpert. Auf das sie noch lange wächst und wir die Halle der Königinnen ihretwegen noch oft erweitern müssen!“

Erneut brandete ein Rauschen auf.

Die Formel, die Botschafter Shrrr verwendet hatte, war seit fast zweihundert Sonnenumläufen von Wsssarrr-Kama dieselbe geblieben. Inzwischen hatte sie sich eingebürgert. Ein Botschafter amtierte selten länger als zehn Planetenumläufe. Die Strapazen waren einfach zu groß. Er hatte stets präsent zu sein, seine Königin zu repräsentieren und die Geschicke des Imperiums zu lenken. Es waren so viele Entscheidungen zu treffen.

Formal gesehen verkündete der Botschafter nur die Entscheidungen der Großen Königin.

In Wahrheit regierte er.

Natürlich geschah die immer in enger Zusammenarbeit mit dem Inneren Kreis. Aber die enormen Belastungen dieser Führungsrolle schlugen sich irgendwann nieder. Der betreffende Amtsträger zog es dann meistens von selbst vor, zurückzutreten und wieder ein einfaches Mitglied des Inneren Kreises zu werden, der aus dem Verborgenen heraus aktiv wurde.

Der Botschafter war das Aushängeschild. Und so kam es darauf an, dass er eine überzeugende Figur machte und dafür sorgte, dass die Idee des Friedensimperiums und der gütigen Herrschaft einer ungeheuer großen, unendlich alten Königin die Zeiten überdauerten.

Shrrr – wie auch den anderen Mitgliedern des Inneren Kreises war es durchaus bewusst, dass das Überleben des Imperiums davon abhing in wie fern dies ständig im Bewusstsein alle Bürger – gleichgültig ob Wsssarrr oder Beglückte lebendig gehalten wurde.

Dieser Aufgabe werde ich mich voll und ganz widmen, dachte Shrrr, während er noch in ein paar salbungsvollen Worten über die Werte sprach, die das Imperium zusammenhielten. Er sprach über die Idee des Friedens und des Wohlstands für alle. Das Imperium sei eine Insel Glücks in einem Universum der Barbarei geworden und darauf könnten alle mehr als stolz sein, die mit ihrem eigenen Rausch-Modul demonstrierten, wie sehr sie diese Ideen verinnerlicht hatten.

Erneut brandete innerhalb des Saales das Rauschen von ungezählten Beißwerkzeugen auf, die gegeneinander geschabt wurden.

Die Wsssarrrischen Mundchirurgen, so sagten die Statistiken, hatten nach derartigen Großereignissen immer viel zu tun. Bei manchen war der Enthusiasmus derart groß, dass ihre Kauwerkzeuge regelrecht abgeschliffen waren und erst wieder vom Fachmann Instand gesetzt werden mussten, wollte der Betreffende nicht gänzlich auf die traditionell nur Wsssarrr übliche lebende Nahrung verzichten.

Shrrr beobachtete die Menge.

Die Zeichen der Ergriffenheit waren deutlich.

Der Botschafter war zufrieden.

Er selbst versuchte, weder durch die Stellung seiner Beißwerkzeuge, noch durch irgendein anderes körpersprachliches Merkmal etwas von seiner eigenen emotionalen Verfassung nach außen dringen zu lassen. Die war nämlich keineswegs so stabil, wie es dieser Anlass eigentlich hätte vermuten lassen.

Schließlich hatte Shrrr nun offiziell die höchste Sprosse auf der Leiter der Macht erklommen, die es im Friedensimperium gab.

Er war eine Art Herrscher auf Zeit – dafür aber mit fast absoluter Macht ausgestattet und kaum jemandem Rechenschaft schuldig. Abgesehen vom Inneren Kreis natürlich. Die Königin, in deren Namen er regierte und deren angebliche Anweisungen er dem Volk überbrachte, kannte wahrscheinlich nicht einmal den Namen des Botschafters. Ihr einfältiges Hirn war genauso rudimentär wie die vergleichsweise winzigen Extremitäten.

Doch davon ahnten die Bürger des Imperiums nichts.

Im Laufe von vielen Zeitaltern waren die geistigen Fähigkeiten der Königinnen immer stärker degeneriert, sodass irgendwann die Macht an die jeweiligen Botschafter und den Inneren Kreis übergegangen war.

2

Die Zeremonie wurde damit fortgesetzt, dass Vertreter wichtiger Gen-Gemeinschaften ihre Grußadressen dem neuen Botschafter übermittelten.

Der Reihe nach traten diese Honoratioren des Imperiums ins Rampenlicht, ließen sich vom Holoscanner erfassen und trugen schwülstige Lobhudeleien über die bisherigen Verdienste des neuen Botschafters vor. Natürlich vergaß keiner von ihnen auch die unendliche Gnade der Großen Königin hervorzuheben. Dass ihre Majestät gar nicht in der Lage war, diese Huldigungen entgegenzunehmen oder überhaupt zu verstehen, wusste niemand von ihnen. Allein die Mitglieder des Inneren Kreise teilten das Wissen um die geistige Umnachtung der Königinnen.

Shrrr nahm diese Wortmeldungen gelassen hin.

Er verzog kein Beißwerkzeug, während er diesen Vorträgen lauschte und achtete darauf, stets nicht mehr als drei der vier Augen zur gleichen Zeit geschlossen zu halten. Mehr galt als Ausdruck der Unaufmerksamkeit.

Die Huldigungen des neuen Botschafters zogen sich hin.

Es wurde für Shrrr immer schwieriger sein ganzes Dutzend Augen die ganze Zeit über offen zu halten.

Erste Ermüdungserscheinungen machten sich bemerkbar, zumal seine acht Beine eine spezielle, von der Tradition vorgeschriebene Stellung einnehmen mussten, die auf die Dauer zu Krämpfen führte.

Shrrr bemerkte einen Aufruhr unter den Anwesenden.

Ein Wsssarrr drängte sich zwischen den anderen hindurch, überkletterte sie und schnellte auf den Podest, von dem aus der neue Botschafter zu den Bürgern des Friedensimperiums gesprochen hatte.

Shrrr bemerkte sofort, dass der auf ihn zustürmende Wsssarrr seinen Saugstachel ausgefahren hatte.

Damit machte er eindeutig seine Angriffsabsicht deutlich.

Für den Bruchteil eines Beißscherenknackens stand Shrrr wie erstarrt da, rührte sich nicht, sondern stierte den Angreifer mit zwei Dritteln seiner Augen an.

Der Angreifer machte einen Satz und warf sich auf Shrrr. Sein Ziel war es, ihm den Saugstachel ins Gehirn zu stoßen.

Im letzten Moment wich Shrrr zur Seite. Der Stachel glitt an den Verhärtungen rund um Augen und Fressöffnung zur Seite. Shrrr nutzte die Gelegenheit und stieß seinen Gegner mit vier seiner acht Extremitäten von sich.

Der Angreifer wurde mehrere Körperlängen weit bis an den Rand des Podestes geschleudert, wo sich bereits getreue Sicherheitskräfte auf ihn stürzten. Die Stiche mehrerer Saugstacheln töteten den Attentäter auf der Stelle.

„Begleite mich, Botschafter!“, wurde Shrrr vom Chef des Sicherheitsdienstes angewiesen. Sein Name war Rrrm und in seinen Zuständigkeitsbereich fiel insbesondere die Bewachung des Botschafters.

Hauptsächlich kümmerte er sich jedoch darum, dass der Ablauf der Zeremonie keine Sicherheitsbedenken aufkommen ließ und niemand beim Betreten oder Verlassen der Halle zerquetscht wurde.

Die Angehörigen des Sicherheitsdienstes waren nicht mit Strahlern bewaffnet. In einer Bewaffnung sah man sogar eher eine Gefahr, weil immer die Möglichkeit bestand, dass ein zu allem entschlossener Attentäter, sich der Waffe eines Sicherheitsdienstlers bemächtigte und diese dann zur Mordwaffe machte.

Rrrm fasste Shrrr an eine seiner Extremitäten und riss ihn mit sich. Sie stiegen vom Podest herunter. Die Massen schauten fassungslos zu, wie der Botschafter seiner Majestät durch einen speziellen Nebeneingang die Halle verließ.

Anschließend ging es einen Korridor entlang. Rrrm beorderte schwer bewaffnete Sicherheitskräfte herbei und führte Shrrr schließlich in einen Raum, den er für sicher genug hielt.

„Es wird gleich jemand bei dir sein, um dich zu eskortieren, erhabener Botschafter“, sagte er.

Das unruhige Zucken von Rrrms Beißzähnen verriet seine Nervosität. Auf diesen Fall hatte man ihn zwar während seiner Ausbildung durchaus vorbereitet, aber eigentlich hatte er sich nicht vorstellen können, dass so etwas tatsächlich einmal geschah.

Shrrr brauchte eine ganze Weile, um sich zu beruhigen. Was geht da vor sich? Wir kommt ein gewöhnlicher Wsssarrr dazu, den Botschafter seiner Königin anzugreifen? Wenn es sich um einen Attentäter aus den Reihen der sogenannten Beglückten gehandelt hätte, wäre ihm das eher verständlich gewesen. Es gab rätselhafte psychische Phänomene unter ihnen. Geisteskrankheiten, die sie Dinge tun ließen, die jedweder Logik widersprachen. Die Macht des Friedensimperiums hatte diese Spezies zwar auf ein höheres zivilisatorisches Niveau katapultiert, aber das bedeutete noch nicht, dass sie sich in jeder Hinsicht als würdige Bürger des Friedensimperiums erwiesen, weshalb man ihnen auch nur deutlich geminderte Rechte zugestand.

Aber es war keiner der Beglückten gewesen, sondern ein Wsssarrr, der sich auf den Botschafter gestürzt hatte.

„Wie konnte das geschehen, Rrrm?“, fragte Shrrr. „Wie kann ein Wsssarrr – ein Vollbürger des Friedensimperiums – zu einer derartigen Gewalttat fähig sein, dass er sich auf den Botschafter seiner Königin wie auf eine Jagdbeute oder lebende Nahrung stürzt?“

„Das ist eine gute Frage und ich verspreche dir, ehrenwerter Botschafter, dass der Fall solange untersucht wird, bis der Grund für das seltsame Verhalten dieses Individuums herausgefunden werden konnte.“

„Ja“, sagte der Botschafter. Seine Stimme hatte in diesem Moment die kraftvolle schrille Tonlage längst verloren, die sie sonst auszeichnete. Ein schwaches Piepsen war alles, was er im Moment bieten konnte. Es war gut, dass er jetzt nicht im Fokus der Öffentlichkeit stand und die Königin repräsentieren musste.

Welch klägliches Bild der Verunsicherung hätte er in diesem Zustand abgegeben!

Es wäre eines Botschafters völlig unwürdig gewesen.

„Es war mir ja klar, dass meine Amtszeit mit Problemen behaftet sein würde wie keine Botschafter-Amtszeit es zuvor war“, sagte Shrrr. „Aber, dass sie gleich mit einem derart unfassbaren Ereignis beginnen musste...“

„Ich persönlich kann mir das Auftreten dieses Attentäters nur mit einem Anfall von Geisteskrankheit erklären!“, sagte Rrrm.

„Ich dachte, wir hätten alles getan, um Geisteskrankheiten aus unseren Gen-Gemeinschaften zu verbannen?“

„Ja, ehrenwerte Botschafter. Aber die Wahrheit ist wohl, dass Geisteskrankheiten nicht ausschließlich genetische Ursachen haben, sondern auch exogen ausgelöst werde können. Davon abgesehen, sollten wir einfach das Ergebnis der ersten Untersuchungen abwarten. Und damit Ihr in Sicherheit seid, werde ich in Zukunft nicht von deiner Seite weichen. Das gesamte Sicherheitskonzept von Wsssarrr-Kama wird gründlich überarbeitet werden.“

Der Kommunikator des Sicherheitschefs verursachte ein hochfrequentes Geräusch.

Rrrm nahm das Gespräch entgegen.

Es waren die bewaffneten Sicherheitskräfte, die darauf warteten, den Botschafter in ihre Obhut zu nehmen.

3

Etwas später traf sich der Innere Kreis. Er bestand aus etwa zwanzig Wsssarrr, die zusammen das innerste Machtzentrum des Friedensimperiums darstellten. Das oberste Gebot war unter ihnen die Verschwiegenheit. Es gab Geheimnisse, die niemandem offenbar werden mussten, dazu zählte unter anderem die mangelhafte geistige Leistungsfähigkeit der Königinnen.

Es handelte sich nämlich keineswegs um einen Defekt, der nur bei wenigen Königinnen auftat. Vielmehr waren seit mindestens 4000 Planetenumläufen von Wsssarrr-Kama keine geistig gesunden Königinnen mehr geboren worden, die in der Lage gewesen wären, selbst zu regieren.

Zudem hatte ihre durchschnittliche Größe und Lebenserwartung in dieser Zeit stetig zugenommen. Dass es da einen Zusammenhang mit ihrer ebenfalls zunehmenden Verdummung gab, lag für die Mitglieder des Inneren Kreises auf der Hand. Aber es war zu gefährlich, diese Annahmen wissenschaftlich untersuchen zu lassen, denn die Hinzuziehung von Wissenschaftlern hätte das Risiko vergrößert, dass das Geheimnis offenbar wurde.

Und das durfte nicht geschehen.

Die Autorität der Königin gehörte zu den Grundfesten des Friedensimperiums. Daran durfte nicht gerüttelt werden, wenn man nicht riskieren wollte, dass das Imperium daran zerbrach.

Wenn Milliarden von Wsssarrr den Glauben an die Güte und vor allem an die Weisheit der Königin verloren, würde das unabsehbare Folgen nach sich ziehen.

Keiner der Anwesenden mochte sich das auch nur im Entferntesten vorstellen.

Es herrschte aufgeregtes Stimmengewirr im Inneren Kreis.

Die Äußerungen waren sehr emotional.

Während all der Wsssarrr-Kama-Sonnenumläufe, die Shrrr jetzt schon Mitglied dieses Kreises war, hatte er nie erlebt, dass auf diese Weise miteinander gesprochen wurde. Der Botschafter schwieg und beteiligte sich nicht daran. Er stand einfach noch zu sehr unter dem Eindruck des Geschehens.

„Wie kann es sein, dass ein Attentäter so nahe an den Botschafter gelangen konnte?“, meldete sich Nomrrran zu Wort. Er war einer der einflussreichsten Sprecher im Inneren Kreis. Man sagte ihm nach, dass er selbst Ambitionen hatte, eines Tages Botschafter ihrer Majestät zu werden, aber er wusste, dass er dieses Ziel im Moment nicht erreichen konnte. Die Mehrheitsverhältnisse innerhalb des Gremiums waren einfach nicht danach. Nomrrran galt als ein radikaler Reformer und die Mehrheit der anderen Mitglieder des Inneren Kreises hatte schlicht und ergreifend Angst davor, dass er seine Ideen in die Tat umzusetzen versuchte, sobald er Botschafter war.

Also bestimmten sie mit Vorliebe gemäßigte Mitglieder für diese Aufgabe.

Shrrr zum Beispiel.

Er hatte von Anfang seiner Kreis-Mitgliedschaft an zugesehen, möglichst nirgendwo anzuecken oder Ansichten zu vertreten, von denen er wusste, dass sie nicht mehrheitsfähig waren.

Der Erfolg gab ihm Recht. Er hatte es schließlich zum Botschafter gebracht. Aber ob das Imperium in Zukunft wirklich ohne Reformen über die Runden kommen würde, da hatte selbst ein erklärter Traditionalist wie Shrrr seine erheblichen Zweifel.

Rrrm betrat schließlich den Konferenzraum, in dem sich der Innere Kreis versammelt hatte.

Auf ihn hatten sie alle gewartet, denn er sollte die ersten Ergebnisse der Untersuchung vortragen.

Rrrm nahm auf einem Sitzmöbel Platz, das exakt an die Anatomie der Wsssarrr angepasst war.

„Der biomedizinische Scan des Attentäters hat zunächst keine Besonderheiten ergeben“, erkläre Rrrm. „Es lag keine messbare Gehirnschädigung vor. Ebenso wenig litt der Angreifer unter einer Fehlfunktion seines Metabolismus, die ihn vielleicht mit körpereigenen psychosensitiven Stoffen überschwemmt haben könnte. Implantate und dergleichen wurden ebenfalls nicht gefunden. In dem Fall wäre er auch bereits bei den Eingangskontrollen aufgefallen.“

„Aber irgendetwas muss diesen Wahnsinnigen doch zu seiner Tat veranlasst haben!“, entfuhr es Shrrr voller Ungeduld. „Was um des Friedens und unserer Königin willen hat diesen Irren zu seiner Tat getrieben?“

„Lassen wir die Königin an dieser Stelle besser aus dem Spiel“, meinte Jarrrn, ein weiteres Mitglied dieses erlauchten Kreises. Jarrrn hatte bereits zwei Amtsperioden als Botschafter hinter sich. Er war der Älteste im Raum und viele empfanden ihn als unberechenbar. „Diese Floskeln sind für das Volk – und wie es scheint, glauben nicht einmal mehr die einfachen Bürger an alles, was man ihnen so sagt.“

„Wie gesagt, zunächst hat der Medo-Scan keinerlei Ergebnisse gebracht“, fuhr Rrrm inzwischen fort. „Aber dann habe ich eine zellulare Einzeluntersuchung des Hirns angeordnet und siehe da, wir sind fündig geworden.“

„Fündig?“, echote Shrrr. „Du sprichst in Rätseln!“

„Wir haben Veränderungen festgestellt. Infektiöse Eiweiße haben sich gebildet und abgelagert. Aber sie allein können noch nicht so schwere Schädigungen hervorgerufen haben, dass der Betreffende deswegen Amok laufen musste. Und als etwas anderes können wir das Attentat auf Botschafter Shrrr ja wohl nicht bezeichnen! Bei der Analyse des Mageninhalts zeigte sich dann schon beim ersten Scan etwas sehr Interessantes. Der Attentäter hat Hirn eines Huijor gegessen. Und zwar innerhalb der letzten zwölf Mikro-Kanzons.“

Die Huijor waren ein Volk von kleinen, pelzigen Wesen, die auf dem Hauptplaneten eines benachbarten Sonnensystems lebten.

Formal gesehen waren auch sie Bürger des Imperiums. Aber das war Fassade, in Wahrheit betrachtete sie niemand gleichwertig. Sie waren lediglich Beglückte, die dankbar zu sein hatten, dass sie dem Imperium des Friedens anheim gefallen waren. Dass es auf dem Huijor-Planeten hin und wieder Schwierigkeiten mit kleineren Aufständen der Ureinwohner gegeben hatte, war schließlich auch bis zum Wsssarrr-Kama vorgedrungen.

In der Wsssarrr–Hauptstadt, das rund um die Königinnenhalle erbaute Wsssarrriana, hatten Beglückte daher nur Zugang zu besonders ausgewiesenen Arealen und mussten ihre Besuche anmelden.

„Habe ich es mir doch gedacht“, stieß Nomrrran hervor. „Die Hirnesser-Sekte! Es ist immer abgestritten worden, dass es sie gibt, aber hier haben wir doch den Beweis!“

„Das ist doch Blödsinn!“, erwiderte Jarrrn. „Die Legende von dieser Hirnesser-Sekte gehört zu den Schauermärchen, die von Leuten erzählt wird, die das Imperium damit Schwächen wollen! Antisoziale Elemente, denen es gefällt, an den Grundfesten des Imperiums zu sägen und die diese angebliche Hirnesser-Gefahr dazu benutzen, um Reformen einzufordern, die sie aus ganz anderen Gründen eingeführt haben wollen!“

„Dann ich gespannt auf deine Erklärung für das Vorhandensein von Hirnzellen Huijor im Magen des Attentäters!“, erwiderte Nomrrran.

Es herrschte einige Augenblicke lang Schweigen, ehe Rrrm das Wort ergriff. „Der Gedanke, dass es Wsssarrr gibt, die nach außen das Leben eines normalen friedliebenden imperialen Bürgers führen, der seinen Saugstachel nur zum Töten lebender Nahrung benutzt – aber hin und wieder ein Mahl ganz besonderer Art zu sich nehmen, ist zutiefst irritierend. Die Völker der Beglückten können zwar nicht als uns Wsssarrr gleichwertig betrachtet werden, aber sie als Nahrungsmittel zu benutzen, verstößt nun wirklich gegen alle Prinzipien des Friedensimperiums. Und doch haben sich in letzter Zeit die Anzeichen dafür gehäuft, dass es tatsächlich eine Sekte gibt, die so etwas praktiziert.“

„Wenn diese Irren wirklich hoffen, durch das Verspeisen von Gehirnen die geistige Kraft der Opfer in sich aufzunehmen, ist die Tatsache, dass sie immer noch damit fortfahren, ja wohl der schlagende Beweis dafür, dass diese Theorie falsch ist“, mischte sich nun Shrrr ein. Er drehte sich etwas auf seinem Sitzmöbel herum, sodass er Rrrm die Augenfront zuwandte. „Was ist das Ziel dieser Gruppierung? Gibt es irgendwelcher Erkenntnisse darüber?“

„Kaum“, sagte Rrrm. „Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass es ratsam wäre, den Apparat der Inneren Sicherheit auszubauen, aber da bin ich auf wenig Gegenliebe in diesem Kreis gestoßen. Keiner der letzten drei Botschafter war bereit, in diesen Bereich kräftig zu investieren.“

„Weil wir keinen Spitzelstaat wollten!“, verteidigte sich Nomrrran. „Das ist doch wohl nicht so schwer zu verstehen! Dass man die Beglückten überwacht, halte ich für legitim, aber ein freier Wsssarrr sollte sich frei bewegen können, ohne dass irgendeine anonyme Instanz dauernd überprüft, ob er das Hirn seines Mitbürgers schlürft!“

Nomrrran schabte gleichzeitig mit den Beißzangen und zwei seiner Extremitäten gegeneinander, was einen ganz eigentümlichen Laut ergab, der unter Wsssarrr als Ausdruck tiefsten Bedauerns galt. „Leider wissen wir deswegen aber jetzt kaum etwas über unseren Gegner. Wir kennen nur Gerüchte darüber, wonach diese Gruppe angeblich anstrebt, den Machtapparat des Imperiums zu unterwandern und irgendwann, in einem günstigen Augenblick die Macht an sich zu reißen.“

„Jetzt haben wir den Beweis, dass sie es offenbar ernst meinen“, sagte Shrrr. „Ich denke also, dass wir um die Ausdehnung des Sicherheitsapparates nicht herumkommen.“

„Von Heute auf Morgen kann man kein Überwachungsnetz aufbauen, das diesen Namen verdient“, gab Rrrm zu bedenken.

„Aber wir werden damit beginnen müssen“, sagte Shrrr. „Ich habe jedenfalls nicht die geringste Lust, in Zukunft als Zielscheibe durch die Gegend zu krabbeln und ständig befürchten zu müssen, dass mir irgend ein irrer Hirnfresser seinen Saugstachel in den Rücken sticht!“

Es gab zahlreiche Rituale, bei denen der Botschafter zwangsläufig mit der Bevölkerung in Kontakt kam. Große Mengen von Wsssarrr sammelten sich dann. Schließlich war es ja Shrrrs Aufgabe, den Kontakt zwischen der Königin und ihrem Volk herzustellen, auch wenn es in Wahrheit darum ging, die Politik des Inneren Kreises zu vermitteln.

„Ich verspreche dir, dass ich tun werde, was möglich ist“, sagte Rrrm. „Aber Wunder kann ich nicht versprechen. Und es sollte jedem hier klar sein, dass der Botschafter in nächster Zeit sehr gefährlich leben wird.“

„Du könntest zurücktreten, wenn dir die Aufgabe angesichts der neuen Umstände zu gefährlich ist!“, gab Nomrrran zu bedenken.

„Das ist undenkbar!“, widersprach Rrrm. Er wandte sich an den Botschafter. „Wenn du dich dazu entschließen solltest, bedeutet das die stärkste Erschütterung der Monarchie seit vielen Zeitaltern. Ich hoffe nicht, dass du das wirklich riskieren willst.“

„Nein, daran hatte ich nicht gedacht“, erwiderte Shrrr. „Ich bin mir meiner Verantwortung voll und ganz bewusst.“

Kapitel 2: Krieg

Damals, in der finsteren Zeit des Pazifismus, war die aktivierende Wirkung des Verzehrs von Gehirnen noch vollkommen unbekannt. Aber nur durch die Einverleibung des Geistes unserer Feinde konnten wir ihren Angriff überleben. 

Die Schule der Hirnesser

Die Macht des Friedens ist allgegenwärtig und der Grundpfeiler unserer Herrschaft.

Der Großen Königin zugeschrieben

Niemand kommt zum Frieden Gottes ohne den Zorn des Heiligen Krieges.

Das Buch des Ersten Aarriid der Qriid

Es ist nicht so, dass christliche Herrscher dem Gebot der Nächstenliebe in der politischen Praxis gefolgt wären und keine Kriege mehr geführt hätten. Sie waren angesichts des Gebots der Feindesliebe im Neuen Testament lediglich gezwungen, ihre Kriege besser zu begründen. Von William the Conqueror bis zu George W. Bush jun. war dabei die häufigste Begründung des Krieges immer die Erhaltung des Friedens.

Aus: „Das Problem von Krieg und Frieden“ – eine vergleichende Untersuchung; Verfasser: Guillermo Benford (Ordensname: Bruder Guillermo); im Datennetz abrufbar ab 2.2.2250) 

1

Man erwartete vom Botschafter, dass er täglich seine Aufwartung bei der Großen Königin machte. Königinnen hatten schon seit langer Zeit keinen eigenen Namen mehr. Man bezeichnete sie einfach nur als die Königin beziehungsweise als Große Königin, sobald sie zu einer gewissen Größe herangewachsen war. Wahrscheinlich lag das daran, dass kaum ein Wsssarrr einen Königinnenwechsel erlebte.

Wenn die Zeit gekommen war, war es die Aufgabe des Botschafters, unter den halb herangereiften Königinnen eine Nachfolgerin auszuwählen. Durch Zugabe von Hormonen stimulierte man die Auserwählte dazu, ihr Wachstum zu vollenden.

In der Praxis verließ sich der Botschafter natürlich bei der Auswahl auf das Gutachten eines Genetikers.

Warum lässt man nicht mehrere Königinnen heranreifen?, ging es Shrrr durch den Kopf, während er in seiner privaten Wandelhalle, hoch über den Dächern der Hauptstadt weilte. Man hatte durch die transparenten Wände einen hervorragenden Blick über die ausufernde Stadtlandschaft, die fast eine ganze Hemisphäre von Wsssarrr-Kama einnahm. Unter genetischen Gesichtspunkten wäre eine Eiproduktion durch mehrere Königinnen besser. Größere Vielfalt bedeutet größere Widerstandskraft. Das wurde vor langer Zeit erkannt und trotzdem handelt man nicht danach...

Der Grund dafür lag auf der Hand.

Es war das fragile politische System des Friedensimperiums mit seinem Staatsgeheimnis Nummer Eins. Die Stellung der Königin war sakrosankt. Sie durfte nicht gefährdet werden, weil dann alles andere zusammenbrach. Zumindest war das die herrschende Doktrin. Vielleicht hat Nomrrran ja recht und man sollte diesem uralten Imperium mal eine richtige Radikalkur verpassen...

Es erschien widersinnig, dass die Eier der Königin auf die  Kolonien gebracht wurden, um von den dort ansässigen Wsssarrr befruchtet zu werden. Das hält die Kolonien in Abhängigkeit. Ohne eigene Königin könnten sie niemals die Selbstständigkeit anstreben. Zu dumm nur, dass die politische Klugheit genetische Degeneration zur Folge haben könnte...

Eine Projektion erschien. Sie war das fast lebensechte Abbild eines Wsssarrr, der das Emblem der Friedensflotte am Körper trug. Diese kleine Raumstreitmacht sollte die Grenzen des Imperiums nach außen schützen. Hin und wieder gehörte es auch zu ihren Aufgaben, die Beglückten unter Druck zu setzen, wenn des dem Botschafter der Königin notwendig erschien.

„General Gorrrn meldetet sich beim Botschafter seiner Königin“, erklärte Shrrr.

Er stand lediglich auf vier seiner acht Beine. Die anderen Extremitäten waren empor gerichtet.

Unter Angehörige der Friedensflotte galt dies als militärische Haltung.

„Ich muss leider beunruhigende Nachrichten überbringen, Botschafter.“

„Wieder von dieser vogelähnlichen Spezies, von der ihr mir berichtet habt, dass sie vollkommen ungeeignet für eine Beglückung ist?“

„Ja, so ist es. Unsere Kundschafter haben inzwischen einiges über sie herausgefunden. Sie nennen sich Qriid und glauben, von einem allmächtigen, kosmosweit aktiven Wesen auserwählt worden zu sein, das sie Gott nennen.“

„Was für eine amüsante Vorstellung“, sagte Shrrr. Der Anspruch der Königin erscheint einem dagegen ja geradezu bescheiden zu sein. Schließlich beschränkt er sich auf ein vergleichsweise kleines Gebiet des Universums.

„Zum Amüsement geben die Vorstellungen der Qriid keineswegs Anlass“, erklärte General Gorrrn. „Sie unterjochen ein System nach dem anderen und es ist nur eine Frage der Zeit, wann sie auch unser Friedensimperium bedrohen werden.“

„Eine These, die du schon lange vertrittst, Gorrrn!“, bemerkte Shrrr.

„Sie wird sich bewahrheiten!“

„Die Königin ist bis jetzt der Ansicht, dass eine Kooperation mit den Qriid möglich ist und sie sich vielleicht sogar beglücken lassen.“

„Die Königin scheint keinerlei Vorstellungen von den Kräfteverhältnissen zu haben“, konterte der General. „Die Flotte der Qriid ist der unseren schätzungsweise um de Faktor tausend überlegen. Die Strahlenkanonen, die sie an Bord ihrer Schiffe installiert haben, funktionieren ähnlich wie unsere eigenen Geschütze - aber sie weisen einen wesentlich höheren Effektivitätsgrad auf. Wir werden unsere Waffen verbessern müssen und erhebliche Mittel in den Bau einer Flotte investieren müssen, sonst kommen die Qriid und werden uns zu einem Teil ihres göttlichen Reiches machen.“

„Du vergisst, dass wir ein Imperium des Friedens aufgebaut haben, Gorrrn“, hielt Shrrr dem General entgegen. „Warum sollte es nicht möglich sein, mit den Qriid ein Kooperationsabkommen zu schließen?“

„Weil die andere Seite daran nicht interessiert ist.“

„Das werden wir sehen.“

„Ich beschwöre dich, Botschafter! Trage meinen Standpunkt der Königin vor oder lass es mich selbst tun! Dann wird sie einsehen, dass es zum Besseren der Wsssarrr ist, wenn wir uns bewaffnen und auf den Krieg vorbereiten.“

„Ich danke dir für deine Informationen. Die Entscheidung wirst du der Königin überlassen müssen!“, wies Botschafter Shrrr den General zurecht.

Diesem fiel es sichtlich schwer, die Haltung zu bewahren, zu der insbesondere auch gehörte, dass man seine Beißwerkzeuge nicht unkontrolliert gegeneinander rieb und damit ungehemmt die eigenen Emotionen dem Gesprächspartner aufdrängte, was in einer militärischen Hierarchie nur die Kommunikation behindern konnte.

Shrrr unterbrach die Verbindung.

Ist die Lage wirklich so schlimm wie er behauptet oder steigert er sich nur unnötig in etwas hinein?, fragte Shrrr sich.

2

Gorrrn erhob sich aus der Sitzwanne des Kommandanten. Die STERN DER KÖNIGIN war das Flaggschiff der kleinen Kampflotte, die das Friedensimperium besaß und die man euphemistisch Friedensflotte nannte, obwohl es jedem klar war, dass sie nicht für den Frieden geschaffen worden war.

Allerdings hatte man ihre Stärke auf einem Stand belassen, der nur dann sinnvoll erscheinen konnte, wenn man von einer Periode ewigen Friedens ausging, wie sie der Doktrin des Imperiums entsprach.

Aber diese Zeit war vorbei.

Gorrrn war davon seit langem überzeugt.

Seiner Auffassung nach hatten die Wsssarrr bisher nur einfach Glück gehabt, dass sie nicht auf Gegner gestoßen waren, die kompromisslos und waffentechnisch begabt genug gewesen waren, um der Herrschaft der Großen Königin den Todesstoß zu versetzen.

Doch nun war dieser Gegner aufgetaucht.

Zwar lagen noch Lichtjahreweit neutrale Systeme zwischen dem Friedensimperium und dem Reich der unersättlichen Eroberer, aber wenn deren Expansion im selben Tempo voranschritt, wie dies in letzter Zeit der Fall gewesen war, dann waren die Tage des Friedensimperiums gezählt.

„Ich wäre mir nicht einmal sicher, ob der Botschafter die Informationen, die du ihm gegeben hast, überhaupt an die Große Königin übermittelt!“, meldete sich der Erste Offizier der STERN DER KÖNIGIN zu Wort. Sein Name war Fabrrrn, ein alter Veteran. Er hatte während einer der wenigen Kampfeinsätze, die die Friedensflotte hinter sich hatte als junger Bodensoldat eine Extremität verloren. Nur ein verkrüppelter Stumpf war geblieben, der manchmal unkontrolliert zuckte und es ihm dann unmöglich machte, die militärische Haltung vorschriftsmäßig einzunehmen. Aber die Nervenendungen waren geschädigt. Er konnte nichts dafür. Den jüngeren Flottenangehörigen versetzte allein Fabrrrns Anblick schon in Schauder. Auf Wsssarrr-Kama und den anderen Welten des Friedensimperiums empfand man den Anblick eines Versehrten jedoch als Zumutung. Schließlich erinnerte er jeden Wsssarrr daran, dass Krieg eine Realität war und selbst innerhalb des Friedensimperiums hin und wieder vorkam. Insbesondere dann, wenn eine weitere Spezies beglückt werden und dem Reich eingegliedert werden sollte.

„Ich weiß es nicht, was der Botschafter überhaupt zur Königin durchlässt!“, sagte Gorrrn düster. „Aber andererseits bin ich mir längst nicht mehr so sicher, ob nicht die Königin selbst die Wurzel allen Übels ist!“

Fabrrrn starrte seinen Kommandanten mit seinem gesamten Augen-Dutzend an. Sein Extremitätenstumpf zuckte und er konnte sich nur mit Mühe dabei zurückhalten, die Beißwerkzeuge gegeneinander zu schaben. Immerhin zückt er nicht gleich den Saugstachel bei einer derartigen Bemerkung – was viele Patrioten des Friedensimperiums sofort tun würden, wenn man sich ihnen gegenüber despektierlich über die Königin äußerte!

„Habe ich das richtig verstanden? Du glaubst nicht, dass die Königin noch eine weise und gerechte Herrschaft ausübt?“, fragte Fabrrrn.

„Ich bin mir nicht sicher, ob die Königin überhaupt noch irgendeine Herrschaft ausübt oder ob sie nicht vielmehr beim Botschafter liegt. Und ich frage ich, ob jemand, der so sehr von der Realität entrückt ist, wie es bei der Großen Königin der Fall zu sein scheint, zu einer tatsächlich ausgeübten Herrschaft überhaupt noch in der Lage wäre.“

Die Blicke aller Augen-Dutzende auf der Brücke der STERN DER KÖNIGIN waren jetzt auf den Kommandanten gerichtet.

Es war ein entscheidender Moment. Das spürte Gorrrn. Bei dem, was vor uns liegt, muss ich wissen, dass sie alle zu mir stehen. Sie sind die Offiziere. Die Mannschaften werden ihnen folgen, aber wenn ich sie nicht auf meiner Seite habe, hat alles keinen Sinn.

„Wir sind uns doch einig darin, dass wir unter Umständen selbstständig handeln müssen, wenn das Notwendige nicht getan wird!“, sagte Gorrrn.

Zustimmende Laute kamen von den Offizieren.

Sie waren inzwischen eine verschworene Gemeinschaft. Dass sich etwas ändern musste, war jedem von ihnen inzwischen klar. Daran gab es keinerlei Zweifel. Unsicher war lediglich, wie weit man dabei gehen sollte.

„Die Frage, um die es geht, ist, ob wir notfalls auch ohne die Königin handeln werden.“

„Die Königin ist nicht informiert und wird sich überzeugen lassen, sobald der Botschafter und seine Helfershelfer beseitigt sind!“, meldete sich Harrrbryn zu Wort, der als Waffenoffizier der STERN DER KÖNIGIN fungierte.

„Das ist die optimistische Variante“, sagte Gorrrn. „Was, wenn sich heraus stellt, dass tatsächlich die Königin selbst die Wurzel des Übels ist?“

„Das Imperium ist wichtiger als die Königin“, meinte der Rudergänger Zrrrt. „Aber wir werden bald handeln müssen!“

„Ich weiß“, sagte Gorrrn. „Sonst es zu spät.“

3

Später betrat Gorrrn eine der zu Gefangenenzellen umfunktionierten Mannschaftskabinen an Bord der STERN DER KÖNIGIN. Die eigentlich darin einquartierten Mannschaften mussten sich derzeit etwas zusammendrängen.

Die Gefangenen stammten von einer Welt aus dem Herrschaftsbereich der Qriid. Schon seit längerer Zeit unternahmen die Schiffe der Friedensflotte Vorstöße dorthin. Offiziell waren es nur Erkundungs- und Spionageflüge. Dass die Schiffe der Friedensflotte bis zu den Welten der Qriid vorstoßen, Landekommandos absetzen und Gefangene machten, hatte man nicht nur der Königin, sondern auch dem Botschafter tunlichst verschwiegen.

Gorrrn wusste nur zu gut, dass er auf keinen Fall damit rechnen konnte, dass irgendjemand dieses Vorgehen gutheißen würde. Weder die Königin noch der Botschafter. Schließlich war dieses aggressive Vorgehen nicht mit den Friedensdoktrinen vereinbar. Doktrinen, die der General längst als falsch und sogar verhängnisvoll für den Bestand des Friedensimperiums erkannt hatte.

Der Gefangene war in Einzelhaft untergebracht worden.

Es handelte sich um einen Qriid. Ein ausgewachsenes Exemplar, soweit das von den Wsssarrr beurteilt werden konnte. Er trug die Uniform der Tanjaj, wie sich die Elite der Glaubenskrieger dieses aggressiven Sternenreichs nannte.

Die Waffen hatte man ihm abgenommen, den Translator nicht. Dessen integrierte Kommunikator-Funktion war viel zu schwach, als dass er heimlich mit seinen Leuten hätte Kontakt aufnehmen können. Schließlich besaß das Gerät keinerlei Zwischenraumkomponenten.

Der Qriid drückte sich in die Ecke. Seine Beine waren nach vorn geknickt. Für den Wsssarrr-General war allerdings nicht die Knickrichtung gewöhnungsbedürftig, sondern deren Anzahl. Seine eigenen Extremitäten waren nämlich an jeweils zwei Stellen geknickt und es gab Gen-Gemeinschaften innerhalb des Wsssarrr-Volkes, die mit bis zu fünf oder sechs Knicken in den Extremitäten leben mussten.

Der Vogelartige rieb unruhig die Schnabelhälften gegeneinander, was Gorrrn instinktiv verstand. Schließlich kam es dem Aneinanderschaben der Beißwerkzeuge, wie Wsssarrr es als nonverbales Zeichen emotionalen Aufruhrs zu praktizieren pflegten, sehr nahe.

Du hast auch allen Grund, dich zu fürchten, ging es dem arachnoiden General durch die unterhalb des Augenkonglomerats liegende Gehirnmasse. Schließlich wird ein Teil von dir in mein Hirn integriert werden!

Der Kult der Hirnesser hatte innerhalb der Flotte einen dramatischen Zulauf erhalten. Esst die Hirne eurer Feinde, wenn ihr werden wollt wie sie, so lautete ein Axiom dieser geheimnisvollen Sekte, die aus dem Verborgenen heraus operierte.

Genau das hatten die Flottenoberen inzwischen allesamt getan – und dazu brauchten sie auch einen steten Nachschub an qriidischen Gefangenen.

Wir müssen so werden wie sie!, war es General Gorrrn klar. Und wenn uns Bruchstücke ihrer DNA nur ein bisschen aggressiver und weniger rücksichtsvoll machen, dann wird das für die Überlebenswahrscheinlichkeit unserer Art eine enorme Bedeutung gewinnen!

Die Wände der Kabine, die eigentlich als Mannschaftsunterkunft diente, waren mit Blut bespritzt. Menschlichem Blut, das von Qriid und offenbar auch noch mit dem Lebenssaft von ein paar Dutzend anderen Spezies, die Gorrrn Schiff auf seiner Mission in der Niemandszone getroffen hatte. 

Der Gefangene war zunächst allein untergebracht gewesen.

Vier andere Qriid waren mit ihm zusammen entführt worden. Er war der Letzte.

Die Anderen waren in der Zwischenzeit allesamt während des an Bord praktizierten Hirnrituals verspeist worden.

Vor langer Zeit sind unsere Vorfahren auf die Jagd gegangen, haben Netze klebrigen Fäden zwischen den Bäumen der Urwälder aufgespannt und darauf gehofft, dass sich Beute darin verfängt!, ging es dem General durch den Kopf. Die Ideologie des Friedens hat eigentlich nie zu uns gepasst, was sich schon darin zeigt, dass wir niemals den Verzehr lebendiger Nahrung aufgegeben haben...

Nach und nach war Gorrrn immer stärker zu der Überzeugung gelangt, dass die Ideen der Hirnesser-Sekte richtig waren. Der Geist des Feindes, seine Kampfkraft, seine Entschlossenheit, sein Wille mussten einverleibt werden, sonst hatte die Wsssarrr-Flotte nicht den Hauch einer Chance gegen die erdrückende Übermacht. Dass die ersten Feinde, gegen die man zu Felde ziehen musste, im Inneren des Imperiums zu finden waren, war eine deprimierende Tatsache, aber leider nicht zu ändern.

Gorrrn stürzte sich auf den schreienden Qriid, stieß ihm seinen Saugstachel in den Körper, traf zielsicher die Region in der knöchernen Körperaussackung, in der Wirbeltierartige ihr Gehirn aufbewahrten und saugte es gierig in sich hinein.

Als er fertig war, ließ er den Körper des Qriid zu Boden sinken.

Er glaubte, dass eine archaische Kraft seinen Körper durchfloss, während eine Mischung aus Blut und Hirnmasse noch den Bereich um seine Beißwerkzeuge und den Saugstachel besudelte. Er hinterließ eine Tropfspur.

Ein Hochgefühl erfasste ihn.

Wir werden es schaffen! Wir werden die Qriid zerquetschen und die zögerlichen Friedensfreunde aus dem Palast der Königin werfen!

Ob die Theorie, nach der durch den Verzehr von Hirnen tatsächlich genetische Bruchstücke einer anderen Art durch den Wsssarrr-Metabolismus integriert werden konnten, wusste Gorrrn nicht. Dazu war er einfach zu wenig wissenschaftlich gebildet.

Aber eines stand fest.

Die Teilnahme an diesem Ritual verband alle an Bord zu einer verschworenen Gemeinschaft. Wer einmal ein Hirn zu sich genommen hatte, war danach nicht mehr derselbe und konnte auch nicht ohne weiteres in die friedliebenden Reihen der imperialen Bürger zurückkehren.

Ein Alarm riss Gorrrn aus seinen Gedanken.

Er betätigte seinen Kommunikator.

„Was gibt es?“, fragte er.

Fabrrrn meldete sich von der Brücke aus.

„General, wir bekommen gerade die Nachricht, dass eine kleine Flotte von Qriid-Schiffen aus dem Zwischenraum materialisiert ist. Meines Erachtens nach fliegen sie in einer Angriffsformation.“

„Alles zum Gefecht bereit machen.“

„Sollen wir nicht den Botschafter konsultieren?“

„Nein. Wir wissen selbst, was zu tun ist. Botschafter Shrrr wird schon erfahren, was geschehen ist. Und vielleicht wird ihn das ja doch noch zur Vernunft bringen...“

4

Die Qriid-Schiffe flogen in einer keilförmigen Angriffsformation heran. Eine Funkbotschaft wurde ausgesandt. „Hier spricht Tanjaj-Kommandant Modran-Par! Wir fordern euch zur Kapitulation auf.“

„Sie verlieren nicht viele Worte über ihre Absichten“, stellte Fabrrrn fest. „Entweder wir ergeben uns und gliedern uns in die sogenannte Göttliche Ordnung ein oder wir werden vernichtet!“

„Wie oft haben unsere Kundschafter-Schiffe diese Botschaft bereits gehört, wenn sie an andere Völker erging!“, sagte Gorrrn düster. „Wir werden nicht weiter darauf eingehen und den Feind erwarten.“

Es dauerte einige Zeit, bis die Qriid-Flotte auf Schussweite herangekommen war. Es wäre mehr als Zeit genug gewesen, um den Botschafter zu konsultieren, der mit Hilfe des Überlichtfunks vielleicht noch Verhandlungen hätte führen können.

Aber das lag nicht in Gorrrns Interesse. Es war seiner Ansicht nach besser, wenn es jetzt erstmalig zu einem Scharmützel kam, damit den Bürgern des Imperiums endlich klar wurde, was auf die Wsssarrr zukam.

Die Bedrohung musste sich deutlicher im Bewusstsein der Bevölkerung manifestieren. Das ist eine Voraussetzung dafür, dass sich etwas ändert...

Die ersten Strahlenschüsse wurden schließlich abgegeben. Die Verteidigung hatte einen schweren Stand. Die Waffen der Angreifer waren in ihrer Wirkung überlegen. Ein Wsssarrr-Schiff nach dem anderen zerplatzte. Aber die Wsssarrr kämpften mit dem Mut der Verzweiflung.

Immer wieder gelang es ihnen, durch konzentriertes Strahlenfeuer aus mehreren Schiffen gleichzeitig, einzelne Qriid-Schiffe zu beschädigen oder gar kampfunfähig zu machen.

Die Hälfte der Wsssarrr-Flotte war bereits vernichtet oder in einem kampfunfähigen Zustand, als sich General Gorrrn endlich entschloss, den Botschafter zu informieren.

5

„Jetzt ist also der Fall eingetreten, vor dem uns das Militär schon seit geraumer Zeit gewarnt hat“, sagte Nomrrran während der sofort einberufenen Tagung des Inneren Kreises.

„Die Lage scheint nahezu hoffnungslos zu sein“, sagte Botschafter Shrrr. „Wir werden nicht umhin können, die Flotte zurückzuziehen und den Qriid ein paar Systeme zu opfern.“

„Ich habe mir das Gebiet auf den Übersichtsprojektionen angesehen. Auf den Welten, die davon betroffen wären, leben fast ausschließlich Beglückte“, äußerte sich Jarrrn.

Nomrrran wandte sich an Shrrr. „Meine Ansicht nach gibt es zu meinem Vorschlag keine Alternative. Wir müssen Zeit gewinnen.“

„Zeit, wofür?“

„Um aufzurüsten. Unsere industriellen Kapazitäten müssen voll und ganz in den Dienst der Flotte gestellt werden, wenn wir überhaupt noch eine Chance haben wollen.“

„Die Generale fordern das schon seit langem“, sagte Shrrr. „Aber ich weiß nicht, ob das wirklich der richtige Weg ist.“

„Wenn du glaubst, durch Verhandlungen noch etwa retten zu können, Shrrr... Bitte!“ Nomrrran schien nicht der Ansicht zu sein, dass dieser Weg Erfolg versprechend war.

In diesem Moment betrat Rrrm den Konferenzraum. Er krabbelte in seine Sitzwanne. Seine Beißwerkzeuge schabten aufgeregt gegeneinander. Der Chef des Sicherheitsdienstes hatte nicht an der Sitzung des Inneren Kreises teilgenommen, weil ihn wichtige Dienstgeschäfte daran gehindert hatten.

Aber nun schien etwas geschehen zu sein, was er unbedingt den anderen Mitgliedern vortragen musste.

„Es ist meinen Mitarbeitern gelungen, mehrere Gruppen von Hirnessern hier auf Wsssarrr-Kama ausfindig zu machen. Wir konnten einige Angehörige dieser Gruppen festnehmen. Medizinische Untersuchungen haben eindeutig ergeben, dass sie Hirnmasse fremder Spezies verschlungen hatten.“ 

„Konntest du näheres über die Ziele dieser Gruppe herausfinden?“, fragte Botschafter Shrrr.

„Alle Informationen, die wir sammeln konnten, deuten darauf hin, dass sie einen Umsturz planen. Wir haben Waffen gefunden und Kommunikationsmittel, die die Codes der Flotte verwenden.“

„Das bedeutet, es gibt Verbindungen zwischen der Flotte und den Hirnessern?“, fragte Shrrr.

„Ja. Das steht außer Frage. Allerdings können wir nicht sagen, wie weit diese Verbindungen gehen. Um das beurteilen zu können, fehlt uns ein entsprechend groß ausgebauter Sicherheitsapparat.“

„Den haben wir bis jetzt nicht gebraucht“, erwiderte Shrrr mit einem bedauernden Unterton. „Die Bevölkerung liebte seine Königin und vertraute ihrem Botschafter.“

„Das erscheint mir schon seit längerem ein Trugbild zu sein“, sagte Rrrm.

6

Die Reste von Gorrrns Flotte zog sich zurück. Nur ein Bruchteil der eingesetzten Schiffe konnte fliehen. Die Raumflotte der Wsssarrr war zu fast neunzig Prozent vernichtet. Die Niederlage war so vollkommen, dass niemand daran zweifeln konnte.

Shrrr versuchte Kontakt zu den Befehlshabern der Qriid zu bekommen. Die Hälfte des Imperiums gedacht der Botschafter ihnen anzubieten. Eine Hälfte, die er opfern wollte, um die andere Hälfte zu retten.

Aber daran schien man auf der anderen Seite gar nicht interessiert zu sein.

Die Funksprüche wurden nicht beachtetet, obwohl man den Funkstandard der Qriid benutzte und es unmöglich war, dass die Vogelartigen die Signale nicht entschlüsseln konnte.

Eine gewaltige Flotte sammelte sich im Grenzgebiet. Immer mehr Schiffe materialisierten aus dem Zwischenraum. Allein der Gedanke an weiteren Widerstand schien völlig absurd zu sein.

Gorrrn traf eine Entscheidung.

Er musste selbst die Macht übernehmen.

Ob dadurch das Imperium noch zu retten war, erschien selbst ihm fraglich. Aber anderseits musste seiner Ansicht nach jetzt gehandelt werden. Andernfalls bestand dazu für die nächsten tausend Jahre vielleicht überhaupt keine Möglichkeit mehr, denn nach allem, was er über das Qriid-Imperium wusste, war seine innere Struktur absolut solide. Es würde sich weiter ausbreiten und die Wsssarrr hatten die Möglichkeit zu flüchten oder ein Teil der qriidischen Rüstungsmaschinerie zu werden.

„Kurs auf Wsssarrr-Kama!“, befahl der General dem Rudergänger der STERN DER KÖNIGIN.

7

Die STERN DER KÖNIGIN landete mit zwei Schwesterschiffen im Raumhafen der Hauptstadt. Niemand hinderte sie daran. Es wäre auch niemand da gewesen, der die Macht dazu gehabt hätte. Die Raumkontrolle stand unter Gorrrns Befehl und war ihm verpflichtet. Vor allem dadurch, dass ihre Reihen mit Hirnessern durchsetzt waren. Gorrrn hatte an diesem Netz von Vertrauenspersonen lange geknüpft. Vielleicht zu lange, wie er jetzt erkennen musste. Aber wer hätte auch schon erahnen können, dass der Angriff der Qriid so schnell erfolgte, da sie doch noch lichtjahreweit andere Systeme in ihrer unmittelbaren Nähe vorfanden, die auch noch erobert werden mussten. Aber anscheinend hatten die selbsternannten Gotteskrieger sehr schnell erkannt, wer in der nächsten Zeit ihr Hauptgegner sein würde. Auf dessen Vernichtung konzentrierten sie sich. Der Rest würde ihnen ohnehin zufallen.

Shrrr erfuhr von der Landung des Flaggschiffs durch seinen Sicherheitschef. Er hatte tagelang nichts von General Gorrrn gehört und der Sicherheitsdienst hatte den General bereits für tot gehalten. Schließlich waren viele Schiffe der Wsssarrr in der bisher einzigen Raumschlacht dieses Krieges manövrierunfähig zurückgeblieben.

Jetzt erreichten ihn Meldungen, wonach Gorrrn mit einem Trupp zu allem entschlossener Raumsoldaten auf den Palast der Königin zumarschierte. Die Wsssarrr-Soldaten waren mit Strahlern bewaffnet und gingen sehr kompromisslos vor. Zu Shrrrs Entsetzen schlossen sich die Sicherheitskräfte an, die man ihnen entgegengeschickt hatte, um den General festzunehmen.

Shrrr befand sich in seiner Wandelhalle, blickte über die Stadt und sah es in einigen Straßen bereits verdächtig aufblitzen. Die Reflektionen von Strahlschüssen waren dort unverkennbar zu sehen.

„Kannst du nichts tun?“, fragte Shrrr.

„Wir haben verloren“, sagte Rrrm. „Es ist das Beste, aufzugeben.“

„Was redest du da? Bist du etwa auf der Seite dieser Meuterer, die gerade in dem Augenblick, in dem unser Friedensimperium ihren Dienst am meisten bräuchte, den Dienst und die Treue aufkündigen?“

„Ich bin nur Realist. Besser du triffst jetzt eine Übereinkunft, als wenn du damit erst wartest, bis Gorrrn hier ist und gar nicht mehr mit dir verhandeln muss.“

„Das kommt nicht in Frage“, sagte Shrrr.

„In Kürze spielt das alles ohnehin keine Rolle mehr. Die Qriid werden das Imperium System für System erobern. Es gibt niemanden, der sich ihnen entgegenstellt. Also gibt es auch nichts zu verlieren.“

Shrrr hatte immer geahnt, dass das Friedensimperium auf tönernen Füßen gestanden hatte. Aber ihm war dennoch – auch als gutinformiertes Mitglied des inneren Kreises – nicht bewusst gewesen, wie labil die innere Verfassung des Reiches tatsächlich gewesen war.

Behutsame Reformen – das war ursprünglich der Weg gewesen, den er sich für die Wsssarrr vorgestellt hatte.

Details

Seiten
Jahr
2017
ISBN (ePUB)
9783738911213
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (Juni)
Schlagworte
commander reilly imperium arachnoiden chronik sternenkrieger

Autor

  • Alfred Bekker (Autor:in)

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Titel: Commander Reilly #10: Das Imperium der Arachnoiden: Chronik der Sternenkrieger