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Kubinke und die Katze: Ein Harry Kubinke Thriller

von Alfred Bekker (Autor:in)
©2017 120 Seiten

Zusammenfassung

Kubinke und die Katze
Ein Harry Kubinke Krimi
von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 120 Taschenbuchseiten.

Harry Kubinke und Rudi Meier ermitteln in einem Fall, in dem eine Katze mit einer Kamera einen Toten fotografiert hat. Nicht nur der Zeuge ist ungewöhnlich, auch die Leiche bleibt erstmal unauffindbar. Dafür sterben allerdings nach und nach die Zeugen. Kubinke und Meier ermitteln auf Hochtouren...

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Dedication

Ich begann mit sieben Jahren, Geschichten zu schreiben. Meine Eltern hatten ein Haus gebaut und da wohl in allen Familien, die so etwas wagen, das Geld etwas knapp ist, verkauften sie nebenberuflich als Provisions-Vertreter Häuser jener Fertighaus-Firma, von der sie ihr eigenes Haus erworben hatten. Unser Haus fungierte als Muster-Haus. Zu einem besonderen Werbe-Event waren über den Tag verteilt ca. 3000 Menschen bei uns, um sich das “Muster-Haus” anzusehen.

Ich saß da und schrieb. Dutzende dieser Leute fragten mich: “Na, machst du Hausaufgaben?”

Und ich sagte: “Nein, ich schreibe einen Roman!” Wenn ein Siebenjähriger das sagt, erntet er dafür nur ungläubige Blicke. Ich versuchte vergeblich, das zu erklären. “Also du schreibst etwas für die Schule”, bekam ich dann beispielsweise von verständnislosen Erwachsenen zur Antwort. Ich habe zunächst tapfer zur Flagge der Wahrheit gestanden und meinen Gesprächspartnern versucht zu erklären, was ich tue. Irgendwann, nach vielleicht einem Dutzend  “Machst-du-Hausaufgaben?”-Fragen, habe ich es dann aufgegeben und nur noch gesagt: “Ja, ich mache Hausaufgaben.” Manchmal will die Wahrheit eben einfach niemand wissen, und vor allem dann, wenn sie von der erwarteten Antwort abweicht, irritiert sie die meisten Menschen  nur.

ALFRED BEKKER

Kubinke und die Katze

Ein Harry Kubinke Krimi

von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 120 Taschenbuchseiten.

Harry Kubinke und Rudi Meier ermitteln in einem Fall, in dem eine Katze mit einer Kamera einen Toten fotografiert hat. Nicht nur der Zeuge ist ungewöhnlich, auch die Leiche bleibt erstmal unauffindbar. Dafür sterben allerdings nach und nach die Zeugen. Kubinke und Meier ermitteln auf Hochtouren...

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker.

© by Author

© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

1

„Mir ist heute eine schwarze Katze über den Weg gelaufen“, sagte mir mein Nachbar. „Icke denk mir, das bedeutet nichts Gutes.“

Ich stand auf dem Balkon meiner Berliner Wohnung, hatte eine Kaffeetasse in der Hand und sah auf das Gewimmel der Hauptstadt herab.

Ein freier Tag. Kommt bei einem Kriminalhauptkommissar nicht so häufig vor. Aber der Überstundenberg musste irgendwie abgebaut werden.

Mein Nachbar war Taxifahrer.

Ein Berliner Taxifahrer mit Berliner Schnauze.

Und Muslim.

Sein Vater war Perser, seine Mutter Türkin und er sprach genauso, wie eben jemand spricht, der sein ganzes Leben in Berlin verbracht hat.

„Sind Sie abergläubisch?“, fragte ich und nahm einen Schluck Kaffee.

„Wieso?“

„Wegen der schwarzen Katze.“

„Meinen Sie ditte jetzt ernst?“

„Meine ich.“

„Ich bin nicht abergläubisch. Aber gläubig. Das ist ein Unterschied.“

„Sie glauben an Allah.“

„Ja.“

„Und an schwarze Katzen, die Unglück bringen.“

„Nicht ganz so stark, aber: ja.“

„Ist das denn mit dem Islam vereinbar?“

„Keine Ahnung. Um das zu beurteilen, da müsste ich mal einen Imam fragen.“

„Ah ja.“

„Ist das denn bei Christen vereinbar?“

„Nun...“

„Ditte wissen Sie auch auch nicht so genau, wat?“

„Ich denke, es ist nicht vereinbar. Deswegen heißt es ja auch Aberglauben.“

„Sie sind doch Kommissar, oder?“

„Kriminalhauptkommissar“, sagte ich.

„Ditte wundert mich. Icke dachte immer, die hätten Abitur und studiert.“

„Ja, aber nicht Religionswissenschaft.“

„Aber sowas weiß man dann doch. Icke bin ja nur ein doofer Taxifahrer, aber Sie, Herr Kubinke... Kubinke! Ditte steht an Ihre Tür.“

„Sagen Sie Harry zu mir. Wir sind ja jetzt Nachbarn.“

„Ich bin Reza.“

„Angenehm.“

„Ich habe mich dreimal um die Wohnung beworben. Man wollte mich nicht. Wahrscheinlich, weil ich Muslim bin und jeder gleich an einen Terroristen denkt.“

„Menschen mit Vorurteilen gibt es überall“,, sagte ich.

„Die Wohnung wurde immer wieder angeboten und icke bin ja hartnäckig. Ich komm aus dem Wedding. Ich lass mich nicht unterkriegen, verstehen Sie?“

„Verstehe ich.“

„Offenbar hat die Wohnung niemand gewollt. Die sind sie einfach nicht losgeworden.“

„Tja...“

„Und so habe icke sie dann doch bekommen.“

„Glückwunsch.“

„Aber jetzt mal unter uns, Herr Kommissar...“

„Harry!“

„Also, Harry! Unter uns! Wat stimmt mit dieser Wohnung nicht? Warum wollte ditte niemand? Ist doch In Ordnung. Preis in Ordnung, Heizung funktioniert, Kabelfernsehen funktioniert...“

„Könnte mit dem Vormieter zusammenhängen“, sagte ich.

„Aha...“

„Der wurde erschossen.“

„Oh.“

„Und jetzt hatte die Verwaltung Schwierigkeiten, Mieter zu finden. Das habe ich jedenfalls gehört. Wenn die davon gehört haben, haben sie wieder abgesagt.“

„Warum?“

Ich zuckte mit den Achseln. „Aberglauben.“

„Wie mit der schwarzen Katze.“

„Genau.“

2

Zwei Tage später sah ich die schwarze Katze auch. Sie war auf meinen Balkon geklettert und dann auf die Fensterbank. Von dort sah sie ins ins Innere meiner Wohnung.

Sie hatte keine Scheu, gähnte, zeigte ihre Zähne und schien mich mit ihren gelben Augen zu mustern.

Nein, dachte ich. Ich bin nicht abergläubisch.

3

Ein anderer Ort, eine andere Katze...

Die schwarze Katze näherte sich mit geschmeidigen Bewegungen dem rechten Hinterrad der Limousine. Ihre Schritte waren vollkommen lautlos. Sie verharrte regungslos und spitzte die Ohren.

Das breite, weiße Halsband bildete einen starken Kontrast zu dem pechschwarzen, seidigen Fell. An der linken Seite befand sich eine Verdickung - ein streichholzschachtelgroßer, quaderförmiger Gegenstand.

Es handelte sich um eine digitale Mini-Kamera.

Das kleine, nur wenige Millimeter hervorragende Objektiv zeigte in die Blickrichtung des Tieres. Alle dreißig Sekunden machte diese Kamera ein Bild aus der Katzenperspektive, sodass man später nachvollziehen konnte, wo es herumgestreunt war.

Vorsichtig schlich die Katze unter den Wagen. Ihre Pfoten hinterließen Spuren, nachdem sie durch die dunkelrote Flüssigkeitslache gegangen war. 

Dann erreichte sie einen lang hingestreckten menschlichen Körper. Blut war aus einer Wunde an der Schläfe geronnen. Ein Augenpaar starrte die Katze starr an. Sie blickte lang genug zurück, sodass der Selbstauslöser der Kamera gemäß seines 30 Sekunden-Rhythmus aktiv wurde und ihre Sicht der Szene auf einen Daten-Chip bannte.

4

Lars Thölkes war Kommissar im Dienst des Potsdamer Kriminalpolizei. Zwanzig Jahre Mordkommission hatte er hinter sich und dabei alles mit angesehen, was es da an Schrecklichem zu ertragen gab.

Aber der Fall, mit dem Thölkes an diesem Dienstag konfrontiert wurde, begann so skurril, dass er erst an einen Scherz der Kollegen glaubte.

Er lehnte sich zurück und strich sich nachdenklich über das glatte, dunkle Haar, dessen Ansatz sich bereits in bedenklicher Weise nach oben verlagert hatte.

Sein Blick war auf die Frau gerichtet, die vor ihm in dem stickigen Büro Platz genommen hatte, das Lars Thölkes seit seiner verspäteten Beförderung für sich allein hatte.

Sie war blond. Das gelockte Haar hing ihr als wilde, ungebändigte Mähne über die Schultern herab. Ihr Kleid war sehr enganliegend und verbarg so gut wie nichts von dem, was darunter war. Ein paar Steine und Ringe machten sofort klar, dass sie nicht in Armut lebte – genauso wie die Designer-Handtasche. 

„Ihre Katze hat also einen Mord gesehen“, sagte Thölkes gedehnt. Einer der uniformierten Kollegen hatte die Frau zuerst befragt. Erst danach war sie an die Mordkommission weitergereicht worden und musste nun alles noch einmal von vorn berichten.

„Nein, sie hat keinen Mord gesehen, sondern einen Mann, der ermordet wurde. Eine Leiche mit einem Schussloch im Kopf“, korrigierte die Frau etwas genervt.

Thölkes blickte auf den Personalbogen, den sein Kollege angelegt hatte. Sie hieß Sabrina Kädinger, war 26 Jahre alt, gab an als Tänzerin in einem Club zu arbeiten. Sie wohnte in Potsdam. Thölkes hielt sie für eine Edel-Prostituierte, und es juckte ihn, ihren Namen in das Datenverbundsystem einzugeben, um nachzusehen, ob sie einmal wegen Prostitution verurteilt oder wenigstens in einem einschlägigen Zusammenhang verhaftet worden war.

Eigentlich interessierte ihn das nur, um die eigene Instinktsicherheit unter Beweis zu stellen.

Sie beugte sich vor. Ihr Dekolleté kam dabei so gut zur Geltung, dass Thölkes einen Moment lang abgelenkt war. Zwischen ihren Augen bildete sich eine tiefe Furche. „Hören Sie, man hat mir gesagt, Sie wären bei der Mordkommission...“

„Das bin ich auch! Zwanzig Jahre Mordaufklärung!“

„Ich würde es schätzen, wenn mich hier endlich mal jemand ernst nehmen würde! Ich habe ein Verbrechen zu melden – und wenn ich auch nicht selbst die Zeugin bin, so ist meine Katze doch mindestens genauso glaubwürdig.“

„Wo ist Ihre Katze?“, fragte Thölkes. 

„Zu Hause“, erwiderte sie mit schneidendem Unterton. „Sie mag nämlich Männer mit aufdringlichem Parfum nicht. Dann fängt Sie immer an zu kratzen und ich wollte das Risiko vermeiden, deswegen Schwierigkeiten zu bekommen.“

Thölkes seufzte. „Also noch mal ganz von vorn.“

Sabrina Kädinger verdrehte die Augen. „Ich weiß nicht, ob Sie wissen, was eine Cat Cam ist.“

„Ehrlich gesagt nein.“

„Das ist eine Minikamera, die man seiner Katze am Halsband befestigt. Ein automatischer Auslöser sorgt dafür, dass alle 20 oder 30 Sekunden ein Bild aus der Perspektive der Katze geknipst wird. Man kann auf diese Weise nachträglich ansehen, wo sie gewesen ist, unter welchen Wagen sie nach Mäusen gejagt hat, in welche Keller sie eingestiegen ist und welche anderen Katzen sie getroffen hat.“

Thölkes schüttelte den Kopf. „Das muss der totale Überwachungsstaat sein, in dem schon nicht einmal mehr Katzen den Kater ihrer Wahl treffen können, ohne dass die Besitzer das mitbekommen!“

„Sie können sich ruhig darüber lustig machen, Kommissar Thölkes. Aber mir ist es sehr ernst. Meine Katze hat nämlich bei einem ihrer Streifzüge einen Toten entdeckt, dem jemand eine Kugel verpasst hatte. Jedenfalls sah das für mich als Laie so aus. Aber Sie können sich gerne selbst davon überzeugen!“

Sie griff in ihre Handtasche nach ihrer Geldbörse. Aus dem Münzfach holte sie dann einen 1 GB Chip hervor. „Ich hoffe, Sie haben hier einen Computer, der modern genug ist, um diese Dinger lesen zu können. Da sind alle Bilder dieses besagten Ausflugs drauf. Es ist sogar jedes Mal die Zeit angegeben, wann die Kamera ausgelöst wurde.“

Thölkes’ Gesicht wurde jetzt ernster. Er nahm den Chip und begann seinen Rechner hochzufahren. Als das geschehen war, steckte er den Chip in den Schlitz des integrierten Kartenlesers.

Wenig später erschienen die ersten Bilder auf dem Schirm. Man konnte sich tatsächlich sehr gut vorstellen, wie der Weg der Katze aus ihrer Perspektive ausgesehen hatte. Sie ging über eine Straße. Man konnte Reifen und Radklappen aus der Bodenperspektive bewundern, einen Hundehaufen in Großaufnahme, der einen Rinnstein verstopfe, mehr oder weniger gut geputzte Schuhe von Männern und Frauen, einen Hund, der grimmig die Zähne fletschte und an seinem Halsband riss und dann noch jede Menge Aufnahmen, die offenbar unter parkenden Fahrzeugen gemacht worden waren.

„Was machen Sie normalerweise mit diesen Aufnahmen?“, fragte Thölkes während er weiterklickte und dabei den abenteuerlichen Weg einer Katze mehr oder weniger lustlos mitverfolgte.

Sabrina Kädinger hob das Kinn etwas an. „Es gibt Leute, die stellen diese Bilder ins Internet. Aber das finde ich krank...“

„Sie machen nur einen privaten Diaabend daraus?“

„Da ich Sie nicht einmal dazu einladen würde, wenn Sie der letzte Mann auf Erden wären, kann Ihnen das getrost egal sein!“, versetzte sie schneidend und so schroff, dass Thölkes sich zu ihr umdrehte.

„Uh, Sie haben ja Haare auf den Zähnen!“, grinste er.

„Sehen Sie besser in die andere Richtung. Das nächste Bild müsste es nämlich sein!“

Thölkes’ Gesicht veränderte sich, als er das nächste Bild ansah. Er veränderte den Zoom, sodass es etwa größer zu sehen war. Dann verengten sich seine Augen.

Zu sehen war ein Mann, der ausgestreckt dalag – offenbar unter einem parkenden Wagen. Aus einer Wunde an der Schläfe war offenbar sehr viel Blut gesickert. Auf dem Boden konnte man eine dunkelrote Lache sehen, durch die das Tier offenbar durchgetapst war. Thölkes sah sich auch noch das nächste Bild an. Die Szenerie schien für die Katze interessant genug gewesen zu sein, um etwas länger an dieser Stelle auszuharren. Insgesamt gab es vier Bilder, die den Toten aus leicht veränderten Perspektiven zeigte. Auf einem war das Gesicht besonders gut zu erkennen.

„Sie scheinen da tatsächlich auf etwas gestoßen zu sein.“, sagte Thölkes.

„Das sage ich doch die ganze Zeit.“

„Ich ziehe mir die Bilder von Ihrem Chip herunter. Dann können Sie den Datenträger wieder mitnehmen, falls Sie Ihre Katze...“

„Meinen Sie, die lasse ich in nächster Zeit noch mal raus?“, schnitt Sabrina Kädinger ihm das Wort ab. „Was werden Sie jetzt tun?“

„Wir werden in einem gewissen Umkreis um Ihre Wohnung nach Parkplätzen suchen, die als Tatort in Frage kommen. Und natürlich werden sich unsere Spezialisten die Sache ansehen. Falls der Mann auf dem Bild ein Straftäter war oder aus irgendeinem Grund in unseren Archiven gespeichert ist, dann stehen unsere Chancen gar nicht so schlecht, dass wir ihn mit einem Bilderkennungsprogramm identifizieren können.“

„Und falls nicht?“

„Dann ist das noch lange kein Grund aufzugeben. Wir bekommen heraus, wer das ist. Versprochen. Sind Sie in den nächsten Tagen zu Hause?“

„Ich bin Tänzerin in einem Club und arbeite am Abend. Tagsüber treffen Sie mich fast immer in meiner Wohnung an. Die Adresse hat Ihr Kollege aufgenommen.“

Thölkes nickte. „Wir melden uns bei Ihnen. Ganz bestimmt.“

5

Es war dunkel. Die Straßenbeleuchtung war in den Spar-Modus geschaltet. Zwischen ein Uhr nachts und vier Uhr in der Früh brannte nur jede zweite Leuchte. Eine feuchtkalte Nacht in einem Gewerbegebiet am Rand von Potsdam. Nach den zwei Stunden, die wir schon hier draußen waren, gab es wohl niemanden, der nicht fror.

Wir trugen Kevlar-Westen und waren über Headsets funktechnisch miteinander verbunden. Die Dienstwaffe vom lag schussbereit in meiner Hand. Zwanzig Beamte des BKA waren an diesem Einsatz auf dem Gelände der Speditionsfirma Broderich & Dirkens GmbH in der Braden Straße in Potsdam beteiligt. Frank Schachmann, ein Informant aus der Szene des illegalen Kunsthandels hatte uns Ort, Zeitpunkt und Beteiligte eines Riesendeals mit illegal eingeführten Asiatika gegeben. Es ging um Kunstgegenstände aus dem Khmer Reich in Kambodscha, dessen legendäre Hauptstadt Angkor vor tausend Jahren neben Bagdad und Kairo eine der wichtigsten Metropolen der Welt gewesen war. Die Umsätze der Kunst-Mafia können inzwischen locker mit denen anderer Zweige des organisierten Verbrechens mithalten und nahmen zwischen dem illegalen Handel mit Drogen, Waffen, Müll, Menschen und Falschgeld einen der vorderen Plätze ein.

Die Gewinne konnten sich sehen lassen und das Risiko erwischt zu werden, war viel geringer als beispielsweise im Drogenhandel, was vor allem damit zu tun hatte, dass es an Kunst-Spezialisten fehlte.

Jetzt warteten wir zusammen mit unseren Kollegen darauf, dass dieser Deal des Jahres, den Frank Schachmann uns verraten hatte, auch tatsächlich über die Bühne ging und wir unsere Falle zuschnappen lassen konnten.

Wir versprachen uns sehr viel davon, denn einige der Beteiligten gehörten zu den derzeit aktivsten Mitspielern in diesem illegalen Match. Wir hofften, dass wir durch ihre Festnahme endlich auch einige der Hintermänner dingfest machen konnten. Leute, die die Kunst-Mafia durch ihr Geld und ihre Aufträge überhaupt am Leben hielten, auch wenn sie selbst peinlich genau darauf achteten, sich nicht in die Schusslinie der Justiz zu begeben.

„Langsam könnte dieser Reinhardt aber auftauchen“, raunte mir mein Kollege Rudi Meier zu. Wir hatten uns an der Ecke einer Lagerhalle verschanzt. Der gesamte Bereich war von unseren Kollegen umstellt.

Daniel Reinhardt war einer der Kunst-Mafiosi, von denen wir hofften, dass er uns hier in die Falle ging. Eine Spezialität von ihm waren Asiatika aller Art. Er hatte exzellente geschäftliche Kontakte vor allem nach Südostasien und China und verdiente im Jahr dreistellige Millionenbeträge durch den Zwischenhandel mit illegal ausgeführten Kunstgegenständen aus diesen Ländern. Insider nannten ihn einfach „die Drehscheibe“ – und das beschrieb wohl auch seine Position in diesem Business.

Wenn es uns gelang, Reinhardt aus dem Verkehr zu ziehen, wäre das ein entscheidender Schlag gewesen.

Eine Limousine fuhr jetzt auf den Hof der Speditionsfirma. Gleich gefolgt von einem Möbelwagen und einem Van.

Aus dem Van sprangen sechs Mann in dunklen Anzügen. Sie waren mit automatischen Waffen ausgerüstet. Zwei trugen sogar MPis vom israelischen Typ Uzi.

Diese Leibwächter–Truppe verteilte sich und sah sich kurz um.

Einer der Kerle gab dann ein Handzeichen an die Insassen der Limousine. Die Türen wurden geöffnet. Ein Mann im weißen Anzug stieg aus. Das war Jamal „White Jacket Kalif“ Rahmani,  eine große Nummer in der Kunstmafia. Er fiel durch sein exzentrisches Gehabe auf und trug grundsätzlich nur weiße Anzüge. Sein Anfangsvermögen hatte er im Drogenhandel gemacht, war aber früh genug ausgestiegen, bevor man ihm rechtlich etwas anhaben konnte – und vor allem bevor die Konkurrenz ihn aus dem Weg gedrängt hatte. Im Laufe der Jahre hatte er eine mächtige Organisation aufgebaut, die auch vor Mord nicht zurückschreckte, wenn jemand ihre Kreise störte.

Zwei weitere Männer stiegen aus der Limousine. Beide relativ unauffällig. Einer war ein Leibwächter. Er hieß Gernot Braganza, war ein eher schmächtiger Mann mit dunkelblondem Haar, der auf den ersten Blick wie ein Bankangestellter wirkte. Braganza war Jamal „White Jacket Kalif“ Rahmanis Mann fürs Grobe und sein Name wurde mit mindestens fünf Morden in Verbindung gebracht, ohne dass es auch nur in einem Fall überhaupt zur Anklage gekommen war. Spätestens die Voranhörung vor der Grand Jury war die Endstation der Ermittlungen gegeben, obwohl sich die Kollegen der Staatsanwaltschaft wirklich alle Mühe gegeben hatten. Aber die Beweise reichten einfach nicht aus und außerdem waren immer wieder wichtige Zeugen im letzten Moment abgesprungen. Bei den Morden, die mit Braganza in Verbindung gebracht wurden, handelte es sich um Taten, die wir als Säuberungsaktionen innerhalb der Organisation interpretierten, die „White Jacket Kalif“ aufgebaut hatte.

Der andere Mann, der mit dem Syndikats-Boss aus dem Wagen gestiegen war, wirkte genauso unscheinbar. Er war klein, etwas übergewichtig und hatte eine hohe Stirn. Sein Name war Brian Patterson, Deutsch-Brite und Sohn eines britischen Offiziers, der während der Vier-Mächte-Zeit in Berlin gedient hatte. Patterson war Rahmanis Kunstexperte, Spezialist für Süd- und Südostasien. Insbesondere was die Kunst der Khmer anging, hatte er sich einiges an wissenschaftlichen Meriten erworben. Aber in den Diensten eines Mannes wie Jamal „White Jacket Kalif“ Rahmani konnte Patterson sein Fachwissen natürlich sehr viel besser zu Geld machen, als wenn er sich irgendwo als Leiter eines wissenschaftlichen Instituts an einer Universität anstellen ließ.

Rahmani sah auf die Uhr. Er wirkte nervös und ungeduldig. Zwei seiner Männer öffneten den Möbelwagen.

„Die Ladefläche scheint leer zu sein“, meldete sich unser Kollege Tommy Kronberg über Headset. Er war so positioniert, dass er einen besseren Blick in den Möbelwagen hatte.

In diesem Moment klingelte ein Handy bei Rahmani.

Der Mann im weißen Anzug griff zum Apparat und führte ihn ans Ohr. Unsere Kollegen hatten Richtmikrophone auf den Ort des Deals ausgerichtet, sodass wir jedes Wort mithören konnten.

„Wir warten schon eine Weile! Wenn Sie in fünf Minuten nicht hier sind, sind wir weg und das war’s dann.“

Jamal „White Jacket Kalif“ Rahmani klappte das Handy ein und steckte es wieder weg. Es handelte sich um ein Prepaid-Mobiltelefon, über das er offenbar solch sensible Geschäftskontakte abwickelte. Wir waren leider nicht in der Lage gewesen, es im Vorfeld abzuhören.

Johann-Friedrich Delvecchio, der Einsatzleiter der Potsdamer Polizei, meldete über Funk die Ankunft einer weiteren Limousine und eines Lastwagens nur wenige Minuten entfernt. Delvecchios Einsatzkräfte waren dafür zuständig, im Notfall Straßensperren zu errichten und das Gebiet weiträumig abzuriegeln. Selbst wenn uns bei dieser Aktion jemand durch die Lappen ging, würde er nicht weit kommen.

Die zweite Limousine erreichte das Firmengelände, gefolgt von einem Mercedes Lastwagen. Ein 7,5-Tonner mit Plane. Dort befand sich vermutlich die Ware, die dann in den Möbelwagen umgeladen werden musste.

Drei Männer stiegen aus der Limousine. Zwei trugen MPis, der dritte schien der Anführer zu sein. Ein breitschultriger, fast kahlköpfiger Mann im Anzug und dunklem Schnauzbart. Wir erkannten ihn von den Fahndungsfotos. Er hieß Mehmet Daryas und war Daniel Reinhardts rechte Hand.

„Schachmann hat gesagt, dass Reinhardt persönlich den Deal über die Bühne bringt“, raunte Rudi mir zu.

„Aber von Reinhardt sehe ich weit und breit nichts, Rudi“, stellte ich fest.

„Fragt sich, wie die andere Seite das aufnimmt!“

Rahmani schien etwas irritiert zu sein. „Wo ist euer Boss?“, fragte der „White Jacket Kalif“. „Ich verhandele nicht mit der Nummer 2!“

„Dann entgeht Ihnen eine sehr lukrative Ladung zu einem Preis, den Sie sonst nie bekommen würden. Ich bin sogar befugt, noch etwas nach unten zu gehen“, sagte Mehmet Daryas.

„Was Sie nicht sagen...“

„So ist es eben!“

„Ach, nee!“

„Ihr Gelehrter soll sich die Sachen erst einmal ansehen – und wenn er dann vor Staunen seinen Mund endlich wieder schließen kann, werden wir uns sicher einig!“

Mehmet Daryas machte ein Zeichen. Zwei Männer stiegen aus dem Lastwagen. Sie begannen damit, ihn hinten zu öffnen.

Brian Patterson blickte fragend zu Rahmani. Als der Mann im weißen Anzug ihm zunickte, ging er zur Rückfront des Lastwagens, ließ sich auf die Ladefläche helfen und begann damit, den Inhalt der Kisten zu überprüfen, die sich dort befanden. Die Scheinwerferkegel von Taschenlampen kreisten durch die Gegend.

Einige Augenblicke lang sagte niemand ein Wort.

„Ich nehme an, Sie haben das Geld bar dabei, wie abgemacht“, sagte Mehmet Daryas.

Jamal Rahmani schnipste mit den Fingern. Gernot Braganza ging daraufhin zum Kofferraum von Rahmanis Limousine und holte ein Diplomatenköfferchen heraus.

„Darf ich mal sehen?“, fragte Daryas. Unter dem Jackett des Kahlkopfs zeichnete sich eine großkalibrige Waffe im Schulterholster ab. Seine Begleiter wirkten nervös. Zahlenmäßig waren sie in der Unterzahl.

Jamal Rahmani sagte an Gernot Braganza gewandt: „Gib dem Mann ein Bündel Scheine.“

„Okay.“

„Den Rest kriegt er, wenn unser Schlaukopf grünes Licht gibt!“

„Okay.“

„Sag nicht immer okay.“

„Okay.“

Braganza öffnete den Koffer, sodass Daryas kurz hineinsehen konnte. Dann nahm er ein Bündel Scheine heraus und warf es Daryas zu. Dieser fing es sicher mit der Linken. Daryas sah sich die Scheine an. Er hielt sie ins Licht eines Autoscheinwerfers. Es schien alles in Ordnung zu sein.

Brian Patterson kehrte ein paar Minuten später zurück.

Auf Seiten unserer Einsatzkräfte waren natürlich jetzt die Nerven bis auf das Äußerste gespannt.

Der Deal musste über die Bühne gegangen und dokumentiert worden sein, damit das ganze juristisch entsprechend ausgewertet werden konnte. Wenn Geld und Ware eindeutig den Besitzer gewechselt hatten, waren wir auf der sicheren Seite. Erst wenn dass geschehen war, durften wir zuschlagen.

Jetzt musste es sich entscheiden.

„Alles klar, Herr Rahmani“, wandte sich Brian Patterson an seinen Boss. „Die Ware macht einen exzellenten Eindruck. Ich kann natürlich in der Kürze der Zeit keine Expertise machen, aber es scheint alles in Ordnung zu sein.“

Der Mann im weißen Anzug verzog das Gesicht.

„Ich weiß nicht... Mir wäre es lieber, wenn Reinhardt persönlich anwesend wäre. So war es auch abgemacht.“

„Wir gehen mit dem Preis herunter...“, lenkte Daryas ein.

„Ach, ja?“

„Also, was ist?“

„Tja...“

„Ey, was ist das denn für eine Ansage!“

„Ich denke immer lieber eine Minute länger nach.“

„Manche Gelegenheit ist dann verpasst.“

„Und manch einer ist dann froh darüber, noch am Leben zu sein und nicht im Knast zu sitzen.“

„Was soll der Scheiß jetzt?“

Rahmani hob die Schultern. „Wie gesagt, so ein Deal ist Vertrauenssache. Bei Reinhardt wusste ich, dass er nicht versucht, mich zu bescheißen. Und eigentlich mache ich keine Geschäfte mit Leuten, denen ich nicht hundertprozentig vertraue.“

Mehmet Daryas wirkte nervös.

Er kaute auf der Unterlippe herum.

Kein gutes Zeichen.

Er sagte: „Zwanzig Prozent Nachlass. Das müsste Ihre Bedenken doch zerstreuen.“

Rahmani hob die Augenbrauen.

Er schien einen Fleck an seinem weißen Anzug entdeckt zu haben. Der „Kalif“ wischte mit der Hand darüber.

Dann sagte er: „Und wenn ich bei einer genaueren Untersuchung feststelle, dass Sie mir Müll angeboten haben?“

„Wir wollen weiter mit Ihnen Geschäfte machen, Herr Rahmani. Das würden wir daher nicht versuchen!“

Rahmani verzog das Gesicht zu einer Grimasse. „Sie sollten nicht einmal daran denken, Daryas! Sonst  sind Sie nämlich ein toter Mann.“

„Entscheiden Sie sich jetzt. Es ist nicht so, dass Sie der einzige Interessent für die Ware sind.“

Rahmani überlegte. Dann beriet er sich kurz mit seinem Kunstexperten Patterson – und zwar so leise, dass wir nichts davon mitbekamen.

Schließlich stimmte der „Kalif“ im weißen Anzug zu. Der Kaufpreis wurde um zwanzig Prozent gemindert. Gernot Braganza nahm ein paar Bündel mit Geldscheinen aus dem Koffer heraus, danach übergab er ihn Daryas. Dieser reichte ihn zum Nachzählen an einen seiner beiden Leute.

In diesem Moment gab unser Kollege Jürgen Carnavaro, das Zeichen zum Zugriff.

6

Eine Megafonstimme ertönte. „Hier spricht das BKA! Sie sind verhaftet! Legen Sie die Waffen auf den Boden und heben Sie die Hände. Das Gelände ist umstellt...“

Das Gesicht von Mehmet Daryas veränderte sich. Er riss eine Automatik unter dem Jackett hervor. Seine beiden Leibwächter griffen zu den MPis. Die Waffen knatterten los. Blutrot leckte das Mündungsfeuer aus den kurzläufigen Waffen.

Jamal „White Jacket Kalif“ Rahmani zuckte unter einem halben Dutzend Kugeln. Getroffen brach er zusammen. Brian Patterson warf sich zu Boden und blieb bewegungslos liegen. Gernot Braganza und Rahmanis andere Leibwächter feuerten wild um sich. Sowohl auf uns, als auch auf Mehmet Daryas und seine Männer. Die Frontscheibe des Lastwagens mit den Khmer-Kunstgegenständen ging zu Bruch. Der Fahrer und der Beifahrer versuchten sich in Sicherheit zu bringen.

Mehmet Daryas erreichte um sich schießend seine Limousine. Der Fahrer hatte bereits ein Stück zurückgesetzt. Daryas riss die Tür auf und hechtete hinein, während der Wagen  mit quietschenden Reifen davon fuhr.

Doch er kam nicht bis zur Straße.

Ein Ford aus den Beständen unserer Fahrbereitschaft schnellte auf die Ausfahrt zu und blieb nach einer Vollbremsung stehen.

Daryas’ Limousine war der Weg versperrt. Zwei Männer sprangen mit der Waffe im Anschlag aus dem Ford. Es war unser Kollege Tommy Kronberg und sein Dienstpartner Leonhard Morell.

Leonhard feuerte der Limousine in den vorderen rechten Reifen. Der Wagen blieb stehen.

Gernot Braganza rannte in unsere Richtung.

Offenbar hoffte er auf der dunkleren Rückseite, der zu der Speditionsfirma gehörenden Lagerhalle, abtauchen zu können. Dort schloss sich ein Parkplatz an, auf dem mehrere LKWs standen. Und der Zaun, der das Firmengelände von den Nachbargrundstücken abgrenzen sollte, wies ein paar Lücken auf, an denen der Maschendraht schon einmal aufgeschnitten worden war.

Gernot Braganza spurtete los, als wir aus unserer Deckung kamen.

„Keine Bewegung! BKA!“, rief ich.

Er stand wie erstarrt da. Wir kamen hinter der Ecke der Lagerhalle hervor.

Braganza feuerte sofort. Ohne zu zögern. Rudi bekam die volle Ladung ab. Die Wucht des Schusses ließ ihn rückwärts zu Boden gehen. Ich feuerte nur den Bruchteil einer Sekunde später. Meine Kugel traf Braganza in die Brust. Das Projektil riss seine Kleidung auf. Darunter kam grauer Kevlar zum Vorschein.

Er taumelte zurück, schnappte nach Luft und prallte mit dem Rücken gegen das Wellblechtor der Lagerhalle. Dort rutschte er zu Boden.

Die kugelsichere Weste, die er offenbar trug, hatte zwar verhindert, dass das Geschoss in seinen Körper eindrang, dessen Wucht aber damit nur auf eine größere Fläche verteilt.  Die Wirkung war mit einem kräftigen Tritt vergleichbar. Blaue Flecken und möglicherweise sogar ein paar gebrochene Rippen konnten die Folge sein  - je nachdem, wo man getroffen wurde.

Braganzas Rechte krallte sich immer noch um die Waffe. Er riss die Pistole erneut hoch.

„Weg damit!“ rief ich.

Braganza zögerte einen Augenblick zu lang.

Er atmete schwer. Der Aufprall des Projektils musste ihm schwer zu schaffen machen.

„Der nächste geht in den Kopf!“, kündigte ich an. „Also weg mit der Waffe!“

Einen Augenblick lang hing alles in der Schwebe. Braganzas Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Endlich sah er ein, dass er keine Chance mehr hatte. Bevor er richtig auf mich zielen und abdrücken konnte, hätte ihn mein Schuss getötet. Und die Wahrscheinlichkeit, dass ich ihn nicht verfehlte, schätzte er offenbar hoch genug ein, um die Waffe sinken zu lassen. Ich ging auf ihn zu und nahm die Waffe an mich, die er auf den Boden hatte sinken lassen.

„Rudi?“, rief ich.

„Es geht schon!“, ächzte mein Partner. Braganzas Kugel hatte ihn ebenfalls in die Kevlar-Weste getroffen, die wir bei solchen Einsätzen tragen müssen. In diesem Fall hatte dieses Kleidungsstück ihm zweifellos das Leben gerettet.

Unser Kollege Oliver „Olli“ Medina war inzwischen auch aus der Deckung gekommen. Er half Rudi auf, während ich Gernot Braganza die Handschellen anlegte.

„Sie haben das Recht zu schweigen. Falls Sie von diesem Recht keinen Gebrauch machen, kann und wird alles vor Gericht gegen Sie verwendet werden, was Sie von nun an sagen...“

„Sparen Sie sich Ihre Sprüche!“, knurrte Braganza. „Ich kenne mich aus!“

„Das glaube ich gerne! Aber diesmal wird Sie Ihr Anwalt wohl kaum heraushauen!“, war ich überzeugt. Schließlich war alles auf Video dokumentiert.

7

Überall klickten jetzt die Handschellen. Die Gefangenen wurden – sofern sie unverletzt waren, in verschiedene Einsatzwagen gebracht, um sie zum Präsidium abzutransportieren. Der Rettungsdienst traf schon nach wenigen Minuten ein, um die Verletzten zu versorgen.

Für Jamal „White Jacket Kalif“ Rahmani kam jedoch jede Hilfe zu spät. Ein halbes Dutzend Schüsse von Mehmet Daryas waren ihm in den Oberkörper gefahren und hatten seinen schneeweißen Anzug zerfetzt. Allerdings hatte er darunter eine Kevlar-Weste getragen, sodass er daran nicht gestorben war.

Getötet hatte ihn ein Treffer in den Kopf und eine Kugel, die ihm in den Hals gefahren und in der Wirbelsäule stecken geblieben war.

Die Ballistiker würden eine Menge zu tun haben, um genau rekonstruieren, wer in welcher Reihenfolge welchen Schuss abgegeben hatte.

8

Zwei Stunden später saßen wir Gernot Braganza in einem der Verhörräume in unserem Präsidium gegenüber.

„Sie gehen mir vielleicht auf die Eier!“, sagte Gernot Braganza. „Sie beide!“

„Das Vergnügen ist ganz meinerseits“, sagte ich.

„Scheiße...“

„Ich denke, es ist auch in Ihrem Interesse, wenn dieses Gespräch einen vernünftigen Verlauf nimmt, Herr Braganza.“

„Ach. Wirklich?“

„Wirklich.“

„Wie kommt es dann, dass ich davon nicht so richtig überzeugt bin?“

„Vielleicht liegt das daran, dass Ihnen Ihre Lage nicht so richtig klar ist.“

„Ja, klar!“

„Aber ich vermute, dass sich das im Verlauf unseres Gesprächs noch ändern wird.“

„Die Hoffnung stirbt zuletzt, was?“

Braganza war ärztlich behandelt worden.

Meine Kugel hatte dafür gesorgt, dass er jetzt ein ziemlich großes Hämatom am Oberkörper hatte. Aber es war nichts gebrochen. So lange er weder einen Hustenanfall bekam oder lachte, ging es ihm einigermaßen gut.

Details

Seiten
Jahr
2017
ISBN (ePUB)
9783738907780
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (September)
Schlagworte
kubinke katze harry thriller

Autor

  • Alfred Bekker (Autor:in)

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Titel: Kubinke und die Katze: Ein Harry Kubinke Thriller