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Chronik der Sternenkrieger: Drei Abenteuer #4

von Alfred Bekker (Autor:in)
©2016 360 Seiten

Zusammenfassung

Mitte des 23. Jahrhunderts werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner.
In dieser Zeit bricht die STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf...
Alfred Bekker schreibt Fantasy, Science Fiction, Krimis, historische Romane sowie Kinder- und Jugendbücher. Seine Bücher um DAS REICH DER ELBEN, die DRACHENERDE-SAGA,die GORIAN-Trilogie und seine Romane um die HALBLINGE VON ATHRANOR machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er war Mitautor von Spannungsserien wie Jerry Cotton, Kommissar X und Ren Dhark. Außerdem schrieb er Kriminalromane, in denen oft skurrile Typen im Mittelpunkt stehen - zuletzt den Titel DER TEUFEL VON MÜNSTER, wo er einen Helden seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einer sehr realen Serie von Verbrechen macht.

Dieses Buch enthält folgende drei Romane:

Chronik der Sternenkrieger 8: Wahre Marsianer

Chronik der Sternenkrieger 9: Überfall der Naarash

Chronik der Sternenkrieger 10: Der Palast

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Chronik der Sternenkrieger: Drei Abenteuer #4

von Alfred Bekker

Mitte des 23. Jahrhunderts werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner.

In dieser Zeit bricht die STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf...

Alfred Bekker schreibt Fantasy, Science Fiction, Krimis, historische Romane sowie Kinder- und Jugendbücher. Seine Bücher um DAS REICH DER ELBEN, die DRACHENERDE-SAGA,die GORIAN-Trilogie und seine Romane um die HALBLINGE VON ATHRANOR machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er war Mitautor von Spannungsserien wie Jerry Cotton, Kommissar X und Ren Dhark. Außerdem schrieb er Kriminalromane, in denen oft skurrile Typen im Mittelpunkt stehen - zuletzt den Titel DER TEUFEL VON MÜNSTER, wo er einen Helden seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einer sehr realen Serie von Verbrechen macht.

Dieses Buch enthält folgende drei Romane:

Chronik der Sternenkrieger  8: Wahre Marsianer 

Chronik der Sternenkrieger  9: Überfall der Naarash

Chronik der Sternenkrieger 10: Der Palast

IMPRESSUM

Ein CassiopeiaPress Buch

© by Author

© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

Der Umfang dieses Buchs entspricht 369 Taschenbuchseiten.

Band 8: Wahre Marsianer

Commander Rena Sunfrost blickte zum rostroten Marshorizont, an dem ein dunkler, sich um die eigene Achse drehender Kegel zu sehen war, der schätzungsweise sechzig, siebzig Kilometer hoch in die Atmosphäre hineinragte. Im Helmdisplay wurde ein rapider Temperaturabfall angezeigt. Gerade noch waren minus 34 Grad Celsius gemessen worden, was am Mars-Äquator der mittleren Mittagstemperatur entsprach. Jetzt war das Thermometer bereits auf über minus fünfzig Grad gefallen.

Etwa zehn Meter entfernt landete Lieutenant David Kronstein gerade auf den Stiefelsohlen seines klobigen Druckanzugs.

Er hatte eine Serie von Drei-Meter-Sprüngen hinter sich und musste sich nun ausbalancieren, um nicht durch den eigenen Schwung zu Boden gerissen zu werden. Wie alle anderen Team-Mitglieder hatte er sich offenbar noch nicht hundertprozentig an die geringere Schwerkraft des Mars gewöhnt. Kronstein schaffte es gerade noch, das Gleichgewicht zu halten. Er nahm sein Ortungsmodul von der Magnethalterung an seiner Taille und richtete es erst auf den Sturm, dann auf eine Gruppe von Felsmassiven.

»Captain, wir haben keine Chance mehr, die Felsen zu erreichen, bevor der Sturm uns hinwegfegt. Die Windgeschwindigkeit beträgt mehr als 500 Stundenkilometer. Unsere Überlebenschancen sind gleich null!«

1

»Der atmosphärische Druck sinkt rapide«, meldete Kronstein. »Wir haben jetzt weniger als 4,5 Millibar, vor einer Stunde war es noch beinahe ein Millibar mehr!«

Der Luftdruck auf dem Mars schwankte zwischen 3 und 8 Millibar. Für irdische Verhältnisse – durchschnittlich um 1000 Millibar – glich selbst ein marsianisches Hochdruckgebiet oder der erhöhte Atmosphärendruck in den bis sechs Kilometern tiefen Spalten und Senken noch einem recht passablen Vakuum. Eine Schwankung um ein Millibar wäre auf der Erde kaum spürbar gewesen, doch auf dem Mars zeigte sie eine drastische Wetteränderung an. Der marsianische Sturm verhielt sich in dieser Hinsicht genau wie irdische Wirbelstürme: Durch Temperaturunterschiede in der Atmosphäre wurde Luft an einer Stelle angesaugt, wodurch in den umliegenden Gebieten Unterdruck entstand.

Es ist meine Schuld!, dachte Sunfrost. Die Routenplanung war fehlerhaft – und ich war dafür verantwortlich. Also werde ich auch die Schuld daran tragen, dass wir in diesem verdammten Sturm zu Grunde gehen!

Aber wer hätte auch ahnen können, dass der Sturm seine Richtung so plötzlich änderte?

Die Wahrscheinlichkeit dafür war vom Wetterrechner des Ortungsmoduls mit 15 Prozent angegeben worden. Aber gerade die fünfzehn Prozent waren jetzt eingetreten. Der Sturm näherte sich.

Unaufhaltsam pflügte er durch den Marsstaub, wirbelte ihn in die zweihundert Kilometer dicke Marsatmosphäre. Auf Grund der im Vergleich zur Erdatomsphäre um ein Vielfaches geringeren Dichte dieser vorwiegend aus Kohlendioxid sowie Stickstoff und Edelgasen bestehenden Gashülle des Mars waren die Auswirkungen eines Sturms viel größer. Es hatte in der Vergangenheit Stürme gegeben, die den gesamten Planeten für ein paar Standard-Erdjahre verdunkelt hatten. Die nur etwa 40 Prozent der Erdanziehung betragende Gravitation des Mars tat ein Übriges, um die aufgewirbelten Partikel lange in der Atmosphäre herumschwirren zu lassen.

Wenn der Sturm uns erreicht, wird er uns mit seiner Gewalt in die Höhe schleudern, ging es Rena durch den Kopf. Auch in einem der raumtauglichen Panzeranzüge der Marines hatte man keinerlei Überlebenschance, wenn man vielleicht zehn Kilometer emporgeschleudert wurde und anschließend auf die Oberfläche knallte. Und selbst mit einem aufgeschnallten Antigrav wäre die Wahrscheinlichkeit, einigermaßen unverletzt die Oberfläche zu erreichen, äußerst gering.

Aufschnallbare Antigrav-Packs gehörten allerdings nicht zur Ausrüstung, die Rena Sunfrost und ihrer Gruppe zur Verfügung stand...

»Captain, ich fürchte wir haben keine Optionen mehr«, stellte Lieutenant Commander Raphael Wong, der Erste Offizier des Leichten Kreuzers STERNENKRIEGER fest. Außer ihm und Kronstein gehörten noch Bordärztin Dr. Simone Nikolaidev, der Olvanorer Bruder Guillermo, der Leitende Ingenieur Lieutenant Simon E. Erixon sowie Lieutenant Robert Ukasi, der Waffen- und Taktikoffizier, Sunfrosts Team an.

»Ich weiß, wir hätten eine andere Route nehmen müssen. Ich hatte Unrecht«, sagte Sunfrost.

»Wenn wir jetzt den Rückweg zum Wrack antreten, haben wir immerhin eine geringe Chance, dass sich die Richtung des Sturms noch einmal ändert und wir ihm vielleicht doch noch entgehen«, schlug Bruder Guillermo vor.

»Wo bleibt Ihre Glaubenszuversicht?«, meldete sich Robert Ukasi zu Wort. »Eigentlich hätte ich von Ihnen erwartet, dass ein religiös so gefestigter Mann wie Sie seinem Ende mit offenen Augen entgegensieht.«

»Und ich hätte gedacht, dass ein Taktiker wie Sie, in dieser Situation seine Fähigkeit zu einer sachlich-kühlen Lagebeurteilung behält«, versetzte Sunfrost.

»Wir können dem Einfluss des Sturms nicht entgehen«, erklärte Kronstein. »Jedenfalls ist die Wahrscheinlichkeit dafür minimal. Möglicherweise geraten wir mit etwas Glück nur in die etwas weniger heftigen Randbezirke dieses Wirbels. Aber die werden uns immer noch hoch genug schleudern, um uns mit großer Wahrscheinlichkeit zu töten.«

»Versuchen wir es trotzdem«, sagte Sunfrost.

Sie war es, die die Entscheidungen treffen musste. Und mochte es einem auch so erscheinen, als wäre es in dieser Situation völlig gleichgültig, welche Entscheidung getroffen wurde, so fühlte Rena doch, dass es anders war. Im Angesicht einer Gefahr hatte der Mensch den inneren Drang etwas zu tun.

Ob es das Richtige war, spielte dabei manchmal eine untergeordnete Rolle.

Zumindest ist es besser, als sich einfach diesem Monstrum aus Wind, aufgewirbeltem Marsstaub und atmosphärischem Unterdruck zu ergeben. Ein Monstrum, das ihre Gruppe unweigerlich erschlagen würde.

Du denkst über den Sturm schon wie über ein lebendes Wesen, ging es Sunfrost durch den Kopf. Als ob es sich um ein fassbares Ungeheuer handeln würde. Einen Feind... in Wahrheit war der eigentliche Feind deine Fehleinschätzung in Bezug auf die Route...

Das war eine Wahrheit, die schmerzte.

Die Gruppe setzte sich in Bewegung. Mit beiden Beinen stießen sie sich vom Boden ab und landeten wenige Meter entfernt. Ein Bein war dabei nach vorn, das andere nach hinten ausgerichtet wie bei einem raumgreifenden Schritt unter Erdschwerkraft.

Die Teammitglieder federten auf dem staubigen, aber festen Boden ab und sprangen gleich weiter. Durchschnittlich waren sie anderthalb Sekunden in der Luft, wie eine Anzeige im Inneren des Helmvisiers anzeigte.

Eine Sprunglänge, die für die Fortbewegung unter Marsbedingungen optimal war. Schon die ersten Erdastronauten des zwanzigsten Jahrhunderts hatten bei ihren Mondmissionen schnell festgestellt, dass diese känguruartige Fortbewegung unter den Bedingungen einer geringen Schwerkraft am effektivsten war.

Sie hüpften vor dem herannahenden Sturm davon. Aber schon dessen Außenbereiche sorgten für Windböen, die heftig genug waren, um die Springer fortzureißen.

Nikolaidev wurde plötzlich emporgeschleudert, ohne dass sie noch irgendeine Kontrolle über ihren Körper hatte. Im nächsten Moment krachte sie auf den von Gesteinsbrocken übersäten Boden. Ihr Helmvisier bekam Risse. Ein Todesröcheln war noch über den Helmfunk zu hören. Der Sauerstoff aus dem Inneren des Druckanzugs trat in einer Fontäne aus. Die in der Atemluft enthaltene Feuchtigkeit kondensierte sofort.

Rena sah es, taumelte jedoch weiter vorwärts. Springen durfte sie jetzt nicht mehr. Die Windgeschwindigkeiten hatten inzwischen alles überschritten, was selbst von den schlimmsten Hurrikans auf der Erde bekannt war. Der Himmel hatte sich vollständig verdunkelt und wurde einer rostroten, immer düsterer werdenden Schicht aus aufgewirbelten Partikeln bedeckt.

Sie taumelte zu Boden und kam dabei ziemlich hart mit dem Visier gegen einen der Steine. Es gab einen Kratzer, aber abgesehen davon schien kein Schaden entstanden zu sein. Die Anzeige des Helmdisplays verriet, dass der Anzug nach wie vor einwandfrei arbeitete.

Aber das war nur ein schwacher Trost.

Sie blickte sich um.

Schemenhaft bemerkte sie eine Gestalt. Es waren die Umrisse eines Standardraumanzugs, wie sie von den Raumsoldaten des Space Army Corps für den Einsatz auf Planeten mit nichtirdischen Bedingungen benutzt wurden. Sie glaubte einen Moment lang, an der Ausrüstung erkennen zu können, dass es Wong war. Aber das konnte ebenso gut ein Irrtum sein.

Die Gestalt verschwand nur Augenblicke später.

»Raphael, wo sind Sie?«, fragte sie über Helmfunk, doch sie erhielt, abgesehen vom Rauschen irgendeiner Interferenz, keine Antwort.

Sie war allein.

Allein auf einem menschenfeindlichen Planeten, dessen Oberfläche so gut wie unbesiedelt war und dessen Terraforming noch ein paar Jahrhunderte brauchen würde, um Erfolge zeigen zu können, die über die Ansiedlung von einigen Sauerstoff produzierenden Moosen hinausgingen. Milliarden Menschen lebten auf dem Mars – aber deren Städte lagen tief unter der Oberfläche. Hierher verirrte sich niemand, es sei denn, er hatte einen sehr guten Grund dafür, um diese schroffe Einöde aufzusuchen, deren trockenkalte Kargheit alles in den Schatten stellte, was ein Mensch der Erde mit dem Begriff Wüste verbinden mochte.

Sunfrost presste sich auf den Boden. Jetzt gab es tatsächlich nichts mehr was sie tun konnte.

Alles läuft jetzt einfach bis zum Ende!, ging es ihr durch den Kopf. Und irgendwann heißt es dann GAME OVER oder so ähnlich...

Etwas drückte an ihrem Halsansatz. Es war der Kragen ihres Anzugs, der sich, da sie auf dem Bauch lag, von unten an ihren Hals und die obersten Rippen presste, wodurch sie ihren Talisman schmerzhaft spürte. Sie war auf Dambanor II von dem Projektil einer primitiven Steinschlosswaffe getroffen worden, die ein reptiloider Einheimischer auf sie abgeschossen hatte. Dieses Projektil trug sie ständig bei sich. Bedenke, dass du sterblich bist. Daran erinnerte sie dieses Amulett nun ständig.

Eine Anzeige erschien in ihrem Helmsdisplay.

AUSFALL VON TEAM-MITGLIEDERN: 88,71 Prozent, stand dort.

6 von 7 Teammitgliedern sind tot.

Ein emporgeschleuderter Gesteinsbrocken krachte in diesem Moment dicht neben Sunfrost zu Boden. Sie sah nichts mehr. Der aufgewirbelte Marsstaub war zu dicht. Aber im nächsten Moment spürte sie einen Schlag gegen den Kopf. Offenbar ein zweiter Brocken.

Vor Rena Sunfrosts Augen wurde es schwarz...

2

In der Dunkelheit wirkte das Leuchten sehr grell. Es schmerzte beinahe.

AUSFALL VON TEAM-MITGLIEDERN: 100 Prozent, war dort zu lesen. 7 von 7 Teammitgliedern sind tot. Wünschen Sie eine Aufschlüsselung der Ursachen, dann sagen Sie ja.

Wünschen Sie keine Aufschlüsselung, so sagen Sie nein.

Möchten Sie, dass Ihnen die Aufschlüsselung an Ihre private oder dienstliche Netzwerkadresse übersandt wird, so sagen Sie »übersenden«. Falls Sie...

»Nein!«, sagte Rena etwas zu spät.

Sie hatte einfach keine Nerven dafür, sich jetzt auch noch im Einzelnen die Gründe für ihr Versagen bei dieser Survival-Simulation anzeigen zu lassen.

Dreimal schon hatten Sunfrost und ihr Team die Simulation während des Rückflugs der STERNENKRIEGER ins Sol-System durchgespielt und das Ergebnis war jedes Mal gleichermaßen ernüchternd gewesen.

Rena stand auf.

Die künstliche Schwerkraft in dem Übungsraum an Bord der STERNENKRIEGER war nach Beendigung der Simulation sofort wieder auf Erdniveau geschaltet worden – und das bedeutete, dass dieser Anzug fast das dreifache Gewicht hatte.

Sie öffnete das Visier und nahm schließlich den Datenhelm ab. Die anderen Team-Mitglieder hatten ihre Helme schon abgenommen. Die Anzüge waren per drahtloser Datenübertragung mit dem Bordrechner verbunden, über den das Simulationsprogramm ablief. Auf einem in der Wand eingelassenen Bildschirm war das beschämende Ergebnis zu sehen.

7 von 7 Teammitgliedern sind tot, brummte Rena innerlich. Ja, ich habe es ja verstanden.

»Unsere Simulationsergebnisse sind noch nicht zufriedenstellend, Captain«, erklärte Lieutenant Commander Raphael Wong auf seine unnachahmlich trockene Art. »Leider werden wir vor unserem Eintreffen auf dem Mars wohl kaum noch Gelegenheit dazu bekommen, das Programm ein weiteres Mal ablaufen zu lassen.«

Rena atmete tief durch.

Es gab eine Vorschrift, die für Offiziere des Space Army Corps erlassen worden war. Danach waren sie verpflichtet, innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren an einem Survival-Kurs unter extraterrestrischen Bedingungen teilzunehmen. Dabei war festgelegt, dass als Orte, an denen dieser Kurs abgelegt werden konnte, nur Planeten in Betracht kamen, bei denen mindestens drei der wichtigsten Umweltparameter um mindestens siebzig Prozent von denen der Erde abwichen.

Dreiviertel der Kursabsolventen des Space Army Corps machte dieses Survival-Training in Camp Latanor auf dem Mars. Und da die STERNENKRIEGER die nächsten Wochen zu dringend notwendigen Wartungsarbeiten auf Spacedock 13 festliegen würde, empfahl es sich für jene Offiziere, deren extraterrestrischer Survival-Kurs mal wieder dringend angezeigt war, die Gelegenheit beim Schopf zu fassen und die unangenehme Pflicht hinter sich zu bringen.

Ausnahmegenehmigungen wurden nur in extremen Härtefällen gewährt oder wenn es ein längerer Einsatz des betreffenden Offiziers einfach nicht möglich machte, dass er den Kurs rechtzeitig absolvierte.

Aber davon konnte im Moment ja keine Rede sein.

»Ich weiß nicht, wer von den Schlaumeiern im Oberkommando sich die bestehenden Regelungen ausgedacht hat und über deren Sinn kann man sicher geteilter Ansicht sein. Aber wir werden auf keinen Fall um die Absolvierung dieses Kurses herumkommen«, kündigte Rena Sunfrost an.

»Wenn Sie mir die Bemerkung gestatten, dann ist das reine Zeitverschwendung«, knurrte Simon E. Erixon.

Rena lächelte mild.

»In Ihrem Fall verstehe ich die Empörung sogar«, erklärte sie.

Erixon wandte den Kopf in ihre Richtung. Seine Facettenaugen schienen sie mit geradezu unmenschlicher Kälte zu mustern und so sehr sie sich auch immer in Erinnerung rief, dass dies eine Projektion ihrerseits war, so wenig war sie dennoch in der Lage, diese Emotion einfach auszuschalten oder wenigstens ignorieren zu können.

Erixon stammte vom Planeten Genet, der wichtigsten Welt der so genannten Genetiker-Föderation, wo seit langer Zeit sehr viel liberalere Bestimmungen im Hinblick auf die Anwendung von gentechnischen Veränderungen herrschten.

Teilweise waren die geltenden Gesetze der Humanen Welten sogar bewusst unterlaufen worden. Jüngst war nun die Genetiker-Föderation unter ihrem Lordmanager Jurij R. Zaid direkt dem Humanen Rat unterstellt und die planeteneigenen Regierungen abgesetzt worden. Allerdings waren keinerlei Maßnahmen unternommen worden, um dies auch durchzusetzen.

Wie viele andere Bewohner Genets war auch Simon Erixon das Ergebnis einer gentechnischen Optimierung. Man hatte ihn für den Einsatz als Bergbauingenieur auf einer Methanwelt erschaffen, sodass er dazu in der Lage war, zwischen Sauerstoff- und Methanatmung zu wechseln. Seine Facettenaugen waren ausschließlich für die Wahrnehmung von Infrarotstrahlung ausgelegt.

»Ich habe länger unter extremen, nicht der Erdnorm entsprechenden Bedingungen verbracht als die gesamte restliche Besatzung der STERNENKRIEGER zusammengenommen«, sagte Erixon ziemlich ärgerlich. »Und da verlangen diese arroganten Säcke vom Oberkommando die Ableistung dieses Kurses von mir!«

»Mäßigen Sie sich, Lieutenant«, wies ihn Rena Sunfrost zurecht. »Ihren Unmut darüber kann ich verstehen, aber weder Sie noch ich können daran etwas ändern. Also hat es auch keinen Sinn, darüber zu lamentieren.« Rena wandte sich an Bruder Guillermo. Der noch recht jung wirkende Olvanorer erwiderte ihren Blick. »Der Einzige, der nicht an diesem Kurs teilnehmen muss, wären Sie, Bruder Guillermo.«

»Ich will keine Ausnahme sein«, erklärte er.

»Sie sind kein regulärer Offizier an Bord der STERNENKRIEGER, sondern genießen als wissenschaftlicher Berater lediglich die mit dem Offiziersrang verbundenen Privilegien...«

»...auf die ich im Übrigen nie einen besonderen Wert gelegt habe.«

»Ich habe mir die Vorschriften diesbezüglich noch einmal genau durchgelesen, Bruder Guillermo. Es gibt keine Verordnung, die Sie dazu zwingen könnte, an diesem Kurs teilzunehmen.«

Bruder Guillermo lächelte. »Nun, ich... Also...« Er hatte den Satz zweimal angefangen, biss sich jetzt auf die Lippe und zuckte einfach nur die Schultern. Irgendein Gedanke schien ihm gerade im Kopf herumzuspuken. »Wissen Sie, im Gegensatz zu allen anderen hier im Raum freue ich mich auf diese Erfahrung.«

»Also, ich kann Ihnen sagen, es gibt wirklich Erfreulicheres, als in einem unförmigen Druckanzug durch die Marswüste zu hüpfen – und das auch noch ohne hinreichendes technisches Equipment wie Antigrav-Paks oder dergleichen«, meinte Wong.

Der Erste Offizier der STERNENKRIEGER wandte sich an Kronstein.

»Für Sie hat das Ganze wenigstens in so fern sein Gutes, dass Sie die Shuttle Passage zum Mars nicht aus eigener Tasche bezahlen müssen, sondern Ihre Freundin auf Kosten des Space Army Corps besuchen können!«

Kronstein lächelte verhalten.

Er hatte eine Freundin auf dem Mars. Sie hieß Yona Ramesh und war Systemadministratorin in einem der zahlreichen Zuliefererunternehmen für die Raumfahrtindustrie, die in den größtenteils unterirdischen Siedlungen auf dem Mars ihren Stammsitz hatten. Tatsächlich hatte er viel an Yona gedacht in letzter Zeit. Der Gedanke, dass er sie kurz nach seiner Ankunft erst einmal wieder für ein paar Tage verlassen musste, um an diesem Survival-Kurs in der Latanor Area teilzunehmen, gefiel ihm natürlich überhaupt nicht. Stattdessen hätte er lieber etwas von dem sich auf seinem Konto anhäufenden Sold für die Shuttle-Passage ausgegeben. Selbst den doppelten Preis, wenn er damit das Survival-Training hätte umgehen können.

Er zuckte die Achseln. »Man muss eben immer das Positive sehen.«

Ein Summton ertönte.

Die Brücke meldete sich über Interkom, wo gegenwärtig Lieutenant John Taranos das Kommando führte, während der Rest der Brückencrew im Moment von Fähnrichen gestellt wurde, die auf der STERNENKRIEGER ihre Ausbildung absolvierten. Aber während des Anflugs auf Spacedock 13

konnte eigentlich nichts schief gehen. Eine Routineaufgabe, die von Taranos und den Fähnrichen mühelos und ohne besonderes Risiko bewältigt werden konnte.

»Captain, wir docken in zehn Minuten an Spacedock 13 an«, meldete Taranos, der normalerweise die Funktion eines Ruderoffiziers an Bord der STERNENKRIEGER innehatte.

»In Ordnung, Lieutenant. Ich danke Ihnen für die Meldung.«

3

Lieutenant Taranos salutierte, als Rena Sunfrost wenig später auf der Brücke erschien.

»Machen Sie weiter, Lieutenant.«

»Ja, Ma'am.«

»Tun Sie so, als wäre ich gar nicht da.«

»In Ordnung, Captain.«

Dass sämtliche ranghöheren oder bei Ranggleichheit dienstälteren Offiziere abwesend waren und Lieutenant John Taranos daher die Gelegenheit erhielt auf der Brücke das Kommando zu führen, kam relativ selten vor.

Es wird Zeit, dass er sich daran gewöhnt, fand jedoch Rena Sunfrost.

Der Captain hatte von Anfang an einen Mangel an Führungsqualität bei dem Rudergänger der STERNENKRIEGER festgestellt. Er war ein hervorragender Pilot, mit Sicherheit einer der besten des gesamten Space Army Corps. Aber das, was einen Offizier über die Fachkompetenz im engeren Sinn hinaus noch eigentlich auszeichnen sollte, fehlte ihm zum Großteil.

Er ist noch ziemlich jung und wird es lernen können, dachte Sunfrost. Er wird es allerdings auch lernen müssen, wenn er die Karriere machen will, die seinen fachlichen Fähigkeiten eigentlich entspricht.

John Taranos war die Anspannung anzumerken.

»Andock-Sequenz wird vorbereitet«, meldete Fähnrich Lin Al-Katibi, der Taranos am Ruder vertrat. Der Offiziersanwärter ließ seine Finger über den Touchscreen seiner Konsole gleiten, um ein paar letzte Modifikationen vorzunehmen.

»Wir bekommen eine Transmission des Space Army Corps herein«, meldete jetzt Fähnrich Wiley Riggs von der Konsole für Ortung und Kommunikation.

»Auf den Schirm damit«, verlangte Lieutenant Taranos.

Auf dem Hauptbildschirm der STERNENKRIEGER verschwand die Panoramaabbildung, die im Vordergrund Spacedock 13 gezeigt hatte, während hinter dieser Orbitalstation die blaue Erdkugel schimmerte.

Das Gesicht eines kahlköpfigen Mannes in der Uniform des Star Corp war jetzt zu sehen. Commodore Tim Bray Jackson war Rena Sunfrosts direkter Dienstvorgesetzter. Dementsprechend wandte sich der Commodore auch gleich an sie und nicht an den derzeit das Kommando auf der Brücke führenden Taranos.

»Guten Tag, Commander. Es freut mich, dass Sie und Ihre Besatzung wohlbehalten zur Erde zurückgekehrt sind.«

»Danke, Sir«, gab Rena zurück.

»Abgesehen von dieser Grußbotschaft wollte ich Ihnen eigentlich nur mitteilen, dass in Camp Latanor auf dem Mars alles für Sie und Ihre Crewmitglieder bereit ist. Sie bekommen zunächst Quartiere im District C von Mars Town und werden später mit einem Gleiter in die Latanor Area gebracht, wo sich Survival Instructor Norman Kaboli schon auf die Arbeit mit Ihnen freut.«

Sunfrost atmete tief durch. Etwas tiefer, als sie es eigentlich beabsichtigt hatte, sodass das dazugehörige Geräusch mit Sicherheit in das Büro des Commodores übertragen worden war.

Jackson lächelte nachsichtig. »Keiner von uns macht das wirklich gerne, Commander. Aber ich denke, es wird für Sie alle noch genug Zeit bleiben, um sich zu erholen.«

»Davon bin ich überzeugt, Sir.«

»Die Kosten für Ihre Quartiere in Mars Town werden für einen Zeitraum von drei Tagen, aber nicht über die Kursdauer hinaus, vom Space Army Corps übernommen. Falls irgendjemand aus den Reihen Ihrer Crew plant, länger dort zu bleiben, muss er das aus eigener Tasche zahlen. Der Shuttle-Rückflug ist hingegen wieder durch das Space Army Corps finanziert.«

»Das ist gut zu wissen, Sir.«

»Ich nehme an, Sie haben das Simulationsprogramm, das Ihnen per Sandström-Datentransmission zugestellt wurde, bereits mit ihren Leuten ein- oder mehrmals durchgespielt?«, erkundigte sich der Commodore.

»Ja, Sir.«

Ich kann nur beten, dass er mich jetzt nicht nach den erreichten Ergebnissen fragt, ging es Rena durch den Kopf. Es reicht schon, dass dieses Programm dazu geführt hat, dass ich mich vor meinen Offizieren mehr oder weniger blamiert habe!

»Norman Kaboli ist erst seit kurzem leitender Survival Instructor in Camp Latanor. Ich selbst habe meinen Auffrischungskurs bei ihm absolviert und kann mir daher ein Urteil erlauben. Kaboli ist der Ansicht, dass die Anforderungen dringend etwas angehoben werden mussten, um die Überlebenschancen von Space Army Corps-Raumsoldaten nach einer Havarie signifikant zu erhöhen. Nicht nur die Kurse, sondern auch die Simulationen sind daher grundlegend überarbeitet und den neuen Standards angepasst worden. Im Prinzip eine Maßnahme, gegen die niemand etwas einwenden wird – oder haben Sie dazu eine andere Ansicht, Commander?«

»Nein, Sir.«

»Wundern Sie sich also nicht, wenn Kaboli Sie und Ihre Leute etwas härter rannimmt und Sie an Ihre Grenzen heranführt. Genau das ist ja eigentlich der Sinn solcher Kurse. Die Schönheiten des Mars kann schließlich jeder Tourist bewundern.«

»Ich bin ganz Ihrer Ansicht, Sir.«

»Nun, dann wünsche ich Ihnen einen lehrreichen Aufenthalt in Camp Latanor.«

»Sir...?«

Commodore Tim Bray Jackson bewegte die Stirnmuskelpartien oberhalb seiner Augen. Bei einem Menschen mit normaler Behaarung hätten sich in diesem Moment wohl die Augenbrauen gehoben. »Commander?«

»Darf ich fragen, welche Ergebnisse Sie in der Simulation erreichten?«

Sag mal, welcher Teufel hat dich eigentlich geritten, dem Commodore diese Frage zu stellen?, meldete sich eine ziemlich ungehaltene Gedankenstimme in Rena Sunfrosts Hinterkopf. Aber jetzt war es zu spät. Die Worte hatten ihre Lippen verlassen und ließen sich nicht wieder zurückholen, so sehr sie sich das jetzt vielleicht auch gewünscht hätte.

Ein breites Lächeln erschien auf Commodore Jacksons Gesicht. »Im dritten Durchgang schaffte ich es immerhin, einen meiner Männer zu retten – mich selbst allerdings nicht.«

»Das beruhigt mich, Sir.«

»An Ihren Fähigkeiten als Kommandantin sollten Sie auf keinen Fall zweifeln, die brauchen Sie noch dringender denn je in Camp Latanor.«

»Danke, Sir.«

Die Verbindung wurde beendet. Das Bild von Commodore Tim Bray Jackson verschwand vom Schirm und machte wieder der Ansicht der Erde und ihrer Orbitalstationen Platz.

Der Commodore hat mich gar nicht erst nach meinen Ergebnissen gefragt!, rief sich Sunfrost jetzt in Erinnerung.

4

Mars Town, District C, App. 345621 DE

Yona Ramesh löste den strengen Knoten, mit dem sie ihr langes, blauschwarzes Haar zusammengefasst hatte. Seidig glänzend fiel es der jungen Frau über die Schultern. In ihren Gedanken sah sie das Gesicht ihres Geliebten David Kronstein vor sich. Die blonden Haare, das gewinnende Lächeln... Jedes Mal, wenn ein Wiedersehen bevorstand, wurde ihr Inneres von einer Welle von Gefühlen überspült. Je länger sie sich nicht gesehen hatten, desto stärker wurde die Sehnsucht.

David hatte ihr eine private Transmission geschickt, nachdem die STERNENKRIEGER aus dem Sandströmraum ausgetreten war und sich auf Spacedock 13 zubewegte. Dass die STERNENKRIEGER dabei – unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Planetenpositionen von Erde und Mars zueinander – dem Roten Planeten sehr nahe kommen würde, empfand die junge Frau dabei als eine Ironie des Schicksals. Er fliegt praktisch an mir vorbei, ging es ihr durch den Kopf.

Seit dem Absenden der privaten Transmission waren etwa sieben Stunden vergangen. Das bedeutete, die STERNENKRIEGER hatte entweder bereits an Spacedock 13 angedockt oder stand kurz davor. Wahrscheinlich würde ein Shuttleflug noch einmal sieben bis acht Stunden in Anspruch nehmen – je nach gegenwärtiger Entfernung Mars-Erde vielleicht sogar noch etwas länger. Abgesehen davon stimmten diese Zeitangaben auch nur unter der Voraussetzung, dass unmittelbar nach Eintreffen der STERNENKRIEGER an der irdischen Orbitalstation Spacedock 13 auch gleich eine Raumfähre zur Verfügung stand, die David mitnehmen konnte.

Sie atmete tief durch. Was sollen all diese Gedanken? Er wird dir eine Nachricht schicken, wenn es soweit ist und dann weißt du Bescheid.

Aber sie konnte einfach nicht anders, als immer wieder daran zu denken und erneut nachzurechnen, wann sie ihn im Raumhafen von Mars Town erwarten konnte.

Yona trug im Moment nichts weiter als einen Kimono, der die verführerischen Kurven ihres Körpers nachzeichnete. Sie betrat das Bad, löste den Gürtel des Kimonos und war gerade im Begriff, sich unter die Dusche zu stellen, als eine Musik einsetzte. Abgedämpfte, vibratolose und leicht melancholisch klingende Trompetentöne, wie das Echo einer Botschaft aus dem Nichts. Es handelte sich um eine restaurierte Jazz-Aufnahme des Trompeters Miles Davis von Some Day My Prince Will Come, die Yona als Klingelton für alle Botschaften von David konfiguriert hatte.

Da sie im Moment keinen Kommunikator bei sich trug, über den sie die Transmission hätte entgegennehmen können, verließ sie das Bad wieder und ging zur Hauptkonsole ihres Apartments in Mars Town, District C. Auf dem Display fand sie noch einmal bestätigt, dass es tatsächlich David war, der sich da meldete.

Durch den Druck auf ein Sensorfeld bestätigte sie die Annahme des Gesprächs.

Auf einem in die Wand eingelassenen Bildschirm erschien sein Gesicht.

»Hallo Darling. Ich bin auf Spacedock 13 und habe nicht viel Zeit, weil gleich unser Shuttle zum Mars abgeht. Genaue Ankunftszeit und -ort sind im Datenstrom dieser Transmission enthalten.«

»Ich freue mich schon so, dich wieder zu sehen, David«, erwiderte sie.

»Mir geht es genauso. Nur dieser verdammte Survival-Kurs in Camp Latanor, von dem ich dir erzählt habe...«

»Der geht auch vorüber. Und danach machen wir es uns richtig schön hier auf dem Mars.«

»Natürlich.«

Sie seufzte. »Ich liebe dich, David.«

»Ich dich auch, Yona.«

Die Verbindung wurde unterbrochen.

Ein versonnenes Lächeln stand auf dem Gesicht der jungen Frau. Die Äußerungen von Freunden und Bekannten hatten sie manchmal daran zweifeln lassen, ob jemand, der seine Bestimmung darin sah, in den Weltraum hinauszufliegen, eigentlich der richtige Partner für sie sein konnte. Sie wünschten sich beide Kinder und wollten eine Familie gründen. Aber möglicherweise waren Davids Vorstellungen darüber, was die zeitliche Perspektive betraf, doch nicht ganz deckungsgleich mit ihren.

Was soll dieses Gegrübel, dachte sie. Im Moment bist du glücklich und jedes Mal, wenn du mit David zusammen sein kannst, fühlst du dich wie im siebten Himmel. Das ist es doch, worauf es erst einmal ankommt...

Yona ging zurück in Richtung Bad. Ein angenehmes Kribbeln machte sich in ihrer Magengegend bemerkbar.

Sie bemerkte das wurmartige Etwas nicht, das in diesem Moment durch die Wand drang, so als wäre da nicht der geringste Widerstand. Das wurmartige Wesen war vollkommen transparent. Nur, wenn man genau hinschaute, konnte man die äußere Hülle erkennen, die wie eine durchsichtige Membran wirkte. Im Inneren waren einzelne Komponenten zu erkennen.

Organe, die pulsierten und einen wie auch immer gearteten Stoffwechsel aufrechterhielten.

Yona ging ins Bad, während ihr der etwa fünfzig Zentimeter lange transparente Wurm folgte.

Die junge Frau schloss die Tür hinter sich.

Das Wesen drang durch die Tür, ohne dabei auf Widerstand zu stoßen.

Yona ließ den Kimono von den Schultern gleiten und trat unter die Dusche.

Der Wurm folgte ihr.

Erst im letzten Moment bemerkte Yona das Wesen. Sie blickte an sich herab, sah gerade noch wie der transparente Wurm in ihren Fuß eindrang. Das versonnene Lächeln, das soeben noch ihre fein geschnittenen Gesichtszüge gezeichnet hatte, verschwand innerhalb eines Sekundenbruchteils. Sie stieß einen hellen Schrei aus, während sie ein unangenehmes Zucken im Bein spürte.

Das Wesen war inzwischen vollkommen in ihrem Körper verschwunden.

Entsetzen erfasste Yona, als sie sah, dass sich ab und zu ein wenig aus ihrem Bein hervorwölbte.

Es wanderte aufwärts, erreichte das Becken und wandte sich von dort aus dem Rücken zu. Yona griff mit den Händen an die entsprechenden Körperpartien. Es war ein furchtbares Gefühl, zu wissen und vor allem zu spüren, dass da etwas in ihr war, das nicht dorthin gehörte. Etwas, das sich nach Belieben in ihrem Körper zu bewegen vermochte.

Sie konnte nichts tun.

Eisige Schauder erfassten sie.

Das Wesen erreichte ihr Rückgrat, fuhr daran empor bis das, was wie die Kopfseite dieses Wurms ausgesehen hatte, ihren Nacken erreichte. Ein kurzer, aber heftiger Schmerz durchfuhr sie und ließ einen Ruck durch ihren Körper gehen.

Vom nächsten Augenblick an war der Schmerz verflogen und alles hatte sich verändert.

Ihr Gesichtsausdruck wirkte entspannt.

Gleichgültigkeit erfasste sie...

5

Über Interkom bekam Rena Sunfrost eine Meldung, nach der ihr Shuttle zum Mars bereitstand und alle anderen Besatzungsmitglieder der STERNENKRIEGER, die mit ihr an dem Survival-Kurs in Camp Latanor teilnehmen mussten, sich bereits an Bord befanden.

Aber es gab noch etwas, was Sunfrost vor ihrem Abflug zu erledigen hatte.

Sie saß im Raum des Captains an Bord der STERNENKRIEGER, der ihr sowohl als Büro wie auch als Konferenzraum diente und daher gerade groß genug war, um die Offiziere des Schiffes aufnehmen zu können.

Die Schiebetür glitt zur Seite.

Crewman Titus Naderw, der etatmäßige Pilot der Landefähre L-1, trat ein und salutierte. »Captain, Sie haben mich hier beordert.«

»Das ist richtig. Rühren und setzen.«

»Danke, Captain.«

»Sie haben sich für eine Versetzung zu den schnellen Jägerverbänden beworben, Crewman Naderw. Wir haben vor einiger Zeit ja schon einmal darüber gesprochen.«

»Ja, Captain. Während dieses Urlaubs werde ich die letzten Tests durchlaufen, dann entscheidet sich endgültig, ob ich angenommen werde oder den Anforderungen doch nicht genüge.« Naderw zuckte die Achseln. »Der Andrang ist groß und...«

»Aber für mich besteht kein Zweifel, dass Sie die Tests schaffen werden und Sie mir schon bei der nächsten Mission der STERNENKRIEGER nicht mehr als Shuttlepilot zur Verfügung stehen!«

»Warten wir es ab, Captain. Schließlich gibt es da bei mir ja ein gewisses Handicap, wenn Sie meine Personalakte aufmerksam gelesen haben...«

»Ich weiß jetzt nicht, wovon Sie sprechen«, bekannte Sunfrost ehrlich.

»Nun, Bewerber, bei denen psychische Auffälligkeiten klinisch diagnostiziert wurden, haben es gegenüber gleich qualifizierten Mitbewerbern immer ein bisschen schwerer, Ma'am.«

Sunfrost nickte. Jetzt wusste sie, worauf Crewman Naderw hinauswollte. Der Pilot der L-1 litt unter einer ausgeprägten Vogelphobie.

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass man Ihnen aus Ihrem Leiden einen Strick drehen wird, Crewman Naderw«, erklärte Rena.

Den Piloten schien das nicht sonderlich zu beruhigen. Sein Gesicht strahlte in diesem Moment alles andere als Selbstbewusstsein aus, obwohl er dazu seinen Leistungen als Pilot zu Folge eigentlich allen Anlass hatte. Und soweit Rena darüber informiert war, waren auch Naderws Ergebnisse bei den vorangegangenen Tests beachtlich gewesen, sodass er sich eigentlich keine Sorgen zu machen brauchte.

»Wie auch immer, ich wollte Sie eigentlich nur bitten, dass Sie mir bei der Auswahl des Nachfolgers helfen, da mir erstens die fachlichen Kenntnisse zur Beurteilung von Pilotenleistungen fehlen und ich zweitens meine Entscheidung vermutlich sehr schnell treffen muss und gar keine Zeit haben werde, um mich in dieses Gebiet ausreichend hinein zu vertiefen.«

»Ich stehe Ihnen jederzeit zur Verfügung, Ma'am«, erklärte sich Naderw bereit.

»Ich danke Ihnen und wünsche Ihnen ansonsten alles Gute bei den Tests.«

»Danke, Captain.«

»Sie können wegtreten.«

6

Die Raumfähre SOLAR SHUTTLE 295 D brachte Rena Sunfrost, Bruder Guillermo, Wong, Nikolaidev, Ukasi, Kronstein und Erixon auf direktem Weg zum Mars. Die Passage dauerte etwa acht Stunden, wobei die erste Hälfte der Strecke konstant beschleunigt wurde, die zweite gebremst.

Die Shuttle-Crew bestand aus Captain Desmond LaMarre und seiner Copilotin Ricarda Mbwane, wie die Namensschilder an den Uniformen auswiesen. Allerdings waren beide nicht Angehörige des Space Army Corps, sondern flogen im Dienst eines privaten Shuttle-Dienstes. Die Bezeichnung Captain war also bei LaMarre kein militärischer Rang, sondern wies ihn lediglich als Kommandanten der Raumfähre aus.

SOLAR SHUTTLE 295 D verfügte über sehr leistungsstarke Ionentriebwerke modernster Bauweise, die es, was die Beschleunigungswerte anging beinahe mit einem Schiff wie der STERNENKRIEGER aufnehmen konnten. Allerdings gab es keinen Sandström-Antrieb. Es lohnte nicht, derart kleine Schiffe mit Überlichtantrieb auszurüsten, es sei denn, man verwendete sie zu militärischen Zwecken, wie die umgebauten Raumboote, die die Genetiker-Welten bislang zu ihrer Verteidigung verwendeten. Die Überwindung der Lichtmauer durch das ab einer Geschwindigkeit von 0,4 LG mögliche Eintauchen in den Sandström-Raum war sehr energieaufwändig. Beim Transport von Fracht oder Passagieren lohnte der Aufwand eigentlich nur, wenn man größere Einheiten auf den Weg schickte.

Aus dem All sieht der Mars wie eine runzelig gewordene Orange mit weißen Schimmelflecken an den Polen aus, ging es Sunfrost durch den Kopf, während sie durch eins der Sichtfenster auf den Roten Planeten blickte.

Der Mars hatte aufgrund seiner Achsenneigung von vierundzwanzig Prozent stark ausgeprägte Jahreszeiten.

Außerdem schwankte der Abstand zur Sonne im Verlauf eines Jahres um gut 50 Millionen Kilometer. An den Polen gab es sich gegenseitig überlagernde Eiskappen. Eine kleinere, die aus Wasser-Eis bestand und eine größere, die aus gefrorenem Kohlendioxid gebildet wurde. Die Eiskappen der Südhalbkugel schmolzen im Sommer vollständig ab, während auf der Nordhalbkugel lediglich die Trockeneiskappe aus Kohlendioxid verschwand, während die kleinere Wassereiskappe sich zwar verkleinerte, aber nie zur Gänze abschmolz. Das hatte seinen Grund darin, dass der nördliche Sommer mit der Zeit der größten Sonnenentfernung zusammentraf und sich daher die Achsenneigung und die Schwankungen in der Entfernung zur Sonne gegenseitig zumindest teilweise neutralisierten.

Im Moment herrschte Nordsommer, wie man deutlich sehen konnte. Das Trockeneis im Norden war fast völlig verschwunden, während sich das Eis des Südens beinahe bis zum vierzigsten Breitengrad vorgearbeitet hatte. Übersetzt auf die Verhältnisse auf der Erde wäre das einer südlichen Vergletscherung bis Buenos Aires gleichgekommen.

Dunstwolken aus kondensierendem Wasserdampf waren als weiße Schlieren vor allem auf der Nordhalbkugel erkennbar.

Die 295 D drang tiefer in die Marsatmosphäre ein, überflog die so genannte Utopia Planitia, eine karge Steinwüste in der 1976 die Sonde Viking 2 gelandet war und bis dahin sensationelle Bilder vom Mars zur Erde gesandt hatte. Die Flugbahn der 295 D senkte sich immer weiter ab und führte gleichzeitig näher an den Äquator heran. Schließlich überquerte sie die Senke Chryse Planitia, unter der sich mit Chryse City eine der wichtigsten submarsianischen Ansiedlungen befand. Die dortigen Industrieanlagen waren nach wie vor der größte Lieferant von Ionentriebwerken und Antigrav-Aggregaten innerhalb der Humanen Welten. Äußerlich war so gut wie nichts von dem gewaltigen, unter der Oberfläche gelegenen urbanen Komplex zu sehen. Nur hier und da gab es Einflugschächte für Raumschiffe und Gleiter, die verrieten, dass sich unter der rostroten, steinigen Oberfläche des Mars noch eine andere Welt befinden musste. Eine Welt, die im Gegensatz zu den menschenfeindlichen Verhältnissen an der Oberfläche den Bedürfnissen des Menschen vollkommen angepasst war. In der Tiefe herrschten durch künstlich hergestellte Erdschwerkraft, Sauerstoff-Atmosphäre und angenehme Temperaturen. Lediglich in den eigentlichen Produktionsanlagen hatte man auf die Erzeugung von Erdschwerkraft verzichtet, da die Fertigung unter geringerer Schwerkraft eine erhebliche Energieersparnis bedeutete. Von Anfang an war dies, ein Standortvorteil für die Raumfahrtindustrie auf dem Mars gewesen, denn in vergleichbaren Produktionsanlagen auf der Erde hätte die Schwerkraft erst durch Antigravaggregate künstlich verringert werden müssen.

Chryse City war eine verhältnismäßig junge Stadt auf dem Mars. Sie war um das Jahr 2100 gegründet worden, in einer ersten Boomphase der irdischen Raumfahrtindustrie.

Die ersten dauerhaften Ansiedlungen auf dem Mars hatte es weiter im Süden gegeben, denn die klimatischen Bedingungen waren hier günstiger. Im Gegensatz zum Nordsommer wurde der Südsommer nicht durch die gleichzeitig wachsende Sonnenferne in seiner Wirkung neutralisiert. Für marsianische Verhältnisse konnte es in den Gebieten südlich des Äquators sogar recht heiß werden. Die durchschnittlichen Mittagstemperaturen betrugen gut dreißig Grad minus, aber in heißen Sommern wurde auch schon mal der Gefrierpunkt erreicht. Das war für die Energieversorgung der ersten Marsstädte, die man etwa ab 2070 unter die Oberfläche des Roten Planeten gebaut hatte, sehr wichtig gewesen.

Die erste dieser Städte war Mars Town gewesen. Sie lag auf etwa zwanzig Grad südlicher Breite auf halbem Weg zwischen dem Olympus Mons, dem mit 27.000 Höhenmetern höchsten Berg des Sonnensystems, dessen teilweise mit Eis bedeckte Kraterform man schon aus dem All mit bloßem Auge sehen konnte.

Mars Town war bis heute die Hauptstadt des Mars geblieben.

Hier war das Verwaltungs- und Handelszentrum des Roten Planeten, außerdem der nach New York wichtigste Börsenplatz der Humanen Welten. Fast zwanzig Millionen Menschen lebten in diesem unterirdischen Ballungsraum, der langsam aber sicher mit dem südlich gelegenen Port Sirenum zusammenwuchs.

Das Shuttle steuerte auf einen der Schächte zu, in die man in die submarsianischen Anlagen hineinfliegen konnte. Sie wurden durch Signallichter, Infrarotsender und Impulsgeber so gekennzeichnet, dass sie selbst bei miserablem Wetter noch ohne Probleme für jeden Gleiter zu orten waren – selbst dann, wenn dieser nicht mit Spitzentechnologie, sondern vielleicht nur mit einem einfachen Infrarotsichtgerät für den Nachtflug ausgerüstet war. Denn mit schlechter Sicht musste man in Anbetracht der Marsstürme, die mitunter gewaltige Areale verdunkelten, immer rechnen.

»Anflug auf Mars Town Raumhafen«, meldete der Captain des Shuttles.

Das Shuttle sank auf eine markierte Stelle auf der Oberfläche zu. Ein großes, kreisförmiges Schott öffnete sich. Die 295 D sank in die entstandene Öffnung und landete.

Vollautomatisch wurde eine schlauchartige Gangway an das Shuttle herangeführt und angedockt. Auf dem Landefeld des Raumhafens herrschten Marsschwerkraft und -atmosphäre, während innerhalb der hermetisch abgeschlossenen Gangway zumindest im Hinblick auf Temperatur und Atemluft Erdbedingungen anzutreffen waren.

Die Außenschleuse des Shuttles stellte einen Druckausgleich her.

David Kronstein war der Erste, der die schlauchartige Gangway betrat, über die er in den terraformierten Habitatbereich von Mars Town gelangen konnte.

»Seien Sie vorsichtig, im Bereich der Gangway herrscht Marsschwerkraft«, warnte der Kommandant des SOLAR SHUTTLE 295 D. »Halten Sie sich einfach vor Augen, dass jede Ihrer Bewegungen fast dreimal so heftig und mit dreimal so viel Kraft ausgeführt wird. Versuchen Sie sich etwas zurückzunehmen, dann stoßen Sie auch nicht gegen die Außenwandung der Gangway.« Aber die Warnung kam zu spät.

Kronstein war genau das bereits passiert. Er fluchte lauthals vor sich hin. »Wie oft habe ich das jetzt schon mitgemacht, und es passiert mir trotzdem immer wieder!«, schimpfte er.

7

Nachdem Sunfrost und ihre Gruppe die Gangway passiert hatten, gelangten sie in den inneren Bereich des Raumhafens. Sie wurden zunächst einer Identitätskontrolle unterzogen und gescannt, ehe sie diesen hermetisch abgeriegelten Bereich schließlich verlassen konnten.

Innerhalb des Ballungsraums Mars Town/Port Sirenum gab es ein Netz von Antigravbahnen, mit denen man innerhalb kürzester Zeit jeden Punkt in dieser submarsianischen Megalopole erreichen konnte. Bis zu hundert Stockwerke tief reichten die Wohndecks und Industrieanlagen dieser Stadt. Ein Vorteil der unterirdischen Bauweise war, dass die Bewohner weitaus besser vor den extremen Strahlungsschwankungen geschützt waren, als dies an der Oberfläche möglich gewesen wäre. Der Kern des Mars bestand zwar noch aus einem etwa zweitausend Kilometer durchmessenden Klumpen aus glühendem Metall, aber darüber lag inzwischen eine dicke, erkaltete Kruste, sodass kaum tektonische Bewegungen möglich waren – ganz zu schweigen von einem Magmafluss, wie er auf der Erde das Magnetfeld aufrecht erhielt.

Das Magnetfeld des Mars war schwach und damit war der Planet erhöhten Strahlungsbeschuss durch die Sonne ausgesetzt.

Ein Faktum, das jede dauerhafte Besiedlung der Oberfläche schwierig gestaltete – wenn auch nicht unmöglich, wie die Siedler der zwischen Olympus Mons und Marsäquator gelegenen Latanor Area und des Martian Queen Territorys nun schon seit gut zweihundert Jahren bewiesen hatten. Real Martians nannten sich diese inzwischen umweltangepassten Nachfahren der Besatzung eines in der Anfangszeit der Marsbesiedlung havarierten irdischen Raumschiffs.

Es gab Antigravbahnen und Kabinenschächte sowohl in vertikaler als auch horizontaler Richtung. Rena Sunfrost und die Mitglieder ihres zukünftigen Survival-Teams in Camp Latanor ließen sich in District C bringen. Rena hatte darauf bestanden, dass die vom Space Army Corps georderten Quartiere in räumlicher Nähe zueinander lagen. Die Auswahl von District C kam wiederum Lieutenant David Kronstein entgegen, dessen Freundin hier beheimatet war.

»Sie alle haben jetzt zwei Tage Urlaub«, erklärte Rena, bevor jeder in der Gruppe schließlich sein Quartier aufsuchte. »Die einzige Order, die ich Ihnen mit auf den Weg gebe ist, Ihre Kommunikatoren auf Empfang zu halten, damit ich Sie verständigen kann, sollte es im Hinblick auf die Teilnahme an unserem Survival-Kurs noch zu irgendwelchen kurzfristigen Änderungen kommen. Im Übrigen möchte ich jedem raten, sich in der zur Verfügung stehenden Zeit noch einmal mit den zum Kurs gehörenden Daten-Dossiers zu beschäftigen.«

»Sieben von sieben Teammitgliedern sind tot – schlimmer kann es nicht mehr werden, Captain«, meinte Wong.

Vielleicht hatte das tröstlich wirken sollen. Für Sunfrost war es nur das erneute Aufreißen einer Wunde...

8

Es ist das erste Mal, dass sie mich nicht am Raumhafen erwartet hat, ging es David Kronstein durch den Kopf, während er vor der Tür von Yona Rameshs Apartment stand. Warum?

Sicher gibt es eine einfache und einleuchtende Erklärung dafür...

Kronstein spürte einen Kloß in seinem Hals. Eine Ahnung sagte ihm, dass da etwas nicht stimmte oder zumindest nicht so war wie bisher. Er wusste, dass Yona extra Urlaub bei ihrer Firma genommen hatte. Es gab also keinen offensichtlichen Grund dafür, dass sie nicht am Raumhafen von Mars Town aufgetaucht war.

Die Tür öffnete sich, und Yona stand vor ihm.

»Hallo«, sagte sie. Ihr Gesicht wirkte seltsam ausdruckslos dabei.

David war irritiert. »Hey, ich dachte, du fällst mir um den Hals, Yona! Schließlich ist es eine Weile her, dass wir uns gesehen haben!« Er breitete die Arme aus.

Sie drehte sich von ihm weg und sagte dabei: »Komm herein. Kann ich dir was anbieten?«

»Nein, danke«, erwiderte Kronstein, dessen Verwirrung wuchs.

Er trat ein. Die Schiebetür des Apartments schloss sich hinter ihm. Er stellte die kleine Tasche, die er bei sich trug, auf den Boden und fasste nach Yonas Schulter.

»Hey, was ist, Yona?«, fragte er.

»Nichts.«

Aber irgendetwas muss geschehen sein, seit wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben, überlegte David Kronstein.

Die Veränderung war nicht wegzuleugnen.

Yona wirkte kühl, teilnahmslos, fast gleichgültig. Sie drehte sich zu ihm um und lächelte. Es sah nicht echt aus.

Wo ist das Feuer in ihren Augen geblieben? – Oder bilde ich mir das alles nur ein?, fragte sich Kronstein. Er strich ihr sanft über das Haar. Vielleicht ist es auch etwas zu viel verlangt, nach Wochen im All einfach wieder aufzutauchen und so zu tun, als wäre seit dem letzten Zusammentreffen keine Zeit vergangen...

Vorsichtig zog er sie zu sich heran. Sie ließ es geschehen und legte den Kopf an seine Schulter.

»Es ist schön, dass du wieder da bist«, sagte sie.

Aber irgendwie klang es nicht so, als dass er es ihr hätte glauben können...

9

Später in der Nacht lag er neben ihr und konnte nicht schlafen.

Die Gedanken rasten nur so in seinem Hirn. Was war aus der zärtlichen jungen Frau geworden, mit der er noch von Spacedock 13 aus Kontakt gehabt hatte?

Zweimal hatte er sie gefragt, weshalb sie ihn nicht am Raumhafen abgeholt hatte, so wie sonst. Sie war ihm ausgewichen oder hatte seine Frage einfach ignoriert.

Irgendetwas muss geschehen sein!, stand für den Kommunikations- und Ortungsoffizier der STERNENKRIEGER fest.

Aber was konnte es sein, dass nun zwischen ihnen stand? Er hörte ihren regelmäßigen Atem neben sich. Wie eine Fremde kam sie ihm auf einmal vor.

Vielleicht kenne ich sie einfach nur noch nicht gut genug, dachte er.

Auf jeden Fall war er sich absolut sicher, nie zuvor an ihr eine derart drastische Stimmungsschwankung festgestellt zu haben. Sie war nicht abweisend, nur gleichgültig. Und wenn er sie darauf ansprach, was denn mit ihr los sei, so reagierte sie entweder überhaupt nicht oder stellte eine verwunderte Gegenfrage.

David Kronstein setzte sich im Bett auf. Ein paar fluoreszierende Elemente in den Wänden sorgten dafür, dass es nicht stockdunkel in Yonas Apartment war. Trotz der Tatsache, dass die Beleuchtung ausgeschaltet war, konnte man mühelos alles erkennen. Die fluoreszierenden, jeweils etwa handgroßen und in die Wand eingelassenen Elemente tauchten alles in ein leicht diffuses, bläuliches Dämmerlicht, das aber vollkommen ausreichte, um sich zu orientieren.

Was ist nur los?, fragte sich David Kronstein nicht zum ersten Mal voll tief empfundener Verzweiflung.

Schließlich liebte er die Frau, die so teilnahmslos neben ihm im Bett lag, von ganzem Herzen und konnte sich ihre Wesensveränderung einfach nicht erklären. Die ganze Situation erschien ihm albtraumhaft.

Es wird Zeit, dass ich daraus erwache, dachte er.

Yona drehte sich im Schlaf herum. Sie wandte ihm jetzt den nackten Rücken zu.

Etwas schien sich plötzlich an einer Stelle darunter hervorzuwölben.

Im ersten Moment glaubte David Kronstein, seinen Augen nicht zu trauen. War er in dem bläulichen Dämmerlicht einer optischen Täuschung aufgesessen? Kronstein starrte ihren Rücken wie entgeistert an.

Er war jetzt auf einmal hellwach. Dieses Etwas, das er gesehen hatte, sorgte dafür, dass sein Adrenalin-Spiegel innerhalb eines Sekundenbruchteils nach oben schnellte.

Wieder glaubte er, dass sich an einer Stelle etwas unter ihrer Haut hervorwölbte. Diesmal ein paar Zentimeter tiefer, am Rückgrat.

Kein Zweifel, da war etwas.

Kronstein wollte schon aufspringen, um Licht zu machen, als mehrere wurmartige, nur etwa fingergroße Wesen aus Yonas Rücken hervorschnellten. Sie durchdrangen ihre Haut, ohne dabei auch nur die geringste Wunde zu hinterlassen. Das fluoreszierende Licht ließ ihre transparente Oberfläche bläulich schimmern. Das Innere aus pulsierenden Organen war ebenso gut zu erkennen, wie das bizarre, zahnlose Maul an der Vorderseite.

Kronstein schnellte zur Seite.

Ein entsetzter Laut kam über seine Lippen.

Einen Sekundenbruchteil später erkannte er, dass er zu spät reagiert hatte. Eines der wurmartigen, fingergroßen Wesen hatte ihn bereits angesprungen und sich an der Außenseite seiner Hand festgesaugt.

Dort, wo das Maul an der Vorderseite des transparenten Wurms auf seine Haut traf, kribbelte diese mit einer fast schmerzhaften Intensität.

Kronstein versuchte instinktiv, das Wesen loszuwerden. Er schüttelte die Hand, aber dieses Ding ließ sich nicht so einfach vertreiben. Entsetzt stellte David fest, dass es in seiner Hand zu verschwinden begann. Einige Augenblicke noch sah er die äußeren Konturen des sich wie eine Schlange unter der Haut vorwärtsbewegenden Wesens, das sich am Unterarm voran arbeitete. Ein Kribbeln war dort zu spüren, wo sich das Wesen im Augenblick befand.

Kronstein sprang aus dem Bett, stieß einen entsetzten Schrei aus.

Gleichzeitig dämmerte ihm, dass es nichts gab, was er im Augenblick gegen dieses Wesen tun konnte.

Mit ohnmächtiger Wut musste er mit ansehen, wie sich das Wesen, das in seinen Körper eingedrungen war, den Arm entlang arbeitete. Nach nur wenigen Augenblicken hatte es den Oberarm erreicht. Das Kribbeln wurde geradezu unerträglich und machte Kronstein halb wahnsinnig.

Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, sondern taumelte stattdessen nur noch durch das Apartment. Er stützte sich an der Wand ab, spürte den Lichtschalter unter seiner Hand, betätigte ihn und fand sich wenig später in einem Meer aus gleißender Helligkeit wider, die in den Augen schmerzte.

»Yona!«, hörte er seine eigene Stimme rufen und sie klang dabei für ihn wie die Stimme eines Fremden.

Es war ein eigenartiges Gefühl. Verzweifelt versuchte Kronstein, einen klaren Gedanken zu fassen, aber in seinem Bewusstsein herrschte das blanke Chaos. Irgendwie herrschte tief in seinem Inneren die diffuse Vorstellung, dass er jemandem Bescheid sagen, sich jemandem anvertrauen musste. Er starrte auf die zum Apartment gehörende All-in-one-Konsole, mit der sämtliche Systeme der Wohnung zu steuern waren.

Angefangen von der zur Verfügung stehenden Unterhaltungselektronik bis hin zur Bewässerung von Zimmerpflanzen. Aber auf dem Weg dorthin stolperte er fast über seine Sachen, von denen er einen Großteil ursprünglich über die Lehne eines Schalensessels gehängt hatte. Er griff nach seinem – wie von Sunfrost befohlen – ständig empfangsbereiten Armbandkommunikator, den er in der Nacht allerdings abgenommen hatte.

Aber noch ehe er sich daran erinnern konnte, was er mit dem Kommunikator eigentlich gewollt hatte, durchlief ein Ruck seinen schlanken Körper.

Das wurmähnliche Wesen war das Rückgrat emporgeklettert und hielt sich Kronsteins Gefühl nach nun in der Nackengegend auf. Für einen kurzen Moment erfasste ihn ein geradezu mörderischer Schmerz, der ihn kurz aufstöhnen ließ.

Im nächsten Augenblick war es vorbei.

Yona Ramesh richtete sich nun ebenfalls auf. Sie hatte die Veränderung bei David Kronstein längst registriert.

»David!«, flüsterte sie und kniff dabei die Augen zusammen, um sich vor dem ungewohnt grellen Licht zu schützen.

Alles war nach dem kurzen Moment des intensiven Schmerzes, der Kronstein erfasst hatte, anders geworden. Agonie und Gleichgültigkeit hüllten sein Bewusstsein ein. Da waren nur noch vage Erinnerungen, die sich irgendwie nicht so recht einordnen ließen. Viele hatten mit einem Raumschiff zu tun, dessen Namen Kronstein auch erst nach längerer Überlegung wieder einfallen wollte.

STERNENKRIEGER...

Dass sich aus Yonas Rücken für einen kurzen Moment ein fast fünfzig Zentimeter langer Wurm herausdrückte, der anschließend wieder im Inneren ihres Körpers verschwand, nahm Kronstein gar nicht mehr wahr.

Es hatte keine Bedeutung.

Wie so vieles andere, das er noch vor kurzem für so überaus wichtig gehalten hatte, ebenfalls...

10

»Alles in Ordnung?«, fragte Bruder Guillermo, als sich das Team zwei Tage später an der Antigrav-Bahnstation 431 im District C von Mars Town traf.

David Kronstein, dem diese Frage gegolten hatte, reagierte nicht.

Sein Blick war starr und teilnahmslos. Plötzlich durchlief ein Ruck seinen Körper. Er wandte den Kopf in Bruder Guillermos Richtung, sagte aber nichts.

»Lieutenant?«, fragte der Olvanorer.

»Es ist alles in Ordnung«, erwiderte Kronstein. Und nach einer kurzen Pause fügte er noch hinzu: »Ich freue mich auf eine erfolgreiche Absolvierung des Survival Kurses in Camp Latanor.«

Bruder Guillermo hob verwundert die Augenbrauen. »Was ist in den vergangenen zwei Tagen geschehen, dass Sie Ihre Meinung so grundlegend geändert haben, Lieutenant?«

»Nichts«, behauptete Kronstein. »Es ist nichts geschehen.«

Seine Worte klangen so leer wie sein Blick.

Bruder Guillermo zuckte die Achseln. Auf Sunfrost machte das junge Mitglied des Wissenschaftler-Ordens der Olvanorer in diesem Moment einen ratlosen Eindruck, was ziemlich selten vorkam. Auch wenn seine schüchterne Art mitunter darüber hinwegtäuschte, so hatte er doch ein sehr fundiertes Urteil und war vor allem in der Einschätzung von zwischenmenschlichen Prozessen ausgesprochen sicher. Ein Umstand, der Sunfrost wiederholt irritiert hatte, stand er doch etwas im Widerspruch zu seiner noch vergleichsweise bescheidenen Lebenserfahrung.

Die Gruppe bestieg eine der Kabinen, die in den Schächten der Antigravbahnen vertikal und horizontal durch das submarsianische Labyrinth des Ballungsraums Mars Town/Port Sirenum geschickt wurden.

Zielpunkt war dabei nicht der Raumhafen von Mars Town, der vor allem für den Verkehr zu den Außenwelten genutzt wurde, sondern eines der kleinen Gleiterterminals, von denen ein Großteil der rein innermarsianischen Atmosphärenflüge starteten. Im Prinzip glichen diese Gleiterterminals einem großen Raumhafen. Der Hauptunterschied bestand darin, dass diese Anlagen einfach kleiner und die Sicherheitsvorkehrungen weitaus weniger streng waren. Schließlich ging es hier um Flüge in der Marsatomsphäre oder allenfalls noch zu den beiden kartoffelförmigen Monden Deimos und Phobos, die mit einfachen Antigravgleitern noch problemlos erreicht werden konnten.

Das Gleiterterminal trug den Namen Mars Town 1123 West.

In der Abfertigungshalle erwartete Sunfrost und ihre Gruppe ein Umweltangepasster aus Camp Latanor.

Der Mann hatte eine für die so genannten Real Martians durchaus typische Länge von etwa zwei Meter fünfzig. Sein Körperbau war feingliederig und gemessen am Standard der Erdmenschen wirkte der Umweltangepasste extrem dürr.

Im Terminal 1123 West herrschte natürlich – abgesehen vom eigentlichen Landefeld und den schlauchartigen Gangways, die zu den einzelnen Gleitern geführt wurden – Erdschwerkraft von 1 g. Der grazile Körper des Real Martian wäre ohne fremde Hilfe kaum in der Lage gewesen, sich unter Erdschwerkraft kriechend zu bewegen. Daher war er darauf angewiesen, überall dort, wo Erdschwere künstlich hergestellt worden war, ein Antigrav-Pak zu tragen, das auf die Schultern geschnallt wurde. Es enthielt ein Antigravaggregat, das den Unterschied ausglich.

Der Umweltangepasste hatte Rena uns ihre Gruppe gleich erkannt, was zweifellos an den blauen Space Army Corps Uniformen lag.

»Ich nehme an, dass Sie das Team um Commander Sunfrost sind, das für die nächsten Tage den Luxus von Camp Latanor genießen wird«, erklärte der Umweltangepasste mit einem breiten Grinsen.

»Das trifft zu«, erwiderte Rena.

Der Real Martian reichte Rena die Hand. Die war fast doppelt so groß wie die ihre. Die Finger erinnerten an Spinnenbeine.

In der Prä-Weltraum-Ära der Erde wäre eine derart dürre, fast skelettartige Erscheinung wohl als eine Art Sinnbild des Todes in Horrorfilmen aufgetreten, überlegte Rena.

Dabei war das Gegenteil der Fall. Auf Grund der geringeren Schwerkraft und der damit verbundenen minderen Belastung für Herz und Kreislauf betrug die durchschnittliche Lebenserwartung der Real Martians fast hundertfünfzig Jahre und war damit gegenüber den hundertzehn Jahren, mit denen ein gewöhnlicher, auf der Erde oder einer erdähnlichen Kolonie geborener Mensch rechnen konnte, um ein knappes Drittel höher.

»Ich bin Chris Monteleone«, stellte sich der Riese vor. »Assistant Survival Instructor in Camp Latanor.«

»Freut mich, Sie kennen zu lernen, Mr. Monteleone«, sagte Rena.

»Ich habe den Auftrag, Sie ins Camp zu bringen. Der Gleiter steht schon bereit.«

»In dem Fall schlage ich vor, dass wir keine Zeit verlieren und es hinter uns bringen.«

Der Umweltangepasste runzelte die Stirn und musterte nacheinander die Gesichter der anwesenden Teammitglieder.

»Nanu, ich dachte, man sagt dem Space Army Corps immer eine besonders positive Einstellung nach. Aber wenn ich so in Ihre Gesichter schaue, finde ich davon nicht besonders viel wieder!«

»Schließen Sie keine voreiligen Schlüsse«, warnte Sunfrost ihn.

Der Real Martian hob ein wenig die ansonsten meistens nur schlaff herabhängenden Arme und erwiderte: »Eigenartig, da sagt man immer, dass nur die Härtesten beim Star Corp aufgenommen werden – aber immer wenn ich diese Leute nach Camp Latanor fliege, gibt es diese langen Gesichter, die einem sofort klar machen, dass die Typen lieber in ihren warmen, gemütlichen und vor allem strahlungsfreien Raumschiffen säßen!« Monteleone lachte dröhnend und für Renas Geschmack entschieden zu laut. Aber sie wusste, dass auch dies eine Eigenart der Umweltangepassten war. Eine Begründung für dieses Verhalten hatte sie jedoch nie gefunden.

»Es gibt Gruppen von Privatleuten, die sich von uns durch den Marsstaub treiben lassen und dafür sogar noch ein halbes Vermögen bezahlen. Nur um einmal das Gefühl kennen zu lernen, wie es ist, sich selbst mit primitiven Mitteln vor den Auswirkungen eines Gamma-Outbursts zu bewahren! Für Sie wird die ganze Sache doch von der Regierung bezahlt!«

»Ich schlage vor, diese Diskussion auf später zu verschieben«, sagte Sunfrost.

Sie merkte, dass Monteleone sie langsam reizte und wollte es sich mit dem Assistant Survival Instructor nicht verderben.

Schließlich war sie ganz und gar nicht scharf darauf, am Ende von dem Kerl aus lauter Fürsorge noch ein paar besondere Schikanen in die Trainingsstrecke eingebaut zu bekommen.

Der Umweltangepasste ballte die spinnenbeinähnlichen Finger seiner dürren Hand zu dem, was er vielleicht für eine Faust hielt. »Aber in einem muss ich Ihnen und Ihrem Verein wirklich ein Kompliment machen! Sie haben tapfer gegen die Qriid gekämpft und so langsam zeigen sich da ja auch die ersten Erfolge! Jagt die Geierköpfe zurück, so weit ihr könnt!«

11

Der Gleiter war ein großräumiges Fahrzeug vom Typ Madison Sirene-999, der auf dem Mars stark verbreitetet war und hier auch hergestellt wurde. Der Stammsitz des Herstellers lag in Port Sirenum und sowohl der Name des Gleitertyps als auch jener der Stadt bezog sich auf das legendäre »Sirenenland«, die Terra Sirenum im tiefen Süden des Mars.

Ein Land allerdings, das heute längst jeden Zauber eines Geheimnisses verloren hatte, war es doch mehrere Kilometer tief durch maulwurf sähnliche Bauten unterhöhlt worden. Hier und da konnte man beim Überflug über die besonders dicht besiedelten Regionen des Roten Planeten, künstliche Berge sehen. Abraumhalden, die jene Gesteinsmengen aufnehmen mussten, die man aus dem Inneren des Mars herausgeschält hatte, um dort Platz für menschliche Siedler und die damals modernsten Raumfahrtproduktionen der gesamten Humanen Welten zu schaffen. Diese Abraumhalden wurden allerdings bereits nach wenigen Marsjahren durch die unerbittlichen Winde, die über die Oberfläche des Roten Planeten fegten, wieder abgetragen.

Der Gleiter wurde von einem umweltangepassten Piloten geflogen. In seinem Inneren herrschte Marsschwerkraft. Die Aggregate zur Herstellung von Erdschwerkraft waren deaktiviert worden. Für Sunfrost und die Mitglieder ihrer Gruppe bedeutete dies, dass sie die Kraft ihrer Bewegungen bewusster dosieren mussten. Andernfalls konnte es schon mal vorkommen, dass man sich durch den eigenen Schwung zu Fall brachte.

Der Gleiter flog in einem Bogen Richtung Norden, auf den Äquator zu. Südlich des Olympus Mons, dessen gewaltige Erscheinung bereits auf einer Entfernung von mehreren hundert Kilometern deutlich sichtbar war und den Horizont beherrschte, lag die Latanor Area, in der die Survival-Kurse der Real Martians durchgeführt wurden. Westlich davon – beinahe auf Äquatorniveau befand sich das so genannte Martian Queen Territory.

Im Jahr 2039 war das Antigrav entwickelt worden – eine Technik, die in den folgenden Jahrzehnten die irdische Raumfahrt komplett revolutioniert hatte. Plötzlich war es ohne großen Aufwand möglich gewesen, auch große Lasten in den Weltraum und – zumindest innerhalb des Sol-Systems – auch von Planet zu Planet zu verfrachten. Das hatte dem Drang nach Kolonisierung einen neuen Schub gegeben.

Davon abgesehen wurden durch die mit der Antigravtechnik verbundenen Möglichkeiten zur Erzeugung künstlicher Schwerkraft, die Folgen längerer Raumaufenthalte weitaus weniger gravierend.

Im Jahr 2040 brach das Siedlerschiff MARTIAN QUEEN mit zweihundert Menschen an Bord Richtung Roter Planet auf.

Die Besatzung war hoffnungsvoll, dort eine erste Ansiedlung von Pionieren gründen zu können. Ein wahrer Wettlauf würde wenig später um die besten Plätze und günstigsten Siedlungsbedingungen einsetzen. Die ersten – so die damalige Ansicht vieler – hatten die beste Chance, sich die größten Stücke aus dem zu verteilenden Kuchen herauszuschneiden.

Historiker sollten später den Vergleich zum amerikanischen Heimstättengesetz von 1866 ziehen, nur dass es letztendlich doch erheblich weniger gefährlich gewesen war, mit einem Planwagen in den Westen Amerikas zu ziehen, als mit einem Raumschiff benachbarte Planeten anzusteuern.

Die MARTIAN QUEEN havarierte auf Grund von ungewöhnlichen Turbulenzen des Marswetters, wurde vom Kurs abgebracht und brachte schließlich eine Notlandung inmitten jenes Gebiets zu Stande, das heute, im Jahr 2250, unter dem Begriff Martian Queen Territory oder kurz MQT

bekannt war.

Vom Raumschiff blieb nicht viel übrig, und die gestrandeten Siedler unter Captain James Latanor hatten nicht viel mehr als das Leben von knapp drei Viertel der ursprünglichen Besatzung retten können. Doch da jeglicher Funkkontakt abgebrochen war, nahm man auf der Erde an, dass die verschollen geglaubte Besatzung der MARTIAN QUEEN tot war.

Die Suche nach Überlebenden war in den gewaltige Wüsten des Mars auf die Hilfe des Zufalls angewiesen. Man versuchte, die berühmte Stecknadel im Heuhaufen zwar zu finden, aber ohne Erfolg. Orbiter umkreisten den Mars, ohne auf Spuren der Havarierten getroffen zu sein. Das größte Handicap war, dass man nicht wusste, wo man eine Suche eigentlich hätte beginnen sollen.

Selbst 2046, als mit Burroughs, Lasswitz und Wells drei kleinere unterirdische Stützpunkte gegründet wurden, die zusammengenommen die erste menschliche Kolonie auf dem Mars bildeten, war man nicht gleich auf die Spur der Verschollenen gestoßen.

Das war erst 2069 geschehen, als eine immer intensivere Besiedlung des Mars begonnen hatte und bereits die ersten Raumfahrtunternehmen ihren Sitz auf den Roten Planeten verlegten.

Die Überlebenden hatten sich inzwischen an die Schwerkraft des Mars gewöhnt. In den vor allem aus Strahlenschutzgründen submarsianisch angelegten Kolonien der Erdmenschen, konnten die Gestrandeten nicht leben, zumindest nicht ohne technische Hilfsmittel. Die in den Jahrzehnten zurückgebildete Muskulatur hätte in einem intensiven Trainingsprozess wieder zurückgewonnen werden können. Aber Herz und Kreislauf hatten sich dauerhaft auf die veränderten Bedingungen eingestellt. Eine erneute Umstellung wäre eine enorme Belastung gewesen, die ein erhebliches Risiko barg.

Menschliche Raumschiffe hatten ihre Besatzungen bis dahin maximal für wenige Monate oder Jahre einer verringerten Schwerkraft oder vollkommener Schwerelosigkeit ausgesetzt.

Was die Auswirkungen einer über Jahrzehnte verminderten Gravitation auf den menschlichen Organismus waren, darüber hatte man bis dahin kaum gesicherte Erkenntnisse gehabt.

Einige wenige der Real Martians, wie die Havarierten sehr schnell genannt worden waren, hatten die Rückkehr in die menschliche Gesellschaft geschafft. Den Allermeisten aber blieb sie aus medizinischbiologischen Gründen verwehrt.

Insbesondere galt das für diejenigen, die bereits Kinder auf dem Mars gezeugt hatten. Diese kamen in der verringerten Marsschwerkraft zur Welt und wiesen bereits von Geburt an körperliche Veränderungen auf, auch wenn die erste Generation der Marsgeborenen Real Martians rein äußerlich gesehen noch wenig Ähnlichkeit mit jenen skelettartigen Riesen gehabt hatten, zu denen ihre Nachfahren heute heranwuchsen.

Auf jeden Fall war für die Kinder der Gestrandeten eine Übersiedlung in die Marsstädte der Kolonisten – die letztlich nichts anderes als eine Expansion der irdischen Bedingungen auf dem Mars darstellten – so gut wie ausgeschlossen.

Die Real Martians hatten seit den Tagen des Absturzes der Martian Queen ihre eigene Lebensweise entwickelt, die weitgehend innere Autonomie genoss. Das Martian Queen Territory verwaltete sich selbst, hatte seine eigene Jurisdiktion sowie einen eigenen Sitz im Humanen Rat.

Manche der später hinzugekommenen Mitgliedswelten sprachen hier zwar von der Privilegierung einer relativ kleinen Gruppe von Menschen – denn das waren sie genetisch gesehen trotz der inzwischen vorhandenen äußeren Unterschiede nach wie vor –, aber der Sitz des Martian Queen Territory war einfach der Tradition geschuldet. Das Territorium der Umweltangepassten gehörte im Übrigen – neben der Mars-Regierung zu den Gründungsmitgliedern dieses Bundes der von Menschen besiedelten Welten.

Auf jeden Fall waren die Real Martians abgesehen von ein paar Prospektoren die einzigen Siedler auf der Oberfläche des Mars.

Bislang zumindest, denn die Pläne der planetaren Administration in Mars Town sowie des Humanen Rates sahen in dieser Hinsicht anders aus. Es gab einen auf Jahrhunderte angelegten Plan zum Terraforming des Roten Planeten.

Hier und da waren bereits jetzt aus dem Fenster des Madison Sirene-999 kleinere Flächen zu erkennen, auf denen ein grünliches Schimmern sichtbar wurde. Dort hatten sich bereits gentechnisch veränderte Moose erfolgreich angesiedelt, die nach einer Zeitspanne von nur wenigen Jahrhunderten dafür sorgen sollten, dass sich die Marsatmosphäre spürbar veränderte und der Sauerstoffgehalt stieg. Die überlegene Labortechnik des Konzers TR-Tec, der seinen Hauptsitz in dem zur so genannten Genetiker-Föderation gehörenden Einstein-System hatte, war nötig gewesen, um eine Flora hervorzubringen, die innerhalb von Jahrhunderten schaffte, wozu die Korallen auf der Erde hunderte von Millionen Jahren gebraucht hatten: die Umwandlung einer anaeroben in eine aerobe Atmosphäre.

Die Veränderung der Atmosphäre würde der Schlüssel zu allem anderen sein, was dann noch folgen sollte. Man rechnete damit, dass sich ein Treibhauseffekt einstellte, der wiederum dafür sorgte, dass die Oberflächentemperaturen auf dem Mars irgendwann auch für Menschen erträgliche Werte erreichten.

Aber das alles war noch Zukunftsmusik.

Nur eine Ahnung davon war schon zu spüren, wenn man die grünlich schimmernden Marsmoose während eines Gleiterfluges betrachtete.

Während des Fluges saß Bruder Guillermo neben Sunfrost, während David Kronstein ganz hinten im Gleiter Platz genommen hatte.

Sunfrost kannte den jungen Olvanorer inzwischen gut genug, um zu erkennen, dass er diesen Platz mit Absicht gewählt hatte.

Er will mir irgendetwas sagen, erkannte sie. Aber offensichtlich hatte ihn seine Schüchternheit bisher daran gehindert, sein Anliegen vorzubringen. Ihn zu drängen hatte keinen Sinn, das hätte seine Zurückhaltung nur noch verstärkt.

Hat es vielleicht mit David zu tun?, fragte sich der Captain der STERNENKRIEGER.

Unwillkürlich drehte sie sich zu dem Lieutenant um, der den ganzen Flug über nicht ein einziges Wort gesagt hatte. Die Zeiten, da Rena Sunfrost sich insgeheim in Kronstein verliebt hatte, waren längst vorbei. Was sie jetzt empfand, war eine Mischung aus Sorge um einen Freund und dem Verantwortungsgefühl eines Offiziers für seine Untergebenen.

Guillermo nutzte einen Moment, in dem die Gespräche unter den Teammitgliedern etwas lauter wurden, um sich endlich zu äußern.

»Ich...« Er brach ab, wirkte auf die ihn so typische Weise unbeholfen.

»Sie denken über Lieutenant Kronstein nach«, stellte sie fest, ohne dass David das hören konnte. Bin ich es jetzt mal, der sich so gut in die Gedanken seines Gegenübers einzufühlen vermag, dass er sie im voraus erahnt?, überlegte Rena.

»Sie müssen zugeben, dass er sehr verändert wirkt.«

»Ich hatte bisher immer angenommen, dass Sie einen recht guten Draht zu ihm haben, Bruder Guillermo.«

»Das habe ich auch.«

»Dann hat er Ihnen zufällig etwas darüber gesagt, dass in Bezug auf seine Freundin vielleicht der Haussegen schief hängt?«

Guillermo schüttelte energisch den Kopf. »Nein, nichts dergleichen. Ich bin mir eigentlich sicher, dass er mit mir darüber gesprochen hätte, wenn das der Fall wäre!«

Die Gespräche der anderen verebbten jetzt, sodass es für Rena und Guillermo unmöglich wurde, ihr Gespräch über Lieutenant Kronstein fortzusetzen...

12

Camp Latanor war mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Es bedurfte der hoch empfindlichen Ortungselektronik des Gleiters, um den Stützpunkt zu finden. Das nach dem Kommandanten der Martian Queen benannte Camp lag mit bedacht außerhalb der autonomen Zone des MQT. Schon seit langem erwirtschafteten sich die Umweltangepassten mit dem marsianischen Oberflächentourismus den Hauptteil ihrer Einnahmen. Erlebnistouristen, Survival-Freaks und alle diejenigen, die den großen Kick suchten, den ihnen ihre bürgerlichlangweilige Existenz einfach nicht bieten konnte, pilgerten seit mehr als hundert Jahren in das MQT, um sich von den Real Martians in die unerbittliche Wildnis des Roten Planeten entführen zu lassen.

Aber seit das Space Army Corps seine Survival-Kurse von den umweltangepassten Marsianern durchführen ließ, hatten der Humane Rat und das Oberkommando des Space Army Corps darauf bestanden, dass diese Manöver nicht auf dem Gebiet eines Mitglieds der Humanen Welten, sondern auf Bundesgebiet stattfanden.

Die Latanor Area war zu diesem Zweck vom Humanen Rat auf hundert Jahre von der planetaren Administration in Mars Town gepachtet worden. Hier herrschte das Bundesrecht der Humanen Welten, was für das Oberkommando seinerzeit ein ganz entscheidendes Kriterium gewesen war.

Der Gleiter senkte die Flugbahn.

Die einzelnen Gebäude des Camps waren noch immer nicht zu sehen. Aber Sunfrost bemerkte die Infrarotdarstellung auf einem der Bildschirme, die ein paar Punkte aufwies, deren Wärmeabstrahlung deutlich über dem sonst üblichen Durchschnitt lag.

Erst kurz bevor der Madison Sirene-999 landete, waren aus den Fenstern heraus Gebäude erkennbar. Sie waren flach und hatten abgerundete Formen, um den Stürmen, die hier unregelmäßig sehr heftig über das Land fegten, so wenig Widerstand wie möglich zu bieten.

Etwa zwei Dutzend dieser Gebäude bildeten das Camp. Auf einem Landeplatz standen ein halbes Dutzend Atmosphärengleiter unterschiedlichster Bauart.

Sie alle trugen die Embleme der autonomen Regierung des MQT.

Mit einem Ruck setzte der Gleiter auf.

»Herzlich willkommen im Camp Latanor!«, sagte Monteleone. »Ich ordere von der Campleitung eine Schlauchgangway damit Sie zu Ihren Quartieren gelangen können.« Er lachte dröhnend. »Einmal bekommen Sie diesen Luxus noch. In Zukunft überwinden Sie diese Strecken im Druckanzug.«

Die Schlauchgangway wurde mit Hilfe eines Antigrav-Aggregats an die Außenschleuse des Gleiters herangeführt und der Druckausgleich zur Schleusenkammer der Hauptbaracke durchgeführt.

Sunfrost war die Erste, die die Gleiterschleuse passierte.

Die Schlauchgangway war nur notdürftig klimatisiert. Ihr Atem gefror.

»Lausig kalt ist es hier«, hörte sie hinter sich Robert Ukasi sagen.

Dem Einzigen, dem das nichts ausmachte, war Simon E. Erixon, da der Genetic zusätzlich zu seinen Fähigkeiten zur Infrarotsicht und zur Methanatmung auch eine erhöhte Kältetoleranz aufwies.

Die Gruppe erreichte die Hauptbaracke, musste dort noch einmal durch eine Schleuse und befand sich schließlich in einem kahlen Raum, der abgesehen von ein paar abgestellten technischen Geräten und den nötigsten Einrichtungsgegenständen vollkommen leer war. Ein paar Sichtfenster erlaubten den Blick hinaus in die Marswüste. Es war auch hier noch ziemlich kühl, wenn auch weitaus weniger spürbar, als in der Schlauchgangway.

Unter einem klimatisierten Raum scheint man hier im Camp Latanor etwas anderes zu verstehen als in Mars Town oder an Bord der STERNENKRIEGER!, überlegte Sunfrost.

Die Räume waren höher als vergleichbare Zimmer in Mars Town, wo die Quartiere, in denen Sunfrost und ihre Crewmitglieder untergebracht worden waren, allesamt mit ziemlich niedrigen Decken ausgestattet waren.

Monteleone trat vor.

Ein anderer Umweltangepasster stand an einem der Sichtfenster und blickte gedankenverloren hinaus in die Ferne.

Er drehte sich erst um, als auch das letzte Gruppenmitglied die Schleuse und Schlauchgangway passiert hatte.

»Ich bin Survival Instructor Norman Kaboli«, stellte sich der hoch aufragende Real Martian vor.

»Commander Rena Sunfrost, Captain des Leichten Kreuzers STERNENKRIEGER«, antwortete Rena und stellte dann der Reihe nach ihre Offiziere vor.

Kaboli nickte leicht.

Sunfrost machte einen Schritt nach vorne und spürte schon, dass sie viel zu viel Schwung und Kraft eingesetzt hatte. Obwohl die Kommandantin der STERNENKRIEGER das Survival-Training bereits einmal absolviert und die Erfahrung gemacht hatte, das man sich nach einer gewissen Zeit recht gut an die geringere Schwerkraft gewöhnen konnte. Auf jeden Fall war das sehr viel leichter als sich später wieder an die höhere Schwerkraft von 1 g zu gewöhnen.

Kaboli ließ den Blick kurz über die Anwesenden gleiten.

»Die Sache läuft ganz einfach ab. Sie werden zusammen mit Ihrem Instructor in der Marswüste abgesetzt und erhalten die Koordinaten eines havarierten Raumschiffs. Es handelt sich um das Wrack des Leichten Kreuzers EXETER, den uns das Space Army Corps zu Übungszwecken zur Verfügung stellte. Ihre Aufgabe wird sein, die EXETER zu erreichen und den defekten Sandströmsender wieder in Betrieb zu nehmen, um Hilfe anfordern zu können. Selbstverständlich bekommen sie alle nötigen Daten in ihre Ortungsmodule geladen. Zu Ihrer Ausrüstung gehören Nadler, weil die auch zur Standardausrüstung des Space Army Corps gehören und Sie lernen sollen, was man damit alles sonst noch anfangen kann – außer Menschen zu erschießen. Sie werden überrascht sein, was für ein nützliches Werkzeug daraus werden kann.«

»Wer wird unser Instructor sein?«, fragte Sunfrost.

Kabolis dürre Gestalt bewegte sich einen Schritt auf sie zu.

Unter den Schwerkraftbedingungen des Mars wirken die Umweltangepassten alles andere als unbeholfen, überlegte Sunfrost.

»Ich werde für Ihre Gruppe die Funktion eines Instructors persönlich übernehmen, Commander«, sagte Kaboli.

»Commodore Jackson äußerte, dass Sie Ihre ganz persönlichen Ansprüche für die Durchführung des Survival-Kurses haben und die Standards nach oben gesetzt haben.«

»Das ist richtig«, erklärte Kaboli. »Und ich möchte, dass Sie alle sich eins merken: Dies ist kein Spiel, sondern eine Mission, bei der Lebensgefahr herrscht. Ich werde Sie vor den Auswirkungen Ihrer Fehlentscheidungen so gut es geht schützen. Tun Sie es auch, indem Sie Ihre Grenzen erkennen und auf gegenseitige Hilfe abzielen!«

»Na, das kann ja heiter werden«, murmelte Simon E. Erixon.

»Sie werden jetzt zunächst ein paar Einführungsseminare absolvieren. Morgen geht's dann los«, kündigte Kaboli an.

»Darf ich nach den Ergebnissen Ihrer Simulationstests fragen?«

Kaboli wandte sich mit dieser Frage direkt an Rena.

Eine spitze Bemerkung lag ihr auf der Zunge, aber sie entschloss sich dazu, diese einfach hinunterzuschlucken. Es hat keinen Sinn, dachte sie. Und wer wusste schon, wozu das Szenario tatsächlich einmal gut sein würde. Zumindest weiß ich, was ich zu tun habe, wenn die STERNENKRIEGER tatsächlich einmal auf dem Mars abstürzen sollte!, ging es ihr etwas ärgerlich durch den Kopf.

»Commander?«, hakte Kaboli nach, als die Antwort auf seine Frage nicht wie aus der Pistole geschossen kam.

Rena atmete tief durch und antwortete dann vollkommen wahrheitsgemäß, was geschehen war. »Sieben Tote bei sieben Teammitgliedern ist wahrscheinlich noch erheblich verbesserungsfähig«, schloss sie etwas bissig.

»In der Tat, Commander«, stimmte Kaboli süffisant grinsend zu.

13

Es war die dritte Albtraumnacht für David Kronstein. Die dritte Nacht nach seiner Infektion. Kronstein hatte kein anderes, passenderes Wort für den Umstand, dass er offensichtlich von einem Parasiten befallen worden war.

Seitdem der Organismus mit der durchsichtigen Außenmembran in ihn eingedrungen war, war nichts mehr wie zuvor. Alles hatte sich geändert. Er hatte das Gefühl, nur noch wie ein Roboter zu funktionieren und sein eigenes Leben fast wie ein Beobachter wahrzunehmen. Es war ihm jetzt klar, was mit Yona geschehen war und sie auf so erschreckende Weise verändert hatte.

Sie war eine Gefangene in ihrem eigenen Körper – genau wie er. Der Parasit, der ihn befallen hatte, schaffte es auf irgendeine Weise, ihn daran zu hindern, dass er über das sprach, was geschehen war. Er hatte es versucht, hatte den Mund geöffnet und versucht zu sprechen. Aber dann war nichts weiter als irgendeine Belanglosigkeit über seine Lippen gekommen.

Eine eigenartige Sperre in seinem Bewusstsein verhinderte, dass er über den parasitären Organismus reden konnte, der von ihm Besitz ergriffen und sich auf mysteriöse Weise mit seinem Nervensystem verbunden hatte. David Kronstein fühlte sich innerlich leer.

Agonie und Teilnahmslosigkeit kennzeichneten seinen Gemütszustand. Alles schien ihm mehr oder minder gleichgültig geworden zu sein – abgesehen von kürzeren Phasen, in denen ihn Panik erfüllte.

Diese Phasen kamen vor allem in der Nacht. Dann spürte er, dass in ihm etwas wuchs. Wenn er genau darauf achtete, glaubte er sogar das Pulsieren der inneren Organe dieses Wesens spüren zu können. Hin und wieder kam es kurzzeitig zu kleineren Schmerzattacken ohne erkennbaren Grund, die aber schnell wieder abebbten.

Eine solche Attacke suchte David Kronstein auch jetzt heim, allerdings hielt sie schon fast eine ganze Minute lang an. Sein Brustbein tat höllisch weh. Er hatte ein Gefühl, als ob ihm jemand ein Messer hineingerammt hätte. Aber da war nichts zu sehen, wie er sich überzeugt hatte.

Plötzlich entstand eine Wölbung über seinem Brustbein. Eine zweite war dicht daneben zu sehen. Augenblicke später drangen zwei kleinere Exemplare des Parasiten aus Kronsteins Körper hervor.

Sie waren genauso transparent wie jenes Wesen, das in ihn eingedrungen war und sich dort offenbar dauerhaft niedergelassen hatte.

David Kronstein lag wie erstarrt da, als die beiden wurmartigen, kaum fingerlangen Wesen über ihn hinwegkrochen. Ihr Inneres fluoreszierte leicht. Die pulsierenden Organe, deren jeweilige Funktion kaum zu erahnen war, glichen sich in ihrer Anordnung bei beiden Parasiten exakt.

In dem engen Quartier, in dem Kronstein untergebracht war, schlief außerdem noch Raphael Wong. Der Erste Offizier der STERNENKRIEGER hatte die untere Liegefläche in dem einfachen Etagenbett.

Einer der Parasiten glitt das Gestänge des Etagenbettes entlang, hatte schließlich Wong erreicht und kroch an dessen Bein entlang.

Es dauerte eine Weile, bis das transparente, wurmartige Wesen schließlich die Höhe des Nabels erreicht hatte und dort zum ersten Mal innehielt. Die kopfartige Vorderseite – die zwar über eine maulartige Öffnung, aber nicht über Augen verfügte – wandte sich kurz zu beiden Seiten, so als gelte es die Umgebung zu erkunden. Mochte der Teufel wissen, welche Sinne dieser Kreatur dabei zur Orientierung dienten.

Kronstein wollte schreien, aber nicht ein einziger Ton kam ihm über die Lippen, so gerne er Wong auch gewarnt hätte. Es war unmöglich. Der Parasit auf Wongs Bauch setzte seinen Weg fort. Er erreichte den Rippenbogen, das Brustbein und schließlich den Hals. Dort drang er ein. Nicht die geringste Verwundung entstand dabei. Er schien feste Materie einfach durchdringen zu können, ohne dass sie einen nennenswerten Widerstand für ihn darstellte.

Nachdem der zweite Parasit, der Kronsteins Körper entschlüpft war, einfach in Richtung Bettkante kroch, um sich von dort aus auf den Boden fallen zu lassen, richtete sich der Lieutenant auf.

Die Schmerzen hatten deutlich nachgelassen und waren innerhalb weniger Augenblicke wie weggeblasen. Er schaute über die Bettkante, sah noch wie der eine Parasit endgültig in Wongs Hals verschwand und anschließend ein Ruck durch den Körper des Ersten Offiziers ging.

David Kronsteins Mund stand offen. Einerseits vor Entsetzen, andererseits, weil er einen weiteren Versuch unternommen hatte, Wong noch zu warnen. Wie bei sämtlichen Mitteilungsversuchen zuvor war er jedoch gescheitert.

Der zweite Parasit kroch über den Boden, erreichte schließlich die Wand – und kroch einfach hinein, ohne auch nur langsamer zu werden.

Einen Augenblick später war das Wesen verschwunden.

Kronstein schloss seinen Mund und schluckte.

14

Es war der gleiche Gleiter vom Typ Madison Sirene-999, dessen Aufgabe es war, Sunfrost und ihr Team in die Marswüste zu bringen.

»Erwarten Sie nicht, dass dies eine leichte Spazierfahrt wird!«, meinte Survival Instructor Kaboli. »Sie haben Glück, die Wettervorhersage ist günstig. Die Wahrscheinlichkeit für einen Staubsturm liegt in den nächsten vierundzwanzig Stunden nur bei dreißig Prozent. Das erleichtert schon mal vieles. Zum Beispiel können wir damit rechnen, dass unsere technischen Geräte einigermaßen störungsfrei funktionieren.«

Kaboli machte eine rhetorische Pause.

Worauf er anspielte war der Umstand, dass Marsstaub wesentlich feiner war als der Sand irdischer Wüsten. Die Körner waren so fein, dass es so gut wie keine Abdichtung gab, die diesen Partikeln letztlich standhalten konnte. Sie drangen in alles ein, technische Systeme eingeschlossen und legen sie letztlich lahm. Rena hatte bei ihrem ersten Survival-Kurs auf dem Mars schon einmal einen Staubsturm mitgemacht.

Damals betrug die Wahrscheinlichkeit ebenfalls nur etwas mehr als vierzig Prozent, erinnerte sie sich.

Sie wusste daher, dass man diesen Vorhersagedaten nicht unbedingt trauen konnte. Das Marswetter war weitgehend unberechenbar, was einfach damit zu tun hatte, dass es nicht genug Messdaten von der Oberfläche gab. Seit sich die Menschen immer tiefer in den Mars hineingruben, war es für sie immer unwichtiger, ob Wettervorhersagen auch eintrafen.

Ein hinreichend dichtes Netz zur Erfassung der meteorologischen Grunddaten existierte daher nicht, sodass es immer wieder zu krassen Berechnungsfehlern kam. Die Marsmeteorologie entsprach in ihrer Zuverlässigkeit immer noch dem Stand des frühen 21. Jahrhunderts auf der Erde.

»Bei den von Ihnen durchgeführten Simulationen haben Sie Fehler gemacht, die dazu führten, dass letztlich niemand aus ihrem Team überleben konnte«, erklärte Kaboli weiter. »Ich werde Sie auch hier nicht daran hindern, Fehler zu machen, vergessen Sie das nicht! Vielleicht werde ich mir anschließend alle Mühe geben, Ihre Leben zu retten, aber nicht viel mehr. Ihre Fehler werden Sie selbst ausbaden müssen!«

Keines der Teammitglieder hielt es für ratsam, jetzt irgendetwas zu sagen.

Diesen Mann muss man wohl hinnehmen wie schlechtes Wetter, ging es Rena Sunfrost durch den Kopf.

Die Mitglieder der Gruppe trugen bereits während des Fluges Druckanzüge. Lediglich die Helme hatten sie noch nicht aufgesetzt.

Am Vorabend hatte es ein kurzes Bewegungstraining in den Anzügen gegeben, die unter der geringen Marsschwerkraft überraschend leicht zu bedienen waren.

Bruder Guillermo hatte sich für den Flug neben Kronstein gesetzt.

Im Gegensatz zu seiner sonstigen Gewohnheit, schwieg der Ortungs- und Kommunikationsoffizier der STERNENKRIEGER die ganze Zeit über.

Er starrte aus dem Sichtfenster auf der Seite und blickte auf die in ungezählten Rot- und Brauntönen schimmernde Marsoberfläche, auf der die Schatten tiefer Täler und Senken ein Muster bildeten.

»Vielleicht sollten wir uns bei Gelegenheit mal unterhalten, Lieutenant«, wandte sich Bruder Guillermo an Kronstein.

Dieser wandte den Kopf in Richtung des Olvanorers. Er öffnete den Mund, schwieg aber...

15

Der Gleiter setzte auf einer staubigen, sonnenbeschienenen Ebene auf. Kaboli gab die Anweisung, die Helme aufzusetzen und das Marschgepäck aufzunehmen, das im Wesentlichen aus ein paar technischen Geräten bestand.

Die Ernährung wurde durch Nahrungskonzentrate in flüssiger Form gewährleistet, die mit Hilfe eines Schlauchs in den Mund geführt werden konnten. Dieser Schlauch ließ sich über eine Minihydraulik in den Mund einführen, die durch Schalter am Arm des Anzugs bedient werden konnte.

Einer nach dem anderen stiegen die Teilnehmer des Survival-Kurses aus dem Gleiter. Kaboli übermittelte anschließend dem Piloten ein Funksignal, woraufhin dieser den Gleiter wieder starten ließ. Wenig später war das Gefährt hinter dem Horizont verschwunden.

Es war ein sonniger Tag wie so oft auf dem Mars.

Gesteinsbrocken übersäten die ansonsten von dichtem, sehr feinem Staub bedeckte Ebene.

Kaboli wandte sich Rena Sunfrost zu. »Bringen Sie uns ans Ziel, Commander. Das ist jetzt Ihre Aufgabe.«

Das Helmvisier des Survival Instructors spiegelte stark, sodass Rena das Lächeln des Umweltangepassten lediglich erahnen konnte.

»Also gut«, sagte sie und wandte sich an Kronstein. »Bestimmen Sie die Richtung, David.«

»Ja, Captain.«

Kronstein schwenkte sein Ortungsgerät herum und hatte wenig später das Raumschiffwrack der EXETER angepeilt. Er deutete in die Richtung, in der die EXETER zu finden sein musste.

Die ersten Stunden verliefen reibungslos. Die Crewmitglieder der STERNENKRIEGER gewöhnten sich einigermaßen daran, sich in klobigen Raumanzügen bei geringer Schwerkraft fortbewegen zu müssen. Aber selbst ein umweltangepasster Real Martian wie Norman Kaboli war darauf angewiesen.

Zeitweilig bewegte sich die Gruppe durch seitliches Hüpfen vorwärts, was unter Marsschwerkraft einfach die effektivste Form der Fortbewegung war. Nur Kaboli hatte eine eigene Fortbewegungsart, die von den anderen Teilnehmern des Survival-Kurses zwar bestaunt wurde, aber auf Grund der unterschiedlichen physischen Voraussetzungen unmöglich kopiert werden konnte.

Auf jeden Fall kann man beobachten, wie stark sich die Real Martians an die Gegebenheiten des Roten Planeten tatsächlich angepasst haben, überlegte Rena, während sie an der Spitze der Gruppe Richtung Nordosten trabten.

In regelmäßigen Abständen ordnete Rena Pausen an.

Die Gruppe traf dabei auf Gesteinsbrocken, deren Oberfläche innerhalb von Jahrmillionen durch Staubstürme ganz glatt geschliffen worden war. Das einzigartige Sandstrahlgebläse der Marswüste hatte sie geformt.

Am späten Nachmittag erreichten sie einen mehrere hundert Meter tiefen Steilhang. Da Antigrav-Aggregate ja nicht zu ihrer Ausrüstung zählten, blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich abzuseilen. Kaboli ging voran, die anderen folgten einer nach dem anderen und jedes der Crewmitglieder merkte sehr bald, dass man unter Marsschwerkraft seine Bewegungen sehr vorsichtig dosieren musste, wenn man nicht in die Tiefe stürzen wollte.

Unten angekommen ordnete Rena noch einmal an, dass die geographischen und meteorologischen Daten aktualisiert wurden.

Kronstein, der eines der Ortungsmodule bediente, wirkte inzwischen ziemlich mürrisch.

»Wenn es denn sein muss«, knurrte er ungehalten über Helmfunk.

Was ist nur los mit ihm?, fragte sich Sunfrost nicht zum ersten Mal.

Wong wirkte einfach nur kühl und abweisend. Der Erste Offizier war zwar nie ein Ausbund an Herzlichkeit gewesen, aber erstens waren die Ressentiments, die anfangs ihre dienstliche Beziehung zueinander belastet hatten, längst und lange ausgeräumt. Zweitens sah die Kommandantin der STERNENKRIEGER nicht den geringsten Anlass für diesen abrupten Stimmungswandel. Normalerweise war Wongs Art zwar sehr sachlich, aber deswegen nicht abweisend.

Ich werde bei Gelegenheit mit Bruder Guillermo darüber sprechen müssen!, ging es ihr durch den Kopf. Schließlich muss ich wissen, ob ich mir nur etwas einbilde, oder ob jemand anders vielleicht eine ähnliche Veränderung wahrgenommen hat.

»Die Wahrscheinlichkeit für einen Staubsturm hat sich auf 36 Prozent erhöht«, sagte Kronstein fast automatenhaft.

»Was ist mit der Strahlung?«, erkundigte sich Sunfrost.

Der Umstand, dass der Mars nur ein schwaches Magnetfeld besaß, bedeutete, dass er stärker vom Sonnenwind getroffen wurde. So konnte es sein, dass es für einige Stunden, manchmal aber auch für Tage zu regionalen Spitzenbelastungen an tödlicher Gammastrahlung kommen konnte.

»Strahlungsbelastung steigt«, erklärte Wong stoisch und im gleichen Tonfall wie David Kronstein.

»Wenn wir jetzt die Orter-Daten einer Orbitalstation hätten, könnten wir mit Sicherheit sagen, wann und wo es zu erhöhter Belastung käme«, äußerte Bruder Guillermo.

Kaboli mischte sich ein. »Sie haben aber nicht die Orter-Daten irgendeiner Orbitalstation zur Verfügung! Vergegenwärtigen Sie sich, dass Sie auf einem fremden Planeten gestrandet sind.« Er wandte sich an Rena. »Sie müssen jetzt eine Entscheidung bezüglich der Route treffen, Commander.«

»Ja, das ist mir schon klar.«

Die Alternative war ganz einfach.

Es gab einen kürzeren Weg zum Raumschiffwrack der EXETER. Der führte über offenes Gelände, wo das Team im Fall eines Sturms dessen Gewalten voll ausgesetzt wäre.

Wenn sie es nicht schafften, sich schnell in geschütztes, bergigeres Gebiet zu retten, hatten sie im Falle eines Sturms kaum eine Überlebenschance.

Auf der anderen Seite war mit einem Strahlenschauer zu rechnen, dessen genaue Stärke für diese Region mit den technischen Hilfsmitteln der Crew erst kurz vor dem Eintreffen des Ereignisses vorherzusagen war. Und dann war es möglicherweise schon zu spät.

»Schutz vor der Strahlung gibt es nur im Raumschiffwrack«, gab Dr. Simone Nikolaidev zu bedenken.

Sunfrost wandte sich an Erixon.

»Was ist Ihre Meinung, Lieutenant?«, fragte sie, denn der Leitende Ingenieur war vielleicht von derselben eigenartigen Persönlichkeitsveränderung betroffen wie Kronstein und Wong.

Zumindest war auch er recht still.

»Ich habe zwar keine Ahnung, wie sehr die EXETER zerstört wurde, aber ich nehme an, dass man innerhalb kürzester Zeit mit unserem Werkzeug eine Strahlenschutzkammer aus einzelnen Bauelementen des Raumschiffs herstellen könnte, in der wir auch einen stärkeren Strahlenschauer unbeschadet überleben könnten«, sagte Erixon.

Sunfrost atmete tief durch. Erinnerungen an die verschiedenen Simulationsdurchgänge stiegen in ihr auf. Ein derartiges Desaster sollte hier und jetzt auf keinen Fall geschehen.

Norman Kaboli hatte zwar im Notfall die Möglichkeit, ein spezielles Signal nach Camp Latanor abzusenden, das die sofortige Evakuierung einleitete. Aber erstens war in so einem Fall das gesamte Team in diesem Kurs gescheitert und musste bei nächster Gelegenheit noch einmal antreten, und zweitens blieb immer ein gewisses Risiko. Schließlich musste man auch damit rechnen, dass die Evakuierung auf Grund extremer klimatischer Bedingungen nicht rechtzeitig durchgeführt werden konnte.

Sieben von sieben Teammitgliedern sind tot. Diese lapidare Feststellung am Ende des letzten Durchgangs des Simulationsprogramms echote immer wieder in Sunfrosts Bewusstsein wieder. Genau an diesem Punkt habe ich meinen entscheidenden Fehler gemacht, überlegte sie. Einen Fehler, der am Ende dazu führte, dass die Mitglieder meines Teams wie Puppen durch die Marsatmosphäre geschleudert wurden!

In den ersten beiden Simulationen war die Situation nicht vergleichbar gewesen – in der letzten jedoch durchaus, auch wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Sturms sogar noch etwas geringer gewesen war, als in diesem Fall. Rena hatte sich für den kürzeren Weg entschieden, weil sie den nahenden Strahlenschauer als die viel größere Gefahr angesehen hatte und dessen Risiko höher bewertete. Wer hätte auch wissen können, dass in Bezug auf den Sturm der mit Abstand ungünstigste Fall tatsächlich auch eingetreten war?

Und was, wenn wir nicht rechtzeitig das Wrack erreichen und der Strahlenschauer uns irgendwo in den Bergen erwischt?, ging es Rena durch den Kopf.

Im Prinzip war es zwar dann noch möglich, sich in Höhlen zu verkriechen, aber die Orter-Daten zeigten eindeutig, dass die einzigen Höhlen dieser Gegend erstens erheblich vom Weg abgelegen waren und zweitens die darüber liegenden Gesteinsschichten nur bedingt dazu tauglich waren, die Crew vor den Folgen eines Strahlenschauers zu bewahren.

Meine Entscheidung war richtig!, dachte sie. Wieso sind wir in der Simulation dennoch gescheitert?

Sunfrost nahm sich vor, einfach mit kühlem Sachverstand zu entscheiden, anstatt jetzt die eigentlich vernünftigere Option auf Grund der gescheiterten Simulation zu meiden.

»Wir nehmen den Weg durch die Ebene«, entschied Sunfrost.

»Sie machen denselben Fehler wie bei der Simulation«, knurrte Kronstein. »Wollen Sie unser aller Leben aufs Spiel setzen, Captain?«

Die Stimme des Ortungsoffiziers dröhnte regelrecht durch den allgemeinen Helmfunk. Der Lautsprecher übersteuerte leicht und wurde erst Sekunden später entsprechend runtergeregelt. Offenbar war selbst das interne Rechnersystem von Kronsteins Druckanzug auf diesen akustischen Ausbruch nicht vorbereitet, hatte es sich doch in den vergangenen Stunden an die spezielle Sprechweise seines Trägers angepasst.

»Wenn Sie einen sachlichen Einwand haben, dann äußern Sie ihn bitte, David«, erwiderte Sunfrost und versuchte dabei, sich ihre Verwunderung stimmlich nicht anmerken zu lassen.

Lieutenant Kronstein wandte sich von seiner Kommandantin ab.

Er schleuderte in einem Anfall völlig unmotivierter Wut das Ortungsgerät von sich. Es flog dreißig, vierzig Meter weit und prallte dann auf Grund der geringen Schwerkraft in Verbindung mit dem kaum vorhandenen atmosphärischen Widerstand gegen einen Felsen.

»Was soll's, Messdaten legen Sie ja doch nicht Ihren Entscheidungen zu Grunde!«, rief er ärgerlich und begann auf die vor ihnen liegende Ebene zu stapfen.

16

Bruder Guillermo wandte sich über einen geschützten Einzelkanal an Sunfrost, sodass ihre Unterhaltung nicht von allen Teammitgliedern mitgehört werden konnte.

Im Gegensatz zu sonst gelang es ihm diesmal, seine Schüchternheit vollkommen abzulegen. Er brachte die Sache kurz und bündig auf den Punkt. »Captain, ich denke, dass sich gegenwärtig bei zwei Teammitgliedern mehr oder weniger schwer wiegende Persönlichkeitsveränderungen zeigen, die unsere Aufmerksamkeit erfordern und auch Ihnen eigentlich unmöglich entgangen sein können.«

»Sie meinen David und Raphael, richtig?«, vergewisserte sich Rena.

»Ja.«

»David scheint es am schlimmsten getroffen zu haben.«

»Captain, ich hatte erst vermutet, dass möglicherweise irgendeine private Angelegenheit auf der Seele des Lieutenants lastet«, erläuterte der Olvanorer. »Es hätte ja schließlich sein können, dass die Beziehung, die er zu seiner Freundin hier auf dem Mars unterhält, den Belastungen auf Dauer nicht standgehalten hat. Schließlich befindet sich der Lieutenant den überwiegenden Teil seiner Zeit weit weg.«

»Aber das ist nicht der Fall?«

»Wir Olvanorer leben zwar im Gegensatz zu den Angehörigen anderer Ordensgemeinschaften nicht im Zölibat – aber ein Experte für Liebeskummer bin ich deswegen auch noch nicht.« Guillermo machte eine Pause. Er blieb stehen und schien nachzudenken.

Rena trat neben ihn, blickte durch sein Helmvisier und musterte seinen Gesichtsausdruck. »Was denken Sie, Bruder Guillermo?«

»Ich glaube, dass da etwas viel Tiefgreifenderes geschehen ist als eine Beziehungskrise oder dergleichen. Ich kenne David nun schon eine Weile und kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass er in so einem Fall derart unkontrolliert reagieren würde...«

»Ich habe auch glaubt, ihn zu kennen«, bekannte Sunfrost und dabei sprach sie mehr zu sich selbst als an Bruder Guillermo gewandt. »Offenbar lernen wir beide eine bisher unbekannte Seite seiner Persönlichkeit kennen.«

»Wenn Sie mich fragen, so wirkt er traumatisiert.«

»Wodurch?«

»Ich weiß es nicht«, gestand der Olvanorer. »Aber als Sie die Entscheidung trafen, den Weg durch die Ebene zu nehmen, war das für ihn offensichtlich der Auslöser zu einer völlig irrationalen Reaktion.«

»Tun Sie mir einen Gefallen, Bruder Guillermo?«

»Natürlich, Captain.«

»Wenn Sie den Eindruck haben, dass Kronstein eine Gefahr für das Team bedeutet«, sagte Rena, »dann unterrichten Sie mich unverzüglich über Ihre Einschätzung.«

»Ja, Captain.«

»Halten Sie weiter die Augen offen.«

»Aye, aye.«

Rena und Guillermo waren gegenüber den anderen etwas zurückgefallen, die inzwischen ein ganzes Stück vorangehüpft waren. Kaboli bemerkte das, machte kehrt und kam auf die beiden zu.

»Gibt es irgendwelche Probleme?«, fragte er.

»Wir hoffen nicht«, erklärte Sunfrost.

»Warum benutzen Sie dann offensichtlich einen geschützten Kommunikationskanal?« Kaboli wartete Sunfrosts Antwort gar nicht erst ab, sondern fuhr fort: »So was ist immer mies für den Teamgeist, Commander. Das sollten Sie als relativ erfahrene Offizierin inzwischen eigentlich gelernt haben!«

Ich glaube nicht, dass wir noch Freunde werden, Survival Instructor Kaboli, antwortete sie ihm – allerdings nur in Gedanken.

17

Der Marstag war fast genauso lang wie ein Erdtag. Die Sonne versank hinter dem Horizont, und die Dämmerung setzte ein.

Innerhalb kurzer Zeit war es recht dunkel. Am Himmel schimmerten die Sterne. Ebenso die unregelmäßig geformten Monde Deimos und Phobos. Die Erde – normalerweise der helle Abend- oder Morgenstern des Mars – war im Moment nicht zu sehen, da sie sich gegenwärtig in Opposition zum Roten Planeten befand.

Zwei Stunden Pause gönnte sich das Team.

Sie kauerten in einer Senke. Die Temperatur war auf unter sechzig Grad Celsius gefallen. Werte wie im antarktischen Winter. Die Windgeschwindigkeit war etwas angestiegen, aber noch gab es keinerlei Anzeichen für einen Sturm.

Rena ordnete an, dass alle noch gefüllten Sauerstoffpatronen überprüft wurden und jedes Mitglied des Teams einen Selbsttest der Anzugsysteme durchzuführen hatte. Schließlich waren sie auf das Funktionieren dieser Systeme angewiesen.

Wenn zum Beispiel jemand im Schlaf nicht bemerkte, dass die Heizung des Druckanzugs ausgefallen war, konnte es schon nach kurzer Zeit zu spät für ihn sein.

»Was ist mit den Strahlungswerten, Raphael?«, wandte sich Rena an ihren Ersten Offizier.

Dieser warf ihr das Messmodul zu. Es kostete sie einige Mühe, es aufzufangen.

»Sehen Sie doch selber nach!«, knurrte er und saß anschließend wie apathisch an seinem Platz.

Die Strahlung war in bedenklicher Weise gestiegen.

»Wir werden uns hier nicht lange ausruhen können«, kündigte Rena an.

Sie kontaktierte Kaboli über eine geschützte Helmfunkverbindung.

»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie das lieber lassen sollen«, erwiderte der Survival Instructor. »Sie können froh sein, dass ich Ihnen nicht auf der allgemeinen Helmfunkfrequenz geantwortet habe, sonst wären Sie jetzt bei Ihren Leuten wohl ziemlich unten durch.«

»Vielen Dank, Sir!«, knurrte Rena, wobei sie das Sir auf eine Weise betonte, die sich eigentlich nur ironisch verstehen ließ.

»Also haben wir uns verstanden, Commander!«

»Jetzt hören Sie mir gut zu, Kaboli! Mehrere Mitglieder meiner Crew verhalten sich in einer Weise auffällig, dass ich Ihnen nur empfehlen kann, die Übungsmission abzubrechen und der Ursache auf den Grund zu gehen.«

Kaboli lachte auf seine unangenehme, dröhnende Art und Weise. »Die Ursache wollen Sie wissen? Die Ursache für den unmotivierten Aggressionsausbruch Ihres Ortungsoffiziers beispielsweise? Den kann ich Ihnen sagen! Das ist der Mars-Koller. Er wäre nicht der Erste, der nicht damit fertig wird, hier draußen auf sich allein gestellt zu sein. Die Erdmenschen wissen es doch gar nicht mehr, was es heißt, den Gewalten der Natur ausgeliefert zu sein und sich nicht einfach in einer Raumfähre davonmachen zu können, wenn es schwierig wird. Aber meine Vorfahren waren dazu gezwungen. Sie hatten nichts als die Trümmer der MARTIAN QUEEN, um sich ein Leben aufzubauen. Leute wie Sie – in Ihren schicken Space Army Corps-Uniformen – halten uns Real Martians vielleicht für Hinterwäldler, die aus dem Stück Wüste herausgekommen sind, in dem sie geboren wurden. Aber ich sagen Ihnen eins: Diese Arroganz ist vollkommen unangebracht!«

»Darum geht es jetzt nicht«, beharrte Sunfrost.

»Nein? Worum dann? Dass die hoch geachteten Offiziere des Space Army Corps sich auf ihren Schiffen wie Halbgötter vorkommen und hier nichts als die Spielbälle ihrer eigenen Angst sind?

Lieutenant Kronstein ist an psychische Grenzen gelangt und einige andere Mitglieder Ihres Teams stehen meiner Einschätzung nach kurz davor! Genau das ist aber der Sinn einer Übung wie dieser! Sie sollen Ihre Grenzen erfahren und lernen, sie zu überschreiten, weil das hier draußen Ihre einzige Chance ist zu überleben.«

»Ich kenne Kronstein sehr gut und weiß, dass diese Reaktion nicht einfach auf eine Belastung zurückgeführt werden kann...«

»So? Dann fragen Sie doch mal Ihre Schiffsärztin, wie normalerweise eine Belastungsreaktion aussieht. Ich wette, Sie werden frappierende Übereinstimmungen finden. Nein, Commander, ich werde diese Übung nicht abbrechen! Aber Sie sollten sich wünschen, niemals in eine Situation zu kommen, in der Sie tatsächlich auf einer Welt gestrandet sind, deren physikalisch-chemische Parameter geringfügig von denen der Erde abweichen! Nur leider gilt das für den überwiegenden Teil jener Materiebrocken, die in den bisher entdeckten Sonnensystemen herumschwirren und die wir Welten nennen!«

Rena wollte noch etwas erwidern.

Aber eine rote Kontrollleuchte in ihrem Helmdisplay zeigte ihr an, dass Kaboli die geschützte Verbindung unterbrochen hatte.

Er dachte nicht im Traum daran, die Survival Mission abzubrechen...

18

Es war ein furchtbarer Schmerz, wie er ihn zuvor gespürt hatte.

Raphael Wong schreckte aus dem Schlaf. Er hatte nur für einen Moment die Augen geschlossen.

Der Schmerz konzentrierte sich auf seinen Brustkorb.

Ein wurmähnliches, nur fingergroßes Wesen durchdrang den Druckanzug. Es schimmerte fluoreszierend in der Nacht und kroch über den Marssand davon. Die deutlich sichtbaren Organe pulsierten jeweils in einem eigenen Rhythmus. Das Wesen hinterließ eine charakteristische Spur im Marssand.

Diese Spur führte genau auf den gegen einen Felsbrocken gelehnten, regungslos wirkenden Körper von Lieutenant Robert Ukasi zu...

19

Nur eine kurze Schlafphase wurde Sunfrost und ihren Leuten gegönnt, bevor es weiter dem Wrack der EXETER entgegenging. Die Strahlungswerte stiegen kontinuierlich.

Für Bruder Guillermo stand jetzt fest, dass es sich um natürliche, durch unterschiedliche geologische Beschaffenheit des Untergrundes bedingte Schwankungen handeln konnte.

»Wir sollten uns beeilen«, wandte sich der Olvanorer an Sunfrost. »Im Augenblick schützen uns noch die Beschichtungen unserer Anzüge, aber ich habe berechnet, dass dies in etwa zwölf Stunden nicht mehr der Fall sein wird, unter der Voraussetzung, dass die Werte im gleichen Tempo steigen wie bisher.«

»In dieser Zeit werden wir die EXETER erreichen können«, war Sunfrost zuversichtlich. »Aber was den Sandströmsender angeht, so müssen wir erstmal abwarten, ob wir ihn schnell genug reparieren können, um uns ausfliegen zu lassen, bevor es kritisch wird.«

»Haben Sie mit Erixon darüber gesprochen?«, erkundigte sich Guillermo.

»Ich habe es zumindest versucht...«, bekannte Rena.

20

Gegen Morgen legten sie eine Pause ein und erlebten dabei den Sonnenaufgang auf dem Mars. Der ferne Glutball des solaren Zentralgestirns kroch über den Horizont und begann die Marslandschaft in ihr rötliches Licht zu tauchen.

Nur zeitweise waren die Teilnehmer der Survival Mission noch in der Lage, sich weiterhin hüpfend fortzubewegen. Der bisher zurückgelegte Weg hatte stark an ihren Kräften gezehrt.

Die meiste Zeit über wurde geschwiegen. Ansonsten gab es nur die nötigste Kommunikation. Die Strahlenwerte stiegen kontinuierlich, hatten aber noch nicht das kritische Niveau erreicht.

Robert Ukasi brach unterwegs plötzlich zusammen. Er taumelte, strauchelte zu Boden und blieb zunächst regungslos liegen.

Dr. Nikolaidev war sofort bei ihm und untersuchte ihn notdürftig mit einem medizinischen Scanner. Aber Ukasi rappelte sich stöhnend wieder auf.

»Lieutenant Ukasi, Sie müssen einen Moment lang ruhig liegen bleiben«, forderte Nikolaidev. »Leider erschwert die Beschichtung Ihres Raumanzugs das Abscannen...«

»Lassen Sie mich verdammt noch mal in Ruhe!«, schimpfte Ukasi.

Er stieß Nikolaidev regelrecht von sich. Die Ärztin verlor das Gleichgewicht und landete unsanft im Marsstaub.

»Lieutenant, was ist los?«, fragte Sunfrost.

Ukasi drehte sich zu ihr um.

Das Helmvisier spiegelte etwas, aber Rena konnte erkennen, dass Schweißperlen auf der Stirn des Waffenoffiziers standen.

Nun auch er!, ging es Rena durch den Kopf. Was mochte es sein, dass diese Veränderung verursachte. War wirklich nur dieser Zustand am Rande der Erschöpfung dafür verantwortlich? Rena weigerte sich einfach, dies als gegeben zu akzeptieren. Jeder von uns hat schon in Situationen gestanden, die uns ein Höchstmaß an psychischer Stabilität abverlangten.

»Wir sind vielleicht alle an die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit gekommen«, sagte Sunfrost. Nur kein Öl ins Feuer gießen.

Die psychische Situation des Teams war äußerst labil – woran auch immer das liegen mochte. Aber Rena wusste, dass es jetzt nur auf eine Sache ankam. Es ging darum, endlich die EXETER zu erreichen. Alles andere musste diesem Ziel gegenüber erst einmal in den Hintergrund treten...

In der marsianischen Mittagshitze von minus 4 Grad Celsius tauchte schließlich in der Ferne das zylinderförmige Wrack der EXETER auf. Der Leichte Kreuzer war per Fernsteuerung an einem bestimmten Punkt in der Latanor Area zum Absturz gebracht worden, um die Schäden einer Havarie realistisch zu simulieren.

Wie realistisch das gelungen war, davon konnte sich die Gruppe überzeugen, als sie sich weiter näherte. Der etwa hundert Meter lange Rumpf der EXETER war in der Mitte durchgebrochen. Es gab außerdem weitere Hüllenbrüche, die nicht ganz so gravierend waren.

Sunfrost teilte den einzelnen Gruppenmitgliedern verschiedene Aufgaben zu. Bruder Guillermo und Lieutenant Erixon sollten sich um den Sandströmsender kümmern. Erixon nahm diese Anweisung ziemlich teilnahmslos hin.

Sunfrost wandte sich an Kronstein und Ukasi, die etwas abseits standen. »Ich brauche Ihre Hilfe!«, sagte sie. »Die Strahlenwerte steigen und es ist ungewiss, ob Lieutenant Erixon und Bruder Guillermo es schaffen, den Sandströmsender früh genug wieder in Funktion zu nehmen, sodass wir evakuiert werden können, bevor die Strahlungswerte kritisch werden.«

Weder Kronstein noch Ukasi sagten dazu auch nur ein Wort.

Stattdessen meldete sich Dr. Nikolaidev zu Wort. »Was sollen wir tun, Captain?«

»Suchen Sie im Schiff den Ort mit der geringsten Strahlenbelastung. Wir müssen diesen Raum abdichten und möglicherweise noch mit Materialien verstärken, die wir kurzfristig beschaffen müssen.«

Kaboli beobachtete Sunfrost die ganze Zeit über. Der riesenhafte, dabei sehr zartgliederige Real Martian trat schließlich etwas näher. »Kompliment, Sie scheinen die Situation im Griff zu haben, Commander. Im Gegensatz zu manch anderen in Ihrem Team scheinen Sie dieser Belastungssituation gewachsen zu sein.« Er hatte diesmal von sich aus einen geschützten Kanal benutzt.

Kronstein und Wong standen in der Nähe. Ukasi hatte sich etwas abseits auf den Boden gesetzt und lehnte nun gegen einen Felsbrocken.

»Ich dachte, es entspricht nicht Ihrer Team-Doktrin, einen geschützten Kanal zu benutzen, Survival Instructor!«, erwiderte Rena nicht ohne bittere Ironie.

»Vielleicht war meine Beurteilung etwas voreilig«, gestand Kaboli nun zu.

»Was meinen Sie damit?«

»Ich habe die Dossiers zur psychischen Stabilität über diese Leute gelesen«, erklärte der Real Martian. »Niemand, bei dem es irgendwelche Anzeichen für eine labile Persönlichkeit gibt, würde auch nur einen Fuß nach Camp Latanor setzen können, geschweige denn an einem unserer Survival Kurse teilnehmen. Das Risiko für alle Beteiligten wäre viel zu groß.«

Details

Seiten
Erscheinungsjahr
2016
ISBN (ePUB)
9783738906790
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (September)
Schlagworte
chronik sternenkrieger drei abenteuer

Autor

  • Alfred Bekker (Autor:in)

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Titel: Chronik der Sternenkrieger: Drei Abenteuer #4