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Chronik der Sternenkrieger: Drei Abenteuer #2

von Alfred Bekker (Autor:in)
©2015 370 Seiten

Zusammenfassung

Mitte des 23. Jahrhunderts werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner.
In dieser Zeit bricht die STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf...
Alfred Bekker schreibt Fantasy, Science Fiction, Krimis, historische Romane sowie Kinder- und Jugendbücher. Seine Bücher um DAS REICH DER ELBEN, die DRACHENERDE-SAGA,die GORIAN-Trilogie und seine Romane um die HALBLINGE VON ATHRANOR machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er war Mitautor von Spannungsserien wie Jerry Cotton, Kommissar X und Ren Dhark. Außerdem schrieb er Kriminalromane, in denen oft skurrile Typen im Mittelpunkt stehen - zuletzt den Titel DER TEUFEL VON MÜNSTER, wo er einen Helden seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einer sehr realen Serie von Verbrechen macht.

Dieses Buch enthält folgende drei Romane:

Chronik der Sternenkrieger 2: Sieben Monde

Chronik der Sternenkrieger 3: Prototyp

Chronik der Sternenkrieger 4: Heiliges Imperium

Der Umfang dieses Buchs entspricht 371 Taschenbuchseiten.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Chronik der Sternenkrieger: Drei Abenteuer #2

von Alfred Bekker

Mitte des 23. Jahrhunderts werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner.

In dieser Zeit bricht die STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf...

Alfred Bekker schreibt Fantasy, Science Fiction, Krimis, historische Romane sowie Kinder- und Jugendbücher. Seine Bücher um DAS REICH DER ELBEN, die DRACHENERDE-SAGA,die GORIAN-Trilogie und seine Romane um die HALBLINGE VON ATHRANOR machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er war Mitautor von Spannungsserien wie Jerry Cotton, Kommissar X und Ren Dhark. Außerdem schrieb er Kriminalromane, in denen oft skurrile Typen im Mittelpunkt stehen - zuletzt den Titel DER TEUFEL VON MÜNSTER, wo er einen Helden seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einer sehr realen Serie von Verbrechen macht.

Dieses Buch enthält folgende drei Romane:

Chronik der Sternenkrieger 2: Sieben Monde 

Chronik der Sternenkrieger 3: Prototyp

Chronik der Sternenkrieger 4: Heiliges Imperium

IMPRESSUM

Ein CassiopeiaPress Buch Cover: Steve Mayer

© by Author

© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

Der Umfang dieses Buchs entspricht 371 Taschenbuchseiten.

Band 2: Sieben Monde

Eine schwere Erschütterung durchlief das Raumschiff.

Alarmsignale heulten auf. Der große Panoramabildschirm auf der Brücke fiel für Sekunden aus. »Der Plasma-Schirm ist zusammengebrochen, Captain!«, meldete der Ortungsoffizier. »Schwere Schäden in den Sektionen eins bis vier. Ein Hüllenbruch ist eingetreten. Eines der Sandström-Aggregate wurde beschädigt.«

Das bedeutet, wir haben im Augenblick nur die Ionentriebwerke zur Verfügung und können nicht auf Überlichtgeschwindigkeit gehen, erkannte Commander Max Albertson, seines Zeichens Kommandant des Leichten Kreuzers BATTLE OF TRIDOR. Er wurde blass. Wir

sind verloren!

1

Erneut gingen Erschütterungen durch die BATTLE OF TRIDOR, deren Name in Erinnerung an die entscheidende Schlacht zwischen den Raumflotten der Menschheit und den vogelähnlichen Qriid gewählt war. Elf Jahre lag diese Schlacht zurück, in der es dem Space Army Corps der Humanen Welten gelungen war, die Flotte der Vogelartigen zurückzuschlagen. Seitdem hatte es einen unerklärten Waffenstillstand gegeben. Eine Art Kalten Krieg, der sich seit der jüngsten Krise im Bannister-System immer mehr in einen heißen verwandelte.

Die BATTLE OF TRIDOR hatte Kurs auf das Tardelli-System genommen. Die Entfernung zur Erde betrug 65 Lichtjahre, die Distanz zum Bannister-System, dem äußersten Vorposten der Humanen Welten fast zehn Lichtjahre.

Die gelbe Sonne Tardelli lag mitten im Niemandsland zwischen den Einflussbereichen der Menschheit und dem Qriid-Imperium, über dessen innere politische Verfassung es nach wie vor nur bruchstückhafte Informationen gab. In dieser Zone existierten Dutzende von Sonnensystemen, die zumeist kaum erforscht waren. Es existierten kleinere Zivilisationen verschiedener intelligenter Spezies in diesem Gebiet, von denen die meisten die interstellare Raumfahrt noch nicht entdeckt hatten. Manche dieser Systeme befanden sich auch offen oder verdeckt in einem Vasallenverhältnis zum Heiligen Imperium der Qriid.

Die BATTLE OF TRIDOR befand sich auf einer diplomatischen Mission.

Aber kurz nachdem sie am Rand des Tardelli-Systems aus dem Sandström-Raum aufgetaucht und auf Unterlichtgeschwindigkeit gegangen war, hatte man den Leichten Kreuzer unter Feuer genommen. Captain Albertson wollte gar nicht daran denken, wie verschwindend gering die Wahrscheinlichkeit war, in Schussweite zu einem feindlichen Schiff aus dem Sandström-Raum zu kommen.

»Ich habe soeben den größten Teil der aktiven Ortung verloren«, meldete der Ortungsoffizier. »Und circa dreißig Prozent der passiven.«

»Zielprogrammierung der Gauss-Kanonen nur bedingt einsetzbar!«, ergänzte der Waffenoffizier. »Wir erhalten weitere, sehr gezielte Treffer mit Schäden in mehreren Decks.«

Captain Albertsons Lippen waren zu einem dünnen Strich geworden. Die Anzeige des Panorama-Schirms fiel jetzt völlig aus. Auch die meisten Displays wurden dunkel. Überall blickten kleine rote Lichter.

Uns geht es jetzt wie dem Geblendeten aus der Odyssee!, ging es dem Captain der BATTLE OF TRIDOR durch den Kopf.

»Dauerfeuer aus allen Rohren!«, ordnete er an. »Irgendetwas werden wir treffen. Kein Gegenschub! Dafür verschwenden wir keine Energie!«

Je näher wir am Gegner dran sind, desto besser!, überlegte Albertson.

Je geringer die Distanz zum Gegner war, desto wahrscheinlicher war es, dass ihn die vernichtende Durchschlagskraft der vom irdischen Space Army Corps verwendeten Gauss-Kanonen traf.

Aber letztlich war das nichts anders als ein Akt purer Verzweiflung. Wie sollten sie treffen, ohne zu zielen.

Albertson erhob sich von seinem Kommandantensessel. Er sah kurz auf die Anzeigen seiner Konsole. Auf einigen der Displays blinkten nicht einmal mehr die roten Lämpchen.

Ein Rumoren ging durch das Schiff. Die Impulstriebwerke hielten das Schiff auf einem Drittel Lichtgeschwindigkeit und das zylinderförmige Schiff drehte sich um die eigene Achse, während die Gauss-Kanonen der BATTLE OF TRIDOR unzählige würfelförmige Geschosse auf halbe Lichtgeschwindigkeit beschleunigten. Geschosse, die mit unvorstellbarer Wucht alles durchschlugen, was sich ihnen in den Weg stellte. Es gab keine bekannte Panzerung, die ihnen widerstanden hätte.

Ein annähernd blinder Boxer, der mit enormer Kraft um sich schlägt, aber den Attacken seines Gegners im Grunde wehrlos ausgeliefert ist – das ist die BATTLE OF TRIDOR jetzt, durchzuckte es Albertson.

»Kommunikation?«, rief der Captain.

»Ja, Sir?«

»Senden Sie Notrufsignale auf allen Überlicht- und Standard-Frequenzen. Außerdem will ich eine Transmission per Überlicht-Richtfunk zur Erde senden.«

»Richtstrahl-Transmission ist nur noch im Audio-Bereich möglich, eine Übertragung von Bildsignalen kann nicht mehr durchgeführt werden.«

»Wie auch immer...«

»Sprechen Sie, Sir. Die Funkphase ist offen.«

Albertson atmete tief durch. »Hier spricht Commander Max Albertson, Captain des Leichten Kreuzers BATTLE OF TRIDOR. Unsere gegenwärtigen Koordinaten werden in dieser Transmission als Datenstrom mitgeliefert. Wir...«

2

Commander Rena Sunfrost, Captain des Leichten Kreuzers STERNENKRIEGER, betrat die Brücke. Ihr Blick schweifte kurz über die Dienst habenden Offiziere.

Lieutenant David Kronstein, der Ortungs- und Kommunikationsoffizier der STERNENKRIEGER, blickte kurz in ihre Richtung. Sunfrost schaute zur Seite.

Wie eine scheue, viktorianische Jungfer, durchfuhr es die 32-jährige, sportlich wirkende Kommandantin. Was ist los mit dir? Hat dieser Kronstein dich so sehr verzaubert, dass du dich jetzt schon vor einem harmlosen Blick von ihm fürchtest, weil du glaubst, dass du einen hochroten Kopf bekommst und dir jeder hier deine törichte Schwärmerei ansieht?

Ihr Kopf hatte von Anfang gewusst, dass es niemals eine weitergehende Annäherung zwischen ihr und dem blonden Ortungsoffizier geben durfte. Liebesbeziehungen zwischen Angehörigen derselben Befehlskette waren im Space Army Corps der Humanen Welten untersagt. Die Statuten der Dienstvorschrift regelten das ganz eindeutig. Aber es war eine Sache, so etwas mit dem Verstand zu begreifen und außerdem auch die prinzipielle Richtigkeit dieser Vorschrift anzuerkennen. Etwas ganz anderes war es, seine eigenen Gefühle zu kontrollieren.

Vom ersten Augenblick an, da Rena Sunfrost die Nachfolge ihres ermordeten Vorgängers Willard J. Reilly angetreten hatte, war es ihr unmöglich gewesen, David Kronstein unbefangen gegenüberzutreten.

Du bist es nicht zuletzt ihm schuldig, das Chaos in deinem Inneren endlich in den Griff zu bekommen, meldete sich eine Stimme in ihr. Eine recht energische Stimme, wie sie feststellte.

»Sie haben die Brücke, Captain«, drang ihr jetzt die Stimme von Lieutenant Commander Raphael Wong ins Bewusstsein.

Er war der Erste Offizier der STERNENKRIEGER. Wong war drei Jahre jünger als Sunfrost und hatte eine der steilsten Karrieren hinter sich, die im Rahmen des Space Army Corps überhaupt möglich waren. Ein Musterraumsoldat, der sich nicht ohne Grund Hoffnung darauf gemacht hatte, auch die nächste Sprosse auf der Karriereleiter im Überlichttempo zu nehmen und Nachfolger von Commander Reilly im Amt des Captains der STERNENKRIEGER zu werden.

Aber in diesem Fall hatte das Flottenkommando jemandem mit größerer Erfahrung den Vorzug gegeben.

Ein Umstand, den Wong nur schwer hatte verarbeiten können.

Daher war er Sunfrost anfangs äußerst reserviert gegenübergetreten. Inzwischen hatten sie sich gegenseitig auf professioneller Basis schätzen und als Team zu kooperieren gelernt. Aber ein Rest der anfänglichen Reserviertheit war bei Wong noch immer spürbar.

»Danke, I.O.«, sagte Rena Sunfrost in neutralem Tonfall.

Raphael Wong, in dessen Adern hauptsächlich chinesisches Blut floss, erstattete der Kommandantin kurz Bericht.

»Wir befinden uns am Rand des New-Hope-Systems bei den Rendezvous-Koordinaten. Das Shuttle von Botschafter Aljanov befindet sich im Anflug und müsste in Kürze eintreffen.«

»Freut mich zu hören, dass alles nach Plan verläuft«, sagte Rena.

Über zwei Milliarden Menschen lebten in diesem System, das genau 50,2 Lichtjahre von der Erde entfernt lag. Der Großteil davon – etwa 90 Prozent – lebte auf dem erdähnlichen Planeten New Hope III, der Rest verteilte sich auf die sehr rohstoffhaltigen, aber teilweise recht unwirtlichen Nachbarplaneten, die lediglich dünn besiedelt waren.

New Hope war die größte menschliche Kolonie in diesem Teil des Grenzgebietes zum Niemandsland, dass den Bereich der Humanen Welten vom Heiligen Imperium der vogelähnlichen Qriid trennte.

»Wenn es keine Verzögerungen gibt, können wir in zwei bis drei Tagen im Tardelli-System sein«, erklärte Raphael Wong.

»Wenn wir...« Er verstummte.

»Bitte, I.O.«, forderte Rena ihm zum Weitersprechen auf.

»Wenn wir nicht den Umweg nach New Hope hätten nehmen müssen, um Botschafter Aljanov an Bord zu nehmen, wären wir längst am Zielpunkt unserer Mission.«

»Das Tardelli-System läuft uns nicht weg, Lieutenant Commander. Und für die BATTLE OF TRIDOR kommt ohnehin jede Hilfe zu spät.«

Vor ein paar Tagen hatte die STERNENKRIEGER das Notrufsignal der BATTLE OF TRIDOR empfangen. Das Signal war nach kurzer Zeit abgebrochen. Ein sicherer Hinweis darauf, dass das Schiff zerstört worden war. Diese Annahme war wenig später von der Flottenführung bestätigt worden, die eine Nachricht mit Überlichtrichtstrahl erhalten hatte. Die BATTLE OF TRIDOR war angegriffen und sofort bei den ersten gegnerischen Treffern schwer beschädigt worden. Ehe der Kommandant nähere Umstände hatte mitteilen können, war die Audioübertragung abgebrochen.

Zwar wusste man nun nicht mit letzter Sicherheit, dass die Qriid hinter diesem Angriff steckten, aber dieser Schluss lag nahe.

Es war kaum anzunehmen, dass jemand von der hundert Mann starken Besatzung der BATTLE OF TRIDOR unter diesen Umständen überlebt hatte.

»Wir hätten für die Besatzung auch dann nichts mehr tun können, wenn wir auf direktem Weg ins Tardelli-System geflogen wären, I.O.«, gab Commander Sunfrost zu bedenken.

Sie dachte im Grunde genauso, wie ihr Erster Offizier – zumindest in diesem Punkt. Aber die Flotte hatte natürlich ihre Gründe, sie erst nach New Hope zu schicken.

»Wenn wir Pech haben, hat sich der Gegner längst zurückgezogen und sämtliche Spuren seines Überfalls beseitigt, ehe wir Tardelli erreichen«, murrte Raphael Wong.

Rena konnte ihren Ersten Offizier gut verstehen. Ihm ging es in erster Linie darum, nach Überlebenden zu suchen – so unwahrscheinlich ein Erfolg auch war. Doch er wusste so gut wie sie, dass sich die BATTLE OF TRIDOR in diplomatischer Mission im Tardelli-System befand. An Bord hatte sich Mandy Ressoy aufgehalten, eine hochrangige Diplomatin des Humanen Rates. Und wie es aussah, würde jetzt die STERNENKRIEGER die gescheiterte Mission der BATTLE

OF TRIDOR übernehmen...

Bevor Captain Sunfrost auf die Unzufriedenheit ihres Ersten Offiziers eingehen konnte, meldete David Kronstein, der Ortungs-und Kommunikationsoffizier der STERNENKRIEGER »Wir erhalten eine Nachricht des Transportshuttles. Shuttle 456-F der lokalen Verteidigungsverbände des Space Army Corps im New-Hope-System bittet um Andockerlaubnis.«

»Erlaubnis erteilt«, sagte Rena Sunfrost.

3

Während ihres ersten Einsatzes auf der STERNENKRIEGER hatte Commander Sunfrost bereits mit Botschafter Aljanov zusammengearbeitet.

Rena holte ihn an der Schleuse ab.

Es war einfach eine Frage des Respekts, und sie wusste, dass Aljanov in diesen Dingen etwas empfindlich war.

»Willkommen an Bord, Sir!«, begrüßte Rena den Botschafter, nachdem er mit leichtem Handgepäck die Schleuse passiert hatte.

Ein Crewman stand bereit, um ihm dieses Handgepäck abzunehmen und in das für den Botschafter vorgesehene Quartier zu bringen.

»Ich nehme an, Sie haben weitere Instruktionen des Flottenkommandos für uns«, sagte der Captain.

»Das ist richtig«, bestätigte Aljanov.

»Dann schlage ich vor, dass ich umgehend meine Offiziere zu einem Briefing zusammenrufe.«

»Nein, Captain, ich würde es vorziehen, zunächst mit Ihnen unter vier Augen zu sprechen.«

Rena hob leicht die Schultern. »Wie Sie wünschen, Sir. Gehen wir in meinen Raum.«

4

Auf der Brücke begrüßte der Botschafter knapp die Dienst habenden Offiziere, ehe er sich von Sunfrost in ihren Raum führen ließ.

»Nehmen Sie Platz, Botschafter«, lud Rena ihren Gast ein und setzte sich.

»Danke, Captain.« Paljanow tat es ihr gleich und blickte Sunfrost an. »Ich weiß nicht, wie weit Sie mit Einzelheiten der Situation im Tardelli-System vertraut sind, Captain.«

»Mir ist bekannt, dass die BATTLE OF TRIDOR sich dort in diplomatischer Mission befand und von bislang unbekannten Angreifern vernichtet wurde. Es liegt nahe anzunehmen, dass es sich bei den Angreifern um Qriid handelt, zumal die einzige im Tardelli-System beheimatete intelligente Spezies bislang noch keinen Überlichtflug entwickelt hat und daher vermutlich kaum in der Lage sein dürfte, einen modernen Kreuzer des Space Army Corps auszuschalten.«

»Was Ihre Einschätzung in Bezug auf den Angriff angeht, stimme ich Ihnen ausdrücklich zu, Captain«, sagte Aljanov nickend. »Sie werden die Krise im Bannister-System ja noch lebhaft in Erinnerung haben.«

»Gewiss, Sir...«

Ein verhaltenes, etwas verlegenes Lächeln flog über Aljanovs Gesicht. »Das couragierte Eingreifen von Ihnen und Ihrer Crew hat mich tief beeindruckt, und ich werde wohl schon deshalb für immer in Ihrer Schuld stehen – schließlich stünde ich nicht mehr hier, falls...«

»...falls uns ein Fehler unterlaufen wäre?«, führte Sunfrost den Satz kühl zu Ende.

Aljanov nickte. »Ja, Captain.«

»Keiner von uns wäre noch am Leben, wenn wir im Bannister-System versagt hätten«, erwiderte Rena zurückhaltend.

Die Anspielung auf die Geschehnisse im Bannister-System hatte nach Renas Einschätzung nur einen einzigen Grund.

Aljanov will die Schuld abtragen, die er der STERNENKRIEGER-Crew gegenüber empfindet, um anschließend umso anmaßender auftreten zu können!

Und es dauerte nur ein paar Sekunden, ehe der Botschafter sie in ihrem instinktiven Verdacht bestätigte.

»Captain«, fuhr er fort, »bei aller Wertschätzung für Ihre Arbeit, die ich eben, denke ich, ausreichend zur Geltung gebracht habe, möchte ich Sie daran erinnern, dass diese Mission nicht in erster Linie eine militärische ist...«

»Soweit mich das Flottenkommando informiert hat, sollen wir die Ursache für den Verlust der BATTLE OF TRIDOR und wenn möglich die Identität des Aggressors feststellen beziehungsweise bestätigen.«

»Richtig. Aber das ist nur ein Nebenaspekt dieser Mission.«

»Ich nehme an, wir sollen des Weiteren die diplomatische Aufgabe übernehmen, mit der die BATTLE OF TRIDOR ins Tardelli-System geschickt wurde – vorausgesetzt, dies erweist sich als machbar!«, schloss Rena.

Ein breites Lächeln erschien auf dem Gesicht des Botschafters. »Ihre Formulierung könnte Unklarheiten darüber aufkommen lassen, wer in diesem Fall das Sagen hat.«

Rena lächelte kühl. »Nun, ich versichere Ihnen, dass ich mich keineswegs in Ihre Kompetenzen einmischen werde, Botschafter.« Ironie schwang in ihren Worten mit, die Aljanov mit einem eisigen Blick quittierte.

»Wenn Sie darüber hinaus noch uneingeschränkt anerkennen, dass ich in dieser Mission bei allen Entscheidungen das letzte Wort habe, wird einer reibungslosen Kooperation zwischen uns nichts entgegenstehen.«

Die Bemerkung, die Sunfrost in diesem Augenblick auf der Zunge lag, schluckte sie tapfer herunter. Es hatte keinen Sinn, sich mit Aljanov zu streiten. Zumindest nicht jetzt und nicht zu diesem Zeitpunkt.

»Vielleicht erklären Sie mir erst einmal in groben Zügen, worum es bei Ihrer diplomatischen Mission im Tardelli-System eigentlich geht«, schlug Sunfrost vor, ohne auf seine Forderung einzugehen.

Rena studierte dabei genau jede Regung im Gesicht des Botschafters. Die Tatsache, dass ich auf die Kompetenzfrage nicht noch einmal zurückgekommen bin, lässt ihn offenbar annehmen, dass ich seine Interpretation der Situation kritiklos teile. Aber das ist eine Schlacht, die wir miteinander ausfechten werden, wenn es an der Zeit ist – und wenn es einen wirklich wichtigen Anlass dafür gibt!

Normalerweise waren bei derartigen Missionen mit gemischter militärisch-diplomatischer Zielsetzung die Autoritätsbereiche genau abgesteckt. Aber selbst die penibel formulierten Paragraphen ließen immer wieder Spielraum für Interpretationen.

Die Tatsache, dass Aljanov ihr formal übergeordnet war, konnte Rena ohne weiteres akzeptieren. Aber alles, was an Bord der STERNENKRIEGER geschah, unterstand ihrer Verantwortung. Und sie würde niemandem gestatten, daran etwas zu ändern.

»Wir wissen nicht viel über das Tardelli-System«, erläuterte Aljanov. »Vor vierzig Jahren erreichte ein Forschungsschiff des Olvanorer-Ordens, die ABT TARDELLI, das System und kartographierte es – daher die Namensgebung. Meine Aufgabe ist es nun, mit der dort beheimateten intelligenten Spezies darüber zu verhandeln, dass der Flotte der Humanen Welten einige unbewohnte Monde als Relaisstationen und Horchposten überlassen werden.« Botschafter Aljanov atmete tief durch. Sein Gesicht wurde jetzt sehr ernst. Eine tiefe Furche bildete sich genau in der Mitte zwischen seinen Augenbrauen. »Wir wissen, dass seit der Krise im Bannister-System, auf Seiten der Qriid einiges in Bewegung geraten ist.«

»Die Priesterschaft soll einen neuen Stellvertreter Gottes bestimmt haben«, ergänzte Sunfrost.

Aljanov nickte. »Das ist richtig. Und neue Erkenntnisse deuten darauf hin, dass der Krieg nun fortgesetzt wird. Unser Wissen über die Qriid ist immer noch ausgesprochen bruchstückhaft. Nur ein geringer Anteil ihres Funkverkehrs kann von uns abgehört und entschlüsselt werden. Wir brauchen daher dringend Horchposten, mit deren Hilfe wir in der Lage wären, tief in das Qriid-Imperium hineinzulauschen. Uns ist beispielsweise klar, dass es gewisse Differenzen zwischen Priesterschaft und Militär gegeben haben muss. Worin genau die bestanden und ob diese Gegensätze nun – durch die Ausrufung des neuen Aarriid – behoben sind, ist unklar.«

Rena hob die Augenbrauen. »Ich verstehe.«

»Das Überleben der Humanen Welten kann im Ernstfall davon abhängen, wie schnell und wie umfassend wir über die Geschehnisse im Inneren des Imperiums der Vogelartigen informiert sind. Daher genießt diese Operation allerhöchste Priorität. Ich hoffe nur, dass wir noch nicht schon zu spät kommen.«

»Sie meinen, dass sich die Qriid bereits des Systems bemächtigt haben?«, schloss Rena sofort.

Aljanov zuckte mit den Schultern. »Wäre das so abwegig?«

5

Die Unterlichttriebwerke der STERNENKRIEGER rumorten. Mit einer Beschleunigung von 400 g setzten sie das lang gestreckte Oval des Raumschiffs in Bewegung, das sich am Rendezvouspunkt im New-Hope-System beinahe im Stillstand befunden hatte.

Gut achteinhalb Stunden benötigte die STERNENKRIEGER, um vierzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit zu erreichen, was die Voraussetzung war, um den Sprung ins Sandström-Kontinuum zu schaffen.

Die Höchstgeschwindigkeit während des Überlichtfluges lag ungefähr bei einem halben Lichtjahr pro Stunde.

Noch während der Beschleunigungsphase fand in dem kleinen Konferenzraum ein Briefing statt, an dem außer Botschafter Aljanov und den Offizieren der STERNENKRIEGER auch Bruder Guillermo teilnahm. Er war ein Mitglied des Ordens der Olvanorer, die als Reisende und Forscher weit ins All vorgedrungen waren und ein immenses Wissen über fremde Spezies besaßen.

Bruder Guillermo war zwar nur ein Berater ohne jeden militärischen Rang. Dennoch tat jeder Raumschiff-Captain gut daran, auf den Rat eines Olvanorers im Bezug auf Fremdwesen zu hören. Die Mitglieder des Mönchsordens irrten sich nur selten.

William war ein schüchterner junger Mann mit braunen Haaren. Aber Rena Sunfrost hatte sofort gemerkt, dass sich hinter dem unsicheren Auftreten ein sehr heller Kopf verbarg, dessen wachen Geist man besser nicht unterschätzte.

»Ich habe einiges an Grundlagenmaterial über das Tardelli-System für Sie zusammengestellt«, erklärte Guillermo und deutete dabei auf eine schematische Abbildung auf einem großformatigen Wandschirm. »Dabei muss ich zugeben, dass der Großteil dieser Daten auf den Erkenntnissen jener Ordensbrüder beruht, die vor vierzig Jahren mit der ABT TARDELLI erstmalig dieses System erreichten. Sofern dem Rat der Humanen Welten oder dem Geheimdienst hier neuere Informationen vorliegen sollten, die hier relevant sind, bitte ich Sie, mich zu ergänzen, Botschafter.«

Aljanov nickte leicht und verzog keine Miene.

Wahrscheinlich gibt es gar kein neueres Material als das der Olvanorer!, glaubte Rena. Andernfalls hätte es sich Aljanov kaum nehmen lassen, es zu präsentieren.

Bruder Guillermo lächelte flüchtig und deutete auf die Abbildung des Tardelli-Systems. »Wie Sie sehen, besteht das System aus einer Sonne von etwa zweieinhalbfacher Sol-Masse. Es besitzt insgesamt 21 Planeten, von denen die Nummern VI-VIII und XV-XVII Gasriesen mit Subsystemen sind, zu denen eine große Zahl von Monden gehört. Die einzige im Tardelli-System beheimatete intelligente Spezies sind die Fash'rar. Sie sind Fischabkömmlinge, sodass wir annehmen, dass ihre Heimatwelt Tardelli IV in ferner Vergangenheit von Meeren bedeckt war. Heute handelt es sich um einen sehr trockenen Planeten ohne offene Gewässer. Wir wissen aber durch die geologischen Scans der ABT TARDELLI, dass große Wasserreservoire in der Tiefe existieren.«

»Muss für diese Fischköpfe ja ziemlich übel gewesen sein, als sie eines Tages feststellten, dass sie buchstäblich auf dem Trockenen sitzen«, meinte Sergeant Oliver Rolfson. Er war zwar kein Offizier, doch als Chef des Marines-Kontingents der STERNENKRIEGER nahm er häufig an den Besprechungen teil.

Er wurde für den Einwurf von Botschafter Aljanov mit einem tadelnden Blick bedacht.

Rena musste sich ein Grinsen verkneifen. Es kann nicht jeder von uns ein so vollendeter Sprachkünstler sein wie Sie, Herr Botschafter!, ging es ihr voller Ironie durch den Kopf.

Bruder Guillermo fuhr unterdessen fort. »Tardelli IV, die Heimatwelt der Fash'rar wird auf Grund der einzigartigen Anordnung seiner sieben Monde auch Heptagon genannt«, erklärte er. Auf dem Wandschirm erschien eine Pseudo-3-D-Darstellung des Planeten und seiner Monde. »Die Monde umlaufen Heptagon in geostationären Umlaufbahnen. Ihre Positionen entsprechen dabei den Eckpunkten eines gleichseitigen Siebenecks – eine Konstellation, die kaum auf natürliche Weise entstanden sein kann.«

»Wer hat dieses Konstrukt, oder wie immer man das nennen mag, erschaffen?«, erkundigte sich Rena.

»Wir wissen nicht viel über die Fash'rar, aber dass sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt dazu nicht in der Lage sind, steht fest«, erklärte Guillermo. »Ihre unterlichtschnellen Raumschiffe brauchen mehrere Erdjahre, um den äußeren Bereich des Systems zu erreichen. Sie unterhalten auf den anderen Tardelli-Welten ein paar Forschungsstationen, die jedoch nicht ständig bemannt sind.«

»Auf jeden Fall eigenen sich diese Monde hervorragend zur Installation von hoch entwickelter Horchtechnik«, mischte sich der Botschafter ein. »Ein paar Gesteinsbrocken – für die Fash'rar sind sie letztlich wertlos – und so hoffen wir, dass es zu einer Übereinkunft mit der Regierung auf Heptagon kommt.«

»Hatten die Fash'rar jemals Kontakt mit den Qriid?«, fragte Lieutenant Commander Raphael Wong.

Bruder Guillermo wirkte etwas überrascht. »Davon müssen wir ausgehen.«

»Dann wird ihnen sicherlich bewusst sein, dass sie womöglich den Zorn der Vogelartigen heraufbeschwören, wenn sie einer Übereinkunft mit uns zustimmen.«

Botschafter Aljanov lächelte dünn. »Sie haben in der Tat auf das entscheidende Problem hingewiesen. Es wird meine Aufgabe sein, dafür eine Lösung zu finden.«

Eine Aufgabe, um die er wirklich nicht zu beneiden ist!, überlegte Rena.

Nachdem Bruder Guillermo seine Ausführungen beendet hatte, übernahm Lieutenant Robert Ukasi das Wort. Der Afrikaner war der Waffenoffizier der STERNENKRIEGER und somit für die Programmierung der an Bord befindlichen Waffen verantwortlich.

»Ich habe die wenigen Fakten, die uns bis jetzt über das letzte Gefecht der BATTLE OF TRIDOR zur Verfügung stehen, analysiert und eine erste Hypothese über das Geschehen entwickelt«, berichtete er. »Gehen wir für einen Moment davon aus, dass Qriid-Schiffe die Aggressoren waren. Das Gefecht hat offenbar nur wenige Augenblicke gedauert. Schließlich konnte die BATTLE OF TRIDOR noch nicht einmal ihren Notruf in voller Länge absenden. Da Heptagon das Endziel der Passage war, können wir ungefähr berechnen, wo die BATTLE OF TRIDOR aus dem Sandström-Raum austrat und ihr Bremsmanöver einleitete. An der Position, an der das Raumschiff vernichtet wurde, muss es noch eine Geschwindigkeit von fast vierzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit gehabt haben, was mich annehmen lässt, dass der Überfall kurz nach Beendigung der Überlichtphase erfolgte.«

»Sie meinen, es bestand keine Chance mehr, den Plasma-Schirm zu aktivieren, Lieutenant?«, fragte Rena.

»Möglich. Aber ich favorisiere eine andere Theorie.«

»Und die wäre?«

»Der Plasma-Schirm wurde durch massives Traser-Feuer weggebrannt. Der Beschuss muss aus großer Distanz und koordiniert erfolgt sein, sodass sich die große Treffsicherheit der Qriid voll ausgewirkt hat. Außerdem liegt nahe, dass eine erhebliche zahlenmäßige gegnerische Überlegenheit vorgelegen hat. Ich schätze, dass mindestens eine zehnfache Übermacht zur gleichen Zeit feuerte, sonst wäre der Plasma-Schirm nicht derart schnell zusammengebrochen, wie es offenbar geschehen ist.«

»Wie erklären Sie sich, dass die BATTLE OF TRIDOR offenbar erwartet wurde?«, fragte Lieutenant Commander Wong.

Eine berechtigte Frage, fand Rena.

Durch die Größe eines Sonnensystems war es fast unmöglich, Neuankömmlinge zu erwarten. Um ein System komplett abzuschirmen, benötigte man unvorstellbar viele Einheiten.

»Ich weiß, es klingt nicht zufriedenstellend«, antwortete Ukasi, »aber ich tippe auf ganz banales Pech. Möglicherweise ist kurz vor der BATTLE ein Geschwader Qriid-Schiffe ins System geflogen und verfügte bereits über ähnlichen Kurs und Geschwindigkeit.«

»Ich frage mich, weshalb man nicht einen stärkeren Flottenverband mit dieser Mission betraute«, sagte Rena mit einem Blick zum Botschafter. »Schließlich müssen wir damit rechnen, dass zumindest ein Teil der Qriid-Einheiten sich noch immer im Zielsektor befinden.«

»Diese Entscheidung geschah auf Intervention von ganz oben«, gab Aljanov zurück. »Wir dürfen der anderen Seite auf keinen Fall signalisieren, wie wichtig das Tardelli-System für uns ist.«

Rena atmete tief durch.

Immerhin sind wir gewarnt!, dachte sie und erklärte dann laut: »Unmittelbar nachdem wir den Sandström-Raum verlassen, gehen wir auf volle Gefechtsbereitschaft.«

Eigentlich hatte Rena die Absicht gehabt, die Sitzung mit diesen Worten zu schließen.

Doch ehe sie sich entsprechend äußern konnte, meldete sich Botschafter Aljanov zu Wort. »Ich möchte Sie bitten, diese Sicherheitsmaßnahmen auf ein Minimum zu beschränken, Captain.«

Wie bitte? Rena glaubte im ersten Moment schon, sich verhört zu haben.

Aber Aljanovs verkniffener Gesichtsausdruck ließ keinerlei Zweifel daran aufkommen, dass es ihm sehr ernst war.

»Ich bin mir nicht sicher, ob ich Sie richtig verstanden habe, Sir«, entgegnete Rena. Ihre Stimme klirrte wie Eis.

»In der Zielregion operieren genügend Raumschiffe der Fash'rar. Gemessen an unseren technischen Standards mögen sie primitiv erscheinen, aber sie verfügen zweifellos über verhältnismäßig gute Ortungssysteme. Schon das Logbuch der ABT TARDELLI erwähnt, dass die geringen Strahlungsemissionen des Forschungsschiffs die Fischabkömmlinge zunächst an eine Tarnung denken ließ. Sie vermuteten daher, dass ein Angriff gegen sie bevorstünde...«

Sunfrost wandte sich an Bruder Guillermo. »Ist Ihnen etwas darüber bekannt?«

Der Olvanorer räusperte sich verlegen. »Ja, Captain. Bei der ersten Begegnung haben die Fash'rar sogar versucht, die ABT TARDELLI anzugreifen.«

»Es dürfte den Kommandanten einiges an Überredungskunst gekostet haben, sie dazu zu bewegen, den Beschuss mit atomaren Lenkwaffen einzustellen...«, warf der Botschafter ein.

»Mit Verlaub, Sir: Soweit ich mich in dieser Sache kundig gemacht habe, ist die erste friedliche Begegnung zwischen Menschen und Fash'rar wohl dem Umstand zu verdanken, dass sich die Waffen der Fischabkömmlinge als recht harmlos herausstellten.«

Aljanov biss sich auf die Lippe und hob die Augenbrauen.

»Wie auch immer, Captain. Wir haben es mit sehr empfindlichen Gesprächspartnern zu tun, die wir nicht verärgern dürfen...«

Rena Sunfrosts Augen wurden schmal. »Ganz richtig. Doch welche Sicherheitsmaßnahmen notwendig sind, wenn wir das Tardelli-System erreichen, entscheide ganz allein ich, Mister Aljanov. Das Space Army Corps hat ein Schiff verloren – wir sollten ein zweites nicht unnötig gefährden.«

6

Die Zeit bis zum Erreichen des Zielsystems verlief relativ ereignislos. Etwas länger als einen irdischen Standard-Tag verbrachte die STERNENKRIEGER im so genannten Sandström-Raum, durch den ein überlichtschneller Flug möglich war.

Während dieser Phase der Mission gab es an Bord fast ausschließlich Routineaufgaben zu erledigen.

Rena hatte daher das Kommando an den Ersten Offizier übergeben, um sich für ein paar Stunden zurückziehen zu können. Die kommenden Ereignisse würden jede Menge Kraft fordern und da war es gut, Energien zu sammeln und etwas Schlaf zu bekommen.

Dies galt natürlich auch für die anderen Stammoffiziere der Brücke, die immer wieder für einige Zeit durch Fähnriche abgelöst wurden.

Sie hatte ihren Ersten Offizier darüber hinaus gebeten, ihr sofort zu melden, falls es Botschafter Aljanov einfiel, sich in Belange der Schiffsführung einzumischen.

Doch Rena fand keinen Schlaf. Immer wieder hatte sie sich nur unruhig hin und her gewälzt.

Schließlich hatte sie es aufgegeben.

Sie ging in Richtung des Casinos. Was sie jetzt brauchte, war ein Kaffee.

Inzwischen hatte es an Bord längst die Runde gemacht, was für einen ausgesprochen exzentrischen Geschmack der neue Captain in dieser Hinsicht besaß. Kaffee war nur noch bei ein paar eingeschworenen Kennern, Nostalgikern oder Hinterwäldlern aus bestimmten Subregionen auf der Erde bekannt. Aber Rena zog ihn jedem noch so raffinierten Syntho-Drink vor.

Für das Echte gibt es eben keinen Ersatz, dachte sie.

Rena hörte Stimmen, als sie den Aufenthaltsraum betrat.

»Das Eisbiest hat...«

Es herrschte augenblicklich Stille, sobald der Captain bemerkt worden war. Nur zwei Personen befanden sich im Raum – Bruder Guillermo und Ortungsoffizier Lieutenant David Kronstein.

Beide Männer blickten Rena wie entgeistert an.

Rena war eine Sekunde lang wie konsterniert. Dass dich die anderen Eisbiest nennen, ist nichts Neues!, durchzuckte es sie.

Schließlich lag ein Wortspiel mit Renas Nachnahmen mehr als nahe. Aber es traf sie sehr, dass ausgerechnet Kronstein diesen Spitznamen benutzt hatte, der sie schon seit ihrer Schul- und Akademieausbildung begleitete.

Jetzt fang nicht an, dich zu fragen, ob Kronstein dich tatsächlich so sieht!, befahl sie sich.

Dennoch hoffte sie verzweifelt, dass sich der Spitzname auf ihren Nachnamen bezog, nicht auf ihren Charakter. Denn wenn er das so sah...

Rena brach den Gedankengang ab, bevor er zu weit ging.

»Ma'am«, stotterte Kronstein, dem die Situation wohl ziemlich peinlich war. Jedenfalls lief das Gesicht des blonden, groß gewachsenen Ortungsoffiziers rot an.

»Wir haben uns gerade über Sie unterhalten, Ma'am«, versuchte Bruder Guillermo mit seiner einfühlsamen, diplomatischen Art die Situation zu retten.

»Wirklich?« Rena ging zum Getränkeautomaten, zog sich ihren Kaffee und kehrte zu den beiden Männern zurück.

»Lieutenant Kronstein äußerte sich beeindruckt darüber, wie Sie dem anmaßenden Auftreten des Botschafters entgegengetreten sind.«

Renas Blick traf sich für einen kurzen Moment mit dem des Ortungs- und Kommunikationsoffiziers. Sei ehrlich, der könnte sonst was zu dir sagen und du würdest es ihm nicht übel nehmen!, durchzuckte es sie. »Manchmal muss eben auch ein Eisbiest seine Krallen zeigen.«

Ein Summton ertönte und rettete den Lieutenant davor, auf diese Bemerkung einzugehen.

Er stammte von Kronsteins Armbandkommunikator.

»Lieutenant Kronstein«, meldete sich der Erste Offizier,

»Fähnrich Jamalkerim hat ein Problem mit der Kalibrierung des Programms, das die Daten der Passiv-Ortung verarbeitet. Bitte melden Sie sich auf der Brücke.«

»Bin schon unterwegs«, versprach Kronstein. Er wandte sich an den Captain. »Bitte entschuldigen Sie, Ma'am.«

»Natürlich, Lieutenant.«

Kronstein verließ den Raum, die Tür schloss sich selbsttätig hinter ihm.

Bruder Guillermo konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

»Ich glaube, er wird Mister Wong auf ewig dankbar dafür sein, dass er ihn vor seinem Captain gerettet hat«, sagte er schmunzelnd.

Rena musste ebenfalls grinsen.

Sie nippte an ihrem Kaffee. »Schon gut, Bruder Guillermo.«

»Ich hoffe Sie tragen ihm nichts nach...«

»Wo denken Sie hin? Ich bin weder nachtragend noch empfindlich.«

»Dann ist es ja gut. Als Captain werden sie offiziell natürlich niemals davon erfahren. Und ich habe natürlich auch nichts gesagt...« Guillermo blickte sie abwartend an.

Sunfrost nickte.

»Das ›Eisbiest‹ ist für die Mitglieder Ihrer Crew inzwischen kein Spitzname mehr, sondern vielmehr ein Ehrenname.«

»Ehrennahme?« Rena hob skeptisch die Augenbrauen.

»Sie wissen schon: Sie mag ein Eisbiest sein, aber sie ist unser Eisbiest.«

»Aha...«, war Renas nicht sehr schlagfertiger Kommentar.

»Das gilt übrigens besonders für Lieutenant Kronstein. Wissen Sie, ich kenne ihn schon länger. Wir sind zur selben Zeit auf die STERNENKRIEGER gekommen, damals noch unter Captain Reilly...«

»Ich verstehe.«

»Ich habe ihn erst für einen langweiligen Typ gehalten, dessen Gedanken einzig der Optimierung von Systemen zur Verarbeitung von Orter-Daten gelten.«

»Aber das entspricht nicht der Wahrheit, wie ich annehme.«

Ein verhaltenes, fast schüchternes Lächeln umspielte Bruder Guillermos Lippen. »Ganz und gar nicht. Wussten Sie zum Beispiel, dass er jahrelang Titelverteidiger der marsianischen Amateur-Meisterschaften im Kendo gewesen ist?«

Rena hob erstaunt die Augenbrauen, während Guillermo den Rest seines Syntho-Drinks leerte. Sie selbst war in der japanischen Fechtkunst Jahrgangs-Meisterin an der Akademie gewesen.

Was soll das?, fragte sich Captain Sunfrost. Macht er nur Small-Talk, oder will er mir irgendetwas durch die Blume mitteilen?

»Davon steht nichts in den Akten«, erklärte sie zurückhaltend.

Bruder Guillermo zuckte die Achseln. »Seit er eine Freundin hat, bleibt ihm von seinem Heimaturlaub auf dem Mars wohl nicht mehr genug übrig, um sich an Wettkämpfen zu beteiligen.«

Rena horchte auf. »Lieutenant Kronstein hat eine Freundin?«

7

»Austritt aus dem Sandström-Kontinuum in zehn Sekunden«, meldete Lieutenant John Taranos, der Ruderoffizier an Bord der STERNENKRIEGER. »Impulstriebwerke befinden sich im Wartestatus um eventuell notwendige Korrekturmanöver ausführen zu können.«

»Geschwindigkeit?«, fragte Rena Sunfrost, deren fein geschnittenes Gesicht eine gewisse Anspannung verriet.

»Wir sind jetzt bei 42 Prozent Lichtgeschwindigkeit, sinkend«, sagte Taranos.

Rena hielt es nicht länger in ihrem Kommandantensitz. Sie erhob sich. Ihr Blick glitt hinüber zu Robert Ukasi, dem Waffenoffizier.

»Plasma-Schirm?«, fragte sie knapp.

»In Bereitschaft. Er wird zeitgleich mit unserem Übertritt in den Normalraum aktiviert. »Austritt aus dem Sandström-Kontinuum erfolgt... jetzt!«, meldete Taranos. »Ich leite Kurskorrektur ein.«

»Plasma-Schirm ist aktiviert«, fügte Ukasi hinzu. »Volle Gefechtsbereitschaft hergestellt.«

Sunfrost blickte auf die Sterne, die auf dem Panoramaschirm funkelten. Einer von ihnen war deutlich größer als die anderen und bildete eine leuchtende Feuerkugel. Das war die Sonne Tardelli – betrachtet von der Randregion ihres Planetensystems aus.

Ein Rumoren durchfuhr die STERNENKRIEGER. Der Boden vibrierte für wenige Augenblicke leicht. Nachdem die Aufwärmphase der Ionentriebwerke vorbei war, verstummte dieses Hintergrundgeräusch.

Rena wandte sich an David Kronstein, der von seiner Konsole aus die Ortungsanzeigen überprüfte.

»Wie sieht es aus, Lieutenant?«, fragte sie. Sie bemerkte dabei, dass Bruder Guillermos Blick auf ihr ruhte.

Hat er mir etwa meine Zuneigung zu Kronstein angemerkt und mir deswegen vorhin von dessen Freundin erzählt?, fragte sie sich. Ist das wirklich so offensichtlich? Sie schluckte.

Hoffentlich nicht!

»In einer Entfernung von einer Lichtstunde befindet sich ein Schiff der Fash'rar«, antwortete der Lieutenant. »Es peilt uns mit aktiver Ortung an. Soll ich eine Grußbotschaft senden?«

Rena überlegte kurz.

Das »Ja!« lag ihr auf der Zunge, aber sie schluckte es wieder hinunter. Ihr Instinkt war dagegen, und sie entschloss sich, ihm einfach zu folgen.

»Nein, wir werden uns nicht melden«, erklärte sie im Brustton der Überzeugung. »Noch nicht.«

Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte Rena, dass Botschafter Aljanov gerade die Brücke betrat.

Den letzten Wortwechsel zwischen ihr und dem Ortungs-und Kommunikationsoffizier hatte er offenbar noch mitbekommen.

»Warum unsere Fash'rar-Verhandlungspartner unnötig vor den Kopf stoßen, Captain?«, fragt er. »Lieutenant, senden Sie eine Grußbotschaft und zwar sofort.«

»Nein!« Rena wirbelte herum. »Mister Aljanov, ich...«

»Ich dachte, dass ich Ihnen ausreichend klar gemacht hätte, was hier für die Humanen Welten auf dem Spiel steht. Wir benötigen das Wohlwollen der Fash'rar!«

»Hören Sie mir gut zu, Mister Aljanov: Ich bringe Sie nach Heptagon und wieder zurück ins Territorium der Humanen Welten. Ich werde mir auch alle Mühe geben, dass Ihnen unterwegs nicht eine Qriid-Patrouille zum Verhängnis wird... Aber wie ich das mache, überlassen Sie bitte mir!«

Aljanov setzte zu einer Erwiderung an, aber bevor er auch nur den Mund öffnen konnte, kam ihm Lieutenant Kronstein zuvor.

»Wir werden von zwei weiteren Positionen aus aktiv geortet«, sagte dieser.

»Ich möchte wetten, dass es sich um Qriid-Schiffe handelt«, äußerte sich Raphael Wong.

Der Erste Offizier hatte sich die eintreffenden Daten der Sensoren auch auf den Displays seiner eigenen Konsole anzeigen lassen, sodass ihm dieselben Informationen zur Verfügung standen wie dem Ortungsoffizier.

Wongs Finger glitten über das Terminal. »Nein, doch nicht. Die verwendeten Peilimpulse weisen zwar eine deutlich andere Signatur auf, als die der Fash'rar. Allerdings entsprechen sie auch nicht den Mustern, die wir aus unseren Begegnungen mit den Qriid kennen.«

»Sir, Sie wurden verändert, um sich zu tarnen«, unterrichtete ihn Lieutenant Kronstein. »Durch einfache Überlagerung. Ich habe sie durch den Bordrechner herausgefiltert. Sie hatten Recht, es sind Qriid!«

Sunfrost wandte sich an Aljanov.

»Genau deshalb habe ich keine Grußbotschaft an die Fash'rar geschickt«, erklärte sie dem Diplomaten. »Die Qriid hätten denken können, dass die Fischabkömmlinge in dem heraufdämmernden Krieg vielleicht mit uns paktieren, und das hätten sie dann teuer bezahlen müssen!« Ein eisiges Lächeln umspielte Renas Lippen, als sie noch hinzufügte. »Ist es nicht auch in Ihrem Sinn, wenn wir unsere Verhandlungspartner nicht kompromittieren? Schließlich haben sie nicht die Möglichkeit, ihr System zu verlassen. Sie werden die nächsten Jahrhunderte mit den Qriid auskommen müssen – so der so.«

Aljanov verzog das Gesicht.

Es wurmt ihn, dass er eingestehen muss, dass meine Entscheidung richtig war, überlegte sie.

»Starker Traserbeschuss«, meldete Kronstein.

An Bord der STERNENKRIEGER war davon nichts zu spüren, solange der Plasma-Schirm intakt war. Doch die Anzeige auf den Schirmen änderte sich und zeigte nun zwei Qriid-Raumer, die feuernd Fahrt aufnahmen.

Rena atmete tief durch. Ihre Rechte wanderte unwillkürlich zu ihrer Brust, wo an einer Kette ihr Talisman unter der Uniform hing – ein platt gedrücktes Bleiprojektil, das die Ärzte aus ihrer Schulter operiert hatten.

Bedenke, dass du sterblich bist, dachte sie.

8

Noch blieben die beiden Qriid-Schiffe immer mehr zurück.

Ihre Geschwindigkeit war zurzeit noch geringer als die der STERNENKRIEGER. Doch da sie etwas stärker beschleunigen konnten, würde sich das bald ändern. Sie würden das Tempo anpassen und wenig später aufholen.

Eine Schlacht ließ sich nicht vermeiden, es sei denn, die STERNENKRIEGER floh und verließ das System.

Doch im Moment befand sich Sunfrosts Schiff sogar wieder außerhalb der Reichweite der Qriid-Traser. Ihr blieb ein Augenblick, um ihr weiteres Vorgehen zu planen.

Die Qriid-Schiffe wählten einen leicht voneinander abweichenden Kurs, entfernten sich voneinander, um nicht gemeinsam ein größeres Ziel zu bieten.

Allerdings war es unwahrscheinlich, dass die Qriid wirklich aufschließen wollten. Sie nutzten normalerweise ihre bessere Treffergenauigkeit auf große Entfernungen aus.

Die Vernichtungskraft der Gauss-Geschütze war unvorstellbar. Aber durch die Konstruktion der Space Army Corps-Schiffe war es nötig, den Feinden die Breitseite zuzuwenden und mit dem ganzen Schiff zu zielen. Die Kanonen waren fast starr eingebaut.

»Die Qriid haben Kurs und Geschwindigkeit angeglichen«, meldete Lieutenant Kronstein. »Sie schließen auf.«

»Danke, Ortung«, antwortete der Captain. »Ruder, auf mein Kommando schwenken Sie die STERNENKRIEGER. Programmieren Sie einen Abfangkurs auf Bandit 1 und geben vollen Schub für...« Rena gab einige Daten in ihr Display ein. »Für vier Minuten. Anschließend zeigen wir dem Feind die Breitseite und Sie übergeben an Lieutenant Ukasi.«

»Aye, Ma'am«, bestätigte John Taranos.

Botschafter Aljanov näherte sich dem Captain und ihrem Ersten Offizier. »Sie gehen zum Frontalangriff über, Captain?«

»Das ist unsere einzige Chance«, erläuterte Sunfrost. »Wir müssen unsere Trefferwahrscheinlichkeit vergrößern, sonst werden sie uns auf große Entfernung zusammenschießen.«

»Ich hoffe nicht, dass Sie die ohnehin gespannte Situation in Bezug auf die Qriid damit zur Eskalation bringen.«

»Dies ist die Eskalation, Botschafter«, warf Raphael Wong ein. Der Tonfall des Ersten Offiziers konnte gerade noch als höflich bezeichnet werden – mit viel guten Willen. »Wir können uns jetzt nur noch so gut es geht unserer Haut wehren und die beiden Qriid-Schiffe vernichten, ehe Verstärkung eintrifft.«

Rena wechselte einen kurzen Blick mit Wong.

Ihm geht dieser Botschafter ebenso auf die Nerven wie mir, schoss es ihr durch den Kopf.

Die Minuten verrannen, bis...

Glühende Spuren zogen sich durch die vermeintliche Leere des Alls, die in Wahrheit voll von feinsten Materiepartikeln und stellarem Staub war. Materie, die durch die Traserschüsse der Qriid zum Glühen gebracht wurde. Zwar ging trotz aller Treffsicherheit auf dieser Entfernung auch der Großteil des Traserfeuers ins Leere, doch einige Strahlen fraßen sich in den Plasma-Schirm und brannten ihn weg.

»Ruder, führen Sie den Befehl aus!«, sagte Captain Sunfrost ruhig. »Voller Schub!«

Die ganze Zeit war die STERNENKRIEGER, nur von der Trägheit getrieben, durchs All gerast. Längst war der neue Kurs programmiert.

Taranos folgte Sunfrosts Befehl, und jetzt verringerte sich der Abstand zu den Qriid-Raumern noch schneller.

»Waffen«, wandte sich Rena an Lieutenant Ukasi, »wenn Sie eine Trefferchance mit dem Buggeschütz sehen, steht es Ihnen frei zu feuern.«

»Aye, Ma'am.«

Als hätte der Waffenoffizier nur auf die Freigabe gewartet, begann die STERNENKRIEGER, den Tod auszuspeien. Das Gauss-Geschütz hatte die Aufwärmphase offenbar bereits hinter sich. Zweihundert Schuss verließen pro Minute die STERNENKRIEGER und jagten mit halber Lichtgeschwindigkeit auf den Feind zu. Sollte eines der Projektile auf Widerstand treffen, würde es nicht einmal merklich langsamer werden.

»Trefferwahrscheinlichkeit bei knapp über null Prozent«, meldete Ukasi. »Aber man weiß ja nie.«

Rena nickte. Es war fast unmöglich, dass sie ihr Ziel erwischten. Aber vielleicht hatten sie ja Glück – und über Munition verfügten sie in mehr als ausreichendem Maß.

»Schwenk für Breitseitenfeuer in zehn Sekunden«, kündigte Lieutenant Taranos an.

Ukasi nickte, während er hektisch Daten in sein Display tippte. Er war bereit.

»Kurskorrektur...«, warnte der Ruderoffizier vor, »jetzt!«

Sofort stellte das Buggeschütz sein Feuer ein und wurde durch die Breitseitenbewaffnung abgelöst. Jetzt waren es zweitausend Projektile, die jede Minute wie eine Mauer in Richtung des Qriid-Raumers jagten. Durch die sich ständig verringernde Entfernung und die verzehnfachte Stückzahl schnellte die Trefferwahrscheinlichkeit in die Höhe.

Für einen Moment beobachtete Sunfrost den Waffenoffizier fasziniert. Ukasi schien geringfügige Korrekturen schneller einzugeben, als der Computer sie berechnen konnte.

Doch verlor sie besorgt eine andere Anzeige nie aus den Augen. Die Integrität des Plasma-Schirms war auf 43 Prozent gefallen. Die sich verringernde Entfernung half natürlich auch den Qriid.

»Treffer an Bandit 1!«, rief Lieutenant Kronstein.

Auf dem Hauptbildschirm erschien das Bild des feindlichen Schiffes.

»Treffer« bedeutete bei der Bewaffnung der STERNENKRIEGER fast immer, dass gleich mehrere Projektile das Ziel durchschlagen hatten. So auch hier.

Das trudelnde Schiff hatte das Feuer eingestellt. Sieben Geschosse hatten die Außenhaut des Qriid-Schiffes durchschlagen und je einen Kanal von zehn Zentimeter Durchmesser durch den gesamten Raumer geschlagen.

Gasfontänen traten aus – Atemluft, Kühlgase der Triebswerksaggregate und Wasserdampf –, die sofort zu Kristallnebeln gefroren...

»Energie-Level von Bandit 1 sinkt schnell«, meldete Lieutenant Kronstein. »Wir haben wohl das Fusions-Kraftwerk erwischt und...«

Das Qriid-Schiff zerplatzte mit einem grellen Blitz.

»Bandit 1 ist vernichtet, Ma'am«, sagte der Ortungsoffizier der Form halber.

Aber auch die STERNENKRIEGER hatte viel einstecken müssen – zu viel!

»Schutzschirm zusammengebrochen!«, rief Raphael Wong.

Da durchlief bereits die erste Erschütterung das Schiff, für einige Momente flackerte das Licht.

Verlust und Schadensmeldungen liefen über das Display des Ersten Offiziers. Doch da nichts davon die Kampfkraft der STERNENKRIEGER beeinträchtigte, war es nicht nötig, den Captain zu diesem Zeitpunkt davon zu unterrichten. Rena Sunfrost musste sich auf die Schlacht konzentrieren.

Treffer auf Deck 2, stellte Wong fest. Hüllenbruch. Die betroffene Sektion war bereits abgeschottet. Drei Tote und ein schwer Verletzter.

Er biss sich auf die Lippen.

Als er seine Konzentration wieder dem Kampf zuwandte, hatte sich die STERNENKRIEGER längst auf den zweiten Gegner eingestellt. John Taranos flog Ausweichmanöver, indem er abrupt die Beschleunigung oder den Kurs änderte. Doch dadurch machte er Ukasi das Zielen nahezu unmöglich.

Allerdings wurden die reflektierenden Partikel des Plasma-Schilds jetzt wieder schneller ersetzt, als die Traser sie wegbrennen konnten. Der Schirm lag im Moment bei elf Prozent. Sobald Taranos seine Manöver beenden würde, würde sich das allerdings schnell wieder ändern. Die Qriidischen Traser waren einfach zu stark, als dass es der Menschheit bislang gelungen wäre, eine perfekte Verteidigung zu entwickeln.

In wenigen Augenblicken würde die STERNENKRIEGER den Qriid-Raumer passieren und die Entfernung sich wieder vergrößern. Sunfrost musste jetzt handeln oder gar nicht.

»Lieutenant Taranos«, sagte da der Captain. »Breitseite bereit in zehn Sekunden.«

»Aye, Ma'am.«

Ukasi eröffnete das Feuer aus den Bauchgeschützen, der Breitseite, die »unten« am Schiff angebracht war.

Die beiden Kriegsraumer passierten einander in einer Entfernung von knapp über 250.000 Kilometer.

»Plasma-Schirm bricht zusammen«, musste Raphael Wong zum zweiten Mal innerhalb einer Minute feststellen.

Traserstrahlen schlugen in die Außenhülle der STERNENKRIEGER ein, zerfetzten die Panzerung. Atemluft strömte aus und gefror. Doch der Schaden war relativ gering, und die Sicherheitsschotts hatten den dem Weltall ausgesetzten Bereich sofort versiegelt.

Einen Augenblick später flog das feindliche Schiff direkt in den vernichtenden Projektilstrom der STERNENKRIEGER. Die Qriid hatte keine Chance. Für den Bruchteil einer Sekunde sah man noch die mindestens zwanzig Löcher, die den Raumer der Vogelähnlichen zeichneten.

Im nächsten Moment platzte er auseinander und verwandelte sich in einen Glutball, der für lange Sekunden das ferne Zentralgestirn des Tardelli-Systems weit überstrahlte...

Captain Sunfrost atmete auf. »Lieutenant Kronstein, bitte senden Sie jetzt eine Grußbotschaft an die Fash'rar-Schiffe in diesem Sektor.«

»Aye, Ma'am.«

»Ruder! Kurs auf Tardelli IV -Heptagon!«

9

Es dauerte eine Weile, bis sich die STERNENKRIEGER wieder auf einem Kurs befand, der sie auf Heptagon, den vierten Planeten des Tardelli-Systems zusteuern ließ.

Die Fash'rar-Schiffe schickten eine freundliche Erwiderung der Grußbotschaft.

Sie wollen es sich weder mit den Qriid noch mit uns verscherzen, dachte Rena.

Die Fischabkömmlinge waren in einer Lage, die alles andere als beneidenswert war. Sie hatten im Ernstfall keine Chance, sich zu wehren.

Die Zeit bis zum Erreichen von Heptagon nutzte die Crew bereits, um erste Reparaturen durchzuführen. Ein beschädigtes Gauss-Geschütz konnte wieder funktionstüchtig gemacht werden. Die entstandenen Hüllenbrüche zu flicken, war kein Problem. Doch es würde ein Provisorium bleiben, bis die STERNENKRIEGER in der Werft gewesen war.

Als schließlich der Planet Heptagon mit seinen in Form eines Siebenecks angeordneten Monden auf dem Panoramaschirm der STERNENKRIEGER erschien, war Rena beeindruckt. Als Angehörige des Space Army Corps hatte sie durchaus schon vieles gesehen – aber etwas Vergleichbares hatte sie nie zuvor vor Augen gehabt.

»Welches Volk auch immer dieses Konstrukt erschaffen hat – es muss über ungeheure, für uns unvorstellbare Energiequellen verfügt haben«, äußerte auch Raphael Wong seine Bewunderung. »Das ist eine technische Meisterleistung.«

»Möglicherweise wissen die Fash'rar mehr darüber, wer für die Anordnung der Monde verantwortlich ist«, murmelte Bruder Guillermo, auf dessen Anwesenheit Rena beim Eintreffen im planetaren Orbit von Heptagon bestanden hatte.

»Jemand versucht vom Boden aus Kontakt mit uns aufzunehmen«, meldete David Kronstein. »Es handelt sich um ein Video-Signal.«

»Auf den Schirm!«, sagte Rena.

David Kronstein drehte sich ihr zu. »Ich habe unser Translatorsystem noch einmal neu kalibriert. Unsere Basis an Fash'rar-Vokabular ist aber immer noch recht dünn. Es könnte also sein, dass es Anfangs noch ein paar Schwierigkeiten gibt.«

»Schon gut, Lieutenant«, erwiderte Rena.

Der Offizier für Ortung und Kommunikation öffnete den Kanal.

Auf dem Hauptschirm erschien die Gestalt eines Fash'rar.

Der Kopf war haarlos und von schuppenartigen Strukturen gekennzeichnet und erinnerte tatsächlich an einen Fisch. Am Rest des Körpers waren diese Strukturen deutlich größer. Die sechs Extremitäten verfügten über vierfingrige Greifhände, deren Finger durch Schwimmhäute verbunden wurden.

»Mein Name ist Asgashlan«, stellte sich der Fash'rar vor.

»Ich bin der Sprecher Shazirus, des Ersten unter den Kindern der Flut und heiße Sie auf Heptagon willkommen.«

Renas Blick richtete sich auf Aljanov, der inzwischen vorgetreten war und sich vorstellte. »Ich bin der Botschafter der Humanen Welten«, erklärte er weiter. »Meine Aufgabe ist es, mit der Regierung Ihres Planeten über ein Abkommen zwischen den Humanen Welten und den Fash'rar zu verhandeln.«

»Der Erste unter den Kindern der Flut bittet Sie, mit einer Delegation von ranghohen Personen in die Residenz Shazirus zu kommen. Die genaue Position ist im Datenstrom dieser Botschaft enthalten.«

Sie scheinen über eine – im Vergleich zu ihrer primitiven Raumfahrttechnologie – recht

leistungsfähige Übertragungstechnik zu benutzen!, ging es Sunfrost durch den Kopf. Möglicherweise handelt es sich nicht um ihre eigene Erfindung...

»Wir nehmen Ihr Angebot gerne an«, sagte Aljanov.

»Shaziru erwartet Sie. Möge Sand sich in Wasser verwandeln und Wasser in Sand und das Leben in der Flut wachsen unter den Augen des Flutgottes!« Asgashlan machte eine Pause. »Mögt ihr alle ertrinken, wenn die Zeit kommt.«

»Wir freuen uns auf das Zusammentreffen mit Shaziru«, erklärte der Botschafter.

Der Fash'rar beugte sich etwas vor. Eine Geste, deren Bedeutung vom Translator ebenso wenig erfasst werden konnte wie der Bedeutungsgehalt seiner vorherigen Bemerkung. Sein Bild verschwand.

»Mögt ihr alle ertrinken...«, wiederholte Raphael Wong.

»Wahrscheinlich eine Redensart, für die der Translator kein vernünftiges Äquivalent finden kann.«

»Offensichtlich«, stimmte Rena zu.

Schließlich war Heptagon eine trockene, wüstenartige Welt ohne irgendein offenes Gewässer.

Aljanov wandte sich an Sunfrost. »Ich möchte, dass Sie und Ihr Erster Offizier mich in die Residenz des Fash'rar-Herrschers begleiten.«

»Dieses System ist nicht sicher. Daher ist es notwendig, dass ich an Bord bleibe«, erklärte Rena so ruhig und sachlich, wie es ihr in dieser Situation möglich war. Innerlich kochte sie. Das war nun wirklich ein Gebiet, auf dem Aljanov nicht die geringste Befugnis hatte. »Lieutenant Commander Wong wird...«

Der Botschafter ließ sie nicht ausreden. »Ich halte es für das Gelingen der Mission für unausweichlich, dass Sie mich begleiten – Sie beide!«, kam er ihrem nächsten Vorschlag zuvor, nämlich dass wenigstens ihr Erster Offizier an Bord blieb.

Rena nickte leicht. Gegen dieses Argument kam sie nicht an.

Wahrscheinlich war es auch gar nicht so schrecklich. Unter normalen Umständen würde sie rechtzeitig wieder an Bord sein, sollte sich vom Systemrand ein feindliches Schiff nähern.

Wenn allerdings in der Nähe ein Qriid-Kreuzer auf der Lauer lag... - Dann hätte er sich sicherlich gerührt, als uns seine Schwesterschiffe angegriffen haben, versuchte sie sich selbst zu beruhigen.

»Gut«, stimmte sie also zu. »I.O., benachrichtigen Sie Sergeant Rolfson, dass uns ein Trupp Marines begleiten wird.«

»Das könnte missdeutet werden«, wandte Aljanov ein.

»Aus Sicherheitsgründen halte ich das für notwendig, Botschafter.«

Jetzt war es Aljanov, dessen Tonfall spöttisch wurde. Er verschränkte die Arme vor der Brust und meinte: »Der Captain eines Space Army Corps-Schiffs wird doch wohl keine Angst vor den Fash'rar haben?«

Ich werde sie jedenfalls nicht unterschätzen, so wie ich seinerzeit die echsenartigen Bewohner von Dambanor II unterschätzt habe!, durchzuckte es sie. Rena widerstand der Versuchung, nach dem Projektil unter ihrer Uniform zu tasten.

»Als Botschafter sollten Sie Ihren Verhandlungspartnern sicherlich mit mehr Respekt begegnen«, sagte Sunfrost und der Vorwurf war nicht zu überhören. »Aber es geht mir nicht um die Fash'rar. Ich möchte mich nach Möglichkeit auf dem Planeten etwas umsehen. Wir haben ein Gefecht mit zwei Schiffen der Qriid hinter uns, die BATTLE OF TRIDOR wurde sogar von einer weitaus größeren Übermacht angegriffen und zerstört...«

»Worauf wollen Sie hinaus, Captain?«, drängte Aljanov.

»Darauf, dass wir unbedingt wissen müssen, welche Rolle die Qriid hier im Tardelli-System bereits spielen. Sie stimmen mir sicher zu, dass Sie mit Ihrem Verhandlungsauftrag möglicherweise zu spät kommen und die Fash'rar längst so etwas wie einen Vasallenstatus haben!«

Aljanov hob die Augenbrauen. »Das wollen wir nicht hoffen.«

Rena wandte sich an David Kronstein. »Lieutenant, Sie haben während meiner Abwesenheit das Kommando.«

»Aye, Ma'am!«, bestätigte er.

»Zeichnen Sie währenddessen so viel an Kommunikations- und Datenverkehr von der Planetenoberfläche auf, wie sie hereinbekommen können.«

»Kein Problem.«

»Und überprüfen Sie noch einmal die Transmission, die uns gerade von Heptagon erreicht hat«, fügte der Captain hinzu.

»Achten Sie dabei auf Signalmuster, die in irgendeiner Form denen ähnlich sind, die wir von Qriid kennen.«

»Sie glauben, dass die Qriid den Fash'rar Technologie geliefert haben?«

»Das ist zumindest eine Möglichkeit, die wir in Betracht ziehen müssen...«

10

Insgesamt acht Personen befanden sich an Bord der L-3, einer der drei bewaffneten Landefähren, über die die STERNENKRIEGER verfügte.

Neben der Pilotin, Lieutenant Wong und Botschafter Aljanov begleitete Rena auch Bruder Guillermo, der in sich zusammengesunken dasaß und auf das Display eines Handcomputers blickte. Außerdem befanden sich noch Sergeant Rolfson und die Marines Stevens und Braun an Bord.

Im Augenblick trugen sämtliche Insassen der L-3 einfache Uniformen. Die Bewaffnung bestand lediglich aus einem Nadler zur Selbstverteidigung. Darauf hatte Aljanov bestanden. Ein Auftritt voller Kampfmontur wäre seiner Ansicht nach von der anderen Seite missverstanden worden.

Die Marines hatten ihre schweren Kampfanzüge sowie ihre Gauss-Gewehre allerdings an Bord, falls es zu einem Einsatz kam, bei dem diese Ausrüstung erforderlich war. Für die anderen standen leicht gepanzerte Anzüge zur Verfügung, falls es die Situation erforderte.

Die L-3 schleuste aus dem Hangar der STERNENKRIEGER aus.

Auf dem Hauptbildschirm der Raumfähre wirkte der Leichte Kreuzer jetzt wie ein Gigant.

Ein Gigant, der bei seinem letzten Kampf Federn gelassen hat!, dachte Rena, als sie den klaffenden Hüllenbruch sah.

Während die STERNENKRIEGER im Orbit um Heptagon kreiste, sollte Catherine White, die Leitende Ingenieurin, die Reparaturen mit Hochdruck fortführen.

Immerhin ist ihr klar, wie eilig die Instandsetzung ist. Rena war von dem Fleiß des Lieutenants nicht sehr überzeugt.

Und schließlich konnte niemand vorhersagen, wann erneut Qriid-Schiffe im Tardelli-System auftauchten. Rena nahm an, dass die beiden Schiffe, die die STERNENKRIEGER angegriffen hatten, Verstärkung gerufen hatten, bevor sie der Feuerkraft des Leichten Kreuzers erlegen waren.

Vielleicht irre ich mich da auch und die Qriid haben ihren Gegner einfach unterschätzt, überlegte Captain Sunfrost.

Das Rumoren der Ionentriebwerke war an Bord der L-3 stärker zu hören als auf dem Mutterschiff.

Die L-3 beschleunigte. Wenig später tauchte sie bereits in die äußersten Schichten der Stratosphäre Heptagons ein.

Aus dem Weltraum sah der Planet wie eine schmutzige Orange aus. Es gab kaum Wolken und daher hatte man einen freien Blick auf die teilweise stark verworfene und durch Gebirgsketten und Gräben strukturierte Oberfläche. Auch einige der Fash'rar-Städte waren bereits aus dem Weltraum sichtbar, während andere Regionen Heptagons durch aufgewirbelte Staubwolken von gigantischen Ausmaßen verdeckt wurden.

»Der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre ist mit 18 Prozent etwas geringer als auf der Erde«, erklärte Raphael Wong den anderen Insassen der L-3. »Das ist kein kritischer Wert, aber jeder von uns wird sich daran genauso gewöhnen müssen, als wenn Sie sich plötzlich in einem irdischen Hochgebirge befänden. Vermeiden Sie also körperliche Anstrengungen...«

Sergeant Rolfson quittierte diese Ausführungen nur mit einer wegwerfenden Handbewegung.

Die L-3 sank tiefer und flog in einem absinkenden Atmosphärenflug über weite, wüstenartige Gebiete.

»Die Oberflächenstruktur weist eindeutig darauf hin, dass es früher auf Heptagon große Gewässer gegeben haben muss«, berichtete Raphael Wong weiter.

»Wirklich eigenartig, dass sich das gesamte Wasser des Planeten unter der Oberfläche gesammelt und nirgends zu Tage tritt«, fand Bruder Guillermo.

Irgendwann in ihrer Entwicklung waren die fischartigen Fash'rar offensichtlich aus den immer kleiner werdenden und schließlich zur Gänze austrocknenden Meeren des Planeten gestiegen und hatten sich den Lebensumständen an Land angepasst.

Auf der Erde war dies vor mehreren hundert Millionen Jahren auch geschehen.

Aber die Fash'rar hatten im Gegensatz zu den Menschen und anderen intelligenten Spezies im All ihre Herkunft aus dem Wasser nicht vergessen.

»Wenn ich nicht wüsste, dass es auf ganz Heptagon kein einziges Gewässer, ja, nicht einmal eine Pfütze gibt«, dachte Bruder Guillermo laut, »dann könnte man fast glauben, dass die Fash'rar von Zeit zu Zeit in den Ozean zurückkehren. Haben Sie die Kiemen am Kopf dieses Fash'rar-Sprechers bemerkt, Captain?«

»Sind Sie sich sicher, dass es Kiemen waren?«, fragte Rena zurück.

»Da gibt es für mich keinen Zweifel. Obwohl ich natürlich nicht sagen kann, ob sie noch funktionsfähig sind.«

Die L-3 überflog nun eine dichter besiedelte Region.

Mehrere Städte schienen regelrecht zusammenzuwachsen.

Kuppelartige Gebäude prägten das Bild. Manche von ihnen waren bis zu zweihundert Meter hoch.

Ein Leitsignal führte das Shuttle zu einem ausgedehnten Landefeld. Dort standen zahlreiche Objekte, von denen anzunehmen war, dass es sich um rotorgetriebene Luftfahrzeuge handelte.

Kurze Zeit später schwebte die L-3 nur noch wenige Zentimeter, getragen von einem Antigrav-Feld, über dem Boden.

Lieutenant Commander Wong wies die Pilotin, Crewman Michelle Oranda, noch an, keine Risiken einzugehen. Sie sollte lieber fliehen, als einen Übergriff der Fash'rar dulden.

Sergeant Rolfson überprüfte die Ladung und den Energiestatus seines Nadlers, ehe er ihn zurück in die Halterung am Gürtel schob. »Um ehrlich zu sein fühle ich mich nicht besonders wohl dabei, so leicht bewaffnet einen fremden Planeten zu betreten«, bekannte er grinsend.

»Sie werden sich daran gewöhnen müssen«, erwiderte Botschafter Aljanov kühl.

Wenig später wurde das Außenschott der Fähre geöffnet.

Rolfson und seine Marines traten als erste ins Freie. Mit mobilen Ortungsgeräten wurde die Umgebung auf eventuelle Sicherheitsrisiken hin gescannt.

»Alles in Ordnung«, rief der Sergeant.

Als Rena Sunfrost ins Freie trat, spürte sie als Erstes den unangenehm heißen Wind, der über die Landefläche strich.

Mehrere Fahrzeuge näherten sich. Es handelte sich um offene, vierräderige Wagen, die an die vor zweihundert Jahren auf der Erde üblichen Automobile erinnerten. Fash'rar mit rohrähnlichen Gegenständen sprangen aus den Wagen, bei denen es sich wahrscheinlich um Projektilwaffen handelte.

Rena stellte fest, dass die Größe der einzelnen Fash'rar ziemlich stark variierte – zwischen einem Meter zwanzig und zwei Meter dreißig schätzte Rena.

Asgashlan, der sich selbst als Sprecher Shazirus bezeichnet hatte, trat ihnen entgegen. Sunfrost erkannte ihn sofort wieder. Das Schuppenmuster im Kopfbereich unterschied sich deutlich von denen aller anderen anwesenden Fash'rar.

Rena trat neben den Botschafter und raunte ihm zu: »Schalten Sie Ihren Translator ein, Sir!«

Aljanov erledigte das mit einem ärgerlichen Knurren.

»Seien Sie gegrüßt«, sagte Asgashlan.

Das Untere, der insgesamt sechs aus Flossen hervorgegangenen Extremitätenpaare diente der Fortbewegung.

Der Sprecher Shazirus kam etwas näher und vollführte mit den beiden oberen Extremitätenpaaren eine kompliziert wirkende Folge von Bewegungen, offenbar ein Begrüßungsritual.

Aljanov erwiderte die Begrüßung mit ein paar gestelzt wirkenden Worten. Sein Translator übersetzte sie in die vor allem aus Schnalz- und Schmatzlauten bestehende Sprache der Fash'rar. »Ich wäre Ihnen überaus dankbar, wenn Sie uns so schnell wie möglich zu Ihrem Herrscher bringen würden.«

»Shaziru.«

»Genau.«

»Seien Sie zunächst versichert, dass wir Ihnen volle Gastfreundschaft gewähren werden und es Ihnen hier an nichts mangeln soll. Wir wissen nicht viel über Ihr Volk – aber das Wenige, was wir mit unseren Mitteln in Erfahrung bringen konnten, legt für uns den Schluss nahe, dass Sie eine Spezies mit hoch stehender Kultur, tief verwurzelten ethischen Werten und einem verinnerlichten Glauben an eine das Universum ordnende Macht sind.«

Rena horchte auf.

Es wäre sicher interessant zu erfahren, woher Asgashlan seine Erkenntnisse hat, ging es ihr durch den Kopf. Was immer man über die Menschheit des Jahrs 2250 auch sagen mochte – niemand hätte ernsthaft behaupten mögen, dass sie in ihrer Mehrheit besonders religiös geprägt war.

»Vergessen Sie nicht, dass die einzigen Menschen, mit denen sie bisher zusammengetroffen sind, Olvanorer waren«, flüsterte ihr Bruder Guillermo ins Ohr.

Rena wandte den Blick. »Können Sie Gedanken lesen?«

»Ich habe Ihr Gesicht gesehen.«

Sie lächelte. »Ihre Ordensbrüder scheinen ja immerhin einen guten Eindruck hinterlassen zu haben.«

11

Die menschliche Delegation bestieg die zur Verfügung stehenden Wagen und wurde bis zu einem gewaltigen Kuppelgebäude gefahren.

Wachen patrouillierten an der Tür. Auch sie trugen die rohrähnlichen Waffen, die hier üblich waren. Ein Tor öffnete sich und die Gruppe folgte Asgashlan ins Innere.

Sie traten in eine Halle, deren Decke und Wände mit Motiven versehen waren, die an eine maritime Umgebung denken ließen.

Asgashlan führte die Gruppe in einen weiteren Raum.

Dort lag auf einem fast vier Meter langen Wagen ein Fash'rar, der weitaus größer und voluminöser war, als jene Angehörigen seines Volkes, die Rena und den anderen bisher begegnet waren.

Der Summton eines Elektromotors ertönte. Der Wagen rollte ein wenig nach vorn.

Rechts und links davon waren Wachen postiert. Die Mündungen der rohrförmigen Waffen waren auf die Ankömmlinge gerichtet. An den Türen dieses Raums, der ebenfalls hallenartige Ausmaße hatte, befanden sich ebenfalls Bewaffnete.

Die riesige Fash'rar stieß ein paar Schnalz- und Schmatzlaute aus, dazu dumpfe Kehllaute, die durch das viel höhere Körpervolumen sehr viel tiefer klangen, als dies bei den gewöhnlichen Fash'rar der Fall war.

Mit kaum merklicher Zeitverzögerung übersetzte Aljanovs Translator die Worte des Fash'rar-Herrschers. »Ich bin Shaziru, Regent der Kinder des Wassers.«

Aljanov stellte sich, Sunfrost und Wong kurz vor und strich dabei die Höhe ihres Ranges heraus.

»Wir bekommen nicht oft Besuch von den fernen Sternen«, erklärte Shaziru daraufhin. »Dass die Humanen Welten uns mit dem Besuch einer derart hochrangigen Delegation beehren, empfinden wir als besondere Ehre.«

»Wir hoffen, dass dies erst der Beginn eines viel weiter gehenden Austausches zwischen unseren Kulturen ist«, behauptete Botschafter Aljanov.

Die Erwiderung Shazirus bestand aus einer Folge gurgelnder Laute, für deren Interpretation der Translator etwas länger brauchte. Was dann aus dem Lautsprecher des Geräts herauskam, waren lediglich unzusammenhängende Worte, die keinen Sinn ergaben.

Aljanov schien verwirrt.

Vielleicht will der Herrscher von Heptagon sich in dieser Frage einfach noch nicht festlegen und gibt uns deshalb eine im wahrsten Sinn des Wortes indifferente Aussage, überlegte Rena.

»Unsere Raumschiffe und Außenstationen haben beobachtet, wie Ihr Schiff in eine kriegerische Auseinandersetzung mit zwei anderen Schiffen verwickelt war«, stellte Shaziru fest.

»Das ist richtig«, bestätigte Aljanov. »Wir wurden angegriffen.«

»Befinden sich die Humanen Welten mit den Qriid im Krieg?«

»Es besteht derzeit kein Kriegszustand«, erklärte Aljanov.

Na, also das ist aber auch nur die offizielle Meinung, stellte Rena fest.

»Weshalb haben die Qriid-Schiffe dann nicht nur Sie, sondern auch ein anderes Schiff der Humanen Welten angegriffen, das vor kurzem am Rand unseres Sonnensystems auftauchte?«, forschte Shaziru.

Touché!, durchzuckte es Sunfrost. Der dicke Fisch hat Sie aufs Kreuz gelegt, Aljanov, und wenn Sie jetzt nicht höllisch aufpassen, erwischt er Sie sogar bei einer Lüge!

Offenbar hatte es Aljanov kaum für möglich gehalten, dass die Fash'rar wussten, wer an dem Gefecht beteiligt gewesen war.

Für Rena bestand kein Zweifel mehr daran, dass die Fash'rar von irgendwoher hoch entwickelte Ortungstechnik importiert hatten.

»Nun... Unser Verhältnis zu den Qriid ist kompliziert und...«, begann der Botschafter.

Er wird alles ruinieren, wenn er jetzt taktiert!, erkannte Rena. Er hält die Fash'rar tatsächlich für primitive Eingeborene.

Captain Sunfrost ließ Aljanov nicht ausreden. »Bis vor elf Jahren befanden wir uns tatsächlich im Krieg mit ihnen, danach folgte eine Zeit des Waffenstillstands. Aber die scheint jetzt vorbei zu sein. Ich gehe davon aus, dass sie einen groß angelegten Angriff auf das von der Menschheit besiedelte Gebiet vorbereiten.«

Der Botschafter war so überrumpelt, dass er nur mit offenem Mund dastand.

Das wird mir Aljanov nicht verzeihen. Rena begegnete den wässerig wirkenden, großen Fischaugen des Fash'rar, deren Blick sich nun auf den Captain der STERNENKRIEGER richtete.

Dennoch war eine ehrlich, offene Antwort die einzige Strategie, die uns aus der Bredouille bringen konnte.

Hoffentlich.

»Sie sprechen sehr offen«, erkannte Shaziru an. »Damit gehen Sie ein Risiko ein, schließlich könnten die Kinder des Wassers mit den Qriid verbündet sein.«

Rena hob die Augengbrauen. »Und? Sind Sie Verbündete der Qriid?«

Die Antwort ließ ein paar Sekunden auf sich warten. Die großen Augen des Fash'rar-Giganten fixierten den Captain der STERNENKRIEGER auf eine Weise, die ihr unangenehm war.

Sie konnte sich nicht erklären, weshalb eigentlich.

»Wir suchen mit allen raumfahrenden Spezies ein gutes Einvernehmen«, erwiderte Shaziru.

Er weicht aus, war Sunfrost sofort klar. Wir werden auf der Hut bleiben müssen. Gut möglich, dass die Kontakte der Fash'rar zu den Qriid doch enger sind, als es uns allen lieb sein kann...

Jetzt ergriff wieder Aljanov das Wort. Er war Diplomat genug, um sein Missfallen über Sunfrosts Eingreifen jetzt nicht nach außen dringen zu lassen. Er erläuterte wortreich, dass die Humanen Welten die Monde Heptagons als Relaisstationen für den Fernfunkverkehr ausbauen wollten.

»Sie werden damit in der Lage sein, den Funkverkehr der Qriid abzuhören«, schloss Shaziru.

Darauf ging Aljanov nicht ein. »Wir wären für die Nutzung dieser an sich völlig wertlosen Gesteinsbrocken zu erheblichen Gegenleistungen bereit.«

»An was für eine Gegenleistung denken Sie?«

»Ihr Volk beherrscht bislang nicht den überlichtschnellen Raumflug. Die Humanen Welten wären bereit, diese technische Errungenschaft mit den Fash'rar zu teilen.«

In den großen Augen des Fash'rar-Herrschers begann es plötzlich zu flackern. Er stieß ein paar schrille Schnalzlaute aus, die vom Translator jedoch nicht übersetzt werden konnten.

Der Wagen, auf dem Shaziru lag, rollte plötzlich mit einem Summen mehrere Meter zurück, drehte und stoppte schließlich.

Der Blick des Regenten war nun von seinen Gästen abgewandt.

»Wissen Sie, was das zu bedeuten hat?«, wandte sich Aljanov an Bruder Guillermo.

Dieser schüttelte den Kopf. »Nein...« Der Olvanorer wirkte nachdenklich, schien einen Augenblick lang nach innen zu blicken, bevor er schließlich fortfuhr: »Nur das Offensichtliche: Wenn die Fash'rar zu einer Einigung mit den Humanen Welten gelangen, bezahlen sie dafür einen Preis, der ihnen vielleicht zu hoch ist.«

»Wovon reden Sie?«, knurrte Aljanov.

»Von der Feindschaft der Qriid.«

12

Susan Jamalkerim war der junge Fähnrich, der Lieutenant Kronstein an den Ortungsanzeigen vertrat, während dieser die Position des Kommandanten einnahm.

»Sir, ich habe hier ein paar sehr schwache Signale an der Oberfläche gefunden, die eine merkwürdige Energiesignatur aufweisen«, meldete Jamalkerim.

»Was ist das für eine Signatur?«, fragte Kronstein.

»Sir, laut Datenbank weist sie eine Übereinstimmung von über neunzig Prozent mit den Mustern auf, die von einem Modul zur autarken Energieversorgung emittiert werden. Das Fabrikat wird vor allem bei den Olvanorern benutzt, wenn sie ihre Forschungsteams auf fremden Planeten absetzen – und es passt nicht zu den übrigen Kraftwerken auf Heptagon.«

»Vielleicht etwas, das von der Expedition der ABT TARDELLI hier zurückgelassen wurde?«, schlug David Kronstein vor.

Jamalkerim schüttelte entschieden den Kopf. »Nein, Sir, dieses Gerät war damals nicht in Produktion.«

Eine tiefe Furche erschien auf Kronsteins Gesicht. Konnte es sein, dass sich zum jetzigen Zeitpunkt Olvanorer auf Heptagon aufhielten?

»Verfolgen Sie die Sache weiter, Fähnrich«, ordnete der Lieutenant an.

»Aye, Sir.«

Kronsteins Finger glitten über das Terminal an der Konsole, die sich direkt neben dem Kommandantensitz befand, und verschaffte sich einen direkten Zugang zu den Rechnerarchiven.

Über eine Olvanorer-Expedition, die sich zum jetzigen Zeitpunkt auf Heptagon aufhielt, war nichts bekannt. Mit Ausnahme der BATTLE OF TRIDOR hatte nie ein Schiff, das aus dem Gebiet der Humanen Welten stammte, den Planeten der sieben Monde angesteuert.

»Sir, ich... Ich habe das Signal verloren«, berichtete der Fähnrich. Es war ihr hörbar peinlich.

David Kronstein lächelte sie beruhigend an.

»Dann versuchen Sie, es wiederzufinden«, schlug er vor.

Auf dem kleinen Sichtschirm seines Terminals erschien in diesem Moment das Gesicht von Catherine White, der leitenden Ingenieurin der STERNENKRIEGER. Sie wirkte etwas mollig, war Mitte vierzig und immer noch Lieutenant, was wohl auch für die Weltverdrossenheit verantwortlich war, die sie manchmal zur Schau trug.

»David, die Reparaturarbeiten kommen gut voran«, berichtete sie. »Die beschädigte Gauss-Kanone können wir mit Bordmitteln allerdings nicht reparieren.«

»Was ist mit dem Plasma-Schirm?«, fragte Kronstein.

Auf ein Geschütz konnte die STERNENKRIEGER leicht verzichten, wenn erneut Qriid-Schiffe im Tardelli-System auftauchten. Aber offenbar hatte auch die Vorrichtung, die die reflektierenden Teilchen in das Gravfeld um die STERNENKRIEGER leitete, etwas abbekommen. Der Plasma-Schirm regenerierte sich jetzt noch langsamer.

»Wir arbeiten mit Hochdruck daran. Aber wir haben nebenbei auch ein paar Löcher abzudichten, vergessen Sie das nicht.«

»Wann ist der neue Schirm einsatzbereit, Catherine?«, beharrte Kronstein.

Lieutenant White seufzte hörbar. »Fünf bis sechs Stunden wird es noch dauern.«

Das Gesicht der Leitenden Ingenieurin verschwand von dem kleinen Sichtschirm. Augenblicke später erschien stattdessen das Gesicht einer zierlichen, rotblonden Frau.

»Was gibt es, Doktor?«, fragte Kronstein.

Lieutenant Simone Nikolaidev war die Schiffsärztin. Als Kronstein ihr ins Gesicht sah, wusste er, dass sie keine guten Neuigkeiten hatte.

»Fähnrich McCarthy ist tot«, sagte sie tonlos.

David Kronstein fragte sich plötzlich, ob er wirklich jemals Captain eines Schiffes sein wollte...

13

Shazirus Wagen fuhr in einem Bogen durch die Halle und näherte sich anschließend wieder der menschlichen Delegation.

»Das ist eine Frage von weitreichender Bedeutung«, stellte Shaziru fest, wobei er seinen gewaltigen, fast anderthalb Meter durchmessenden Fischkopf zur Seite wandte, so als wollte er dem direkten Blick seines Gegenübers ausweichen. »Eine Frage, die nicht entschieden werden kann, bevor nicht sämtliche Details bedacht wurden.«

»Ich habe Ihnen Datenmaterial über einfache Überlichttriebwerke mitgebracht, die sich wahrscheinlich ohne größere Probleme in Ihre Raumschiffe integrieren lassen«, erläuterte Aljanov. »Natürlich würden wir Ihnen für den Einbau und die Wartung Spezialisten des Space Army Corps zur Verfügung stellen.«

Das Fischmaul Shazirus verzog sich. Die Erwiderung des Fash'rar war eine ungewöhnlich lange Folge von tief aus dem Kehlkopf herausgepressten Gurgellauten.

Der Translator hatte zunächst keine Entsprechung dafür.

Schließlich fasste er die Äußerung des Fash'rar-Herrschers knapp zusammen. »Ihre Spezialisten werden dafür sorgen, dass unser Volk in technischer Unwissenheit bleibt, was diesen Überlichtantrieb angeht.«

»Nein«, versicherte der Botschafter. »Wir sind selbstverständlich bereit, Fash'rar-Techniker im Gebrauch dieser Geräte zu unterrichten.« Aljanov griff an den zu seiner Kombination gehörenden Gürtel.

Die Wächter hoben augenblicklich ihre Waffen und richteten sie auf den Botschafter.

Dieser erstarrte, sein Lächeln gefror zu einer Maske.

»Botschafter Aljanov hat keineswegs die Absicht Sie anzugreifen«, erklärte Rena geistesgegenwärtig.

Sie trat ruhig vor und stellte sich zwischen den Botschafter und die Wächter, deren, für menschliche Maßstäbe, kalt und teilnahmslos wirkenden Fischaugen Aljanov fixierten. Damit kam sie Sergeant Rolfson und den beiden Marines zuvor, deren Reaktion sicherlich drastischer ausgefallen wäre.

»Ich möchte Ihnen einen Datenträger überreichen, der sie von der Ernsthaftigkeit unserer Absichten überzeugen soll«, erklärte der Botschafter schließlich, nachdem er sich wieder gefasst hatte.

Shaziru wechselte ein paar Worte mit den Wachen sowie mit Asgashlan, wovon die Translatoren der Menschen nur unzusammenhängende und sinnlos erscheinende Bruchstücke erfassten.

Schließlich trat Stille ein. In diesem Augenblick hätte man eine Stecknadel in dem hallenartigen Raum fallen hören können.

Die Sekunden krochen dahin.

Im Gegensatz zu menschlichen Gesprächspartnern schien es den Fischartigen keinerlei Unbehagen zu bereiten, dass quälend lange Augenblicke einfach nur geschwiegen wurde.

Endlich bewegte der Herrscher der Fash'rar eine seiner flossenartigen Extremitäten. Diese hatten bislang einfach nur schlaff auf dem Wagen gelegen, so als wäre Shaziru aus irgendeinem Grund nicht in der Lage, sie zu bewegen. Aber das war offensichtlich nicht der Fall.

»Händigen Sie den Datenträger meinem Sprecher Asgashlan aus«, wies Shaziru den Botschafter an.

Dieser zog einen daumennagelgroßen Datenträger aus einer winzigen Gürteltasche und legte ihn in die Handfläche, die ihm Asgashlan im nächsten Moment entgegenhielt.

»Der Datenträger verfügt über ein drahtloses Interface, das es ermöglichen müsste, dass er auch mit Hilfe Ihrer Technologie gelesen werden kann.«

»Wir danken Ihnen für das großzügige Angebot, das die Regierung der Humanen Welten uns macht«, sagte Shaziru.

Rena Sunfrost fragte sich dabei, inwiefern der feierliche Tonfall, der in diesen Worten lag, nur einer Interpretationslaune des Translators entsprach oder tatsächlich durch entsprechende Lautsignale der Fash'rar-Sprache gerechtfertigt war.

Shaziru machte eine Pause. Er hob seinen Kopf etwas an, wiegte ihn hin und her und stieß dabei gurgelnde Laute aus, für die es keinerlei sprachliches Äquivalent zu geben schien.

Zumindest keines, das in den Translator-Daten enthalten war.

Schließlich fuhr der Herrscher der Fash'rar fort. »Wir werden Ihr Angebot gründlich prüfen, Botschafter.«

»Sehr gern.«

»Ich habe schon befürchtet, dass Sie diese Forderung als unhöflich ansehen könnten.«

»Das ist keineswegs der Fall. In unserer Kultur gilt die Prüfung eines Angebots bei jeder Form von Verträgen als Selbstverständlichkeit.«

Shaziru verzog sein Fischmaul. Ein paar Laute folgten, die an Glucksen erinnerten, oder an einen Frosch.

Aber es bedeutet wohl kaum, dass er das lustig findet, war Rena klar. Sie wussten einfach zu wenig über diese Kultur.

Die anderen anwesenden Fash'rar fielen in Shazirus Laute ein. Nach wenigen Augenblicken war der Geräuschpegel in der Halle für menschliche Ohren schier unerträglich.

Hoffen wir nur, dass es sich um einen Ausdruck der Freude handelt!, durchzuckte es Rena.

Immer schriller wurden die Gluckslaute, bis dieser eigenartige Chor schlagartig aufhörte, wie auf ein geheimes Zeichen.

Die Stille erschien Rena wunderbar.

»Sie sind meine Gäste, während wir Ihre Daten prüfen«, erklärte Shaziru nun.

»Wie lange wird diese Prüfung dauern?«, fragte Aljanov.

»Vor dem nächsten Heiligen Bad eine Entscheidung zu treffen, wäre ein Frevel am Flutgott.«

Asgashlan meldete sich zu Wort, um diese Aussage zu erläutern. »Bei dem Heiligen Bad handelt es sich um eine religiöse Zeremonie, die täglich durchgeführt wird und uns an die Zeit der Flut erinnern soll.«

»Es wäre mir eine Ehre, wenn Sie daran teilnehmen würden«, lud der Herrscher die Menschen ein.

»Es wäre auch uns eine Freude«, versicherte der Botschafter.

14

Die Audienz war damit beendet.

Der Herrscher fuhr in seinem Wagen davon. Ein Tor öffnete sich in der Wand, er fuhr hindurch und war im nächsten Moment verschwunden.

»Folgen Sie mir«, bat Asgashlan.

Der Sprecher des Herrschers führte sie in eine weitere Halle, deren Grundform einem Oval entsprach. Pflanzen wuchsen an den Wänden empor und verbreiteten einen Geruch, der Rena entfernt an Seetang erinnerte. Ein Dutzend Türen führten hinaus.

Asgashlan betätigte ein Gerät, das an dem breiten Gürtel hing, der sich auf Höhe seiner Körpermitte befand, und sämtliche Türen öffneten sich automatisch.

»Dies sind Ihre Quartiere für die Zeit Ihres Aufenthalts«, erklärte der Sprecher des Herrschers. »Ich bin dazu ausersehen worden, Ihnen jegliche nur denkbaren Wünsche zu erfüllen.«

»Das ist überaus freundlich«, murmelte Aljanov, »allerdings...«

»Es würde uns sehr bekümmern, wenn Sie dieses Angebot der Gastfreundschaft nicht annähmen«, stellte Asgashlan fest.

Aljanov stellte seinen Translator ab und wandte sich an Bruder Guillermo. »Was sollen wir von alledem halten?«

»Sir, ich rate Ihnen dringend, auf die Gastfreundschaft der Fash'rar einzugehen und sich in Geduld zu üben. Ich habe die Aufzeichnungen des Logbuchs der ABT TARDELLI während des Flugs hierher noch einmal intensiv durchgearbeitet. Zumindest soweit das in der Kürze der Zeit möglich war. Die Besatzung der ABT TARDELLI mag ja nicht viel über die Kultur der Fash'rar herausgefunden haben, aber neben ihrem ausgeprägten Sinn für Etikette und Höflichkeit spielt Gastfreundschaft eine entscheidende Rolle. Und noch etwas: Sie haben vielleicht auch bemerkt, dass sie schnell beleidigt sind.«

Aljanov atmete tief durch. »Ich werde Ihre Worte beachten, Bruder Guillermo.« Anschließend wandte er sich an Rena. Sein Zeigefinger fuhr hoch, als ob es sich um eine Waffe handelte.

»Und Ihnen möchte ich sagen, dass ich nicht noch einmal erleben möchte, wie Sie mir in die Parade fahren!«

»Wenn Sie mich fragen, dann hat der Captain Ihnen den Arsch gerettet«, mischte sich Sergeant Rolfson ein.

»Ich schlage vor, wir reden zur Abwechslung wieder mit unserem Gastgeber«, sagte Wong. »Ein Heptagon-Tag dauert fast 36 Stunden. Es wird also noch eine Weile dauern, bis dieses mysteriöse Heilige Bad stattfinden wird.«

Aljanov knurrte etwas vor sich hin und aktivierte wieder den Translator.

Asgashlan wandte sich nun Bruder Guillermo zu. Rena war von Anfang an aufgefallen, dass der Sprecher des Fash'rar-Herrschers den Olvanorer immer wieder für mehrere Augenblicke angestarrt hatte. Der Grund dafür lag bislang im Dunkeln.

»Vor vielen Sonnenumkreisungen unseres Planeten sind schon einmal Angehörige eurer Spezies hierher gekommen«, begann Asgashlan.

Bruder Guillermo neigte den Kopf. »Das ist richtig.«

Der Fash'rar streckte eine der Greifflossen vor und deutete auf den Körper des Olvanorers.

Nein, erkannte Rena, während sie die Szene beobachtete. Auf seine Kutte! Der Fash'rar zeigt auf die Kutte!

»Jene Besucher trugen ebenfalls diese besonderen Stoffe, die den Körper bedecken«, erklärte Asgashlan. Offenbar umschrieb er etwas, was die Fash'rar nicht kannten – Kleidung.

»Ja. Es waren Angehörige meines Ordens, die sich der Erforschung des Weltalls verschrieben haben.«

»Ein edles Ziel, auch wenn das Volk der Meereskinder darin noch nicht sehr weit fortgeschritten ist, verglichen mit den Angehörigen Ihrer Spezies.«

»Nun, wie Botschafter Aljanov bereits ausführte, sind wir in der Lage, Ihnen dabei zu helfen«, erinnerte ihn Bruder Guillermo.

Der Fash'rar verzog sein Fischmaul auf eine Weise, wie Rena es zuvor schon einmal bei Shaziru gesehen hatte.

Zu dumm, dass wir so wenig über ihre Gestik und Mimik wissen, überlegte sie.

Ein Summton ihres Armbandkommunikators machte ihr klar, dass die STERNENKRIEGER mit ihr in Verbindung treten wollte. Es handelte sich um David Kronstein.

»Wie läuft es, Lieutenant?«, fragte sie.

»Die Reparaturen gehen voran, allerdings werden wir den Zeitplan nicht halten können.«

»So wie es aussieht, sitzen wir hier noch etwas länger fest, Lieutenant. Die Fash'rar schätzen schnelle Verhandlungen nicht.«

»Fähnrich Jamalkerim ist auf ein interessantes Phänomen gestoßen, Captain«, berichtete Kronstein. »Sie hat an der Oberfläche die sehr schwache Signatur eines Moduls geortet, das die Olvanorer für ihre Expeditionen zu benutzen pflegen. Das Gerät trägt die Typenbezeichnung XM-43. Dabei handelt es sich um einen Energiespeicher, der bei der Gründung einer Siedlung in der ersten Zeit die Stromversorgung gewährleisten soll.«

»Die Besatzung der ABT TAR-DELLI wird es hier hinterlassen haben.«

»Nein, Ma'am«, wehrte David Kronstein ab. »Das habe ich auch vermutet, aber es ist unmöglich. Fähnrich Jamalkerim hat sich in der Schiffsdatenbank schlau gemacht. Diese Module werden erst seit drei Jahren produziert.«

Rena war überrascht. Sie hatte damit gerechnet, Hinterlassenschaften oder sogar geheime Basen der Qriid zu entdecken, die womöglich das ganze System längst übernommen hatten. Aber nicht im Traum hätte sie geglaubt, hier auf Angehörige des Olvanorer-Ordens zu treffen.

»Ein Fehler der Ortungssysteme ist ausgeschlossen?«, fragte sie.

»Ja, und ich glaube auch nicht, dass dem Fähnrich ein Fehler unterlaufen ist. Sie weiß, was sie tut. Allerdings konnten wir die Signatur nur für kurze Zeit orten und haben das Signal danach wieder verloren.«

»Überspielen Sie die Koordinaten auf meinen Armbandkommunikator.«

»Sofort, Captain«, versicherte der Lieutenant.

»Falls irgendetwas Ungewöhnliches eintreten sollte, sagen Sie mir sofort Bescheid.«

»Natürlich, Ma'am.«

15

Shaziru rollte in einen Raum hinein, in dessen Zentrum sich ein Becken befand, dessen Inhalt purem Luxus gleichkam – es war mit feuchtem Sand gefüllt.

Einige Fash'rar mit den grellgelben Gürteln der Priester standen um das Becken herum.

»Wenn Sie es erlauben, bereiten wir Sie auf das Heilige Bad vor«, sagte einer von ihnen.

Er hieß Rewsay und war der Oberpriester. Shaziru war mehr als nur ein Herrscher. Für jeden Fash'rar hatte er auch eine starke spirituelle Bedeutung. Er war die Verbindung zu den Vorfahren. Ein Mutant, dessen Lebenserwartung die eines gewöhnlichen Fash'rar um ein Vielfaches übertraf.

»Fangt an!«, wies Shaziru die Priester an.

Sie nahmen rechts und links des Wagens Aufstellung, fassten den Herrscher bei den Greifflossen und trugen ihn zum Becken mit dem feuchten Sand.

Shaziru rollte sich darin herum und stieß ein gurrendes Geräusch aus.

Die Priester stimmten derweil einen von schrillen, sehr hohen Tönen durchsetzten Gesang an, während einer von ihnen die Überlieferung rezitierte. »Aus dem Wasser kamen wir, ins Wasser gehen wir wieder«, war der Chor der Priester zu hören, während sich der Herrscher der Fash'rar im nassen Sand herumwälzte.

Sie nennen mich ihren Herrscher, dabei ist wahrscheinlich das Leben keines anderen Fash'rar so fremdbestimmt wie das meine, durchzuckte es die Gedanken Shazirus.

Er war nicht nur der absolute Herrscher der Fash'rar, sondern gleichzeitig auch ihr spirituelles Oberhaupt. In einem unregelmäßigen Rhythmus, der einer Zeitspanne zwischen einigen menschlichen Standardjahrhunderten und einem Jahrtausend entsprach, wurden die im Inneren des Planeten verborgenen Wassermassen des Planeten durch vulkanische Kräfte an die Oberfläche gepresst, wo sie sich in gigantischen Geysiren entluden. Die dabei entstehenden Binnenmeere machten dann etwa zwanzig Prozent der Planetenoberfläche aus.

Das war die große Flut, die für die Religion und das Sozialleben der Fash'rar eine zentrale Bedeutung hatte.

Shaziru verfügte über äußerst sensible Sinne, die auch leichte Veränderungen im planetaren Magnetfeld oder feinste seismische Erschütterung wahrzunehmen vermochte – insbesondere wenn das Ritual des Heiligen Bades durchgeführt wurde. Es war nicht einfach Wasser, worin er dann schwamm, sondern eine Lösung von Mineralien, die Shazirus Sinne noch mehr schärften.

Das ist die eigentliche Lebensaufgabe, die ich habe, ging es dem Herrscher der Fash'rar durch den Kopf. Ich muss die Flut vorhersagen, die Flut bedeutet Leben. Ohne die Flut gibt es keine Fortpflanzung für uns. Herrschen könnte auch ein anderer. Selbst ein Nicht-Mutant mit einer lächerlich kurzen Lebenspanne, die nur den Bruchteil eines Flutzyklus ausmacht und im Grund des Meeres zwangsläufig ihr Ende findet. Aber so ist das eben. Kinder der Flut nennen wir uns selbst. Die Flut bringt uns hervor. Die Flut nimmt uns zu sich. Der Flutgott ist die Verkörperung unseres Seins.

Wie oft schon hatte Shaziru das Kommen und Gehen der Flut erlebt. Das Hervorquellen der heißen Geysire aus dem tiefsten Inneren des Planeten, aufgekocht in Schluchten, wo nur eine hauchdünne Kruste die Trennlinie zum brodelnden Magma bildete. Ein erhabener, ja göttlicher Anblick waren die emporschießenden Fontänen.

Gibt es so etwas wie einen Überdruss an der Existenz?, fragte sich der Herrscher der Fash'rar, während sich seine Gedanken im Singsang der Priester verloren. Kann es sein, dass man irgendwann satt vom Leben ist und die Dinge um einem herum nicht mehr von Interesse zu sein scheinen?

Allein schon, dass er sich diese Frage stellte, alarmierte Shaziru zutiefst. Du ahnst es doch... Genau diese Gedanken gehören zu den Zeichen, dass sich deine Zeit dem Ende nähert.

Deine Vorgänger haben es in ihren Geheimen Journalen beschrieben. Immer wieder. Was dir widerfährt, geschieht nicht zum ersten Mal!

Shaziru spürte, dass die nächste Flut ganz nah bevorstand.

Alle Anzeichen deuteten daraufhin. Aber bislang hatte er geschwiegen – der Priesterschaft gegenüber ebenso wie auch allen an der Regierung beteiligten Fash'rar.

Doch die Zeichen waren immer deutlicher geworden, und es war nur eine Frage der Zeit, dass dies auch die gewöhnlichen Fash'rar erkannten. Sie verfügten zwar nicht über die besondere Sensibilität eines Mutanten, aber sie besaßen Messgräte.

Messgeräte, deren Weiterentwicklung allerdings niemals besondere Priorität genossen hatte, da sich die Fash'rar auf die Wahrnehmung ihres Herrscher-Mutanten verlassen hatten, die jede, für den technischen Horizont der fischartigen Bewohner Heptagons denkbare Messtechnik bei weitem übertrafen.

Shaziru stand vor einer Entscheidung, die sich nun nicht länger aufschieben ließ.

Bevor seine Kräfte nachließen und sich auch seine überlange Lebenspanne dem Ende zuneigte, musste er sich bei lebendigem Leib in den zukünftigen Meeresgrund eingraben, so wie es auch das Schicksal jedes gewöhnlichen Fash'rar war.

Bei reduziertem Stoffwechsel konnten sie dort Zeiträume überleben, die mehreren tausend Erdjahren entsprachen.

Wenn die Flut kam, erwachten sie aus ihrer todesähnlichen Starre. Nur in dieser Zeit konnte der genetische Austausch unter den insgesamt sieben Geschlechtern der Fash'rar stattfinden. Nach der Eiablage starben deren Erzeuger.

Nachdem die Flut versickert war, wurden die befruchteten Eier von den Überlebenden ausgegraben und konserviert. Nur nach und nach wurden sie ausgebrütet. Dabei durften niemals zu viele Fash'rar auf einmal schlüpfen, denn niemand wusste, ob die nächste Flut in dreihundert oder in tausend Planetenumläufen wiederkehrte. Daher bestand immer das akute Risiko, dass die kulturelle Kontinuität der Fash'rar abriss.

Archäologen hatten herausgefunden, dass dies bereits mindestens dreimal in der Geschichte der Fischartigen geschehen war.

Neben dem sparsamen Umgang mit den befruchteten Fash'rar-Eiern gab es noch einen weiteren Garanten dieser Kontinuität.

Den langlebigen Herrscher.

Das Band zu den Vorfahren.

Wenn der Herrscher selbst am genetischen Austausch teilgenommen hatte, kamen auch mutierte Nachkommen zur Welt. Der Priesterschaft oblag es, darunter den Nachfolger des Herrschers auszuwählen und alle anderen Mutanten zu töten, da es ansonsten unweigerlich zu Machtkämpfen kam.

Wenn ich mich nicht in den Sand lege, könnte es sein, dass mich die Lebenskraft irgendwann nach der Flut verlässt. In dem Fall gibt es bis zum Eintreten der nächsten Flut keinen Herrscher, weil keine Mutanten gezeugt wurden, ging es Shaziru durch den Kopf.

Diese Gefahr war durchaus real. Die Anflüge von Agonie und Gleichgültigkeit waren häufiger geworden. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass sich seine Lebenskraft dem Ende neigte. Außerdem gab es körperliche Veränderungen.

Sein Sehvermögen hatte beispielsweise nachgelassen.

Was spricht dagegen, sich im Sand begraben zu lassen?, überlegte der Herrscher nun. Die Flut steht unmittelbar bevor...

Es gab ein Argument, das ihn zögern ließ. Ein Argument, das über seinen eigenen Überlebenswillen hinausging.

Wenn Shaziru sich im Sand des Meeresbodens eingraben ließ, bedeutete dies den Beginn eines Interregnums. Bis sein Nachfolger geschlüpft und so weit herangewachsen war, dass er tatsächlich Entscheidungen von politischer, religiöser und gesellschaftlicher Tragweite zu treffen vermochte, würden einige Planetenumläufe vergehen.

Dies war eine Zeit, in der die Priesterschaft faktisch die Macht in den Händen hielt. Aber Entscheidungen von großer Tragweite wurden traditionell in diesen Phasen der Fash'rar-Geschichte nicht getroffen.

Eine eigenartige Erstarrung schien dann jedes Mal den gesamten Planeten und die Kultur der Fash'rar zu befallen.

Shaziru hatte in dieser Hinsicht die Journale seiner Vorgänger sehr aufmerksam studiert.

Ausgerechnet jetzt darf es kein Interregnum geben, durchzuckte es Shaziru. Die Kinder der Flut sind zu Spielbällen von zwei weit überlegenen Mächten geworden. Es ist wichtig, dass sie sicher durch diese Zeit des Umbruchs gebracht werden!

Die Gesänge der Priester verstummten in diesem Augenblick, und die plötzlich entstandene Stille holte Shazirus Bewusstsein augenblicklich ins Hier und Jetzt zurück.

Rewsay, der Oberpriester, gab den anderen Priestern ein Zeichen. Sie gehörten alle dem Orden der Flut an, der traditionellerweise das Privileg genoss, sämtliche in Zusammenhang mit dem Herrscher stehenden Rituale durchzuführen.

Die anderen zogen sich zurück. Beinahe lautlos glitten ihre aus Flossen entstandenen Füße über den Boden. Augenblicke später hatten sie alle den Raum verlassen – bis auf Rewsay, den Oberpriester.

»Ich habe einiges mit Ihnen zu besprechen, ehrenwerter Herrscher«, sagte Rewsay. »Dinge, die keinen Aufschub dulden.«

»Verschonen Sie mich mit Ihrem Geschwätz, Rewsay. Es gibt vor dem heutigen Heiligen Bad nichts zu entscheiden«, erwiderte Shaziru. Er drehte sich dabei noch einmal in dem nassen Sand herum. Ein wohliges Gefühl durchströmte ihn.

Rewsay trat näher. Sein Fischmaul verzog sich auf eine Weise, die gegenüber dem amtierenden Herrscher geradezu respektlos war. »Sie tragen alle Zeichen eines Flutkindes, das bald in den Sand geht«, erklärte der Oberpriester gelassen. »Ich habe Sie genau beobachtet und Sie selbst können die Zeichen unmöglich übersehen haben.«

Shaziru hob den Kopf. Er war überrascht. »Das ist es, was Ihnen Sorgen macht?« Ein würgender Laut drang aus dem lippenlosen, von einem wulstigen Rand abgegrenzten Mund heraus. Ausdruck von gewaltiger Heiterkeit.

»Das – und anderes.«

»Jeder weiß, dass meine Lebensspanne selbst für einen Mutanten-Herrscher schon sehr lange währt und der Tag, an dem ich in den Sand gehe, nicht mehr fern sein kann. Ich gebe darüber hinaus gerne zu, dass ich selbst schon daran gedacht habe, dem Beispiel meiner Vorfahren zu folgen... Aber ich bin der festen Überzeugung, dass es jetzt nicht zu einem Interregnum kommen darf.«

»Es beruhigt mich, dass Sie dieser Auffassung Ausdruck verleihen, mein Herrscher«, erklärte Rewsay.

Die Art seines Ausdrucks und der Heftigkeit, mit der die Schnalz- und Knacklaute zwischen den Mundwülsten herausgepresst wurden, straften ihn Lügen.

Ein Vorteil des langen Lebens, dachte Shaziru, ist die Erfahrung. Das absolut sichere Urteil, was die Körpersprache eines Gegenübers angeht. Kleinste Nuancen reichen aus, um zu erkennen, was jemand wirklich denkt...

Rewsay war alles andere als beruhigt.

»Sie wissen, in welch prekärer Lage wir sind«, stellte der Oberpriester fest. »Unser Volk droht in einen interstellaren Krieg hineingezogen zu werden, in dem man uns wie Ungeziefer zerquetschen würde.«

»Ich glaube, es ist unvermeidbar, dass wir Teil des Konflikts werden«, stellte Shaziru klar. »Vielleicht sind wir es sogar schon. Meiner Ansicht nach kommt es nur darauf an, am Ende auf der richtigen Seite zu stehen!«

Ein Summton ließ den Herrscher der Fash'rar aufhorchen. Es stammte von dem Kommunikationsmodul, das sich unter einem seiner Flossenarme verbarg. Eine direkte Verbindung zu seinen Hörnerven sorgte dafür, dass niemand sonst den Inhalt der Botschaft vernehmen konnte.

»Hier spricht Asgashlan, ehrwürdiger Herrscher«, meldete sich Shazirus Sprecher.

»Was gibt es?«

»Unsere Gäste haben offenbar technische Überreste der Kapuzenträger geortet, die einst in unserer Wüste nach Artefakten der Toten Götter suchten.«

»Und jetzt verlangen sie Aufklärung über ihr Schicksal«, schloss Shaziru.

»So ist es, ehrenwertes Band zu den Vorfahren«, bestätigte Asgashlan. »Der Raumkapitän des fremden Schiffes möchte diesbezüglich Nachforschungen anstellen, während ihr Verhandlungsführer hier bleiben und am Ritual des Heiligen Bades teilnehmen wird.«

Nach allem, was die Fash'rar über die Menschheit durch ihre Begegnungen mit den von ihnen als Kapuzenträger bezeichneten Angehörigen des Olvanorer-Ordens wussten, wäre es den zerbrechlich wirkenden Zweibeinern als Affront erschienen, wenn man ihnen die Erfüllung dieses Anliegens verweigert hätte.

Davon abgesehen hatten die Fash'rar dazu auch gar nicht die Macht, wie Shaziru sehr wohl bewusst war.

Mit großer Aufmerksamkeit hatten die Spezialisten seiner Raumflotte das Gefecht zwischen der STERNENKRIEGER und den Qriid-Schiffen beobachtet.

»Wir sind auf diesen Fall doch vorbereitet, Asgashlan«, erklärte der Herrscher. »Dem Ansinnen der Zweibeiner wird großzügig entsprochen – aber ich bestehe darauf, dass Sie den Flug begleiten.«

»Sehr wohl, ehrenwertes Band zu den Vorfahren.«

16

Crewman Michelle Oranda, die Pilotin der L-3, steuerte das Shuttle in niedrigem Atmosphärenflug über die Planetenoberfläche.

Sie flog geradewegs zu jenen Koordinaten, die Fähnrich Jamalkerim als Ausgangspunkt jener Signale identifiziert hatte, die überraschenderweise auf eine Anwesenheit von Olvanorern hindeuteten.

Außer Sunfrost, Wong, Bruder Guillermo, Rolfson und den beiden Marines befand sich noch Asgashlan an Bord. Offiziell bestand seine Aufgabe darin, Rena und ihrer Crew zu helfen.

Die Wahrheit sah wohl etwas anders aus.

Er ist unser Aufpasser, überlegte Rena. Warum sonst sollte der Fash'rar-Herrscher darauf bestehen, dass sein Sprecher uns begleitet.

Botschafter Aljanov war hingegen in der Residenz des Fash'rar-Herrschers geblieben, um am Ritual des Heiligen Bades teilzunehmen und die Verhandlungen danach fortzusetzen. Captain Sunfrost hatte zu seiner Sicherheit noch zwei weitere Marines von der STERNENKRIEGER auf die Planetenoberfläche befohlen.

»Vor drei Planetenumdrehungen landeten Menschen mit der Kleidung Ihres Crewmitgliedes Bruder Guillermo erneut auf unseren Planeten«, berichtete Asgashlan, ohne dass Commander Sunfrost ihn ausdrücklich danach gefragt hatte. »Sie beabsichtigten, nach Hinterlassenschaften der Toten Götter zu forschen.«

»Wer sind die Toten Götter?«, hakte Sunfrost nach.

Die Mundwülste des Fash'rar zogen sich zusammen, während eine rasche Folge von Knack- und Schnalzlauten zu hören war, die vom Translator in die überwiegend auf dem Englischen basierende irdische Standardsprache übersetzt wurde, die innerhalb der Humanen Welten den Rang einer allgemeinen Verkehrssprache hatte.

»Die Toten Götter – so nennen wir jenes geheimnisvolle Volk, das vor unvorstellbar langer Zeit das Mondsystem unseres Planeten erschuf. Unsere Vorfahren stießen auf Bauwerke und andere Hinterlassenschaften dieser Wesen und verehrten sie lange Zeit als Götter, bevor sich schließlich der Glaube an den Flutgott als einzig wahre Religion durchsetzte.«

»Ich verstehe«, murmelte Rena.

Wong mischte sich in das Gespräch ein. »Was wissen Sie über diese ›Toten Götter‹?«

»So gut wie nichts außer der Tatsache, dass sie über die technischen Möglichkeiten verfügt haben müssen, Himmelskörper aus ihrer Bahn zu reißen und neu anzuordnen. Wir kennen nicht einmal ihre Gestalt, weswegen es ernsthafte Spekulationen darüber gibt, ob sie eine körperlose Existenz geführt haben. Ich persönlich bin allerdings kein Anhänger dieser Theorie.«

»Erzählen Sie mir mehr über diese zweite Olvanorer-Expedition, von der Sie soeben berichtet haben«, forderte Rena den Fash'rar auf.

»Da gibt es nicht viel zu berichten. Die Kapuzenmenschen erhielten die Erlaubnis, ihren Studien nachzugehen, zumal sie versprachen, ihre Erkenntnisse mit uns zu teilen und wir nur gute Erfahrungen mit ihnen gemacht haben. Sie verschwanden in der Weite unserer Wüsten. Wir haben nie wieder etwas von ihnen gehört. Wahrscheinlich sind sie einem der zahllosen Sandstürme zum Opfer gefallen...«

»Es wurde nicht nach ihnen gesucht?«, wunderte sich Sunfrost.

Die Mundwülste des Fash'rar bildeten jetzt eine nahezu gerade Linie, bevor er schließlich antwortete: »Sie haben noch keinen Sturm auf unserem Planeten erlebt. Sie sind so heftig, dass es gut sein kann, dass sie unter meterhohen Sandbergen begraben wurden. In manchen Gegenden ist der Sand so fein, dass er in jedes technische Gerät eindringt. Der Sand enthält stark magnetisierte Teilchen, die für ein Versagen von höher entwickelter Kommunikationstechnik sorgen. Wir haben die Kapuzenmänner gewarnt und ihnen auch Führer mitgegeben, die ihnen behilflich sein sollten. Aber so etwas wie absolute Sicherheit gibt es dort draußen nicht.«

Rena Sunfrost wandte sich an Bruder Guillermo. »Ist es möglich, dass auf Heptagon eine Olvanorer-Station existiert, von der weder in den Dossiers der Regierung noch in den Datenfiles des Space Army Corps auch nur der geringste Hinweis existiert?«

BruderGuillermo hob leicht die Schultern. »Es gibt bei uns durchaus Missionen, die der Geheimhaltung unterliegen. Forschungsgruppen, die sich unter völligem Kontaktverbot auf Planeten aufhalten, die in außenpolitisch brisanten Zonen liegen.«

»Was man vom Tardelli-System mit Sicherheit sagen kann«, ergänzte Wong.

»Captain«, fuhr Guillermo fort. »Sie müssen sich nur vor Augen halten, was geschehen würde, wenn eine Gruppe von Olvanorern von Heptagon aus Funkkontakt zur Erde hätte und diese Signale durch die Qriid abgehört würden. Es wäre unweigerlich zu Komplikationen gekommen. Daher gab es in der Vergangenheit immer wieder so genannte Klausur-Missionen, deren Mitglieder häufig jahrelang ohne jegliche Kommunikation zur Außenwelt operierten. Oft genug ist das im Übrigen auch unerlässlich, um das Vertrauen der einheimischen Intelligenz zu erringen.«

Rena Sunfrost hob den Arm und aktivierte den Kommunikator an ihrem Handgelenk.

David Kronstein meldete sich.

»Lieutenant, schicken Sie über Sandström-Funk einen codierten Richtspruch an unser Oberkommando. Ich möchte wissen, ob es auf Heptagon eine Klausur-Mission der Olvanorer gibt.«

»Ich bin davon überzeugt, dass mein Orden trotz grundsätzlicher Geheimhaltung bei einer konkreten Anfrage kooperativ sein wird«, versicherte Bruder Guillermo.

17

Die L-3 setzte ihren Weg fort.

»Captain«, sagte plötzlich Crewman Oranda, »das sollten Sie sich ansehen.«

Auf einem Bildschirm erschienen Zehntausende Fash'rar. Die Fischartigen zogen wie in einer gewaltigen Prozession durch die öde, von feinem Staub bedeckte Landschaft. Sie trugen große Hüte, die an Schirme erinnerten.

»Was geschieht dort?«, fragte Rena Asgashlan.

»Dies ist die Senke der wiedergeborenen Toten«, erläuterte der Fash'rar. »Wenn die Flut aus dem Inneren des Planeten hervorbricht, bildet sich hier ein kochendes Meer.«

Asgashlan erläuterte kurz den biologischen Zyklus der Fash'rar. Er sprach von dem Selbstbegräbnis bei lebendigem Leib, dem Verfall in die nakoleptische Totenstarre bei extrem reduziertem Stoffwechsel und das Erwachen im Augenblick der kochenden Flut, die zuerst die Senke der wiedergeborenen Toten, später aber auch je nach Stärke der Flut weitere tiefer gelegene Regionen des Planeten überschwemmte.

»Diese Fash'rar wissen, dass ihre Zeit gekommen ist«, erklärte Asgashlan.

»Wer sagt es ihnen?«, erkundigte sich Sunfrost.

»Ein inneres Gefühl«, antwortete der Sprecher des Herrschers. »Wenn die Flut kommt, tauschen die sieben Geschlechter ihre Gene aus und legen die Eier ab. Anschließend werden die wiedergeborenen Toten eins mit dem Flutgott.«

»Das heißt sie sterben.«

»Ob der biologische Zerfall das Ende der eigentlichen Existenz bedeutet, halten wir für fraglich«, beschied der Fash'rar Captain Sunfrost.

»Natürlich. Eine Frage noch.«

»Bitte!«

»Wann findet die nächste Flut statt?«, fragte Rena.

»Das weiß allein der Herrscher...«

18

Die L-3 ließ die gewaltige Prozession derer, die in den Sand gingen, wie die Fash'rar die Selbstbeerdigung umschrieben, hinter sich.

Die Zielkoordinaten befanden sich in einem Gebiet, das ebenfalls zur Senke der wiedergeborenen Toten gehörte. Aber hier ragten immer wieder schroffe Felsmassive aus dem Sand heraus. An manchen dieser riesigen Felsmonumente hatte der Wind hohe Dünungen aufgetürmt.

Die L-3 schwebte in der Luft.

»Die Quelle der Signale befindet sich genau unter uns«, berichtete Crewman Oranda. »Etwa fünf Meter unter dem Sand. Ma'am, ich könnte versuchen, das Objekt mit Hilfe unseren Antigrav- und Gravitations-Projektoren auszugraben. Ich... kann aber nicht garantieren, dass ich keinen Schaden anrichte.«

Sunfrost dachte kurz nach. Die Projektoren gehörten zum Schiffsantrieb und waren sicherlich

keine Präzisionswerkzeuge. Allerdings befand sich auch an Bord der STERNENKRIEGER keine Grabausrüstung. Sie hatten also kaum eine Wahl.

»Tun Sie das, Mrs. Oranda«, gab Sunfrost ihr Einverständnis.

Die Finger der Pilotin glitten über das Terminal der Pilotenkonsole. Tatsächlich war die Wahrscheinlichkeit, irgendetwas zu beschädigen ziemlich gering. Mit Hilfe von Antigravitation brachte sie den Sand unter der L-3 zum Schweben. Der stetig wehende Wind blies die Körner dann einfach weg. Durch die Gravitations-Projektoren war sie dazu in der Lage, den feinen Sand am Nachrutschen zu hindern.

»Signale mit der typischen Signatur sind wieder messbar«, sagte Wong, der sich auf den Sitz des Co-Piloten gesetzt hatte.

Auf einem Nebenbildschirm war die exakte Position des Gerätes veranschaulicht.

»Ihre Ortungstechnik scheint mir noch weitaus besser zu sein, als die unsere«, stellte Asgashlan fest, der mit großem Interesse verfolgte, was geschah.

»Aber die Ihre ist für eine Zivilisation, die bislang nicht über eine interstellare Raumfahrt verfügte, sehr hoch entwickelt«, versicherte Sunfrost. »Ich nehme an, Sie haben zumindest einige Elemente von anderen Völkern übernommen.«

»Austausch trägt zur Entwicklung bei«, erklärte Asgashlan ausweichend. »Dieses Prinzip scheint auch Ihrer Spezies nicht fremd zu sein, anders ist der Forscherdrang der Kapuzenträger nicht erklärlich.«

»Ja, da mögen Sie Recht haben.«

»Wir sind uns möglicherweise ähnlicher, als es in Anbetracht unserer unterschiedlichen Lebensweise den Anschein hat.«

»Gab es auch technischen Austausch mit den Qriid?«, fragte Rena.

Der Sprecher des Herrschers zögerte mit der Antwort.

Was schließlich aus dem Translator drang, erschien ihr wie wirres Zeug. Aussagelose, aneinander gereihte Begriffsverbindungen, in denen sich Gegensätze aufhoben.

»Kriegfrieden, Tagnacht, Flutdürre...«

Was soll das?, ging es dem Captain der STERNENKRIEGER durch den Kopf. Ihr kam der Gedanke, es vielleicht mit dem Fash'rar-Äquivalent einer diplomatischen Floskel zu tun zu haben. Sie hatten näheren Kontakt zu den Qriid, der vielleicht sogar Technologietransfer einschloss und wahrscheinlich befürchtet Asgashlan jetzt, dass es unseren sich gerade entwickelnden Beziehungen schadet, wenn er dies offen zugibt!

Fragte sich nur, wie weit dieser Kontakt gegangen war.

Technologiertransfer war schließlich keine Einbahnstraße. Es war kaum denkbar, dass die Qriid einem technologisch vergleichsweise wenig entwickelten Volk wie den Fash'rar technisches Wissen überließen, ohne dafür eine Gegenleistung zu verlangen.

Auf diesen Punkt werden wir im Rahmen dieser Mission auf jeden Fall noch einmal zurückkommen müssen, war Rena klar.

Crewman Oranda deaktivierte die Düsen.

»Das Zielobjekt befindet sich weniger als dreißig Zentimeter unter der Sandoberfläche«, erklärte sie. »Wenn ich die Prozedur jetzt fortsetze, besteht die Gefahr, dass es unter dem Einfluss des Antigrav durch die Luft geschleudert wird. Sobald es den Einflussbereich der Projektoren verlässt, würde es zu Boden fallen und möglicherweise schwer beschädigt werden.«

Der Captain nickte. »Okay, dann landen Sie.«

»Aye, Ma'am.«

19

Die L-3 schwebte einige Meter entfernt nur wenige Zentimeter über dem Boden.

Das Außenschott wurde geöffnet. Die Marines legten sicherheitshalber ihre schweren Kampfanzüge an, die durch ihre Servoverstärkung für eine erhebliche Erhöhung der Körperkräfte sorgte.

Obwohl mit einem Kampfeinsatz im Moment eigentlich nicht zu rechnen war, hatte Rolfson auf das Anlegen der Anzüge bestanden. Die Panzerung schützte gegen die meisten Geschosse. Lediglich Gauss-Projektile oder konzentriertes Strahlenfeuer, wie es die Traser der Qriid verfeuerten, vermochten sie zu durchdringen.

Der Grund für Sergeant Rolfson, die Rüstungen anzulegen, war einfach der, dass der sandige Untergrund extrem instabil war. Selbst ein durchtrainierter Mann hatte unter normalen Umständen keine Überlebenschance, wenn er in ein Sandloch einbrach und von zentnerschweren Lasten bedeckt wurde.

Für einen Marine mit servoverstärktem Kampfanzug galt das nicht. Wenn eine Sandlawine ihn bedeckte, konnte er sich daraus hervorgraben, sofern die auf ihm lastende Masse nicht ein bestimmtes kritisches Maß überschritt. Außerdem verfügten sie über eine eigene Luftversorgung, sodass auch keine Gefahr durch Ersticken drohte.

Rolfson und seine Marines gingen zuerst ins Freie, gefolgt von Sunfrost, Wong und Asgashlan.

Renas Blick blieb für einen kurzen Moment an den drei Monden hängen, die am Himmel zu sehen waren. Da sie Heptagon in geostationären Umlaufbahnen umkreisten, schienen sie stehen zu bleiben, während sich die Sonne im Laufe des 36-stündigen Tages von Horizont zu Horizont bewegte.

Die restlichen Monde waren von dieser Seite des Planeten aus nicht zu sehen.

Raphael Wong schien die Gedanken seines Captains zu erraten. »Diese so genannten Toten Götter müssen unvorstellbare technische Möglichkeiten zur Verfügung gehabt haben. Ich frage mich, ob sie nicht wenigstens einen kleinen Teil ihres Wissens irgendwo hinterlassen haben...«

»Mehr als die Überreste einiger Gebäude und unterirdischer Anlagen ist von ihnen nicht geblieben«, mischte sich Asgashlan ein, der dem Gespräch zugehört hatte. »Wir schätzen nach den radioaktiven Zerfallsraten bestimmter Isotope, dass die Kultur dieses Volkes bereits zu existieren aufhörte, lange bevor die Meere unseres Planeten im Sand versickerten.« Die Zeitangabe, die Asgashlan dann machte, wurde vom Translator mit mehreren Millionen Erdjahren übersetzt.

»Es wäre ein Wunder, wenn nach dieser langen Zeit noch abrufbare Datenspeicher vorhanden wären«, sagte Wong.

»Aber nicht ausgeschlossen«, entgegnete Sunfrost. »Wer Monde verschieben kann, hat Möglichkeiten, von denen ich nicht einmal zu träumen wage.«

Die Marines hatten innerhalb kürzester Zeit die Stelle gefunden, an der das Modul der Olvanorer verborgen war.

Mit Hilfe ihrer Ortungsgeräte war das kein Problem. Sie gruben einen Quader von etwa einem Meter Kantenlänge aus.

Details

Seiten
Erscheinungsjahr
2015
ISBN (ePUB)
9783738901733
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Dezember)
Schlagworte
chronik sternenkrieger drei abenteuer

Autor

  • Alfred Bekker (Autor:in)

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Titel: Chronik der Sternenkrieger: Drei Abenteuer #2