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Undercover Mission: Thriller

Cassiopeiapress Spannung

von Alfred Bekker (Autor:in) Henry Rohmer (Autor:in)
©2015 130 Seiten

Zusammenfassung

Ein Ermittler wird in eine Drogengang eingeschleust. Als ultimativen Loyalitätstest fordert man von ihm etwas Ungeheuerliches: Er muss seinen Partner erschießen...

Action Thriller von Henry Rohmer alias Alfred Bekker.

Henry Rohmer ist das Pseudonym des Autors Alfred Bekker.
ALFRED BEKKER ist ein Schriftsteller, der vor allem durch seine Fantasy-Romane und Jugendbücher einem großen Publikum bekannt wurde. Daneben schrieb er Krimis und historische Romane und war Mitautor zahlreicher Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, John Sinclair und Kommissar X.

Cover: Steve Mayer

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Undercover Mission

Thriller von Alfred Bekker

UKSAK E-BOOKS IST EIN IMPRINT VON ALFRED BEKKER

 

Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author

© 2015 der Digitalausgabe by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

 

Der Umfang dieses Ebook entspricht 130 Taschenbuchseiten.

 

 

1

"FBI! Special Agent Milo Tucker! Keiner rührt sich! Ihr seid festgenommen!" Milo Tucker hatte die SIG in der Rechten und hielt mit links seine ID-Card hoch. Ich spuckte mein Kaugummi aus, ließ dabei den Motor der getunten Harley aufheulen. Meine SIG trug ich unter der schwarzen Lederjacke mit der Aufschrift "Devvilish Demons". Mit zwei V. Das war angeblich cool. Ich warf einen Blick zu den anderen Bikern.

Meinen Gang-Brüdern. Sie rührten sich nicht. Warteten darauf, dass ich etwas tat. Das Gas der Harley drehte ich voll auf. Das Vorderrad stieg in die Höhe. Ich fuhr auf den einsamen G-man namens Milo Tucker zu, bremste. Das Hinterrad brach aus, ich zog eine dunkle Spur über den Asphalt, bevor die Maschine zum Stillstand kam.

"Ich sag's nicht noch mal!", rief Milo.

Ich verzog das Gesicht. "Schätze, du sagst nie wieder was, G-man!" Ich riss die SIG unter der Lederjacke hervor und drückte ab. Getroffen flog Milo Tucker zu Boden und blieb reglos liegen.

 

 

2

Ich stieg von der Harley, ging auf den am Boden liegenden Milo zu. Jetzt erst wagten sich auch die anderen "Devvilish Demons" etwas näher heran. Die Motoren ihrer Maschinen heulten auf.

Augenblicke später bildeten sie eine Art Halbkreis um den auf dem Asphalt liegenden Special Agent des FBI. Er lag auf der Seite. Ein Arm verdeckte sein Gesicht. War auch besser so. Eine ziemlich große Blutlache hatte sich gebildet.

"Scheiße, bei so einem Anblick verliert man ja sogar noch den Spaß am Koks", knurrte einer der Biker. Ein großer, hagerer Kerl mit breiten Schultern, dessen Helm einem Totenschädel nachempfunden war.

In der Gang war er nur unter dem Namen Skull-Face bekannt.

Er verzog das Gesicht, fingerte aus einer der zahllosen Taschen seiner nietenbesetzten Lederjacke ein Briefchen mit Schnee, riss es auf und schüttete den Inhalt auf den Handrücken. Genau so, dass sich zwei kleine, fast gleich große Häufchen bildeten.

Er sog eines dieser Häufchen ins linke Nasenloch ein. Der Rest war wohl für das andere bestimmt.

Aber irgendetwas schien Skull-Face in der Nase zu jucken.

Er musste niesen und das wertvolle weiße Pulver verflog in alle Winde.

"Fuck!"

Ein Schwall von wüsten Flüchen kam über Skull-Faces aufgesprungene, dünne Lippen.

Ich kniete nieder, beugte mich über Milo, durchsuchte seine Taschen und nahm seine Brieftasche an mich. "Ihr Wichser seid vielleicht mit einem Kopfkissen voller Koks geboren, aber ich komme aus kleinen Verhältnissen", knurrte ich Skull-Face entgegen, als der mich ziemlich erstaunt anstarrte. "Auch hundert Dollar lasse ich nicht auf der Straße liegen!"

"Ist ja schon gut Mann!" Skull-Face machte eine beschwichtigende Handbewegung. "Immer cool bleiben Mann!"

"Jesse ist verdammt cool", meldete sich einer der anderen Biker mit bewunderndem Unterton zu Wort. "Wer einen G-man einfach so umnietet, der muss cool sein."

Ich erhob mich wieder, hielt Milos Ausweis hoch.

"Dieser Kerl war wirklich ein G-man", stellte ich fest.

Skull-Face rülpste ungeniert. "So eine Scheiß ID-Card macht dir Lonny Davis in der 42. Straße ab fünf Riesen aufwärts. Je nachdem, was für eine Qualität du brauchst", meinte er abfällig.

Ich warf ihm Milos Ausweis zu.

Er fing ihn auf.

"Der hier ist echt, Bruder! Da kannst du Gift drauf nehmen!"

Er sah ihn sich an, warf ihn verächtlich auf den Asphalt.

"Scheiße, sag bloß, du bist ein Experte, was diese Ausweise angeht!"

Ich verzog das Gesicht.

"Die Dinger hat man mir oft genug unter die Nase gehalten", murmelte ich.

"Ich bin dafür, dass wir jetzt hier aufräumen und uns dann aus dem Staub machen", meldete sich einer mit breitem Gesicht, schwarzem Vollbart und beginnender Stirnglatze zu Wort. Sein Haar hing ihm dafür auf der hinteren Seite des Kopfes umso tiefer hinunter. Beinahe bis zum Gürtel reichte der Zopf, zu dem er sie geflochten hatte. In der Gang hieß er "Lunie", abgeleitet von "lunatic" - "bekloppt".

Die anderen stimmten Lunie jedenfalls zu.

"Unser cooler Freund Jesse könnte uns alle ganz schön in Schwierigkeiten bringen", sagte Skull-Face düster. "Ich hasse solche Hosenscheißer, die meinen, sich mit so etwas in den Vordergrund spielen zu müssen. Am Ende müssen wir alle das ausbaden."

"Keine Sorge, Skull-Face", erwiderte ich.

Er verdrehte die Augen.

"So ein zermatschtes G-man-Hirn kann uns ganz schön in Schwierigkeiten bringen, du Arsch! Ich habe sieben Jahre Rikers Island hinter mir und keine Lust auf eine Verlängerung!"

Ich zuckte lässig die Achseln, zog mir dabei die nietenbesetzten fingerlosen Lederhandschuhe zurecht. Die Nieten hätte ich einem Typen wie Skull-Face gerne ins Gesicht gehämmert, aber dazu war jetzt einfach nicht der passende Moment.

"Ich sagte: Keine Sorge", wiederholte ich mich und deutete auf Milo. "Ich sorge dafür, dass der Dreck hier weggeräumt wird. Ihr könnt euch ruhig schon verziehen. Wir sehen uns später, Amigos!"

Die Biker wechselten etwas irritierte Blicke.

"Du brauchst wirklich keine Hilfe, Jesse?", vergewisserte sich Lunie.

Ich schüttelte den Kopf.

"Nein."

"Aber..."

"Besser ihr wisst nicht, wo ich die morschen Knochen dieses G-man verschwinden lasse. Dann kann sich auch keiner von euch verplappern, wenn diese Brüder euch doch mal in die Mangel nehmen und irgendein District Attorney euch das Blaue vom Himmel verspricht, wenn ihr singt!"

Lunie schien mit dieser Erklärung zufrieden zu sein.

"Verziehen wir uns!", meinte er, setzte sich seinen Helm auf und startete seine Maschine. Die anderen folgten seinem Beispiel.

Nur Skull-Face zögerte noch.

Er bedachte mich mit einem schwer deutbaren Blick.

"Irgendetwas stimmt mit dir nicht, Jesse!"

"Ach, ja?"

"Ich habe es im Urin! Du bist nicht echt. Scheiße, ich kann nicht sagen, was es ist, aber irgendetwas stört mich an deiner Visage!"

Er gab mir keine Gelegenheit, ihm zu antworten. Mit seiner Harley legte er einen Blitzstart hin und brauste davon. Es dauerte nur Augenblicke und die ganze Gang hatte das ehemalige Firmengelände der in Konkurs gegangenen Papierfabrik "Sounders & Buchheim Quality Paper Ltd." verlassen.

Ich wartete einige Augenblicke, bis ich sicher war, dass sie wirklich weg waren.

Ich packte Milo an den Armen, zog seinen schlaffen Körper über den Boden in Richtung von einer der großen Lagerhallen. Das große Wellblechtor war dermaßen verrostet, dass wahrscheinlich die Kraft eines Bulldozers vonnöten gewesen wäre, um sie nur ein paar Zentimeter zur Seite zu schieben.

Aber gleich daneben befand sich eine Tür für den Personalzugang. Und die stand halb offen.

Ich zog Milo ins Innere der Halle.

Es roch erbärmlich dort.

Riesige Rollen mit vor sich hin schimmelndem Papier waren hier zu finden. In der Deckenverglasung fehlten einige Scheiben, sodass es munter hereinregnen konnte.

Ich legte Milo ab.

Sah ihm ins blutüberströmte Gesicht.

Tätschelte ihm die Wange und wischte mir die Hand an der Jeans ab.

"Die Show ist vorbei! Du kannst die Augen aufmachen!"

"Wenn ich die Augen aufmache, kriege ich dieses verfluchte Film-Blut hinein, Jesse!"

"Ist doch garantiert unschädlich! Selbst für die Schleimhäute!"

"Du musstest dich mit dem Zeug ja auch nicht einschmieren, Jesse!"

"Nun mach mal halblang, Milo!"

Ich reichte ihm ein Taschentuch. Er begann, sich das Film-Blut aus dem Gesicht zu reiben und grinste. "Hat gut geklappt, was?"

"Wir haben an der Nummer ja auch lange geübt, Milo!"

"Einen so überzeugenden Stunt soll uns erst einmal einer nachmachen!"

Schritte ließen mich aufhorchen.

Unsere FBI-Kollegen Clive Caravaggio und Orry Medina kamen hinter den gewaltigen, zum Teil mehr als mannshohen Papierrollen hervor.

Clive Caravaggio hob den Daumen.

"Alles in Ordnung, Jesse! Die Nummer hat perfekt geklappt."

Ich atmete tief durch, begann damit, die Platzpatronen meiner SIG gegen echte Munition auszutauschen. Denn wenn ich das nächste Mal mit den Devvilish Demons zusammentraf, konnte es gut sein, dass ich die Waffe für etwas anderes als eine Schauspieleinlage brauchte.

Orry Medina, unser indianischer FBI-Kollege, meldete sich zu Wort und nahm dabei sein Headset vom Kopf, über das er mit den anderen Kollegen in Verbindung stand, die sonst noch an diesem Einsatz beteiligt waren. "Glaub mir, Jesse, diese Devvilish Demons machen dich noch zu ihrem Boss! Wer so cool und ohne mit der Wimper zu zucken einen G-man umnietet, der ist doch wie geschaffen für so einen Job..."

Was die Bezahlung anging, konnte man da schon ins Grübeln kommen.

Schließlich war die Harley, auf der ich gesessen hatte, eine Leihgabe unserer Fahrbereitschaft, während die meisten der Devvilish Demons sogar mehrere dieser Feuerstühle ihr Eigen nannten. Alles finanziert aus den Gewinnen, die sie aus dem Handel mit Kokain und Crack zogen.

Ein Staatsdiener wie ich konnte von derartigen Reichtümern nur träumen.

Aber dafür befand ich mich auf der richtigen Seite jener Grenze zwischen Recht und Unrecht, von der die Devvilish Demons wohl gar nicht mehr wussten, dass sie überhaupt existierte.

Sie kontrollierten den Drogenhandel in einigen Straßenzügen der South Bronx. Das allein unterschied sie noch nicht von Dutzenden anderer Gangs, die ihr jeweiliges Gebiet als eine Art Königreich betrachteten.

Die Kollegen der DEA und der City Police kämpften so gut es ging gegen dieses Unwesen an.

Aber die meisten dieser Gang-Leute stellten nur die unterste Schicht im organisierten Verbrechen dar.

Handlanger für das Grobe, mehr waren sie meistens nicht.

Sie gingen das größte Risiko ein, gefasst zu werden, während die eigentlichen Hintermänner im Verborgenen blieben. An diese Hintermänner kam die Justiz oft nicht heran. Mir drehte sich jedes mal der Magen um, wenn ich mitbekam, dass solche Leute ihren Reichtum völlig unbehelligt auf Long Island oder den New Yorker Nobel-Clubs genossen. Ein Reichtum, der sich auf dem Elend der Crack-Süchtigen gründete, die wie lebende Leichen in den verfallenden Straßen der South Bronx dahinvegetierten. Ein Leben im Dreck, das ihnen nicht den Hauch einer Hoffnung ließ.

Aber die Weiße-Kragen-Bosse kümmerte das nicht.

Genauso wenig, wie es sie interessierte, dass ihre Laufburschen zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt wurden oder sogar die Todeszellen füllten.

Aber die Devvilish Demons unterschieden sich in ein paar Punkten von den anderen Gangs.

Es gab keine andere vergleichbare Gruppe, die sich derzeit im Dschungel der South Bronx mit ähnlicher Rücksichtslosigkeit durchsetzte.

Leichen pflasterten den Weg dieser Bike-vernarrten Killer.

Innerhalb von wenigen Monaten hatten sie die Ausdehnung ihres Gebietes verfünffacht.

Ihre Gegner hatten sich entweder unterworfen oder man konnte sie in den gerichtsmedizinischen Bulletins des Coroners nachlesen, was mit ihnen geschehen war.

Außerdem hatten wir Grund zu der Annahme, dass die Devvilish Demons eine sehr starke auswärtige Organisation in ihrem Rücken hatte. Ein Syndikat. Irgendjemand, der seinen Einfluss in der New Yorker Unterwelt ausdehnen wollte. Und das mit Methoden, die selbst für die Maßstäbe der Cosa Nostra oder des kolumbianischen Drogenkartells außerordentlich brutal waren.

Unseren Erkenntnissen nach gab es kaum Zweifel daran, dass eine Reihe von Morden unter puertoricanischen und schwarzen Drogendealern auf das Konto dieser Gang zu buchen war.

Das passte zu der Annahme, dass ein großer, mächtiger Unbekannter hinter ihren Aktivitäten stand, sie großzügig mit Drogen, Waffen und Geld versorgte.

Und mit Mordaufträgen.

Deshalb hatte sich das FBI Field Office New York zu dieser riskanten Operation entschlossen. Wir mussten die Hintermänner der Devvilish Demons stoppen.

Und das war auch das Risiko des verdeckten Einsatzes wert, den ich zurzeit gerade durchführte.

Milo erhob sich. "Was wirst du den Kerlen erzählen, wo du meine Leiche gelassen hast?", fragte mein Freund und Kollege.

"Die werden kein Wort von mir hören", erwiderte ich.

"Du willst also als obercooler Typ durchgehen, der ohne Kompromisse sein Ding durchzieht!"

Ich grinste.

"Das habe ich doch gerade unter Beweis gestellt, oder? Ich meine, wer einen G-man tötet, muss in den Augen dieser Kerle doch etwas auf dem Kasten haben!"

Clive Caravaggio meldete sich zu Wort. "Vielleicht schaffst du es ja jetzt, dass man dich in Kontakt mit den Hintermännern bringt!"

"Das muss ich sehr behutsam anstellen", sagte ich. "Sonst werden die Devvilish Demons misstrauisch."

 

 

3

Ein paar Tage später...

Das heruntergekommene Billard-Lokal hieß "The Devvils Club" und stellte so etwas wie das Stammlokal der Gang dar. Hier hing der Hauptteil der Gruppe tagsüber herum, wenn es nicht gerade irgendetwas zu tun gab.

Das Licht war gedämpft. Im Hintergrund lief gitarrenorientierte Rock-Musik. Düstere Riffs, jaulende Soli und der ausufernde Gebrauch von Crash-Becken und Bass-Drum kennzeichnete diesen Sound.

Ein paar Girls in knappem Leder-Outfit waren auch ständig in "The Devvils Club" anzutreffen. Das Geld in den Taschen der Gang-Mitglieder zog diese Schönen an wie das Licht die Motten.

Mein Mord an G-man Milo Tucker hatte mächtig Eindruck gemacht. Und selbst Skull-Face, der mich von Anfang an nicht besonders gemocht hatte, wagte es nicht, mir den Respekt zu versagen.

Ich hatte schließlich etwas getan, wozu ihm selbst bisher der Mumm gefehlt hatte.

Und daher hielt er sich wohl lieber zurück.

Von draußen war jetzt ein Brummlaut zu hören, der die Musik übertönte.

Ich wusste, was das bedeutete.

Dieser Brummlaut war so charakteristisch, dass ich ihn unter Hunderten verschiedener Motorengeräusche wiedererkannt hätte! John Delgado-Cruz alias "King Ghost" war mit seinem Trike vorgefahren, einem dreirädrigen Motorrad, das alles in den Schatten stellte, was sonst noch an großen Maschinen vor dem Eingang des Clubs abgestellt worden war.

Einen Augenblick später flog die Tür zur Seite.

Ein Mann in einem knöchellangen dunklen Ledermantel trat ein. Die Haare waren zu einem Zopf zusammengefasst. Der dunkle Knebelbart war millimetergenau ausrasiert. Dasselbe galt für die Koteletten, die in einer Breite von etwa einem Zentimeter bis auf die Wangenmitte stehen gelassen worden waren.

Das war John Delgado-Cruz, der unumschränkte Boss der Devvilish Demons. Von allen wurde er nur respektvoll "King Ghost" genannt.

King Ghost traf die Entscheidungen und es hätte niemand gewagt, ihm zu widersprechen. Er war jetzt 43 Jahre alt. In seinen jüngeren Jahren war durch eine ganze Latte von Straftaten aufgefallen. Inzwischen ließ sich King Ghost nicht mehr erwischen. Andere holten für ihn die Kastanien aus dem Feuer. Er selbst ging so gut wie kein Risiko ein. Die Akte, die wir beim FBI über ihn führten, war ziemlich dick. Aber fast nichts davon war gerichtsverwertbar.

Außerdem war King Ghost der Mann, der die Verbindung zwischen der Gang und den höheren Befehlsebenen jener Organisation darstellte, von uns noch nicht einmal die Umrisse bekannt waren.

Die Gang-Mitglieder hörten damit auf, ihre Kös gegen die Billard-Kugeln zu stoßen, als King Ghost den Raum betrat.

Der Gang-Chef hob lässig die Hand.

Er ließ den Blick schweifen.

Er streckte seine mit fingerlosen Nietenhandschuhen bestückte Rechte aus, richtete den Zeigefinger genau auf mich.

"Jesse", murmelte er. Seine Stimme klang heiser, war kaum mehr als ein leises Wispern. "Ich muss mit dir sprechen. Unter vier Augen."

Er winkte mich zu sich.

Den anderen bedeutete er mit einer ausholenden Armbewegung, dass sie weiter Billard spielen sollten.

Ich folgte King Ghost. Wir verließen den Hauptsaal des Clubs.

Er führte mich in einen Nebenraum. In der Mitte befand sich ein Billard-Tisch mit silbernen Totenköpfen an den Ecken.

King Ghost warf mir ein Kö zu.

"Hast du Bock auf ein Spiel, Jesse?"

"Warum nicht?"

King Ghost setzte zu einem Stoß an. Die Kugeln flogen über den grünen Filz.

Er musterte mich einige Augenblicke lang. "Ich habe von deiner Heldentat gehört, Jesse. Du hast einen G-man erschossen."

"Ich hatte keine andere Wahl."

"Wieso?"

"Na, hätte ich vielleicht zulassen sollen, dass er uns hops nimmt?"

"Ein einzelner G-man?" King Ghost hob die Augenbrauen. Er deutete auf die Kugeln. "Du bist dran."

Ich führte meinen Stoß aus.

Sämtliche Alarmglocken schrillten in mir.

Ich fragte mich, was King Ghost von mir wollte. Der schneidende Unterton gefiel mir nicht.

"Dieser Agent Tucker war plötzlich da. Wir hatten eine Kokslieferung an ein paar Kleindealer verteilt. Du kennst doch sicher das Gelände dieser ehemaligen Papierfabrik. Scheiße, wie hieß die noch..."

"Hat er den Deal mitgekriegt?"

"Keine Ahnung. Die Sache war längst über die Bühne, wir wollten abdampfen. Skull-Face hat das Geld gezählt und da taucht dieser irre FBI-Cop plötzlich auf."

"Schon ungewöhnlich, dass sich einer dieser biederen Staatsdiener allein mit einer ganzen Meute anlegt."

Jetzt war mir klar, worauf mein Gegenüber hinaus wollte.

King Ghost hatte Zweifel an meiner Story. Und das, obwohl sie ihm doch von fast einem Dutzend Augenzeugen bestätigt worden war, von denen zumindest einer mich nicht leiden konnte. Skull-Face nämlich.

"Vielleicht war dieser Tucker ein besonders abgebrühter Hund. Außerdem bin ich mir sicher, dass er Verstärkung herbeigerufen hätte..."

"Aber dazu hast du ihm ja keine Gelegenheit mehr gelassen!" King Ghost klopfte mir auf die Schulter.

"So ist es."

"Was ist mit der Leiche?"

"Die findet in hundert Jahren keiner mehr!"

"Wäre auch besser für dich. Du weißt, dass man für Polizistenmord die Giftspritze kriegen kann."

"Weiß ich."

Plötzlich begann er in gedämpftem, fast vertraulichen Tonfall zu sprechen. "Da gibt's noch einen anderen Punkt, den ich gerne geklärt hätte."

"So?"

"Die Jungs erzählen merkwürdige Dinge über dich, Jesse!"

"Ach!"

"Du würdest kein Koks anrühren! Selbst die Eins-A-Qualität nicht, die wir von unseren Lieferanten bekommen!"

"Hey Mann, es reicht, wenn unsere Kunden am Ende nur Matsch in der Birne haben! Ich persönlich möchte einen klaren Kopf behalten. In jeder Situation."

King Ghost sah mich erstaunt an.

Er brach in schallendes Gelächter aus, schlug mir dabei grob auf die Schulter.

"Du bist cool, Mann!"

"Na, klar!"

Er warf seinen Kö auf den grünen Filz. Offenbar hatte King Ghost keine Lust mehr, das Spiel fortzusetzen. Für seine Launenhaftigkeit war der Gang-Boss auch unter den Devvilish Demons berüchtigt. "Hör zu, Jesse! Ich brauch ein paar coole, abgezockte Jungs für einen besonderen Job."

"Worum geht es?"

Er fuhr seinen Zeigefinger wie die Klinge eines Klappmessers aus und hielt ihn mir unter die Nase.

"Es geht um einen sehr wichtigen Mann, der bei einem entscheidenden Date etwas Begleitschutz benötigt!"

Bingo!, durchzuckte es mich. Endlich hielt mich King Ghost für würdig genug, um mich als Begleitschutz für die nächsthöhere Ebene der Organisation zu engagieren.

Ich lächelte.

"Claro, ich bin dabei!"

"Von einem coolen Jungen wie dir habe ich auch nichts anderes erwartet, Jesse! Im Übrigen ist kaum ein Risiko dabei. Wir müssen eben nur etwas die Augen offen halten..."

"Schon klar!"

 

 

4

Am nächsten Morgen saß ich im Besprechungszimmer von Mister Jonathan D. McKee, dem Chef des FBI Field Office New York im Rang eines Special Agent in Charge. Außer mir waren noch die Außendienst-Agenten Milo Tucker, Clive Caravaggio, Orry Medina und Fred LaRocca anwesend. Außerdem Max Carter, ein Innendienstler aus der Fahndungsabteilung.

Mister McKee zog die Augenbrauen zusammen.

"...und Sie haben keine Ahnung, um wen es sich bei dem Kerl handelt, den King Ghost mit seinen Devvilish Demons schützen soll?", fragte unser Chef.

Ich schüttelte den Kopf. "Nein. Und die anderen Gang-Brüder scheinen auch ziemlich uninformiert zu sein. King Ghost handelt wohl nach der Devise, dass man Wissen am besten nicht teilen sollte. Jedenfalls nicht, wenn es sich vermeiden lässt."

Mandy, die Sekretärin unseres Chefs kam herein und servierte ihren vorzüglichen Kaffee, der im gesamten Bundesgebäude seinesgleichen suchte.

Als sie mir den Becher mit dem dampfenden Gebräu hinstellte, musterte sie mich etwas verwundert.

Ich konnte es ihr nicht verdenken.

Schließlich trug ich die Lederkluft mit den Emblemen der Devvilish Demons.

"Ich muss sagen, Jesse, Sie waren auch schon einmal geschmackvoller gekleidet", hielt sie mir lächelnd vor.

Ich zuckte die Achseln.

"Vielleicht solltest du dir ein Beispiel an Orry nehmen", stichelte Milo.

Unser Kollege Orry Medina galt als bestangezogener G-man des Field Office. Meistens erschien er in Seidenkrawatte und Jackett zum Dienst.

Der Dressman unter den FBI-Agenten.

"Nichts gegen Orrys Stil, aber bei King Ghosts Rocker-Truppe würde ich da wohl ziemlich schnell auffallen", erwiderte ich.

Mandy wandte sich an Mister McKee. "District Attorney Lionel Robertson möchte Sie gern heute noch sprechen, Sir! In spätestens einer halben Stunde ruft er zurück."

Mister McKee seufzte.

"Danke, Mandy."

"Wenn Sie noch etwas wünschen, sagen Sie bitte Bescheid."

"Ja."

Mandy verließ den Raum.

Mister McKee verschränkte die Arme vor der Brust. "Mister Robertson will ein paar Ermittlungsergebnisse präsentiert bekommen. Leider werde ich ihm wohl noch nicht allzu viel vorlegen können." Robertson war noch nicht lange in seinem Amt, dachte aber jetzt schon an seine Wiederwahl. Jedenfalls war der allgemeine Tenor, dass Robertson sich gerne auf Kosten anderer profilierte. In erster Linie hatten darunter natürlich seine eigenen Mitarbeiter zu leiden. Aber Mister McKee gehörte inzwischen auch zu den Opfern dieser Charaktereigenschaft.

"Die Frage ist, wie wir jetzt vorgehen", brachte es der Chef schließlich auf den Punkt.

Die Meisten im Raum machten einen ziemlich ratlosen Eindruck.

"Egal, was wir tun, wir werden kaum schnell genug unseren Job erledigen können, um Mister Robertson zufrieden stellen zu können", war Agent Max Carters Kommentar.

Einige Augenblicke lang herrschte Schweigen im Büro unseres Chefs.

Ich meldete mich zu Wort. "Eigentlich gibt es da nur eine einzige Möglichkeit."

Mister McKee hob die Augenbrauen.

"Und die wäre?"

"Ich muss verkabelt werden, sodass ihr über Mikro und Kamera gewissermaßen aus der Entfernung dabei seid."

"Das ist verdammt gefährlich, Jesse", meinte Milo. "Wenn einer dieser Devvilish Demons ein Mikro bei dir bemerkt, machen sie mit dir genau das, was du ihnen mit mir nur vorgespielt hast. Im günstigsten Fall jedenfalls. Vielleicht sind diese Typen ja auch pervers veranlagt und haben vorher noch Freude daran, dich bei lebendigem Leib zu zerstückeln, so wie diesen kleinen Betreiber einer Crack-Küche vor zwei Monaten."

Dieser Fall war uns allen an die Nieren gegangen. Die Kollegen der City Police hatten uns die entsprechenden Unterlagen überlassen. Ich war froh, dass ich nicht am Tatort hatte sein müssen. Allein vom Anblick der Fotos konnte einem schon schlecht werden.

Sie zeigten einem, auf welche Weise King Ghost aufzuräumen pflegte, wenn er der Meinung war, dass jemand ihm im Weg stand.

Manchmal reichte auch einfacher Ungehorsam.

"Ich gehe das Risiko ein. Aber ihr müsst euch im Hintergrund halten, sonst könnte alles in einem Fiasko enden. Sobald ich etwas mehr weiß, lasse ich es euch wissen. Aber dann muss eventuell alles sehr schnell gehen..."

 

 

5

Ich hatte für die Zeit meines Undercover Einsatzes eine Wohnung in der Bronx. Die Tarnung musste schließlich perfekt sein. In meiner Jackentasche steckte ein Motorradführerschein, ausgestellt auf den Namen Jesse Rodriguez. Angeblich war ich in East Harlem geboren, hatte diverse Verurteilungen wegen Raub und Körperverletzung auf Rikers Island abgesessen und keine weiteren Angehörigen.

Mir war klar, dass King Ghost und seine Leute mich verdammt genau unter die Lupe genommen hatten, bevor ich einer der ihren werden konnte.

Aber wir hatten meine Legende so perfekt wie möglich gestaltet.

Fred LaRocca war dafür eigens ein paar Wochen in den Knast gegangen und war dort mit einem gewissen Roy Dorensky zusammengelegt worden.

Unter dem Namen Little Killer war Roy Mitglied der Devvilish Demons. Er war bei einer Schlägerei in einem Club an der Avenue A erwischt worden und saß ein paar Monate wegen Körperverletzung ab. Fred war angeblich ein Lebenslänglicher. Seine Aufgabe war es gewesen, Little Killer mit Stories über einen angeblichen Mitgefangenen namens Jesse Rodriguez zu füttern.

Beiläufig zwar aber doch so wirksam, dass er sich später daran erinnerte.

Little Killer hatte tatsächlich bestätigt, dass ich offenbar wirklich auf Rikers Island eingesessen hatte.

Für manche Leute war das eben wie eine Art Referenz.

Meine Wohnung lag in der 145. Straße im sechsten Stock eines Brownstone-Hauses, das mit Sicherheit schon einmal bessere Zeiten erlebt hatte. Die Fassade musste seit ewigen Zeiten schon nicht mehr gemacht worden sein. Der Laden im Erdgeschoss zahlte an die Devvilish Demons ebenso Schutzgeld wie die Snack-Bar auf der anderen Straßenseite.

Ich brauste mit meiner Harley hin.

Nichts gegen flotte Motorräder. Aber der Sportwagen, den mir die Fahrbereitschaft des FBI Field Office New York normalerweise zur Verfügung stellte, war mir eigentlich lieber.

Die Harley stellte vor dem Eingang ab.

Normalerweise hätte ich in dieser Gegend kaum gewagt, einen rostigen Chevy irgendwo abzustellen. Aber jeder hier wusste, dass man die Maschine eines Mitglieds der Devvilish Demons nicht ungestraft stehlen konnte. Wer so etwas tat, musste damit rechnen, sich in Plastik eingewickelt in irgendeiner Seitenstraße wiederzufinden.

Ich betrat das Haus, erreichte den Lift. Seit einer Woche funktionierte er wieder. Ich ließ mich in den sechsten Stock tragen, ging den Korridor entlang und blieb vor meiner Apartment-Tür stehen.

Auf dem Boden lag ein Papierschnipsel.

Ein winziger Fetzen aus USA Today, wie ich wusste, denn ich hatte diesen Schnipsel im Türrahmen festgeklemmt, als ich am Morgen gegangen war. Ein alter Trick. Auf diese Weise ließ sich feststellen, ob jemand die Tür geöffnet hatte.

Ich griff zur SIG.

Trat die Tür ein.

Mit beiden Händen hielt ich die Waffe, ließ den Lauf herumschwenken.

Ein großer, hagerer Kerl wirbelte herum. Er trug einen Helm, der einem Totenschädel nachempfunden war.

"Skull-Face!", stieß ich hervor.

Er wollte unter seine Jacke greifen. Ich wusste, dass er dort einen Magnum Colt vom Kaliber 45 trug. Eine Waffe von gewaltiger Durchschlagskraft.

Mitten in der Bewegung hielt Skull-Face inne, verzog das Gesicht zu einem verlegenen Grinsen.

"Hey, nichts für ungut, Alter!"

"Beweg dich nicht, oder du hast ein Loch in deinem komischen Helm!", erwiderte ich eisig.

Ich ließ den Blick schweifen.

Meine Ein-Zimmer-Wohnung war sparsam eingerichtet.

Skull-Face hatte alles auf den Kopf gestellt. Die Ledersessel waren aufgeschlitzt. Selbst die Kissen.

Offenbar hatte der Mann mit dem Totenkopf-Helm hier irgendetwas gesucht.

Ich trat näher.

Kickte mit dem Absatz die Tür zu. Richtig schließen konnte man sie jetzt allerdings wohl nicht mehr. Das Schloss war wohl endgültig hin.

Ich setzte ihm die SIG an die Schläfe, zog ihm gleichzeitig mit der Linken den riesigen Magnum Colt unter der Jacke weg.

"Was ist das für eine Nummer, die hier abziehst, Skull-Face?", fragte ich.

"Dasselbe könnte ich dich fragen, Jesse!"

"Was willst du damit sagen?"

"Ich wusste immer, dass irgendetwas mit dir nicht stimmt, Alter! Ich konnte nur nicht genau sagen, was das war..."

"Und jetzt bist du schlauer?"

Die Gedanken in meinem Hirn rasten. Hatte ich vielleicht irgendetwas in der Wohnung zurückgelassen, was mich verraten könnte? Ich konnte mir das eigentlich kaum vorstellen. Bei dieser Operation war ich wirklich mit äußerster Sorgfalt vorgegangen. Gerade, was meine Legende angeht. Mir war nur zu gut bewusst, dass der geringste Fehler mich in ein kühles Grab auf dem Grund des East River bringen konnte.

Mir fiel nichts ein.

Skull-Face ließ sein Bein hochschnellen. Ein gezielter Karate-Tritt kickte mir den Magnum Colt aus der Hand.

Er packte das Handgelenk meiner Rechten, in der ich die SIG hielt. Mit einem Ruck riss er meinen Waffenarm zur Seite, zog mich an sich heran und rammte mir sein Knie in den Magen. Ich schnappte nach Luft.

Sekundenbruchteile später traf mich eine rechts-links Kombination seiner Fäuste.

Skull-Face hatte einen Schlag wie ein Dampfhammer.

Ich taumelte durch den Raum, prallte gegen eine Kommode, rutschte zu Boden.

Mein Gegner hatte inzwischen den Magnum Colt vom Boden aufgehoben.

Mit beiden Händen umfasste er den Griff der Waffe.

Der Lauf zeigte in meine Richtung.

Skull-Face drückte ab.

Ich zuckte zur Seite.

Das gewaltige Projektil vom Kaliber 45 schlug in die Kommode ein, fetzte ein beinahe faustgroßes Loch in das preiswerte Kiefernholz. Ich griff nach einer der ungeöffneten Bierdosen, die auf dem Boden verstreut herumlagen. Skull-Face hatte sich wohl eine davon aus dem Six-Pack herausgeholt, den ich in der Wohnung gehabt hatte, und den Rest der Büchsen einfach durch die Gegend rollen lassen.

Ich schleuderte die Bierdose meinem Gegner entgegen.

Ein gezielter Wurf.

Eine Dose Budweiser war die einzige Waffe, die mir im Augenblick zur Verfügung stand.

Ehe Skull-Face seinen Magnum-Colt noch einmal abdrücken konnte, traf ihn die Dose mit voller Wucht an der Nase.

Er taumelte zurück.

Blut schoss hervor.

Zweifellos war Skull-Face benommen. Ein ungezielter Schuss löste sich aus dem Magnum-Colt.

Ich hechtete zu meiner SIG, rollte mich auf dem Boden herum, bekam sie endlich zu fassen und riss sie hoch.

Skull-Face stöhnte zur gleichen Zeit laut auf, brüllte förmlich. Es hörte sich wie eine Mischung aus einem monströsem Kampfruf und einem Wutgeheul an.

Er lehnte gegen die Wand, wischte sich das Blut mit dem Ärmel seiner Jacke ab und zielte wieder mit dem Colt auf mich.

Aber ehe er abdrücken konnte, war ich bereits bei ihm. Mit einem Karate-Tritt kickte ich ihm die Waffe aus der Hand. Er schrie auf.

Der Revolver fiel zu Boden.

Skull-Face blickte ungläubig in den Lauf meiner SIG.

Er schüttelte den Kopf, um wieder klar denken zu können. Ich trat näher an ihn heran. Er sah mich an. Sein Gesicht war zu einer Maske der Wut geworden. Immer noch rann das Blut in Strömen aus seiner Nase. Ich nahm an, dass sie gebrochen war.

"Du Bastard!", zischte Skull-Face zwischen den Zähnen hindurch.

"Du hast Glück gehabt!", erwiderte ich.

"So?"

"Ja, ich habe heute meinen netten Tag. Deshalb lebst du noch."

"Was hindert dich daran, mich jetzt noch umzunieten. Na los, worauf wartest du? Bring es schon hinter dich!"

Ich schüttelte den Kopf.

"Wenn es sich vermeiden lässt, töte ich keinen Gang-Bruder!"

"Pah!", machte Skull-Face. Verachtung spiegelte sich in seinen Zügen. "Du bist kein Gang-Bruder! Nicht für mich!"

Ich setzte ihm die SIG an die Schläfe.

Er wagte es nicht, auch nur etwas heftiger zu atmen. Ich durchsuchte ihn mit der Linken, holte ein Springmesser hervor und ein paar Briefchen mit Koks. Die nahm ich an mich. "Das Zeug nehme ich als Schadensersatz für die Verwüstung, die du hier angestellt hast, du Scheißkerl. Und jetzt verschwinde. Und lass dich nie wieder dabei erwischen, meine Möbel aufzuschlitzen, wenn du alt werden willst!"

Er taumelte aus der Wohnung heraus.

Eigentlich hätte er in den Knast gehört. Er hatte versucht, mich umzubringen. Schon das reichte für einige Jahre auf Rikers Island. Liebend gern hätte ich ihm die Handschellen angelegt. Aber Skull-Face war nur ein kleiner Fisch. Und meine Aufgabe war es, nicht Laufburschen wie ihn festzusetzen, sondern an die großen Haie heranzukommen.

Ich war einfach zu dicht davor, um diesen Erfolg jetzt gefährden zu wollen.

Du hast jetzt allerdings einen gnadenlosen Feind!, warnte mich eine Stimme aus dem Hinterkopf. Skull-Face wird dir an die Gurgel gehen, sobald er die Gelegenheit dazu hat!

 

 

6

Ich informierte Mister McKee per Handy über die Auseinandersetzung mit Skull-Face.

"Hat dieser Kerl irgendetwas gegen Sie in der Hand, Jesse?", fragte der Chef. "Bitte denken Sie nach!"

"Nein, das glaube ich nicht. In der Wohnung kann er nichts gefunden haben, was mich hätte enttarnen können."

"Aber Sie sagten, dass er offensichtlich einen Verdacht gegen Sie hatte!"

"In erster Linie kann er mich wohl schlicht und ergreifend nicht leiden und sucht jetzt verzweifelt nach irgendetwas, was mich in Misskredit bringen könnte."

"Eine Fehleinschätzung in dieser Frage könnte Ihnen das Leben kosten, Jesse."

Ich war mir dieser Tatsache durchaus bewusst. Die ganze Operation stand auf dem Spiel. Aber ich wollte diese Sache zu Ende bringen. Zu lange waren wir den Hintermännern der Devvilish Demons schon auf den Fersen. Ziemlich erfolglos bislang. Und wenn wir jetzt keinen Erfolg hatten, würde es ziemlich lange dauern, bis wir das nächste Mal die Chance erhielten, einen Einblick in jene geheimnisvolle Organisation zu gewinnen, die so geschickt aus dem Verborgenen heraus operierte.

Wenn ich verbrannt war, dauerte es erst einmal Wochen oder gar Monate, bis ein neuer Undercover-Agent in die Reihen der Gang eingeschleust war. Dieser Zeitraum war eher höher anzusetzen. Die Demons würden vermutlich in diesem Fall besondere Vorsicht walten lassen.

"Ich bin dafür, alles nach Plan laufen zu lassen, Mister McKee."

"In diesem Fall möchte ich das ungern anordnen, Jesse. Sie tragen das Risiko und halten Ihren Hals hin."

"Und ich sage, dass wir das Ding durchziehen. Sir, was auch immer dieser Skull-Face vermuten mag, für einen FBI-Agenten dürfte er mich zuletzt halten."

"Sind Sie sicher?"

"Ich schätze, er hofft insgeheim, mich als Maulwurf der Konkurrenz entlarven zu können, um auf diese Weise bei King Ghost Punkte zu machen. Skull-Face will mich ausbooten, aber dieses Vorhaben ist erst mal gescheitert."

Ich hörte Mister McKees Seufzen durch den Handy-Lautsprecher.

"Sie sind wild entschlossen, was?"

"Das schätzen Sie richtig ein, Chef."

"Seien Sie vorsichtig. Wir werden so weit wie möglich in Ihrer Nähe sein, ohne Ihre Tarnung in Gefahr zu bringen."

"Okay. Ich verlasse mich auf Sie."

Mir war vollkommen klar, dass ein Tanz auf der Rasierklinge vor mir lag.

 

 

7

Einen Tag später bekam ich einen Anruf von King Ghost. Er meldete sich nicht mit seinem Namen, sondern sagte nur, wann und wo er mich brauchte. Ich sollte nicht ohne Schießeisen antanzen und um 22 Uhr bei unserem üblichen Treffpunkt eintreffen, dem "Devvils Club".

Ich war pünktlich.

Die meisten anderen, die an dieser Aktion teilnehmen sollten, waren bereits eingetroffen. Auch Skull-Face gehörte dazu. Seine Nase war bandagiert. Er machte einen knurrigen Eindruck, wich meinem Blick aus. Ich fragte mich, was er den anderen Gang-Mitgliedern wohl über unser letztes Zusammentreffen erzählt hatte.

Details

Seiten
Jahr
2015
ISBN (ePUB)
9783738900095
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (November)
Schlagworte
undercover mission thriller cassiopeiapress spannung

Autoren

  • Alfred Bekker (Autor:in)

  • Henry Rohmer (Autor:in)

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Titel: Undercover Mission: Thriller