Zusammenfassung
Das Ziel war Channing. Die Kutsche beförderte drei Passagiere. Außer Kelly Hancock saßen noch zwei Männer in der Stagecoach. Einer, er war Mitte 40 und sah aus wie ein Handelsreisender, der andere, etwa halb so alt, trug Weidereitertracht.
Ein heftiger Ruck ging plötzlich durch die Stagecoach. Das Brüllen des Kutschers erklang: "Lauft, ihr Ziegenböcke! Schwingt die Hufe! Die Hölle verschlinge euch, ihr lahmen Krücken! O verdammt! Lauft..."
Ein Schuss krachte trocken, ein zweiter, und dann erklang trommelnder Hufschlag.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
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© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
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Kämpfen für Kelly: Pete Hackett Western Edition 130
U.S. Marshal Bill Logan
Band 8
Western von Pete Hackett
U.S. Marshal Bill Logan – die neue Western-Romanserie von Bestseller-Autor Pete Hackett! Abgeschlossene Romane aus einer erbarmungslosen Zeit über einen einsamen Kämpfer für das Recht.
Über den Autor
Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.
Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."
Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.
Ein CassiopeiaPress E-Book
© by Author www.Haberl-Peter.de
© 2012 der Digitalausgabe 2012 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die eisenumreiften Räder der Concord ratterten. Holpernd, stoßend, ächzend und schlingernd rollte die Kutsche auf der staubigen Straße dahin, die sich wie der Leib einer riesigen Schlange zwischen Felsen und Hügel wand.
Das Ziel war Channing. Die Kutsche beförderte drei Passagiere. Außer Kelly Hancock saßen noch zwei Männer in der Stagecoach. Einer, er war Mitte 40 und sah aus wie ein Handelsreisender, der andere, etwa halb so alt, trug Weidereitertracht.
Ein heftiger Ruck ging plötzlich durch die Stagecoach. Das Brüllen des Kutschers erklang: "Lauft, ihr Ziegenböcke! Schwingt die Hufe! Die Hölle verschlinge euch, ihr lahmen Krücken! O verdammt! Lauft..."
Ein Schuss krachte trocken, ein zweiter, und dann erklang trommelnder Hufschlag.
Kellys Herz übersprang einen Schlag. Sie zog den Vorhang vor dem Fenster etwas zur Seite und schaute hinaus. Die Gegend schien an ihr vorbeizufliegen. Über die Flanke eines Hügels donnerten in auseinander gezogener Linie über ein Dutzend Reiter in einem spitzen Winkel auf die Kutsche zu. Sie hielten Colts in den Fäusten. Unablässig brüllten die Waffen auf. Der Schussdonner, das Hufgetrappel und das Poltern der dahinrasenden Kutsche verschmolzen ineinander zu einem höllischen Lärm.
Kelly hatte Mühe, den Anblick der heranwogenden wilden Schar zu ertragen. Furcht, kalt und stürmisch wie ein Blizzard, übermannte sie sekundenlang und schnürte ihr den Hals zu. Nur nach und nach erlangte sie ihre Fassung zurück. "Banditen!", schrie sie mit kippender Stimme. "Großer Gott! Sie überfallen die Kutsche!"
Der Mann, der gekleidet war wie ein Cowboy, drängte sie vom Fenster weg und starrte hinaus. In seinem sonnengebräunten Gesicht arbeitete es. Die Erkenntnis, dass sie angesichts der Reiterschar kaum eine Chance hatten, ließ seine Mundwinkel zucken.
Die Gespannpferde legten sich in die Riemen. Mit hochgestellten Schweifen und aufgerissenen Mäulern donnerten sie dahin. Die Kutsche flog regelrecht hinterher. Kutscher und Begleitmann konnten sich kaum auf dem Kutschbock halten.
Der Begleiter hatte sich das Gewehr geschnappt und feuerte mit zusammengebissenen Zähnen Schuss um Schuss ab. Zielen war nicht möglich.
Der Kutscher brüllte sich die Lunge aus dem Leib und peitschte die Pferde vorwärts.
In der Kutsche hatte der Cowboy seinen Colt gezogen. Der Handelsreisende hielt einen langläufigen Buntline in der Faust, den er unter seiner Jacke hervorgezaubert hatte. Er zertrümmerte damit das Fenster und richtete die kurzläufige Waffe auf die heranjagende Meute.
Die Reiter waren auf Steinwurfweite heran. Ein Zufallstreffer des Begleitmannes fegte einen Pferderücken leer. Der Getroffene überschlug sich im Gras und blieb mit ausgebreiteten Armen liegen. Das Pferd donnerte weiter.
Die Banditen schossen wie irrsinnig.
Kugeln durchschlugen die Kutschenwand. Ein Vorderrad der Kutsche krachte in ein Loch. Die beiden hinteren Räder hoben sich sekundenlang vom Boden weg. Das Gefährt schlingerte und drohte einen Moment lang umzukippen.
Ein Stück heißes Blei riss den Handelsreisenden in die Höhe. Der Buntline, aus dem er noch keinen Schuss abgegeben hatte, polterte auf den Boden. Der Mann griff sich an die Brust und fiel rücklings auf die Sitzbank.
Kelly schrie auf vor Angst und Entsetzen. So hautnah hatte sie den Tod noch nie erlebt. Das namenlose Grauen hielt sie fest im Klammergriff.
Der Cowboy jagte Schuss um Schuss aus dem Lauf, lud mit fliegenden Fingern nach, und begann erneut zu schießen. Pulverdampf wogte in der Kutsche und brannte in den Augen.
Eines der Gespannpferde bekam eine Kugel in die Flanke. Es brach nach links aus. Die anderen Pferde wurden mitgerissen. Der Kutscher verlor die Kontrolle. Die Kutsche raste in die Wildnis hinein. Der Begleitmann sackte in sich zusammen, beugte sich fast zeitlupenhaft langsam nach vorn und stürzte kopfüber vom Bock. Die Kutsche fegte über ihn hinweg.
Die mörderische Rotte schwenkte in die neue Fluchtrichtung ein. Die Kerle hämmerten ihren Pferden unablässig die Fersen in die Seiten. Es waren hauptsächlich Mexikaner, aber auch einige Amerikaner waren dabei.
Der Cowboy feuerte aus dem Fenster. Ein Angreifer warf beide Arme hoch und verschwand. Die Front der Banditen riss weiter auseinander. Zwei der Reiter auf etwas schnelleren Pferden überholten die Kutsche. Eine Kugel warf den Kutscher seitlich vom Bock. Ein Gespannpferd brach getroffen zusammen. Ein anderes stürzte über das Hindernis.
Das Chaos war perfekt.
Pferde wälzten sich am Boden, schrilles Wiehern erhob sich wie der Klang der Trompeten von Jericho. Die Kutsche wurde herumgeschleudert, eines der Räder brach mit grässlichem Knirschen. Das Fahrzeug neigte sich zur Seite. Die Fahrgäste in der Concord wurden durcheinander gewirbelt.
Der Cowboy kämpfte sich benommen unter dem toten Handelsreisenden hervor, dessen schlaffer Körper ihn begraben hatte. Er schüttelte seine Betäubung ab und riss den Schlag der Stagecoach auf. Schießend sprang er ins Freie.
Er traf einen Banditen, doch dann erwischte es ihn. Zwei Geschosse bohrten sich ihm die Brust, eine dritte Kugel durchschlug seinen Leib. Er brach zusammen wie vom Blitz getroffen. Er starb noch im Stehen. Als er am Boden aufschlug, war er tot.
Kelly lag halb besinnungslos zwischen den Sitzen. Die langen, blonden Haare hingen ihr ins Gesicht. Blut sickerte aus einer kleinen Platzwunde an Kellys Stirn. Das Mädchen war wie gelähmt, jeglichen Gedankens, jeglichen Willens beraubt.
Dann vernahm Kelly raue Stimmen. Das Begreifen kam. Die Schleier der Benommenheit vor ihren Augen rissen. Sie wagte kaum noch zu atmen. Angst wäre wohl ein zu gelindes Wort, um auszudrücken, was sie empfand. Eine unsichtbare Faust schien sie zu würgen.
Draußen wurde es ruhig. Nur noch das prustende Schnauben der Pferde und das Stampfen der Hufe waren zu vernehmen. Ein Pferd wieherte.
Sporen klirrten, Stiefelleder knarrte. Ein kantiges, dunkles Gesicht mit schmalen Augen, zwischen denen es kalt glitzerte, schob sich ins Innere. Der Magen krampfte sich Kelly zusammen. Ihr stockte der Atem.
Dann brach sich der Stau aus Angst, Grauen und Entsetzen in einem erschreckten Aufschrei Bahn, der sogleich wieder erstickte. Auf dem Grund der tiefblauen Augen Kellys war die irrsinnige Furcht, die in dem Mädchen wühlte, zu erkennen. Ihre Lippen bebten. In ihrem Gesicht zuckten die Nerven.
Der Mexikaner starrte sie mit einer Mischung aus Überraschung und Betroffenheit an. "Hola", stieß er hervor, als er alles verarbeitet hatte. "Ich sehe einen blonden Engel." Er kratzte sich mit der Revolvermündung am Kinn. Seine schmalen Lippen sprangen auseinander. "Heh, Täubchen, wir haben dir doch hoffentlich keinen allzu großen Schrecken eingejagt." Er lachte widerlich. Seine Worte waren an Zynismus kaum zu überbieten.
Kelly stammelte irgendetwas. Es gelang ihr nicht, ein vernünftiges Wort zu artikulieren. Da waren nur das namenlose Grauen und die würgende Angst.
Der Bandit lachte auf. "Bueno. Es ist gut. Du scheinst unverletzt zu sein. Die kleine Wunde an der Stirn heilt wieder. Deine Schönheit wird nicht leiden. Steig aus."
Er sprach mit hartem Akzent.
Kelly verließ die Kutsche. Ihre Beine wollten sie kaum tragen. Sie bewegte sich wie im Trance.
Geraune ging durch den Kreis der Banditen. Einige grinsten verkniffen, andere breit und anzüglich.
Es waren verkommene Kerle mit tagealten Bartstoppeln in den scharflinigen, verwegenen Gesichtern. Ihre Kleidung war verstaubt und zerschlissen. Ihre Augen waren gerötet. Staub klebte auch in den Fellen ihrer Pferde.
Kelly begriff, dass sie einem Rudel skrupelloser Grenzbanditen in die Hände gefallen war, die es aus irgendeinem Grund ziemlich weit in den texanischen Norden verschlagen hatte.
Von diesen zweibeinigen Wölfen hatte sie nichts Gutes zu erwarten.
Der Anführer des Rudels stand dicht vor ihr. Sie konnte die dünne Schicht aus Schweiß und Schmutz in seinem Gesicht erkennen. Lange, schwarze Haare quollen strähnig unter dem Sombrero hervor. Die Zähne des Burschen blitzten. "Ich bin Ramon Gomez. Das –" er vollführte eine ausholende Armbewegung über die Reiterhorde, "- sind meine Amigos. Wer bist du, Chica?"
"Kelly Hancock", flüsterte das Girl mit zerrinnender Stimme. Die Stimmbänder wollten ihm nicht gehorchen. Kelly schluckte. Sie gab sich einen Ruck und fasste allen Mut zusammen. "Lasst mich zufrieden", brach es über ihre bebenden Lippen. "Wenn ihr mir auch nur ein Haar krümmt, wird euch mein Vater hetzen lassen wie tollwütige Hunde. Er hat eine große Mannschaft..."
Sie brach ab, weil ihr das jähe, habgierige Glitzern in den dunklen Kreolenaugen des mexikanischen Banditen nicht verborgen blieb.
"Dann ist dein Vater also ein mächtiger Mann", knurrte Ramon Gomez. "Ein Rancher, wie? Seguro, er muss mächtig und gewiss auch sehr reich sein. Anders könnte er sich keine große Mannschaft halten. Lebt er hier in der Gegend?"
"Er ist Verwalter der Bar-H Ranch", würgte Kelly hervor. Sie begriff, dass sie einen großen Fehler beging, als sie mit ihrem Vater drohte. "Er – er ist weder besonders mächtig, und schon gar nicht ist er reich."
Es war ein kläglicher Versuch, ihre Worte von eben in ein anderes Licht zu rücken.
Ramon Gomez musterte sie durchdringend. "Wir werden sehen", stieß er plötzlich hervor. "Wo liegt die Bar-H Ranch?"
"Am Mustang Creek." Kellys Tonfall wurde flehend, beschwörend. "Bitte, Mister, lassen Sie mich..."
"Selbst wenn dein Vater kein reicher Mann wäre, Schätzchen, würde ich dich mitnehmen", unterbrach sie der Bandit. "Du gefällst mir. Si, si, du bist ein blonder Engel. Ja, du gefällst mir. Deshalb nehme ich dich mit nach Mexiko. Du wirst lieb und zärtlich zu dem alten Ramon sein. Wenn du spurst, werde ich dich auf Händen tragen. Dann, mein Täubchen, hast du es gut bei mir. Ich kann ein richtiger Caballero sein."
Er warf den Kopf in den Nacken. "Durchsucht den Postsack und den Wagenkasten der Kutsche, Companeros." Seine Stimme war jetzt wieder scharf und befehlsgewohnt. "Vergesst nicht die Brieftaschen der toten Hombres. Macht schon! Presto, presto!"
Er klatschte in die Hände.
Seine Banditen sprangen von den Pferden...
*
Die Banditen schwangen sich auf die Pferde. Kelly musste auf eines der Tiere klettern, dessen Reiter bei dem Überfall auf die Concord getötet wurden.
Ramon Gomez trieb sein Pferd an einen der Banditen heran. "Wyatt, Amigo, du reitest zur Bar-H Ranch und erklärst dem Vater der Chica, dass er 50000 Dollar locker machen muss, wenn er seine Tochter jemals wieder lebend sehen will. Bestell es ihm, Amigo. 50000 gute amerikanische Dollar. Er soll sich mit dem Geld in zwei Wochen in San Lorenzo einfinden."
"Bist du verrückt, Ramon?", entfuhr es dem Amerikaner. "Dieser Hancock wird mir die Haut in Streifen abziehen, wenn ich..."
"Keine Sorge, Amigo. Er wird dich in Ruhe lassen. Denn solltest du nicht spätestens eine Woche nach uns in der alten Missionsstation auftauchen, kann er den blonden Engel abschreiben. Sag ihm das, bevor du meine Forderung stellst."
Wyatt Brewster machte ein Gesicht, als hätte ihm Ramon Gomez Gift zum Trinken gegeben. Aber er wagte nicht mehr zu widersprechen. Der mexikanische Bandit war unberechenbar. Seine Stimmungen waren schwankend. Seine Bravados hatten zu gehorchen. Wer nicht gehorchte, wurde grausam bestraft. Ramon Gomez war ein Teufel in Menschengestalt.
Wyatt Brewster ruckte im Sattel. Langsam ritt er davon.
"Adelante!", stieg es rasselnd aus Ramon Gomez' Hals. "Wir reiten."
Das Klirren und Krachen der Hufe auf dem felsigen Boden umgab sie. Die Banditen ritten schweigend. Ramon Gomez, der neben Kelly ritt, beobachtete sie von der Seite. Ihr erloschener Blick war starr nach vorne gerichtet.
"Wir verschwinden nach New Mexiko", sagte er plötzlich in die rumorenden Geräusche hinein, die vor ihnen her durch die hitzeflirrende Luft rollten. "Dann wenden wir uns nach Süden. Und schon bald werden wir in Mexiko sein.
Kelly musste zweimal ansetzen. "Wohin bringt ihr mich?", entrang es sich ihr schließlich.
"In unseren Schlupfwinkel", grunzte Baraldes. "Eine alte Missionsstation mitten in der Felswüste. Da leben wir. Du wirst meine Geliebte sein und einen besonderen Platz einnehmen. Den Platz einer Königin, Täubchen."
Als Kelly schwieg, lachte der Bandit hohnvoll auf. "Du wirst es sehen", knurrte er dann. "Ich bin ein Mann – ein richtiger Mann. Und ein echter Caballero..."
Jane schwieg auch nach dieser düsteren Verheißung. Ihr Hals war trocken wie Wüstensand.
Auch Ramon Gomez schien alles gesagt zu haben, was er für notwendig hielt.
Schweigsam zogen sie nach Westen. Meile um Meile...
Die Hitze war fast unerträglich und machte das Atmen zur Qual. Das Terrain war unwegsam, wild und halsbrecherisch. Straßen mieden die Bravados.
Schaum tropfte von den geblähten Nüstern der Pferde. Comas, Mesquitesträucher, undurchdringliche Sumac-Dickichte und vereinzelt stehende Korkeichen bildeten die Vegetation. Auf den Hügelflanken führte braunverbranntes Büffelgras ein kümmerliches Dasein.
Nur nach und nach gelang es Kelly, den Bann der schrecklichen Geschehnisse abgeschüttelt. Sie war zwar jung, noch keine 20, aber sie besaß einen kühlen Verstand. Sie begriff, dass sie sich fügen und dem Bravado zu Willen sein musste, wenn sie nicht das Opfer seiner gewiss sehr wechselhaften Launen werden wollte.
Diese Sorte, zu der Ramon Gomez gehörte, kannte keinen Ehrenkodex. Sie nahm sich mit brachialer Gewalt, was sie begehrte. Sie war grausam und gewissenlos. Und sie tötete ohne Skrupel. Kelly aber wollte leben...
*
Drei Tage waren seit dem Überfall auf die Stagecoach und der Entführung des Mädchens vergangen.
James Hancock hatte auch einen Boten nach Amarillo zu Richter Humphrey geschickt...
Der Richter zögerte nicht. Wenn es auch von Seiten der Bar-H in der Vergangenheit Übergriffe gegen Farmer und Heimstätter gab, wenn auch James Hancock uns U.S. Marshals alles andere als gut gesonnen war: Es ging um Mord, Menschenraub und natürlich auch um den Überfall auf die Postkutsche - ein Verbrechen, das unter Bundesrecht fiel.
Wir waren gefordert.
Mit 'wir' meine ich Joe Hawk und mich. Wir waren U.S. Marshals und ritten für das District Court for the Northern District of Texas. Oberster Richter war Jerome F. Humphrey. Die Suche nach meinem Bruder Robin hatte mich in den Panhandle verschlagen. Joe war mein Freund geworden. Wir waren ein Team...
Nun waren wir auf dem Trail nach Süden.
Unsere Sättel waren sozusagen noch warm. Vor wenigen Stunden erst waren wir aus Borger zurückgekehrt, wo wir einen verbrecherischen Frachtwagenunternehmer und einen korrupten Sheriff, der zuletzt vor niederträchtigem Mord nicht zurückschreckte, aus dem Verkehr zogen.
"Bringen Sie das Mädchen heil und unversehrt zurück, Logan, Joe. Mag Kellys Vater auch ein unduldsamer Despot und Weidepirat sein, der es mit Recht und Ordnung nicht immer sehr genau nimmt. Davon dürfen wir uns in diesem Fall nicht leiten lassen. Es geht um ein junges, unschuldiges Leben, und es geht darum, einer Bande skrupelloser Verbrecher das Handwerk zu legen. Reiten Sie, Marshals, verschaffen Sie Recht und Gesetz Geltung und befreien Sie Kelly Hancock aus den Klauen dieser Banditen."
Das waren die eindringlichen Worte Richter Humphreys gewesen.
Wir wussten, dass Hancock sich mit 50000 Dollar in San Lorenzo einfinden sollte. Das war die Forderung des Banditen.
Also würde Ramon Gomez nach San Lorenzo kommen.
Unermüdlich zogen wir dahin.
"Kennst du Kelly Hancock persönlich?", fragte ich Joe, als wir unser Nachtlager aufschlugen.
"Ich hab sie mal vor einem Jahr gesehen, als sie ihre Eltern besuchte. So viel ich weiß, studiert sie in Philadelphia Medizin. Ein verteufelt hübsches Girl, Logan-Amigo."
Mit seinen letzten Worten rief Joe etwas in mir wach.
Ein hübsches Girl war auch Jane Carter. Die Besitzerin der Horseshoe Ranch am Mulberry Creek war meine Geliebte geworden. Wenn ich an sie dachte, spürte ich ein seltsames Kribbeln zwischen den Schulterblättern. Aber der Job ließ mir kaum Zeit für sie. Und ich stellte mir immer öfter die bange Frage, wie lange Jane auf mich wohl warten würde.
Ja, ich liebte sie. Und sie liebte mich auch. Aber Liebe will gepflegt werden. Sonst verkümmert sie.
Und davor hatte ich Angst.
Ich schlief schlecht in dieser Nacht. Unentwegt ging mir der Gedanke an Jane durch den Kopf. Gab es für uns beide überhaupt eine Zukunft? Ich hatte sie im Arm gehalten, in jener Nacht, in der sie mir ihre Liebe gestand1.
Wie lange war das her?
Aus meiner Sicht eine Ewigkeit.
Ich hatte Jane seither nicht mehr gesehen. In dieser Nacht erstand ihr Bild immer wieder vor meinem geistigen Auge. Und mich zerfraß die Ungewissheit, ob sie bereit war, immerzu auf mich zu warten, mich, der mit dem Stern an der Brust durch's Land ritt und dessen Schicksal ausgesprochen ungewiss war.
Am Morgen erhob ich mich wie gerädert. Im Osten schob sich die Sonne wie ein Fanal über den bizarren Horizont. Sie schickte ihre ersten Lichtbündel über das Land. Der Morgendunst löste sich auf. Es war kühl.
Wir aßen Dörrfleisch und Brot und tranken dazu Wasser. Joe meinte kauend: "Jenseits des Rio Grande ist unser Stern gerade das Blech wert, aus dem er gestanzt ist. Wir werden ihn wohl abnehmen müssen."
"Ich weiß." Soeben hatte ich den letzten Bissen mit einem Schluck Wasser hinuntergespült. Ich schaute zur Seite. Die Pferde standen bei dem schmalen Rinnsaal, an dem wir unser Lager aufgeschlagen hatten. "Ob mit oder ohne Stern..." Mit diesen Worten wandte ich mich wieder Joe zu. "Wir werden Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um Kelly Hancock rauszupauken."
Joe nickte. "James Hancock hat Vince Barnum mit einem Dutzend seiner hart gesottensten Burschen auf die Fährte der Banditen gesetzt. Wenn uns diese Narren nur keinen Strich durch die Rechnung machen."
Ich schraubte die Canteen zu, erhob mich und bückte mich nach meinen Sattel, der mir in der Nacht als Kopfkissen gedient hatte. "Du meinst, wenn Vince Barnum und seine Wölfe die Bande einholen sollten, gefährden sie Kelly?"
"So ist es, Partner. Ramon Gomez ist ein Tier. In Mexiko nennen sie ihn El Diablo – den Teufel. Dem ist nichts heilig. Und er wird Kellys Leben in die Waagschale werfen..."
Ich ging zu Blacky, um ihm den Sattel aufzulegen. Der Rappe schnaubte und stupste mich mit der Nase...
Zwanzig Minuten später ging es weiter.
Wir legten an diesem Tag wohl an die 30 Meilen zurück.
Als die Sonne längst untergegangen war und der rote Schein am Westhimmel verlosch, als die Schatten der Abenddämmerung zwischen den Hügeln woben und die Natur ihre Farben verlor, wehte uns von Südwesten her Hufschlag entgegen.
Wir hielten an und lauschten.
"Das ist ein ganzes Rudel", kam es von Joe.
Ich nickte und trieb Blacky an. "Reiten wir zwischen die Hügel und sehen wir erst mal, um wen es sich handelt. Man kann nie wissen."
Das war so in diesem wilden Land. Misstrauen und Vorsicht waren immer und überall angebracht. In der Wildnis war der Tod ein ständiger Begleiter. Die Gefahr konnte hinter jedem Busch und hinter jedem Felsen lauern.
Wir saßen in einer Hügellücke im Schutz der Büsche ab und nahmen die Gewehre zur Hand.
Der Hufschlag wurde deutlicher. Die Düsternis nahm zu. Dann konnte ich einzelne Geräusche unterscheiden. Das Pochen der Hufe, das Klirren der Gebissketten, Stimmen...
Und dann zogen die Reiter in unser Blickfeld. Es waren ein Dutzend. Nach vorne gekrümmt hockten sie auf ihren Pferden. Sie muteten erschöpft an. Die Pferde zogen müde die Hufe über den staubigen Boden und ließen die Köpfe hängen.
"Das ist die Bar-H-Mannschaft", hörte ich Joe hervorstoßen.
Obwohl es ziemlich düster war, hatte er sie erkannt. Er fuhr leise fort: "Der Rechte von den beiden, die voraus reiten, ist Vince Barnum."
Ich sah einen Mann in Cowboykleidung auf einem Rotfuchs. Und mir entging nicht, dass er den Colt ziemlich tief geschnallt trug. Das alles war durch die Dämmerung noch gut zu erkennen. Vince Barnum gehörte also nicht zur Weidereiter-Crew der Bar-H, sondern war einer jener Burschen, die James Hancock bezahlte, damit sie im Falle des Falles das Eisen schwangen.
"Reiten wir hin", knurrte Joe.
Wir ruckten in den Sätteln.
Wir wurden wahrgenommen. Der Pulk hielt an. Die Geräusche versickerten. Hände tasteten nach den Waffen.
"Lasst nur eure Schießprügel stecken!", stieg es laut aus Joes Kehle. "Wir sind U.S. Marshals. Heh, Barnum, erkennst du mich nicht? Ich bin es, Joe Hawk."
Sie blieben angespannt, lauerten wie Wölfe und schienen die Erschöpfung abgeschüttelt zu haben wie eine zweite Haut.
"Aaah, Hawk. Dann ist der andere wohl Logan!" Vince Barnums Stimme rasselte staubheiser. "Euch schickt Humphrey, wie?"
"Richtig." Joe nickte und parierte den Falben. Steigbügel an Steigbügel verhielten wir. Ich hatte Vince Barnum vorher noch nie gesehen, und so überließ ich es Joe, das Wort zu führen.
Barnums Augen glitzerten im unwirklichen Licht. Er legte beide Hände auf das Sattelhorn, verlagerte das Gewicht seines Oberkörpers auf die durchgestreckten Arme und knurrte: "Einige Zeit konnten wir der Fährte dieses Wyatt Brewster folgen. Dann war es, als wären dem Gaul des Hurensohns Flügel gewachsen. Wir haben die Spur verloren. Es war sinnlos, blindlings kreuz und quer durchs Land zu reiten. Hancock wird wohl in anderthalb Wochen mit 50000 Bucks im Reisegepäck in San Lorenzo antanzen müssen."
"Warum seid ihr nicht nach San Lorenzo geritten?", fragte Joe.
Vince Barnum verzog den Mund. "Diese Frage ist schnell beantwortet, Hawk. Wir würden eine Woche lang von früh bis spät auf den Pferden sitzen müssen, um zum Rio Grande zu gelangen. Dann wären wir in San Lorenzo. Zwei oder drei Tage später taucht Gomez mit einigen seiner Höllenhunde auf, um das Geld zu übernehmen. Kelly lässt er irgendwo in seinem Schlupfwinkel zurück. Gomez kassiert in San Lorenzo kein Geld, sondern heißes Blei. Und da er nicht ins Banditencamp zurückkehrt, schneiden seine Companeros der schönen Kelly den Hals durch."
Er hatte recht.
Ich mischte mich ein. "Also wird Hancock eine Expresskutsche nehmen und mit dem Lösegeld nach El Paso und von dort nach San Lorenzo reisen. Gomez übernimmt das Geld und bedankt sich bei Hancock mit einer Kugel. Denn auch in diesem Fall wird er Kelly in seinem Schlupfwinkel zurücklassen. Er verlässt San Lorenzo und hat das Mädchen und die 50000 Dollar."
Obwohl es ziemlich düster war, konnte ich die Verblüffung erkennen, die meine Worte auslösten. Einige bittere Verwünschungen wurden laut.
"Darauf wird Hancock es ankommen lassen müssen", kam es nach einiger Zeit des Schweigens von Barnum. "Es ist ein Teufelskreis. Was sollen wir tun?"
"Reitet nach Hause", antwortete ich. "Soviel ich weiß, kontrolliert Ramon Gomez mit seinen Bravados einen großen Teil der nördlichen Sierra de la Amargosa. Es wird sich schnell herumsprechen dort unten, wenn plötzlich ein Rudel Americanos auf Pferden mit dem Bar-H-Brand durch die Gegend zieht. Ihr könnt es euch an fünf Fingern abzählen, wie Ramon Gomez reagiert, wenn es ihm zu Ohren kommt."
"Ihr beide wollt über den Rio Grande?", fragte Barnum.
"Ja."
"Es wird sich auch schnell herumsprechen, dass zwei Staatenreiter durch die Berge streunen", gab Barnum zu bedenken.
"Wir stecken die Sterne in die Tasche", versetzte Joe gelassen. "Wahrscheinlich trennen wir uns sogar. Zwei Mann fallen auf jeden Fall weniger auf als ein Rudel wie ihr. Also reitet nach Hause und bestellt Hancock, dass er sich mit dem Lösegeld in San Lorenzo einfinden soll. Mehr braucht er nicht zu tun. Den Rest machen Logan und ich."
"Wir werden darüber nachdenken", knurrte Barnum und ließ sein Pferd angehen.
"Wie meinst du das, Barnum?", hörte ich Joe fragen.
"Vielleicht reiten wir doch nach San Lorenzo. Wir lagern irgendwo und beraten uns."
"Reitet nach Hause!", rief ich eindringlich. "Es ist wichtig, dass Hancock mit dem Lösegeld nach San Lorenzo kommt. Ihr würdet alles nur gefährden, wenn ihr..."
Ich verstummte. Denn der Pulk zog an Joe und mir vorbei. Was ich sagte, war in den Wind gesprochen. Meine Worte gingen unter im Stampfen der Hufe...
*
Eine Woche später überschritten wir den Rio Grande. Er führte um diese Jahreszeit nicht besonders viel Wasser. Das Wasser mutete an wie schmutzige Pampe. Der Ufersaum war eine tückische Fläche oberflächlich hartgebackenen Schlammes, in den die Hufe tief einbrachen.
Wir befanden uns in der mexikanischen Provinz Chihuahua.
Unsere Sterne hatten wir in den Satteltaschen verstaut.
In der vergangenen Nacht hatten Joe und ich noch einmal alles durchgesprochen. Wir waren zu dem Entschluss gekommen, Joes Idee in die Tat umzusetzen. Wir trennten uns.
Joe wollte in San Lorenzo Erkundigungen einziehen.
Ich ritt nach Santa Rosa.
Es war ein typisches mexikanisches Grenzdorf. Um eine nicht sehr große Plaza waren die flachen Adobehäuser erbaut. Dahinter waren Schuppen und Scheunen errichtet. In einigen Pferchen südlich der Ortschaft tummelten sich Schweine, Schafe, Ziegen und Rinder. Der Geruch von Tierkot und Urin schwängerte die heiße Luft.
Es war um die Mitte des Vormittags. Ein schwacher Westwind wirbelte Staubfontänen über die Plaza. In einer Gassenmündung spielten lärmend einige Kinder. Das Geschrei brach schlagartig ab, als sie mich wahrnahmen. Sie musterten mich unverhohlen. In den Schatten döste hier und dort ein Hund.
Aus einem der Schuppen zog ein Mann einen zweirädrigen Karren, eine so genannte Carreta, vor die in der Regel ein Ochse gespannt wurde. Er hielt inne und beobachtete mich aufmerksam.
Vor einem Wohnhaus mit verstaubten Blumen auf der Fensterbank hockte unter einem Sonnendach aus Zweigen und Ästen ein alter, bärtiger Mexikaner. Er hatte die Augen geschlossen, sein Kopf lag im Nacken. Ich konnte mich jedoch des Eindrucks nicht erwehren, dass er mich aufmerksam beobachtete.
Ich zügelte beim Brunnen in der Mitte der Plaza den Rappen. Er lag im Schatten einiger alter Platanen mit einem dichten Blätterdach. Der Sattel knarrte, als ich absaß. Staub trieb unter meinen Schritten auseinander und knirschte unter meinen Sohlen. Aus einem der Häuser war die keifende Stimme einer Frau zu hören.
Ich hievte einen Eimer voll Wasser in die Höhe. Die Winde quietschte durchdringend. Verstohlen schaute ich mich um. Hinter einigen Fenstern sah ich Menschen. Sie starrten mich an. Ich ließ meinen Blick schweifen. Im Süden erhoben sich die Felsmassive der Sierra de la Amargosa. Das Sonnenlicht vergoldete die Gipfel der Berge.
Irgendwo in dieser Einöde wurde Kelly Hancock festgehalten.
Das Wasser war frisch. Ich wusch mir Staub und Schweiß aus dem Gesicht. Dann tränkte ich Blacky.
Während er trank, schritt ich zu dem Haus, vor dem der Oldtimer unter dem Sonnendach vor sich hin döste. Es waren dünne, krumme Baumstämme, auf denen das Zweiggeflecht lagerte. Darüber ragten die Dachbalken etwa einen Yard aus der Hauswand. Durch das Zweiggeflecht sickerte Sonnenlicht. Ein Gitternetz aus Licht und Schatten lag auf dem Boden und wurde über den Oldtimer geworfen.
"Hola, Señor", sagte ich.
Er blinzelte mich an. "Hola, Americano. Was hat dich in unseren Ort verschlagen?"
Ich legte die Hand um einen der krummen Stützpfosten, wagte aber nicht, Druck auszuüben, denn ich befürchtete, dass die ganze Konstruktion über dem Kopf des Alten einstürzen würde. "Ich bin ohne besonderes Ziel über den Fluss gekommen. Kann man hier in diesem schönen Ort ein paar Tage bleiben? Ich meine, gibt es für mich einen Platz zum Schlafen und einen Stall für mein Pferd?"
Er musterte mich von oben bis unten. Sein Blick war forschend und prüfend. Dann schien er sich ein Bild von mir gemacht zu haben, denn er sagte in schlechtem Englisch: "Du trägst den Revolver sehr tief, Hombre. Und du reitest ein Pferd, das weit über dem Durchschnitt ist. Von deiner Sorte kommen hin und wieder Männer hier durch, die auf der Flucht sind. Auf der Flucht vor dem Gesetz drüben in den Staaten. Gehörst du auch zu denen?"
"Ich habe drüben keinen Job gefunden, der mir zugesagt hätte", gab ich ohne lange zu überlegen zurück. "Also wollte ich mal sehen, ob sich hier etwas anbietet."
"Du wirst hier keine Freunde finden, Americano. Man sieht es dir an der Nasenspitze an, dass du ein Pistolero bist. Einer, der gegen Sold seinen Colt vermietet. Hombres wie du sind hier nicht erwünscht. Nimm dich also in Acht. Du wirst dir von den Rurales eine Menge unerfreulicher Fragen gefallen lassen müssen. Außerdem..."
Er brach ab. Sein Blick irrte ab. Er mutete mich plötzlich ängstlich an.
"Was?"
Der Kehlkopf rutschte unter der faltigen Haut seines Halses hinauf und hinunter. Er flüsterte: "In der Gegend treibt El Diablo sein Unwesen. Er befehligt eine große Bande. Es sind Mörder und Diebe. El Diablo hat seine Spitzel überall. Er wird bald wissen, dass sich ein Pistolero von der anderen Seite des Rio Bravo hier herumtreibt. Und dann wird er kommen..."
"Wo finde ich El Diablo?"
Wieder erforschte mich der Blick des Oldtimers. Sein runzliges Gesicht hatte sich verschlossen. "Willst du bei ihm nach Arbeit nachfragen?"
"Warum nicht?"
Ich sah die Verachtung in den Augen des Alten. Aber ich hatte mich entschlossen, eine Rolle zu spielen. Eine Rolle in einer Inszenierung, in der wahrscheinlich der Satan Regie führte. Und darum musste ich den verächtlichen Blick ertragen.
Hart stieß der Oldtimer hervor: "Niemand kennt den Schlupfwinkel der Bandoleros. Aber du brauchst El Diablo nicht zu suchen, Gringo. Er kommt zu dir. Und er hat sicher Arbeit für dich. Geh in die Pulqueria." Er wies mit einer knappen Handbewegung schräg über die Plaza. "Da kannst du auch ein Zimmer bekommen und dein Pferd unterstellen. Und dann braucht du nur zu warten."
"Gracias", sagte ich, nahm meine Hand von dem Pfosten, schwang herum und stapfte zurück zum Brunnen.
Ich spürte den brennenden Blick des Alten fast körperlich im Rücken.
Blacky hatte seinen Durst gelöscht. Ich nahm ihn am Zügel und führte ihn zu dem Gasthaus. An einem verrosteten Eisenring, der in die Wand eingelassen war, leinte ich den Rappen an.
Der Wirt stand unter der Tür. Er war mittelgroß und dick. Seine straff zurückgekämmten Haare glänzten fettig. Um seine wulstigen Lippen lag ein schmieriges Grinsen.
Ich sagte: "Man sagte mir, dass es hier ein Zimmer für mich und einen Stall für mein Pferd gibt. Ich zahle mit Dollars."
"Si, Señor", grinste er. "Treten Sie ein. Ich sage dem Peon Bescheid, dass er sich um Ihr Pferd kümmert. Ich bin Pepe Gonzales. Sagen Sie Pepe zu mir."
Etwas war an ihm, das mir nicht gefiel. War es seine übertriebene Freundlichkeit? War es sein schmieriges Gegrinse? Ich weiß es nicht.
Ich schnallte die Satteltaschen los und nahm die Winchester.
Pepe Gonzales ließ mich an sich vorbei in den Gastraum treten. Der Vorhang aus farbigen Holzperlen, der vor der Tür hing, rasselte, als ich hindurch schritt.
In der Pulqueria war es düster. Es gab keinen Gast. Durch die kleinen, verstaubten Fenster fiel kaum Licht. Es roch nach Bier, Pulque und kaltem Tabakrauch. Auf den Tischen standen Talglichter. Links war die Theke. Eine Tür dahinter führte wahrscheinlich in die Küche. Am Ende des Tresens schwang sich eine Treppe nach oben. Und gleich bei der Treppe war eine weitere Tür, die in den Hof führte. Denn durch ein Fenster neben dieser Tür konnte ich einen Stall erkennen.
"Was möchten Sie trinken, Señor?"
Ich legte die Satteltaschen und das Gewehr auf den Tresen. "Ein Bier."
Er schenkte es ein, stellte den Krug vor mir auf den Tresen und verschwand dann durch die Hintertür. Ich hörte ihn in spanischer Sprache rufen, und ich konnte aus seinem Geschrei entnehmen, dass er den Pferdeburschen anwies, meinen Vierbeiner zu versorgen.
Ich beschloss, in Santa Rosa zu bleiben und der Dinge zu harren, die auf mich zukamen.
*
Der Tag und der nächste vergingen ohne Zwischenfall.
Am dritten Tag wurde ich vom Wiehern eines Pferdes geweckt. Ich schlug die Augen auf. Vor dem Fenster hing noch die Dunkelheit. Als ich hinunterblickte, konnte ich beim Brunnen Pferde und Männer sehen. Das Quietschen der Winde war zu hören.
Vorsichtig öffnete ich das Fenster einen Spalt.