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Krimi Doppelband 2241 - Zwei Thriller

von Alfred Bekker (Autor:in) Pete Hackett (Autor:in)
©2023 300 Seiten

Zusammenfassung

Dieser Band enthält folgende Krimis:

Trevellian - Verräter sterben schnell (Pete Hackett)

Die Bestie (Alfred Bekker)

Ein gefährlicher Profi-Killer entkommt aus der Haft - und der New Yorker Ermittler Murray Weiser muss sich an seine Fersen heften.

Vandermoore hatte es inzwischen geschafft, die Hände zu befreien. Seine Rechte zuckte mit unglaublicher Geschwindigkeit vor. Ein fassungsloser Ausdruck gefror im Gesicht des falschen Cops, als Vandermoore ihn mit einem mörderischen Handkantenschlag am Hals traf. Der Uniformierte verdrehte die Augen und schwankte. Vandermoore zog ihn zu sich heran, benutzte ihn als Deckung und riss ihm dabei die SIG Sauer P226 aus dem offenen Holster - die Standardwaffe aller New Yorker Polizeieinheiten. Vandermoore ließ sich zusammen mit dem Toten seitwärts fallen, während die MPi losratterte. Mehrere Dutzend Geschosse knatterten dicht über ihn hinweg und perforierten die Seitenfront eines halb verrosteten Lieferwagens. Auf dem Boden rollte Vandermoore sich ab, riss die Waffe in seiner Faust empor und gab dann einen einzigen gezielten Schuss ab. Er traf den Kerl mit der MPi mitten in der Stirn. Vandermoore wirbelte herum, drehte den Lauf der SIG ein paar Grad und feuerte noch einmal. Er erwischte den Kerl mit dem Goldzahn am Oberkörper, noch ehe dieser seine eigene Waffe ganz herausreißen konnte. Ein ächzender Laut kam über die Lippen des Getroffenen, während er zusammenklappte wie ein rostiges Taschenmesser. Vandermoore warf sich zur Seite, während links und rechts von ihm Projektile in den staubigen Boden schlugen. Er hechtete hinter einen Ford, der irgendwann einmal blau lackiert gewesen war. Noch zwei Gegner waren übrig und er hatte noch 14 Patronen im Magazin, eine im Lauf. Im Gegensatz zu den falschen Cops besaß er keine Reservemunition und konnte sich daher nicht auf langwierige Schießereien einlassen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Krimi Doppelband 2241 - Zwei Thriller

Pete Hackett, Alfred Bekker

Dieser Band enthält folgende Krimis:


Trevellian - Verräter sterben schnell (Pete Hackett)

Die Bestie (Alfred Bekker)



Ein gefährlicher Profi-Killer entkommt aus der Haft - und der New Yorker Ermittler Murray Weiser muss sich an seine Fersen heften.


Vandermoore hatte es inzwischen geschafft, die Hände zu befreien. Seine Rechte zuckte mit unglaublicher Geschwindigkeit vor. Ein fassungsloser Ausdruck gefror im Gesicht des falschen Cops, als Vandermoore ihn mit einem mörderischen Handkantenschlag am Hals traf. Der Uniformierte verdrehte die Augen und schwankte. Vandermoore zog ihn zu sich heran, benutzte ihn als Deckung und riss ihm dabei die SIG Sauer P226 aus dem offenen Holster - die Standardwaffe aller New Yorker Polizeieinheiten. Vandermoore ließ sich zusammen mit dem Toten seitwärts fallen, während die MPi losratterte. Mehrere Dutzend Geschosse knatterten dicht über ihn hinweg und perforierten die Seitenfront eines halb verrosteten Lieferwagens. Auf dem Boden rollte Vandermoore sich ab, riss die Waffe in seiner Faust empor und gab dann einen einzigen gezielten Schuss ab. Er traf den Kerl mit der MPi mitten in der Stirn. Vandermoore wirbelte herum, drehte den Lauf der SIG ein paar Grad und feuerte noch einmal. Er erwischte den Kerl mit dem Goldzahn am Oberkörper, noch ehe dieser seine eigene Waffe ganz herausreißen konnte. Ein ächzender Laut kam über die Lippen des Getroffenen, während er zusammenklappte wie ein rostiges Taschenmesser. Vandermoore warf sich zur Seite, während links und rechts von ihm Projektile in den staubigen Boden schlugen. Er hechtete hinter einen Ford, der irgendwann einmal blau lackiert gewesen war. Noch zwei Gegner waren übrig und er hatte noch 14 Patronen im Magazin, eine im Lauf. Im Gegensatz zu den falschen Cops besaß er keine Reservemunition und konnte sich daher nicht auf langwierige Schießereien einlassen.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER FIRUZ ASKIN

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Trevellian – Verräter sterben schnell: Action Krimi

Krimi von Pete Hackett


Der Umfang dieses Buchs entspricht 122 Taschenbuchseiten.


Luxusautos sind das Ziel einer skrupellosen Autoknackerbande. Wer möglicherweise Verrat üben könnte, wird gnadenlos umgebracht. Als die FBI-Agenten Trevellian und Tucker ihnen auf die Spur kommen wollen, setzen sie einen Privatdetektiv undercover ein. Doch der verschwindet spurlos. Die Suche nach ihm wird ein Wettlauf gegen die Zeit.



1

»Es besteht der Verdacht, dass die Nobelkarossen fachmännisch zerlegt und die Teile ins Ausland verschoben werden, wo man sie wieder zusammensetzt«, erklärte Mr. McKee. »Das ist einer der Gründe, weshalb das Police Department die Sache an uns abgegeben hat. Und ich bin zu dem Entschluss gekommen, Sie beide mit der Durchführung der Ermittlungen zu beauftragen, Gentlemen.«

Milo und ich saßen an dem kleinen Konferenztisch im Büro des Assistant Directors. Mandy hatte uns mit Kaffee versorgt. In dem Büro roch es wie in einem türkischen Kaffeehaus.

Der AD fuhr fort. »Organisiertes Verbrechen, Jesse, Milo. Die Diebstähle tragen alle dieselbe Handschrift. Gestohlen werden nur Autos mit einem Wert ab fünfzigtausend Dollar.«

»Gibt es irgendeine Spur, Hinweise auf die Täter, irgendwelche Verdächtigen?«, fragte ich.

»Nein!«, stieß Mr. McKee hervor. »Es wird Ihre Aufgabe sein, die Spur aufzunehmen und den Gangstern das Handwerk zu legen.«

Damit war der Auftrag klar formuliert.

»Wie viele Autos wurden schon gestohlen?«, wollte Milo wissen.

»Vierzehn.« Der Chef nahm eine dünne Akte von seinem Schreibtisch und hob sie in die Höhe. »Die Diebstahlanzeigen und die Ermittlungsprotokolle«, sagte er. »Wie gesagt, es gibt keinen Hinweis auf die Täter. Sie werden also mit nichts beginnen müssen. Ich wünsche Ihnen viel Glück.«

Ich nahm den Schnellhefter.

»Und halten Sie mich auf dem Laufenden«, fügte der AD hinzu.

»Das versteht sich von selbst«, antwortete ich. Dann tranken wir unsere Tassen leer und verabschiedeten uns.

»Zur Abwechslung mal keine Leiche im Spiel«, meinte Milo, nachdem wir in unserem gemeinsamen Büro angelangt waren.

Zu diesem Zeitpunkt hatten wir keine Ahnung, dass sich dies innerhalb kurzer Zeit auf erschreckende Weise ändern sollte.

Ich fuhr meinen Computer hoch. Es war acht Uhr dreißig vorbei. Während das Betriebssystem meines PC arbeitete, blätterte ich in der Akte, die ich von Mr. McKee erhalten hatte. »Mercedes, Bentley, Oldsmobile, BMW«, sagte ich. »Alles fast neuwertige Fahrzeuge. Die Kollegen vom Police Department sind der Meinung, dass die Fahrzeuge auf Bestellung gestohlen werden.«

»Die Frage ist, wo wir ansetzen«, gab Milo zu verstehen. »Nachdem wir nichts in Händen haben, stellt sich diese Frage mit Vehemenz.«

»Vielleicht sollten wir ein paar Kerle überprüfen, die sich im Geschäft mit gestohlenen Autos einen Namen gemacht haben«, schlug ich vor.

»Gute Idee«, lobte Milo. »Die Burschen, die auf diesem Gebiet tätig waren, herauszufiltern, dürfte den wenigsten Aufwand erfordern.«

Wir machten uns an die Arbeit. Der Computer spuckte eine ganze Litanei von Namen aus – Namen von Männern, die wegen Kfz-Diebstahls vorbestraft waren.

»Um Gottes Willen«, entfuhr es Milo. »Wenn wir diese Liste abarbeiten wollen, sind wir bis zum Sanktnimmerleinstag beschäftigt.«

»Jeder, der irgendwann einmal ein Auto gestohlen hat, dürfte nicht in Frage kommen«, versetzte ich. »Wir können also eine Reihe von Leuten ausschließen.«

Wir erstellten ein Täterprofil und gingen nach dem Ausschlussverfahren vor. Ob wir richtig lagen, war die Frage. Ein hohes Maß an Unsicherheit erfüllte mich mit Skepsis. Wir konnten unserer Aktion nur Vermutungen und Spekulationen zugrunde legen. Auf dieser Basis blieben dreizehn Namen übrig. Alles Männer, die zum Zeitpunkt ihrer Verurteilung in New York gelebt hatten. Eine Überprüfung dieser Namen ergab, dass vier der Kerle noch inhaftiert waren. Also blieben noch neun.

Ich druckte die Liste der Namen aus. Die zuletzt bekannten Anschriften der Betroffenen verteilten sich auf sämtliche Stadtteile New Yorks. Wir beschlossen, in Manhattan zu beginnen. Zuerst fuhren wir in die 109th Street. Der Name des Mannes war Dee Robinson. Robinson war Afroamerikaner. Das Gebäude, in dem er leben sollte, sah ziemlich heruntergekommen aus. Der Putz fiel großflächig ab und gab das Mauerwerk frei. Zur Haustüre führten vier Stufen hinauf, das Eisengeländer war verrostet. In der Ecke zwischen Treppe und Fassade standen vier überquellende Mülltonnen. Unrat lag drum herum am Boden.

Der ganze Straßenzug sah ziemlich verwahrlost aus. Hier lebten die Menschen am Rand der Sozialität, viele von ihnen besserten ihr karges Budget mit illegalen Machenschaften auf, Alkoholismus, Drogenmissbrauch und Gewalt waren an der Tagesordnung.

Wir betraten das Gebäude. Im Treppenhaus roch es muffig. An den Wänden hatten sich Graffiti-Künstler ausgetobt, es waren aber auch sexistische und neonazistische Sprüche und Parolen zu lesen. An der Wand lehnte ein altes Fahrrad. Es war düster.

Im zweiten Stock wurden wir fündig. Ein Türschild verriet uns, dass hier Robinson wohnte. Ich läutete. Es dauerte keine fünf Sekunden, dann wurde uns geöffnet. Eine Schwarze, etwa fünfzig Jahre alt mit grauen Haaren, füllte das Türrechteck aus. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die Lady war breiter als hoch. Ein Doppelkinn verdeckte ihren Hals. Bekleidet war sie mit einem blau-geblümten Wickelschurz, der wohl die Größe eines Drei-Mann-Zeltes haben musste.

Misstrauisch fixierte sie uns abwechselnd.

Ich stellte uns vor und zeigte der schwergewichtigen Lady meine ID-Card. »Wir hätten gerne mit Ihrem Sohn Dee gesprochen.«

»Was will das FBI von Dee? Er hat seine Strafe abgesessen und mir versprochen, niemals mehr straffällig zu werden. Er …« Ihre Augen weiteten sich im jähen Entsetzen. »Er hat sein Versprechen doch nicht gebrochen?« Fast verzweifelt brachen die letzten Worte über ihr wulstigen Lippen.

»Es sind nur ein paar Fragen«, erklärte ich. »Ist Ihr Sohn zu Hause?«

Sie schüttelte den Kopf. »Dee lungert den ganzen Tag herum. Ich weiß nicht, wo er sich im Moment herumtreibt. Er kommt oft erst spät in der Nacht heim. Aber er versichert mir immer wieder, nichts angestellt zu haben. Er ist im Grunde kein schlechter Junge.«

»Wovon lebt Dee denn?«, erkundigte sich Milo.

»Zu essen bekommt er von mir, in meiner Wohnung lebt er auch. Manchmal verdient er sich ein paar Dollar. Gelegenheitsjobs. Was sind es denn für Fragen, die Sie Dee stellen möchten?«

Erwartungsvoll musterte sie mich.

»Routinefragen«, erwiderte ich ausweichend. »Wann kommt er denn in der Regel nach Hause?«

»Unterschiedlich. Es ist achtundzwanzig und ich kann ihm nicht mehr vorschreiben, wann er abends heimzukommen hat.«

Ich gab der Frau eine von meinen Visitenkarten. »Bestellen Sie Ihrem Sohn, dass er morgen Vormittag um zehn Uhr im Field Office erscheinen soll. Wenn er nicht kommt, muss er mit einer formellen Vorladung rechnen. Und wenn er auch diese nicht wahrnimmt …«

Ich brach ab.

»Dann lassen Sie ihn vorführen, wie?«

»Er lässt uns dann keine andere Wahl.«

»Er wird kommen«, versprach Mrs. Robinson.

Ich bedankte mich und wir verabschiedeten uns.



2

Die nächste Adresse, die wir anfuhren, war West 69th Street, Nummer 132. Der Name des Mannes war Adam Hatfield. Er war zweiunddreißig Jahre alt, sah krank aus, und mir entging nicht, dass er wegen unserer Vorsprache ziemlich erschrocken war. Er bat uns in das Apartment. Hier sah es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Selten zuvor sah ich eine derart unaufgeräumte Wohnung. Auf dem Tisch im Wohnzimmer standen Bierdosen. Der Aschenbecher quoll über. Der Fernseher lief.

Hatfield hüstelte. Seine Augen wiesen einen fiebrigen Glanz auf. »Entschuldigen Sie, dass es hier so aussieht. Bei mir waren gestern ein paar Freunde. Wir haben uns das Spiel unserer Mannschaft gegen Italien angesehen.«

»Nach der Null-zu-drei-Schlappe gegen Tschechien hat sich unser Team gegen Italien ja tapfer geschlagen«, meinte Milo. »Sie haben immerhin gegen einen der Favoriten ein achtbares Unentschieden geschafft.«

»Mal sehen, ob es unseren Jungs gelingt, ins Achtelfinale zu kommen«, sagte Hatfield. »Was wollen Sie von mir?«

Sein Blick mutete mich plötzlich lauernd an.

»Im Big Apple werden in letzter Zeit wie am Fließband Nobelkarossen gestohlen«, übernahm es Milo, zu antworten.

»Ich verstehe. Ich bin einschlägig vorbestraft. Also stehe ich auf der Liste der Verdächtigen.« Mit hängenden Schultern ging Hatfield zu einem Sessel und ließ sich hineinfallen. »Ich stehle keine Autos mehr. Meine Tage auf dieser Welt sind wahrscheinlich gezählt. Ich habe mich mit HIV infiziert. Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass ich meine letzten Wochen oder Monate nicht im Gefängnis verbringen möchte.«

»Das tut mir Leid«, murmelte ich und wusste, wie banal und nichtssagend das klang. Ich verspürte Betroffenheit. »Dennoch sollten Sie uns einige Fragen beantworten.«

»Fragen Sie.«

Wir kamen dieser Aufforderung nach. Die Diebstahlserie begann am 20. Mai. In der Nacht auf den 21. war ein Mercedes SL 350 Roadster im Wert von etwa 90.000 Dollar entwendet worden. Wir befragten Hatfield, was er in den Nächten, in denen Autos gestohlen wurden, getrieben hatte.

»Ich bin abends meistens zu Hause«, erklärte Hatfield. »Da ich alleine lebe, habe ich natürlich niemanden, der meine Alibis bestätigen könnte. Ich kann es Ihnen auch nicht sagen, wenn ich mich an dem einen oder anderen der genannten Tage nicht zu Hause aufgehalten habe. Manchmal bin ich bei Freunden. Hin und wieder gehe ich auch in meine Stammkneipe. Emerald Inn. Aber dort verkehre ich nur noch selten, nachdem bei mir Aids festgestellt wurde und sich das dort herumgesprochen hat. Es gibt Zeitgenossen, die behandeln mich wie einen Aussätzigen. Diese Leute meide ich, so gut es geht.«

»Vielleicht haben Sie eine Idee, wer sich mit dem Diebstahl von teuren Autos befassen könnte«, kam es von Milo. »Immerhin gehörten Sie zu einer Bande von Autoknackern, und Sie haben während Ihres Prozesses keine Namen genannt. Wollen Sie nicht endlich preisgeben, mit wem Sie zusammenarbeiteten?«

Hatfield lachte rasselnd auf. »Weil ich schwieg, traf mich die volle Härte des Gesetzes. Meine Strafe habe ich bis auf den letzten Tag abgebrummt. Was sollte ich jetzt für einen Grund haben, zu reden?«

»Vielleicht möchten Sie reinen Tisch machen, bevor Sie …« Milo brach ab und hob die Schultern. »Ich wollte sagen …«

»Bevor ich abkratze!« Wieder lachte Hatfield. Es klang klirrend und verbittert zugleich. »Ich hab mich im Knast angesteckt. Aber diese Geschichte interessiert Sie sicher nicht.«

Sekundenlang herrschte betretenes Schweigen, das ich mit meiner Stimme sprengte, als ich sagte: »Sie sind verbittert, Mister Hatfield, und wahrscheinlich geben Sie den Polizisten, die Sie damals überführten, oder dem Richter, der Sie ins Gefängnis schickte, die Schuld an Ihrem gewiss tragischen Schicksal. Vielleicht sollten Sie versuchen, mit sich selbst ins Reine zu kommen. Sicher kommen Sie dann zu dem Schluss, dass Sie …«

Hatfield fiel mir ins Wort. »Ich arbeitete für einen Mann namens Wallace. Er selbst trat nie in Erscheinung. Der Boss der Bande war Kid Williams, aber der wurde damals ja selbst geschnappt. Kid muss noch ein Jahr absitzen. Er kann Ihnen gewiss mehr über Wallace sagen.«

»Ich verstehe nicht ganz«, räumte ich ein.

»Wir waren eine Bande von Autoknackern«, antwortete Hatfield. »Kid war unser Boss. Wir arbeiteten nur im Auftrag. Und diese Aufträge kamen von Wallace, der jedoch nur mit Kid in Verbindung stand.«

»Warum haben Sie das damals nicht erzählt?«, fragte Milo.

»Weil man mir drohte, mich kaltzumachen, wenn ich auch nur ein Sterbenswörtchen verrate. Damals fürchtete ich mich noch vor dem Tod.«

»Sie haben all die Jahre geschwiegen.«

»Mich hat keiner danach gefragt.«

»Den Vornamen dieses Wallace kennen Sie nicht?«

»Nein. Fragen Sie Kid.«

»Er sitzt in Rikers Island?«

»Ja.«

Eine gute Stunde später läuteten wir an der Pforte des Gefängnisses. Und nach einer weiteren Viertelstunde saß Kid Williams an dem zerkratzten Tisch in dem kleinen Vernehmungsraum und musterte uns mit erwartungsvoll-fragendem Ausdruck.

»Wir haben in Erfahrung gebracht, dass Sie damals für einen Mann namens Wallace arbeiteten«, begann ich.

Williams kniff die Augen ein wenig zusammen und schob das Kinn nach vorn. »Wer hat Ihnen denn das geflüstert?«

»Das tut nichts zur Sache. Wir wissen es eben. Von Ihnen wollen wir Näheres über diesen Wallace erfahren. Nämlich seinen Vornamen, gegebenenfalls seine Adresse.«

»Sie haben mit Hatfield, dieser verdammten Schwuchtel, gesprochen, nicht wahr? Er hat die Fresse nicht halten können. Die Pest an seinen Hals.«

»Er hat Aids und ist dem Tod geweiht«, sagte ich.

»Hoffentlich holt ihn der Teufel bald.«

Die verbale Brutalität dieses Burschen war abstoßend und schockierend zugleich.

»Sprechen Sie«, forderte ich Williams auf.

Seine Mundwinkel bogen sich nach unten. »Von mir erfahren Sie nichts. Und jetzt will ich in meine Zelle zurück. Ich kenne keinen Wallace. Die Schwuchtel hat Ihnen Mist erzählt.«

Unverrichteter Dinge mussten wir wieder abziehen.

»Wallaces gibt es in New York wahrscheinlich wie Sand am Meer«, meinte Milo, während wir nach Manhattan zurückfuhren. Unser Ziel war die 9th Street, East Village. Der Name des Mannes, mit dem wir sprechen wollten, war Owen Miller. Letzte Verurteilung vor sieben Jahren wegen organisierten Autodiebstahls, seit etwas über einem Jahr in Freiheit stand er noch unter Bewährung.

Auch Miller wohnte noch unter der Adresse, die in der Prozessakte vermerkt war. Er wies eine Teilnahme an den Diebstählen der letzten Wochen weit von sich, und seine Lebensgefährtin bestätigte uns mit keifender Stimme, dass Miller zu den fraglichen Zeiten zu Hause gewesen sei. Sie empfahl uns, nicht zu versuchen, ihrem Lover etwas in die Schuhe zu schieben, sondern unser Geld zu verdienen und die wahren Gangster zu entlarven. Die Lady hatte sicher Haare auf den Zähnen. Fast bedauerte ich Owen Miller.

»Wenn Miller Heimwerker ist, kann er diese Lady als Beißzange einsetzen«, kommentierte Milo ihren Auftritt, als wir wieder im Wagen saßen und in Richtung Federal Plaza fuhren.

Ich grinste. »Wir können ihn wahrscheinlich ausschließen«, sagte ich. »Solange ihn diese Frau unter der Fuchtel hat, klaut der keine Autos.«

Im Büro angekommen durchforsteten wir die Datenbanken des Archivs. Sie enthalten sämtliche jemals gespeicherten Kriminalakten mit Namen, Fingerabdrücken, Polizeifotos und weiteren Angaben zur Person. Der Name Wallace kam in einer Vielzahl vor, die mich fast schwindlig werden ließ, und mir war klar, dass wir ohne weitere Hinweise keine Chance hatten, den Mann herauszusieben, von dem Hatfield gesprochen hatte.

Ich konnte die Zahl der Leute mit dem Namen Wallace zwar einschränken, indem ich jene herausfilterte, die zum Zeitpunkt der Erfassung in New York lebten, aber das war immer noch eine Unzahl.

»Wir können mit dem Namen nichts anfangen«, kam es resignierend von Milo.

»Und von den Leuten, die auf unserer Liste stehen und die wir noch überprüfen möchten, heißt keiner Wallace. Das bedeutet, dass der Bursche, nach dem wir suchen, im Zusammenhang mit Autodiebstählen noch nicht polizeilich in Erscheinung getreten ist.«



3

Wir kamen nicht weiter. Die Männer, die wir vernahmen, hatten offensichtlich mit den Autodiebstählen nichts zu tun, und wenn doch, fehlte es uns an einem entsprechenden Beweis. Die meisten von ihnen konnten sich auf wasserdichte Alibis berufen, so auch Dee Robinson, der junge Schwarze, der tatsächlich im Federal Building erschien. Milo hatte die Idee, einen V-Mann einzusetzen, der in New Yorks Unterwelt abtauchte und uns Hinweise auf die Diebesbande liefern konnte.

Ich dachte sofort an unseren Freund Hank Hogan. Hank betrieb zwar eine Detektei und war ziemlich ausgebucht, aber er war und blieb unser bester V-Mann, und so rief ich ihn an, in der Hoffnung, dass er mein Ansinnen nicht zurückwies. Es war seine Sekretärin, die sich meldete. Sie verband mich mit Hank, und ich sagte: »Hello, alter Haudegen. Ich hoffe, es geht dir gut.«

»Man lebt«, erwiderte Hank. »Was läuft?«

»Probleme. Eine Bande von Autoknackern beschäftigt uns. Wir treten auf der Stelle.«

»Und aus diesem Dilemma soll euch der alte Hank Hogan helfen, wie? Seit wann beschäftigt sich das FBI mit derart profanen Fällen?«

»Wir nehmen an, dass die gestohlenen Fahrzeuge ins Ausland verschoben werden, auf jeden Fall in einen anderen Bundesstaat. Im Staat New York ist jedenfalls keiner der Wagen mehr aufgetaucht.«

»Das erklärte eure Zuständigkeit. Na schön, Jesse. Ich denke, ich soll euch Hinweise auf die Diebesbande liefern.«

»Du hast es erfasst, Hank. Wir wären dir ausgesprochen dankbar, wenn du uns unterstützen könntest. Kannst du doch?«

»Ich bin zwar ziemlich beschäftigt, aber ich werde mich mal umhören. Handelt es sich um die Bande, die sich auf den Diebstahl von Nobelkarossen spezialisiert hat? Ich habe in der Times davon gelesen.«

»Vierzehn Fahrzeuge bisher«, antwortete ich. »Luxusschlitten. Wir sind der Meinung, dass die Autos auf Bestellung beschafft werden.«

»Ich werde meine Fühler ausstrecken«, versprach Hank. »Wenn ich was weiß, melde ich mich bei dir.«

»Unser Dank ist dir gewiss.«

»Kann ich mir davon auch etwas kaufen?«, fragte Hank trocken.

Ich lachte, dann verabschiedete ich mich. Bei Hank wusste ich unser Problem in guten Händen. »Das wäre geritzt«, sagte ich.

Da klingelte Milos Telefon. Mein Kollege pflückte den Hörer vom Apparat, meldete sich mit seinem Namen und nannte unsere Dienststelle. Zugleich aktivierte er den Lautsprecher.

»Captain Malcolm, Police Department New York«, sagte der Anrufer. »Ich habe bis vor zwei Tagen die Ermittlungen gegen die Autoknackerbande geführt. Die Angelegenheit hat das FBI übernommen. Man hat mich an Sie verwiesen.«

»Was gibt es denn?«, fragte Milo.

»In der Nacht fand wieder ein Diebstahl statt. Es handelt sich um einen Bentley Arnage Red Label. Das Fahrzeug hatte gerade mal zehntausend Kilometer auf dem Tacho und hat einen Wert von etwa hundertvierzigtausend Dollar. Besitzer ist ein Mann namens Leo Mrossek. Der Wagen wurde aus seiner Garage entwendet.«

»Sagen Sie mir die Adresse«, bat Milo.

Captain Malcolm nannte sie. Es handelte sich um eine der teuersten Wohngegenden in Queens. Aber jemand, der sich einen Bentley Arnage Red Label leisten konnte, war ganz sicher nicht arm.

»Sorgen Sie bitte dafür, dass wir die Diebstahlanzeige erhalten«, bat Milo. Nachdem er das Gespräch beendet hatte, richtete er den Blick auf mich. »Fahrzeug Nummer fünfzehn.«

»Fahren wir nach Queens und unterhalten wir uns mit Leo Mrossek.«

Mir war klar, dass uns der Geschädigte nicht viel würde helfen können. Dennoch wollte ich hören, was er zu sagen hatte. Nachdem die Geschichte mit dem serienmäßigen Diebstahl von Luxusautos publik geworden war, konnten wir nicht ausschließen, dass der eine oder andere Besitzer eines teuren Wagens auf diesen Zug aufsprang und seine Renommierkarosse als gestohlen meldete, um die Versicherung abzukassieren.

Mister Mrossek lebte in einer großen Villa in der Nähe des Cunningham Parks, die in einem parkähnlichen Garten lag. Die große Doppelgarage war an das Haus angebaut. Eines der Tore war gewaltsam geöffnet worden.

»Ich habe nichts gehört«, versicherte uns der Mann, der seine Millionen mit einem Import-Export-Unternehmen verdiente. »Heute Morgen, als ich in den Betrieb fahren wollte, stellte mein Chauffeur den Diebstahl fest. Das waren sicher dieselben Gangster, von deren Aktivitäten in den vergangenen Wochen immer wieder in den Medien berichtet wurde.«

»Anzunehmen«, versetzte ich.

Milo forderte telefonisch die Spurensicherung an. Es dauerte fast zwei Stunden, bis die Kollegen von der SRD eintrafen. Sie machten sich sofort an die Arbeit. Am Garagentor wurden Fingerabdrücke festgestellt. Deshalb wurden auch vom Hausherrn und seiner Frau sowie dem Chauffeur Fingerabdrücke genommen, um unnötige Ermittlungsarbeit zu vermeiden.

Am Nachmittag schon rief mich ein Kollege vom Erkennungsdienst an. »An dem Garagentor wurde der Fingerabdruck eines Mannes festgestellt, dessen Prints registriert sind. Sein Name ist Jack White. Er ist einige Male vorbestraft; Alkohol am Steuer, Fahren ohne Führerschein, Straßenverkehrsgefährdung, Fahrerflucht. Letzte bekannte Anschrift ist Manhattan, King Street, Nummer fünfundzwanzig.«

Wir vergeudeten keine Zeit.

Jack White war ein Mann von siebenunddreißig Jahren, mittelgroß, untersetzt, blondhaarig. Das Apartment, das er bewohnte, war durchschnittlich eingerichtet.

White vermittelte Unruhe. Er zwinkerte unablässig und knetete seine Hände. Sein nervöser Blick sprang zwischen Milo und mir hin und her, immer wieder schluckte der Bursche, als könnte er einen Kloß, der sich in seinem Hals gebildet hatte, nicht hinunterwürgen.

»Leben Sie alleine hier?«, fragte ich.

White nickte.

»Wo waren Sie in der vergangenen Nacht?«

Die Mundwinkel des Burschen zuckten. Er leckte sich über die Lippen. »Ich bin gegen zehn Uhr ins Bett gegangen. Warum fragen Sie?«

»In der vergangenen Nacht wurde in Queens ein teurer Wagen gestohlen. Das Garagentor wurde gewaltsam aufgebrochen. Man hat daran einen Fingerabdruck von Ihnen festgestellt.«

White zog den Kopf zwischen die Schultern. Jeder Zug seines Gesichts vermittelte Rastlosigkeit. Sein Blick irrte ab. »Ich war nicht in Queens. Ich stehle auch keine Autos. Ich habe im Bett gelegen.«

»Es ist Ihr Fingerabdruck!«, betonte Milo. »Irgendwie muss er ja an das Garagentor gekommen sein. Ich denke, White, wir nehmen Sie mit.«

Der Bursche prallte zurück. »Sie – Sie verhaften mich?«

»Ja«, sagte ich. »Es besteht der Verdacht, dass Sie zu der Autoknackerbande gehören, die seit einigen Wochen in New York aktiv ist. Sie haben das Recht zu schweigen …«

Ich klärte White über seine Rechte auf, dann brachten wir ihn ins Federal Building und ließen ihn arretieren. Am folgenden Morgen wollten wir uns mit ihm unterhalten.

Wir fertigten noch ein Protokoll bezüglich der Verhaftung an, dann machten wir Feierabend. Wir beschlossen, im Mezzogiorno eine Pizza zu verspeisen, und dann erst nach Hause zu fahren.

Ich war überzeugt davon, dass wir einen ersten Erfolg zu verbuchen hatten und verspürte eine gewisse Zufriedenheit. Vielleicht führte die Spur über Jack White zu den Leuten, die für die Autodiebstähle verantwortlich waren.

Ich machte mir meine Gedanken. Die Modelle, die gestohlen worden waren, verfügten allesamt über Wegfahrsperren. Ich war Insider genug, um zu wissen, dass man hier zwei verschiedene Systeme unterscheidet, und zwar die mechanische Wegfahrsperre wie die Lenkradsperre, und die elektronische. Bei Letzterer blockiert ein Steuergerät das Kraftstoffsystem und die Zündung, so dass der Motor nicht gestartet werden kann. Nur mit dem richtigen Zündschlüssel und dem entsprechenden Code kann man das Fahrzeug wieder anlassen.

Das versprechen zumindest die Automobilhersteller.

Die Wirklichkeit sieht anders aus – ganz anders. Tests hatten ergeben, dass jede noch so gute Wegfahrsperre von versierten Dieben innerhalb kürzester Zeit geknackt werden kann. Der Code einer Wegfahrsperre ist einmal im Autoschlüssel programmiert und außerdem als Gegenstück im Motorsteuergerät eines Autos, der sogenannten Blackbox. Tauscht man das Steuergerät aus und bringt einen auf das eigene Steuergerät programmierten Schlüssel mit, ist es innerhalb weniger Minuten möglich, das Auto ganz normal zu starten und davonzufahren. Das funktioniert bei allen Fahrzeugen mit Wegfahrsperren. Wichtigstes Hilfsmittel für den Autodieb ist dabei das Diagnosegerät – ein Computer, mit dem eigene Steuergeräte und Schlüssel aufeinander programmiert werden können. Für Autodiebe ist ein Diagnosecomputer deshalb Gold wert. Deshalb werden entsprechende Computer immer häufiger aus Autohäusern und -werkstätten gestohlen. Bei Einbrüchen verschwinden häufig nur die Diagnosecomputer; Handys, Bargeld oder teure Ersatzteile hingegen werden nicht angerührt.

Eine hundertprozentige Diebstahlsicherung gibt es nicht.

Milo und ich tauschten uns dahingehend aus. Dann ließen wir uns die Pizza schmecken.



4

Jack White eröffnete uns am folgenden Morgen, dass er Rechtsanwalt Slim Sheridan von der Kanzlei Sheridan, Gordon und Partner konsultiert hatte und dass er ohne seinen rechtlichen Beistand kein Wort mit uns sprechen würde.

Anderthalb Stunden später tauchte der Anwalt auf und wir konnten das Verhör durchführen.

Rechtsanwalt Slim Sheridan war ein Mann um die Fünfzig; er verströmte ein hohes Maß an natürlicher Autorität und Selbstbewusstsein, man musste einfach Respekt vor ihm haben. Er hörte sich schweigend an, was wir seinem Mandanten vorwarfen, dann fragte er mit sonorer Stimme: »Wie kommen Sie darauf, dass der Fingerabdruck den Schluss zulassen könnte, dass Mister White zu der Autoknackerbande gehört, die seit einiger Zeit von sich reden macht?«

»Der Diebstahl des Bentley passt in die Serie von Diebstählen der vergangenen Wochen«, antwortete ich. »Auch haben wir nicht behauptet, dass Ihr Mandant Mitglied der Auto-Mafia ist, die sich auf den Diebstahl von Luxuskarossen spezialisiert hat. Wir werfen Ihrem Mandanten lediglich vor, dass er am Diebstahl des Bentley beteiligt war. Dafür spricht sein Fingerabdruck auf dem Garagentor.«

»Haben Sie eine plausible Erklärung, wie Ihr Fingerabdruck an das Garagentor gekommen sein kann?« So wandte sich Sheridan an Jack White.

White schüttelte den Kopf. »Nein. Vielleicht gibt es jemanden mit identischen Fingerabdrücken.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht.«

»Ausgeschlossen«, knurrte Milo. »Ich meine die These mit den identischen Fingerabdrücken. Sie waren auf dem Grundstück von Mrossek. Das können Sie nicht abstreiten, White. Wollen Sie uns nicht verraten, wer Ihnen half, den Bentley zu stehlen?«

»Ich habe mit dem Diebstahl nichts zu tun.«

»Kennen Sie einen Mann namens Wallace?«, fragte ich.

»Nein.«

Ich schaute den Rechtsanwalt an. »Wir werden den Erlass eines Haftbefehles gegen Ihren Mandaten beantragen.«

»Sicher«, erwiderte der Anwalt mit versteinertem Gesicht. »Davon gehe ich aus. Ich befürchte aber, dass das, was Sie in den Händen haben, nicht ausreichen wird, um meinen Mandanten in Untersuchungshaft zu nehmen. Ob es für eine Verurteilung reicht, werden wir sehen.«

White wurde abgeführt. Milo und ich kehrten in unser Büro zurück. Wir fertigten eine Niederschrift über die Vernehmung von White, was nur wenige Minuten in Anspruch nahm, weil es nichts niederzuschreiben gab, außer dass White jede Beteiligung an dem Diebstahl abstritt. Zusammen mit dem Bericht der SRD, den ich per E-Mail erhielt, gaben wir die Niederschrift an die Staatsanwaltschaft ab, die darüber entscheiden musste, ob das Material ausreichte, um den Erlass eines Haftbefehls zu beantragen.

Ich will es kurz machen: Die Anhörung wurde am Nachmittag durchgeführt, der Richter setzte Jack White gegen Zahlung einer Kaution von fünftausend Dollar auf freien Fuß.

Zurück in unserem Büro rief ich Hank Hogan an.

»Guter Gott«, entfuhr es Hank. »Du erwartest doch nicht schon irgendwelche Ergebnisse von mir?« Es klang geradezu entsetzt.

»Ich weiß, dass du nicht hexen kannst, Hank«, erwiderte ich. Dann erzählte ich ihm von Jack White, den wir verdächtigten, zu der Auto-Mafia zu gehören. »White wohnt in der King Street Nummer fünfundzwanzig«, sagte ich. »Vierte Etage. Vielleicht wirfst du auf den Burschen ein Auge, Hank.«

»Mache ich. Ich halte euch auf dem Laufenden.«

Zwei Tage später rief Hank bei mir an. »White war gestern Abend in Johnny‘s Tavern in der Harrison Street. Er hat sich dort mit drei Kerlen getroffen. Gestalten, denen ich nicht im Dunkeln über den Weg laufen möchte. Ihnen steht die Verworfenheit in die Gesichter geschrieben.«

»Hast du sonst noch etwas herausgefunden?«

»Wie du selbst schon festgestellt hast, kann ich nicht hexen«, gab Hank zu verstehen. »Ich darf nichts überstürzen, wenn ich mich nicht verdächtig machen will.«

»Schon klar«, pflichtete ich bei. »Wirst du auch heute White observieren?«

»Erst am Abend wieder. Tagsüber muss ich mein Geld verdienen. Schließlich will auch ein Privatdetektiv leben.«

Gleich darauf war die Leitung tot. Ich legte auf. »Dann werden wir eben White ein wenig auf die Finger sehen«, sagte ich. »Mal sehen, was er so treibt den ganzen Tag über, und welchen Umgang er pflegt.«



5

Nach unserer Überzeugung gehörte White zu der Auto-Mafia. Nur er konnte uns zu seinen Komplizen und Hintermännern führen. Darum wollten wir diesen Fisch nicht mehr von der Angel lassen. Also fuhren wir in die King Street. Als wir vor dem Gebäude mit der Nummer 25 Stellung bezogen, war es zehn Uhr dreißig. Wir harrten geduldig aus. Zwei Stunden verstrichen, drei Stunden – Jack White ließ sich nicht sehen.

Menschen waren in das Gebäude gegangen, andere hatten es verlassen. Natürlich hatten wir keine Ahnung, wer in dem Haus wohnte oder arbeitete oder wer es nur besuchsweise betrat, und wer von den Besuchern gegebenenfalls zu Jack White wollte.

Ich hatte mir die Telefonnummer von White notiert. Kurzerhand tippte ich sie in mein Handy und drückte den grünen Knopf. Das Freizeichen tutete. Jack White meldete sich nicht. »Da stimmt etwas nicht!«, entfuhr es mir, und ich unterbrach die Verbindung. »Sehen wir mal nach, Milo.«

Drei Minuten später standen wir vor Whites Wohnungstür. Milo legte den Daumen auf den Klingelknopf. In der Wohnung rührte sich niemand.

»Wahrscheinlich hat White die Wohnung schon verlassen, ehe wir angekommen sind«, gab Milo zu bedenken. »Vielleicht hat er eine Freundin.«

Wir hatten keinen Grund, einfach in die Wohnung einzudringen. Ich klingelte an der Tür der Nachbarwohnung. Eine Frau von ungefähr dreißig Jahren öffnete. Ihre Haare waren blond gefärbt und sie hatte die Lippen knallrot geschminkt, und mir kam unwillkürlich Marilyn Monroe in den Sinn, merkte jedoch mit dem zweiten Blick, dass der Lady in der Tür so ziemlich alles fehlte, um auch nur ansatzweise dem Vergleich mit der 1962 verstorbenen Schauspielerin standzuhalten. Sie trug nur einen Morgenmantel, lächelte und sagte: »Du bist eine halbe Stunde zu früh dran, Süßer. Vierzehn Uhr war ausgemacht. He, du bringst ja jemand mit. Das war nicht …«

Ich unterbrach die Lady. »Wir kommen nicht wegen irgendeiner Verabredung. Mein Name ist Trevellian, mein Kollege Tucker. Wir sind vom FBI New York.«

»Was ist los, Sally?«, rief eine dunkle Stimme in der Wohnung. »Das geht alles von meiner Zeit ab.«

»Sie erhalten sicher eine Zugabe«, rief ich. Dann heftete ich den Blick wieder auf die Lady, die ihrem sündhaften Gewerbe zwangsläufig illegal nachging, nachdem Prostitution verboten und unter Strafe gestellt war.

Ihr Gesicht hatte sich verändert. Die Glätte darin war regelrecht zerbrochen. In ihren braunen Augen flackerte es. Ihrer Kehle entstieg ein ersterbender Laut.

»Wir haben ein paar Fragen an Sie«, sprach ich weiter. »Sie betreffen Ihren Nachbarn Jack White.«

Ihre Miene entkrampfte sich nur langsam. »Was wollen Sie denn wissen?«

»Wann haben Sie White zum letzten Mal gesehen?«

Sie nagte kurz an ihrer Unterlippe. »Gestern Nacht, gegen elf Uhr dreißig. Da kam er nach Hause. Ich weiß das, weil sich gerade ein Ku …« Sie verschluckte sich fast. »Ich wollte sagen, dass sich gerade ein Bekannter verabschiedete. Wenn ich mich nicht irre, dann Jack war angetrunken.«

»Komm endlich, Sally!«, drängte der Bursche in der Wohnung. »Was will der Kerl? Schick ihn fort.«

»Hat White seitdem die Wohnung wieder verlassen?«, fragte ich.

»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich bin um ein Uhr zu Bett gegangen und habe bis heute Vormittag um zehn Uhr wie eine Tote geschlafen.« Sie kicherte.

»Gibt es in diesem Gebäude einen Hausmeister?«

»Ja. John Cassidy in der ersten Etage.«

»Vielen Dank. Und jetzt sollten Sie den Burschen da drin nicht länger warten lassen, Ma‘am.«

»Soll ich Ihnen eine von meinen Visitenkarten geben?«, flötete der billige Marilyn-Verschnitt.

»Danke, kein Bedarf.«

Ich wandte mich ab. Milo grinste mich an. Hinter mir wurde die Tür zugedrückt. »Warum hast du sie nicht genommen? Vielleicht kommst du mal in die Verlegenheit, auf ein solches Angebot zurückgreifen zu müssen.« Jetzt wurde sein Gegrinse niederträchtig.

»So groß kann der Notstand gar nicht sein«, versetzte ich. »Und jetzt mach dich auf die Socken und hol den Hausmeister. Ich will einen Blick in die Wohnung werfen.«

»Das kann Probleme geben«, meinte Milo und schaute skeptisch. »Dieser Rechtsanwalt Slim Sheridan ist ein ausgefuchster Bursche, und wenn wir ihm etwas in die Hand geben, aus dem er uns einen Strick drehen kann, dann wird er nicht zögern.«

»Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird«, entgegnete ich. »Mein Gefühl sagt mir, dass etwas nicht stimmt. Ich will mich überzeugen.«

»Du und deine Gefühle.«

Ich zuckte mit den Schultern. Das Gefühl war da und ließ sich nicht verdrängen. Es beunruhigte mich.

Wortlos wandte Milo sich ab.

Zehn Minuten später kam er mit einem Mann zurück, der mit einem blauen Overall bekleidet war und auf dessen Kopf eine weiße Baseballmütze saß. »Ich kann Ihnen die Wohnungstür schon aufsperren«, sagte er. »Doch sind Sie auch legitimiert, sie zu betreten? Haben Sie einen Durchsuchungsbefehl?«

Damit konnten wir allerdings nicht aufwarten. »Wir möchten nur einen Blick hineinwerfen«, erklärte ich. »Uns überzeugen, dass alles in Ordnung ist.«

Er fixierte mich misstrauisch. »Was soll denn nicht in Ordnung sein?«

»Sperren Sie einfach auf«, mischte sich Milo ein. »Wir nehmen das auf unsere Kappe.«

Der Mann griff in die Hosentasche und holte einen Schlüsselbund heraus.



6

Jack White saß in einem der Sessel im Wohnzimmer. Sein Kopf war in den Nacken gefallen. Seine Augen waren wie im letzten Entsetzen seines Lebens weit aufgerissen, sein Mund wie zu einem stummen Schrei geöffnet. Um seinen Hals wand sich eine dünne Schnur.

Schlagartig trocknete mir der Mund aus. Mein Herzschlag beschleunigte sich.

»Großer Gott!«, entrang es sich Milo. Er stieß verbrauchte Atemluft deutlich hörbar durch die Nase aus.

Von dem Hausmeister kam gar nichts. Er stand da wie zu einer Salzsäule erstarrt und starrte mit dem Ausdruck des grenzenlosen Entsetzens auf den Toten. Fassungslosigkeit und Schreck legten seine Motorik lahm. Sein Gesicht hatte sich entfärbt.

Ich nahm mein Handy aus der Tasche und rief das Police Department an. Man sagte mir zu, ein Team der Mordkommission sowie der Spurensicherung zu schicken. Mein zweiter Anruf galt der Staatsanwaltschaft.

Wir rührten in der Wohnung nichts an. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft erschien. Etwas später kamen die Kollegen vom Homicide Squad. Sie hatten einen Arzt dabei. Der Polizeifotograf nahm die Leiche von allen Seiten auf, dann überließ er sie dem Doc.

»Der Tod dürfte vor etwa zwölf oder dreizehn Stunden eingetreten sein«, meinte der Arzt. »In den ersten zwei oder drei Stunden nach Mitternacht. Sieht aus, als wäre der Mann erwürgt worden.«

»Ermittelten Sie gegen White?«, fragte mich der Staatsanwalt.

Ich erstattete ihm mit knappen Worten Bericht. Schweigend hörte er zu. Dann murmelte er: »Möglicherweise wurde White von seinen Komplizen aus dem Weg geräumt, nachdem er in den Mittelpunkt des polizeilichen Interesses gerückt ist.«

»Davon gehe ich aus«, bestätigte ich. »Seine Komplizen haben befürchtet, dass er irgendwann umfällt und redet. Das haben sie auf die brutale Art und Weise verhindert.«

»Wir haben es hier mit jemandem zu tun, der über Leichen geht«, sagte Milo, als wir zum Field Office fuhren.

»Ja«, sagte ich. »Jetzt haben wir auch Mord im Spiel. Den Fisch, der an unserer Angel zappelte, haben wir allerdings verloren.«

Vom Büro aus rief ich Hank Hogan an. Seine Sekretärin erklärte mir, dass Hank beruflich unterwegs war. Ich wählte seine Handynummer, und im nächsten Moment hatte ich ihn am Apparat. »Jack White wurde in seiner Wohnung ermordet«, sagte ich.

»Sag bloß.«

»Jemand hat ihn erwürgt. Er muss seinen Mörder gekannt und in die Wohnung gelassen haben. Wie lange hast du White beobachtet?«

»Ich habe gegen zweiundzwanzig Uhr die Kneipe verlassen.«

»Du warst also nicht da, bis White ging?«

»Nein. Ich dachte, es genügt, zunächst einmal zu wissen, wo White verkehrt.«

»Okay, Hank. Hör du dich weiter um. Erkundige dich mal vorsichtig nach einem Mann namens Wallace. Was Johnny‘s Tavern und die drei Kumpel von White anbetrifft, werde ab sofort ich die Sache in die Hand nehmen. Wie sehen die Kerle aus?«

Hank beschrieb sie mir und endete mit den Worten: »Sicher haben Sie einen Stammplatz in der Verbrecherkartei. Sie könnten in jedem Hollywoodschinken als Bösewichte auftreten.«

»Schließt du vom Aussehen auf den Charakter eines Menschen?«, fragte ich lachend. »Wo ist deine Objektivität geblieben?«

»Ich habe im Laufe der Zeit einen Blick für Ganoven entwickelt«, versetzte Hank grollend. »Und bei den dreien handelt es sich um Ganoven allererster Ordnung.«

»Was hast du vor?«, fragte Milo, nachdem ich aufgelegt hatte. Er musterte mich prüfend, fast durchdringend, als wollte er in mein Bewusstsein eindringen und meine Gedanken ergründen.

»Ich werde mich in Johnny‘s Tavern begeben und mir die drei Kerle mal ansehen. Wenn Hanks Einschätzung zutrifft, sind sie vielleicht registriert. Warum sollte es sich bei ihnen nicht um Jack Whites Komplizen handeln?«

»Sicher«, murmelte Milo. »Wir dürfen keine noch so geringe Möglichkeit außer Acht lassen. Ich werde mich in der Nähe der Kneipe postieren und dir gegebenenfalls den Rücken freihalten.«

»Keine schlechte Idee«, lobte ich.

Kurz nach einundzwanzig Uhr betrat ich die Kneipe. Es war eine üble Spelunke. Das Publikum hier war unterste Schublade. Stimmendurcheinander, Gelächter und aggressive Musik empfingen mich. Hier wurde auch geraucht, obwohl das verboten war. Ein paar Frauen, die ich in Gesellschaft irgendwelcher verwegener Typen sah, hätte ich nicht mit der Beißzange angerührt.

Einige Gäste musterten mich aufmerksam. Ich hatte mir eine alte, abgewetzte Jeans und eine ebenfalls nicht mehr ganz neue Lederjacke angezogen. Darunter trug ich ein weißes T-Shirt mit dem Aufdruck Las Vegas quer über der Brust.

Ich ging zur Theke, an der noch einige Hocker leer waren, und nahm Platz. Ein Keeper mit schwarzen Koteletten, die bis zum Kinnwinkel reichten, fragte mich nach meinem Wunsch. Ich bestellte ein Beck‘s und bekam es.

»Ich habe Sie noch nie hier gesehen«, sagte der Keeper. »Sind Sie neu in der Gegend?«

»Ich war fünf Jahre lang weg«, erwiderte ich und grinste. »Viel hat sich geändert. Muss mich erst wieder ein wenig zurechtfinden.«

Die Brauen des Keepers hoben sich. »Fünf Jahre, wie? Wofür bekommt man fünf Jahre?«

»Wer sagt denn …«

Der Keeper winkte ab. »Mir brauchst du nichts zu erzählen. Wo warst du denn? Rikers Island?« Er hatte nun auch die Formalitäten weggelassen. Aber das war in dem Kreis, der sich hier ein Stelldichein gab, so üblich.

Ich nahm einen Schluck von dem Bier. »Ja. Scheiß Laden. Aber Gott sei Dank ist es vorbei. Jetzt werde ich erst einmal das Leben genießen. Cheers.« Ich nippte wieder an meinem Bier.

Der Keeper entfernte sich.

Ich drehte mich auf dem Barhocker herum und ließ meinen Blick durch das Lokal schweifen. Und ich sah drei Kerle an einem Tisch sitzen, auf die die Beschreibung Hank Hogans passte. Der eine war glatzköpfig und hatte einen Schnurrbart, dessen Enden bis zum Kinn hinunterreichten. Sein Gesicht wies einen asiatischen Einschlag auf. Um seinen Mund lag ein brutaler Ausdruck. Sein Hals war kurz und dick, die Schultern breit und muskulös.

Der andere hatte nackenlange, dunkle Haare, sein Gesicht war schmal und lief am Kinn spitz zu, seine Zähne standen etwas vor, was ihm das Aussehen einer Ratte verlieh. Seine Augen lagen tief in den Höhlen. Er trug einen goldenen Ohrring.

Der letzte Mann des Trios war jung, höchstens zwanzig. Er war blond, seine Nase war gepierct, er hatte die blonden, gesträhnten Haare zu einer dieser neumodischen Frisuren gestylt, die aussahen, als käme der Träger frisch aus dem Bett.

Das mussten die Kerle sein, mit denen sich Jack White in diesem Schuppen getroffen hatte. Unwillkürlich fragte ich mich, ob einer von ihnen Whites Mörder war. Jack White war nicht gerade schwach gewesen. Derjenige, der ihn erwürgte, musste ihm aber körperlich überlegen gewesen sein. Der Glatzköpfige kam dafür in Frage.

Der Keeper kam wieder her. »Seit wann bist du denn draußen?«

»Seit vier Tagen. Jetzt suche ich einen Job. Mit den paar Dollar, die ich besitze, kann ich keine großen Sprünge machen.«

»Verrätst du mir, weshalb sie dich weggesperrt haben?«

»Ich habe mich an den Autos anderer vergriffen. Konnte mich auf diese Art und Weise ganz gut über Wasser halten. Aber dann haben Sie mich gekrallt, und der Tanz war für die nächsten fünf Jahre vorbei.«

»Fünf Jahre hast du doch auf einer Backe abgesessen.«

»Im Nachhinein betrachtet – ja. Wenn sie vor dir liegen, kommen sie dir wie eine Ewigkeit vor.«

»Wo wohnst du denn?«

»Ich schlafe im Heim der Heilsarmee, bis ich einen Job und ein Apartment gefunden habe, das ich mir leisten kann. Eine Scheiß Situation, das kann ich dir sagen. Aber ich komme wieder auf die Beine.«

»Vielleicht habe ich was für dich«, meinte der Keeper. »Ich will dir aber nichts versprechen. Komm morgen Abend wieder her. Dann kann ich dir mehr sagen.«



7

Am nächsten Tag sichtete ich die Kartei mit den polizeilich registrierten Gangstern New Yorks. Es gab Möglichkeiten, die Suche einzugrenzen. So konnte man bestimmte Merkmale wie das ungefähre Alter, Größe, Haar- und Augenfarbe, das Gewicht und sogar die Schuhgröße als Suchkriterien eingeben.

Dennoch dauerte es mehr als zwei Stunden, bis ich fündig wurde. Es war das Konterfei des Glatzköpfigen, das mir vom Bildschirm entgegenblickte. Sein Name war Butch Wenders. Er war vierunddreißig Jahre alt und wegen Körperverletzung vorbestraft. Erlernter Beruf war Kfz-Mechaniker.

Ich druckte das Datenblatt aus.

Dann suchte ich weiter. Und meine Suche war erneut vom Erfolg gekrönt. Der Rattengesichtige hieß Jake Ballard und war zweiunddreißig Jahre alt. Er hatte keinen Beruf erlernt und vor seiner letzten Verurteilung wegen Drogenhandels als Türsteher in einer Bar in der Lower East Side gearbeitet.

Von dem Blonden mit dem Nasenpiercing fand ich nichts in den zur Verfügung stehenden Datenbanken. Er war also strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten.

Mein Telefon klingelte. Es war Hank Hogan. Er sagte: »Ich bin auf den Namen Wallace gestoßen. Sein Vorname ist Stan. Ich habe natürlich keine Ahnung, ob er mit dem Wallace, den ihr sucht, identisch ist. Stan Wallace ist jedenfalls kein Unbekannter in New Yorks Unterwelt.«

»Ich war in Johnny‘s Tavern«, erzählte ich. »Du hattest wohl Recht mit der Annahme, dass sich dort viele hundert Jahre Gefängnis ein Stelldichein geben. Zwei der Kerle, mit denen sich White in der Kneipe traf, sind übrigens registriert.«

»Sag mir ihre Namen«, forderte Hank.

Ich nannte sie. Dann verabschiedete sich Hank. Ich fütterte den Computer mit dem Namen Stan Wallace. Zwei Männer mit diesem Namen waren im Archiv erfasst, als Wohnsitz des einen war Philadelphia angegeben, der andere lebte in Colorado City. Ich bemühte das elektronische Telefonbuch des Staates New York. Es gab einen Stanford Wallace und vier Männer, die Stanley Wallace hießen. Nur einer von ihnen lebte im Big Apple, und zwar in Brooklyn. Ich rief bei ihm an. Eine Frau meldete sich. Sie erklärte mir, dass sich ihr Mann in der Arbeit befinde, und auf meine Nachfrage nannte sie mir den Arbeitgeber ihres Mannes. Es handelte sich um ein landwirtschaftliches Lagerhaus, in dem Stanley Wallace als Gabelstaplerfahrer beschäftigt war.

Milo und ich waren uns einig, dass es sich nicht um den Mann handelte, nach dem wir suchten.

Wir fuhren zu Adam Hatfield in die 69th Street. Er öffnete uns, und als ich sein Gesicht sah, erschrak ich. Hatfield war kaum wiederzuerkennen. Seine Augen waren zugeschwollen und blauschwarz, seine Lippen aufgeschlagen, sein Gesicht wies Schwellungen und Blutergüsse auf.

»Was ist mit Ihnen geschehen?«, entfuhr es mir betroffen, und ich ahnte die Antwort bereits.

»Am Tag, nachdem ich mit Ihnen gesprochen habe, läuteten zwei Kerle an meiner Tür. Sie gaben sich als FBI-Agenten aus, und ich öffnete arglos. Die beiden kamen in die Wohnung und schlugen mich zusammen.«

»Sprachen Sie etwas?«, fragte Milo.

»Nachdem sie von mir abgelassen hatten, meinte einer, dass ich es mir künftig wohl überlegen würde, ehe ich irgendwelche Namen preisgebe. Dann verschwanden sie.«

»Das waren Leute von Wallace«, knurrte ich. »Es tut mir Leid, Mister Hatfield.« Ich spürte Zorn in mir hochkriechen, da war aber auch das Gefühl einer ohnmächtigen Hilflosigkeit. Dennoch nahm ich mir vor, Kid Williams noch einmal in die Mangel zu nehmen. Nur er konnte Wallace darüber informiert haben, dass Hatfield uns seinen Namen verraten hatte.

»Es war mein Fehler, Ihnen den Namen Wallace zu nennen«, nuschelte Hatfield. Das Sprechen bereitete ihm Probleme.

»Kann es sein, dass Wallace mit Vornamen Stan heißt?«, fragte ich.

»Keine Ahnung.«

»Denken Sie nach, Hatfield«, stieß Milo hervor.

»Ich weiß es wirklich nicht. Lassen Sie mich in Ruhe. Ich kann Ihnen nichts sagen.«

»Selbst wenn Sie etwas wüssten, würden Sie es uns – nachdem Sie höllischen Besuch hatten – nicht sagen, wie?«

Hatfield schwieg verbissen.

»Waren Sie beim Arzt?«, wollte ich wissen.

»Ja. Sonst noch Fragen?«

»Nein.«

Unser nächster Weg führte nach Rikers Island. Kid Williams grinste schief, als er vorgeführt wurde. Die Häme stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Ihr schon wieder.«

»Sie haben Stan Wallace auf Adam Hatfield gehetzt«, brachte ich, was mich mit Zorn erfüllte, auf den Punkt. Dabei ließ ich Williams nicht aus den Augen. Und mir entging nicht, dass er einen Moment lang ziemlich verblüfft wirkte.

Doch dann bleckte er die Zähne. »Was Sie nicht sagen.«

»Hatfield wurde schlimm zusammengeschlagen.«

»Ich weiß zwar nicht, warum Sie mir das erzählen, aber ganz sicher habe ich kein Mitleid mit der Schwuchtel.«

»Wir könnten möglicherweise dafür sorgen, dass Sie vorzeitig auf Bewährung entlassen werden«, gab Milo zu verstehen.

Die Brauen von Williams schoben sich zusammen, über seiner Nasenwurzel bildeten sich zwei senkrechte Falten. »Sie wollen es mir schmackhaft machen zu reden. Vergessen Sie‘s.«

»Befürchten Sie, dass es Ihnen ergeht wie Hatfield?«

»Denken Sie, was Sie wollen.«

»Sie haben noch ein Jahr abzusitzen«, gab ich zu bedenken. »Eine lange Zeit.«

»Vielleicht werden zwei, drei oder vier Jahre draus«, fügte Milo hinzu, »wenn wir Ihnen nachweisen, dass Sie dafür verantwortlich sind, dass Stan Wallace Hatfield zwei Schläger auf den Hals schickte.«

Das Gesicht des Häftlings hatte sich wieder geglättet. Jetzt fuhr er sich mit der Zungenspitze über die Lippen und schaute nachdenklich. Er schien mit sich zu kämpfen. Milos Prophezeiung hatte ihn offensichtlich verunsichert. Doch dann schüttelte er den Kopf. »Vergessen Sie es. Von mir erfahren Sie nichts. Sie haben den Weg hierher umsonst gemacht.«

»Hast du seine Reaktion bemerkt, als du den Namen Stan Wallace nanntest?«, fragte Milo, nachdem wir das Gefängnis verlassen hatten. »Wir sind – wie es aussieht – auf der richtigen Spur. Stan Wallace ist unser Mann.«

»Ja, so sieht es aus. Allerdings gestaltet sich die Suche nach ihm wie die Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Im Moment ist er für uns nicht fassbar. Ein Phantom.«



8

Am Abend begab ich mich wieder in Johnny‘s Tavern und setzte mich an die Bar. Der Keeper grinste mich an. »Alles klar?«

»Nichts ist klar«, erwiderte ich. »Hab mich heute nach Arbeit umgesehen. Scheiß Spiel.«

»Hattest kein Glück, wie?«

»Nein. Wahrscheinlich steht es mir auf die Stirn geschrieben, dass ich aus dem Knast komme.«

»Jetzt wirf mal nicht gleich die Flinte ins Korn«, sagte der Keeper. »Willst du wieder ein Beck‘s?«

»Ja.« Ich konnte es mir leisten, Bier zu trinken, denn wie schon beim ersten Mal war ich mit der Subway bis zur Haltestelle in der Franklin Street gefahren. Den Wagen zu benutzen war mir zu gefährlich. Während meiner Laufbahn als Special Agent waren mir genügend Lektionen erteilt worden, die mich vorsichtig hatten werden lassen. Ich vermied es, mit meinen Aktionen das Schicksal herauszufordern.

Ich bekam das Getränk und nippte daran. Dann schaute ich mich um. Die drei Kerle, denen mein Interesse galt, waren nicht hier. Ansonsten war die Atmosphäre dieselbe wie am Abend vorher. Lachen, grölen, johlen, laute Musik, Stimmendurcheinander.

»Ich habe mit ein paar Freunden gesprochen«, so wandte sich der Keeper wieder an mich, nachdem er einige Getränke ausgegeben hatte, die eine Bedienung auf einem Tablett zu einem Tisch trug.

Ich widmete ihm meine Aufmerksamkeit.

»Deinetwegen«, fuhr er fort. »Sie haben Interesse an dir.«

»Es brennt mir gewaltig unter den Nägeln«, knurrte ich. »Du kannst dir ja denken, dass ich nicht mit Geld gesegnet bin. Warum tust du das für mich? Du kennst mich doch gar nicht.«

»Ich habe eben ein Herz für arme Hunde wie dich«, lachte der Keeper. Ich glaubte, ein heimtückisches Glitzern in seinen Augen wahrzunehmen, konnte mich aber auch täuschen.

»Wer sind deine Freunde?«, fragte ich. »Und was ist es für eine Art von Job, den sie mir bieten können?«

»Ich werde ihnen Bescheid sagen, dass du hier bist«, sagte der Keeper, ohne auf meine Fragen einzugehen. »Du kannst dich dann selbst mit ihnen unterhalten.« Der Keeper drehte den Kopf ein wenig und richtete seinen Blick auf die Eingangstür. Auch ich schaute in diese Richtung. Herein kam – Hank Hogan. Er schaute sich um, dann steuerte er einen leeren Tisch an und ließ sich nieder. Hank trug eine schwarze Lederhose, ein gelbes T-Shirt, um den Kopf hatte er sich ein rot-blau-kariertes Tuch gebunden, was ihm das Aussehen eines Seeräubers verlieh. Der Keeper wandte sich wieder mir zu. »Ein ganz schöner Brocken, wie?«

Er meinte Hank. Ich nickte. »Der stellt Arnold Schwarzenegger in den Schatten. Verkehrt der hier?«

»Ich habe ihn vorgestern zum ersten Mal gesehen.« Der Keeper holte ein Handy aus einem Schub, klickte eine Nummer auf das Display, stellte die Verbindung her und hob es an sein Ohr. Gleich darauf sagte er: »Der Bursche ist hier.« Dann lauschte er einen Augenblick, schließlich fragte er mich nach meinem Namen.

»Jed Stiller«, antwortete ich.

»Er heißt Jed Stiller«, sagte der Keeper. Und nach kurzer Zeit: »Okay. Geht in Ordnung. Ich sage es ihm.« Er unterbrach die Verbindung, legte das Mobiltelefon in den Schub zurück und schaute mich an. »Jemand wird dich gleich abholen, Stiller.«

»Wieso? Ich verstehe nicht. Kommen deine Freunde nicht her?«

»Sie werden dich jemandem vorstellen, jemand, der entscheidet, ob man dich mit ins Boot nimmt oder nicht.«

Ich warf einen schnellen Blick über die Schulter und sah die Bedienung bei Hanks Tisch stehen. Als ich mich wieder dem Keeper zuwandte, zauberte dieser ein Grinsen in sein erstarrtes Gesicht, ein Grinsen, an dem die Augen nicht teilnahmen. Sein Blick irrte ab.

In mir schlugen die Alarmglocken an. Was stimmte nicht mit diesem Kerl? Hatte mich gestern Abend jemand in der Kneipe erkannt und dem Keeper meine wahre Identität verraten? Sekundenlang verspürte ich einen dumpfen Druck in der Magengegend. Aber dann gab ich mir einen Ruck und beruhigte mich damit, dass ich einer Einbildung erlegen war.

Ich griff nach der Bierflasche. Da sagte hinter mir eine dunkle Stimme: »Was sucht denn das FBI an einem Ort wie diesem?«

Mein Kopf zuckte herum. Grinsend stand Hank hinter mir. Ich war wie vor den Kopf gestoßen. War er verrückt geworden?

»Ohne Zweifel! Du bist Jesse Trevellian vom FBI New York. Erkennst du mich wieder?«

Das Grinsen in Hanks Gesicht war erloschen. Er starrte mich geradezu feindselig an. In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Hank musste in der Tat übergeschnappt sein. Welcher Teufel ritt ihn?

»Es ist einige Jahre her«, so hieb wieder die Stimme Hanks in mein Denken. »Sicher hast du mich bei der Vielzahl deiner Fälle in der Zwischenzeit vergessen.« Seine Hand wischte durch die Luft. »Egal.«

Irgendeinen Grund muss Hank ja haben!, brüllte es durch meinen Verstand. Spiel mit, Jesse. Steig in das Spiel ein. »Sie müssen sich irren«, presste ich hervor. »Mein Name ist Jed Stiller. Ich …«

Hank winkte ab. »Du brauchst keine Angst vor mir zu haben, Trevellian. Ich habe zwar geschworen, dir sämtliche Knochen zu brechen, wenn du mir zwischen die Finger gerätst, aber im Laufe der Jahre hat sich meine Wut auf dich gelegt. – Ich gebe sogar einen aus. Was trinkst du, Trevellian? Beck‘s? Gib ihm ein Beck‘s auf meine Rechnung, Keeper.«

Hank lachte, schwang herum und kehrte zu seinem Tisch zurück.

»Du elender Schnüffler!«, herrschte mich der Keeper an.

In diesem Moment betrat ein Mann das Lokal. Es war der rattengesichtige Jake Ballard. Er grinste hinterhältig. Und plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich sollte in eine Falle gelockt werden. Noch waren mir die Zusammenhänge nicht klar.

Jake Ballard war heran. »Bist du Stiller?«

»Ich bin Special Agent Trevellian, FBI New York«, antwortete ich, entschlossen, mit offenen Karten zu spielen, nachdem mich Hank Hogan – aus welchem Grund auch immer – enttarnt hatte. »Ich habe einige Fragen an Sie.«

Ballard funkelte mich an. In seinem Gesicht arbeitete es. »Was wolltest du denn hier für eine Nummer abziehen, Bulle? Hinter wem bist du her?«

»Es geht um Jack White.«

»Jack ist tot. Dem hat einer den Lufthahn abgedreht. Verschwinde, Bulle, ehe wir hier Hackfleisch aus dir machen.«

Einige Kerle in der näheren Umgebung waren aufmerksam geworden. Sie beobachteten uns. Ich wusste zwar, dass Milo draußen die Stellung hielt, aber ich konnte keinen Kontakt zu ihm aufnehmen. Die Atmosphäre mutete mich plötzlich angespannt und gefährlich an. Ich nickte und sagte: »Okay, Mister Ballard. Sie werden eine formelle Vorladung ins Field Office erhalten. Wenn Sie ihr nicht folgen, lassen wir Sie vorführen.«

Ich rutschte vom Barhocker. Die Kneipe glich einem Pulverfass, in das nur noch ein Funke zu fallen brauchte. Schnell strebte ich dem Ausgang zu. Es war angesagt, die Segel zu streichen. Die Kerle an den Tischen ringsum erinnerten mich unvermittelt an ein Rudel Wölfe, das jeden Moment über ihr Opfer herfallen würde.

Ich schoss Hank einen schnellen Blick zu. Er hatte sich auf seinem Stuhl zurückgelehnt und feixte. Dann war ich draußen. Tief inhalierte ich die frische Abendluft. Da trieb eine höhnische Stimme aus der Dunkelheit: »Hi, Trevellian. Dein Pech, dass heute ein Bild von dir in der Evening Post war. Der Keeper hat dich erkannt. Wir werden dir jetzt einen Denkzettel erteilen.«

Eine Gestalt kam von der Seite auf mich zu. Ich erkannte Butch Wenders. Er hatte hinter der Hausecke gestanden. Die Kerle hatten mich erwartet. Ich wappnete mich.

Details

Seiten
Erscheinungsjahr
2023
ISBN (ePUB)
9783738972634
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (März)
Schlagworte
krimi doppelband zwei thriller

Autoren

  • Alfred Bekker (Autor:in)

  • Pete Hackett (Autor:in)

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Titel: Krimi Doppelband 2241 - Zwei Thriller