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Commander John Darran 2: Operation Chaos

von Alfred Bekker (Autor:in)
©2023 160 Seiten

Zusammenfassung

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John Darran blickte nachdenklich auf den Hauptschirm. In der Kommandozentrale der EXPLORER II herrschte eine angespannte Stille. Darran erhob sich aus dem Kommandosessel, verschränkte dann die Arme.

Noch war der Magnetwerfer nicht einsatzfähig. Aber Darran hatte volles Vertrauen in seine Leute. Er war überzeugt davon, dass sie es schaffen würden.

"Sir, ich habe eine eigenartige Signalfolge aufgezeichnet", erklärte Lieutenant Marc Johannsen. "Ausgehend von der ARMSTRONG. Eine Folge von Impulsen..."

John Darran hob die Augenbrauen. "Eine codierte Nachricht?"

"Wäre möglich. Obwohl dafür bei der Star Force eigentlich andere Kanäle benutzt werden..."

Darran lächelte dünn.

"Wem sagen Sie das..."

"Ich lasse die Signale auf Muster hin untersuchen, hinter denen sich möglicherweise Codierungen verbergen können."

"Tun Sie das", stimmte John Darran zu.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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Commander John Darran 2: Operation Chaos

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von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 120 Taschenbuchseiten.

Alfred Bekker (Brian Carisi) schreibt Fantasy, Science Fiction, Krimis, historische Romane sowie Kinder- und Jugendbücher. Seine Bücher um DAS REICH DER ELBEN, die DRACHENERDE-SAGA,die GORIAN-Trilogie und seine Romane um die HALBLINGE VON ATHRANOR machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er war Mitautor von Spannungsserien wie Jerry Cotton, Kommissar X und Ren Dhark. Außerdem schrieb er Kriminalromane, in denen oft skurrile Typen im Mittelpunkt stehen – zum Beispiel den Titel DER TEUFEL VON MÜNSTER, wo er einen Helden seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einer sehr realen Serie von Verbrechen macht.

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General Jay Sindraman blickte auf die völlig flimmerfreien Computerschirme. An den dazugehörigen Terminals saßen die erfahrensten Spezialisten des PAZIV-Geheimdienstes. Profis auf dem Gebiet der EDV-Spionage.

Major Sung stand neben Sindraman. Sein Gesicht wirkte so unbewegt, wie man es von ihm gewohnt war. Nicht die kleinste Regung ließ erkennen, was er dachte.

Eine Maske, dachte Jay Sindraman. Und hinter diese Maske lässt Sung für gewöhnlich niemanden blicken... Er spielt mit verdeckten Karten und wird irgendwann seine verborgenen Trümpfe gegen mich ausspielen. Ich werde auf ihn aufpassen müssen.

Einer der Computerspezialisten drehte sich halb herum und deutete dabei mit der Linken auf den Schirm.

"Die OPERATION CHAOS ist eingeläutet", erklärte er.

"Gut", nickte Sindraman.

"Sie sehen diese Website, auf der Unterhaltungselektronik angeboten wird... Der dazugehörige Vertrieb existiert wirklich."

"Eine perfekte Tarnung", murmelte Sindraman. Der EDV-Spezialist deutete auf ein kleines Symbol unterhalb des Firmenlogos. Es bestand aus mehreren ineinanderhängenden Ellipsen.

"Unsere Leute klicken diese Seite mindestens einmal am Tag an. Darauf sind sie konditioniert. Wenn dieses Symbol dort auftaucht, wird bei ihnen das posthypnotische Programm ausgelöst."

"Aus ganz normalen Durchschnittsbürgern werden gefährliche Saboteure."

"Welchen Agenten sollen wir als erstes aktivieren?" Auf dem Bildschirm erschien eine Liste von Namen. Die dazugehörigen Adressen waren über das Gebiet der gesamten Westunion verteilt.

"Nehmen Sie Nummer 1432", sagte Jay Sindraman. Der EDV-Spezialist hob die Augenbrauen.

"Zach Dalglish, 345 Johnson Road, Minneapolis... Dalglish ist Ingenieur in einem der letzten noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke."

"Kein schlechter Anfang, um Sabotagekrieg zu beginnen...", musste Major Sung anerkennen.

Sindraman nickte.

"Jedenfalls wird die Westunion in nächster Zeit sehr stark mit sich selbst beschäftigt sein..."

Sung bedachte Sindraman mit einem eisigen Blick.

"Ich hoffe für Sie, dass Sie alles richtig kalkuliert haben, General..."

Sindraman lächelte dünn.

Was war das?, fragte er sich. So gut du auch gelernt haben magst, deine Emotionen zu verbergen: deine Absichten sind für mich ein offenes Buch...

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Zach Dalglish nahm wie automatisch die Datenbrille, aktivierte sie und setzte sich dann in einen der großen, etwas klobig und altmodisch wirkenden Ledersessel, die so gar nicht zu seinem ansonsten sehr schlicht und modern eingerichteten Apartment passten. Es war exakt 19.02 Uhr.

Jeden Tag um genau diese Zeit wählte Zach Dalglish die Website der Firma ElectronicWorld an.

Es war ein innerer Zwang, gegen den er sich nicht zu wehren vermochte. Die Bewegungen wurden dann wie automatisch. Als ob eine fremde Macht seinen Körper lenkte und dafür sorgte, dass er schließlich mit der Datenbrille im Sessel saß.

Er sah sich die Website an, obwohl er sich kaum für die dort angebotene Unterhaltungselektronik interessierte. Interaktive Computerspiele, Spiele bei denen man mit Hilfe eines Datenanzugs in eine Cyberwelt eintauchen konnte, die so täuschend echt wirkte, dass man sie leicht mit der physischen Realität verwechseln konnte... Für all diese Dinge hatte Zach Dalglish keine Zeit.

Er hatte schon beruflich viel mit Computern zu tun, da stand ihm im privaten Bereich nicht der Sinn danach.

Nur der tägliche Klick auf die Website von ElectronicWorld - das war ein absolutes Muss. Keine Verabredung zum Essen, kein noch so wichtiges Ereignis hätte ihn davon abhalten können, exakt um 19.02 Uhr die Datenbrille aufzusetzen.

Später fragte er sich dann manchmal, was es eigentlich war, das ihn immer wieder dazu trieb, sich Angebote anzuschauen, die ihn überhaupt nicht interessierten. Er hatte bis jetzt nicht ein einziges Mal irgendein Produkt von ElectronicWorld bestellt.

Und doch...

Der Zwang zur Wiederholung war einfach übermächtig.

Später konnte er sich dann oft nicht einmal mehr an den Firmennamen oder die Internetadresse erinnern.

Aber er konnte vollkommen sicher sein, dass ihm das alles exakt um 19.02 Uhr am nächsten Tag wieder einfiel.

Vielleicht bist du schon verrückt geworden und hast es nur noch nicht gemerkt!, dachte Zach Dalglish. Die psychischen Folgen gering dosierter Radioaktivität war nach wie vor ein kaum erforschtes Gebiet, obgleich anzunehmen war, dass es da gewisse Effekte geben musste.

Dalglish erinnerte sich vor Jahren einmal von einer Untersuchung gehört zu haben, die einen statistischen Zusammenhang zwischen leicht erhöhten Strahlungsdosen, wie sie für die Mitarbeiter von Kernkraftwerken auch heute noch unvermeidbar war und dem Ausbruch von Schizophrenie erkannt zu haben glaubte.

Ob da etwas dran war, konnte Dalglish nicht beurteilen. Er hatte von der Untersuchung auch nie wieder etwas gehört. Vielleicht hatte der Energiekonzern, dem die drei Meiler von Candermere, etwa zwanzig Kilometer von Minneapolis entfernt, gehörten, dafür gesorgt, dass die Studie nicht weiter verbreitet wurde. Mit Geld ließ sich da so manches machen.

Dass der Kernenergie nicht die Zukunft gehörte wusste man seit einem halben Jahrhundert. Candermere gehörte zu den letzten Anlagen dieser Art, die errichtet worden waren. Natürlich hatten die Betreiber ein Interesse daran, dass die Anlage so lange wie möglich in Betrieb blieb. Böse Zungen behaupteten, dass das Wichtigste in Candermere hergestellte Produkt nicht Energie war, sondern das spaltbare Material, das die Militärs für ihre eigenen Zwecke aufkauften.

Zach Dalglish dachte über diese Dinge kaum nach.

Er hatte einen sehr gut bezahlten Job, der ihm Spaß machte. Was wollte man mehr?

Dalglish sah sich die ElectronicWord-Website in der Surround Projektion seiner Datenbrille an. Man hatte einen Drei-D-Eindruck dabei, der sehr plastisch war. Mit fieberhafter Hektik suchten Dalglishs Augen die Site ab...

...und fanden, was sie suchten.

Drei ineinander verschlungene Ellipsen.

Das Symbol.

Es durchzuckte Zach Dalglish wie ein Blitz, als er dieses Zeichen sah.

Von einer Sekunde zur anderen war jede Nervenfaser in seinem Hirn aktiviert. Er war so hellwach wie seit langem nicht mehr. Es war wie das Erwachen aus einer Art halbbewusstem Dämmerzustand. Plötzlich erschienen Bilder vor seinem inneren Auge. Diese Bilder waren von geradezu bestechender Plastizität und Präzision. Du siehst, was geschehen wird!, durchzuckte es Dalglish. Du siehst es so, als wäre es längst Vergangenheit...

Es war wie ein Programm, das vor ihm lag.

Ausgelöst durch einen winzigen Moment.

Durch jenen Augenblick, in dem er dieses eigenartige Symbol auf der ElectronicWorld-Website gesehen hatte. Auf einmal war diese Site für ihn völlig uninteressant.

Gerade noch war es ihm vorgekommen, als hinge sein Leben davon ab, diese Site exakt um 19.02 Uhr anzuklicken und sie nach etwas zu durchsuchen, von dem er selbst nicht wusste, was es eigentlich war.

Jetzt hatte er es gefunden.

Er nahm die Datenbrille vom Kopf, ließ sie achtlos sinken. Sie rutschte von der Armlehne des Ledersessel zu Boden. Dabei war sie noch immer aktiviert.

Dalglish erhob sich.

In einer Stunde beginnt deine Abendschicht, ging es ihm durch den Kopf.

Für acht Stunden würde er zusammen mit einer Handvoll Kollegen im Kontrollraum des Atomkraftwerks Candermere sitzen. Du weißt genau, was du zu tun hast!, durchfuhr es ihn. Jedes Detail lag fest. Er spürte, dass es der Plan eines fremden Geistes war, der in ihm Gestalt annahm. Aber nichtsdestotrotz würde er ihn ausführen. Es gab nichts, was ihn davon abhalten konnte.

Nichts.

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Robert Berringer nippte an seinen Kaffeebecher. Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse, als er das kaltgewordene Gebräu hinunterschluckte.

Den Mitgliedern des Krisenstabs sah man die Müdigkeit deutlich an. Alle hatten Ringe unter den Augen und wirkten blass.

"Wir haben eine verschlüsselte Nachricht von der ARMSTRONG bekommen", berichtete Major Sander Brock, ein hoher Geheimdienstoffizier. "Danach plant Commander Gonzalez auf das Angebot John Darrans zum Schein eingehen, in der Hoffnung, auf diese Weise eine Gelegenheit zu bekommen, die Verrückten auszuschalten!"

"Dann dürften Darrans Leute jetzt auch Bescheid wissen", war Wilbert McCloud überzeugt. "Wie kann Gonzalez nur so dämlich sein, eine Nachricht dieses Inhalts zu senden! Der Plan ist doch jetzt schon gestorben."

"Sie irren", erklärte Sander Brock. Er wandte sich an Präsident Berringer. "Darf ich General McCloud einweihen?", fragte er und hob dabei die Augenbrauen.

"Einweihen?", fuhr McCloud dazwischen. "Das wird ja immer doller! Meines Wissens bin immer noch ich für die Star Force zuständig! Und niemand anderes?" McCloud schüttelte verständnislos den Kopf. "Wenn das so ist, kann ich ja gleich die Brocken hinschmeißen!"

Sander Brock hob die Augenbrauen. "Wollen wir uns wirklich in kleinkarierten Kompetenzstreitigkeiten ergehen, General? Ich denke, wir haben Wichtigeres zu tun."

McClouds Gesicht wirkte in diesem Moment so zerknautscht wie ein getragenes Hemd in jenen fernen Zeiten, als bügelfreie Gewebe noch nicht der Standard waren. Er sandte einen geradezu hilfesuchenden Blick in Richtung des Präsidenten.

"Vielleicht bekomme ich von Ihnen jetzt eine Erklärung, Sir!", forderte er.

Er betonte das 'Sir' dabei auf eine Weise, dass dieses Wort wie eine schallende Ohrfeige klingen ließ.

Scheint, als hätte man mich inzwischen zu einer Art

Frühstücksdirektor der Star Force degradiert!, ging es ihm ärgerlich durch den Kopf. Die eigentlichen Entscheidungen trifft Berringer persönlich - und wenn es sein muss auch einfach an mir vorbei... McCloud gefiel das nicht.

Er spürte einen Kloß im Hals.

Das Uniformhemd wurde ihm eng, aber er verzichtete trotzdem darauf, den obersten Knopf zu lösen und die Krawatte zu lockern.

"Weihen Sie General McCloud ein", wies Präsident Robert Berringer den Geheimdienstoffizier an.

Sandor Brock nickte leicht. Ein spöttisches Lächeln umspielte seine dünnen Lippen. Dieser Mann war McCloud schon unsympathisch gewesen, als er ihn zum ersten Mal gesehen hatte.

"Commander Gonzalez ist einer unserer Leute", erklärte Brock gelassen und lehnte sich etwas zurück. Seine Finger tickten nervös auf der Kunststoffmappe herum, die vor ihm auf dem Konferenztisch lag. McClouds Augen quollen ungläubig hervor.

"Das kann nicht sein! Ich habe Gonzalez' Weg von der Akademie an verfolgt und selbst dafür gesorgt, dass er Commander wurde!" Sander Brocks Stimme klirrte wie Eis.

"Wir haben ihn vor drei Jahren angeworben und Commander Gonzalez war gerne bereit, mit uns zusammenzuarbeiten..."

"Das kann ich nicht glauben!"

"Ich hoffe, Sie verlangen jetzt nicht, dass ich Ihnen dafür sämtliche Unterlagen vorlege, General McCloud."

McCloud war außer sich.

Sein Gesicht lief dunkelrot an.

"Sie spionieren die Star Force aus? Statt dessen wäre es Ihre Aufgabe, Informationen über das zu sammeln, was sich im Gebiet der PAZIV so tut..."

"Präsident Berringer war auch der Ansicht, dass es nötig ist, verdeckte Agenten innerhalb der Star Force und anderen wichtigen militärischen und zivilen Organisationen zu führen", erwiderte Sander Brock kalt. "Die Berkewitz-Affäre, der Sie beinahe zum Opfer gefallen wären, hat das doch auf eindrucksvolle Weise unterstrichen." McCloud atmete tief durch. Sander Brock argumentierte geschickt. Zumindest das musste der General der Star Force seinem gegenwärtigen Kontrahenten am Tisch des Krisenstabes zugestehen. Er setzte noch einmal an.

"Aber trotz Ihrer Methoden haben Sie nicht verhindern können, dass feindliche Agenten die Star Force unterwanderten..."

"Ich gebe gerne zu, dass wir noch nicht perfekt sind", bestätigte Brock. "Aber beim nächsten Mal verdanken Sie oder jemand anderes unseren Leuten und den Informationen, die sie liefern, vielleicht Ihr Leben!"

McCloud machte eine wegwerfende Handbewegung.

"Mir gefällt nicht, dass ich darüber nicht informiert wurde!"

"Dem Umstand, dass Gonzalez einer unserer Leute ist, ist zu verdanken, dass wir die Nachricht der ARMSTRONG in einem gerade neu entwickelten computergestützten Codierungssystem erhalten haben."

"Sie wissen, dass man jedes Codierungssystem mit Hilfe eines schnellen Rechners knacken kann", gab McCloud zu bedenken.

"Früher oder später jedenfalls."

"Früher oder später - das ist genau der Punkt auf den es ankommt!"

"Wenn man die überlegene Technik bedenkt, die Darran und seinen Leuten zur Verfügung steht, dann wird man wohl davon ausgehen können, dass dieser Code eher früher geknackt wird!"

"Irrtum", erwiderte Sander Brock. "Wir haben in diesen Code einige Gemeinheiten hineingepackt, die dafür sorgen, dass selbst ein hochentwickelter, sehr schneller Rechner eine Weile braucht, bis er das System geknackt hat. Und was Darran und seine Leute betrifft sie mögen die Technik der Fremden in ihren Händen halten, aber keiner von uns weiß wirklich, wie gut sie sie beherrschen... Schließlich kann ein Orang Utan auch nichts mit einem Computer anfangen, wenn man ihm einen zur Verfügung stellt."

"Ein schlechter Vergleich", fand McCloud.

Sander Brock zuckte die Achseln. "Warum? Für diese Fremden sind wir wahrscheinlich auch nicht mehr als halbwilde Affen auf einem Hinterwäldlerplaneten..."

"Was ist mit den anderen Schiffen?", fragte McCloud.

"Es gibt keine Möglichkeit, sie über Gonzalez' Plan zu informieren. Jedenfalls nicht, wenn wir wollen, dass er geheim bleibt", antwortete Brock.

In diesem Moment summte ein Sprechgerät, das vor Berringer in den Konferenztisch eingelassen war.

"Was gibt es?", fragte Berringer. "Ich hatte doch gesagt, dass ich nicht gestört werden möchte, es sei denn, es gibt neue Informationen über..."

"Sir!", unterbrach eine aufgeregte Männerstimme den Präsidenten.

"Sie sollten sich unbedingt die Nachrichten im Web anschauen... In Minneapolis bahnt sich eine Katastrophe an..."

"Was immer es auch sei, die Nation wird auf meine anteilnehmenden Worte etwas warten müssen!", knurrte Berringer. Er wollte jetzt einfach nicht gestört werden. Was konnte schon die Prioritätsstufe übersteigen, den die Technologie eines außerirdischen Raumfahrervolkes für ihn haben konnte? Da konnte er sich nicht viel vorstellen.

"Sagt Ihnen der Name Candermere nichts?"

Berringer wurde blass.

Minneapolis! Candermere... Und ob ihm das etwas sagte. Robert Berringer hatte plötzlich das Gefühl, dass es sehr heiß im Raum war. Der Hemdkragen wurde ihm eng. Berringer öffnete ihn. Jetzt begriff er.

"Eines der letzten Atomkraftwerke...", flüsterte er.

"Es bahnt sich ein Supergau an. Schlimmer als Tschernobyl oder Johannesburg vor sieben Jahren..."

Niemand im Raum sagte ein Wort.

Die Hände des Präsidenten ballten sich zu Fäusten.

"Verdammt!", knurrte er zwischen den Zähnen hindurch. "Das hat uns gerade noch gefehlt..."

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John Darran blickte nachdenklich auf den Hauptschirm. In der Kommandozentrale der EXPLORER II herrschte eine angespannte Stille. Darran erhob sich aus dem Kommandosessel, verschränkte dann die Arme.

Noch war der Magnetwerfer nicht einsatzfähig. Aber Darran hatte volles Vertrauen in seine Leute. Er war überzeugt davon, dass sie es schaffen würden.

"Sir, ich habe eine eigenartige Signalfolge aufgezeichnet", erklärte Lieutenant Marc Johannsen. "Ausgehend von der ARMSTRONG. Eine Folge von Impulsen..."

John Darran hob die Augenbrauen. "Eine codierte Nachricht?"

"Wäre möglich. Obwohl dafür bei der Star Force eigentlich andere Kanäle benutzt werden..."

Darran lächelte dünn.

"Wem sagen Sie das..."

"Ich lasse die Signale auf Muster hin untersuchen, hinter denen sich möglicherweise Codierungen verbergen können."

"Tun Sie das", stimmte John Darran zu.

Major Net Rovan meldete sich zu Wort. "Dann wird das Elektronenhirn dieses Raumschiffs endlich mal auf eine echte Probe gestellt!" Er lachte trocken.

"Ich bin wirklich gespannt, was die tun, wenn dieses Ultimatum abgelaufen ist und wir uns nicht so einfach ergeben haben, wie unsere Kameraden auf der anderen Seite sich das vorstellen", meinte Rollins.

"Ich fürchte, sie werden einfach ihre Befehle ausführen", war John Darran überzeugt. Er blickte auf das Chronometer an seinem Handgelenk. "Keine Stunde mehr und es ist vorbei..."

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Minus 28 Grad Celsius oder 201,5 Kelvin zeigte das Thermometer. Mittagstemperaturen im Marssommer. Nachts fiel die Temperatur um diese Jahreszeit auf bis zu unter Minus achtzig Grad Celsius. Auf Grund der geschützten Lage blieben die Sommernächte innerhalb des Lowell Kraters mit durchschnittlich etwa 70 Grad Minus etwas wärmer.

Lieutenant Gus Morgan befand sich außerhalb der irdischen Marsstation, aus der John Darran FUTURE POINT machen wollte. Er führte mit Hilfe eines entsprechenden elektronischen Moduls Vermessungen durch. Mit den gemessenen Daten würden dann die Materieumwandler des Kugelraumers gefüttert werden, um anschließend aus der planetaren Marsmaterie die benötigten Bauelemente zu formen. Der Lowell-Krater würde innerhalb kürzester Zeit nicht wiederzuerkennen sein.

Gus Morgan bewegte sich in seinem Druckanzug an einen ganz bestimmten Punkt, hatte dabei immer ein Auge auf das Vermessungsmodul gerichtet, das er in der Linken trug. Selbst für einen Mann wie ihn, einen Angehörigen der Star Force, war dies kein Arbeitsplatz wie jeder andere. Und die Umstände, unter denen er hier erste Vorarbeiten zum Aufbau eines Raumhafens durchführte, waren erst Recht keine Routine.

Der Kontrollschirm des etwa handgroßen Moduls zeigte an, dass er sich in der richtigen Position befand.

John Darran Pläne waren ziemlich ehrgeizig. Die Ausmaße von Port Mars würden die der alten Marsstation erheblich überschreiten. Am rotbräunlich schimmernden Marshimmel waren große, wirbelförmige Wolkenformationen zu sehen. Morgens lösten Sonnenstrahlen die dünnen Eisschichten am Boden auf. Der Frühdunst stieg dann auf und kondensierte beim Aufstieg in die Atmosphäre wieder. Auf diese Weise entstanden große schleierartige Gebilde am Himmel. Neben den Wasser-Wolken gab es auch wellenförmige Wolken aus Trockeneis, die typischerweise an Kraterhängen auftraten.

Gus Morgan steckte der Amoklauf von Sergeant Case Lester noch in den Knochen. Er hatte den Sergeant erschießen müssen, um das Leben von Lieutenant James O'Donnell zu retten. Morgan hatte keine andere Wahl gehabt. Ein Leben gegen das andere. Die Schuld lag einzig und allein bei Case Lester, bei niemandem sonst. Verstandesmäßig war ihm das klar.

Aber auf der anderen Seite hatte er Lester gut gekannt. Sie hatten zusammen die Raumakademie besucht, sich später oft in schwierigen Situationen beigestanden. Gus Moregan hatte Case Lester für so etwas wie einen Freund gehalten. Jetzt fragte er sich, ob er diese Meinung nicht vielleicht revidieren musste. Schließlich hatte Lester ihn nicht eingeweiht, als er vorhatte auf eigene Faust eine Art Ein-Mann-Krieg für die Regierung der Westunion zu führen. Er hat es dir nicht gesagt, dachte Morgan. Wahrscheinlich, weil er deine Reaktion vorausahnte. Möglicherweise auch nur aus purer Angst.

Morgan konnte sich noch immer nicht erklären, was Lester letztlich zu seiner Tat getrieben hatte.

Und er fragte sich, ob es nicht doch eine andere Möglichkeit gegeben hätte.

Mach dir keine Vorwürfe!, ging es ihm durch den Kopf. Das führt zu nichts. Es gibt Situationen, in denen kannst du handeln, wie du willst. Du wirst immer das Gefühl haben einen Fehler gemacht zu haben... Und dies war so eine Situation.

Drei von sechs an der Mission beteiligten Männer waren jetzt tot. Das bedeutete, dass jeder von ihnen nun das doppelte Pensum schaffen musste.

Sie hatten sich kurz darüber beraten: Lieutenant O'Donnell, Morgan und der dritte Überlebende Sergeant Norman Coburn. O'Donnell und Coburn waren der Überzeugung gewesen, den Auftrag auch ohne weitere Unterstützung erfüllen zu können. Morgan hatte da etwas mehr Skepsis gehabt, aber letztlich auch zugestimmt. Schließlich herrschte unter John Darrans Leuten akute Personalknappheit. Sowohl an Bord der EXPLORER II als auch in dem zweiten Beiboot, das gerade Instand gesetzt wurde, konnte auf niemanden verzichtet werden.

Lieutenant O'Donnell meldete sich über Funk.

"Alles klar, Gus?", erkundigte er sich.

"Alles klar."

"Wir kommen hier gut vorwärts. Wie sieht's bei dir aus?"

"Wird sich noch ein bisschen hinziehen, aber wir müssten im Zeitplan bleiben."

"Freut mich zu hören."

"Tut sich was im Orbit?"

"Bis jetzt keine Neuigkeiten."

"Ich hoffe, wir werden rechtzeitig gewarnt, wenn die Star Ship-Flotte zur Landung ansetzt..."

"Davon kannst du ausgehen."

"Ich habe keine Lust, hier draußen plötzlich festgenommen zu werden..."

"Angst vor den kleinen grünen Männchen?"

"Unter umgedrehten Vorzeichen sozusagen."

Eines Tages sind wir die Marsianer, dachte Morgan. Spätestens, wenn Menschen hier dauerhaft leben und siedeln, dann wird es auch Menschen geben, die den Mars als ihre Heimat betrachteten. In jedem Fall galt das für diejenigen, die hier geboren wurden.

"Gus?", klang es in seinem Helmfunk.

Dann war der Kontakt plötzlich weg.

Die Verbindung wurde wohl unterbrochen. Irgendwelche Störungen in der Atmosphäre konnten dafür verantwortlich sein. Gus Morgan starrte einige Augenblicke lang auf den Kontrollschirm des Vermessungsmoduls, ließ das Gerät dann sinken. Ein eigenartiges Gefühl erfasste ihn. Auf einmal war es für ihn nicht mehr wichtig, irgendwelche Kontrollpunkte aufzusuchen, Daten zu sichern, Vermessungen durchzuführen...

Da war etwas anderes.

Ein geradezu übermächtiger innerer Drang steuerte ihn. Er konnte sich dem nicht entziehen.

Jetzt!, ging es ihm durch den Kopf. Es ist deine Zeit! Du darfst sie nicht versäumen...

Seine Gesichtszüge wurden starr.

Er richtete den Blick auf das gepanzerte Fahrzeug, mit dem sein Trupp hier her gefahren war.

Du musst dich beeilen!, hämmerte es in ihm. Seine innere Uhr war unbestechlich. Jeden Tag um dieselbe Zeit hatte er eine ganz bestimmte Aufgabe. Und dabei spielte es keine Rolle, wo er sich befand, ob auf dem Mars oder irgendwo in einem Star Ship zwischen Erde und Mond. In einem exakten 24 Stunden-Rhythmus verfiel er in einen fast tranceartigen Zustand.

Es ist wie ein Computerprogramm, dachte Morgan. Ein Programm, das maschinenhaft eine Befehlszeile nach der anderen abarbeitet. Es gab keine Möglichkeit, daran auch nur eine Kleinigkeit zu variieren.

Morgan schluckte.

Er fühlte sich in diesem Moment wie ein Gefangener dieses unheimlichen Drangs. Er wusste, dass es sinnlos war, dagegen zu rebellieren. Und ihm war auch klar, dass er hinterher nicht einmal mit jemandem darüber reden konnte. Eine Art innere Sperre verhinderte das.

Morgan ging auf den Panzer zu.

Mit Hilfe des Bordcomputers konnte er ins irdische Datennetz. Die Empfangsanlage war stark genug dafür und zumindest für zwölf Stunden pro Marstag, war ein Kontakt möglich.

Jedenfalls hatte Morgan es bis jetzt immer hingekriegt. Die anderen hatten ihn schon deswegen aufgezogen.

Schließlich machte es wenig Sinn, sich auf dem Mars eine Website anzusehen, auf der man sich Unterhaltungselektronik bestellen konnte. Noch lieferte keine irdische Firma in den Weltraum... Morgan öffnete die Schleuse des Panzerfahrzeugs. Er betrat das Innere. Er nahm sich nicht einmal die Zeit, den Druckhelm abzusetzen.

Er aktivierte den Bordcomputer.

Mit geradezu fieberhafter Eile versuchte er eine Verbindung zum Netz herzustellen.

Es gelang ihm zunächst nicht.

Die Marsatmosphäre war sehr dünn, der Druck betrug nicht mehr als drei bis acht bar im Gegensatz zu 1000 bar auf der Erde. Das bedeutete, dass diese Atmosphäre erheblich leichter in Turbulenzen geriet. Die extremen Temperaturschwankungen taten ein übriges dazu.

Derartige Turbulenzen konnten einem natürlich einen Strich durch die Rechnung machen, wenn man Kontakt zur Erde bekommen wollte.

Morgan wusste das.

Schweißperlen rannen ihm über die Stirn.

Sein Puls raste.

Was ist mit mir los?, fragte er sich. Hängt dein Leben etwa davon ab, dass du gleich die Website von ElectronicWorld vor dir auf dem Schirm aufleuchten siehst?

Die Witze seiner Kameraden hallten in seinem Bewusstsein wider. Sie hielten es für eine Art schrulliger Gewohnheit des Lieutenants. Mehr sahen sie darin nicht. Niemand von ihnen hätte darin eine tödlich Bedrohung für sie alle gesehen. Niemand. Nichteinmal Gus Morgan selbst.

James O'Donnell meldete sich über Funk.

"Gus? Hören Sie mich?"

Morgans Gesicht blieb starr.

Er antwortete nicht.

Auf dem Schirm leuchtete die Website der Firma ElectronicWorld auf.

Endlich!, durchfuhr es ihn.

Aber das Gefühl fiebriger Erwartung war noch nicht verflogen. Er kniff die Augen zusammen, sah sich die vorhandenen Angebote an...

...und suchte.

"Heh, Gus, ist irgendetwas nicht in Ordnung? Warum melden Sie sich nicht? Es gibt Neuigkeiten aus dem Orbit..." O'Donnells Stimme dröhnte über Helmfunk direkt in Morgans Ohren. Aber Morgan kam es so vor, als hörte er sie aus weiter Entfernung oder wie durch eine dicke Watteschicht hindurch. Es schien nicht wichtig.

Das einzige, was jetzt zählte war das, was er vor sich auf dem Schirm sah.

Die Übertragungsqualität war schlecht.

Immer wieder zeigten sich Schlieren im Bild, die Morgan befürchten ließen, dass der Kontakt jeden Moment völlig abbrechen konnte.

"Lieutenant!", kreischte es im Helmfunk.

Morgan atmete schwer.

Er reagierte nicht.

Sein Blick suchte den Schirm ab, blieb kurz bei einem Symbol hängen.

Mehrere ineinander verschränkte Ellipsen.

Er registrierte, dass dieses Zeichen noch nicht dagewesen war, als er sich die Site zum letzten Mal angesehen hatte.

Aber es war nicht sein Symbol.

Nicht das, was er suchte.

Er schluckte, hatte plötzlich ein Gefühl der Leere. Was tue ich hier eigentlich?, ging es ihm durch den Kopf. Was treibt dich immer wieder dazu? Wahrscheinlich bist du schon genauso verrückt, wie deine Star Force-Kameraden glauben...

Unterhaltungselektronik...

Es war ein Witz.

Morgan besaß privat nicht ein einziges elektronisches SpielModul. Er hatte auch gar keine Zeit dazu, sich mit so etwas zu beschäftigen. Zeitverschwendung - das war sein Ausdruck dafür. Lieutenant Morgan deaktivierte den Computer.

"Heh, Lieutenant, was machen Sie da eigentlich? Brauchen Sie Hilfe?"

"Alles in Ordnung", murmelte Morgan. "Alles in Ordnung..." Wenig später war Lieutenant Morgan wieder draußen im Freien, blickte auf die wellenförmigen Trockeneis-Wolkenformationen über den schroffen Hängen, die den Lowell-Krater begrenzten und setzte seine Messungen fort.

Warum hast du das getan?, fragte er sich.

Er hatte keine Antwort.

Und es gab noch eine zweite Frage, die ihn quälte.

Was wäre gewesen, wenn er tatsächlich das gefunden hätte, wonach er gesucht hatte? Etwas, wovon er noch nicht einmal genau wusste, was es war.

Aber diese Gedanken verblassten in seinem Bewusstsein.

Für einige Minuten noch versuchte Lieutenant Gus Morgan verzweifelt, sich darauf zu konzentrieren. Aber es gelang ihm einfach nicht.

Es dauerte nicht lange und er erinnerte sich kaum noch an das, was er so eben getan hatte.

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Darius Carrow, der Sicherheitsberater des Präsidenten der Westunion, zog an seiner Zigarette. Seine Eltern hatten ein genetisches Tuning durchführen lassen, das Carrows Risiko, an Lungenkrebs zu sterben, minimierte. Angeblich auch dann, wenn Carrow seinem Leben als Kettenraucher nicht abzuschwören bereit war.

Die Wirkung der Therapie war umstritten. Manche sahen darin auch nur Geschäftemacherei. Aber genau würde man das erst in einigen Jahren wissen, wenn man die Krebsrate der Behandelten mit jener der unbehandelten Raucher verglich.

Carrow beobachtete den Präsidenten, wie er mit zerfurchtem Gesicht vor der riesigen Monitorwand stand und sich die Bilder der Katastrophe von Candermere bei Minneapolis ansah.

Seine Erschütterung scheint echt zu sein!, ging es Carrow durch den Kopf. Warum erstaunte ihn das so? Hatte er so etwas wie wahrhaftige Gefühlsregungen dem Präsidenten nicht zugetraut?

Sander Brock saß etwa abseits in einem Drehsessel.

Er hatte sich die Bilder auf dem Monitor kam angeschaut. Ein kalter Fisch, überlegte Carrow. Der Sicherheitsberater hatte immer ein etwas angespanntes Verhältnis zu dem Geheimdienstoffizier gepflegt.

"Es ist furchtbar", hörte Carrow dann General Wilbert McCloud vor sich hinmurmeln. Der Chef der Star Force schüttelte nur den Kopf.

Die Lage war sehr ernst.

Verdammt ernst.

Die Meldungen ließen keinen Zweifel daran.

Details

Seiten
Jahr
2023
ISBN (ePUB)
9783738971804
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (Februar)
Schlagworte
commander john darran operation chaos

Autor

  • Alfred Bekker (Autor:in)

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Titel: Commander John Darran 2: Operation Chaos