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Chiricahua - In tödlicher Mission: Pete Hackett Western Edition 118

von Pete Hackett (Autor:in)
©2023 139 Seiten

Zusammenfassung

Als der Trupp den Krieger sah, der aus der Schlucht ritt und ihnen entgegenkam, gebot Geronimo, anzuhalten. Der Häuptling saß auf einem Kavallerie-McClellan-Sattel, bewaffnet war er mit einem Revolver, den er an einem breiten Gurt trug, und einer Winchester.

Geronimo war ein mittelgroßer Mann mit asiatisch anmutenden Gesichtszügen, schmalen Lippen und einer breiten Nase. Seine Haare waren schulterlang und schwarz. Auf seinem Kopf saß ein Hut mit einer schmalen Krempe. Darunter hatte er sich ein rotes Tuch um die Stirn geschlungen.

Schließlich war der Apache heran. Es war einer der Wachposten, die Geronimo zurückgelassen hatte, als er mit der Hauptstreitmacht seiner Krieger loszog, um Vieh zu beschaffen.

Es war Mai des Jahres 1883. Der Frühling war heiß und trocken. Die Flüsse und Seen trockneten im Land aus. Mensch und Tier litten. Die Sonne stand wie ein Fanal am Himmel. Die Luft schien zu kochen. Beim Atmen füllten sich die Lungen wie mit Feuer.

»Was hast du mir zu sagen?«, fragte Geronimo. Er verschränkte seine Hände auf dem Sattelhorn. Sein fragender Blick war auf den Krieger gerichtet. Instinktiv fühlte der Häuptling, dass etwas nicht stimmte. »Sprich!« Es klang ungeduldig.

»Gray Wolf und seine Männer haben das Lager überfallen. Einige Krieger sind tot. Unsere Frauen und Kinder befinden sich in der Hand der Langmessersoldaten.«

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Chiricahua - In tödlicher Mission: Pete Hackett Western Edition 118

Chiricahua

Band 5


Western von Pete Hackett


Über den Autor

Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.

Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."

Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.


***


Als der Trupp den Krieger sah, der aus der Schlucht ritt und ihnen entgegenkam, gebot Geronimo, anzuhalten. Der Häuptling saß auf einem Kavallerie-McClellan-Sattel, bewaffnet war er mit einem Revolver, den er an einem breiten Gurt trug, und einer Winchester.

Geronimo war ein mittelgroßer Mann mit asiatisch anmutenden Gesichtszügen, schmalen Lippen und einer breiten Nase. Seine Haare waren schulterlang und schwarz. Auf seinem Kopf saß ein Hut mit einer schmalen Krempe. Darunter hatte er sich ein rotes Tuch um die Stirn geschlungen.

Schließlich war der Apache heran. Es war einer der Wachposten, die Geronimo zurückgelassen hatte, als er mit der Hauptstreitmacht seiner Krieger loszog, um Vieh zu beschaffen.

Es war Mai des Jahres 1883. Der Frühling war heiß und trocken. Die Flüsse und Seen trockneten im Land aus. Mensch und Tier litten. Die Sonne stand wie ein Fanal am Himmel. Die Luft schien zu kochen. Beim Atmen füllten sich die Lungen wie mit Feuer.

»Was hast du mir zu sagen?«, fragte Geronimo. Er verschränkte seine Hände auf dem Sattelhorn. Sein fragender Blick war auf den Krieger gerichtet. Instinktiv fühlte der Häuptling, dass etwas nicht stimmte. »Sprich!« Es klang ungeduldig.

»Gray Wolf und seine Männer haben das Lager überfallen. Einige Krieger sind tot. Unsere Frauen und Kinder befinden sich in der Hand der Langmessersoldaten.«

Geronimo presste die Lippen zusammen. Sie bildeten nur noch eine dünne, blutleere Linie. In seinen dunklen Augen flackerte es gefährlich. »Wie konnte das geschehen?«

»Die Scouts von Gray Wolf entdeckten uns. Wir hatten keine Chance.« Der Krieger strich sich mit Daumen und Zeigefinger über den Nasenrücken. »Neun Krieger sind gestorben. Gray Wolf will mit dir verhandeln, Goyathlay. Er will keinen Kampf mehr. Das lässt er dir bestellen.«

Nachdenklichkeit prägte das Gesicht Geronimos. Er konnte sich nicht entschließen. Der Häuptling hatte geschworen, zu kämpfen, bis er tot war. Verhandlungen mit den Weißen hatten bisher nichts gebracht, und er wollte nicht mehr verhandeln. Jetzt aber, da sich ihre Frauen und Kinder in der Gewalt der Soldaten befanden, stellte sich ihm die Situation wieder ganz anders dar.

Plötzlich nickte er. Dann rief er: »Short Bull, Stone Calv!«

Zwei Krieger, es waren ältere Männer und ihre Haare färbten sich schon grau, trieben ihre Pferde vor.

Geronimo hatte sich im Sattel umgewandt. »Reitet zu Gray Wolf und fragte ihn, was er will. Bringt mir bis Sonnenuntergang seine Antwort.«

Die beiden Krieger und der Apache, der als Bote von General Crook gekommen war, ritten los. Die Apachen lagerten. Geronimo stellte Wachen auf. Er war bereit, zu kämpfen.

Die Zeit verrann. Die Sonne wanderte weiter nach Westen. Als sie auf den Hügelkämmen im Westen zu stehen schien und langsam eine rote Farbe annahm, kamen Short Bull und Stone Calv zurück.

Geronimo saß auf einem Felsen. Er hatte den rechten Ellenbogen auf seinen Oberschenkel gestellt und die Hand zur Faust geballt, auf der sein Kinn ruhte. »Was will Gray Wolf?«

Die beiden Krieger, Unterhäuptlinge, saßen ab. Short Bull sagte: »Gray Wolf will, dass wir uns ergeben. Er bietet uns Frieden an und meint, wir können ins Reservat White Mountain zurückkehren.«

»Friede wurde uns schon so oft angeboten«, murmelte Geronimo. »Es waren immer die Weißen, die ihn brachen, indem sie uns belogen und betrogen.«

»Ich glaube, der General meint es ernst«, sage Stone Calv. »Er sprach mit uns wie mit guten Freunden. Er weiß, dass wir belogen und betrogen wurden und dass uns die Agenten Dinge vorenthalten haben, die die Regierung für unseren Lebensunterhalt bereit stellte. Er will mit dir verhandeln, Goyathlay. Du solltest ihm diesen Wunsch nicht ausschlagen. Um zu kämpfen sind wir zu schwach. Gray Wolf hat viele Soldaten und junge Krieger dabei, die ihm gehorchen.«

»Unter welchen Bedingungen soll das Gespräch erfolgen?«

»Wir sollen in die Schlucht kommen und uns ergeben. Gray Wolf hat garantiert, dass wir wie Kriegsgefangene behandelt werden.«

»Reitet zurück und bestellt Gray Wolf, dass wir uns erst beraten müssen. Ich kann das nicht alleine entscheiden. Was ratet ihr mir?«

»Sie haben unsere Frauen und Kinder in ihrer Gewalt«, sagte Short Bull. »Ich bin dafür, dass wir uns ergeben und ins Reservat zurückkehren.«

Stone Calv nickte beipflichtend.

Die beiden Unterhäuptlinge kehrten ins Lager von Gray Wolf zurück.

Geronimo versammelte seine Krieger um sich. Ein großes Palaver begann. Am Ende aber siegte die Vernunft. Die Apachen beschlossen, sich zu ergeben.

Am nächsten Morgen marschierten die Krieger in die Schlucht. Die Soldaten und jungen Apachen, die General Crook mitgebracht hatte, standen Spalier. Geronimos Krieger wurden entwaffnet, dann mussten sie sich abseits des Lagerplatzes niedersetzen. Man verzichtete darauf, sie zu bewachen.

Geronimo wurde zu Crooks Zelt geleitet. Der General saß auf seinem zusammenklappbaren Feldstuhl. Einige Offiziere hatten sich hinter ihm aufgebaut, unter ihnen Lieutenant Tyler Whitlock. Geronimo hob die rechte Hand, zeigte die Handfläche und sagte: »Ich habe immer den Frieden gewollt. Aber wir sind in San Carlos von den Weißen schlecht behandelt worden. Man hat uns den Frieden nicht gegönnt.«

»Ich werde dafür sorgen, dass man euch gut behandeln wird, wenn ihr ins Reservat zurückkehrt«, versetzte Crook, dann erhob er sich und reichte Geronimo die Hand, der sie nahm und kräftig schüttelte.

»Wir sind alte Feinde«, sagte der Häuptling. »Schon unter Cochise habe ich gegen dich gekämpft.«

»Das ist lange her. Ich war viele Jahre im Norden.« Der General setzte sich wieder. »Wir haben die Weißen aus White Mountain vertrieben, Geronimo; die Siedler und die Goldsucher. Es hat viel böses Blut gegeben.«

»Wird man mich und die anderen Häuptlinge bestrafen?«, fragte Geronimo.

Crook schüttelte den Kopf. »Man wird euch sogar eure Waffen wieder zurückgeben. Ja, ihr bekommt eure Waffen zurück, damit ihr seht, dass wir euch nicht fürchten. Ihr werdet Ackerbau und Viehzucht betreiben und selbst für euren Lebensunterhalt aufkommen. Wobei es euch freigestellt sein wird, wo ihr innerhalb des Reservats siedelt. Die Armee wird Lieferverträge mit euch abschließen und euch Heu, Ost, Getreide und Gemüse abkaufen. Ihr werdet ein gutes Leben führen im Reservat.«

»Ich muss mit Loco, Mangas, Chihuahua, Bonito, Nana und Chato darüber sprechen.«

»Sprecht. Aber lasst mich nicht zu lange mit der Antwort warten.«

Geronimo machte eine ausholende Armbewegung. »Es leben viele Chiricahuas im Land verstreut. Es dauert Wochen, vielleicht Monate, bis sie alle überzeugt und versammelt sind, um den Marsch nach San Carlos anzutreten.«

»Ich weiß«, erwiderte Crook. »Wir werden einen Weg finden.«

Geronimo nickte, dann wandte er sich um und ging zu seinen Leuten...

Es gab drei Unterredungen zwischen Geronimo und General Crook. Dem Apachenhäuptling gefiel die offene und derbe Art des Generals. Als sie sich geeinigt hatten, sagte er: »Ich werde mehrere Monate brauchen, um all unsere Leute zusammenzuholen. Darum werde ich Mexiko so lange nicht verlassen, bis sämtliche Chiricahuas versammelt sind. Chato wird bei mir bleiben, um mir zu helfen. Gemeinsam werden wir dann unsere Leute nach White Mountain bringen.«

Erwartungsvoll musterte er den General. Er fieberte einer Antwort geradezu entgegen. Jetzt musste sich zeigen, ob ihm Gray Wolf wirklich vertraute. Zu Geronimos Überraschung nickte der General und sagte:

»Ich muss mit meinen Leuten ins Arizona-Territorium zurückkehren. Ja, Geronimo, das ist in Ordnung. Wir nehmen die Chiricahuas mit, die hier versammelt sind und die bis zum 30. Mai noch zu uns stoßen. Dann brechen wir auf. – Ich vertraue dir, Geronimo. Und ich weiß, dass du mein Vertrauen nicht enttäuschen wirst.«

Die beiden Männer reichten sich die Hand. »Mein Wort ist mehr wert als jeder Vertrag, der bisher geschlossen wurde«, knurrte Geronimo. »Loco, Mangas, Chihuahua, Bonito und Nana werden mit dir gehen. Als Garanten unseres guten Willens. Bist du zufrieden, Gray Wolf?«

»Ja, sehr.«


*


Am 30. Mai 1883 brach die Kolonne nach Norden auf. 251 Frauen und Kinder sowie 123 Krieger der Apachen gingen mit ihr. Es war ein langer Zug, der sich in Richtung Grenze bewegte. Die Krieger waren unbewaffnet. Ihre Waffen sollten sie erst im Reservat wieder zurückerhalten.

Alles schien gut zu sein. Der Zug erreichte die Grenze. Einige Kompanien mexikanischer Soldaten hatten sich eingefunden. Sie überwachten den Grenzübertritt.

Zuerst betraten die etwa 250 Leute des Expeditionskorps, das mit General Crook nach Mexiko gekommen war, amerikanischen Boden.

Dann kamen die Apachen unter der Führung der Häuptlinge Loco, Mangas, Chihuahua, Bonito und Nana. Sie hatten Schleppbahren an ihren Pferden befestigt, auf denen ihr Hab und Gut lag. Vor den Apachen lag ein Neubeginn. Aber ihre Zukunft schien dieses Mal nicht ungewiss zu sein. Crook hatte ihnen klare Versprechungen gemacht. Das Land innerhalb der Grenzen des Reservats würde ausschließlich ihnen gehören. Crook und seine Männer wollten auf die unbedingte Einhaltung der Verträge achten. Die Apachen schienen zufrieden zu sein mit ihrem Los.

Crook und seine Leute befanden sich längst auf amerikanischem Boden, als sich die Apachen in Marsch setzten. Das Gelände war unwegsam. Sie zogen durch eine Schlucht. Niemand dachte an Gewalt. Jeder war überzeugt, dass Frieden im Land Einzug gehalten hatte.

Aber auf den Rändern der Schlucht lauerte das Verhängnis.

Die Arizona Volunteers unter der Führung Calem Osbornes und Tom Murphys waren Crook nach Mexiko gefolgt. Sie hatten für den Verlust ihrer Farmen, die sie auf Apachengebiet errichtet hatten und von denen sie vertrieben worden waren, blutige Rache geschworen.

Die illegalen Siedler sahen sich im Recht, denn sie hatten das Land urbar gemacht, Felder angelegt und Bewässerungsgräben gezogen. Kurz, sie hatten die Wüste in fruchtbares Ackerland verwandelt.

Objekt des Hasses dieser Männer, die sich zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen hatten, waren die Apachen.

Es war ein heißer Tag. Die Sonne brannte das Land aus und verwandelte es in einen Glutofen. Die Krieger der Apachen marschierten oder ritten, soweit sie über Reitpferde verfügten, voraus. Eine kleine Gruppe von Scouts und Soldaten begleiteten sie. Dann kamen die Frauen und Kinder mit den Pferden und Maultieren, die die Habseligkeiten der Apachen schleppten.

Die Krieger befanden sich mitten in der Schlucht, als das Unheil über sie hereinbrach. Von den Rändern der Schlucht wurde ziellos in den Pulk hineingefeuert. Apachen bäumten sich auf, wurden herumgerissen und geschüttelt, sanken tot und sterbend zu Boden. Geschrei erhob sich. Die Krieger, die beritten waren, trieben ihre Pferde an. Andere kamen unter die Hufe. Um Nu war das Chaos perfekt. Die Soldaten galoppierten am Schluchtrand nach vorn und feuerten in die Höhe. Tyler Whitlock führte die kleine Gruppe. Sie erreichten das Ende der Schlucht. Einige Scouts fanden einen Weg, der nach oben zwischen die Felsen führte, wo die Mörder gelauert hatten. Whitlock und seine Männer machten sich an den Aufstieg.

In Tyler Whitlock war eine wilde Wut, man konnte es fast als Hass bezeichnen. Er hatte keine Ahnung, wer sie an der Grenze erwartet hatte, aber er schwor sich, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen bis zum letzten Mann.

Der Aufstieg war beschwerlich. Es war kein richtiger Weg, der sich zwischen den Felsen nach oben schwang, und schon bald mussten sie die Pferde zurücklassen. Schweiß rann den Männern über die Gesichter. Staub verklebte ihre Poren. Sie rissen sich an scharfen Vorsprüngen die Hände auf und die glatten Sohlen ihrer Stiefel taten ein Übriges, um ihnen den Aufstieg zu erschweren.

Die Waffen schwiegen jetzt.

Die Soldaten und Scouts kamen auf einer Hochebene an. Hier erhoben sich Felsen in allen Größen und Formen und das Terrain glich einem Trümmerfeld. Die Kerle, die den Überfall verübt hatten, waren verschwunden.

Whitlock blickte zur anderen Seite der Schlucht, auf der ebenfalls Schützen verborgen gewesen waren. Dort drüben buckelten ebenfalls Felsen, zwischen die Spalten und Risse führten. Von den Mordschützen war nichts mehr zu sehen.

Die Scouts fanden Spuren. Zwischen einigen Felsen hatten die Mörder ihre Pferde abgestellt. Sie waren einem natürlichen Pfad nach unten gefolgt. In einer Ebene hatten sie sich mit der anderen Gruppe vereint. Den Spuren war zu entnehmen, dass es sich um etwa ein Dutzend Reiter handelte. Die Spur führte nach Norden, und dort lag, etwa fünfzehn Meilen von der Grenze entfernt, Fort Huachuca. Westlich buckelten die Mule Mountains, hinter dem Fort, in Richtung Norden, erhoben sich die zerklüfteten Felsmonumente und Rime der Whetstone Mountains. Westlich begrenzten die Canelo Hills das Blickfeld.

»Sieht aus, als wären die Schufte nach Huachuca geritten«, bemerkte Whitlock. »Bull Bear, Eagle Heart und Little Horse, wir reiten nach Fort Huachuca. Ihr anderen kehrt zu den Apachen zurück und geleitet sie weiter nach Norden. Sorgt für Ruhe. Erklärt ihnen, dass wir die Schufte jagen und zur Rechenschaft ziehen werden.«

Er und die drei Scouts wandten sich nach Norden. Whitlock war wieder einmal fest entschlossen, ein paar Mörder zu jagen, die sinnlos Apachenblut vergossen hatten. Er erinnerte sich an seine Jagd auf Scott Wilburn und dessen Kopfgeldjägerbande, die in El Paso endete. Damals hätte man ihn um ein Haar vor das Kriegsgericht gestellt, weil man ihm vorwarf, den Tod seiner Männer verschuldet zu haben, nachdem er sie der Obhut seines Vertreters überlassen hatte und sie in einen Hinterhalt der Apachen geritten waren.

Es waren keine erfreulichen Erinnerungen.


*


Sie ritten drei Stunden, dann lag das Fort vor ihnen. In der Nähe war eine Stadt gegründet worden. Man hatte ihr den Namen Huachuca City gegeben. Die Stadt lag in den südlichen Ausläufern der Santa Rita Mountains. Im Fort hatte sich die Bande nicht blicken lassen. Also begaben sich Whitlock und seine Begleiter nach Huachuca City. Whitlock ließ die Scouts vor der Stadt zurück und lenkte sein Pferd zum Mietstall.

Bei dem Stallburschen handelte es sich um einen Oldtimer, der fast keinen Zahn mehr im Mund hatte und zischelnd sprach. Auf Whitlocks Frage sagte er: »Es sind ein Dutzend Männer. Sie haben Ihre Gäule zu Crawley in dessen Corral gebracht. Mein Stall war zu klein, um zwölf Pferden Platz zu bieten. Aber ich bin deswegen nicht böse. Zwölf Gäule machen auch eine Menge Arbeit, und mir schmerzen sowieso sämtliche Knochen...«

»Wo finde ich die Kerle?«

»Im Saloon, denke ich. Es gibt sonst keinen Ort in der Stadt, an dem sich ein Dutzend von dieser Sorte wohl fühlen würde.« Der Oldtimer nickte. »Ja, das ist ein höllisches Rudel. Einem jeden dieser Kerle haftet der Geruch von Pulverdampf an. Sie müssen lebensmüde sein, wenn Sie versuchen, gegen diese Herde loszugehen.«

»Ich will sie mir nur ansehen«, erwiderte Whitlock. Er lachte auf. »Sicher, es wäre vermessen, auf ein Dutzend zweibeiniger Wölfe loszugehen. Nein, ein Selbstmörder bin ich nicht.«

Er nahm sein Gewehr und überließ dem Stallmann sein Pferd. Auf teilweise überdachten Gehsteigen begab sich Whitlock zum Saloon. Stimmenlärm drang ihm entgegen, Gelächter, Gejohle, Grölen. Die Kerle dort schienen ziemlich ausgelassen zu feiern.

Whitlock blickte durch das Frontfenster in den Schankraum. Er konnte nicht viel erkennen, denn drin war es düster und im Glas spiegelte sich der gleißende Sonnenschein.

Also betrat Whitlock den Saloon.

Innerhalb weniger Augenblicke war es ruhig.

Die Türflügel, die hinter Tyler Whitlock knarrend ausgeschlagen hatten, bewegten sich nur noch schwach. Der Lieutenant wurde angestarrt wie eine übernatürliche Erscheinung. Und plötzlich stieß einer der Kerle hervor: »Hol mich dieser oder jener – das ist Whitlock, mit dem ich noch eine Rechnung zu begleichen habe. Den Hurensohn schickt der Himmel!«

»Murphy!«, entfuhr es Tyler Whitlock, und sogleich erfasste sein Blick Calem Osborne. »Da haben sich ja zwei gefunden!«, stieß er grimmig hervor und nahm das Gewehr in den Anschlag.

Die Kerle standen am Tresen oder saßen an den runden Tischen. Außer dem wilden Dutzend befand sich niemand im Schankraum. Sie tranken Bier und Whisky, Tabakqualm schlierte in der Luft.

Whitlock ließ die Mündung der Waffe über die Kerle hinwegpendeln. Hände tasteten zu den Revolvern. Whitlock wusste, dass er gegen diese Horde keine Chance hatte. Auch wenn er den ersten Schuss haben würde. Sie würden ihn in Stücke schießen.

Er feuerte einen Schuss über ihre Köpfe ab. »Ihr seid niederträchtige Mörder«, rief er grollend. »Und ihr werdet die Konsequenzen dafür zu tragen haben.«

Er schritt rückwärts zur Tür und drückte die Türpendel mit seinem Körper auseinander. Dann war er draußen und glitt sofort nach rechts weg. Im Saloon trampelten Schritte. Heisere Stimmen riefen Befehle. Whitlock verschwand um den Saloon und rannte zwischen Scheunen und Schuppen hindurch zu den Pferchen, die die Stadt begrenzten und in denen Schafe, Ziegen und Kühe weideten. Da waren auch ein paar Pferde.

Die Vigilanten drängten ins Freie. Einige von ihnen schossen in die Luft. Die Stadt war plötzlich voll vom Krachen der Schüsse.

Tyler Whitlock ging bei einem Schuppen auf das linke Knie nieder und beobachtete die Main Street. Die Kerle rannten dort herum und schrien durcheinander. Und plötzlich tauchte einer von ihnen dort auf, wo Whitlock zwischen die Häuser gelaufen war. Er erspähte den Lieutenant, seine Stimme gellte: »Da ist er! Ich habe ihn gefunden! Hierher!«

Er schoss auf Whitlock. Tyler Whitlock feuerte zurück. Der Bursche ließ den Revolver fallen, griff sich an die Brust und brach zusammen. Whitlock setzte seine Flucht fort. Er rannte hinter den Häusern entlang zum Mietstall. Schon bald begannen seine Lungen zu pumpen, seine Bronchien pfiffen. Es fehlte ihm an Ausdauer. Er, dessen einzige Bewegung darin bestand, aufs Pferd zu klettern und wieder abzusteigen, verfügte über keine Kondition. Sein Atem flog.

Er erreichte den Mietstall und kletterte zwischen zwei Koppelstangen hindurch, lief durch einen Corral und betrat den Stall durch das rückwärtige Tor, durch das die Pferde in den Corral laufen konnten. Der Oldtimer, der hier die Pferde verrichtete, stand vorne beim Tor. Der Lärm in der Stadt hatte ihn hingelockt.

Whitlock rief ihn an. Den Alten riss es geradezu herum. Dann erkannte er Whitlock, und er näherte sich ihm schnell. »Ich dachte schon, die haben Sie in der Luft zerrissen«, gab er zu verstehen. »Sie wollen sicher, dass ich Ihr Pferd sattle.«

»Ja, machen Sie schon.«

Whitlock rannte vor zum Tor, das auf die Straße führte, und schwenkte den Blick in beide Richtungen. Da sah ihn einer der Schufte: »Er ist beim Mietstall!«

Schüsse krachten. Schnell zog Whitlock den Kopf zurück, warf sich herum und rannte in den Stall. In einer leeren Box ging er in Deckung. Es dauerte keine Minute, dann ließ sich der erste der Kerle, die ihm ans Leder wollten, im Stalltor sehen. Whitlock schoss ihm eine Kugel ins Bein. Der Bursche stürzte und kroch schnell davon, verschwand im Schutz der Stallwand.

Tyler Whitlock wusste, dass er sich im Stall nicht halten konnte. Er verließ ihn auf demselben Weg, auf dem er ihn betreten hatte, nämlich durch das rückwärtige Tor und verbarg sich außerhalb der Stadt in einer Gruppe von Büschen. Sie durchkämmten die Stadt nach ihm.

Die Abenddämmerung kam. Die Sonne ging unter und nach und nach wurde es auch im Westen dunkel. Dann kam die Nacht. Whitlock wagte sich in die Stadt zurück. Sie hatten die Suche nach ihm aufgegeben. Er holte sein Pferd aus dem Mietstall und ritt zurück zu den drei Scouts, die in einer Mulde auf ihn warteten. Sie kehrten zurück zu den Apachen und der Gruppe Soldaten, die den Zug der Chiricahuas überwachten.

Am folgenden Morgen begab sich Whitlock nach Fort Huachuca. Er ließ sich beim Kommandeur anmelden. Sein Name war Garrett, sein Dienstgrad Major. Er hörte sich an, was Whitlock zu berichten hatte, und als der Lieutenant am Ende angelangt war, sagte der Major: »Ich werde dafür sorgen, dass Osborne und Murphy zur Fahndung ausgeschrieben werden. Wer friedlich Apachen überfällt und skrupellos tötet ist ein Mörder und gehört bestraft. Bringen Sie die Apachen nach San Carlos. Alles andere überlassen Sie mir.«

»Ich bitte Sie, mir fünfzig Leute zur Verfügung zu stellen, Sir«, gab Whitlock zu verstehen. »Mit diesen Leuten kann ich Huachuca City umstellen und in den Ort einrücken. Vielleicht erwischen wir die Banditen noch in der Stadt. Dann würde es sich erübrigen, sie zur Fahndung auszuschreiben.«

»In Ordnung. Ich stelle ihnen zwei Kompanien Soldaten zur Verfügung, Lieutenant«, erklärte der Major.

Und schon eine Stunde später ritt Whitlock mit siebzig Kavalleristen im Gefolge nach Huachuca City. Sie umstellten die Stadt, dann rückten sie vor und zog den Kreis, den sie bildeten, immer enger.


*


Menschen verzogen sich in ihre Häuser. Böse Impulse schienen die Stadt zu durchströmen.

Abe Vanderbildt und Jack Campbell befanden sich auf dem Vorbau des Saloons. Auf dem Querbalken des Vorbaugeländers stand eine halb geleerte Flasche Whisky. Die beiden trugen ihre Gewehre. Von hier aus hatten sie die Main Street gut im Auge. Nachdem sie Tyler Whitlock beinahe überrascht hätte, waren sie vorsichtig geworden.

Aus dem Saloon erklangen die Stimmen ihrer Kumpane.

Abe Vanderbildt war es, der zwischen den Häusern einige Kavalleristen auftauchen sah. Sie trugen ihre Karabiner in den Fäusten und ihr Ziel schien der Saloon zu sein. »O verdammt!«, entfuhr es Vanderbildt. »Mir scheint, da braut sich was zusammen.«

Nun sah auch Campbell die Soldaten. Er sprang vom Vorbau und lief um den Saloon herum. Zwischen den Schuppen und Pferchen wimmelte es von blauuniformierten Gestalten. Campbell kehrte zurück. Sie rannten in den Saloon, Campbell rief: »Wir sind von Blaubäuchen umstellt. Zur Hölle damit. Wir hätten gestern meinem Rat folgen und verschwinden sollen, nachdem uns Whitlock entkommen ist.«

»Sie können uns nichts anhaben«, versetzte Calem Osborne, als er die Nachricht verarbeitet hatte. »Wir haben einige Rothäute abgeknallt. Na und! Sie befanden sich außerhalb des Reservats. Der Erlass der Departmentführung legitimiert uns. Was also sollte man uns am Zeug flicken?«

»Wenn sie uns was anhängen wollen, dann tun sie das auch!«, gab Tom Murphy zu bedenken. »Ich bin dafür, zu verschwinden, solange vielleicht noch die Gelegenheit dazu besteht.«

»Wir kommen nicht mehr weg«, stieß Vanderbildt hervor. »Sie haben den Saloon in der Zwischenzeit umstellt. Auf eine Schießerei mit den Blaubäuchen können wir uns nicht einlassen.«

Calem Osborne trank sein Glas leer. Die Männer, die ihn umgaben, schwiegen verunsichert. Nur das Scharren von Füßen auf den Dielen, das Knarren von Stiefelleder, das leise Klirren von Sporen war zu vernehmen, wenn die Kerle unruhig von einem Fuß auf den anderen traten.

»Ich gehe hinaus«, erklärte Calem Osborne im jähen Entschluss. »Mal sehen, was sie tatsächlich von uns wollen.«

Er setzte sich mit dem letzten Wort in Bewegung.

Tom Murphy schloss sich ihm an. Ihre Schritte riefen ein tackendes Echo auf den Bodendielen wach. Dann schlugen hinter ihnen die Pendel der Flügeltüren quietschend und knarrend aus. Sie gingen bis zum Geländer, Osborne legte die Hände drauf.

Wohin er auch schaute, er sah Soldaten. Der Platz um den Saloon war hermetisch abgeriegelt. Die Kiefer Osbornes mahlten. Murphy zog die Unterlippe zwischen die Zähne und biss darauf herum. Unsicherheit flackerte in seinen Augen.

Tyler Whitlock kam heran. Zwei Sergeants und zwei Corporals begleiteten ihn. Die Gesichter waren verschlossen, wie aus Granit gemeißelt. Whitlock sagte hart und brechend: »Wir verhaften Sie wegen des Mordes an einer noch nicht genau bekannten Zahl von Apachen. Wenn Sie Widerstand leisten, berechtigen Sie uns, mit Gewalt gegen Sie vorzugehen.«

»Das haben Sie sich ja fein zurecht gelegt, Whitlock«, kam es spöttisch von Osborne. »Wir haben ein paar Indianer erschossen, die außerhalb des Reservats angetroffen wurden und bei denen es sich um renitente Apachen handelte, die durchs Land ziehen und Weiße skalpieren. Sie zu töten ist erlaubt, ja sogar gewollt. Es gibt ein offizielles Edikt. Wessen will man uns also anklagen?«

»Sie haben genau gesehen, dass die Apachen von Militär eskortiert wurden, dass es sich also um gefangene Apachen handelte. Sie waren entwaffnet und auf dem Marsch ins Reservat. Das Militärgericht wird sicher etwas finden, wessen man Sie anklagen kann. Für mich sind Sie jedenfalls skrupellose Mörder.«

»Machen Sie sich nicht lächerlich, Whitlock. Die Regierung zahlt Prämien für Apachenskalps. Und Sie wollen uns festnehmen, weil wir ein paar von diesen mordlüsternen Tieren abgeknallt haben?«

»Nicht für Indianer, die den Frieden wahren«, versetzte Whitlock kalt. »Sicher, Leute wie Sie machen keinen Unterschied. Skalp ist Skalp. Aber man hat den Unterschied klar und deutlich hervorgehoben, Osborne. Sie und Ihre Leute haben friedliche Indianer ermordet. Und dafür werden Sie hängen.«

Murphy zog plötzlich den Revolver und richtete ihn auf Whitlock. »Yeah«, dehnte er, »man findet sicher etwas, um uns ans Bein zu pinkeln. Darum gehen wir auf Nummer sicher und verduften. Du, Whitlock, wirst Garant dafür sein, dass deine Kameraden nicht verrückt spielen. Sie sollen die Gewehre sinken lassen, oder ich erschieße dich.«

»Sie würden mir postwendend in die Hölle folgen, Murphy.«

»Aber ich hätte die Genugtuung, dass du vor mir dort ankommst, Whitlock.«

Auch Osborne zog den Sechsschüsser und spannte ihn.

Ohne dazu aufgefordert zu werden, ließen die Soldaten ringsum die Gewehre sinken. Hochaufgerichtet stand Whitlock da. Er empfand keine Furcht.

Osborne ließ seine Stimme erklingen und rief in die Runde: »Wir sahen keine Soldaten bei den Apachen. Alles was wir sahen, waren an die dreihundert Rothäute, die die Grenze überschreiten wollten. Uns war klar, dass es sich um die aufständischen Apachen handelte. Als wir uns postierten, taten wir das in der besten Absicht. Und als wir schossen, taten wir das für unser Land, dem wir den Frieden bewahren wollten.«

In den Gesichtern der Soldaten arbeitete es. Die meisten konnten das, was Osborne und seine Leute getan hatten, nicht als verwerflich verurteilen. Seit Jahren gab es blutigen Krieg zwischen ihnen und den Apachen. Viele waren schon bei der Armee, als diese noch Cochise jagte. Sie hatten Kameraden verloren. Die Apachen hatten gemordet, gebrandschatzt, entführt und vergewaltigt. Die meisten der Soldaten hier stellten sie auf eine Stufe mit wilden Tieren, wobei sie den wilden Tieren eine gewisse Existenzberechtigung einräumten, nicht aber den Apachen.

»Tom«, sage Osborne, »schick die Hälfte unserer Männer zum Stall. Sie sollen unsere Pferde holen.« Sein Blick saugte sich an Whitlock fest. »Ihr fünf seid sozusagen unsere Geiseln.« Osborne grinste überheblich. »Wenn einer der Soldaten eine falsche Bewegung macht, beißt ihr ins Gras. Damit hast du sicher nicht gerechnet, Whitlock, wie?«

»Ihr kommt nicht weit«, gab Tyler Whitlock zu verstehen. Er ärgerte sich, weil sie die Vigilanten wohl zu sehr auf die leichte Schulter genommen hatten. »Bald werden auf Sie Fangprämien ausgesetzt sein. Sie werden hier im Land keinen Fuß mehr auf die Erde bekommen. Sie sind Mörder.«

Tom Murphy ging unbeeindruckt in den Saloon.

Osborne lachte. »Sieh dich um. Deine Leute scheinen anderer Auffassung zu sein. Glaubst du wirklich, sie haben die Waffen nur gesenkt, weil sie fürchten, dass wir dich und deine Begleiter erschießen?« Osborne schüttelte den Kopf. »Nein, o nein. Sie sind selbst voll Hass auf die Apachen, die seit Monaten, nein, seit Jahren das Land unsicher machen. Für sie ist nur ein toter Apache ein guter Apache. Sie haben Verständnis für uns.«

Die anderen Vigilanten traten jetzt aus dem Saloon. Auch Murphy kam wieder ins Freie. Einige der Kerle blieben auf dem Vorbau, ein halbes Dutzend entfernte sich in Richtung Mietstall.

Osborne ergriff wieder das Wort: »Es mag ein Irrtum gewesen sein, als wir auf die Indianer schossen. Woher sollten wir wissen, dass sie auf dem Marsch ins Reservat waren? Der Erlass, den die Führung des Departments herausgegeben hat, ermächtigte uns, ihnen aufzulauern und sie zusammenzuschießen. Wer will uns das Gegenteil beweisen? Wer will behaupten, dass wir friedfertige Apachen erschossen haben?«

»Das zu entscheiden ist nicht unsere Sache«, antwortete Tyler Whitlock mit fester Stimme, »sondern Sache des Gerichts. Ich fordere Sie zum letzten Mal auf, die Waffen zu strecken. Andernfalls gebe ich meinen Männern den Befehl, auf Sie zu feuern.«

Die sechs Kerle, die Osborne zum Mietstall geschickt hatte, rannten plötzlich auseinander und drangen in verschiedene Häuser ein. Geschrei war zu hören, irgendwo kreischte eine Frau, dann weinte ein Kind. Einer rief rau: »Wir haben Frauen und Kinder in unserer Gewalt. Verschwindet! Wir machen sie kalt, wenn ihr nicht abhaut!«

Die Hände der Soldaten saugten sich an den Karabinern fest. Die meisten dieser Männer, die bis jetzt noch zwiegespalten waren, begriffen, dass sie den Kerlen zu viel Bewegungsfreiheit eingeräumt hatten. Sie hatten zu lange gezögert. Und jetzt hatten die Banditen jeden Vorteil auf ihrer Seite.

Auch Whitlock begriff das. Sie hatten einen Fehler gemacht. Er hatte versagt. Aber mit soviel Niederträchtigkeit konnte er nicht rechnen. Nach kurzer Überlegung rief er: »In Ordnung. Wir ziehen uns zurück. Aber denkt nur nicht, dass ihr ungeschoren davon kommt. Ich werde euch jagen und stellen. Mein Wort drauf.«

Das Gesicht Osbornes verzerrte sich. Er war voll Hass auf Tyler Whitlock. Und diesen Hass schürte Whitlock mit seinen Worten noch. Die Leidenschaft suchte ein Ventil. Es war fast wie ein Rausch. Osborne zielte auf Whitlock. Der Schuss krachte. Tyler Whitlock brach zusammen wie vom Blitz getroffen. Raunen und Murmeln ging durch die Reihe der Soldaten. So manchem juckte es in den Fingern, auf die Kerle auf dem Vorbau zu schießen.

»Wir machen die Frauen und Kinder kalt!«, rief Osborne drohend, mit kalter, klirrender Stimme. »Verschwindet!«

»Das war ein kaltblütiger Mord, Mister!«, sagte einer der Sergeanten heiser. »Dafür wird man Sie jagen und hängen.«

»Früher oder später hätte ich ihn sowieso umgebracht«, kam es kehlig von Osborne. »Er hat mich von meinem Land verjagt. Ich hätte ihn stellvertretend für all diejenigen umgebracht, die die Räumung des Landes, in das wir alles investierten, anordneten.«

»Zieht euch zurück, Leute!«, rief der Sergeant. »Zwei Mann, hierher! Bringt Whitlock weg von hier.«

Zwei Männer rannten heran, hoben Tyler Whitlock auf und trugen ihn weg. Osborne ließ es geschehen. Die Soldaten zogen sich zurück. Die Vigilanten begaben sich in den Mietstall und sattelten ihre Pferde und die Pferde ihrer Kumpane, die Frauen und Kinder als Geiseln genommen hatten.

Eine Viertelstunde später donnerte die Kavalkade aus der Stadt. Der Trupp jagte nach Norden.


*


Whitlock war nicht tot. Die Kugel hatte ihm einen Scheitel gezogen und ihn wie ein Keulenschlag ins Reich der Träume geschickt. Er wurde ins Fort geschafft, wo sich der Arzt um ihn kümmerte. Es war eine harmlose, wenn auch stark blutende Wunde.

Die Fahndung nach Calem Osborne und Tom Murphy sowie ihre Arizona Volunteers durch die Armee wurde eingeleitet. Man hatte die Namen der Männer im Lager der Siedler am Stadtrand von Phoenix herausgefunden. Auf Osborne und Murphy wurden jeweils fünfhundert Dollar Kopfgeld ausgesetzt, auf jedes andere Mitglied der Bande zweihundert.

Nach zwei Wochen war Whitlock in der Lage, zu reiten. Er hatte von General Crook den Auftrag erhalten, Osborne und Murphy und ihre Anhänger aufzuspüren und ihrer Bestrafung zuzuführen. Sie hatten den mühsam gewonnenen Frieden zu zerstören versucht, und die Armee wollte ein Exempel statuieren, auch im Hinblick auf die Aktivitäten des Tucson-Rings.

Tyler Whitlock war wieder einmal in einer besonderen Mission unterwegs. In tödlicher Mission. Denn auf seinem Weg war die Gefahr allgegenwärtig, der Tod sollte sein ständiger Begleiter sein. Er begab sich nach Tucson. Die Uniform hatte er abgelegt. An ihrer Stelle trug er einen braunen Wildlederanzug, der an den Ärmeln und an den Hosennähten mit Fransen besetzt war.

Tucson war ein Umschlagplatz des Verbrechens. Abenteurer, Spieler, Revolverhelden, Geschäftsleute, Huren und Banditen gaben sich hier ein Stelldichein. Die Stadt war Dreh- und Angelpunkt von Gesetzlosigkeit und sündiger Verworfenheit, hier schlüpften steckbrieflich gesuchte Verbrecher unter, hier war ein Menschenleben gerade mal den Preis für eine Kugel wert.

Tucson war ein Hexenkessel an der Überlandstraße, die in Las Cruces in New Mexiko begann und in Yuma, an der Grenze nach Kalifornien, endete.

Es gab zig Saloons, Bars, Spielhöhlen, Tanzsaloons und all die anderen Vergnügungsetablissements, die eine Stadt wie Tucson nicht missen lassen durfte, sechs Mietställe, Hotels, zwei Boardinghouse - und eine Methodistenkirche. Es gab also auch gläubige Menschen in der Stadt, Menschen, die nicht dem schnell verdienten Dollar und dem billigen Vergnügen hinterher hetzten.

Als Whitlock in die Stadt kam, ging es auf den Abend zu. Die Gehsteige und Straßen waren voll Menschen. Er brachte sein Pferd in einen der Mietställe und erkundigte sich bei dem Stallmann nach einem Dutzend Reiter, das in den vergangenen Tagen vielleicht in Tucson eingetroffen war.

Der Stallmann schüttelte den Kopf. »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Bei den vielen Menschen, die täglich in Tucson ankommen oder die Stadt verlassen, achtet man nicht auf ein Rudel Reiter. Wenn sie ihre Pferde zu mir gebracht hätten, dann wäre das was anderes. Aber so ...« Jetzt zuckte er mit den Achseln. »Ich habe das Rudel nicht gesehen.«

Whitlock nahm sein Gewehr und die Satteltaschen und verließ den Stall. Düsternis hatte sich in die Stadt gesenkt. Die ersten Lichter waren angezündet worden. Man bereitete sich auf den Abend vor, wenn Sünde und Laster erwachten.

Whitlock ging ins Sheriff's Office. Der Sheriff saß hinter seinem Schreibtisch. Im Office roch es nach Bohnerwachs, am Fenster tanzten fliegen, ein Regulator an der Wand tickte. Jesse Bryant hob beide Augenbrauen, als er den späten Besucher erkannte: »Heavens, Gunsmoke! Sind Sie wieder auf dem Trail?«

Sie kannten sich aus einer Zeit, in der Whitlock vom Hass geleitet Jagd auf Apachen machte und oftmals in Tucson ihre Skalps verkaufte. Er war der Meinung gewesen, dass Jane Randall, die Frau, die er liebte, von Apachen umgebracht worden sei. Unversöhnlicher, grenzenloser Hass hatte ihn getrieben. Aber dann hatte er erfahren, dass Jane lebte. Sheriff Jesse Bryant, vor dem er jetzt stand, hatte ihm berichtet, dass mexikanische Soldaten in einem Apachendorf unter anderem eine weiße Frau gefangen nahmen, deren Name Jane Randall war.

Whitlock schüttelte den Kopf. »Nicht, wie Sie denken. Mit Geronimo und seinen Apachen herrscht Frieden. Die meisten Chiricahuas sind ins Reservat zurückgekehrt. Geronimo und Chato werden mit dem Rest nachfolgen.« Whitlock griff in die Innentasche seiner Jacke und holte einen Packen zusammengefalteter Steckbriefe hervor. Er faltete sie auseinander und legte sie vor Bryant auf den Schreibtisch.

»Ich bin in einem Sonderauftrag unterwegs«, erklärte Whitlock. »Diese Kerle gilt es einzufangen. Sie haben friedliche Apachen niedergeknallt wie räudiges Vieh. Es handelt sich um Siedler, die wir aus dem Reservat vertrieben haben. Sie bezeichnen sich als Vigilanten, nennen sich Arizona Volunteers und wollen sich an den Apachen rächen, die sie für ihr Dilemma verantwortlich machen. Lediglich Murphy wird von anderen Gründen geleitet.«

Der Sheriff schaute sich jeden einzelnen Steckbrief an. »Setzen Sie sich doch, Gunsmoke«, sagte er dazwischen drin einmal und wies einladend auf den Stuhl, der vor dem Schreibtisch stand.

Whitlock ließ sich nieder. »Nennen Sie mich bitte nicht Gunsmoke, Sheriff.«

»Sorry. Ich dachte nicht daran...« Bryant brach ab. Schließlich er schüttelte den Kopf. »Aufgefallen ist mir keiner der Kerle in der Stadt. Aber ich werde meine Deputys entsprechend impfen. Und sollten wir auf einen der Schufte stoßen, werden wir Sie unterrichten, Whitlock. Wo finde ich Sie?«

»Ich weiß noch nicht, in welchem Hotel oder Boardinghouse ich ein Zimmer kriege. Ich werde Sie entsprechend in Kenntnis setzen, Sheriff.«

»Waren Sie dabei, als Geronimo zur Kapitulation gezwungen wurde?«, fragte der Sheriff.

»Er wurde nicht zur Kapitulation gezwungen«, verbesserte Whitlock. »Es gab Friedensverhandlungen. Insgesamt führten General Crook und der Häuptling drei lange Gespräche. Dann entschloss sich Geronimo, mit seinen Leuten ins Reservat zurückzukehren.«

»Geronimo soll sich noch in Mexiko aufhalten.«

»Das ist richtig. Crook vertraut ihm. Geronimo und Chato sollen auch den letzten Chiricahua davon überzeugen, dass es ihm im Reservat besser geht als irgendwo in der Einöde der Sierra Madres. Geronimo und Chato werden kommen. Davon bin ich überzeugt.«

Der Sheriff leckte sich über die Lippen. »Sie waren damals ziemlich außer sich, als ich Ihnen von dieser Jane Randall berichtete, die in einem Chiricahuadorf in Mexiko lebte. Sie haben sogar auf die Prämie für die Ergreifung von Black Horse verzichtet. Haben Sie etwas erreicht?«

Das Gesicht Whitlocks wurde düster. »Ich habe Jane Randall zu ihrem Vater, Colonel Ernest Randall, zurückgebracht. Es war die Frau, von der ich dachte, dass die Apachen sie getötet hatten, was auch der Grund war, dass ich ...«

Er verstummte.

Der Sheriff kannte die Geschichte.

Whitlock schämte sich für diesen Abschnitt seines Lebens. Er hatte wahllos Apachen getötet und für ihre Skalps Geld kassiert. Er hatte wegen Janes vermeintlichem Tod einem Volk den Krieg erklärt. Unmenschliche Härte und tödliche Kompromisslosigkeit hatten ihm den Namen Gunsmoke eingebracht. Er war nicht stolz darauf.

»Es ist nicht mehr so wie früher, nicht wahr?«, kam es von Bryant.

»Sie war die Squaw eines Kriegers und hat ihn zu achten gelernt. Ich muss ihr Zeit lassen.«

»Die Frau wird einen schweren Stand in der weißen Gesellschaft haben«, gab Bryant zu bedenken. »Man wird sie diskriminieren und ...«

»Ich weiß. Nun, ich lasse Jane die Zeit, die sie braucht, um sich ihrer Gefühle klar zu werden. Es wird sich herausstellen, ob es ihr gelingt, das Erlebte zu verarbeiten und zu vergessen. Sie hat gelernt, die Apachen zu verstehen, und sie weiß über meine Zeit als Apachenjäger Bescheid. Ich weiß nicht, ob sie jemals Verständnis dafür aufbringen wird.«

Whitlock erhob sich. Der Regulator schlug zehnmal. Es war zweiundzwanzig Uhr. Whitlock verabschiedete sich von dem Sheriff, seine Steckbriefe faltete er wieder zusammen und schob sie ein.

Details

Seiten
Erscheinungsjahr
2023
ISBN (ePUB)
9783738971774
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (Februar)
Schlagworte
chiricahua mission pete hackett western edition

Autor

  • Pete Hackett (Autor:in)

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Titel: Chiricahua - In tödlicher Mission: Pete Hackett Western Edition 118