Zusammenfassung
Die vier palaverten in ihrer Sprache. Keiner von ihnen dachte an Gefahr. Sie befanden sich auf dem Kriegspfad. Seit zwei Jahren führten sie einen erbitterten Guerillakrieg gegen die Weißen. Vor fast zwei Jahren waren sie mit Geronimo aus dem Reservat White Mountain geflohen und hatten sich in Mexiko niedergelassen. Immer wieder kamen sie über die Grenze.
Die Regierungen von Mexiko und Arizona hatten Kopfgeld auf sie ausgesetzt. Skalpjäger zogen durchs Land. Einer hatte sich besonders hervorgetan. Man hatte ihm den Namen Gunsmoke gegeben. Sein richtiger Name war Tyler Whitlock.
Apachen hatten die Frau, die er liebte, getötet, als er mit ihr auf dem Weg nach Tularosa war, nachdem er sie aus der Gewalt des Banditen Lester Wilburn befreit hatte. Seitdem trieb es ihn ruhelos durchs Land. Die Steckbriefe in seinen Satteltaschen und das Angebot der Regierungen, Prämien für Apachenskalps zu zahlen, legitimierten ihn. Sein Gesetzbuch waren der Colt und die Winchester. Seine Rechtfertigung war glühender Hass auf die Indianer. Er kannte keine Gnade und kein Erbarmen.
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© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
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Chiricahua - Mit Blut geschrieben: Pete Hackett Western Edition 117
Chiricahua
Band 4
Western von Pete Hackett
Über den Autor
Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.
Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."
Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.
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Die vier Apachen lagerten in einer felsigen Mulde, die von Büschen begrenzt wurde. Ein Lagerfeuer brannte. Auf zwei Astgabeln lag ein Stock, auf den die Krieger einen abgehäuteten Präriehund gespießt hatten. Es roch nach bratendem Fleisch und Holzrauch.
Die vier palaverten in ihrer Sprache. Keiner von ihnen dachte an Gefahr. Sie befanden sich auf dem Kriegspfad. Seit zwei Jahren führten sie einen erbitterten Guerillakrieg gegen die Weißen. Vor fast zwei Jahren waren sie mit Geronimo aus dem Reservat White Mountain geflohen und hatten sich in Mexiko niedergelassen. Immer wieder kamen sie über die Grenze.
Die Regierungen von Mexiko und Arizona hatten Kopfgeld auf sie ausgesetzt. Skalpjäger zogen durchs Land. Einer hatte sich besonders hervorgetan. Man hatte ihm den Namen Gunsmoke gegeben. Sein richtiger Name war Tyler Whitlock.
Apachen hatten die Frau, die er liebte, getötet, als er mit ihr auf dem Weg nach Tularosa war, nachdem er sie aus der Gewalt des Banditen Lester Wilburn befreit hatte. Seitdem trieb es ihn ruhelos durchs Land. Die Steckbriefe in seinen Satteltaschen und das Angebot der Regierungen, Prämien für Apachenskalps zu zahlen, legitimierten ihn. Sein Gesetzbuch waren der Colt und die Winchester. Seine Rechtfertigung war glühender Hass auf die Indianer. Er kannte keine Gnade und kein Erbarmen.
Es war dunkel. Am Himmel glitzerten einige Sterne. Immer wieder schoben sich Wolken vor den Mond. Wolkenschatten zogen über das Land. Der Reiter zügelte sein Pferd und witterte in die Dunkelheit hinein wie ein Wolf. Es war der brenzlige Geruch von Holzrauch, der ihm in die Nase stieg. Sekundenlang verharrte er regungslos. Dann saß er ab. Die Gebisskette des Zaumzeuges klirrte leise. Das Pferd stampfte auf der Stelle und schnaubte. Der große, hagere Mann legte dem Tier die flache Hand auf die Nüstern. »Ruhig, mein Alter«, murmelte er. Seine Stimme klang rau. »Nur ruhig. Wahrscheinlich sind es wieder ein paar von diesen roten Filzläusen.«
Es war Tyler Whitlock. Er befand sich im Süden Arizonas. Jetzt war er hellwach und angespannt. Die Gefahr konnte hier überall lauern, der Tod war allgegenwärtig. Die Grenze des Arizona-Territoriums und New Mexikos waren Schauplatz blutiger Massaker, die die Apachen in Ansiedlungen und auf Ranches sowie Farmen veranstalteten. Die Poststraßen waren unsicher. Menschen hatten ihre Siedlungsstätten verlassen und waren in die Städte gezogen. Der Tod zog mit lautlosen Schritten durch das Land.
Tief in seinem Innersten wusste Tyler Whitlock, dass man die Apachen so weit getrieben hatte. Man hatte sie belogen und betrogen, man jagte sie wie tollwütige Wölfe, man stellte sie auf eine Stufe mit wilden Tieren. Häuptlinge wie Victorio, Loco, Naiche, Chato und Geronimo lebten friedlich im Reservat, hatten versucht, sich Existenzen aufzubauen, bearbeiteten das Land und züchteten Vieh.
So manchem Weißen was das ein Dorn im Auge gewesen. Man hatte alles getan, um die Apachen aufzuwiegeln, sie zu Gesetzlosen zu degradieren, ihnen ihr Land wegzunehmen. Ganz besonders hervor tat sich auf diesem Gebiet der Tucson-Ring, der aus einflussreichen Händlern bestand, die die Armee belieferten. Jede Militärkampagne gegen die Apachen erhöhte den Gewinn dieser Leute.
Tyler Whitlock zog die Winchester aus dem Scabbard und repetierte. Für einen Augenblick stand das trockene Knacken des Durchladens in der Luft. Der Nachtwind säuselte leise. Grillen zirpten. Das Mondlicht versilberte die Hänge und Kuppen der Hügel.
Whitlock ließ die Zügel des Pferdes einfach fallen. Das Tier war so abgerichtet, dass es sich nicht von der Stelle bewegen würde, wenn nicht gerade ein Rudel Wölfe oder ein Puma auftauchten und es in Panik versetzten.
Der Mann glitt lautlos wie ein großer Schatten durch die Nacht. Er folgte dem Geruch des Rauches. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen. Das Gewehr trug er links am langen Arm. In ihm war eine steinerne Ruhe. Sein eigenes Schicksal war ihm egal. Er war – seine Person betreffend - von einer fatalen Gleichgültigkeit erfüllt. Mit Jane Randalls Tod war etwas in ihm zerbrochen. Janes Vater, Colonel Ernest Randall, hatte ihm die Schuld am Tod Janes zugeschoben. Whitlock hatte seinen Dienst bei der Armee quittiert. Er gab sich wie ein Mann, der nichts mehr zu verlieren hatte. Nur der Hass war ihm geblieben.
Dann sah er den Feuerschein durch das Zweigwerk der Büsche leuchten. Er hielt an, lauschte, vernahm leise Stimmen, sie sickerten heran wie das Murmeln eines Baches. Und er hörte das Stampfen von Pferden. Schritt für Schritt schob er sich weiter. Dann sah er die Schemen der Pferde durch die Dunkelheit. Zwei der Tiere lagen am Boden. Sie waren an den Büschen angebunden, welche die Mulde säumten, in denen das Lagerfeuer brannte.
Whitlock pirschte um die Pferde herum, näherte sich ihnen, tastete mit der rechten Hand über die Kruppe eines der Tiere und fand kein Brandzeichen. Geduckt huschte er zwischen die Büsche, legte sich auf den Bauch und schob sich an den Rand der Mulde heran. Der Feuerschein legte dunkle Schatten in die Gesichter der vier Apachen. Sie trugen farbige Tücher um die Köpfe. Einer war mit der Feldbluse eines Captains bekleidet. Die anderen trugen sandfarbene Leinenhemden, Leinenhosen und kniehohe Mokassins. Neben ihnen am Boden lagen Gewehre, aber auch Bögen und Köcher mit Pfeilen. Damit töteten sie absolut lautlos und überraschend.
Whitlocks Züge verhärteten sich. Scharf traten seine Backenknochen hervor. Einer der Apachen, der ihm das Gesicht zuwandte, war Black Horse, ein Unterhäuptling, der schon durch mehrere blutige Überfälle in Erscheinung getreten war und auf den ein Kopfgeld von dreihundert Dollar ausgesetzt war.
Whitlocks Augen glitzerten kalt wie die Lichter eines Raubtieres. Der Killerinstinkt in ihm meldete sich. »Für Jane«, murmelte er leise vor sich hin und erhob sich. »He, ihr Missgeburten!« Es war der blanke Hass, der sein Handeln bestimmte.
Die Indianer sprangen auf, griffen nach den Gewehren.
Sie hatten keine Chance. Whitlocks Kugeln schüttelten sie, rissen sie herum, streckten sie nieder. Tot und sterbend lagen sie im Gras. Die Detonationen rollten die Hügelflanken hinauf und verebbten mit geisterhaftem Geraune.
Whitlock schritt, das Gewehr an der Hüfte im Anschlag, eine Patrone in der Kammer und den Finger am Abzug, von einem zum anderen. Stöhnen war zu vernehmen. Er ging zu dem Krieger hin, der sich am Boden bewegte. Licht- und Schattenreflexe zuckten über ihn hinweg. Die Augen glitzerten wie im Fieber. In seinen Mundwinkel zuckte es.
Whitlock setzte ihm die Mündung der Winchester auf die Brust. »Deine Brüder haben mir alles genommen«, presste er hervor. »Es gab mal eine Zeit, in der ich einiges für euch übrig hatte. Ich kannte Victorio, kenne Eskiminzin, und ich habe mit einigen anderen Häuptlingen in San Carlos gesprochen. Aber dann haben deine Brüder meine Squaw getötet.«
»Spar dir deine Munition, weißer Mann«, keuchte der Apache. Es war Black Horse. »Ich werde den Morgen nicht mehr erleben. Der Große Geist hat über mein Schicksal entschieden. Er schickte dich. - Erzähle mir deine Geschichte.« Der Apache hüstelte. Ein feiner Blutfaden rann aus seinem Mundwinkel, auf seinen Lippen hatte sich blasiger, rötlich verfärbter Schaum gebildet.
Whitlock nahm die Mündung der Winchester von der Brust des Apachen und ging in die Hocke nieder. »Du hast sicher schon von mir gehört. Man nennt mich Gunsmoke.«
»Ja. Du hast viele von uns getötet. Dein Herz ist voll Hass. Aber auch unsere Frauen und Kinder wurden getötet. Warum also sollen wir nicht auch hassen?«
»Viele Jahre bin ich für eure Interessen eingetreten«, erklärte Whitlock. »Ich war in Ojo Caliente, in Tularosa und in San Carlos. Immer habe ich mich für die Rechte des roten Mannes eingesetzt. Victorio wollte nur mit mir verhandeln. Ich ritt wochenlang, um mit ihm zu sprechen. Mein Herz gehörte dem roten Volk. Ich hatte Verständnis für eure Situation und setzte sogar meine Karriere aufs Spiel. Offiziere, die mit den Apachen sympathisierten, waren nicht besonders angesehen.«
»Man hat mir von einem Nantan erzählt, der viel für die Apachen übrig hatte. Sein Name war Whitlock. Bist du das?«
»Ja. Aber die Apachen nahmen mir die Frau, die ich liebte. Das war der Dank dafür, dass ich mich für sie einsetzte. Mir wurde klar, dass die Apachen blutrünstig und undankbar sind. Darum habe ich ihnen den Krieg erklärt.«
»Einem ganzen Volk«, ächzte der Verwundete. »Wenn du die Mörder zur Rechenschaft gezogen hättest, dann wäre das in Ordnung. So aber stellst du dich auf eine Stufe mit den Mördern.«
»Ihr seid alle Mörder. Wie viele Patrouillen, Siedlungen, Ranches, Farmen, Planwagenzüge und Postkutschen hast du überfallen, Black Horse? Wie viele weiße Männer hast du dabei getötet? Auch du hast einer Rasse den Krieg erklärt. Bist du nicht auch ein Mörder und darüber hinaus ein Brandstifter und Frauenschänder?«
»Dir hat man nicht den Lebensraum genommen, Gunsmoke. Wenn ein Weißer einen Weißen tötet, schwören der Vater, der Bruder oder der Sohn dem Mörder Rache und verfolgen ihn, um ihn zu töten. Erklärt er deswegen gleich dem Volk der Weißen den Krieg?«
Die Stimme war schwächer geworden. Black Horse sprach gutes Englisch. Sein Atem ging rasselnd, die Brust hob und senkte sich.
Whitlock erhob sich, ging zum Feuer und warf einige Holzstücke, die am Boden lagen, in die Glut. Die Flammen flackerten wieder auf. Licht- und Schatten wechselten. In Whitlocks kantigen Zügen zeigte sich nicht die Spur einer Gemütsregung. Er konnte nichts mehr empfinden. Das Menschliche in ihm schien abgestorben zu sein. Als Jane durch einen Apachenpfeil starb, war in ihm etwas zerbrochen.
»Dein Vergleich ist schlecht«, murmelte Whitlock. Dann ging er, um sein Pferd zu holen.
Als er zurückkehrte, war Black Horse gestorben.
*
Whitlock ritt nach Tucson. Der tote Black Horse lag über dem Rücken eines Mustangs. Den anderen drei getöteten Apachen hatte Whitlock nur die Skalps genommen. Für sie würde er insgesamt fünfzehn Dollar Prämie erhalten. Black Horse aber war dreihundert Dollar wert.
Der ritt zum Sheriff's Office. Eine Gruppe von Menschen hatte sich angesammelt und folgte ihm. Murmeln und Raunen hing in der Luft. Tucson war eine große Stadt, in der sich Glücksritter, Abenteurer, Spieler, Revolvermänner, Banditen und Huren ein Stelldichein gaben. Ein Sündenpfuhl. In dieser Stadt jagte man dem Dollar hinterher wie der Satan der armen Seele, hier war ein Menschenleben manchmal nur den Preis für eine Kugel wert. Bösartiger Lärm rollte durch die Straßen und Gassen. Whitlock nahm den bösen Atem wahr, den Tucson verströmte.
Der Prämienjäger saß vor dem Office ab. Es war Spätsommer. Die Sonne schien heiß. Auf der Straße trieb der heiße Wind Staubwirbel vor sich her. In den Schatten dösten Hunde. Unter den Vorbaudächern saßen hier und dort Männer in Schaukelstühlen und hielten Siesta.
Nachdem er kurz an die Tür geklopft hatte, betrat Whitlock das Büro. Es war düster hier drin. Die Luft war stickig und abgestanden und es roch nach Bohnerwachs. Nur durch ein kleines Fenster fiel Tageslicht in den Raum. An diesem Fenster summten Fliegen. Ein Regulator tickte; monoton schlug das Pendel hin und her; Zeugnis der unerbittlich verrinnenden Zeit.
Am Schreibtisch saß ein Mann um die vierzig Jahre. Seine Haare waren schon angegraut. Hinter ihm, drei Schritte entfernt, war eine Gitterwand. Es gab drei Zellen. Sicher viel zu wenig für eine Stadt wie Tucson. Links an der Wand stand ein Gewehrschrank, dessen unterer Teil zwei Türen aufwies.
Der Sheriff fixierte Whitlock. Seine grauen Augen blickten teilnahmslos. Er presste für einen Moment die Lippen zusammen, dann sagte er: »Wen bringen Sie dieses Mal, Gunsmoke?«
»Black Horse. Außerdem ein Dutzend Skalps.« Whitlock griff in die Innentasche seines Staubmantels und holte ein zusammengelegtes Blatt Papier hervor, faltete es auseinander und hielt es dem Sheriff hin. »Black Horses Steckbrief. Tot oder lebendig. Er ist dreihundert Dollar wert.«
Der Sheriff lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Wie lange wollen Sie diesen blutigen Job noch ausüben, Gunsmoke? Bei den Apachen sind Sie längst bekannt wie ein bunter Hund. Haben Sie keine Angst, dass sie den Spieß umdrehen und Jagd auf Sie machen?«
»Das käme meinen Absichten und Wünschen nur entgegen«, versetzte Whitlock gelassen.
Der Sheriff erhob sich und reckte die Schultern. »Der Tucson-Ring hat die Prämien für Apachenskalps erhöht.« Er nahm den Steckbrief, drehte ihn herum und betrachtete ihn. Plötzlich nickte er. »Ich will mir den Toten ansehen. Wenn es sich um Black Horse handelt, stelle ich Ihnen einen Scheck aus.«
Sie gingen hinaus. Die Meute der Neugierigen hatte sich vergrößert. Der Sheriff packte den toten Apachen bei den Haaren und hob seinen Kopf soweit an, dass er in sein erstarrtes Gesicht blicken konnte. »Das könnte Black Horse sein.« Er ließ den Kopf wieder los. »In Ordnung, Gunsmoke. Kommen Sie herein, damit ich Ihnen den Scheck ausstellen kann.«
Sie gingen wieder ins Office. Der Sheriff setzte sich hinter seinen Schreibtisch, Whitlock stellte sein linkes Bein auf den Stuhl, der davor stand, und legte beide Hände übereinander auf das Knie. »Gibt es schon wieder Nachrichten von neuen Gräueltaten? Wurden irgendwo in der Gegend Apachen gesehen?«
»Unten in Warren, südöstlich von Bisbee, ist eine Bande über die Grenze gekommen und hat eine Ranch überfallen. Vier tote Männer waren die Bilanz. Zwei Frauen und drei Kinder wurden entführt. Die Apachen flohen vor einer Kompanie Soldaten nach Sonora, in die Sierra de San José. Aber dort hat sie eine mexikanische Infanterieeinheit aufgestöbert und hochgenommen. Siebenundvierzig Frauen und Kinder wurden festgenommen, über zwanzig Krieger getötet. Die anderen entkamen. Man hat die Frauen und Kinder nach Cananea gebracht. Es sollen sich auch weiße Frauen und Kinder darunter befunden haben.«
»Sicher«, murmelte Whitlock. »Die Apachen entführen immer wieder weiße Frauen und ihre Kinder. Für sie wäre es besser, wenn sie die Indianer getötet hätten. Das Leben in einem Indianerdorf ist für eine weiße Frau die Hölle.«
»Eine der Frauen lebt schon fast zwei Jahre bei den Apachen«, murmelte der Sheriff. »Sie ist die Frau eines der getöteten Krieger und kämpfte wie eine Löwin gegen die Soldaten. Es gibt also auch weiße Frauen, die sich bei den Apachen integriert haben. Sie sagte gegenüber den mexikanischen Behörden aus, dass ihr Name Jane Randall sei. Sie behauptet sogar, die Tochter eines amerikanischen Offiziers zu sein.«
Es durchfuhr Tyler Whitlock wie ein Stromstoß. Und er musste zweimal ansetzen, ehe er antworten konnte. »Sagten – Sie – wirklich – Jane Randall, Sheriff?«, stammelte er und sein Blick schien den Gesetzeshüter zu durchbohren. Erwartungsvolle Spannung prägte jeden Zug des Gesichts. Whitlock hatte den Fuß vom Stuhl genommen und die Schultern angezogen. »Sagen Sie schon, Sheriff!«, drängte er. »War der Name der Frau wirklich Jane Randall?«
Der Sheriff kniff die Augen zusammen. Er hatte zu schreiben aufgehört und fixierte Whitlock aufmerksam und fragend. »Kennen Sie diese Frau?«
»Es gab eine Jane Randall«, presste Whitlock hervor. Seine Stimme klang belegt. In seinem Gesicht zuckten die Muskeln, Zeichen seiner inneren Erregung. Seine Hände öffneten und schlossen sich. Es durchrann ihn wie ein Fieberschauer. »Sie war die Tochter von Colonel Ernest Randall, Kommandeur des Stützpunktes Tularosa.«
Whitlock griff sich an den Kopf. Es überstieg seinen Verstand. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Mühsam kämpfte er um seine Fassung, er ließ sich auf einen Stuhl fallen und presste die Finger an die Schläfen.
»Was ist los mit Ihnen?«, fragte der Sheriff und musterte ihn durchdringend.
Tyler Whitlock zwang seine verkrampften Kinnbacken auseinander und presste zwischen den Zähnen hervor: »Es sieht so aus, als wäre ich zwei Jahre unrichtiger Weise davon ausgegangen, dass Jane tot ist. O mein Gott! Es muss sich um Jane handeln. Sie lebt. Und ich ...«
Ein Ton, der sich anhörte wie trockenes Schluchzen, entrang sich Whitlock. Ein schmerzlicher Ausdruck glitt über das zerfurchte Antlitz. Es gelang ihm nicht, verstandesmäßig zu verarbeiten, dass Jane leben sollte. Seine Finger zitterten, als er sich über die schweißnasse Stirn fuhr, Whitlock hörte seinen eigenen, gepressten Atem.
Plötzlich erhob er sich und nahm eine unruhige Wanderung auf, und er begann zu sprechen: »Ein Bandit namens Lester Wilburn entführte Jane und ich folgte den beiden nach Alamogordo. Jane und ich waren verlobt. Wilburn war gekommen, um seinen Bruder zu rächen. Es kam zum Kampf, in dessen Verlauf ich Wilburn tötete. Auf dem Rückweg nach Tularosa wurden Jane und ich von aufständischen Apachen überfallen. Sie wurde von einem Pfeil in die Brust getroffen. Himmel, sie war tot. Mir gelang die Flucht.«
»Es sieht ganz so aus, als wäre Jane nicht tot gewesen, Gunsmoke«, murmelte der Sheriff.
»Bitte«, knurrte Whitlock, »nennen Sie mich nicht Gunsmoke. Mein Name ist Whitlock. Wenn Jane lebt ...«
Whitlock brach ab. Seine Lippen bildeten nur noch einen dünnen, blutleeren Strich.
»Was wollten Sie sagen, Whitlock?«
»Dann habe ich all die Apachen, die ich getötet habe, ohne Grund umgebracht. Ich wollte Jane rächen. Wie kann ich das je wieder gut machen?«
»Darüber sollten Sie sich keine Gedanken machen, Whitlock. Die Apachen, die die Reservate verlassen haben, sind vogelfrei. Man darf sie töten wie tollwütige Hunde. Frieden werden wir in diesem Land wohl erst bekommen, wenn der letzte dieser rothäutigen Parasiten in der Hölle schmort. Sie haben nichts getan, wofür Sie sich schämen müssten.«
Abrupt wandte sich Tyler Whitlock ab und ging zur Tür.
»He, Ihr Scheck, Whitlock.«
Wortlos verließ Tyler Whitlock das Sheriff's Office. Sein Blick schien sich nach innen verkehrt zu haben. In seinem Gesicht wüteten die Empfindungen. Er hatte das Gefühl, jeden Moment verrückt zu werden. Jane lebt! Wie mit tonnenschweren Gewichten stürmte es auf ihn ein und drohte ihn zu erdrücken. Sein Gewissen war erwacht und die Erkenntnis, dass er sinnlos getötet hatte, loderte wie ein Feuer in ihm und drohte ihn innerlich zu verzehren.
Er sah die Menschen nicht, die sich angesammelt hatten, die Schulter an Schulter standen und ihn ehrfurchtsvoll musterten. In Ihren Augen war er ein Held, einer, der alles tat, um dem Land zum Frieden zu verhelfen, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, das Übel, das den Namen Apache hatte, kompromisslos zu bekämpfen und auszumerzen.
Automatisch, von keinem bewussten Willen gesteuert, löste er den Zügel seines Pferdes vom Holm. Er schwang sich in den alten, gebrochenen Sattel und zog das Pferd herum.
Der Sheriff trat auf den Gehsteig. Er hielt den Scheck in der Hand. »Das Geld steht Ihnen zu, Whitlock. Sie haben es sich verdient.«
Whitlock hörte die Worte wie aus weiter Ferne. Sein Gesicht hatte sich düster verschlossen. Dumpf pochte das Herz in seiner Brust. An deinen Händen klebt das Blut vieler Apachen, durchfuhr es ihn. Sein Hals war trocken, er spürte einen gallenbitteren Geschmack in der Mundhöhle. Du hast ihr Blut grundlos vergossen. Es gibt dafür keine Entschuldigung. Du hast dich gebärdet wie ein wildes Tier. Nein! Ein wildes Tier tötet, um zu überleben. Du hast getötet um des Tötens Willen.
Er zerfleischte sich innerlich. Einen anderen Gedanken zu fassen als den an die vielen toten Indianer, die auf sein Konto gingen, war ihm nicht möglich. Er verspürte Schwindelgefühl. Was um ihn herum vor ging, registrierte er nicht. Es erreichte nicht einmal den Rand seines Bewusstseins. Er verließ Tucson. Die Nase seines Pferdes zeigte nach Süden.
*
Zwei Tage später erreichte Whitlock Nogales. Die Last der Schuld, die er auf sich geladen hatte, drohte ihn zu erdrücken. Er war stoppelbärtig und verstaubt. Wer ihn sah, musste ihn für einen Sattelstrolch halten.
In Nogales begab sich Whitlock in die Kirche. Der Padre war damit beschäftigt, Kerzen anzuzünden. In einer der Bankreihen saßen zwei alte, schwarzgekleidete Ladys. Sie hielten Rosenkränze in den Händen und beteten. Die linke Braue des Pfarrers hob sich, als er den Revolver an Whitlock rechtem Oberschenkel wahrnahm. »Das ist ein Gotteshaus«, mahnte er. »Hier drin haben Waffen nichts zu suchen.«
»Verzeihen Sie, Padre«, erwiderte Whitlock. Er tauchte seine Finger in den Weihwasserkessel und schlug das Kreuzzeichen. »Ich bin hergekommen, um Trost zu finden. Ich – ich weiß nicht, wie ich damit fertig werden soll. Es bringt mich um?«
»Wovon redest du, mein Sohn?« Der Padre hatte sich Whitlock zugewandt. »Hast du Schuld auf dich geladen? Möchtest du, dass ich dir die Beichte abnehme. Der Herr wird dir verzeihen, wenn du ehrlich bereust.«
»Ja, ich möchte beichten, Padre. Ich muss mit jemand darüber sprechen. Ich...« Whitlock brach ab, hob die Schultern, ließ sie wieder nach unten sacken. »Ich bin ein skrupelloser Mörder. Gott wird mir nicht vergeben.«
»Gehen wir dort hinüber«, sagte der Padre und machte eine einladende Bewegung in die Richtung des Beichtstuhles.
Der Padre setzte sich in die für ihn vorgesehene Kabine. Whitlock kniete außerhalb nieder. Durch das Gitter sah er das Gesicht des Pfarrers nur undeutlich.
»Beichte deine Sünden, mein Sohn«, forderte ihn der Padre mit sanfter Stimme auf. »Ich bin das Ohr und der Mund unseres Herrn. Ich will mir anhören, was du zu sagen hast. Und dann werde ich sehen, ob ich dich freisprechen kann von deiner Schuld.«
»Man nennt mich Gunsmoke«, murmelte Whitlock.
»Dann bist du der berühmt-berüchtigte Indianertöter«, versetzte der Padre.
»Indianermörder«, verbesserte Whitlock, und dann erzählte er seine Geschichte. Es war eine tragische Geschichte, die mit Blut geschrieben war, bei der der Tod die Feder führte. Der Padre hörte aufmerksam zu und unterbrach den Mann kein einziges Mal. Erst, als Whitlock geendet hatte, sagte der Priester: »Du hast schwere Schuld auf dich geladen, mein Sohn. Und ich kann dich davon nicht freisprechen. Selbst wenn Jane Randall tatsächlich getötet worden wäre: Du hattest niemals das Recht, ihren Tod zu rächen. Die Rache ist mein, sprach der Herr. - Vielleicht vergibt er dir. Ich jedoch kann dich nicht von deinen Todsünden entbinden. Führe von nun an ein Leben im Sinne Gottes, und du wirst sicher einen Teil deiner Schuld abtragen können.«
»Ich wollte nur mit jemand darüber sprechen, Padre«, murmelte Whitlock. »Selbst wenn Sie mich freisprächen, würde das für mich nichts ändern. Ich trage die Schuld in mir, und es wäre kein Trost, aus Ihrem Mund zu hören, dass Gott mir meine Sünden vergibt. Ich selbst kann mir nicht vergeben, Padre. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Du bist auf einem guten Weg, mein Sohn. Es nützt allerdings nichts, wenn du dich innerlich zermarterst. Tröste dich damit, dass du verblendet warst vor Hass. Wiedergutmachung kannst du nicht leisten. Du kannst für dein Seelenheil beten, so wie ich für dein Seelenheil beten werde. Alles andere aber müssen wir dem Herrn überlassen. Er ist gütig, mein Sohn. Und er wird sich auch nicht abwenden, wenn du eines Tages vor ihn hintrittst und ihn um Vergebung bittest. Bis dahin jedoch musst du mit deiner Schuld leben.«
»Danke, Padre.« Whitlock erhob sich und schritt zum Ausgang. Seine Schritte hallten auf dem Holzboden des Kirchenschiffs. Leise klirrten seine Sporen. Dann trat er aus der Düsternis der Kirche hinaus ins Freie. Die grelle Sonne blendete ihn, er blinzelte. Vor ihm lag der Friedhof. Auf einigen Gräbern lagen Blumen. Andere waren nur noch unkrautüberwucherte Hügel. Viele Kreuze und Gedenksteine standen schief. Bei einem der Gräber standen eine Frau und ein Kind. Die Erde war noch frisch.
Whitlock atmete tief durch. Jedes dieser Kreuze, jeder Grabstein, jeder dieser Erdhügel war ein Mahnmal der Vergänglichkeit. Leben und Sterben – ein ewiger Kreislauf? Gehen die Toten tatsächlich in eine bessere Welt?, fragte sich Whitlock. Er glaubte nicht an die Auferstehung, glaubte nicht an Himmel und Hölle. Es gab nur Tod oder Leben. Solange er sich bewegte, solange er atmete, lebte er. Wenn er einmal unter einem solchen Hügel lag, war er tot. Tod hieß Ende. Aus. Mit dem Tod war alles vorbei. Alles!
Er hatte vielen Apachen den Tod gebracht. Er musste fast auflachen. Du hast sie nicht in eine bessere Welt geschickt. Denn wenn es so wäre, müssten sie dir dankbar sein dafür, dass du sie umgebracht hast. Aber ich glaube nicht, dass mir das ein einziger dieser Krieger dankt.
Er verließ den Boot Hill. Draußen hatte er sein Pferd an einem Strauch festgebunden. Er band es los und stieg in den Sattel. Dann ritt er in die Stadt hinein. Zu beiden Seiten der staubigen Main Street reihten sich die Häuser mit den falschen Fassaden. Hin und wieder wurde die Häuserreihe von einer Gasse unterbrochen. Vor den Häusern gab es Gehsteige aus dicken Bohlen. Es war später Nachmittag. Die Schatten wuchsen über die Fahrbahn. An den Querbalken eines hohen Galgentores war ein Schild genagelt, auf das Livery Stable gepinselt war. Große Buchstaben, von denen die Farbe bereits abblätterte. Der Wagen- und Abstellhof war von Spurrinnen zerfurcht und von Pferdehufen aufgewühlt.
Whitlock saß ab und führte sein Tier zum Tor. Der Stallmann kam ihm entgegen. Er hielt eine Mistgabel mit beiden Händen schräg vor seiner Brust. »Hallo, Fremder.«
»Hallo, Stall. Ich bleibe die Nacht über in der Stadt und möchte mein Pferd bei Ihnen unterstellen.«
Der Stallmann lehnte die Forke gegen einen der rissigen Tragebalken. Überall in den Ecken zogen sich verstaubte Spinnenweben. Durch die Ritzen in den Bretterwänden fiel in schrägen Bahnen das Sonnenlicht. Staubpartikel tanzten in den Lichtbahnen. Es roch nach Heu, Stroh und Pferdeausdünstung. »Dafür ist der Stall da«, sagte der Stallbursche grinsend. Im nächsten Moment erlosch sein Grinsen. »Sie scheinen einen ziemlich langen Ritt hinter sich zu haben. Reitet jemand auf Ihrer Fährte?«
»Wenn Sie wissen wollen, ob ich vom Gesetz gejagt werde, dann heißt die Antwort nein. Ob sonst jemand auf meiner Spur reitet, weiß ich nicht. Ich hole das Pferd morgen früh wieder ab. Versorgen sie es gut.«
»Gehen Sie über die Grenze?«
»Ja. Ich muss nach Cananea.«
»Das sind etwa sechzig Meilen. Was wollen Sie denn dort?«
»Meine Verlobte abholen«, stieß Whitlock hervor. Dann zog er sein Gewehr aus dem Scabbard, schnallte die Satteltaschen ab, legte sie sich auf die Schulter und verließ den Stall.
Er mietete sich in Joe Brandon's Boardinghouse einen Schlafplatz, dann ging er in den Desert Inn, um sich ein Abendessen zu gönnen. Der Saloon war ziemlich voll. An der Theke standen die Männer dicht an dicht. Einige grell geschminkte Ladys versahen jetzt schon ihren Job und animierten die Kerle zum Trinken. Stimmengemurmel, das Scharren von Stuhlbeinen, Gelächter und eine Reihe anderer Geräusche erfüllten die Luft im Schankraum.
Whitlock gelang es, sich an einem Tisch einen freien Platz zu ergattern. Vier Kerle saßen bereits da. Bärtige Burschen, denen der Hauch einer hart gesottenen Verwegenheit anhaftete. Ein Girl, das einige Bierkrüge trug, kam heran und stellte einen der Krüge vor Whitlock hin, kassierte fünf Cent und verschwand wieder. Whitlock hatte Hunger. Aber er begriff, dass er in diesem Saloon wohl kaum etwas zu essen bekommen würde. Er trank einen Schluck.
Einer der Kerle am Tisch sprach ihn an. »Auch fremd hier?«
Whitlock nickte. »Ich bin zwei oder dreimal durch Nogales hindurchgeritten. Aufgehalten habe ich mich hier aber nie.«
»Was treibst du denn? Was ist das für ein Job, bei dem man nur durch die Gegend reitet?«
»Kein Job«, versetzte Whitlock. »Ich ziehe plan- und ziellos durchs Land. Manchmal nehme ich einen Job an. Wie es sich eben ergibt. Ich habe noch keinen Platz gefunden, an dem ich bleiben möchte.«
»Ein Satteltramp also.«
»So kann man es bezeichnen.«
In diesem Moment rief jemand: »He, dort sitzt Gunsmoke. Ihr wisst schon, der bekannte Kopfgeldjäger. Ich erkenne ihn. Habe ihn drüben, in New Mex, in Lordsburg getroffen. Hi, Gunsmoke! Erkennst du mich wieder?«
Ein heruntergerissener Bursche um die Dreißig schob sich zwischen den Tisch- und Stuhlreihen hindurch. Er war schon angetrunken. Seine Augen waren vom zu viel genossenen Alkohol gerötet, seine Lippen waren feucht. Ein Speichelfaden zog sich zwischen ihnen, wenn er sprach.
Whitlock war diese Begegnung unbehaglich. Ein verkniffener Zug kerbte sich in seine Mundwinkel. »Du musst dich täuschen, Hombre«, sagte er, als der Bursche heran war und grinsend auf ihn herunter schaute. »Ich kenne dich nicht. Ich war auch nie in Lordsburg. Tut mir Leid. Du hast mich verwechselt.«
»Du hast zwei tote Apachen in Lordsburg abgeliefert, Gunsmoke«, sagte der Angetrunkene. Das Grinsen war aus seinen Zügen verschwunden. »Ein Zweifel ist ausgeschlossen. Die beiden waren zusammen achthundert Dollar wert. Ich habe mir dein Gesicht gemerkt. Du bist Gunsmoke. Treiben sich in der Gegend wieder ein paar aufrührerische Apachen herum, weil du hier bist?«
»Ich jage keine Apachen mehr«, antwortete Whitlock nach kurzer Überlegung. Er sah ein, dass Leugnen keinen Sinn hatte. Sicher gab es weitere Männer im Saloon, die ihn schon irgendwann einmal gesehen hatten. »Trink einen Whisky auf meine Rechnung, Amigo. Oder auch zwei.«
Es war still geworden im Saloon. Die Augen aller Anwesenden waren auf Whitlock gerichtet. Es war ihm peinlich. Er verwünschte den Burschen, der ihn erkannt hatte. Jäh erhob er sich. »Es ist so, mein Freund. Gunsmoke gibt es nicht mehr. Ich habe eingesehen, dass ich falsch gehandelt habe. Und ich bereue jeden Tropfen Indianerblut, den ich unter diesem verdammten Namen vergossen habe.«
Er wollte sich in Bewegung setzen, um den Saloon zu verlassen.
Da erhob sich einer der Kerle am Tisch. »Moment. Nicht so schnell, Gunsmoke. Ho, du bist also der berühmte Indianerkiller. Meine Hochachtung. Wie viele von den roten Filzläusen hast du kalt gemacht. Fünfzig, hundert, etwa mehr?«
»Es waren viele«, murmelte Whitlock. »Ich will nicht darüber sprechen. Bitte, entschuldigen Sie ...«
Der Bursche legte Whitlock die Hand auf die Schulter. »Mein Name ist Tom Murphy. Das sind meine Freunde Hamilton Hooker, Vincent Collins und Bob Gatewood. Wir lassen dich nicht einfach so gehen, Gunsmoke. Erst musst du mit uns trinken. Ho, ich kann es kaum glauben, dass ich dich persönlich kennen lernen darf.«
»Ich sagte es schon«, kam es hart und klirrend von Whitlock. »Gunsmoke ist tot. Es gibt keinen Indianerjäger mehr mit diesem Namen. Ich habe begriffen, dass ich im Unrecht war. Und ich würde mein Leben opfern, wenn ich die getöteten Apachen wieder zum Leben erwecken könnte. Und jetzt lass mich gehen, Amigo. Ich will nicht über meine Vergangenheit sprechen.«
Whitlock bewegte sich. Die Hand Murphys glitt von seiner Schulter. Er ging zur Tür. Knarrend schlugen die Türpendel hinter ihm aus. Draußen atmete er tief durch. Dann sprang er vom Vorbau und ging am Straßenrand entlang durch die Stadt. Er entdeckte ein Restaurant und ging hinein. Heather's Steakhouse nannte sich der Laden. Es sah hier ordentlich aus, sauber, und es ging ruhig zu. Whitlock fand einen freien Tisch und setzte sich. Wenig später aß er. Hier wurde kein Alkohol ausgeschenkt. Er trank Wasser. Nachdem er gezahlt hatte, verließ er das Restaurant. Es wurde finster. Whitlock nahm sich vor, bald zu Bett zu gehen, um am anderen Morgen frühzeitig aufzubrechen. Er war voll Unrast. Jane befand sich in Cananea. Ihm erschien es wie ein Wunder, dass sie noch lebte. Was mochte sie durchgemacht haben?
Er fand keine Antwort. Die Frage, wie sie auf ihn reagieren würde, stand in einer ganzen Reihe weiterer Fragen, die ihn beschäftigten. Und so achtete Tyler Whitlock nicht auf seine Umgebung.
*
Als Whitlock eine Passage zwischen zwei Gebäuden passierte, wurde er angesprochen. »Der große Indianertöter ist sich wohl zu fein, mit ein paar Satteltramps wie uns an einem Tisch zu sitzen.«
Es war Tom Murphy. Er hatte die Daumen in den Revolvergurt gehakt, den Kopf schief gelegt und grinste hämisch. Halb rechts hinter ihm stand einer seiner Kumpane. In seinem Mundwinkel hing eine Zigarette. Er hatte die Augen zusammengekniffen.
Murphy fuhr fort: »Wir üben denselben Job aus wie du, Gunsmoke. Auch wir sind hinter Indianerskalps her. Einen dicken Fisch, so wie du, haben wir allerdings noch nicht erwischt.«
»Was willst du?« Whitlock hatte angehalten und sich dem Burschen zugewandt. Murphys Gesicht war von einem unsteten, lasterhaften Lebenswandel geprägt. Ein Leben jenseits von Recht und Ordnung hatte unübersehbare Spuren hinterlassen. Whitlock schätzte, dass Murphy nicht älter als fünfundzwanzig Jahre war.
»Ich will, dass du mit uns reitest. Mit Skalps alleine ist nichts verdient. Aber es machen noch eine Reihe von Apachen die Gegend unsicher, auf die die Regierung hohe Fangprämien ausgesetzt hat. Ich will, dass du uns hilfst, diese Burschen einzufangen.«
Whitlock ließ seinen Blick in die Runde schweifen. »Wo sind deine beiden anderen Freunde?«
»Sie sind im Saloon geblieben.«
»Ich sagte es doch, Murphy: Ich habe aufgehört.«
»Ein Mann wie du hört nicht von heute auf morgen damit auf, Apachen zu jagen. So viel Geld, dass du dich zur Ruhe setzen kannst, hast du sicherlich auch noch nicht verdient. Also reite mit uns, Gunsmoke. Wir werden die Rothäute jagen wie Hasen.«
»Nichts zu machen.« Whitlock schüttelte den Kopf. »Ich habe die Apachen nicht wegen des Geldes gejagt. Es war eine persönliche Sache. Ein Rachefeldzug. Jetzt weiß ich, dass ich falsch gehandelt habe. Der Name Gunsmoke ist kein Name, auf den man stolz sein kann. Am liebsten würde ich mir selber vor die Füße spucken. Aber das würde nichts ändern.«
Er wollte weitergehen.
»Bist du plötzlich feige geworden, Gunsmoke? Haben die Rothäute den Spieß umgedreht und jagen sie nun dich? Hast du deswegen die Hosen voll?«
»Du bist ein junger Narr«, murmelte Whitlock. »Ich möchte in Ruhe gelassen werden. Lasst euch nur eines gesagt sein: Der Job, den ihr macht, ist ein schmutziger.«
Whitlock ging weiter.
»Feigling!«
Das Wort fiel wie ein Hammerschlag. Whitlock hielt an, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand gelaufen. Ohne sich umzudrehen sagte er: »Warum beleidigst du mich?«
»Du hast einen großen Namen, Gunsmoke. Wenn ich dich töte, wird mein Name noch größer sein als deiner.«
»Was hättest du davon? Es wäre ein trauriger Ruf.«
»Es wäre ein legendärer Ruf, Gunsmoke. Ich sage es noch einmal. Du bist ein Feigling. Weiß der Satan, wie du zu deinem Ruf gekommen bist. Ich habe dich als Memme kennen gelernt. Dreh dich um, Memme.«
Whitlock stieß verbrauchte Luft aus. Seine Schultern sanken nach unten. Langsam wandte er sich um. Sein Gesicht war wie aus Granit gemeißelt. Die Augen blickten ruhig. »Du kannst mich nicht provozieren, Junge.«
Murphy spuckte ihm vor die Füße. Dann sagte er: »Zieh deine Stiefel aus, Gunsmoke. Du wirst in Socken nach Hause laufen. Mach schon. Vielleicht lasse ich dich auch noch die Hose ausziehen. Ich zähle bis drei.« Er zog den Revolver und wog ihn lässig in der Hand. Die Distanz zwischen ihm und Whitlock betrug zwei Schritte.
»Du machst einen Fehler, Junge«, warnte Whitlock. Er sprach fast sanft.
»So, denkst du? Nun, ich bin anderer Meinung. Es wird heißen, Tom Murphy hat den großen Gunsmoke in Unterhosen nach Hause geschickt. Ich werde mir einen Ruf wie Donnerhall erwerben. Von dir aber, Gunsmoke, spricht man bald nicht mehr. Und wenn, dann nur mit Verachtung.«
»Der Name ist nicht mehr wert, als mit Verachtung ausgesprochen zu werden. Ja, ich bin ein Feigling. Keiner der Apachen, die ich tötete, hatte eine reelle Chance. Wenn sie mich sahen, war es für sie zu spät. – Lass mich in Ruhe, Junge. Erzähle von mir aus überall und jedem, Gunsmoke habe vor dir gekniffen. Es ist die Wahrheit. Dein Name wird in aller Munde sein.«
Er war bereit, zu kneifen, aber er würde sich nicht demütigen lassen. Ruhig musterte er durch die Dämmerung Tom Murphy. Ja, er vermittelte ein großes Maß an Ruhe. Murphy hätte eigentlich gewarnt sein müssen. Aber er hielt Whitlocks Verhalten für Angst. Seiner eigenen Stärke und Überlegenheit hingegen war er sich ausgesprochen sicher.
»Zieh die Stiefel aus, und dann die Hose!«, gebot Murphy, und seine Worte warten ebenso herausfordernd wie die ganze Haltung, die er einnahm. Noch immer hielt er den Revolver lässig in der Rechten. Seine Mundwinkel waren verächtlich nach unten gesunken. In seinen Augen irrlichterte die Ungeduld.
»Und wenn ich es nicht tue?«, fragte Whitlock.
»Dann mache ich dir Beine.«
»Dann machen wir dir Beine!«, tönte der Kumpan Murphys.
»Du hältst dich heraus, Hamilton«, knurrte Murphy.
»Keiner soll dir den Ruf streitig machen, Gunsmoke gedemütigt zu haben, wie?«, sagte Whitlock, und es klang fast spöttisch.
»Ich zähle jetzt bis drei!«
Whitlock rührte sich nicht.
»Eins!«
Keine Reaktion von Seiten Tyler Whitlocks. Er zeigte sich furchtlos und unerschrocken. Er tat sogar noch mehr und verschränkte die Arme vor der Brust.
Einige Neugierige, die vorbeigegangen und aufmerksam geworden waren, hatten sich angesammelt. Und immer mehr kamen. Die Kunde, dass Gunsmoke zurechtgestutzt werden sollte, schien wie ein Lauffeuer durch die Stadt zu gehen.
»Zwei!«