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Nackt unter Geiern: Pete Hackett Western Edition 110

von Pete Hackett (Autor:in)
©2023 150 Seiten

Zusammenfassung

Jack stieg sattelsteif zum Vorbau des 'Long Rider Inn' hinauf. Er schaute über die Flügeltür in den Schankraum.

Fast ein Dutzend Reiter von der JB-Ranch lümmelten am Tresen oder hockten an den Tischen. Einige Girls bedienten die Gäste. Sie waren ziemlich leicht gekleidet, lachten mit den Kerlen und ließen es zu, dass sie begrabscht und betatscht wurden.

Jack stieß die Flügeltür auf und trat ein.

Eine hämische Stimme rief laut und herausfordernd: "Heh, Leute, wir kriegen Abwechslung. Der Kuhbauer vom San Cristobal Wash leistet uns Gesellschaft."

Die Geräusche versickerten. Die Atmosphäre war unvermittelt angespannt und gefährlich, als wäre der Schankraum mit Elektrizität geladen ...

Jack McDermitt hatte ruckhaft angehalten. Sein Blick schnellte in die Runde. Ja, er hatte die Gäule mit dem JB-Brand am Holm stehen sehen und überlegt, ob er den Inn betreten sollte. Aber da war Carrie, das hübsche Girl, das neben den anderen Mädchen hier im Saloon für Abwechslung sorgte. Sie hatte ihn in die Town gezogen. Ihretwegen hatte er die vielen Meilen von seiner Farm am San Cristobal Wash bis nach Mohawk unter die Hufe seines Pferdes genommen.

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​Nackt unter Geiern: Pete Hackett Western Edition 110

Western von Pete Hackett


Über den Autor

Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war – eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.

Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."

Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.



***

Jack stieg sattelsteif zum Vorbau des 'Long Rider Inn' hinauf. Er schaute über die Flügeltür in den Schankraum.

Fast ein Dutzend Reiter von der JB-Ranch lümmelten am Tresen oder hockten an den Tischen. Einige Girls bedienten die Gäste. Sie waren ziemlich leicht gekleidet, lachten mit den Kerlen und ließen es zu, dass sie begrabscht und betatscht wurden.

Jack stieß die Flügeltür auf und trat ein.

Eine hämische Stimme rief laut und herausfordernd: "Heh, Leute, wir kriegen Abwechslung. Der Kuhbauer vom San Cristobal Wash leistet uns Gesellschaft."

Die Geräusche versickerten. Die Atmosphäre war unvermittelt angespannt und gefährlich, als wäre der Schankraum mit Elektrizität geladen ...

Jack McDermitt hatte ruckhaft angehalten. Sein Blick schnellte in die Runde. Ja, er hatte die Gäule mit dem JB-Brand am Holm stehen sehen und überlegt, ob er den Inn betreten sollte. Aber da war Carrie, das hübsche Girl, das neben den anderen Mädchen hier im Saloon für Abwechslung sorgte. Sie hatte ihn in die Town gezogen. Ihretwegen hatte er die vielen Meilen von seiner Farm am San Cristobal Wash bis nach Mohawk unter die Hufe seines Pferdes genommen.

Jack hatte all seine Bedenken über Bord geworfen.

Jetzt bereute er es.

Die anderen Gäste, die nicht von der JB kamen, zogen die Köpfe zwischen die Schultern und beobachteten ihn. Die Stille zerbrach unvermittelt. Unruhiges Gemurmel entstand, Stühle ruckten, Füße scharrten, als jene, die sich zwischen der Handvoll Kerle am Tresen und Jack McDermitt befanden, aus der Schusslinie verzogen. Die Geräusche versanken wieder in der Lautlosigkeit.

Einer der Burschen am Tresen hakte seine Daumen hinter den Revolvergurt und trat einen Schritt vor. Seine Augen waren vom übermäßigen Alkoholgenuss gerötet. Ein hämisches Grinsen zog seine schmalen Lippen in die Breite. "Du kommst wegen Carrie, Kuhbauer, wie?" Seine Stimme klang heiser. Er starrte Jack an. Und ohne eine Antwort abzuwarten, sprach er mit alkoholschwerer Zunge weiter: "Dein Ritt war vergebens, Schollenbrecher. Carrie gehört jetzt mir. Ich hab ihr gezeigt, was ein richtiger Mann ist. Und du bist bei ihr durchgefallen, Amigo. Also verschwinde wieder und verpeste uns hier nicht die Luft."

Jack schluckte. Seine Augen suchten Carrie. Sie stand an der Theke. Sie senkte den Blick. Da wusste Jack, dass Dave Barrington die Wahrheit sprach.

Jack spürte, wie der Zorn in ihm in die Höhe kroch. Er presste sekundenlang die Lippen zusammen, so dass sie nur noch einen dünnen, blutleeren Strich bildeten. Er war bereit, die Herausforderung anzunehmen und stieß grimmig hervor: "Ja, das scheint mir auch so, Dave. Es ist wohl so, dass ich bei ihr durchgefallen bin. Schön. Du kannst sie haben."

"Na fein", griente Dave Barrington. "Dann mach jetzt eine Kehrtwendung und klemm dir deinen Zossen zwischen die Beine. Oder muss ich dich auf Trab bringen, Schollenbrecher?"

Jack zwang sich zur Ruhe. Einen Moment lang beschlich ihn ein mulmiges Gefühl. Von der JB befanden sich fast ein Dutzend Reiter im Saloon. Er war allein. Ein denkbar schlechtes Verhältnis. Dave war auf Verdruss mit ihm aus. Die Rückenstärkung durch seine Männer verlieh ihm Sicherheit.

Am einfachsten wäre es gewesen, sich umzuwenden und den Inn zu verlassen. Aber da war Jacks Stolz. Und der verbot ihm, sich Dave Barringtons Willen zu beugen.

"Du kannst Carrie haben", dehnte Jack. "Du kannst den Triumph, dass du sie mir ausgespannt hast, auskosten. Aber ich lasse mich von dir nicht aus dem Saloon jagen, Dave. Mag dein Vater noch so ein mächtiger Mann sein in unserer Gegend, mag sein Wort auf der JB-Weide Gesetz sein – hier in der Stadt gilt es gar nichts. Und dein Wort noch viel weniger. – Ich bin nicht nach Mohawk gekommen, um mich zu streiten. Ich ..."

"Du bist gekommen, um bei Carrie ein Rohr zu versenken", grölte Dave Barrington und schnitt Jack das Wort ab. "Aber da bin ich dir zuvorgekommen. Im Übrigen gilt das Wort meines Vaters hier in der Stadt sehr viel. Und weil ich der Sohn Big Jims bin, gilt auch mein Wort eine ganze Menge. Diese Stadt lebt im Schatten der JB. Und wenn ein Pinscher wie du das nicht wahrhaben will, dann muss man ihn mit der Nase drauf stoßen."

Es war deutlich: Dave Barrington wollte den Streit. War es Imponiergehabe? Wollte er die Macht der JB-Ranch mit Nachdruck verdeutlichen, oder war es nur ganz einfach der genossene Alkohol? - Er fühlte sich stark und wollte seine Überlegenheit unter Beweis stellen.

"Okay", grollte er. "Du bist nicht bereit, freiwillig das Feld zu räumen, McDermitt. Im Gegenteil. Du stellst das Ansehen Big Jims in Frage. Das lasse ich nicht dahingehen. Ich werde dir jetzt den nötigen Respekt vor Big Jim mit den Fäusten einhämmern. Wenn ich mit dir fertig bin, wird man das, was von dir übrig ist, an die Schweine verfüttern können."

Carrie, das untreue Girl, trat schnell neben Dave Barrington und legte ihm die Hand auf den Oberarm. "Lass ihn, Dave", sagte sie. Dann wandte sie sich an Jack und rief: "Willst du denn nicht endlich begreifen, Jack, dass du hier Federn lässt, wenn du nicht auf der Stelle verschwindest. Ja, ich hab mit Dave ein Verhältnis angefangen. Du hattest ja kaum Zeit für mich. Dave aber war immer zur Stelle. Ich ..."

Sie war hübsch, sie war sexy, und sie war eine Wucht im Bett. Aber für Jack war das Thema Carrie abgeschlossen. Kalt unterbrach er sie: "Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen, Carrie. Du hast mir nie irgendein Versprechen gegeben. Du bist frei in deinen Entscheidungen. Dass du dich für den Sohn eines reichen und mächtigen Mannes entschieden hast, akzeptiere ich. Auf deinen Beistand allerdings kann ich verzichten."

Dave Barrington lachte fast belustigt auf. Er hatte den kantigen Kopf schiefgelegt und funkelte Jack an. Sein verbeulter Stetson saß weit im Nacken. In die Stirn fielen ihm einige Strähnen seiner rotblonden Haare. In seine Mundwinkel hatte sich ein brutaler Zug eingekerbt. Sein Organ röhrte: "Aaah, du bist zu stolz, um dich unter einem Weiberrock zu verkriechen, Kuhbauer. Also gut. Du erscheinst mir ziemlich großmäulig, nachdem Carrie dir den Laufpass gegeben hat. Es wird Zeit, dass du auf deine richtige Größe zurechtgestutzt wirst."

Dave Barrington setzte sich in Bewegung. Carries Hand rutschte von seinem Arm. Ihr Blick konnte dem Jacks nicht standhalten. Jack verströmte nur noch kalte Verachtung. Als der Ranchersohn auf zwei Schritte an ihn heran war, änderte sich das und er nahm eine sprungbereite, lauernde Haltung ein.

"Denk nur nicht, dass ich vor Ehrfurcht im Boden versinke, nur weil du Big Jims Sohn bist", knurrte Jack und hob die Fäuste. "Ohne deinen Vater wärst du nämlich ein Nichts, Dave. Ich hoffe jedoch, dass du fair genug bist, es alleine mit mir auszutragen. Lass also die Leute, die du mitgebracht hast, aus dem Spiel."

"Ich werde dich ganz allein und ohne fremde Hilfe mit meinen Fäusten zertrümmern, in Stücke schlagen, Kuhbauer", drohte Dave und winkelte die Arme an. Ohne Jack einen Moment aus den Augen zu lassen, rief er: "Ihr haltet euch raus, Männer. Keiner mischt sich ein."

Mit seinem letzten Wort griff er an ...


*


Bei Dave Barrington schien die Trunkenheit verflogen zu sein. Er kam mit katzenhafter Behändigkeit. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und muteten an wie schwere Schmiedehämmer. Er wirkte konzentriert.

Jack war auf der Hut. Seine Sinne arbeiteten mit doppelter Schärfe. Er nahm das Aufblitzen in Daves Augen wahr. Dann kam Daves Linke fast ansatzlos und kerzengerade. Jack nahm den Kopf zur Seite. Die Faust radierte über seine Wange und sein Ohr. Er ignorierte den Schmerz, warf sich mit seinem ganzen Gewicht gegen den Ranchersohn und rammte ihm die Schulter gegen die Brust. Dave taumelte zurück. Jack ließ die Rechte fliegen. Sie traf Dave knallhart auf den Mund.

Ein erschreckter, schmerzhafter Aufschrei des Ranchersohnes begleitete diesen Treffer. Dave Barrington ruderte mit den Armen und hatte Mühe, sein Gleichgewicht zu halten. Seine Lippe war aufgeplatzt, Blut sickerte über sein Kinn.

Jack verlor keine Zeit. Er setzte nach. Seine Rechte kam wie eine Ramme. Im letzten Augenblick riss Dave den Kopf auf die Schulter und sprang zurück. Er prallte gegen einen Tisch und verschob ihn. Gläser und Flaschen kippten um, es klirrte. Whisky ergoss sich über die Tischplatte, rann über die Kanten und tropfte auf die Dielen, wo er zwischen den Ritzen versickerte.

Ringsum herrschte Atemlosigkeit. Jedem im Saloon war klar, dass Jack nicht bereit war, dem Sohn des großen und mächtigen Big Jim Barrington etwas zu schenken. Dave Barrington war an einen Mann geraten, der sich mit aller Härte zur Wehr setzte.

Dave Barringtons Bruder Kane und die Weidereiter beobachteten und lauerten. Kane Barringtons Kiefer mahlten. Und als Jacks Faust in der Magengrube seines Bruders landete und dieser sich nach vorne krümmte, verzog Kane das Gesicht, als hätte ihn selbst der Schlag getroffen.

Dave Barrington gab einen zischenden Ton von sich, in dem sich Schmerz und Schreck vermischten. Der Treffer hatte ihm die Luft aus den Lungen gepresst. Seine Augen weiteten sich und traten weit aus den Höhlen. Er japste wie ein Erstickender. Ein rechter Haken Jacks richtete ihn wieder auf. Er kippte halb über den Tisch, an dem er lehnte. Ein Gurgeln kämpfte sich in seiner Brust hoch, erreichte seine Kehle und blieb stecken. Sein Blick verschleierte sich. Sein Kopf wackelte vor jäher Benommenheit.

Bis zu diesem Zeitpunkt war alles blitzschnell gegangen. In Daves umnebeltem Verstand senkte sich die Erkenntnis, dass er Jack McDermitt gewaltig unterschätzt hatte. Die Angst, dass er diesen Kampf verlieren könnte, kam mit der Wucht eines Blitzstrahls. Er schüttelte den Kopf, um seine Betäubung zu vertreiben. Ein Grollen entrang sich ihm – ähnlich dem drohenden Grollen einer wütenden Dogge. Die Nebelschleier vor seinen Augen zerrissen. Klar und deutlich sah er das kantige, scharfgeschnittene Gesicht Jack McDermitts mit den stahlblauen Augen vor sich.

Jack war einen halben Schritt zurückgetreten. Die Fäuste hatte er noch erhoben. Er ließ sie pendeln. In seinen angespannten Zügen arbeitete es. Er hätte jetzt den Kampf beenden können. Unentschlossen wartete er ab. Der Verstand sagte ihm, dass er keine Rücksicht nehmen durfte. Seine Fairness jedoch verbot es ihm, dem angeschlagenen Gegner den Rest zu geben. Jack ahnte, dass dies ein Fehler war. Aber er konnte nun einmal die Hemmschwelle, die ihn davon abhielt, den momentan hilflosen Gegner endgültig auszuschalten, nicht überschreiten.

Seine Unentschiedenheit hatte Dave Barrington die Zeit gegeben, neue Energien aufzutanken. Er war wieder klar im Kopf. Der letzte Rest von Trunkenheit war wie weggeblasen. Gierig sog er die Luft in seine Lungen. In seinen Augen glomm es gehässig auf. Er wischte sich mit dem Handrücken über das Kinn und spürte die Feuchtigkeit. Sein Handrücken war blutverschmiert. Der Zorn überwältigte ihn ...

Dave stieß sich ab. Er flog auf Jack zu. Seine Fäuste zischten durch die Luft. Nur noch die blinde Wut dirigierte den Ranchersohn.

Jack wich gedankenschnell zur Seite weg und hämmerte Dave einen Schwinger in den Leib. Er quittierte den Treffer mit einem heiseren Röcheln. Der Schlag hatte seinen Angriff jäh gestoppt. Jacks Linke krachte gegen seinen Kinnwinkel. Daves Hut flog davon. Seine Augen wurden glasig. Doch das Bewusstsein der drohenden Niederlage, der Schmach, der er ausgesetzt sein würde, riss ihn aus der beginnenden Trance.

Instinktiv wirbelte er halb herum und schleuderte beide Arme nach vorn. Seine Hände erwischten Jack an der Weste und rissen ihn mit unwiderstehlicher Gewalt dicht an sich heran. Dave Barrington ließ das Knie in die Höhe schnellen. Er rammte es Jack in den Leib. Brennender Schmerz zuckte bis unter Jacks Schädeldecke und trieb ihm die Tränen in die Augen. Lähmung breitete sich in ihm aus. Sauer stieg Übelkeit in ihm hoch. Sein Denken war sekundenlang zerrissen und nur noch vom Schmerz dirigiert. Die Impulse, die sein Gehirn versandte, blieben unbeantwortet.

Daves Arme umklammerten ihn wie die Fangarme eines Polypen. Der Ranchersohn versuchte, Jack zu Fall zu bringen. "Ich werde dich zertreten wie einen Wurm", keuchte er und sein heißer, vom Whisky durchsetzter Atem streifte Jacks Gesicht.

Jack überwand seine Not. Er wand sich in dem stahlharten Griff, versuchte ihn zu lockern, ihn zu sprengen, und bekam den rechten Arm frei. Er knallte Dave die Handkante gegen die kurzen Rippen. Dave entrang sich ein Gurgeln, seine Umklammerung lockerte sich. Sofort ließ sich Jack nach unten wegsacken, glitt wie eine Schlange aus dem Klammergriff und hämmerte Dave eine blitzschnelle Links-/Rechtskombination gegen den Schädel.

Dave Barrington Kopf flog von links nach rechts und wieder zurück. Der Bursche verdrehte die Augen. Der verbissene, rabiate Ausdruck war aus seiner Miene gewichen.

Noch einmal schlug Jack zu. Nach Daves niederträchtigem Kniestoß hatte er keine Veranlassung mehr, den Gegner zu schonen. Außerdem wollte er dem Kampf ein Ende bereiten. Seine Faust bohrte sich gnadenlose in Daves Magen. Der Oberkörper des Getroffenen pendelte nach vorn. Von der Seite knallte ein weiterer knochenharter Haken gegen Daves Jochbein. Vor den Augen des Burschen schien der Saloon zu explodieren. Da waren nur noch lodernde Flammen – und dahinter begann sich die dunkle Wand der Besinnungslosigkeit aufzubauen.

Daves Beine knickten ein. Er brach auf die Knie nieder. Sein Oberkörper schwankte vor und zurück. Und dann kippte er fast zeitlupenhaft langsam nach vorn. Unterbewusst streckte er die Arme aus, um seinen Sturz auf das Gesicht abzufangen. Sein Kopf sank nach unten und pendelte vor seiner Brust. Speichel lief über sein Kinn, vermischte sich mit dem Blut und tropfte auf den Boden.

Jacks Arme sanken nach unten. Die Knöchel seiner Hände schmerzten. Sein Atem ging stoßweise und rasselnd. In seiner Mundhöhle war ein galliger Geschmack. Er spürte weder Triumph noch Genugtuung. Ohne jemand zu beachten wollte er sich abwenden.

Doch da umringten ihn Kane Barrington und die Reiter der JB-Ranch. Kane Barrington knirschte drohend: "Kein Kuhbauer darf einen Barrington ungestraft zusammenschlagen. Du hättest Dave diesen Kampf besser gewinnen lassen, Amigo."

Jack spürte den unsichtbaren Strom von Härte und Brutalität, der von der Meute, die ihn eingekreist hatte, ausging. Sie betrachteten ihn wie hungrige Wölfe, die ihr Opfer endlich gestellt hatten. Kalt und nüchtern erkannte Jack, dass er gegen diese kompromisslose Horde nicht den Hauch einer Chance hatte ...


*


Aber Jack McDermitt war nicht der Mann, der einfach aufsteckte. Nach dem Motto, Angriff ist die beste Verteidigung, sprang er Kane Barrington an. Ehe Kane sich versah, traf ihn Jack mit einer Doublette. Kane hatte das Gefühl, der Kopf würde ihm von den Schultern geschlagen. Er war nicht mal dazu gekommen, die Hände abwehrend zu heben.

Zwei – drei Kerle von der JB-Ranch warfen sich auf Jack. Er schlug wild um sich, traf einige Male, wurde schließlich aber gnadenlos zu Boden gerissen. Sie schlugen und traten auf ihn ein. Er war nur noch bemüht, seinen Kopf mit den Armen zu decken. Plötzlich ertönte es wild und hassgetränkt:

"Schluss! Überlasst ihn mir!"

Es war Kane Barrington, der sich wieder einigermaßen gefangen hatte. An seinem rechten Kinnwinkel zeigte sich ein Bluterguss, über seinem linken Jochbein hatte er eine kleine Platzwunde. Ein Blutfaden rann über seine Wange. Seine Züge hatten sich zu einer hässlichen Fratze verzerrt, in der sich grenzenlose Wut und ein unversöhnlicher Vernichtungswille spiegelten.

Jack wurde auf die Beine gezerrt. Die Hände der Weidereiter hielten ihn mit stählernem Griff. Seine Arme waren auf den Rücken gedreht. Sein Körper schmerzte von ihren Tritten und Schlägen. Die Aussichtslosigkeit seiner Situation war ihm voll und ganz bewusst.

"Gib's ihm, Kane", röchelte Dave Barrington, der sich zu einem Stuhl geschleppt und schwer darauf niedergelassen hatte. Er griff nach einer Flasche Brandy, die da stand und nahm einen anständigen Schluck.

"Yeah", keuchte Kane Barrington. "Er kriegt es. Er wird diese Stunde noch verfluchen, in der sich mit uns angelegt hat."

Er baute sich vor Jack auf, leckte sich über die Knöchel seiner rechten Faust, weidete sich sekundenlang an der Hilflosigkeit seines Opfers und zog schließlich auf.

Jack ließ sein gestrecktes Bein vorschnellen. Mit dem Spann traf er Kane genau in den Schritt. Der Getroffene röhrte wie ein sterbender Elch und knickte in der Mitte ein wie ein Taschenmesser. Seine Hände verkrampften sich über seinem besten Stück. Mit hervorquellenden, unterlaufenen Augen starrte er Jack an. Aus seinem Gesicht schien jeder Blutstropfen gewichen zu sein. Es nahm um die Nase herum eine grünliche Färbung an.

Als die Weidereiter, die Jack gepackt hielten, reagierten, war Kane schon außer Gefecht gesetzt. Er wankte zur Seite, ächzte und röchelte und stemmte sich schwer auf einen Tisch. Seine Knie waren weich wie Butter. Jack brüllte auf, weil sie ihm brutal auf dem Rücken die Arme in die Höhe drückten. Er hatte das Empfinden, als drehten sie ihm die Gelenke aus den Schultern. Er bekam eine Faust in den Magen. Der Schlag hob ihm die Beine vom Boden weg. Der Schmerz in seinen Schultergelenken verdreifachte sich. Einige Schläge prasselten auf ihn ein. Sein linkes Auge schwoll zu. Seine Lippen bluteten. Vor seinen Augen drehte sich alles wie ein Karussell. Die Nebel der Benommenheit krochen auf ihn zu – verzweifelt stemmte er sich ihnen entgegen, schließlich aber hing er nur noch schlaff in den Fäusten, die ihn hielten. Sein Atem pfiff, sein Gesicht war übel lädiert und verschwollen. Blut sickerte aus vielen kleinen Wunden.

Ein Gesicht schälte sich aus den wogenden Nebelschleiern. Dave Barringtons Gesicht. Er schien wieder etwas Kraft geschöpft und seine größte Not überwunden zu haben. Er drosch Jack die Faust in den Leib. Und dann gegen das Kinn.

"Lasst ihn los", grunzte Dave.

Jack sackte zu Boden wie eine Marionette, deren Schnüre man loslässt. Sein Kinn sank auf die Brust. Er saß am Boden und wusste nicht, wo vorne und hinten war. Ein brutaler Tritt Dave gegen die Brust warf ihn um. Sein Hinterkopf prallte auf die Dielen. Um ihn herum wurde es Nacht...

"Werft das Stück Dreck auf die Straße", keuchte Dave Barrington.

Zwei der Kerle packten ihn an den Beinen und schleiften ihn hinaus. Dann lag er am Rand des Vorbaus. Ein Tritt in die Rippen ließ ihn über die Vorbaukante rollen. Unter seinem Körper schlug der knöcheltiefe Staub auseinander. Das alles bekam Jack nicht mehr mit. Ihn hielt eine gnädige Ohnmacht umfangen.

Irgendwann kam er zu sich. Verständnislos starrte er zum Sternenhimmel hinauf. Dann setzte die Erinnerung ein. Die Schmerzen kamen mit einer Vehemenz, die ihn stöhnen ließ. Jemand betupfte sein Gesicht mit einem nassen Tuch.

Es war Carrie. Sie bemerkte, dass er die Augen aufgeschlagen hatte. Stoßweise entrang es sich ihr: "Es – tut – mir – leid, Jack. Ich ..." Ihre Stimme erstarb.

Im Saloon brüllte Dave Barrington ihren Namen.

Jack stemmte unter Qualen seinen Oberkörper hoch. Sein Zahnschmelz knirschte übereinander. "Geh hinein zu ihm", gurgelte er. "Wirf dich ihm erneut an den Hals. Er hat sich dir doch als strahlender Sieger erwiesen." Die Bitternis in seinem Tonfall war nicht zu überhören. Er zog sich mit pfeifenden Bronchien am Vorbau in die Höhe. Schwankend stand er. Ihm wurde es wieder schwarz vor den Augen.

Carrie, die neben ihm kauerte, drückte sich hoch. "Er ist ein Schwein, Jack. Ich habe es heute erst bemerkt. Sicher, du verachtest mich, weil ich mich bei ihm hingelegt habe. Aber dir war das verdammte Stück Land am San Cristobal Wash immer wichtiger als ich. Es konnte auf die Dauer nicht gutgehen."

Eine Art von Bedauern lag im Tonfall ihrer Stimme.

Drin brüllte wieder Dave nach ihr. Seine Stimme überschlug sich regelrecht.

Jack ließ die Frau einfach stehen. Auf tauben Beinen schleppte er sich zu einem Tränketrog in der Nähe. Er tauchte seinen Kopf in das Wasser. Es linderte den brennenden Schmerz und wusch ihm das Blut ab.

Carrie beobachtete ihn unschlüssig.

Die Batwings der Tür flogen auseinander. Dave Barrington stürzte heraus. Seine Absätze polterten auf den Planken. "Carrie, verdammt!", grölte er wütend. "Hast du dem Bastard etwa geholfen?"

Er sprang auf die Straße. Sein Gesicht trug die Spuren von Jacks Fäusten. Er hatte schon wieder einiges an Whisky intus und bewegte sich nicht mehr ganz sicher.

"Und wenn, Dave?", kam es furchtlos von Carrie. "Was wäre schlimm daran? Ihr seid über ihn hergefallen wie die wilden Tiere. Niemand von den Kerlen im Saloon stand ihm bei. Alle schauten sie zu." Ein verächtlicher Unterton hatte sich in ihre Stimme geschlichen. "Jack ist ..."

Ein bretterharter Schlag mit dem Handrücken traf sie auf den Mund. Carrie schrie entsetzt auf und prallte zurück. Dave Barrington fauchte: "Jack McDermitt ist Dreck. Wer ihn anfasst, fasst Dreck an. Du scheinst deine Gefühle für ihn noch nicht so ganz begraben zu haben. Ich fasse das als Betrug auf. Und einen Dave Barrington betrügt man nicht."

Und wieder klatschte seine Hand in ihr Gesicht. Dann packte er sie am Handgelenk, zerrte sie hinter sich her in den Saloon und die Treppe hinauf ins Obergeschoss, wo sie ein Zimmer bewohnte. Er drückte die Tür hinter sich mit dem Fuß zu und schleuderte sie aufs Bett. "Zieh dich aus!", grollte sein Bass. Er begann, seinen Revolvergurt abzuschnallen ...

Carrie fand ihn plötzlich abstoßend und widerlich. Aber sie wusste, dass sie ihm zu Willen sein musste, wenn sie seinen Zorn nicht noch mehr herausfordern wollte.

Sie ließ es über sich ergehen. Als er wild und unbeherrscht in sie hineinstieß, empfand sie körperlich nichts – gar nichts. Nur Abscheu und Hass ...

Währenddessen taumelte Jack zu seinem Pferd. Er leinte es mit zitternden Händen los, stempelte seinen linken Fuß in den Steigbügel und griff mit beiden Händen nach dem Sattelhorn. Sich in den Sattel zu ziehen war eine Anstrengung, eine Überwindung, die all seinen Willen erforderte.

Jack sank über dem Hals des Pferdes zusammen. Wie eine alles verschlingende Flut kam die Benommenheit zurück und überschwemmte sein Bewusstsein. Der Fuchswallach fand den Weg von allein. Er trug Jack aus der Stadt.


*


Über eine Woche war vergangen. Dave Barrington und eine Gruppe von Cowboys hatten es übernommen, in der Felswildnis nach verirrten Longhorns zu suchen. Der Pulk hatte sich aufgeteilt. Weit auseinandergefächert wollten sie das unwegsame Terrain durchkämmen.

Der Ranchersohn ritt an der Basis eines Geröllhanges entlang. Vor ihm türmte sich ein Hügel mit einem ruinenähnlichen Felsgebilde auf seiner Kuppe. Die Hufe des Pferdes pochten. Manchmal klirrte es, wenn ein Huf gegen Fels stieß. Der Blick Dave Barringtons schweifte in die Runde.

Er umritt den Hügel. Eine Ebene, auf der kniehohes, braunverbranntes Gras wucherte, schloss sich an. Sie wurde von Felsen und steilen Hängen begrenzt.

In der Nähe des Ranchersohnes krachten Hufe. Es waren die Pferde seiner Begleiter. Die Geräusche entfernten sich mehr und mehr voneinander. Schließlich war nur noch das Geräusch um Dave Barrington, das sein eigenes Tier verursachte.

Er hielt an und beschattete die Augen mit der flachen Hand. Im Einschnitt zwischen zwei Hügeln glaubte er ein Rudel Longhorns wahrzunehmen. "Hüh!" Er ruckte im Sattel. Der Braune setzte sich in Bewegung.

Als die Rinder ihn kommen hörten, äugten sie in seine Richtung. Ein Stier brüllte. Es waren etwa ein Dutzend Tiere. Sie drängten sich zusammen. Horn klapperte. Der Stier trottete plötzlich zwischen die Hügel. Die Kühe folgten ihm. Drei Mavericks rannten hinterher.

Dave fluchte in sich hinein. Er folgte den Longhorns. Zu seinen beiden Seiten schwangen sich die Hänge in die Höhe. Felsklötze wuchteten aus dem Boden. Comas und Mesquitesträucher fristeten ein kümmerliches Dasein. Auf den Hügeln wuchtete nackter Fels zum samtblauen, wolkenlosen Himmel. Wispernd strich ein heißer Südwind an den kahlen Gesteinsmonumenten entlang. Staub wurde aufgewirbelt und über die Ebene getrieben.

Heiß brütete die Sonne zwischen den Felsen. Die erdrückende Hitze schien die Lungen wie mit Feuer zu füllen und machte das Atmen zur Qual.

Dave Barrington hasste es, hinter Kuhschwänzen herzujagen. Verirrte Longhorns aus der Felswüste auf die Weide zurückzutreiben hasste er ganz besonders. Aber Big Jim Barrington, sein Vater, schenkte seiner Mannschaft nichts, und noch weniger schenkte er seinen Söhnen. Er war ein unduldsamer Despot, ein Mann, der keinen Widerspruch duldete, zusammengesetzt aus Stahl und Stein und allem, was hart, unduldsam und unerbittlich macht.

Dave verfluchte die unbarmherzige Hitze, die Wildnis, die Rinder, seinen Vater und sich selbst, weil er dem Alten nicht schon längst den Krempel vor die Füße geschmissen und sich auf eigene Beine gestellt hatte. Die Ranch würde sowieso Kane erben.

Dave schob sich den Stetson aus der Stirn und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß ab.

Eine zerklüftete Senke öffnete sich vor Daves Blick. Er parierte das Pferd. Die Felsen zu seiner Linken warfen lange Schatten in das ausgetrocknete, öde Tal. Die Rinder hatten eine deutliche Spur in das staubgepuderte Gras gezogen. Etwa hundert Yards vor ihm zogen sie nach Westen. Dave seufzte ergeben. In dieser staubigen Senke war er den glühenden Strahlen der Sonne absolut schutzlos ausgeliefert. Von den Cowboys war nichts mehr zu sehen und zu hören. Sie verfluchten irgendwo im Labyrinth aus Felsen und Hügeln diesen Job wahrscheinlich genauso wie er.

Plötzlich aber glaubte Dave ein Klirren zu vernehmen. Es wehte von einem der Felsen zu seiner Linken in die Tiefe. Sein forschender Blick glitt in die Höhe. Das Klirren war wieder in der Stille versunken. Einige Zeit verging, in der Dave lauschte und beobachtete. Irgendwo klackerte ein Stein über harten Fels, als es aufschlug, knallte es richtig.

In Dave schlugen die Alarmglocken an. Von den Cowboys war mit Sicherheit keiner auf dem Felsen. Da hinauf verliefen sich auch keine Rinder. Also was, außer Eidechsen, Klapperschlangen und Skorpionen, trieb da sein Unwesen? Dave dachte an versprengte Apachen, die vielleicht aus der San Carlos Reservation getürmt waren.

Er spürte unvermittelt ein seltsames Kribbeln zwischen den Schulterblättern. Dave griff nach dem Gewehr und zog es aus dem Scabbard. In diesem Moment vernahm er ein scharfes metallisches Schnappen. Und er wusste das Geräusch zu deuten. Jemand hatte eine Winchester repetiert.

Daves Herz übersprang einen Schlag.

Auf dem Hügel trat eine Gestalt um einen Felsvorsprung herum. Dave traute seinen Augen. "Du?!", rief er ungläubig.

Grell stach es ihm entgegen. Das Mündungsfeuer vermischte sich mit dem Sonnenlicht. Der Schuss peitschte. Der Knall stieß auf Dave zu und rollte an ihm vorbei, fing sich an der Hügelflanke zu seiner Rechten und wurde zurückgeworfen. Dave bekam einen furchtbaren Schlag gegen die Brust. Die Wucht der Kugel riss ihn vom Pferd. Er lag am Boden. Neben ihm stampften die Pferdehufe. Das erschreckte Tier wieherte trompetend. Dave spürte keinen Schmerz. Der Tod griff mit kalter, gebieterischer Hand nach ihm. Die zerrinnenden Echos der Detonation in den Ohren starb er.

Der Schütze war wieder hinter dem Felsen verschwunden. Es war, als hätte es ihn nie gegeben. Dann verkündete prasselnder Hufschlag, dass er das Weite suchte.

Zwei der Weidereiter, die dem Klang des Schusses gefolgt waren, fanden Dave Barrington. Sie feuerten einige Kugeln in die Luft, um ihre Gefährten zu alarmieren. Nach und nach fand sich das Rudel ein, das mit Dave geritten war. Fassungslosigkeit und Erschütterung griffen um sich. Einer der Reiter übernahm das Kommando. Die Umgebung wurde nach Spuren abgesucht. Die Fährte des Reiters aber verlor sich zwischen den Felsen auf dem steinigen Untergrund.

Dave Barrington wurde auf sein Pferd gelegt und zur JB-Ranch gebracht ...


*


Die letzten Strahlen der Abendsonne vergoldeten die Fensterscheiben des niedrigen Blockhauses, das sich Jack McDermitt am San Cristobal Wash erbaut hatte. Daneben gab es einen Stall, eine Scheune und einen großen Schuppen. In einer Fence standen die beiden Pferde, die Jack sein eigen nannte. Im Hof pickten einige Hühner im Staub.

Jack hatte Schluss gemacht für heute. Den ganzen Tag hatte er Zäune ausgebessert. Er war müde, verschwitzt und verstaubt. Aber er war zufrieden. Auf seinen Feldern blühte der Weizen. Auf der Weide in der Nähe der Farm standen an die hundert Herefords. Viele der Kühe waren trächtig. Es versprach für ihn ein gutes Jahr zu werden.

Nun stand Jack am Brunnen und wusch sich. Die Schwellungen von den Schlägen der JB-Leute in seinem Gesicht waren abgeklungen. Die Blutergüsse verblassten, die kleinen Schürf- und Platzwunden waren fast verheilt. Jack hatte die Tracht Prügel weggesteckt. Es war ihnen nicht gelungen, ihn zu zerbrechen. Nachdem ihn Carrie mehr oder weniger schändlich betrogen hatte, war er entschlossen, noch mehr Zeit in seine Farm zu investieren. Er war überzeugt davon, dass die Zukunft des Landes nicht in der Rinderzucht, sondern im Weizenanbau lag. Die Herefords züchtete er, weil er seine Weidereitervergangenheit nicht völlig über Bord werfen wollte.

Jack wusch sich Staub und Schweiß ab und griff nach dem Handtuch, das über dem gemauerten Brunnenrand hing, um sich abzufrottieren. Da trieb fernes Rumoren über den Fluss heran. Jack drehte sein Ohr nach Westen und hielt inne. In rauchiger Ferne konnte er verschwommen die Gipfel und Grate der Sauceda Mountains ausmachen. Der Abenddunst hüllte sie ein. Rötlicher Schein lag auf den Hängen und Schründen.

Das dumpfe Grollen wurde deutlicher. Es war Hufschlag. Ein ganzer Pulk schien sich der Farm zu nähern. Das Getrappel schlug bald schon heran wie eine Brandungswelle und verdichtete sich zu einem trommelnden Rhythmus.

Jack rannte, das Handtuch in der Hand, ins Haus. Als wieder im Hof erschien, spannten sich seine Hände um Schaft und Kolbenhals der Winchester. Eine Patrone befand sich im Lauf. Jack hielt das Gewehr schräg vor seiner Brust. Nachdenklichkeit legte seine Stirn in Falten.

Der Pulk stob über eine Bodenwelle. Er befand sich auf dem Land der JB-Ranch, das östlich des San Cristobal Wash anfing und bis in die Ausläufer der Sauceda Berge reichte. Es waren sechs Reiter. Im Auf und Ab des Galopps konnte Jack keine Einzelheiten erkennen. Das Land senkte sich wieder zum Fluss, der von einem dichten Buschgürtel gesäumt war. Hinter dem Ufergebüsch verschwanden die Reiter aus Jacks Blickfeld. Dann aber erschienen sie am Ufersaum. Sie trieben ihre Pferde ins Wasser.

Im ersten Moment hatte Jack daran gedacht, dass ihm Big Jim seine raubeinige Mannschaft schickte, um ihm auf die unerbittliche Tour klarzumachen, dass ein Farmer an der Weidegrenze der JB nicht gern gesehen wurde. Denn die größte Angst des Viehzüchters war es, dass Jack McDermitts Plan, Weizen anzubauen, Schule machen würde und weitere Siedler anzog.

Beklemmung wollte sich in Jack breitmachen, dann aber erkannte er Sheriff Jesse Slaughter, der an der Spitze des Rudels ritt. Jack atmete auf. Dass den Sheriff Kane Barrington und vier hartgesichtige Kerle von der JB begleiteten, registrierte er zwar, aber es beunruhigte ihn nicht mehr. Sheriff Slaughter nahm seinen Job ziemlich ernst.

Bald reichte das Wasser den Pferden bis zu den Bäuchen. In der Flussmitte mussten sie schwimmen. Dann hatten sie wieder festen Untergrund unter den Hufen. Prustend arbeiteten sie sich die Uferböschung hinauf. Sie brachen durch das Ufergebüsch und hielten auf die Gebäude der Farm zu.

Jack erwartete sie. In seinem Gesicht zuckte kein Muskel. Er fand keine Antwort auf die bohrende Frage, was der Sheriff mit der Handvoll Männer von der JB von ihm wollte.

Die Reiter zerrten ihre Pferde in den Stand. Die Gebissketten klirrten. Sattelleder knarrte, die Hufe stampften, Staub wölkte.

Jack blickte in finstere, maskenhaft starre Gesichter, und wieder beschlich ihn ein seltsames Gefühl. Ihre Mienen verhießen nichts Gutes. Düstere Ahnungen, deren Ursprung er sich nicht erklären konnte, beschlichen Jack. Er bereitete sich auf eine böse Überraschung vor. Irgendeine Niedertracht von Seiten Big Jims würde wohl hinter diesem Besuch stecken ...

Der Sheriff legte die Hände übereinander auf das Sattelhorn. Ohne jede Freundlichkeit fixierte er Jack. Plötzlich schnappte er schroff: "Das Gewehr weg, McDermitt!"

Jacks Blick schnellte von einem zum anderen. Ihm entging nicht, dass ihre Hände auf den Revolverknäufen lagen. Ihre Gesichter spiegelten Feindseligkeit wider, in ihren Augen sah Jack nur eisige Kälte. Schlagartig trocknete Jacks Hals aus. Mit der Intensität eines Mannes, dem das Leben schon eine Reihe von Lektionen erteilt hatte, spürte er, dass sich über seinem Kopf das Unheil zusammenballte wie eine drohende Gewitterwolke.

"Was ist los?", presste er zwischen den Zähnen hervor. "Was soll das werden, Sheriff?"

"Halt's Maul, dreckiger Mörder!", zischte Kane Barrington. Sein Gesicht hatte sich von einem Moment zum anderen auf erschreckende Art verändert; es war nur noch eine Physiognomie des tödlichen Hasses und der mörderischen Leidenschaft. "Die Fragen stellen wir! Lass das Gewehr fallen, oder ..."

Anstatt die Drohung auszusprechen riss er den Sechsschüsser aus dem Holster. Der Lauf schwang hoch, die Mündung zeigte auf Jack. Kane Barringtons Daumen zog den Hahn zurück. Er verströmte die unumstößliche Entschlossenheit, durchzuziehen, sollte Jack nicht augenblicklich seinem Befehl nachkommen.

"Wird's bald!", knirschte Jesse Slaughter ungnädig. Und ohne Kane Barrington anzusehen, stieß der Sheriff hervor: "Halt nur deinen Finger ruhig, Kane. Einen Mord dulde ich nicht. Solange ich dabei bin, läuft alles nach Recht und Gesetz ab."

Zwischen Kanes engen Lidschlitzen glitzerte grenzenlose Feindschaft.

Jack atmete hart und stoßweise. Ein herber Zug hatte sich in seine Mundwinkel gekerbt. Seine Lippen waren zusammengepresst. Unablässig fragte er sich, was sich da zusammenbraute.

Die Hand des Sheriffs schnappte den Colt aus dem Holster. Es knackte, als er den Hahn in die Feuerrast zog. "Ich sag's nicht noch einmal, McDermitt!", peitschte das Organ des Gesetzesmannes. "Lass die Flinte fallen!"

Jack stieß einen Schwall verbrauchter Atemluft aus. Angesichts der Übermacht und der auf ihn gerichteten schussbereiten Colts war es sinnlos, sich zu widersetzen. Ein Fingerdruck, und der flammende Tod würde aus den Mündungen züngeln. Und er, Jack, hätte nicht einmal gewusst, warum er starb.

Seine Fäuste öffneten sich. Die Winchester klatschte in den Staub. Langsam hob er die Hände in Schulterhöhe. Hinter seiner Stirn jagten sich die Gedanken. Jack konnte sich auf das alles keinen Reim machen. Die brechende Stimme des Sheriffs drang wie ein Axthieb in sein aufgepeitschtes Bewusstsein: "Es ist gut, Jack, dass du vernünftig bist. Okay, ich will dir erklären, was uns hergeführt hat. Heute wurde Dave Barrington aus dem Hinterhalt erschossen. Der niederträchtige Mörder knallte ihm die Kugel mitten in die Brust. Es geschah in den Ausläufern der Granite Mountains, weiter im Süden also."

Während er sprach, ließ der Sheriff Jack nicht einen Moment aus den Augen. Er beobachtete Jacks Reaktion. Es war, als erwartete er ein verräterisches Zeichen.

Jacks Brauen schoben sich zusammen. Über seiner Nasenwurzel standen zwei steile Falten. "Dave ist tot – erschossen", grollte er. Er nagte an seiner Unterlippe. "Und jetzt braucht man einen Mörder, wie?", brach es dann nach einiger Zeit über seine Lippen. "Wer käme in diesem Fall der JB gelegener als ich?"

Ätzender, bissiger Sarkasmus hatte zuletzt in seiner Stimme gelegen.

"Du hattest vor gut einer Woche eine ziemlich harte Auseinandersetzung mit Dave", tönte der Sheriff. "Die Männer der JB haben dich übel zusammengeschlagen, nachdem du Dave ziemlich schmählich verprügelt hast. Könnte es nicht sein, dass du für die Tracht Prügel an ihm blutige Rache nahmst?"

"Du musst verrückt sein, Slaughter, wenn du das annimmst", brach es ungestüm aus Jacks Mund. "Ich hab den ganzen Tag Zäune repariert, die von Leuten, die etwas gegen Farmer haben, zerschnitten worden waren. Man hat die Pfähle herausgerissen und ..."

"Erzähl keine Märchen!", donnerte Kane Barringtons unbeherrschte, wilde Stimme. "Wer sonst außer dir sollte meinen Bruder ermordet haben?" Seine Stimme sank herab zu einem unheilvollen, fanatischen Geflüster. "Eines garantiere ich dir, McDermitt. Für den Mord an Dave wirst du hängen. Du wirst schmachvoll am Ende eines Strickes verrecken, und jeder aufrechte Mann, der dabei ist, wird deinen Kadaver anspucken."

Jack beachtete den hasserfüllten Mann nicht. Sein Blick heftete sich auf das unbewegte Gesicht des Sheriffs. Schleppend gab Jack zu verstehen: "Ich habe Dave Barrington zum letzten Mal in der Stadt gesehen, an jenem Abend, als mich die JB-Leute zusammenschlugen und auf die Straße warfen. Seitdem habe ich mein Land nicht mehr verlassen. Drei Tage lag ich krank herum, nicht fähig, auch nur einen Nagel in die Wand zu schlagen. Dann nahm ich langsam wieder die Arbeit hier auf. Ich war nicht eine Minute auf der anderen Seite des San Cristobal Wash."

"Leider stand auf der Kugel, die Dave tötete, nicht der Name des Mörders, Jack", knurrte der Sheriff. "Und es spricht sehr viel dafür, dass du Dave eine blutige Rechnung präsentiert hast. Ich werde noch einige Feststellungen treffen und Ermittlungen anstellen. Du hast kein Alibi für die Tatzeit. Natürlich behauptest du, auf deiner Farm gearbeitet zu haben. Aber es ist eben eine Behauptung – vielleicht eine Schutzbehauptung."

"Für dich steht es also fest, dass ich Daves Mörder bin, Slaughter", stieg es dumpf aus Jacks Kehle. "Das habe ich doch richtig verstanden eben? Du glaubst mir kein Wort."

"Wie ich schon sagte, Jack. Die Indizien sprechen gegen dich. Du hattest allen Grund, dich an Dave zu rächen. Er hat dir, nachdem du von den JB-Reitern zusammengeschlagen worden bist, ziemlich brutal den Rest gegeben. Das hat dir keine Ruhe gelassen, Jack, und du hast Dave in der Felswildnis aufgelauert. Ich werde es dir beweisen."

"Ich hab dich immer für einen neutralen Mann gehalten, Slaughter", murmelte Jack bedrückt. "Jetzt stelle ich fest, dass auch du im Schatten der JB stehst und Big Jim nach dem Mund redest. Er will mich weghaben vom Fluss. Das weiß mittlerweile jedes Kind. Weiß der Teufel, wer Dave erschossen hat. Sein Tod scheint jedoch ein willkommener Anlass zu sein, um mich auf billige Art loszuwerden."

"Wenn es nach mir gegangen wäre, McDermitt", klirrte Kane Barringtons Stimme, "dann hätten wir nicht lange gefackelt. Wir hätten dich an den nächsten Baum gehängt und dich baumeln lassen, bis du abgefault wärst. Big Jim ließ das nicht zu. Er hat Slaughter bemüht. Ich hätte es ohne den Sheriff erledigt."

"Etwas anderes hätte ich von dir auch gar nicht erwartet, Kane", versetzte Jack. "Du vergisst allerdings dabei eines: In diesem Land wird ein Mann erst gehängt, wenn er von einer Jury für schuldig befunden und von einem Richter verurteilt worden ist. Ein Schuldspruch aber erfordert Beweise. Ich kann zwar nicht beweisen, dass ich nicht auf der anderen Seite des Flusses war. Es wird sich aber auch nichts finden, das meine Aussage widerlegt."

Der Sheriff winkte ab. "Wenn du der Meinung bist, Jack, dass ich Big Jims Gesetz vertrete, dann täuscht du dich. An und für sich aber ist es mir ziemlich egal, was du über mich denkst. Du bist verdächtig, Dave ermordet zu haben. Darum werde ich dich mit nach Mohawk nehmen und dich einsperren, bis entweder deine Schuld oder deine Unschuld bewiesen ist. Du bist verhaftet. Und spiel jetzt nicht den wilden Mann. Solltest du dich nämlich deiner Verhaftung widersetzen, zwingst du mich, auf dich zu schießen."

"Was dem einen oder anderen in diesem Landstrich sicherlich sehr willkommen wäre, Sheriff", kam es gallig von Jack.

Slaughter zuckte mit den Schultern. "Heb die Hände, Jack, und bleib still stehen. Ich werde jetzt absteigen und dir Handschellen anlegen. Und dann schaffe ich dich nach Mohawk, wo du im Jail bleibst, bis ich meine Ermittlungen abgeschlossen habe."

Details

Seiten
Erscheinungsjahr
2023
ISBN (ePUB)
9783738970999
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (Februar)
Schlagworte
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Autor

  • Pete Hackett (Autor:in)

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Titel: Nackt unter Geiern: Pete Hackett Western Edition 110