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​Krieg der Wikinger 1: Der Bischof und die Nordmänner

von Pete Hackett (Autor:in) Alfred Bekker (Autor:in) Hendrik M. Bekker (Autor:in)
©2023 100 Seiten

Zusammenfassung

Einen Winter lang hat Leif Eriksson mit seinen Männern in Vinland verbracht, einem bisher unbekannten Land weit im Westen. Jetzt kommt er mit 5 Drachenschiffen und 300 Mann nach Bremen an die Wesermündung. Er will sich von Bischof Adam als Entdecker dieses neuen Landes in die Kirchenchronik eintragen lassen, auf dass der Ruhm des Entdeckers auf immer mit seinem Namem verbunden bleibe.

Aber als die Langschiffe die Weser hinauffahren, ist man wenig begeistert von der Ankunft der Nordmänner. Zu lebendig sind noch die Erinnerungen an vergangene Wikingerüberfälle…

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Alfred Bekker

© Roman by Author

Roman von Pete Hackett, Alfred Bekker und Hendrik M. Bekker

nach einem Exposé von Hendrik M. Bekker und Alfred Bekker

COVER A. PANADERO

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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​Krieg der Wikinger 1: Der Bischof und die Nordmänner

Roman von Pete Hackett, Alfred Bekker und Hendrik M. Bekker



Einen Winter lang hat Leif Eriksson mit seinen Männern in Vinland verbracht, einem bisher unbekannten Land weit im Westen. Jetzt kommt er mit 5 Drachenschiffen und 300 Mann nach Bremen an die Wesermündung. Er will sich von Bischof Adam als Entdecker dieses neuen Landes in die Kirchenchronik eintragen lassen, auf dass der Ruhm des Entdeckers auf immer mit seinem Namem verbunden bleibe.

Aber als die Langschiffe die Weser hinauffahren, ist man wenig begeistert von der Ankunft der Nordmänner. Zu lebendig sind noch die Erinnerungen an vergangene Wikingerüberfälle…






*


“Bei Njörd, dem Gott des Meeres und der Stürme!”, rief eine raue Männerstimme.

Die fünf Handelsschiffe der Wikinger glitten wie von Geisterhand geschoben über das vom Westwind leicht bewegte Meer. Die riesigen Segel der Knorren waren gebläht, die Ruder eingezogen. Das Knarren der Taue, hin und wieder ein halblaut gerufener Befehl, sowie vereinzeltes Husten, Lachen oder Stimmengemurmel vermischten sich zu einer verworrenen Geräuschkulisse, die der Wind mit sich nahm und in der Stille über dem Ozean versinken ließ.

“Segel lockerer lassen!”

“Aber wir verlieren dann Fahrt!”

“Besser, als wenn uns der Wind uns zum Kentern bringt und wir alle bei der Totengöttin Hel landen.”

“Ich dachte, du bist Christ geworden!”

“Bin ich auch!”

“Aber…”

“Ich glaube an alles, was etwas nützt und von dem nicht ausgeschlossen ist, dass es existiert!”

Männergelächter folgte.

Es waren insgesamt dreihundert Krieger, die auf den fünf Booten verteilt waren. Seit vielen Wochen waren sie unterwegs. Sie kamen von Westen, waren zunächst bei Orm dem Roten, dem König von Orkney, zu Gast gewesen, hatten sich auf den Inseln versorgt, und waren dann in Richtung der Nordseeküste des Heiligen Römischen Reiches weitergesegelt.

Leif Eriksson führte die kleine Flotte an. Sein Ziel war die Stadt namens Bremun, das die Einheimischen auch manchmal Bremen nannten. Er war in einer ganz besonderen Mission zu Bischof Adam unterwegs.

Die Boote der Grænlendingar, wie die skandinavischen Siedler auf Grönland genannt wurden, glitten in die Bucht, wo der Weserfluss in die Nordsee mündete. Die Grönländer wollten den Strom hinaufsegeln und im Hafen von Bremun anlegen.

Dort, wo die Weser ins Meer mündete, hatten noch der fränkische König Karl eine Festung errichten lassen, um Einfälle der Nordmänner aus Norwegen oder Dänemark, die brandschatzend, plündernd und mordend das Land in Angst und Schrecken versetzt hatten, zu verhindern.

Genützt hatte das nicht viel.

Die Nordmänner waren trotzdem immer wieder gekommen.

Die Festung war auch zwei Jahrhunderte später noch besetzt, denn die Gefahr, die von den skandinavischen Räubern ausging, war noch nicht gebannt.

Die Festung kam in Sicht. Eine aus riesigen Steinquadern errichtete Mauer mit schmalen Schießscharten und mannshohen Zinnen. Ihr war ein kleiner Hafen mit einigen hölzernen Anlegestegen vorgelagert, an denen zwei kleinere Ruderboote dümpelten.

„Segel einholen!“, ertönte auf der vordersten Knorr der Befehl. „Ruderer an die Riemen!“

In die Mannschaften kam jetzt Leben.

“Das geht wieder in Arme!”

“Worauf du dich verlassen kannst!”

“Die Strömung ist ziemlich stark. Wir hätten die Flut abwarten und und flussaufwärts tragen lassen sollen.”

“Ach, komm schon!”

“Ist doch wahr!”

“Die Sache ist ganz einfach: Werde stärker!”

Auch auf den vier anderen Knorren wurden die Segel eingeholt und die Ruder eingesetzt. Die Ruderer waren aufeinander eingespielt. Die Boote wurden nunmehr ausschließlich mit Muskelkraft bewegt. Mit der Präzision eines Uhrwerks tauchten die Ruderblätter ins Wasser, verliehen dem Langschiff Schub, hoben sich, um gleich darauf wieder die Wasseroberfläche zu durchstoßen ...

Der Wächter auf dem Turm der Festung sah die fünf Langschiffe in die Flussmündung einlaufen und blies in sein Horn. Das durchdringende Warnsignal war weithin zu hören und alarmierte die Besatzung der Festung. Es dauerte nicht lange, dann postierte sich eine halbe Hundertschaft Soldaten mit Pfeil und Bogen auf der Mauer, die die Festung zum Fluss hin begrenzte.

Aus einer Pforte liefen ein halbes Dutzend Soldaten, machten eines der bereitstehenden Boote los, sprangen hinein; zwei von ihnen setzen sich an die Ruder und dann legten sie ab.

Ein weiteres Hornsignal ertönte. Die Ruderer auf den Knorren stellten ihre Arbeit ein und hielten die Ruderblätter im Wasser, sodass die Fahrt abgebremst wurde. Schließlich lagen die Knorren leicht schaukelnd auf dem Fluss. Das Ruderboot mit den Soldaten der Festungswache legte bei der vordersten Knorr an. Eine Strickleiter wurde über Bord geworfen und zwei Soldaten der einheimischen Bootsbesatzung kletterten an Bord der Knorr.

Leif Eriksson, ein hünenhafter Mann, dem die roten Haare wild in die Stirn hingen und dessen Bart bis zur Mitte der Brust reichte, trat vor die beiden Soldaten hin. „Wir kommen in friedfertiger Absicht“, sagte er.

Seine Männer, soweit sie nicht auf den Ruderbänken saßen, musterten die Soldaten der Festung mit ausdruckslosen Blicken.

„Ich bin Hauptmann Hinrich“, stellte sich einer der Soldaten vor. „Wir stehen im Dienst der Stadt Bremun.“ Er sprach offenbar die Sprache der Nordmänner; die Sprache, die im gesamten skandinavischen Raum und auf Island sowie Grönland gesprochen wurde.

„Kommt Ihr aus dem Norden, Hauptmann?“, erkundigte sich deshalb Leif Eriksson.

„Nein. Aber ich habe drei Jahre in Dänemark gelebt – als Gefangener König Svens des Ersten.“ Der Hauptmann winkte ab. Im Hintergrund seiner Augen zeigte sich ein gehässiges Funkeln. Er hatte denkbar schlechte Erfahrung mit den Nordmännern gemacht. „Was habt ihr in unserem Reich zu suchen?“

„Ich bin Leif Eriksson aus Grænland. Wir wollen Bischof Adam von Bremun unsere Aufwartung machen, ihn unserer Loyalität versichern und ihm Geschenke machen.“

“Was?”

“Ich bin Christ!” Leif Eriksson deutete auf ein Kreuz, dass ihm um den Hals hing - neben einer ganzen Reihe von anderen Glücksbringern und Talismanen. “Und ich muss den Bischof Adam in einer wichtigen Angelegenheit sprechen - und ihm etwas schenken.”

Der Hauptmann verzog spöttisch den Mund. „Seit wann machen die Barbaren aus dem Norden Geschenke? Was ihr in den vergangenen zweihundert Jahren in unser Reich gebracht habt, waren allenfalls Tod und Verderben. Solltest ihr mir oder einem meiner Begleiter auch nur ein Haar krümmen, schießen unsere Bogenschützen ohne mit der Wimper zu zucken eure Schiffe in Brand.“

„Solange Ihr an Bord seid, werden sie keinen einzigen Pfeil abschießen“, brachte Leif seine Überzeugung zum Ausdruck. „Ich bin sowieso verwundert, dass Ihr euch auf ein Boot voll – hm, Barbaren wagt.“

„Die Festung passieren auch Händler mit ihren Booten“, antwortete der Hauptmann. „Nicht alle Nordmänner sind Brandstifter, Diebe und Mörder. Ihr kommt mit fünf Knorren. Das sind normalerweise Handelsschiffe.“

„Mit den Knorren erkunden wir auch die Meere und suchen fremde Länder“, versetzte Leif Eriksson.

Hauptmann Hinrich starrte ihn lediglich unter zusammengeschobenen Brauen hervor an, als wartete er auf weitere Ausführungen des Grönländers.

„Ich habe den Grund, aus dem wir gekommen sind, bereits genannt“, ergriff Leif wieder das Wort. „Seid versichert, Hauptmann, dass wir nicht vorhaben, Tod und Verderben, wie Ihr es ausgedrückt habt, über euch zu bringen. Wir kommen in Frieden.“

„Ihr seid Barbaren“, stieß der Hauptmann verächtlich hervor. „Seit über zweihundert Jahren ist kein Reich an den Küsten und Flüssen vor euch sicher. Ihr habt die baltischen Reiche, das Frankenreich und Britannien überfallen, gebrandschatzt und geraubt und die Menschen abgeschlachtet. Wieso sollte ich euch glauben, dass ihr zu Bischof Adam wollt, um ihm Geschenke zu machen?“

Die Atmosphäre war unvermittelt angespannt, die Luft schien plötzlich zum zerreißen gespannt zu sein, wie ein Seil bevor es drohte zu reißen.

„Man kann uns nicht für Taten, die unsere Vorfahren begangen haben, verantwortlich machen, Hauptmann“, versetzte Leif, sich zur Ruhe zwingend. Er war mit einer braunen Hose und einem Hemd aus grobem Leinenstoff bekleidet, seine Füße steckten in Stiefeln aus Fell. Um seine Schultern lag ein zotteliges, graues Wolfsfell. Sekundenlang starrten er und Hauptmann Hinrichs sich an, plötzlich drehte sich Leif halb herum und rief: „Halvar, zeig ihm die Geschenke.“

In der Mitte des Bootes standen vier verschlossene, mit Eisenbändern beschlagene Truhen aus Holz. Auf ihnen lagen Wolfs- und Schaffelle.

Der Krieger namens Halvar zog die Felle herunter und öffnete die Truhen. Hauptmann Hinrich entfuhr ein überraschter Laut. Dann stieß er fassungslos hervor: „Das sind Kelche, Monstranzen, Messgeschirr, goldene und silberne Kandelaber sowie Kruzifixe ... Schätze, die aus Kirchen und Kathedralen geraubt worden sind.“

“Ja, da staunst du, was?”, lachte Leif.

“In der Tat!”

„Sie wurden in der Tat ursprünglich aus den Gotteshäusern Britanniens und des Frankenreichs entwendet, und dabei wurde viel christliches Blut vergossen“, sagte Leif Eriksson dem Hauptmann. „Ich habe das alles, was Ihr in den Truhen seht, den heidnischen Barbaren, die diese Schätze als ihr Eigentum betrachteten, weggenommen, um sie dem rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben.“

“Ach!”

“Und das ist die Kirche, vertreten durch Bischof Adam!”

„Ich glaube Euch kein Wort!“, blaffte Hauptmann Hinrich, der seine Überraschung überwunden hatte. Seine rechte Hand legte sich auf den Knauf des Schwertes, das an seiner linken Hüfte am Gürtel hing. Angesichts der Bogenschützen auf der Mauer der Festung schien er sich ausgesprochen sicher zu fühlen. „Ich werde alle diese Kirchenschätze konfiszieren und in die Festung bringen lassen. Euch, Leif Eriksson, rate ich, nicht zu versuchen, das zu verhindern. Ihr wollt doch nicht, dass Eure Schiffe verbrennen und Eure Männer ertrinken.“

„Gold, Silber und Edelsteine in diesen Truhen sind für den Bischof von Bremun bestimmt“, erklärte Leif Eriksson mit klirrender Stimme. „Wenn Ihr Hand daranlegt, Hauptmann Hinrichs, dann seid ihr des Todes. Sowohl Ihr, als auch die Besatzung der Festung. Auf meinen Befehl hören dreimal hundert kampferprobte Krieger, sie werden die Festung dem Erdboden gleichmachen.“

Leif ließ seine Worte wirken. Sein grimmig-entschlossener Blick verliehen ihnen Nachdruck. Die tödliche Drohung, die in ihnen gelegen hatte, war nicht zu überhören gewesen. xxx

Im Gesicht Hauptmann Hinrich arbeitete es. Er und Leif starrten sich an. Wer verfügte über die stärkeren Nerven? Es war Leif Eriksson. Hauptmann Hinrichs Blick irrte ab. Jetzt nachzugeben wäre jedoch ein Zeichen von Schwäche gewesen.

Leif Eriksson nahm ihm die Entscheidung ab, indem er knurrte: „Verlasst mein Boot, Hauptmann, und geht mit der Versicherung meinerseits, dass ich getauft bin und in hehrer Absicht den Bischof von Bremun aufsuchen will. Wir glauben an denselben Gott, und all die Schätze, die Ihr in den Truhen seht, wollen wir dem rechtmäßigen Besitzer zurückgeben. Das ist die Heilige Kirche, und einer von Gottes Vertrauten hier auf Erden, nämlich Bischof Adam von Bremun, soll die Schätze verwalten.“

„Ich werde einen Boten nach Bremun schicken, der den Bischof in Kenntnis setzen wird“, sagte der Hauptmann, dessen Leben wahrscheinlich verwirkt gewesen wäre, hätte er den Bogenschützen Befehl erteilt, ihre Brandpfeile abzuschießen. „Ihr werdet hier ankern, bis die Antwort des Bischofs eintrifft. Verstanden?“

„Wir haben fast keine Verpflegung mehr“, sagte Leif Eriksson. „Außerdem geht uns das Trinkwasser aus.“

„Das ist euer Problem“, erwiderte Hauptmann Hinrichs ohne die Spur einer Gemütsregung. „Ihr bleibt auf euren Booten. Jeden von euch, den wir an Land antreffen, setzen wir fest und werfen ihn in den Kerker.“

„Das ist jetzt das zweite Mal, dass Ihr mir droht, Hauptmann“, grollte Leif Erikssons Bass. „Ich muss mir das nicht bieten lassen. Habt ihr denn noch immer nicht begriffen? Wir kommen in Frieden und bringen Schätze, die irgendwann einmal der Kirche geraubt wurden. Außerdem will ich Bischof Adam ein Anliegen äußern.“

„Und ich bezweifle, dass ihr in Frieden kommt und dass diese Schätze für den Bischof bestimmt sind, auch glaube ich nicht, dass du ein Christ bist!“, stieß der Hauptmann hervor. „Wahrscheinlich stammen diese Schätze aus Gotteshäusern, die ihr geplündert habt, und ihr kommt in unser Land, um auch hier Gotteshäuser und Klöster zu überfallen, Priester und Mönche zu ermorden und reiche Beute zu machen. Mit euren Lügen versucht ihr euch an uns vorbeizuschleichen. Euch Barbaren darf man nicht trauen.“

Einige der Krieger, die diese Worte vernommen hatten, äußerten brummend und grollend ihren Unmut. Hände legten sich auf die Äxte, die in den Gürteln steckten. In den Augen funkelte Zorn.

“So ein Pack!”

“Wir sollten es denen mal zeigen!”

“Ganz genau!”

Halvar, der die Schatztruhen geöffnet hatte, rief zornig: „Du beleidigst Leif Eriksson, den Sohn von Erik dem Roten und seiner Frau Thjodhild. Dafür sollst du in Niflheim enden, wo man dich dem Drachen Nidhöggr zum Fraß vorwerfen wird.“

Hauptmann Hinrichs grinste ironisch. „Ja, das hört sich ausgesprochen christlich an. Sind Eure Männer getauft, Leif Eriksson? Oder ist keiner von euch getauft und Ihr versucht Euch tatsächlich mit dummen Lügen in unser Reich zu mogeln?“

Leif richtete den Blick auf Halvar, den Krieger, der ihn auf all seinen Reisen begleitet hatte und treu zu ihm stand. „Komm her, Halvar“, gebot er.

Der Krieger gehorchte.

„Was hast du gemeint, als du von Niflheim gesprochen hast, Halvar?“, fragte Leif.

„Die Hölle“, antwortete Halvar mit schuldbewusst niedergeschlagenen Augen. Er mochte um die vierzig Jahre sein. Halvars Hinterkopf war kahlgeschoren und es gab keine Stelle, die nicht tätowiert gewesen wäre. Auf seiner Schädeldecke wucherten blonde Haare, die ihm über die Ohren und in die Stirn fielen.

„Und wer war gemeint, als du von Nidhöggr sprachst?“, kam Leifs nächste Frage.

„Der Teufel“, murmelte Halvar.

„Welches Gebet lehrte Jesus Christus seinen Jüngern?“, fragte Leif als nächstes.

„Das Vaterunser.“

„Glaubt Ihr nun, dass wir Christen sind?“, fragte Leif Eriksson an den Hauptmann gewandt. „Oder soll ich Halvar das Vaterunser aufsagen lassen?“

„Das wäre für mich kein Beweis“, murmelte der Soldat.

„Na schön“, knurrte Leif, „dann lasst Ihr mir keine andere Wahl. – Packt die beiden, Männer! Wir nehmen sie als Geiseln. Und sollten Eure Leute auf der Mauer ihre Pfeile anzünden und sie auf uns abfeuern, dann geht Ihr mit uns unter, Hauptmann. Ihr seid Euch Eurer Sache zu sicher gewesen.“

Hauptmann Hinrich wollte sich herumwerfen und zur Bordwand laufen, um über sie in sein Boot zu flüchten, doch da wurden er und sein Begleiter schon niedergerungen und festgehalten.

Leif Eriksson trat an die Bordwand heran und schaute auf die vier Soldaten im Boot. „Kehrt in Eure Festung zurück und bestellt eurem Kommandanten, dass wir nicht hier sind, um zu plündern. Wir sind auf dem Weg zu Bischof Adam, weil ich ihn um einen Gefallen bitten will. Ich werde ihm dafür sehr viel Kirchengut zurückgeben, das von heidnischen Nordmännern in der Vergangenheit geraubt worden ist. Hauptmann Hinrich und den anderen Soldaten nehmen wir mit, bis wir die Festung passiert haben. Die beiden werden sterben, solltet ihr uns angreifen. Und nun verschwindet!“

Das Boot wurde gewendet, die beiden Ruderer legten sich in die Riemen.

„Wir nehmen wieder Fahrt auf!“, befahl Leif und streifte die beiden bleichen Gefangenen mit einem verächtlichen Blick. „Sie können sich an Bord frei bewegen“, trug er seinen Kriegern auf. „Wenn wir außer Bogenschussweite sind, bringen wir sie an Land.“

Wenig später glitten die fünf Boote an der Festung vorbei auf der Weser in südliche Richtung. Die Soldaten auf der Festungsmauer versuchten nicht, sie aufzuhalten.


*


Als sie außer Bogenschussweite waren, brachten sie den Hauptmann und seinen Begleiter mit einem kleinen Ruderboot an Land. Zum Abschied sagte Leif Eriksson zu Hauptmann Hinrich: „Daran erkennt Ihr, dass wir Christenmenschen sind. Wären wir Barbaren, hätten wir euch längst die Kehlen durchgeschnitten. Wenn Ihr einen Boten nach Bremun schickt, dann soll er das dem Bischof berichten.“

Leif Eriksson und die drei Männer, die ihn begleitet hatten, kehrten zu ihrem Langschiff zurück und die Fahrt ging weiter. Schon bald wurden sie von einem Reiter überholt, der sein Pferd auf dem Weg, der parallel zum Fluss verlief, nach Süden jagte und der die Uniform in den Farben des Bischofs trug. Ein zweites Pferd zum Wechseln führte er an der Longe.

Es war der Bote, der die Menschen in Bremun vor dem möglichen Angriff einer Streitmacht aus dem Norden warnen sollte. Der Reiter trieb sein Pferd unerbittlich an und lag fast auf dem Hals des Tieres, dessen Hufe kaum den Boden zu berühren schienen. Staubfahnen wirbelten.

Leif Eriksson registrierte es mit Gelassenheit. Er war auf dem Weg zum Bischof, um dessen Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen, ihn dafür reichlich zu beschenken und von ihm einen Gefallen zu erbitten. Der Däne sah sich nicht als Eroberer, und schon gar nicht als Plünderer. Er war ein Entdecker, ein Pionier, und er wollte dem Bischof von einem Land, dem er den Namen Vinland gegeben hatte, erzählen, das er im Westen von Grænland, wenige Tagesreisen entfernt, entdeckt hatte. In Vinland gab es unermesslich viel Holz für den Schiffbau. Die Eingeborenen besaßen eine rötlich-braune Hautfarbe, waren schwarzhaarig und dunkeläugig und hatten die Landung der Boote aus ihren Verstecken in den Wäldern voll Ehrfurcht beobachtet, waren den Fremden schließlich aber freundlich und vor allem friedfertig begegnet.

Der Bote, den der Kommandant der Festung an der Mündung der Weser losgeschickt hatte, ritt sein Pferd fast zuschanden. Es war viele Jahre her, dass Horden von wilden Nordmännern ins Reich eingefallen waren und Tod sowie Zerstörung gebracht hatten. Es hatte blutige Kämpfe gegeben, und die Barbaren aus dem Norden hatten schließlich eingesehen, dass sie ihren Überfällen einen unverhältnismäßig hohen Blutzoll zu entrichten hatten, und lange Zeit war Ruhe eingekehrt. Jetzt jedoch waren wieder fünf Schiffe mit Kriegern angekommen, die sich rein äußerlich nicht von den Barbaren der früheren Jahre unterschieden. Die Nordmänner hatten den Ruf, grausam, rücksichtslos, niederträchtig und hinterhältig zu sein.

Der Bischof musste alarmiert werden. Aufgabe des Boten war es, zu verhindern, dass die Barbaren die Stadt einnahmen, ehe die dort stationierten Soldaten und wehrfähigen Bürger Gegenmaßnahmen ergreifen konnten.

Als das Pferd, das er ritt, nur noch dahintaumelte und der Schaum in großen Flocken von seinen Nüstern tropfte, stieg der Bote auf das andere Tier. Den total verausgabten Vierbeiner überließ er einfach sich selbst.

Und wieder ritt er, als säße ihm der Leibhaftige im Nacken. Die Gegend schien an ihm vorbeizufliegen. Die Hufe weckten ein hämmerndes Stakkato, das dem Reiter vorauseilte. Und er hatte das Glück, einer Patrouille Soldaten des Bischofs von Bremun zu begegnen. Es waren zwölf Reiter und ein Rottenführer, der sie befehligte.

Sie hörten das Hufgetrappel und verlegten dem Boten den Weg. Als er um eine Buschgruppe herumstob, sah er die Reitergruppe, riss urplötzlich die Zügelleinen seines Pferdes hoch und zerrte das Tier auf die Hinterhand zurück. Die bremsenden Hufe hinterließen tiefe Furchen auf dem staubigen Weg. Die Flanken des Pferdes zitterten, das Tier röchelte und röhrte mit geblähten Nüstern. Sein Fell war nass vom Schweiß.

Der Rottenführer erkannte den Reiter an der Uniform als Soldaten des Bischofs. „Was ist los, Kamerad?“, fragte er und schaute dabei streng. „Warum schindest du das Pferd dermaßen? Der Gaul ist fix und fertig. Nenn mir einen guten Grund, der dich veranlasst, so liederlich mit dem Eigentum unserer Exzellenz, des Bischofs, umzugehen.“

Der Bote, selbst abgekämpft und schweißgebadet, atmete einige Male durch, reckte die Schultern und keuchte: „Fünf Knorren der Nordmänner sind auf dem Weg nach Bremun. Sie befördern schätzungsweise dreihundert Bewaffnete. Es sind keine Händler. Der Name des Führers ist Leif Eriksson. Seine Exzellenz, der Bischof, muss gewarnt werden. Angeblich kommen die Barbaren in Frieden. Sie haben vier Truhen mit geraubtem Kirchenschatz dabei, den sie – so hat Eriksson es zumindest behauptet - zurückgeben wollen. Aber Kommandant Reichhelm glaubt, dass das nur ein Vorwand ist, um ungeschoren nach Bremun zu gelangen.“

„Warum habt ihr sie nicht aufgehalten?“, fragte der Rottenführer.

„Leif Eriksson hat gedroht, die Festung dem Erdboden gleichzumachen. Außerdem hat sich Hauptmann Hinrich unklugerweise zusammen mit einem Soldaten auf die Knorr Erikssons begeben, weil wir zunächst davon ausgegangen sind, dass es Händler aus Haithabu sind. Sie haben den Hauptmann und den Soldaten als Geisel genommen. Mich hat der Kommandant sofort losgeschickt, damit ich seine Exzellenz, den Bischof, warne.“

Details

Seiten
Erscheinungsjahr
2023
ISBN (ePUB)
9783738970883
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (Februar)
Schlagworte
wikinger bischof nordmänner

Autoren

  • Pete Hackett (Autor:in)

  • Alfred Bekker (Autor:in)

  • Hendrik M. Bekker (Autor:in)

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Titel: ​Krieg der Wikinger 1: Der Bischof und die Nordmänner