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Wir brauchen endlich eine neue Mami: Geliebte Mami Roman

von Anna Martach (Autor:in)
©2023 120 Seiten

Zusammenfassung

von Anna Martach

Der alleinerziehende Daniel Kösters ist enttäuscht, da seine Kinder nun schon das vierte Kindermädchen innerhalb kurzer Zeit vergrault haben. Doch dann wird ihm Yvonne Behrens vermittelt, und bei ihr hat er gleich ein gutes Gefühl, dass sie mit den Kindern umgehen kann. Bald kommen sich auch die beiden Erwachsenen näher, allerdings ist da auch noch Daniels Exfrau …

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Wir brauchen endlich eine neue Mami: Geliebte Mami Roman

von Anna Martach



Der alleinerziehende Daniel Kösters ist enttäuscht, da seine Kinder nun schon das vierte Kindermädchen innerhalb kurzer Zeit vergrault haben. Doch dann wird ihm Yvonne Behrens vermittelt, und bei ihr hat er gleich ein gutes Gefühl, dass sie mit den Kindern umgehen kann. Bald kommen sich auch die beiden Erwachsenen näher, allerdings ist da auch noch Daniels Exfrau …

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1

„Genau zwei Komma sechs sieben Meter“, erklärte Nils stolz. Er hatte ein Maßband neben die lange weiße Schnur gelegt und peinlich genau abgemessen. Marie, seine Schwester, war neun Jahre alt und damit zwei Jahre jünger als ihr Bruder. Der lachte nun über das ganze Gesicht, als er Schritte draußen vor der Tür hörte. Marie strahlte die Frau an, die jetzt hereinkam.

„Was hast du da gemacht, Kind, wolltest du einen Bindfaden abmessen?“, fragte Tina Weber, das Kindermädchen. Sie war von den beiden ja schon einiges gewöhnt, aber dies hier schien ausgesprochen harmlos zu sein.

„Ja, so etwas ähnliches. Du sagst doch immer, wir sollten neugierig sein und Dinge erforschen. Na ja, und ich wollte immer schon mal wissen, wie lang die Zahnpasta in der Tube ist“, erklärte Marie voller Begeisterung und musste an sich halten, um nicht laut loszuprusten, als sie jetzt die Gesichtszüge der Erzieherin entgleisen sah. Dabei hatte Nils ihr eingeschärft, dass sie auf keinen Fall zu früh kichern durfte.

Tinas Gesicht in diesem Augenblick war allerdings durchaus sehenswert, es verzog sich auf unnachahmliche Weise.

Die beiden Kinder waren aber auch nur zu schrecklich, wie die junge Frau fand. Kein Tag verging, an dem die zwei nicht irgendeine Schandtat anrichteten. Senf in den Schuhen, zerrissene Strumpfhosen, Zucker und Salz vertauscht, die Kreativität der beiden schien unerschöpflich. Und es war beileibe nicht immer nur Nils, der solche Streiche ausheckte, auch die kleine Marie besaß eine blühende Fantasie, wenn es darum ging, ihr Kindermädchen, ihre Erzieherin, zu ärgern.

Dabei hatte Tina zu Anfang noch gedacht, alles was die Kinder brauchten, sei eine ausgewogene Mischung aus Liebe und Strenge. Die Eltern hatten sich getrennt, nach einigen sicher unschönen Szenen, und die Kinder hatten natürlich unter dem Zerwürfnis der Eltern gelitten. Doch das rechtfertigte ganz bestimmt nicht das schier unkontrollierbare Verhalten von Nils und Marie.

Zwei Meter siebenundsechzig Zahnpasta quer durch die Wohnung, über Teppich und Laminat – Tina war es, als wäre sie in einen Kübel mit kaltem Wasser gefallen. Da beaufsichtigte sie die beiden schon ständig, doch zu ihrer Arbeit gehörte es nun auch einmal, dass sie mittags das Essen kochte. Wenn sie in der Küche war, konnte sie nun einmal nicht ständig bei den Kindern sein. Doch man sollte annehmen, dass die zwei in einem Alter waren, wo sie sich doch auch mal eine halbe Stunde allein beschäftigen konnten.

Und nun das?

Tina beherrschte sich jetzt mühsam. „Gut, nachdem du nun weißt, wie lang so ein Strang ist, dann nimmst du jetzt ein paar Tücher und wischt die etwas mehr als zweieinhalb Meter Zahnpasta wieder weg. Nils darf dir helfen. Er kann ja nicht nur etwas abmessen, er kann dir auch zeigen, dass er etwas in Ordnung bringt.“

„Ich kann nicht putzen“, erklärte der Junge dreist. „Außerdem muss ich noch Hausaufgaben machen.“

„Ich auch“, verkündete Marie, die sich wieder einmal dem Beispiel ihres Bruders anschloss.

„Halt, halt, eure Hausaufgaben werden eben warten müssen. Das hier geht vor. Wenn die Zahnpasta erst eintrocknet, bekommt niemand sie mehr heraus aus dem Teppich.“

Die Kinder zogen eine Flunsch, und Tina wusste, es würde vermutlich in einem Chaos enden, wenn die beiden die Reinigung übernahmen. Und doch, sie konnte ihnen das doch nicht durchgehen lassen. Auf jeden Fall würde sie gleich mal mit dem Vater, Daniel Kösters, reden müssen. Er hatte es bestimmt nicht leicht, seit seine Frau ihn mit den Kindern hatte sitzen gelassen. Aber auch sie, als angestellte Erzieherin, konnte sich nicht alles bieten lassen.

Tina musste sich dann doch ein Lächeln verbeißen, als sie sah, mit welcher Ungeschicklichkeit die beiden daran gingen die Zahnpasta aufzuwischen. Aber dann kam auch schon die nächste Katastrophe.

„Papa kommt“, rief Marie plötzlich und warf ihren Lappen weg, Nils hielt es ebenso, und beide stürmten zur Haustür – ohne darauf zu achten, dass sie voll in die Zahnpasta traten und das weiße schmierige Zeug ohne Bedenken großzügig überall verteilten.

„Oh, nein!“, stöhnte die Erzieherin und sank zusammen wie ein Häuflein Elend.

Nach einer stürmischen lautstarken Begrüßung kam Daniel Kösters herein und starrte verwundert und gleichzeitig fasziniert auf das Chaos in der Wohnung.

„Was ist denn hier passiert?“, fragte er und schaute auf seine Kinder herab.

„Ach, weißt du, Papa, das war so ...“, begann Nils, aber Marie kicherte einfach drauflos.

„Wir haben die Zahnpasta abgemessen“, lachte sie.

Auch Daniel lachte kurz auf, als er aber sah, dass Tina das gar nicht lustig fand, wurde er gleich wieder ernst.

„Tut mir leid, ich glaube, die beiden haben mal wieder überschüssige Energien.“

Tina Weber blickte den sympathischen Mann mit den braunen Augen und der warmen Stimme an. „Ich habe solche Energien nicht, Herr Kösters. Und ich bin es jetzt leid. Immer wieder habe ich mich bemüht den Kindern Verständnis entgegenzubringen. Aber die zwei machen es mir schwer, auch nur ruhig zu bleiben. Und Erziehung besitzen sie offensichtlich gar keine. Machen Sie doch in Zukunft, was Sie wollen, ich habe genug. Ich gehe – auf der Stelle.“

„Aber Tina, bitte, man kann doch über alles reden“, bat er jetzt kleinlaut.

„Wir haben geredet. Jeden Tag, erinnern Sie sich? Und immer wieder haben Sie versprochen, den Kindern ins Gewissen zu reden. Es reicht, Herr Kösters, ich kann das nicht mehr.“

Mit betretenen Gesichtern und doch einer gewissen Befriedigung sahen Nils und Marie, wie Tina jetzt in ihr Zimmer rannte und im Eiltempo ihre Sachen packte. Daniel blickte seine Kinder streng an.

„Wie soll das jetzt weitergehen? Das ist nun schon die vierte Erzieherin in den letzten drei Monaten. Was soll ich nur mit euch tun?“, seufzte er.

„Papa, um die Tina ist es nicht schade. Die hat ja immer nur mit uns geschimpft“, erklärte Nils altklug, während seine Schwester ihren Vater treuherzig musterte. Er würde schon eine Lösung finden.

„Und wahrscheinlich hatte sie vollkommen recht damit. Geht jetzt und macht den Schmutz hier weg, ich versuche noch einmal mit ihr zu reden.“

„Nein, bitte nicht, Papa“, bat Marie und griff nach der Hand ihres Vaters. „Wir wollen die wirklich nicht.“

Er ging in die Knie. „Aber wir brauchen jemanden, mein Schatz, ich kann schließlich nicht jeden Tag bei euch zu Hause bleiben. Das geht mal für zwei oder drei Tage, aber ... nun, jemand muss ja auch das Geld verdienen.“

„Dann suchen wir uns morgen eine neue“, warf Nils ein.

Daniel seufzte. Was war nur los mit seinen Kindern, dass es niemand lange bei ihnen aushielt?

Tina kam jetzt aus ihrem Zimmer, einen Koffer in der Hand. „Sollte ich noch etwas vergessen haben ...“

„Schicke ich es Ihnen zu, ebenso den ausstehenden Lohn.“

Irgendwie hatte Tina doch noch erwartet, dass Daniel sie bitten würde zu bleiben, vielleicht mit einer Anhebung des Gehalts. Er konnte sich das mühelos leisten als erfolgreicher Geschäftsmann. Doch er reichte ihr nur die Hand.

„Ich wünsche Ihnen alles Gute.“

„Tschüss“, riefen die Kinder und schenkten der Frau weiter keine Beachtung mehr. Das schmerzte Tina besonders. Doch sie warf den Kopf in den Nacken und ging.

„Komm schnell“, sagte Nils leise und drückte seiner Schwester den Putzlappen in die Hand. Sie sorgten besser schnell dafür, dass die Schweinerei auf dem Boden verschwand. Daniel schüttelte den Kopf. Die Agentur, die ihm bisher die Erzieherinnen vermittelt hatte, würde nicht froh darüber sein, dass er schon wieder jemanden brauchte. Noch einmal seufzte er auf, dann half er den Kindern.



2

Die Ehe mit Sabrina war eigentlich von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen, obwohl Daniel das lange Zeit nicht hatte wahrhaben wollen. Seine Frau hatte nie viel davon gehalten nur für die Familie da zu sein, und als die Kinder kamen, empfand sie die eher als Belästigung. Doch Daniel verdiente recht gut, und es war für die Frau angenehm, sich Wünsche erfüllen zu können, ohne auf das Geld achten zu müssen. Aber auf Dauer sagte ihr das auch nicht zu, sie wollte frei und unabhängig sein, immer öfter kam es zwischen den Eheleuten zum Streit, weil Sabrina die Kinder vernachlässigte. Und eines Tages hatte sie genug, sie verließ das Haus und reichte die Scheidung ein.

Daniel war großzügig. Eigentlich hätte seiner Frau nichts zugestanden, doch er zahlte ihr einen großzügigen Unterhalt, verlangte im Gegenzug nur, dass sie ihn und die Kinder in Ruhe ließ. Was Sabrina auch tat.

Jetzt stand Daniel nicht zum ersten Mal vor dem Problem eine Erzieherin für Nils und Marie zu finden, und das möglichst schnell. Er rief in seiner Firma an und sagte alle anstehenden Termine ab, das nächste Gespräch führte er dann mit der Agentur. Die Leiterin dort bekam einen leichten Anfall von Panik, als sie hörte, dass die Kinder schon wieder eine Frau vergrault hatten. Doch sie versprach jemanden vorbeizuschicken.

Kurz vor Mittag am nächsten Tag klingelte es, und eine junge sympathische Frau stand vor der Tür.

„Ich bin Yvonne Behrens, die Agentur schickt mich. Sie brauchen jemanden für Ihre Kinder?“ Ihr Lächeln war offen und warmherzig, das Gesicht schmal, die Augen dunkel, und die schulterlangen Haare hielt sie mit einer Spange fest.

„Kommen Sie herein“, bat Daniel und strahlte, um nur ja einen guten Eindruck zu machen.

„Ich habe gehört, Ihre Kinder sollen etwas schwierig sein?“, erkundigte sich Yvonne, und Daniel seufzte. Es hatte sich ja wohl schon herumgesprochen, dass seine beiden nicht gerade Engel waren.

„So sieht es aus. Eigentlich sind sie lieb und nett, aber ich fürchte, die zwei betrachten Kindermädchen, oder auch Erzieherinnen, wenn Ihnen dieser Ausdruck lieber ist, als eine Art persönlichen Feind.“

Yvonne lachte auf. „Dann muss man sie überzeugen, dass dem nicht so ist.“ Sie lächelte die beiden an, die jetzt ausgesprochen gesittet hereinkamen und die Frau höflich begrüßten. Doch Yvonne sah den Schalk in den Augen unter der Maske. Sie wurde taxiert, konnte aber noch nicht so recht eingeordnet werden. Also blieben die beiden noch recht still, bis auf ein zartes „Hallo“ sagten sie gar nichts.

Daniel verzog etwas das Gesicht, es war offensichtlich, dass er sich für seine Kinder schämte. Sein Blick verhieß denn auch, dass er sich dieses Benehmen nicht einfach würde bieten lassen.

„Hallo“, meinte dann aber auch Yvonne und musterte die zwei mit dem gleichen Blick, den auch sie benutzt hatten. Für Nils und Marie war das wie eine Kampfansage. Sie setzten sich und behielten die Frau aufmerksam im Auge, die sich jetzt allerdings voll und ganz auf ihren – hoffentlich – neuen Arbeitgeber konzentrierte.

„Ich habe meine Referenzen mitgebracht“, sagte sie und griff in ihre Handtasche, doch Daniel winkte ab.

„Es reicht mir als Referenz, wenn Sie mit den Kindern zurechtkommen. Das beste Zeugnis nutzt nichts, wenn die Kinder Sie ablehnen.“

„Das will ich nicht hoffen. Ich liebe Kinder, was aber nicht heißen muss, dass man ihnen alles durchgehen lassen sollte. Doch ich ziehe es vor, ein fröhliches Miteinander zu haben.“

„Das hört sich gut an, und Sie meinen es sicher auch ernst. Aber lassen Sie uns darüber noch einmal reden, wenn Sie zwei Wochen hier überstanden haben“, meinte Daniel mit einem trockenen Auflachen.

Sie lächelte ihn an. „Ich weiß nicht, wie meine Vorgängerinnen das gehalten haben, aber ich will gerne alles tun, damit wir gut miteinander auskommen.“ Sie musterte Daniel mit einem Blick, der deutlich machte, dass sie von diesem sympathischen Mann auch etwas Hilfe erwarten würde.

„Das geht aber nur“, meldete sich in diesem Augenblick Nils zu Wort, „wenn Sie unseren Vater nicht weiter so ansehen.“

Daniel schnappte nach Luft, doch Yvonne beherrschte sich.

„Dann will ich mich bemühen, das anders zu machen“, erklärte sie ernsthaft. „Aber vielleicht erzählst du mir erst mal, was ich denn hier falsch mache.“

Mit dieser Aufforderung hatte der Junge nicht gerechnet, er wollte nur provozieren. So schaute er jetzt plötzlich hilfesuchend auf seine Schwester.

„Na, das ist doch ganz einfach“, erklärte Marie. „Sie müssen doch auf uns aufpassen, und nicht auf Papa. Der muss doch zur Arbeit. Also müssen Sie uns anschauen.“

Das war vielleicht nicht ganz logisch, aber Yvonne ging trotzdem darauf ein. Sie machte von Anfang an nicht den Fehler die Kinder so zu behandeln, als würden sie ohnehin nichts verstehen.

„Da habt ihr natürlich vollkommen recht. Wir werden eine Menge Zeit miteinander verbringen, wenn euer Vater mit mir einverstanden ist, und ...“

„Und wir müssen nicht einverstanden sein?“, empörte sich Nils.

„Jetzt reicht es aber, junger Mann. Du bist reichlich vorlaut“, rügte Daniel. „Außerdem seid ihr nicht in der Lage, euch jemanden auszusuchen. Ihr müsst im Gegenteil schon froh sein, dass wir noch jemanden finden.“

„Wenn es aber doch wahr ist“, maulte der Junge. „Immer müsst ihr Erwachsenen alles entscheiden, und uns fragt keiner. Wo wir doch mit dieser Frau ...“

„Diese Frau heißt Yvonne Behrens, und du tust gut daran, dich schnell an diesen Namen zu gewöhnen. Ich werde es nicht dulden, dass ihr euch wieder dermaßen schlecht aufführt.“

„Bitte, lassen Sie mich das machen“, bat Yvonne und legte ihm eine Hand auf den Arm. „Sie machen die zwei nur bockig, wenn Sie jetzt Anordnungen geben. – Hört mal zu. Ich will versuchen, euch zu erklären, warum ich hier bin. Für mich war es immer schon ein Traumberuf, mit Kindern zu arbeiten. Ich hatte in einer anderen Stadt eine gute Stelle und einen lieben Freund. Dann habe ich Mark verloren und möchte jetzt gerne woanders anfangen. Da denke ich, dass es vielleicht für uns alle gut wäre, wenn wir einen Versuch miteinander machen. Gebt mir eine Chance, so wie ich es mit euch auch mache. Kann sein, dass ich euch gar nicht mag, aber dann werde ich das sagen. Kann aber auch sein, dass wir prima klarkommen. Das werden wir aber nur wissen, wenn wir es ausprobieren.“

Die Kinder hatten mit großen Augen der langen Rede zugehört, jetzt schauten sie sich eine Weile an und hielten stumme Zwiesprache. Dann stand Marie auf und reichte der Frau großzügig die Hand.

„Einverstanden.“

Daniel räusperte sich. „Da ich hier ja offensichtlich nicht mehr gefragt werde, akzeptiere ich euer Abkommen natürlich“, erklärte er lächelnd und zufrieden.

„Verzeihen Sie, ich wollte nicht über Ihren Kopf hinweg entscheiden“, sagte Yvonne zerknirscht, doch er lachte.

„Um Himmels willen, Sie machen als Erste ganz den Eindruck, als sollten Sie mit den beiden fertigwerden. So zahm habe ich sie jedenfalls seit Langem nicht mehr gesehen. Und ich freue mich, dass Sie einen Versuch starten wollen. Willkommen in unserem Hause.“

Die junge Frau bedankte sich. Daniel konnte nicht wissen, wie sehr sie es sich gewünscht hatte, hier einen neuen Anfang zu machen. In der Agentur hatte sie ausdrücklich darum gebeten, ihr die schwierigste und schlimmste Aufgabe zu übertragen. Je mehr Arbeit sie hatte, umso weniger würde sie Zeit haben über die Vergangenheit nachzudenken.



3

Es machte Yvonne nichts aus, dass sie zum Frühstück auch Daniel mitversorgte. Als sie am ersten Morgen seine verzweifelten Bemühungen bemerkte, hatte sie ihm lachend das Geschirr aus der Hand genommen, den Tisch gedeckt und für eine freundliche Atmosphäre gesorgt. Er war erstaunt, dass es ihr mit wenigen Handgriffen gelang, alles so einfach auszuführen, dass es nicht chaotisch wirkte, sondern zum Essen einlud. Und schon am dritten Tag war es zu einer Gewohnheit geworden.

Yvonne bewohnte hier im Haus ein großzügig eingerichtetes Zimmer mit allen Annehmlichkeiten, ihre eigene kleine Wohnung besuchte sie nur selten. Doch aufgeben wollte sie ihr Zuhause nicht, niemand konnte vorhersagen, wie lange es dauern würde, dass sie diese Stellung auch hielt. Aber vorerst war es eine gute Lösung, und sie hätte es vom Arbeitsklima her sicher schlechter treffen können. Wenn da nur nicht die manchmal ausgesprochene Boshaftigkeit der Kinder gewesen wäre.

Dass die beiden einen Versuch mit ihr wagen wollten, hieß ja nicht gleich, dass sie sich neuerdings wie Engel benahmen; ganz in Gegenteil. Doch Yvonne hatte nicht einen Moment daran geglaubt, dass es einfach werden würde. So war sie am ersten Tag auch nicht sonderlich überrascht, als von ihren gesamten Schuhen jeweils einer fehlte. Sie lief also auf Strümpfen, und die Kinder kicherten hinter vorgehaltener Hand.

„Ach, ihr wundert euch?“, fragte sie freundlich. „Es ist viel gesünder für die Füße, wenn man barfuß läuft. Ihr solltet es auch einmal probieren. Aber auf Sand oder Gras ist es noch viel besser.“ Damit war dieser erste Streich ins Leere gelaufen. Doch es sollte nicht der letzte bleiben, auch dessen war Yvonne sich sicher.

Daniel fuhr beruhigt zur Arbeit, die Kinder gingen zur Schule, und die junge Frau machte sich erst einmal mit dem Haushalt vertraut. Es gab eine Putzfrau, die regelmäßig kam und auch manchmal das Essen kochte. Yvonne wollte sich hier keine Rechte anmaßen, die ihr nicht zustanden, fand es jedoch besser, wenn sie das Kochen komplett selbst übernahm.

Die Putzfrau, Helene, hatte im Grunde nichts dagegen. Sie war eine ältere gemütliche Frau mit einer schier unendlichen Geduld, die über die Streiche der Kinder meist hinwegsah. Die beiden Frauen verstanden sich auf Anhieb und sprachen sich über die Arbeitsteilung ab.

Die Kinderzimmer allerdings wirkten wie ein Schlachtfeld. Hier sollte Helene auch nichts tun, die beiden mussten dafür selbst die Verantwortung tragen. Yvonne würde dafür sorgen, dass sie es auch taten.

In den drei Tagen war es erst einmal ein vorsichtiges Abtasten, doch Daniel war jeden Abend froh, wenn er nach Hause kam und Yvonne immer noch vorfand. Sie beschwerte sich auch nicht, und ausgerechnet das machte ihn stutzig.

„Wenn Sie Probleme oder Beschwerden haben, dann können Sie ruhig mit mir darüber reden“, bot er an, doch sie winkte lachend ab.

„Ich würde mich in den Augen von Nils und Marie unmöglich machen, sollte ich versuchen mich bei Ihnen zu beschweren. Nein, selbst wenn wir kleine Kabbeleien hätten, so müssten wir das schon untereinander ausmachen.“

„Sie haben also den Stolz und Ehrgeiz mich außen vor zu lassen?“

„Wenn Sie es so ausdrücken wollen – ja. Aber ich möchte mich bei den beiden doch gut einführen und schlage daher vor, dass wir am Sonntag einen Ausflug machen.“

„Aber das ist doch Ihr freier Tag“, gab er zu bedenken.

„Schon richtig“, nickte Yvonne. „Aber ich kenne hier in der Stadt kaum jemanden, also würde ich ohnehin allein in meinem Zimmer sitzen. Ich meine – wenn Sie allerdings schon andere Pläne hatten – ich wollte jetzt nicht über Ihre Zeit verfügen. Und sicher möchten Sie auch selbst etwas von den Kindern haben. Mein Vorschlag war unüberlegt, entschuldigen Sie bitte.“

„Nein“, erklärte er und grinste.

„Ich verstehe nicht. Wenn ich Sie beleidigt haben sollte ...“

„Nein, nein, so war das nicht gemeint. Ich finde Ihren Vorschlag fantastisch. Das hätte ich mit den Kindern längst einmal machen sollen. Und wenn Sie mitkommen, würde mich das ganz besonders freuen.“

Eine flüchtige Röte zog über ihr Gesicht. „Sehr gern.“

„Gut, dann wäre das geklärt. Und wohin machen wir unseren Ausflug?“, fragte er dann ratlos.

„Haben Sie mit den beiden in letzter Zeit überhaupt schon mal etwas unternommen?“, erkundigte sich Yvonne mitleidig.

Er schüttelte verlegen den Kopf.

„Dann wird es höchste Zeit, dass wir gemeinsam in den Zoo gehen“, bestimmte sie.

Bei Nils und Marie löste diese Ankündigung ungläubiges Staunen aus.

„Wir alle – zusammen?“, fragten sie noch einmal nach, nur um sich zu vergewissern.

„Ja, aber nur, wenn ihr euch anständig benehmen könnt, Herrschaften. Höre ich von Yvonne ein Wort der Klage, ist das Ganze gestorben.“

„Halt, Moment mal, Herr Kösters, lassen Sie mich bitte eines klarstellen. Ich werde mich nicht bei Ihnen beklagen. Und ich finde es nicht richtig, einen Ausflug mit dem Wohlverhalten regelrecht zu erkaufen. Tun Sie es um Ihrer Kinder willen.“

Daniel wollte im ersten Moment auffahren. Was fiel dieser Person ein, ihn hier vor den eigenen Kindern abzukanzeln? Aber halt, hatte er nicht gerade ebenso gehandelt? Er verschluckte, was er hatte sagen wollen und lächelte gequält. „Vielleicht sollten wir alle noch mal überdenken, was wir sagen, bevor wir es sagen. Also, der Sonntag bleibt bestehen.“

„Und du hast nicht wieder dringende Geschäfte?“, fragte Marie skeptisch. Die Kinder hatten leider schon mehr als einmal erlebt, dass er im letzten Moment einen geschäftlichen Termin wahrgenommen hatte, manchmal wirklich vorgeschoben. Und so etwas hatten die beiden gespürt und trauten dem Braten noch nicht so recht.

Daniel zögerte einen Moment, fing dann aber einen Blick von Yvonne auf. „Keine Geschäfte“, versprach er und schaute seiner Tochter offen ins Gesicht.



4

Der Sonntag versprach bestes Wetter. Da Yvonne an diesem Tag eigentlich freihatte, genoss sie den Luxus, etwas länger im Bett zu bleiben. Später wollte sie dann aufstehen und sich in der Küche eine Kleinigkeit zu Essen machen – später, wenn Daniel und die Kinder fertig waren, und noch bevor es zum Ausflug ging.

Sie lag in die Kissen gekuschelt und dachte über diesen Mann nach. Er war sympathisch, oh ja, ganz bestimmt, und manchmal so seltsam unbeholfen. Dabei aber ungeheuer verletzlich, obwohl er als knallharter Geschäftsmann galt. Wie passte das zusammen? Außerdem schien er seine Kinder sehr lieb zu haben, doch irgendwie schaffte er es nicht, einen so guten Kontakt zu ihnen aufzubauen, dass ein inniges Verhältnis entstand. Nun, vielleicht hatte daran ja auch die Exfrau ein bisschen Schuld.

Yvonne schüttelte geistig den Kopf. Ihr war es vollkommen unverständlich, wie eine Mutter ihre Kinder verlassen konnte. Doch die Menschen waren nun einmal unterschiedlich, und vielleicht waren Nils und Marie beim Vater wirklich besser aufgehoben. Sie fand den Mann charmant und faszinierend, aber ganz bestimmt würde sie keinen zweiten Blick oder Gedanken an ihn verschwenden. Noch zu frisch war die offene Wunde, die Mark ihr geschlagen hatte. Sicher hatte sie das den Kindern gegenüber richtig ausgedrückt, sie hatte ihn verloren. An eine andere Frau. Eine Blondine, die ihm schöne Augen machte, keine eigene Meinung besaß und sich nur um seine Wünsche kümmerte.

Ach, was sollte es? Yvonne verscheuchte energisch jeden weiteren Gedanken an Mark. Er war es nicht wert, dass sie um diese Beziehung trauerte. Das Beste würde es sein, sich voll und ganz auf die Arbeit zu konzentrieren. Und da hatte sie an diesen beiden Rangen wirklich genug zu tun.

So weit war sie in ihren Überlegungen gekommen, als es heftig an der Tür klopfte. Gleich darauf steckten Nils und Marie die Köpfe herein.

„Kommst du aufstehen? Wir haben mit Papa das Frühstück gemacht, und du solltest dich verwöhnen lassen, sagt Papa.“

„Na, das nenne ich ja mal eine Überraschung“, rief Yvonne erstaunt. „Ich bin in fünf Minuten fertig.“

Der Tisch war liebevoll gedeckt, sogar Blumen hatte Daniel besorgt. Was machte es da schon, dass der Kaffee zu stark und die Eier viel zu hart waren? Yvonne gab drei Löffel Zucker in ihren Kaffee und freute sich auf den anregenden Geschmack. Doch kaum hatte sie den ersten Schluck im Mund, spuckte sie im hohen Bogen alles wieder aus.

„Was ist das?“, fragte sie und verzog das Gesicht.

Die Kinder taten vollkommen unschuldig. Auf Daniels Stirn zeigte sich eine bedrohliche Falte, als er jetzt einen Finger befeuchtete, in die Zuckerdose steckte und die weißen Krümel kostete.

„Salz“, grollte er.

„Och, Papa, es ist doch nur ein Spaß“, versuchte Nils zu beschwichtigen.

„Ein ziemlich schlechter. Schade eigentlich, dass Kinder keinen Kaffee trinken sollen, sonst müsstest du jetzt zur Strafe die Tasse von Yvonne austrinken.“

„Da stimme ich Ihnen zu“, erklärte sie, die sich mittlerweile eine neue Tasse eingeschenkt hatte. Vorsichtshalber probierte sie, ob im Salzstreuer jetzt nicht womöglich Zucker war, denn der hätte auf dem Ei nicht geschmeckt.

Schließlich aber fuhren sie doch noch zum Zoo. Wie eine komplette Familie schlenderten die vier von einem Gehege zum anderen, staunten und lachten und vergaßen für kurze Zeit alle Sorgen. Daniel und Yvonne gingen eng nebeneinander, während die Kinder hierhin und dorthin liefen.

„Ich will nicht indiskret sein, doch es würde mich interessieren, wie Sie Ihren Freund – Partner – verloren haben. Kann ich Ihnen vielleicht in irgendeiner Form helfen?“

Die junge Frau lachte bitter. „Ja, so konnte man meine Worte wirklich verstehen. Entschuldigen Sie, Herr Kösters, aber es war einfach so, dass wir uns getrennt haben. Er – er hatte eine andere.“

„Tut mir leid. Er muss ein ziemlicher Idiot sein, eine Frau wie Sie gehen zu lassen. Ich kenne den Mann nicht, aber ich habe Sie in diesen wenigen Tagen kennen und sehr schätzen gelernt. Also nehme ich mir das Recht zu urteilen.“

„Das ist sehr nett von Ihnen, aber das macht es auch nicht leichter. Doch ich halte dieses Thema für abgeschlossen, nie wieder will ich etwas mit ihm zu tun haben.“

Er lächelte. „Das ist sicher die richtige Einstellung, Yvonne. Aber bitte, lassen Sie die steife Anrede. Wenn Sie Bedenken haben, weil ich Ihr Chef bin, dann nennen Sie mich doch wenigstens beim Vornamen.“

Sie blickte ihn schelmisch von der Seite her an. „Und Sie? Haben Sie keine Bedenken, dass das Ihrer Autorität schaden könnte?“

Daniel lachte laut und fröhlich auf, und bei diesem ungewöhnlichen Geräusch blickten die Kinder erstaunt herüber. Wann hatte ihr Vater das letzte Mal so herzhaft gelacht? Nun sahen sie aber auch, dass er nach der Hand von Yvonne griff und diese küsste.

„Der spinnt!“, stieß Nils erschüttert hervor. „Das kann er doch nicht machen.“

Dabei war der Handkuss ganz harmlos, doch für die Kinder kam er einer Katastrophe gleich. Marie überlegte nicht lange. Sie versuchte über die Absperrungen einer Voliere zu klettern, um ihre Hand dann ausgerechnet einem Kondor entgegenzustrecken. Yvonne sah diese Dummheit und lief rasch auf das Mädchen zu.

„Bist du denn noch zu retten?“, schimpfte sie und zog das Kind zurück. Marie sträubte sich und fing an zu schreien.

„Hilfe! Hilft mir denn keiner? Das ist meine böse Stiefmutter. Sie will mich verhauen. So helfen Sie mir doch.“

Die ersten Leute schauten erstaunt und peinlich berührt herüber. Yvonne versuchte der Situation die Schärfe zu nehmen, doch jetzt mischte sich auch Nils ein.

„Du darfst meiner Schwester nichts tun. Lass sie los!“

Ein gesunder Zorn erwachte in der jungen Frau. Sie hatte nicht vor, sich von diesen beiden auf der Nase herumtanzen zu lassen.

„Wenn du dich jetzt nicht anständig benimmst, dann gehst du heute ohne Essen ins Bett“, bestimmte sie also, indem sie auf das grausame Spiel der Kinder einging. Verblüfft hielt Marie inne, und auch Nils betrachtete sie mit plötzlich erwachendem Respekt. Er, wie auch Marie, hatten natürlich damit gerechnet, dass Yvonne jetzt wild protestierend diese Unterstellung abwehren würde. Doch die war von einem anderen Kaliber. Sie lächelte jetzt die neugierigen Passanten an.

„Tut mir leid, wenn diese schrecklichen Kinder Sie belästigen. Aber die beiden werden schon noch lernen, dass auch eine böse Stiefmutter auf Disziplin und Ordnung bestehen muss. Oder lassen Sie Ihren Kindern alles durchgehen?“ Dabei warf sie einige anzügliche Blicke auf zwei Ehepaare, deren Kinder sich nicht nur reichlich mit Eis und Matsche beschmiert hatten, sondern jetzt auch quengelten und wild an der Kleidung der Eltern zerrten.

Plötzlich hatten es alle ausgesprochen eilig, weiterzugehen, während Yvonne sich ein Lächeln nicht verkneifen konnte. Nun war aber auch Daniel heran, und wieder einmal hatte sich eine steile Falte auf seiner Stirn gebildet.

„Was fällt euch ein?“, schnaubte er erbost. „Wie kommt ihr dazu, solche Geschichten in die Welt zu setzen? Jetzt steht Yvonne da, als würde sie euch misshandeln. Stiefmutter, ja? Wie im Märchen? So langsam komme ich zu der Ansicht, dass ihr eine so tolle Person wie Yvonne gar nicht verdient. Jede andere hätte – zu Recht – jetzt einen großen Aufstand gemacht.“ Er blickte die Frau dankbar an. „Sie haben ganz fantastisch reagiert. Viel besser, als diese Schlingel es verdienen. Und ich denke, dieser Ausflug hat jetzt ein ziemlich abruptes Ende gefunden.“

„O nein, bitte nicht.“ Sie legte ihm bittend eine Hand auf den Arm. „Ich glaube, dieser Ausflug tut uns allen trotzdem gut. Und die beiden werden schon noch lernen, dass sie bei mir auf Granit beißen, wenn sie glauben, mich auf so eine Art verschrecken zu können.“

Daniel schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht sicher, ob ich Sie und Ihre Beweggründe wirklich verstehe. Aber nun gut. Doch nur, wenn die zwei sich jetzt wirklich mustergültig benehmen.“

Mit gesenktem Kopf hatten die Kinder der Predigt zugehört, jetzt nickten sie eifrig. Eigentlich hatten sie sich diesen Tag nicht selbst verderben wollen, indem sie mit einem ihrer Streiche die gute Stimmung ihres Vaters störten. Aber Yvonne mit ihren ungewöhnlichen Methoden nötigte ihnen auf jeden Fall Respekt ab. In Zukunft würden sie wohl doch versuchen sie zu akzeptieren, was natürlich nicht hieß, dass sie nicht doch hin und wieder ...

Details

Seiten
Jahr
2023
ISBN (ePUB)
9783738970418
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (Januar)
Schlagworte
mami geliebte roman

Autor

  • Anna Martach (Autor:in)

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Titel: Wir brauchen endlich eine neue Mami: Geliebte Mami Roman