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Die Hölle von Tombstone: Pete Hackett Western Edition 103

von Pete Hackett (Autor:in)
©2023 130 Seiten

Zusammenfassung

Seine Wiege stand im Goldland Montana. Sein Vater war einer der Bosse der Anaconda-Gesellschaft, einer mächtigen einflussreichen und beherrschenden Organisation. Sein Name war Scott Cameron. Er sollte in die Fußstapfen seines Vaters treten, sollte ein angesehener und respektierter Geschäftsmann werden. Aber dazu fühlte sich Scott nicht berufen. Er wollte Freiheit.

Mit achtzehn riss er von zu Hause aus. Mit fünfundzwanzig hatte er sich einen legendären Ruf als Gunner erworben. Sein Name war in Vergessenheit geraten. Man nannte ihn Deadlock. Er übte alle möglichen Revolverjobs aus, jagte steckbrieflich gesuchte Banditen, und nun, da er dreißig war, hatte er die Nase voll. Er wollte sesshaft werden. Geld war genug vorhanden. Als Kopfgeldjäger hatte er ein kleines Vermögen scheffeln können.

Deadlock kam von Süden. Bei Agua Prieta war er über die mexikanische Grenze geritten. Sein Ziel war Tombstone. Dort hatte man Silber gefunden. Deadlock wollte sein Geld nicht brach liegen lassen. Es sollte arbeiten.

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​Die Hölle von Tombstone: Pete Hackett Western Edition 103


Western von Pete Hackett


Über den Autor

Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.

Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."

Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.



Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author www.Haberl-Peter.de

© der Digitalausgabe 2013 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de


Seine Wiege stand im Goldland Montana. Sein Vater war einer der Bosse der Anaconda-Gesellschaft, ei­ner mächtigen einflussreichen und beherrschenden Organisation. Sein Name war Scott Cameron. Er sollte in die Fußstapfen seines Vaters treten, sollte ein angesehener und respektierter Geschäftsmann werden. Aber dazu fühlte sich Scott nicht berufen. Er wollte Freiheit.

Mit achtzehn riss er von zu Hause aus. Mit fünfundzwanzig hatte er sich einen legendären Ruf als Gunner er­worben. Sein Name war in Vergessenheit geraten. Man nannte ihn Deadlock. Er übte alle möglichen Re­volverjobs aus, jagte steckbrieflich ge­suchte Banditen, und nun, da er drei­ßig war, hatte er die Nase voll. Er wollte sesshaft werden. Geld war ge­nug vorhanden. Als Kopfgeldjäger hatte er ein kleines Vermögen schef­feln können.

Deadlock kam von Süden. Bei Agua Prieta war er über die mexika­nische Grenze geritten. Sein Ziel war Tombstone. Dort hatte man Silber ge­funden. Deadlock wollte sein Geld nicht brach liegen lassen. Es sollte ar­beiten.


*


Von Douglas aus war Deadlock nordwestlich gezogen. Als es Abend wurde, erreichte er Bisbee. In der Stadt wurden gerade die Lampen an­gezündet, als Deadlock über die breite Hauptstraße ritt. Er folgte dem Klang einer Gitarre, der ihn zu einem Saloon führte.

Deadlock leinte seinen Falben ne­ben fünf verstaubten Pferden an den Holm und stakste langbeinig in den Inn. Die Tür pendelte quietschend hinter ihm aus. Er nahm sei­nen Hut ab und strich sich mit den ge­spreizten Fingern die sandfarbenen Haare nach hinten. Die Ränder seiner pulvergrauen Augen waren entzün­det. Staub rieselte von den Schultern seines langen Mantels, den er nicht zugeknöpft hatte. Unter dem Mantel lag der Revolvergurt um seine Hüf­ten. Der schwere 45er an seiner rech­ten Seite beulte das Kleidungsstück aus.

An einem Tisch saßen fünf Männer. Ebenso staubig wie Deadlock, ebenso erschöpft von einem langen Ritt. Sie tranken Bier und sprachen leise mit­einander. In Deadlocks Augen blitzte es auf. Sporenklirrend ging er zum Tresen.

Einer der Männer am Tisch erhob sich schnell und näherte sich Dead­lock. Ein breites Grinsen gab seine Zähne frei. Deadlock wandte sich ihm zu, blieb aber ernst. Er schien wenig begeistert zu sein über diese Begeg­nung.

»Hol mich der Teufel«, rief der dunkle Bursche mit den zerfurchten Zügen, die Härte und Energie vermu­ten ließen. »Deadlock, altes Haus. Lange nicht gesehen. Wo kommst du her?«

Der Keeper näherte sich. Deadlock bestellte ein Bier und sagte staubhei­ser: »Hallo, Socorro. Dich vermutete ich in einer ganz anderen Ecke. Hast du nicht erst vor drei Wochen in Roswell für Schlagzeilen gesorgt?«

Socorro, dessen richtiger Name Herb Callaghan lautete, lachte schal­lend. »Stimmt, Deadlock. Wir mussten New Mex etwas überstürzt verlassen. Aber das ist Geschichte. Wir gehen nach Tombstone. Da oben ist der Teu­fel los. Die Silberminen-Gesellschaft sucht Kerle wie uns, Kerle, die den Colt zuverlässig schwingen können. Die Bosse dort zahlen gut, verdammt gut.«

»Auch ich will nach Tombstone«, erklärte Deadlock schmal.

Socorro warf den Kopf in den Nacken. »Das trifft sich gut. Ich nehme an, dass du ebenfalls einen Revolverjob suchst.«

»Du irrst dich.« Deadlock schüt­telte den Kopf. »Ich will mich in Tombstone zur Ruhe setzen und selb­ständig machen. Keine Gunslinger-Jobs mehr, Socorro. Das habe ich mir ge­schworen.«

»Diesen Schwur wirst du schneller brechen als du denken kannst«, stieß Socorro hervor. »Was ist, Deadlock, trinken wir einen auf unser Wiederse­hen. Ich gebe eine Flasche aus.«

»Ich bin müde«, murmelte Dead­lock. »Ein anderes Mal vielleicht.«

Er trank zwei Schlucke von seinem Bier, warf ein Fünfcentstück auf den Schanktisch und verließ den Saloon. Deadlock brachte sein Pferd in den Mietstall, dann begab er sich ins Hotel, mietete ein Zimmer und lag fünf Minuten später im Bett.


*


Zwei Tage danach: Bill Shatner trieb ein Rudel Longhorns, die sich in den San Pedro-Bergen verlaufen hat­ten, zurück auf die Weide. Er ritt ge­dankenvoll. Die Silberminengesellschaft hatte ihm zwanzigtausend Dol­lar geboten für sein Weideland, das wie ein Keil in die San Pedro-Hügel hineinstieß. Seine Ranch war den Bossen ein Dorn im Auge. Er hatte das Angebot abgelehnt. Drohungen folgten, und dann die ersten Über­griffe.

Eine Herde war in Stampede ver­setzt worden. Zwei seiner Cowboys wurden so sehr verprügelt, dass sie den Job bei ihm kündigten. Der Zaun, den er zu den von Prospektoren auf­gewühlten Hügeln hin gezogen hatte, wurde zerschnitten. Man kündigte die Entführung seiner Frau und seiner Tochter an. Aber Bill war hart und un­beugsam geblieben. Er schnallte sich einen Revolvergurt um und trennte sich von Stunde an nicht mehr von seiner Winchester. Auf der Ranch be­fanden sich immer zwei Cowboys zum Schutz von Patricia und Jessy, dem achtjährigen Mädchen.

Die Longhorns liefen schnell. Unter ihren stampfenden Hufen dröhnte die Erde. In der Ferne sah Bill über einen Hügelkamm den Holzturm einer Erz­mühle ragen. Die Silberfunde hatten einen wahren Rausch ausgelöst. Tombstone war entstanden. Ein Sün­denbabel, ein Sodom und Gomorrha auf einem Hochplateau zwischen den Dragoon- und Whetstone-Bergen.

In Tombstone residierte Jack Po­well, Boss der Minengesellschaft, der sich zum absoluten Herrscher aufge­schwungen hatte.

Bill Shatner trieb ein Jungtier in das Rudel zurück. Ein Stier brüllte. Horn klapperte. Schwanzenden peitschten über die knochigen Rücken der Rin­der.

Fernes Rumoren verriet, dass die Erzmühlen in Betrieb waren. Dort wurde das silberhaltige Gestein ge­stampft, dann verfrachtete man es zu den riesigen Schmelzöfen. Schutthal­den verunstalteten das Land, und sie wuchsen immer höher. Das Silber hatte Menschen jedes Schlages nach Tombstone gezogen. Biedere Men­schen, die mit ihrer Hände Arbeit eine ordentliche Existenz aufbauen woll­ten, aber auch Glücksritter und Abenteurer. Innerhalb von zwei Jahren hatte sich Tombstone von einer Zelt- und Budenansammlung zu einer rich­tigen Stadt mit fast sechstausend Ein­wohnern gemausert.

Bill hatte angehalten. Er spuckte ins Gras, hakte seine Wasserflasche vom Sattel und trank einen Schluck. Du wirst niemals aufgeben, Bill!, durch­zuckte es ihn. Dein Vater hat die Waycross-Ranch gegründet, und du wirst sein Lebenswerk fortführen.

Ein entschlossener Zug kerbte sich in seine Mundwinkel. Er hängte die Flasche wieder an das Sattelhorn und trieb den Braunen an. Die Rinder wa­ren schon hundert Yards voraus. Sie trabten auf eine Hügellücke zu. Hin­ter der Anhöhe stand die Hauptherde am großen Wasserloch, dessen Witterung die Longhorns in die Nasen bekommen hatten.

Plötzlich nahm Bill vier Reiter wahr. Sie kamen über eine Bodenwelle im Süden. Sie ritten schnell. Eine Staubfahne rollte hinter ihnen her. Dann verschwanden sie in einer Senke aus Bills Blickfeld. Der laue Wind trug den dumpfen Hufschlag heran. Bill zog die Winchester aus dem Sattelholster und lud sie durch. Langsam ritt er weiter.

Dann erschienen sie aufs Neue in Bills Sichtkreis. Nun nahmen sie ihn wahr. Sie rissen ihre Pferde zurück und schienen sich zu beraten. Auch Bill zügelte den Braunen. Die Kolben­platte der Winchester stand auf sei­nem Oberschenkel. Bills Rechte um­klammerte den Kolbenhals. Er starrte zu den Reitern hinüber, und trotz der Ferne schienen sich ihre Blicke zu treffen. Der Rancher ahnte Unheil.

Die vier spornten ihre Pferde an. Schnell näherten sie sich. Der Huf­schlag brandete heran wie grollender Donner. Obwohl sie die Hüte tief in die Stirn gezogen hatten, erkannte er ihre Gesichter. Unvermittelt befand er sich im Klammergriff vibrierender Erregung.

Es waren vier üble Nummern aus Jack Powells Revolvergarde, Kerle, die aus Eisen und Stahl und allem, was hart und unmenschlich macht, zusammengesetzt waren.

Sie erreichten ihn und zerrten an den Zügeln. Dreck und Grassoden spritzten unter den bremsenden Hu­fen der Pferde auseinander. Mit eiserner Hand bändigten sie die tänzeln­den Tiere. Stumm und aus kalten Au­gen starrten sie Bill an, in den glit­zernden Augen stand nichts als eisige Kälte.

Einer der Kerle, ein weißblonder Bursche mit einem riesigen Schnauz­bart und zwei tiefhängenden Colts er­hob nach fast einer Minute des schwei­genden Abtastens das Wort. Seine Stimme klang blechern und unange­nehm. Er schnarrte: »Wir sind auf dem Weg zur Waycross-Ranch, Shatner, das heißt auf dem Weg zu dir. Da wir dich hier an­treffen, ersparst du uns eine ganze Menge Meilen in diesem verdammten Backofen.«

»Was wollt ihr von mir?«, würgte Bill mühsam hervor. Härter krallte sich seine Hand um die Winchester. Weiß traten die Knöchel unter der Haut hervor.

Der andere lachte scheppernd. »Weißt du das nicht?« Bills Herzschlag geriet ins Stocken. »Du hast unsere Warnungen ignoriert, und jetzt präsentieren wir dir die Rechnung für deine Sturheit.«

Mit Bill gingen die Nerven durch. Sein Entschluss kam impulsiv und unüberlegt, aus der Bedrängnis heraus. Er hämmerte seinem Braunen die Sporen in die Weichen. Wie von der Sehne geschnellt sprang das Tier an und streckte sich. Der Lauf der Winchester wirbelte nach unten und kam in die Waagerechte. Der Schrei, der sich in Bills Brust gestaut hatte, brach sich Bahn.

Die vier Gunslinger reagierten augenblicklich. Ihre Colts flirrten aus den Holstern, bäumten sich auf in ihren nervigen Fäusten. Das Mündungs­feuer verschmolz mit dem Sonnen­licht. Pulverrauch wölkte. Der Wider­hall der Detonationen zerflatterte zwischen den Hügeln.

Bill Shatner spürte nicht einmal mehr die Einschläge. Den Donnerhall in den Ohren, starb er. Er kippte nach hinten, die Winchester entglitt seinen Händen, dann fiel er vom Pferd. Der Braune vollführte einen erschreckten Satz zur Seite. Bill wurde mitgerissen, weil sein linker Fuß im Steigbügel hängen geblieben war. Seine noch im Tod schreckensgeweiteten, glasigen Augen starrten blicklos zum Himmel.

Ohne jede Gemütsregung bliesen die Schießer den Rauch von den Mündungen ihrer Colts und stießen die Eisen in die Holster. Einer von ihnen stieß höhnisch hervor: »Er war ein Narr. Jetzt bleibt er tatsächlich auf seinem Land - allerdings sechs Fuß unter der Gras­narbe.«

Er lachte satanisch. Dann nahmen sie ihre Pferde herum und ritten fort.


*


Deadlock vernahm den versickernden Klang der ineinander verschmel­zenden Schüsse. Er fiel dem Falben in die Zügel und lauschte mit erhobe­nem Kopf. Stille kehrte ein. Deadlock ritt wieder an. Der Falbe galoppierte über Hügel und durch Senken, watete durch einen seichten Bach, schließlich ging es durch dichtes Gestrüpp. Als Deadlock den Buschgürtel durchbro­chen hatte, sah er die Reiter. Sie ka­men aus den Hügeln, erreichten seine breite, ausgefahrene Straße, die nach Westen führte, und folgten ihr. Dead­lock hatte die gerade Route von Bisbee herauf genommen und befand sich östlich von Tombstone. Um Tombstone zu erreichen, musste er sich also ebenfalls nach Westen wen­den.

Ohne zu zögern zog er weiter. Er sah die Reiter auf eine Entfernung von etwa hundertfünfzig Yards, sie hingegen nahmen ihn nicht wahr, weil sie in die von ihm abgewandte Seite ritten. Unter dem Stetson eines der Burschen fiel weißblondes Haar her­vor bis in den Nacken.

Die Schüsse kamen Deadlock wie­der in den Sinn. Er ahnte, dass die Rei­ter sie abgegeben hatten, und sie wa­ren nicht von der Sorte, die ihre Ku­geln in die Luft ballerten. Also gab es etwas, worauf sie feuerten.

Deadlock folgte der deutlichen Spur, die die Hufe ihrer Reittiere hin­terlassen hatten, nach Norden. Bald schon fand er den Toten. Er schwang sich aus dem Sattel und beugte sich über ihn. Die schweren Geschosse hatten seine Brust förmlich zerfetzt. Das Hemd war blutgetränkt. Hinter dem Höhenzug war das dumpfe Ru­moren, das die Herde verursachte. Deadlock biss die Zähne zusammen. Er bemerkte das Gewehr, das im Gras lag, und hob es auf. Deadlock schnup­perte an der Mündung. Aus dieser Waffe war seit langem kein Schuss mehr abgegeben worden. Er stieß es in den Scabbard des Pferdes, das bei dem Toten stand. Deadlock be­merkte das Brandzeichen. Es war ein Kreuz aus geschwungenen Linien. Die obere linke Ecke enthielt ein B, die untere rechte ein S.

Deadlock kannte den Brand nicht. Er sagte sich, dass er den Leichnam nicht einfach liegen lassen konnte. Also wuchtete er ihn quer über den Pferderücken. In der Satteltasche fand er eine Schnur, mit der er ihn festband. Er spürt einen galligen Ge­schmack in der Mundhöhle. Die vier Reiter hatten ausgesehen wie Bur­schen vom heißen Eisen. Dieser Mann hier aber vermittelte den Eindruck ei­nes Cowpunchers. Vier Colthaie ge­gen einen Rindermann. Das stank ge­waltig zum Himmel. Da steckte mehr dahinter als ein zufälliges Zusammen­treffen. Vielmehr sah es nach kaltblü­tigem Mord aus.

Das spürte Deadlock instinktiv.

Er kletterte auf den Falben, angelte sich die Zügel des Braunen und ruckte im Sattel. Die Pferde setzten sich in Bewegung. Deadlock lenkte den Fal­ben nach Südwesten. Er fragte sich, weshalb die vier Killer nicht den di­rekten Weg nach Tombstone genom­men hatten, sondern erst kerzenge­rade nach Süden geritten und dann nach Westen abgebogen waren.

Er selbst gab sich sogleich die Ant­wort. Sie haben von dort aus, wo sie die Richtung wechselten, die Reit- und Fahrstraße benutzt. Unzählige Wagenräder hatten sie tief zerfurcht, tausende von Hufen hatten sie zer­trampelt. Auf dieser Straße endete die Spur der Bande.

Nach einer halben Stunde lag die Stadt vor Deadlock. Seine Sinne nah­men alles auf. Da war die breite, stau­bige Hauptstraße, gesäumt von Häu­sern mit bunten aber falschen Fassa­den. Hier reihten sich wie die Perlen an einer Schnur Geschäfte, Saloons, Wohnhäuser und einige Hotels. Es gab Tanzhallen, Bordells und Spiel­höllen. Von der Main Street zweigten weitere Straßen und Gassen ab. Rings um Tombstone zog sich eine staubige Ansammlung von Zelten und Buden. Die Gehsteige wimmelten von Men­schen. Deadlock sah Männer in gro­ber Bergarbeiterkluft, Dandys, Kerle in Weidereitertracht und andere im typischen Spielerhabit. Und es gab Ladys. Sie trugen lange Kleider und Hüte, von deren Krempen Schleier vor ihre Gesichter fielen, und sie schützten sich mit kleinen, bunten Schirmen gegen die sengende Sonne.

Deadlock erregte Aufsehen mit sei­ner traurigen Fracht. Die Menschen blieben stehen, tuschelten, musterten ihn unverhohlen und neugierig. Der Tod war in Tombstone Dauergast. Aber seine Opfer wurden in der Regel aus der Stadt hinaus auf den Boothill gekarrt. Niemand brachte einen To­ten in die Stadt.

Plötzlich rief eine Frau spitz und hysterisch: »Mein Gott, das ist ja Bill Shatner!«

Auf der Straße herrschte plötzlich Ruhe. Aber dann setzte Gemurmel ein. Die Nachricht pflanzte sich fort, ging von Mund zu Mund und schnell wie ein Steppenbrand durch die Stadt.

Deadlock ließ die Pferde im Schritt die Fahrbahn entlang gehen. Ihm war jetzt klar, was das B und das S im Brandzeichen des Braunen bedeute­ten. Also war der Tote Rancher.

Deadlock schaute sich um. Die lu­xuriös aufgemachte Fassade eines Sa­loons stach ihm ins Auge. Das Riesen­schild, das die gesamte Breite der Vorderfront einnahm, verriet seinen Namen. »Oriental Saloon« stand da in großen Lettern. Hinter einer Fen­sterscheibe im Obergeschoß des Be­triebes sah er den hellen Klecks eines Gesichts. Darunter war ein weißes Hemd. Der Mann rührte sich nicht. Auch nicht, als ein zweiter neben ihn trat. Dessen Mund bewegte sich. Dead­lock erkannte sein Gesicht hinter der verstaubten Scheibe nicht. Dafür aber erfasste sein Blick die fünf ver­schwitzten Pferde am Hitchrack vor dem Saloon. Diese fünf Tiere hatte er noch von Bisbee her in Erinnerung. Sie gehörten Socorro und seinem ver­wegenen Anhang. Und sein Gefühl sagte Deadlock, dass der Bursche oben am Fenster, der neben den mit dem weißen Hemd getreten war, So­corro gewesen ist.

Er dachte nicht weiter darüber nach, sondern erkundigte sich bei ei­nem Halbwüchsigen nach dem Büro des Sheriffs.


*


»Der Hombre, der da in Tombstone einzieht, ist kein Geringerer als Dead­lock. Ich traf ihn vor wenigen Tagen unten in Bisbee. Er will seinen Sixshoter an den Nagel hängen. Aber wie es aussieht, wird ihm das nicht gelin­gen«, sagte Socorro in düsterem Ton.

Der andere, sein Name war Cole Fitzgerald erwiderte: »Wenn dieser Deadlock wirklich so gut ist, wie man behauptet, dann wird Powell alles dran setzen, um ihn für die Minenge­sellschaft zu gewinnen.«

Socorro lachte kehlig. »Deadlock ist unbezahlbar. Ihn und mich verbin­det so etwas wie eine alte Kamerad­schaft. Ich bin vielleicht auch der ein­zige, der ihn schlagen kann. Aller­dings möchte ich es nicht darauf an­kommen lassen.«

»Was will er hier?«

»Er will sich in Tombstone zur Ruhe setzen und Geld verdienen.«

Fitzgeralds Miene verschloss sich und wurde unzugänglich. »Dazu braucht er Powells Einverständnis. Ich glaube aber nicht, dass Powell zustimmt. Und dann hat Deadlock die Wahl: entwe­der er arbeitet für die Gesellschaft, oder er verschwindet, oder …«

Fitzgerald zuckte mit den Achseln und ließ den Rest offen. Aber es gab nur noch eine Möglichkeit. Socorro sprach sie aus: »Oder er kippt aus den Stiefeln, nicht wahr?«

»So sieht es aus.«

Socorro grinste fast mitleidig. »Sie sollten Deadlock nicht unterschätzen, Fitzgerald. Er ist ein Tiger. Die Leute, die die Minengesellschaft beschäftigt, sind wahrscheinlich zahnlose Stra­ßenköter gegen ihn.«

Fitzgeralds Stirn legte sich in finstere Falten. »Auch eine Meute zahnloser Straßenköter kann einen Tiger zur Strecke bringen«, stieß er hervor. »Im übrigen, Socorro — seit heute ge­hören auch Sie zu den Leuten, die im Sold der Minengesellschaft stehen, Sie und Ihre Männer. Sollte ich fünf zahnlose, streunende Hunde ange­worben haben?« Er starrte dem Gunman herausfordernd in die Augen.

Socorro nahm es gelassen. Schmal sagte er: »Lassen Sie sich überra­schen, Fitzgerald.«

Die Glätte kehrte in Fitzgeralds Miene zurück. Er wandte sich ab, ging zu einem Sessel, ließ sich hineinfallen und schlug die Beine übereinander. »Sie treten morgen Ihren Dienst an, Socorro. Die Konditionen sind ge­klärt. Sie und Ihre Leute erhalten fünfhundert Dollar Lohn im Monat. Wie Sie die Bucks unter sich aufteilen, ist Ihre Sache. Sie haben sich nach meinen Weisungen zu richten.«

»Und die erhalten Sie von Big Jack Powell, nicht wahr?«, fragte Socorro fast ein wenig spöttisch. Dieser ge­schniegelte und gebügelte Dandy im Sessel war nicht nach seinem Ge­schmack. Und daraus machte er kein Hehl.

»Ausschließlich von ihm«, gab Fitzgerald ohne Umschweife zu. »Ohne Powell geht hier gar nichts.« Seine Lider fielen halb über die was­serhellen Augen, wodurch sein Ge­sicht die Physiognomie einer Eule annahm.

»Und Powell selbst bleibt im Hin­tergrund, nehme ich an.«

Fitzgerald grinste viel sagend. »Sie kaufen wohl nicht die Katze im Sack, Socorro, wie?«

»Gewiss nicht. Sie haben eben ver­gessen, die Sonderprämien zu erwäh­nen, Fitzgerald«, knurrte Socorro.

»Die gibt es nur von Fall zu Fall.«

»Alles klar.« Socorro schritt zur Tür. Fitzgeralds Stimme holte ihn ein. »Noch eine Frage«, rief Fitzgerald. »Hat dieser Deadlock auch einen richtigen Namen? «

»Sicher«, sagte Socorro über die Schulter. »Aber den kennt keiner. Vielleicht hat er ihn selbst längst ver­gessen.«

Dann fiel die Tür hinter Socorro zu.


*


Deadlock fand das Sheriff's Office auf Anhieb. Er leinte die Pferde an und ging hinein. Deadlock befand sich in einem kahlen Gang, von dem ver­schiedene Türen abzweigten. An ei­ner dieser Türen hing ein Schild: »John Behan, County Sheriff.« Er klopfte und trat, ohne eine Antwort abzuwarten, ein. Hinter dem Schreibtisch saß ein sonnengebräunter Mann mit dunklen, sauber gescheitelten Haaren und ei­nem Kinnbart. Verärgert musterte er Deadlock, dem nicht der funkelnde Stern an der linken Brustseite des Mannes entging. Deadlock nahm seinen Hut ab. Eine Strähne seines sandfarbenen Haares fiel ihm in die Stirn. Er grüßte.

Der Sheriff legte einen Federkiel zur Seite und lehnte sich im Stuhl zurück. »Was führt Sie zu mir?«

Deadlock trat einen Schritt naher. »Ich bringe Ihnen einen Toten, She­riff. Ich fand ihn in den Hügeln nord­östlich der Stadt, nachdem ich dem Klang einer Reihe von Schüssen folgte. Jemand rief draußen auf der Straße seinen Namen. Er lautet Bill Shatner.«

Mit einem Ruck stand der Sheriff. Polternd rutschte sein Stuhl zurück. In seinem Gesicht arbeitete es. Durchdringend fixierte er Deadlock, als ver­suchte er in seinem Gesicht zu lesen.

»Bill Shatner«, flüsterte Behan schließlich. Er kniff die Lippen zu­sammen, dass sie nur noch einen dün­nen Strich bildeten. »Zur Hölle!«

Behan umrundete den Schreib­tisch. »Wissen Sie, wer ihn erschossen hat, Stranger?«

»Ich sah vier Reiter«, gab Deadlock bereitwillig Auskunft. »Sie kamen von Norden und bogen dann, als sie die Straße erreichten, nach Westen in Richtung Tombstone ab. Einer der Kerle hat helle, nackenlange Haare. Die vier können es gewesen sein, die die­sem Shatner das Lebenslicht ausblie­sen.«

Behan senkte den Blick. Sinnend starrte er vor sich hin. Plötzlich hob er das Gesicht wieder. »Darf ich Ihren Namen erfahren, Stranger?«

»Man nennt mich Deadlock.«

Die Worte fielen wie Hammer­schläge. Behan zuckte zusammen. Er blinzelte verwirrt und maß den Mann vor sich noch einmal von oben bis un­ten, schätzte ihn ein und sagte rau: »Deadlock - der Kopfgeldjäger?«

»Das war einmal«, versetzte Dead­lock knapp. »Keine Sorge, Sheriff. Ich reite auf keiner heißen Spur, die nach Tombstone führt.«

»Wie lange gedenken Sie zu bleiben, Deadlock?«, fragte der Sheriff. In seinen Augen woben die Schatten der kalten Ablehnung und des Widerwil­lens. Schnellschießer und anderes übles Gesindel gab es in Tombstone genug. Deadlock, dem ein Ruf wie Donnerhall vorauseilte, hatte ihm gerade noch gefehlt.

»Für immer, Sheriff«, murmelte Deadlock, dem die abweisende Reaktion Behans nicht entgangen war. »Hier rollt der Dollar. Ich will sesshaft werden. Und ich gedenke mir ein Stück von dem riesigen Kuchen abzu­schneiden, den es hier zu verteilen gibt.«

Behans Mundwinkel sackten nach unten. Seine Miene nahm einen ge­ringschätzigen Ausdruck an. »Das will jeder, der nach Tombstone kommt. Doch die meisten erkennen sehr schnell, dass sie sich hier nur eine blutige Nase holen und verduften wieder. Die anderen schwimmen ent­weder mit dem Strom, oder sie fallen mit der Nase in den Dreck.«

»Soll ich das als Warnung oder als Drohung auffassen, Sheriff?«

»Das überlasse ich Ihnen, Dead­lock«, erwiderte Behan trocken.

Er ging an Deadlock vorbei zur Tür. Deadlock folgte ihm. Dann waren sie im Freien. Eine Ansammlung Neugieriger hatte sich gebildet. Behan hob den Kopf des Toten etwas an. Er schaute verbissen. Aber er hüllte sich in Schweigen. Sein Blick strich über die Gaffer hinweg und blieb an einem dunkelgesichtigen, indianerhaften Mister hängen, der auf der anderen Straßenseite im Schatten eines Vor­baudaches verharrte. Vier ver­staubte, verschwitzte und unrasierte Kerle mit tiefgeschnallten Revolvern scharrten sich um ihn.

Auch Deadlock sah die Männer. Socorro!

Behan riss seinen Blick von Socorro los, als ein Mann, der ebenfalls einen Stern trug, aus dem Gebäude trat, in dem das Office untergebracht war. Es war Frank Stilwell, Behans Stellver­treter. Behan sagte kratzend: »Es hat Shatner erwischt, Frank. Jemand muss seine Frau verständigen. Sag außer­dem dem Doc und dem Bestatter Be­scheid.«

Stilwell nickte. »Ich reite zu Patri­cia«, erklärte er. Und leise setzte er hinzu: »Dieser starrköpfige Narr, warum nur hat er nicht verkauft? Er hätte doch wissen müssen, dass das Syndikat seine Drohungen wahr macht.«

Deadlock horchte auf. Behan warf seinem Stellvertreter einen vernichtenden Blick zu. Deadlock begann zu verstehen. Aber da hieb die scharfe Stimme Behans in seine Überlegun­gen: »Ich muss Ihre Angaben protokol­lieren, Deadlock. Folgen Sie mir, da­mit Sie sie bestätigen.«

Deadlock schloss sich dem Sheriff an. Das Wort Syndikat hallte wieder durch seinen Verstand. Seine Jugend oben in Montana kam ihm in den Sinn. Da gab es auch ein Syndikat. Es trug den Namen Anaconda-Gesellschaft. Sein Vater war einer der Bosse gewesen. Dort ging es um Gold, hier um Silber. Aber der Unterschied lag nur in der Farbe des Metalls.

Deadlock mietete sich im Cosmopolitan Hotel ein Zimmer. Er hatte sich Tombstone angesehen. Diese Stadt stand im Banne der Lasterhaf­tigkeit und der Gier nach Reichtum. Am Tag nach seiner Ankunft ritt Dead­lock hinaus in die San Pedro-Hügel. Sie waren unterhöhlt und aufge­wühlt von Silberminen. Die Erzmüh­len stampften und rumorten ununter­brochen. Ochsengespanne mit fluchenden Fuhrleuten rumpelten über die ausgefahrenen Wege. Deadlock sah schmutzige, schwitzende Männer mit Spitzhacken und Schaufeln, er sah aber auch die Kerle mit Geweh­ren in den Fäusten und tiefsitzen­den Colts, die mit Argusaugen alles überwachten.

Deadlock ließ die Minen hinter sich zurück. Er überquerte einen Höhen­zug und schaute in ein weitläufiges Tal. Ein Zaun stach ihm in die Augen. Stacheldraht! An einen in die Erde ge­rammten Pfahl war ein großes Holz­schild genagelt. Etwas war mit schwarzer Farbe darauf gepinselt. Auf diese Entfernung konnte Dead­lock die Buchstaben nicht erkennen. Er tritt den Abhang hinunter und pa­rierte bei dem Schild die Falben.

>Waycross-Ranch< war auf die Ta­fel geschrieben. >Warnung<, stand darunter. >Unbefugten ist das Betre­ten der Weidegründe verboten. Schusswaffengebrauch.<

Deadlock kratzte sich am Kinn. Waycross-Ranch, sinnierte er. Die ge­kreuzten Wellenlinien fielen ihm ein, dazu die Buchstaben B und S. Er stand also an der Grenze von Bill Shatners Land, der Weide des Mannes, den er zusammengeschossen zwischen den Hügeln gefunden hatte.

Deadlock schaute zurück. Über die Kämme und Kuppen sah er die För­dertürme ragen. Zusammenhänge wurden ihm schlagartig klar. Unter Shatners Land gab es gewiss auch rei­che Silbervorkommen. Shatner aber wollte keinen Quadratzoll seines Lan­des an das Syndikat abtreten. Bei dem Syndikat aber konnte es sich nur um die Tombstone-Silberminen-Gesellschaft handeln.

Er erinnerte sich an die Worte des Deputys Frank Stilwell. Aus ihnen konnte er den Rest schließen. Die vier Kerle waren bezahlte Killer des Syndikats. Und Boss dieses skrupellosen Vereins war ein gewisser Jack Powell.

Das hatte Deadlock in den vierundzwanzig Stunden, in denen er sich in Tombstone aufhielt, in Erfahrung gebracht.

Er kehrte um und ritt zurück nach Tombstone. Als er sein Pferd in den hoteleigenen Stall brachte, wurde es dunkel. Überall streute aus den Fen­stern milchiger Lichtschein auf Geh­steige und die Fahrbahn. Die Stadt be­gann sich wieder in den allabendli­chen Hexenkessel zu verwandeln. Es war wie auf dem Jahrmarkt. Ein we­nig unschlüssig beobachtete Dead­lock das hektische Treiben. Er verspürte plötzlich Hunger und setzte sich in Bewegung. Deadlock hatte sei­nen langen Staubmantel im Hotelzim­mer gelassen. Der abgegriffene Kol­ben des 45er Colts stand deutlich vom Körper ab. Deadlocks Handgelenk streifte ihn bei jedem seiner Schritte. Deadlock begab sich in den Alhambra-Saloon. Hier war schon der Teu­fel los. Das Klavier hämmerte. Freizü­gig gekleidete Mädchen schwirrten wie bunte Vögel zwischen den Tischreihen herum und brachten den rauen Kerlen die Drinks. An einigen Tischen wurde gespielt. Man spielte Poker, Black Jack, Monte und Faro. Geld wechselte die Besitzer.

An einem der Tische saßen Socorro und seine Sattelfalken. Deadlock wollte schon wieder umkehren, als ihn Socorro bemerkte. Der Revolver­mann winkte. Widerwillig stiefelte Deadlock zum Tisch der fünf Kerle. Während Socorro blitzend grinste, betrachteten seine vier Kumpane Deadlock ausdruckslos.

»Setz dich zu uns, Deadlock«, empfing ihn Socorro. »Zieh dir einen Stuhl heran.«

Ein graziles, hübsches, aber grell geschminktes Mädchen huschte an Deadlock vorbei. Es lächelte dem Mann zu. Deadlock warf einen Blick in die Runde. Nur an den Spieltischen waren noch vereinzelte Stühle frei. Deadlock holte sich einen und nahm Platz.

»Meine Freunde«, sagte Socorro. »In Bisbee hast du mir keine Gelegen­heit gelassen, sie dir vorzustellen.« Er deutete auf einen der Burschen. »Das ist Cash Terell.« Seine Hand wan­derte weiter. »Larry McBride - Jesse O'Hara - und der hier«, sein Zeige­finger stach auf einen dunkelhäutigen Hombre mit schwarzen Kreolenau­gen zu, »ist Juan Chiapas. Vor Juan musst du dich in acht nehmen, Dead­lock«, ergänzte er grienend. »Er kann uns Americanos nicht besonders gut leiden.«

Deadlock nickte den Kerlen zu. Das hübsche Mädchen kam und fragte Deadlock nach seinen Wünschen. »Bier und etwas zu essen«, gab Dead­lock dem Girl Bescheid.

»Ham und Eggs?«, fragte die Kleine.

»Meinetwegen«, erklärte Dead­lock. Das Mädchen entfernte sich, und Deadlock wandte sich an Socorro. »Schon einen Job gefunden?«

Der Gunslinger legte die Hände flach auf den Tisch. Schlanke, nervige Hände mit langen Fingern, die Ge­schicklichkeit verrieten und an denen gewiss eine Menge Blut klebte. »Ja«, erklärte er. »Es gäbe da sicherlich auch noch einen Platz für dich, Dead­lock.«

Das Mädchen brachte das Bier. Der Blick, den es Deadlock dabei schenkte, brachte dessen Blut zur Wallung. Er war herausfordernd und viel versprechend zugleich, und Dead­lock hatte plötzlich Mühe, sich auf Socorros Worte zu konzentrieren.

Etwas versonnen murmelte er: »Kein Bedarf, Socorro. Ich …« Ab­rupt brach er ab. Seine Augen wurden eng. Seine Züge versteinerten, die Kiefer fingen an zu mahlen.

Den fünf Kerlen am Tisch blieb Deadlocks jähe Veränderung nicht ver­borgen. Sie starrten ihn zuerst ver­dutzt an, dann folgten ihre Blicke dem seinen. Deadlock fixierte einen Burschen Mitte zwanzig, mit breiten Schultern, schmalen Hüften und nackenlangen weißblonden Haaren. Er betrat mit einer Schar hartgesichtiger Kerle den Schankraum. Sie lachten, als hätten sie soeben einen guten Witz vernom­men.

Deadlocks Augen schienen den Weißblonden zu durchbohren. Die Horde drängte zum Tresen und bahnte sich einen Platz. Einige Männer murrten, blieben aber friedlich. Die Kerle schrieen ungeduldig nach Brandy.

Die Starre in Deadlocks Zügen lö­ste sich.

Kein Zweifel! Das war der Hombre, den er am Vortag zusam­men mit drei anderen Kerlen aus den Hügeln reiten sah, eine Viertelstunde, ehe er den toten Rancher Bill Shatner fand.

»Was ist plötzlich los mit dir?«, fragte Socorro flüsternd. »Kennst du den Mister? Hast du vielleicht einen Steckbrief in der Satteltasche?«

Die Köpfe der anderen vier Gun­slinger flogen zu Deadlock herum. Deadlock gab keine Antwort. Seine Gestalt wuchs von dem Stuhl in die Höhe. Er zog den Revolvergurt hoch und richtete das Holster. Dann be­wegte er sich; groß, hager und ge­schmeidig wie ein Wüstenwolf.

Socorro und seine Männer hielten den Atem an. Ihre verständnislosen Blicke folgten Deadlock. Der suchte sich einen Weg durch die Tischreihen und ließ den Blonden nicht aus den Augen. Deadlock trat hinter ihn und tippte ihm auf die Schulter. Der Blonde drehte den Kopf, grinste, weil er mit einem Bekannten rechnete. Als er aber einen Fremden vor sich sah, erlosch sein Grinsen. Er schaute verblüfft in die harten Augen Deadlocks, einige Sekunden verstrichen, schließlich wandte er sich vollends um. Seine Freunde wur­den aufmerksam. Langsam nahmen sie Front zu Deadlock ein. Der eine oder andere von ihnen hielt lässig sein Schnapsglas in der Hand.

Die Fingerkuppen des Blonden be­rührten die Revolverknäufe. Von Deadlock ging eine kühle, unnahbare aber auch zwingende Strömung aus. Sie erreichte den blonden Hombre und verunsicherte ihn. Ein ungutes Gefühl kroch in ihm hoch. Seine Lip­pen klafften auseinander.

»Was ist los?«

»Ich habe dich schon einmal gese­hen, Amigo«, gab Deadlock gedehnt zu verstehen. »Kurz nachdem einige Colts einen höllischen Choral hinaus­brüllten - und kurz bevor ich einen Mann fand, der von Kugeln zersiebt worden war.«

Der Blick des Blonden wurde ste­chend. Er spürte plötzlich den Puls­schlag einer tödlichen Gefahr. In sei­nen Mundwinkeln zuckte es. Er schluckte, überwand seine Unsicher­heit und sagte mit klirrendem Tonfall: »Du sprichst in Rätseln, Amigo. Drück dich klarer aus.« Zuletzt war seine Stimme nicht lauter, aber kälter und schneidender geworden, und eine tödliche Drohung hatte in ihr mitgeschwungen.

Deadlock lächelte kantig und sah dem anderen fest in die Augen, in de­nen es jäh aufflackerte und in die ein böses Glitzern trat. Unbeeindruckt antwortete er: »Ich nehme an, es war auch eine Kugel aus deinem Eisen dabei, die dem armen Burschen den Lebensfaden durchschnitt.«

Rings um sie wurde es leiser. Sie er­regten Aufmerksamkeit. Die Kerle um den Blonden belauerten Deadlock wie sprungbereite Katzen. Ihre ge­spreizten Finger hingen neben den Revolvern. Der Blonde saugte ras­selnd die Luft in seine Lungen. Aus dem Mund eines seiner Freunde brach es:

»Wovon redet der Bursche, Brad?«

Brad lachte auf. Es war ein giftiger Laut. Ein böses Grinsen blieb in sei­nem Gesicht hängen. »Von welchem Mann sprichst du?«, röhrte er und seine Gestalt reckte sich. Seine Si­cherheit kehrte zurück. Sie waren ein Rudel eisenharter Coltschwinger, der andere aber war allein. So sah es zumindest aus. Brad war sich seiner Überlegenheit plötzlich ausgespro­chen sicher. Seine linke Braue zuckte in die Höhe. Arroganz und Erhaben­heit kennzeichneten seine Miene.

Details

Seiten
Erscheinungsjahr
2023
ISBN (ePUB)
9783738969535
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2023 (Januar)
Schlagworte
hölle tombstone pete hackett western edition

Autor

  • Pete Hackett (Autor:in)

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Titel: Die Hölle von Tombstone: Pete Hackett Western Edition 103