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Trevellian und der verrückte Rächer: Kriminalroman

von Pete Hackett (Autor:in)
©2022 260 Seiten

Zusammenfassung

Krimi von Pete Hackett

Jason Dexter ist aus der Nervenheilanstalt geflohen und versucht Rache an den Agentinnen des FBI zu nehmen. Die FBI-Agenten Trevellian und Tucker können ihre entführte Kollegin zwar befreien, aber Dexter entkommt ihnen. In dieser Situation werden sie mit der Aufklärung einiger Morde beauftragt, zu denen sich die Organisation Punishing Three-Agreement bekennt. Es dauert nicht lange, bis die beiden Agenten herausfinden, wen die Strafende Dreieinigkeit bestraft.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Trevellian und der verrückte Rächer: Kriminalroman

Krimi von Pete Hackett




Jason Dexter ist aus der Nervenheilanstalt geflohen und versucht Rache an den Agentinnen des FBI zu nehmen. Die FBI-Agenten Trevellian und Tucker können ihre entführte Kollegin zwar befreien, aber Dexter entkommt ihnen. In dieser Situation werden sie mit der Aufklärung einiger Morde beauftragt, zu denen sich die Organisation Punishing Three-Agreement bekennt. Es dauert nicht lange, bis die beiden Agenten herausfinden, wen die Strafende Dreieinigkeit bestraft.



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Alfred Bekker

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Kapitel 1

Es war nach 22 Uhr, als Sarah Anderson vor der Tür des Gebäudes, in dem sie wohnte, ihren Wagen parkte. Es war wieder einmal ein langer Tag gewesen und die Agentin war müde. Sie stellte den Motor ab, stieg aus und verschloss die Wagentüren per Fernbedienung. Dann wandte sie sich der Haustür zu.

Plötzlich kam aus der Einfahrt ein Mann. Er erregte für einen Moment Sarahs Aufmerksamkeit, denn er kam direkt auf sie zu. Als hinter Sarah Schritte zu hören waren, drehte sie den Kopf. Auch von hinten näherte sich ihr eine Gestalt. Jetzt begannen in der Agentin die Alarmglocken zu läuten. Sie verspürte jähe Anspannung. Der Bursche, der von vorne kam, hielt zwei Schritte vor Sarah an. Ihr entging nicht die Pistole, die in seiner Hand lag und die auf sie wies. Einen Moment dachte die Agentin daran, dass sie Opfer eines Raubüberfalls werden sollte. Ihre Rechte tastete sich zur SIG, die sie an der rechten Hüfte trug.

Eine dunkle Stimme sagte: »Versuche es besser nicht, Lady. Auf dich sind zwei Waffen gerichtet. Wenn Sie losgehen, bist du tot, ehe du am Boden aufschlägst.«

Sarahs Hand sank nach unten. »Was wollt ihr?«

»Erkennst du mich nicht?«

Die Schritte hinter Sarah waren verklungen. Der Kerl drückte ihr die Mündung einer Pistole gegen die Wirbelsäule.

Der Agentin fiel es wie Schuppen von den Augen. »Dexter«, murmelte sie. »Hat das Gericht nicht ihre Einweisung in die Nervenheilanstalt verfügt.«

Jason Dexter lachte leise auf. »Dort hat es mir ganz und gar nicht gefallen. Darum habe ich mich verabschiedet.«

»Was wollen Sie?«

»Dich, Lady. Du bist mir was schuldig.«

»Sie sind krank, Dexter. Rechnen Sie sich denn eine Chance aus?«

Dexter kicherte. »Heute hole ich dich. Morgen ist deine Partnerin dran. Auch sie ist mir was schuldig. Ich habe euch beide zum Tod verurteilt. Ja, ihr werdet dem Tod ins Auge sehen. Und ich werde dabei stehen und zuschauen, wie ihr langsam vor die Hunde geht.« Zuletzt war die Stimme vom Hass verzerrt.

»Sie sind wirklich verrückt, Dexter.«

»Ja, verrückt vor Hass!«

»Gehen wir«, sagte der Mann, der hinter Sarah stand. Der Druck in ihrem Rücken verstärkte sich etwas. Einen Moment dachte die Agentin daran, herumzuwirbeln und die Hand mit der Waffe zur Seite zu schlagen. Sie verwarf diesen Gedanken, denn vor ihr stand Dexter mit der Pistole in der Hand und einer tödlichen Entschlossenheit im Herzen. Sarah wusste, wann sie verloren hatte.

»Einen Moment«, sagte Dexter, trat vor sie hin und zog ihre SIG aus dem Holster. Die Waffe schob er in seinen Hosenbund. »Jetzt können wir gehen.«

Sie dirigierten Sarah zu einem Chevy, sie musste sich auf den Rücksitz setzen, Dexter nahm neben ihr Platz und bedrohte sie mit der Pistole. Der andere der beiden Gangster klemmte sich hinter das Steuer.


*


Mein Telefon klingelte. Ich schnappte mir den Hörer, hob ihn an mein Ohr und meldete mich. Die wohlvertraute Stimme des Assistant Directors erklang: »Guten Morgen, Jesse. Kommen Sie und Milo doch bitte gleich zu mir.«

»Wir sind schon auf dem Weg, Sir.«

Zwei Minuten später betraten wir Mr. McKees Büro. Der Chef saß an seinem Schreibtisch. Jetzt erhob er sich, kam um das Möbel herum und begrüßte uns per Handschlag, dann forderte er uns auf, an dem kleinen Konferenztisch Platz zu nehmen. Sein Gesicht war ausgesprochen ernst. Er setzte sich zu uns und sagte: »Agent Anderson ist nicht zum Dienst erschienen. Es liegt auch keine Entschuldigung vor. Wir haben versucht, sie telefonisch zu erreichen. Sie nimmt nicht ab.«

»Das ist ungewöhnlich«, sagte ich.

»Ist es in der Tat, vor allen Dingen, nachdem vor drei Tagen Jason Dexter aus der Nervenheilanstalt geflohen ist.«

»Den haben doch Sarah und Josy hinter Schloss und Riegel gebracht«, kam es von Milo.

»Sehr richtig«, bestätigte der Chef. »Daher mache ich mir große Sorgen wegen Sarah.«

»Nicht nur wegen Sarah«, erklärte ich. »Wahrscheinlich ist auch Josy gefährdet.«

Der Assistant Director nickte. »Davon gehe ich aus.«

»Bringen wir die Fahndung nach Dexter auf die Reihe«, schlug ich vor. »Und beobachten wir Josy. Wir dürfen sie nicht mehr aus den Augen lassen.«

»Das wollte ich vorschlagen«, sagte der Chef.

Da klopfte es gegen die Tür, im nächsten Moment wurde sie geöffnet und Josy O'Leary zeigte sich.

»Ah, Josy«, sagte der Chef. »Kommen Sie herein.«

Die Agentin betrat das Büro und setzte sich zu uns. »Ich war bei Sarahs Wohnung«, gab sie zu verstehen. »Ihr Wagen steht vor der Haustür. Ich bin nun davon überzeugt, dass Jason Dexter die Hand im Spiel hat.«

»Wir gehen davon aus, dass er sich als nächstes an Sie heranmacht, Josy«, erklärte der AD.

»Du bist gewissermaßen unser Köder, Josy«, fügte ich hinzu.

»Das gefällt mir keineswegs«, murmelte Mr. McKee, »aber eine andere Chance, an Dexter heranzukommen, sehe ich leider nicht.«

»Ich bin dabei, Sir«, erklärte Josy. »Hoffen wir nur, dass er Sarah nicht sofort umgebracht hat. Er ist verrückt. Das Gericht befand, dass er für seine Taten nicht verantwortlich gemacht werden kann. Dexter ist unberechenbar.«

»Ich bin nicht minder in Sorge«, versicherte der AD. »Wir können nur hoffen und versuchen, Dexter so schnell wie möglich wieder einzufangen.«

Damit waren wir entlassen.

Zurück in unserem Büro holte ich die Akte von Jason Dexter auf den Bildschirm. Er war sechsunddreißig Jahre alt und hatte drei Prostituierte ermordet. Einer geregelten Arbeit war er nie nachgegangen. Da stand auch, dass er einer Bande angehörte, die man verdächtigte, einige Überfälle auf Supermärkte und Tankstellen verübt zu haben. Ein entsprechender Beweis war jedoch nicht zu führen gewesen.

Zwei Gutachter hatten völlig unabhängig voneinander festgestellt, dass Dexter aufgrund seelischer Abartigkeit unfähig war, das Unrecht seiner Taten einzusehen. Er war also schuldunfähig und das Gericht hatte nur die Möglichkeit, ihn in die Psychiatrie einzuweisen.

Dexters Mutter und sein Stiefvater wohnten in Queens, Kingsbury Avenue. Der Name des Vaters war Elliott Meacham, die Mutter hieß Kath. Es war um die Mittagszeit, als wir an der Wohnungstür der Eheleute läuteten. Eine Frau von etwa sechzig Jahren mit grauen Haaren öffnete uns. Fragend schaute sie uns an.

Ich übernahm es, uns vorzustellen, indem ich ihr meine ID-Card zeigte und sagte: »Wir sind die Agents Tucker und Trevellian vom FBI New York und haben einige Fragen an Sie und Ihren Mann.«

Das Gesicht der Frau schien zu versteinern. »Sie kommen wegen Jason, nicht wahr?«

»Ja. Dürfen wir eintreten?«

»Kommen Sie herein.« Mrs. Meacham gab die Tür frei. »Mein Mann ist leider nicht zu Hause. Er ist mit dem Hund unterwegs.« Im Wohnzimmer bot sie uns Sitzplätze an und wir ließen uns nieder. Auch die Frau setzte sich. »Man hat uns informiert, dass Jason aus der Nervenheilanstalt ausgebrochen ist.«

»Hat er sich bei Ihnen gemeldet?«, fragte ich und beobachtete die Frau.

Sie schüttelte den Kopf. »Nein.«

Mrs. Meacham hielt meinem Blick stand. Ich sagte: »Wir müssen annehmen, dass Ihr Sohn eine der Agentinnen entführt hat, die ihn festgenommen haben.«

Die Augen der Frau wiesen einen erschrockenen Ausdruck auf. Ein abgerissener Laut brach aus ihrer Kehle. Aber sie schwieg.

Ich holte eine von meinen Visitenkarten aus der Brieftasche und gab sie ihr. »Sollte sich Ihr Sohn melden, setzen Sie uns bitte in Kenntnis. Sie wissen selbst, was Ihrem Sohn vorgeworfen wird. Helfen Sie uns zu verhindern, dass weitere Frauen sterben müssen.«

»Ich – ich werde Sie auf jeden Fall in Kenntnis setzen, falls er sich bei uns meldet.«

An der Wohnungstür waren Geräusche zu hören. Augenblicke später schwang sie auf, zuerst lief ein kleiner, schwarzer Hund schwanzwedelnd ins Wohnzimmer, dann betrat Elliott Meacham den Raum. Überrascht musterte er uns. Seine Frau stellte uns vor. Der Mann presste die Lippen zusammen, sodass sie nur noch einen dünnen, blutleeren Strich bildeten. In seinem Gesicht arbeitete es. »Wir können Ihnen nichts sagen«, murmelte er. »Jason hat sich bei uns nicht gemeldet.«

»Er gehörte zu einer Gang«, sagte ich.

»Ein Haufen Tagediebe«, sagte Elliott Meacham verächtlich.

»Nennen Sie uns Namen«, forderte ich. »Wer gehörte zu den Freunden Ihres Sohnes?«

»Mir ist nur ein Name geläufig. Earl Henderson. Er und Jason sollen so etwas wie die Köpfe der Bande gewesen sein.«

»Haben Sie eine Ahnung, wo Henderson wohnt?«

»Nein.«

»Wir haben Ihre Frau gebeten, uns in Kenntnis zu setzen, falls sich Ihr Sohn meldet.«

»Das werden wir ganz sicher«, antwortete der Mann. »Jason ist ein wildes Tier, das hinter Gitter gehört. Es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis ihn sein unseliger Trieb wieder überkommt. Das muss verhindert werden. Und wenn es in meiner Macht steht, werde ich helfen, ihn wieder auf Nummer sicher zu bringen.«

Wir verabschiedeten uns und fuhren nach Manhattan zurück.

Um 17 Uhr machte Josy O'Leary Feierabend. Sie fuhr zu ihrer Wohnung. Wir folgten ihr. Es gab keinen Zwischenfall. Dennoch erwarteten wir, dass Dexter zuschlug, und so observierten wir das Gebäude, in dem Josy wohnte.

Es ging auf 18 Uhr zu, als mein Handy klingelte. Es war Josy, die sagte: »Dexter hat mich eben angerufen. Ich soll um 20 Uhr zum Eingang des Tompkins Square Parks kommen. Wenn ich mich nicht einfinde, wird dies Sarah zu büßen haben, drohte er.«

»Wir werden dort sein«, sagte ich.

»Sicher«, murmelte Josy. »Schnappen wir uns den Kerl.«


*


Der Ford stand am Rand des Parkplatzes des Riverside Parks. Das Pärchen hatte es sich auf dem Rücksitz bequem gemacht. Die beiden lagen sich in den Armen, küssten sich leidenschaftlich, die Hand des Mannes suchte sich einen Weg zwischen die Oberschenkel der Frau.

»Ich liebe dich«, keuchte er und küsste die Frau stürmisch. Sie erwiderte seine Küsse. Ihre Hände nestelten an seinem Gürtel herum. Sie waren beide erregt. Es gelang der Frau, den Gürtel zu öffnen. Sie knöpfte die Hose auf und griff hinein. Der Mann stöhnte wollüstig. Seine Hand hatte den Weg in ihr Höschen gefunden.

»Besorg es mir«, keuchte die Frau. »Ich will dich in mir spüren. Mach schon. Ich – ich …«

Er verschloss ihr den Mund mit einem Kuss. Plötzlich gab es einen peitschenden Knall. Der Mann bäumte sich auf, im nächsten Moment brach er haltlos über der Frau zusammen. Die Tür des Autos wurde geöffnet. Eine klirrende Stimme sagte: »Das Schwein hat den Tod verdient.« Ein zweiter Schuss krachte. Der Mörder jagte noch eine Kugel in den schlaffen Körper hinein.

Heather Malone konnte keinen klaren Gedanken fassen. Schwer lag der Tote auf ihr. Sie war wie betäubt …


*


Milo und ich bezogen um 19 Uhr beim Eingang des Tompkins Square Parks Stellung. Dichtes Strauchwerk schützte uns. Die Zeit verrann nur träge. Der Lärm der Stadt sickerte an mein Gehör. Es war finster. New York erstrahlte in seinem Lichterglanz.

Um 19.55 Uhr fuhr Josy O'Leary vor. Die Agentin stieg aus. Eine Autotür schlug. Die Sekunden reihten sich aneinander, wurden zur Minute, dann war es 8 Uhr. Ein Chevy fuhr heran, wurde abgebremst, der Motor erstarb, zwei Männer stiegen aus. Sie näherten sich Josy. Ich trat hinter dem Busch hervor, der mich deckte. »Stopp! Keinen Schritt weiter. Nehmen Sie die Hände in die Höhe!«

Einer der Kerle warf sich ansatzlos herum und ergriff die Flucht. Er rannte zur Avenue C. Der andere griff nach der Pistole. Ich schoss ihn nieder und nahm sofort die Verfolgung auf. »Bleiben Sie stehen!«

Der Gangster dachte nicht daran. Seine Beine wirbelten. Einmal drehte er den Kopf. Dann schoss er im vollen Lauf hinter sich, aber die Kugel verfehlte mich. Plötzlich verschwand er in einer Tür. Ein Schild darüber zeigte an, dass es sich um einen Irish Pup handelte.

Mir war die Absicht des Kerls klar. Ich folgte ihm in das Lokal. Er stand an der Theke und bedrohte die Gäste an den Tischen mit seiner Pistole. Da ich ein Bild von Dexter gesehen hatte, wusste ich, dass er es war. Ich blieb in der Tür stehen und senkte die Hand mit der SIG. Jetzt richtete Dexter die Waffe auf die Bedienung. »Komm her!«

Mir entging nicht das Irrlichtern in den Augen des Burschen. Es war deutlich, dass er nur mühsam seine Panik bezwang. »Komm mir nicht zu nahe, Bulle!«, warnte er. »Selbst mit einer Kugel im Kopf werde ich noch zum Schuss kommen.«

»Geben Sie auf, Dexter!«, forderte ich. »Das Spiel ist aus.«

»Denkst du, Bulle.« Dexter lachte fast belustigt auf. »Man hat dir sicher gesagt, dass ich Sarah Anderson habe. Und wenn ich bis zu einem gewissen Zeitpunkt nicht zurückkehre, wird sie sterben. – Los, komm her du kleine Schlampe!«

Mit dem Daumen spannte Dexter den Hahn der Pistole.

Ich ließ meinen Blick über die wenigen Gäste schweifen. Sie wagten sich kaum zu atmen. In den Augen las ich das blanke Entsetzen. Die Angst hielt die Menschen im Klammergriff.

Die Bedienung setzte sich in Bewegung. Sie ging wie von Schnüren gezogen. Als sie in die Reichweite des Gangsters gelangte, packte er sie mit der Linken, zerrte sie an sich heran und benutzte sie gegen mich wie ein lebendes Schutzschild. Jetzt richtete er die Pistole auf mich. »Was sagst du nun, Bulle?«, höhnte er.

»Sie haben keine Chance«, erwiderte ich ruhig.

»Du holst jetzt meinen Wagen. Solltest du dich mit krummen Gedanken tragen, jage ich der Kleinen hier eine Kugel in den Kopf. Rühr dich bloß nicht, du kleine Schlampe.« Dexter griff mit der linken Hand in die Jackentasche und warf mir einen Schlüsselbund zu. »Ich warte genau fünf Minuten, Bulle. Wenn du dann nicht zurück bist, fallen hier ein paar Leute tot von den Stühlen.«

»Ich tue, was Sie verlangen«, sagte ich, dann machte ich kehrt und machte mich auf den Weg. Ich bewegte mich im Laufschritt. Dem Gangster traute ich es zu, dass er wahllos Geiseln erschoss. Er hatte nichts zu verlieren.

Ich erreichte den Eingang zum Park. Milo und Josy erwarteten mich. »Du hast den Burschen verwundet«, sagte Milo. »Ich habe den Emergency Service verständigt. Dexter ist dir entkommen, wie?«

Ich klärte die beiden Kollegen mit knappen Worten auf. Dann setzte ich mich in den Chevy und startete den Motor. Neben Milo und Josy hielt ich noch einmal an, kurbelte das Seitenfenster nach unten und sagte: »Schreib dir die Zulassungsnummer auf, Milo. Und dann gib den Wagen in die Fahndung.« Ich reichte Milo meine Pistole. »Bewahr sie gut auf.«

»Was hast du vor?«

»Ich will mich Dexter als Geisel zur Verfügung stellen und hoffe, dass der Kerl mitmacht.«

Ich fuhr zu dem Pup und ging hinein. Mir bot sich fast dasselbe Bild, wie ich es in Erinnerung hatte. Dexter stand beim Tresen, hielt die Bedienung vor sich fest und drückte ihr die Mündung der Pistole unter das Kinn. Ich blieb im Türrahmen stehen. »Der Wagen steht vor der Tür.«

»Vorwärts, Lady«, stieß der Gangster hervor und setzte sich in Bewegung. Langsam kamen die beiden auf mich zu.

»Warten Sie«, sagte ich.

Dexter hielt an. »Was willst du, Bulle?«

»Ich stelle mich Ihnen als Geisel zur Verfügung. Lassen Sie die junge Frau los. Ich bin waffenlos.«

Im Gesicht des Gangsters arbeitete es. Plötzlich versetzte er der Bedienung einen Stoß, der sie zur Seite taumeln ließ. Blitzschnell richtete er die Pistole auf mich. »Gute Idee. Dreh dich um und geh vor mir her. Solltest du eine falsche Bewegung machen, oder wenn deine Kollegen draußen warten, bekommst du eine Kugel zwischen die Schulterblätter.«

Ich machte kehrt und ging vor Dexter her. Der Gedanke, dass ein irrer Mörder auf meinen Rücken zielte, war nicht gerade erhebend. Ich verspürte ein Kribbeln. Seine Stimme erklang: »Du setzt dich ans Steuer. Ich werde hinter dir Platz nehmen.«

Da klingelte mein Telefon. »Darf ich?«

»Von mir aus.«

Ich holte das Handy aus der Tasche und ging auf Empfang. Es war Milo, der sagte: »Der Kerl hat uns gesagt, wo Sarah festgehalten wird. Es ist ein Haus am Rand von Pearl River. Ich habe das dortige Revier mobilisiert.«

»Gut, Milo. Dexter ist auf den Handel eingegangen. Ich werde ihn fahren. Alles weitere müssen wir auf uns zukommen lassen.«

»Hals- und Beinbruch, Partner.«

Ich steckte das Handy in die Tasche.

»Weiter!«, gebot Dexter.

Wir erreichten den Chevy, ich setzte mich ans Steuer, Dexter nahm auf dem Rücksitz Platz. »Durch die Rückenlehne geht eine Kugel wie durch Butter«, drohte er. »Also versuch es nicht mit krummen Touren. – Mit wem hast du eben telefoniert?«

»Mit meinem Kollegen.«

»Was wollte er?«

»Er wollte wissen, ob Sie auf das Angebot eingegangen sind, mich als Geisel zu nehmen.«

»Fahr los. Nach Norden. Sieh zu, dass du auf den Broadway kommst. He, du bist doch nicht etwa mit einem Funkpeilsender ausgerüstet.«

»Keine Sorge. Weder mit einem Funkpeil-, noch mit einem Minisender.«

»Wenn ich merke, dass wir verfolgt werden, stirbst du.«

Ich fuhr bis zur 14th Street und bog dann nach Westen ab. Beim Union Square fuhren wir auf den Broadway, auf dem wir uns nach Norden wandten.

Dexter telefonierte.


*


Zuerst kam ein Streifenwagen. Milo bat die beiden Cops, bei dem Verwundeten zu bleiben, bis die Ambulanz eintraf. Dann fuhren er und Josy mit Rotlicht und heulender Sirene nach Norden. Ihr Ziel war Pearl River. Sie waren etwa eine halbe Stunde unterwegs und befanden sich noch in Manhattan, als Milos Telefon klingelte. Es war Jesse Trevellian. Er sagte: »Dexter hat mich bei der Columbus University aussteigen lassen und die Flucht ohne mich fortgesetzt. Sicher ist er auf dem Weg nach Pearl River.«

»Dorthin sind wir auch unterwegs«, sagte Milo. »Wir befinden uns auf der Amsterdam Avenue, Höhe 86th Street. Wir holen dich ab.«

»Gut, ich warte.«


*


Zwanzig Minuten später stieg ich zu. Milo gab mir meine Dienstwaffe. »Hat Dexter eine Ahnung, dass wir Bescheid wissen?«

»Nicht die geringste.«

Wir verließen Manhattan, kamen durch Yonkers, folgten dem Interstate Highway 87 bis Tarrytown und überquerten dort den Hudson.

Es war kurz vor 22 Uhr, als wir Pearl River erreichten. Da wir die genaue Anschrift des Hauses hatten, programmierte Milo den Navigator entsprechend. Es ging kreuz und quer durch die Stadt, dann sahen wir ein Streifenfahrzeug am Straßenrand stehen. Wir hielten dahinter an, ich stieg aus und trat neben das Patrol Car. Der Cop ließ das Seitenfenster herunter. »Ich bin Special Agent Trevellian vom FBI. Hat sich irgendetwas getan?«

»Nein. In dem Haus brennt Licht. Mit wie vielen Leuten wir es zu tun haben, wissen wir nicht.«

»Stehen Sie mit den anderen Einsatzkräften in Verbindung?«

»Natürlich.«

»Geben Sie durch, dass wir eingetroffen sind. Wir warten noch, denn wir nehmen an, dass innerhalb der nächsten Viertelstunde Dexter auftaucht. Daran, dass wir diesen Burschen wieder einfangen, ist uns sehr viel gelegen.«

»Gib es durch, Casey«, sagte der Cop, mit dem ich gesprochen hatte. Sein Beifahrer griff nach dem Mikro des Funkgerätes.

Die Viertelstunde verrann, ohne dass Dexter auftauchte. Wir warteten noch eine weitere Viertelstunde ab. Dann entschloss ich mich, zuzugreifen. Josy und drei Polizisten begaben sich zur Hintertür des Gebäudes. Fünf weitere Leute umstellten das Haus, um zu verhindern, dass jemand aus dem Fenster sprang und in der Dunkelheit verschwand. Milo und ich gingen zur Haustür. Ich fackelte nicht lange, sondern warf mich mit der Schulter gegen das Türblatt. Es hielt meinem Anprall nicht stand und flog krachend auf. Ich sprang ins Haus. Meine Hand mit der SIG beschrieb einen Halbkreis. Aus einem Sessel fuhr ein Mann in die Höhe. Er griff hinter seinen Rücken. »Hände hoch!«, peitschte meine Stimme. Bei dem Gangster holte der Verstand den Impuls nicht mehr ein. Seine Hand kam mit einer Pistole zum Vorschein. Neben mir brüllte Milos SIG auf. Der Bursche brach zusammen und begrub seine Waffe unter sich.

Ich rannte zur Treppe, die nach oben führte. Oben erschien ein Mann. Er schlug die Pistole auf mich an. Die SIG in meiner Faust bäumte sich auf. Der Bursche krümmte sich nach vorn, seine Augen weiteten sich, ein Gurgeln brach aus seiner Kehle, dann stürzte er kopfüber die Treppe hinunter. Sekundenlang war nur das Poltern zu vernehmen.

Ich stürmte die Treppe hinauf, sprang über den Gangster hinweg, sicherte oben in den Flur. Aber da war niemand mehr. Drei Türen zweigten ab. Ich stieß die erste auf. Die gebotene Vorsicht nicht außer Acht lassend betrat ich den Raum. Er war leer. Ich öffnete die nächste Tür. Unartikulierte Laute waren zu vernehmen. Ich machte Licht. Auf einem Bett lag Sarah. Sie war an Händen und Füßen gefesselt und geknebelt. Ich bedeutete ihr mit einem Handzeichen, dass ich gleich zurückkommen würde.

Ich schaute in dem dritten Zimmer nach. Es war verwaist. Dann kehrte ich in den Raum zurück, in dem Sarah lag, befreite sie von dem Knebel und von ihren Fesseln und sie erhob sich. »Dem Himmel sei dank. Ist es euch gelungen, Dexter zu schnappen?«

»Nein. Wir nahmen an, dass er hier auftaucht. Aber diesen Gefallen hat er uns nicht erwiesen.«

»Vor ihm haben Josy und ich erst Ruhe, wenn er wieder in der Nervenheilanstalt hinter Schloss und Riegel ist.«

»Das befürchte ich auch.«

Wir gingen hinunter. Milo empfing uns mit den Worten: »Einer der Kerle ist tot, der andere verwundet. Ich hab das Police Departement verständigt. Man schickt ein Team und einen Rettungswagen.« Der Kollege richtete den Blick auf Sarah. »Du scheinst unversehrt zu sein. Dem Himmel sei dank.«

Josy kam heran und nahm Sarah in die Arme.

Ich sagte zu einem der Polizisten. »Es ist nicht auszuschließen, dass Dexter noch aufkreuzt. Es wäre gut, wenn das Gebäude unter Beobachtung gestellt werden würde.«

»Ich werde das veranlassen, Special Agent.«

»Morgen früh werden die Observation zwei Agents aus dem Field Office übernehmen.«

»In Ordnung. Ich sage in der Einsatzzentrale Bescheid.«

Wir überließen den Polizisten das Feld und machten uns auf den Weg nach Manhattan. Es ging ein Stück nach Norden, dann fuhren wir auf den Highway 287, überquerten den Hudson und wandten uns auf dem Highway 87 nach Süden. Josy saß am Steuer. Ich hatte es mir auf dem Beifahrersitz bequem gemacht, Sarah und Milo befanden sich im Fond des Wagens. Sarah berichtete über ihre Entführung.

Plötzlich wurden wir von einem Wagen überholt. Er zog direkt vor uns wieder auf den rechten Fahrstreifen und wurde abgebremst. Ein zweites Fahrzeug schob sich rechts neben uns, so dass Josy nicht ausscheren und überholen konnte. Sie war gezwungen zu bremsen.

»Das sind Dexter und seine Leute!«, stieß ich hervor. »Der Schuft hat uns die ganze Zeit über beobachtet und seine Bande mobilisiert.«

Wir standen. Die Fahrzeuge vor und neben uns hatten ebenfalls angehalten. Insgesamt sechs Männer sprangen aus den Autos. »Nichts wie raus!«, rief ich, schnappte die SIG aus dem Holster und riss die Tür auf. Auf meiner Seite sprang auch Milo aus dem Wagen. Die Gangster gingen hinter ihren Fahrzeugen in Deckung. Schüsse dröhnten. Mündungsfeuer glühten auf. Mit metallischem Schlag stanzten die Geschosse Löcher in die Karosserie unseres Wagens.

»Hier können wir uns nicht halten«, rief ich und rannte geduckt vorne um unser Auto herum. Auf der anderen Seite kauerten die beiden Agentinnen. »In den Wald!«, zischte ich. Milo kam von hinten um das Fahrzeug herum. Geduckt rannten wir los. Wir mussten durch einen Graben, eine kleine Böschung hinauf, und dann liefen wir zwischen die Bäume.

Eine Maschinenpistole begann zu hämmern. Kleine Flammen tanzten vor der Mündung. Der Schütze musste die Waffe glücklicherweise erst aus dem Auto geholt haben, nachdem uns die Flucht in den Wald gelungen war. Er bestrich mit seinen Kugeln die Front des Waldes.

Ich stand hinter einem Baum in Deckung. Es war stockfinster. Die Kronen der Bäume ließen kein Licht durch. Stimmen sickerten heran. Die Waffen schwiegen jetzt. Plötzlich fuhren die beiden Gangsterfahrzeuge davon.

Ich trat hinter dem Baum hervor und verließ den Wald. Von den beiden Autos waren nur noch in der Ferne die Rücklichter zu sehen.

»Das war knapp«, erklang es hinter mir. Es war Milo, der im nächsten Moment neben mich trat.

»Das kann man wohl sagen.«

»Seid ihr in Ordnung?«, hörte ich Josys Stimme.

»Ja«, erwiderte ich. »Ich denke, wir benutzen einen Umweg, um nach Manhattan zu gelangen.«

»Ja, das wäre ratsam«, murmelte Milo.


*


Vor Mr. McKee lag ein Blatt Papier auf dem Schreibtisch. Clive Caravaggio und Blackfeather saßen am Besprechungstisch. Der Assistant Director ergriff das Wort: »Dieser Brief ist bei New York One eingegangen. Zu dem Mord an Jack Hanson bekennt sich eine Organisation, die sich Punishing Three-Agreement nennt. Vier Tote in Washington gehen bisher auf das Konto dieser Organisation, drei in Boston, und nun haben wir den zweiten Mord in New York.«

»Die Strafende Dreieinigkeit«, murmelte Blackfeather. »Welche Interessen verfolgt diese Gruppierung? Warum ermordet sie wahllos Männer oder Frauen.«

»Hier steht, dass Hanson ein elender Ehebrecher war. Ehebruch warf man auch den anderen Getöteten vor. Die Organisation hat es sich zur Aufgabe gemacht, Ehebrecher zu bestrafen.«

»Wahrscheinlich haben sich einige Betrogene zusammengeschlossen«, meinte Clive.

»Das kann sein«, pflichtete der AD bei. »Wir wissen es nicht. Finden Sie es heraus. Legen sie dieser Gruppe das blutige Handwerk.«

Clive und Blacky erhoben sich. Mr. McKee nahm einen Schnellhefter von seinem Schreibtisch und reichte ihn Clive. »Das sind die Protokolle zu den bisherigen Mordfällen. Gutachten, Zeugenvernehmungen, Analysen. Hier ist auch das Bekennerschreiben. Ich wünsche Ihnen etwas, Gentlemen.«

Clive und Blacky fuhren in die 95th Street, wo Belinda Hanson wohnte. Die Frau öffnete ihnen. Sie war blass und unter ihren Augen lagen dunkle Ringe. Die Agents wussten, dass sie fünfunddreißig war, sie sah allerdings aus wie vierzig.

»Sie kommen wegen der Ermordung meines Mannes, nicht wahr?«, fragte sie, nachdem Clive sich und Blacky vorgestellt und sich ausgewiesen hatte.

»Sehr richtig«, sagte Clive. »Dürfen wir eintreten?«

»Bitte.« Im Wohnzimmer forderte die Frau die beiden Agents auf, Platz zu nehmen. Belinda Hanson sagte mit brüchiger Stimme: »Sie brauchen keine Rücksicht zu nehmen. Ich weiß, unter welchen Umständen mein Mann starb.«

»Für seinen Tod hat sich eine Organisation verantwortlich erklärt, die sich den Namen Punishing Three-Agreement gegeben hat.«

Clive beobachtete die Frau, um ihre Reaktion bei Nennung des Namens zu testen.

In Belinda Hansons Gesicht zuckte kein Muskel. »Das sagt mir nichts.«

»Wussten Sie, dass Ihr Mann fremdgeht?«

»Ich ahnte es seit längerer Zeit. Er hat es immer bestritten. Wer – wer ist die Frau, mit der er es im Auto trieb?«

»Ihr Name ist Heather Malone.«

»Ob sie wusste, dass Jack verheiratet war?«

»Wir haben noch nicht mit ihr gesprochen«, erwiderte Clive. »Haben Sie mit jemandem darüber geredet, dass Sie vermuten, dass Ihr Mann Sie betrügt?«

»Mit Margie Fletcher. Das ist meine beste Freundin. Margie wohnt im Haus nebenan, in der vierten Etage.«

»Arbeitet Ihre Freundin?«

»Nein. Sie hat zwei kleine Kinder und ist Hausfrau.«

»Dann ist es also wahrscheinlich, dass wir sie zu Hause antreffen.«

»Ich kann Margie anrufen.«

»Nicht nötig.«

Die beiden Agents verabschiedeten sich. Wenige Minuten später klingelten sie an Margie Fletchers Tür. Es dauerte nicht lange, dann wurde die Tür einen Spaltbreit aufgezogen. Ein Teil eines Frauengesichts wurde sichtbar, der andere Teil wurde vom Türblatt verdeckt.

»Belinda hat mich angerufen. Ich kann Ihnen nichts sagen.«

»Nur eine Frage, Ma'am«, sagte Clive. »Haben Sie schon mal von einer Gruppierung gehört, die sich Punishing Three-Agreement nennt?«

Die Brauen der jungen Frau schoben sich zusammen. Dann schüttelte sie den Kopf. »Tut mir leid.«

»Auch ich habe eine Frage«, mischte sich nun Blacky ein. »Mrs. Hanson vertraute sich Ihnen an. Sie vermutete, dass sie ihr Mann betrügt. Haben Sie mit jemandem darüber gesprochen?«

»Belinda hat es mir unter dem Siegel der absoluten Verschwiegenheit anvertraut. Nein, ich habe niemandem davon erzählt.«

»Das war's auch schon, Ma'am«, erklärte Clive und lächelte. »Entschuldigen Sie die Störung.«


*


Heather Malone wohnte in West 134th Street. Die Frau war ungesund bleich. Ihre Augen waren gerötet. In ihren Mundwinkeln war ein unruhiges Zucken wahrzunehmen.

»Ich bin Special Agent in Charge Caravaggio vom FBI New York. Das ist mein Kollege Special Agent Blackfeather. Wir hätten sie gerne gesprochen.«

Die Augen der Frau füllten sich mit Tränen. »Ich – ich habe schon alles Ihren Kollegen von der Mordkommission erzählt.« Ihre Fassung brach. Sie begann zu weinen. »Es – es war so schrecklich. Ich – ich kann es einfach nicht begreifen.«

»Könnten Sie uns trotzdem noch einmal erzählen, wie es sich abgespielt hat?«

Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen und schniefte. »Kommen Sie herein.«

In der Wohnung sagte sie: »Jack und ich – wir …« Ihre Stimme brach, sie schluckte. »Nun ja, wir …«

»Dahingehend wollen wir keine Einzelheiten wissen, Ma'am«, half ihr Clive, die Peinlichkeit zu überwinden. »Sie vergnügten sich im Auto. Was war dann?«

»Plötzlich krachte ein Schuss. Ich begriff erst gar nicht. Jack fiel auf mich. Dann wurde die Tür aufgerissen. Ich sah eine Gestalt – den hellen Klecks eines Gesichts. Der Mörder sagte, dass Jack den Tod verdient habe, dann schoss er noch einmal. Von da an weiß ich nichts mehr. Es – es war alles wie ein böser Traum.«

»War es eine männliche oder eine weibliche Stimme, die sagte, dass Jack den Tod verdient hätte?«, fragte Blacky.

»Sie war männlich.«

»Sie sagten, dass Sie den hellen Fleck eines Gesichts sahen«, meldete sich Clive zu Wort. »Konnten Sie Einzelheiten erkennen? Können Sie den Mann beschreiben?«

»Nein. Es war finster, und es ging alles so schnell. Bis ich richtig begriff, war alles vorbei. Ich – ich verlor die Besinnung. Irgendwann kam ich wieder zu mir. Keine Ahnung, wie ich es schaffte, mich von dem Leichnam zu befreien. Ich bekam einen Schreikrampf und bin auf die Straße gelaufen. Ein Fahrzeug hielt an …«

Heather Malone schlug die Hände vor das Gesicht und schluchzte.

»Wussten Sie, dass Jack Hanson verheiratet war?«

»Er erzählte mir, dass er geschieden sei.«

»Haben Sie schon einmal etwas von einer Organisation gehört, die sich Punishing Three-Agreement nennt?«

»Die Strafende Dreieinigkeit? Nein.«

Als die Agents wieder im Auto saßen und nach Süden fuhren, sagte Blacky: »Es sind drei.«

»Du sprichst von der Strafenden Dreieinigkeit?«

»Ja. Drei Leute, wahrscheinlich betrogene Ehepartner, haben sich zusammengetan und führen einen Rachefeldzug gegen Fremdgeher.«

»Die Frage ist, ob sie die Morde selbst verüben, oder ob sie sich professioneller Killer bedienen.«

»Keine Profis. Sie spannen möglicherweise andere Betrogene vor ihren Karren. Die Äußerung, dass Jack Hanson den Tod verdient habe, verrät es. Ein Profi hätte diese Aussage nicht gemacht.«

»Du magst recht haben. Es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als abzuwarten, wie sich die Dinge entwickeln.«



Kapitel 2

Ich läutete. Der Klingelton war durch die geschlossene Wohnungstür zu hören. Drin waren Schritte zu hören. Dann wurde die Tür geöffnet und ein Mann Mitte der dreißig präsentierte sich uns. Er war nur mit einer Jeans und einem ärmellosen Unterhemd bekleidet. Sein Gesicht war stoppelbärtig. Fragend musterte er uns abwechselnd.

»Mister Henderson?«, sagte ich fragend.

»Richtig. Wer sind Sie und was wollen Sie?«

»Wir sind die Agents Tucker und Trevellian vom FBI. Mein Name ist Trevellian. Können wir Sie sprechen?«

Mir entging nicht das Aufblitzen in seinen Augen. Sein Gesicht hatte sich verschlossen. Die Eröffnung, dass wir vom FBI kamen, schien ihn nicht gerade freundlich zu stimmen. Er zögerte. Dann aber sagte er: »Na gut, kommen Sie herein.«

In der Wohnung sah es aus wie auf einem Schlachtfeld. Überall lagen Kleidungsstücke herum. Auf dem Tisch standen leere Bierdosen und ein überlaufender Aschenbecher. Es roch nach Tabakrauch.

»Was wollen Sie?«, wiederholte Henderson seine Frage. Unter zusammengeschobenen Brauen hervor fixierte er uns.

»Wir kommen wegen Ihres Freundes Jason Dexter.«

Henderson schürzte die Lippen. »Was ist mit ihm?«

»Er ist aus der Psychiatrie ausgebrochen. Da Sie ein guter Freund von ihm sind, nehmen wir an, dass er Kontakt mit Ihnen aufgenommen hat.«

»Ich habe nichts von Jason gehört.«

»Er hat eine FBI-Agentin gekidnappt und hatte Helfershelfer. Die Agentin wurde in einem Haus in Pearl River festgehalten. Es gehört einem Mann namens Clint Sanders, der seinen Hauptwohnsitz in Washington hat.«

»Ich weiß von nichts.«

»Wo waren Sie gestern Abend zwischen 20 und 24 Uhr.«

»Hier, in meiner Wohnung. Gegen 10 bin ich zu Bett gegangen.«

»Kann das jemand bezeugen?«

»Ich lebe allein. Nein, das kann niemand bezeugen.«

»Was fahren Sie für ein Auto?«

»Einen Lincoln.«

»Farbe?«

»Grün-metallic.«

Bei den Fahrzeugen, die uns in der Nacht auf dem Highway 87 gestoppt hatten, hatte es sich um einen Mitsubishi und einen Buick gehandelt.

Henderson ergriff noch einmal das Wort: »Was war gestern Abend, weil ich ein Alibi brauche?«

Ich ging auf die Frage nicht ein sondern sagte: »Werden Sie uns verständigen, wenn sich Dexter bei Ihnen melden sollte?«

»Natürlich. Einer wie er darf nicht frei herumlaufen. Haben Sie eine Visitenkarte für mich?«

Ich gab Henderson eine. Das höhnische Funkeln in seinen Augen blieb mir nicht verborgen.

Als wir auf der Straße standen, sagte ich: »Er weiß Bescheid. Wahrscheinlich ist er einer der Kerle, die uns in der Nacht aufmischen wollten. Wir sollten ihn nicht mehr aus den Augen lassen.«

Wir erreichten den Sportwagen und fuhren davon, ich bog auf die Third Avenue ein, befuhr ein Stück die 108th Street, wandte mich auf der Lexington Avenue wieder nach Süden und kehrte in die 107th zurück, in der Hendersons Wohnung lag. Aus sicherer Entfernung beobachteten wir das Gebäude, in dem Henderson wohnte. Ein grüner Lincoln stand vor der Tür.

Das Warten begann …


*


Clive Caravaggios Telefon läutete. Der SAC schnappte sich den Hörer und meldete sich. Eine dunkle Stimme erklang. »Guten Morgen. Mein Name ist Ben Hanson.«

Clive stutzte. »Sind Sie mit Jack Hanson verwandt?«

»Jack war mein Bruder.«

»Weshalb rufen Sie an?«

»Meinen Bruder hat Belinda auf dem Gewissen.«

»Wie kommen Sie darauf? Haben Sie einen Grund für diese Behauptung?«

»Jack war ein notorischer Fremdgeher. Belinda hat ihm gedroht, dass er seine Untreue eines Tages büßen werde. Jack hat mir erzählt, dass sie einer Selbsthilfegruppe für betrogene Eheleute beigetreten ist. Wahrscheinlich verbirgt sich dahinter diese Organisation, die sich Strafende Dreieinigkeit nennt.«

»Das sind doch nur Vermutungen«, murmelte Clive. »Oder können Sie Ihre Behauptung untermauern?«

»Ich habe geschworen, es herauszufinden und die Schuldigen am Tod meines Bruders zur Verantwortung zu ziehen.«

»Sie sind weder Richter noch Henker«, gab Clive zu bedenken.

»Ich habe meiner Mutter auf dem Sterbebett versprochen, mich um Jack zu kümmern. Er war schon immer etwas leichtsinnig und ein Bruder Leichtfuß. Aber den Tod hat er nicht verdient. Das FBI muss sich beeilen. Sollte ich den Mördern meines Bruders auf die Spur kommen, werde ich sie zur Rechenschaft ziehen.«

»Die Zeit des Faustrechts, in der jeder seine eigenen Gesetze schreiben durfte, ist vorbei«, mahnte Clive. »Ich warne Sie, Mister Hanson. Nehmen Sie das Gesetz nicht selbst in die Hand. Niemand kann Sie daran hindern, auf eigene Faust Ermittlungen anzustellen. Doch falls Sie etwas herausfinden, sollten Sie sich an uns wenden.«

»Wer garantiert mir, dass die Mörder meines Bruders bestraft werden? Außerdem wäre mir lebenslänglich zu wenig. Sie haben ihr Leben verwirkt.«

Nach dem letzten Wort legte Hanson auf.

Blacky, der dank des aktivierten Lautsprechers hören konnte, was Hanson gesprochen hatte, murmelte: »Er klang nicht wie ein Mann, der leere Drohungen ausstößt.«

»Nein, wir dürfen seine Rachepläne nicht auf die leichte Schulter nehmen. Interessant ist der Hinweis, dass seine Schwägerin einer Selbsthilfegruppe beigetreten ist.«

»Ja, in der Tat. Das hat sie uns verschwiegen. Wir sollten Sie danach fragen.«

Die Agents verloren keine Zeit.


*


Ein Camaro hielt vor dem Haus in Pearl River. Der Mann, der ausstieg, war ungefähr fünfunddreißig Jahre alt. Er hatte nackenlange Haare, an seinem Ohrläppchen glitzerte ein goldener Stecker. Er schaute sich um. Dann ging er auf das Grundstück. Die Haustür war von der Staatsanwaltschaft versiegelt worden. Der Mann begab sich zur Hintertür. Die Balkontür war eingeschlagen. Die Polizei hatte sie mit einer Holzplatte verschließen lassen. Der Mann kehrte zur Vorderseite des Hauses zurück. Kurzerhand brach er das staatsanwaltschaftliche Siegel und betrat das Gebäude.

Special Agent John Miller sagte zu seinem Kollegen Bart Hollister: »Notiere die Nummer des Camaro. Ich sage Trevellian Bescheid.« Der Beamte tippte eine Nummer in sein Handy und ging auf Empfang. Jesse Trevellian meldete sich. Miller sagte: »Soeben hat einer das Haus betreten. Das Siegel der Staatsanwaltschaft hat ihn nicht hindern können. Was sollen wir tun?«

»Schnappt euch den Kerl und quetscht ihn aus.«

»In Ordnung.«

Miller beendete das Gespräch. »Knöpfen wir uns den Burschen vor«, sagte er und öffnete die Autotür. Die beiden Agents stiegen aus. Sie mussten ein Stück gehen, ehe sie das Haus erreichten. Die Haustür stand einen Spaltbreit offen. Nachdem Sie Jesse Trevellian in der Nacht aufgerammt hatte, ließ sie sich nicht mehr schließen.

Miller und Hollister betraten das Gebäude. Das Wohnzimmer war verwaist. Miller wandte sich der Treppe zu. In dem Moment erschien oben der Mann, dem die beiden Agents ins Haus gefolgt waren. Er sah die beiden und feuerte sofort. Die Pistole hatte er schon in der Hand gehalten. Es war, als hätte er die beiden Agents erwartet.

Miller griff sich mit beiden Händen an die Brust und brach zusammen. Hollisters Rechte zuckte unter die Jacke, wo im Holster die SIG steckte. Zugleich wirbelte der Agent herum, um das Haus zu verlassen. Er schaffte es auch und ging an der Wand neben der Tür in Deckung. Einem jähen Impuls folgend holte er sein Handy aus der Tasche und stellte eine Verbindung her. Als sich Jesse Trevellian meldete, stieß er hervor: »Der Kerl hat auf uns geschossen. Miller hat es erwischt. Er liegt im Haus.«

In dem Moment hielt auf der Straße vor dem Haus ein Buick. Hollisters Kopf zuckte herum. Ein Mann stieg aus dem Fahrzeug. Er hielt an der Hüfte eine Maschinenpistole.

»O verdammt!«, entrang es sich Hollister. Er ließ das Handy fallen und riss die Hand mit der SIG hoch. Da begann die MP schon zu rattern. Die erste Salve traf den FBI-Mann. Er fiel mit dem Rücken gegen die Wand und rutschte daran zu Boden. Dann kippte er zur Seite.

Der Bursche mit der MP lief zu dem Toten hin und hob das Handy auf. »Hallo.«

»Wer spricht da?«

»Jason Dexter. Mit wem spreche ich?«

»Mit Special Agent Trevellian.«

»Ihr könnt eure beiden Kollegen abholen. Vergesst die Leichensäcke nicht.« Ein irres Kichern folgte den Worten, dann schleuderte Dexter das Handy gegen die Hauswand, wo es zerschellte.

Der andere Mann kam aus dem Haus. Dem toten G-man schenkte er nur einen desinteressierten Blick.

»Verschwinden wir!«, stieß Dexter hervor.

Sie rannten zu ihren Fahrzeugen, warfen sich hinein und fuhren gleich darauf davon.


*


Belinda Hanson schaute durch den Spion und sah Clive Caravaggios Gesicht. Sekundenlang verkniff sich ihr Mund, dann öffnete sie.

»Guten Tag«, grüßte Clive. »Wir möchten noch einmal mit Ihnen sprechen.«

Die Frau ließ die beiden G-men in die Wohnung.

»Ihr Schwager hat uns angerufen«, begann Clive.

»Mich auch. Er denkt, dass ich etwas mit Jacks Tod zu tun habe. Ben hat mir gedroht.«

»Wo wohnt Ihr Schwager?«

»In Queens.« Belinda Hanson nannte die genaue Anschrift.

»Er erzählte uns, dass Sie sich einer Selbsthilfegruppe angeschlossen haben.«

»Das stimmt. Es ist eine Selbsthilfegruppe für betrogene Eheleute. Ich wusste nicht mehr, was ich tun soll. Jack konnte einfach nicht die Hände von fremden Frauen lassen. Ich – ich suchte Hilfe …«

»Wer hat diese Selbsthilfegruppe ins Leben gerufen?«

»Hier in New York leitet die Gruppe Elizabeth Bailey.«

»Bailey«, murmelte Blacky. »Der erste Tote hier in New York, zu dessen Ermordung sich Punishing Three-Agreement bekannte, hieß Morgan Bailey. Der Mord geschah vor einem halben Jahr. Seit wann gibt es die Selbsthilfegruppe?«

»Elizabeth gründete sie vor einem Dreivierteljahr. Es gibt solche Gruppen auch in Washington und Boston.«

Clive und Blacky wechselten einen schnellen Blick. »Kennen Sie die Anschrift von Elizabeth Bailey?«, fragte Clive.

»Nein. Aber wir treffen uns jeden zweiten Freitag im Monat im Nebenzimmer von Ted's Lounge in der 22nd Street.«

»Also übermorgen«, konstatierte Blacky.

Belinda Hanson nickte.


*


Mr. McKee rief mich an. »Ich habe versucht, mit Miller und Hollister Verbindung aufzunehmen. Die beiden melden sich nicht. Also habe ich das Revier in Pearl River eingeschaltet. Eine Rückmeldung habe ich noch nicht erhalten.«

Ich machte mir Sorgen. Die Worte Dexters hatten in mir die schlimmsten Befürchtungen wachgerufen.

Eine Viertelstunde später hatte ich den Chef erneut an der Strippe. Er sagte: »Soeben habe ich die Meldung erhalten, dass Miller und Hollister tot sind. Sie wurden erschossen. Wie es aussieht, hat man sie in eine Falle gelockt. Ich habe die SRD verständigt.«

Ich war zutiefst betroffen. »Wie es scheint, hat Dexter dem FBI den Krieg erklärt.«

»Darum müssen wir ihm so schnell wie möglich das Handwerk legen.«

Es war gegen Mittag, als Earl Henderson das Gebäude verließ. Er stieg in seinen Lincoln und fuhr davon. »Okay, Milo« sagte ich. »Du weißt, was zu tun ist.«

Milo stieg aus und ich folgte dem Lincoln. Er fuhr nach Süden, wandte sich in Richtung Queensboro Bridge und überquerte den East River. Drüben folgte er dem Queens Boulevard, bog schließlich in die 41th Street ab und hielt vor einem Wohnblock an. Henderson verschwand in dem Gebäude. Ich parkte den Sportwagen und ging zur Haustür, studierte die Namen auf der Klingeltafel, öffnete die Haustür und lauschte. Im Treppenhaus war es ruhig. Der Geruch von gebratenem Fleisch stieg mir in die Nase. Dann kehrte ich zum Sportwagen zurück und wartete. Mein Handy klingelte. Es war Milo, der sagte: »Ich habe eine leere Zigarettenschachtel und bin mit der Subway zur Federal Plaza zurückgekehrt. Wie sieht es bei dir aus?«

»Henderson ist nach Queens gefahren und hat in der 41th Street ein Gebäude betreten. Wen er besucht, weiß ich nicht. Ich warte, bis er zurückkommt. Und dann sehe ich weiter.«

»Denkst du, dass er dich zu Dexter führt?«

»Ich weiß es nicht, hoffe es aber.«

Wir beendeten das Gespräch. Es vergingen etwa zehn Minuten, dann kehrte Henderson auf die Straße zurück. Ein dunkelhaariger Mann begleitete ihn. Sie setzten sich in den Lincoln und fuhren nach Brooklyn. Ihr Ziel war ein Lokal in der Cook Street. Die Kneipe hatte den Namen Black Bear. Henderson und sein Begleiter gingen hinein. Ich rangierte den Sportwagen in eine Parklücke und lehnte mich im Sitz zurück. Den Eingang des Lokals hatte ich im Auge. Nach und nach kamen weitere Fahrzeuge, die zu beiden Seiten der Straße abgestellt wurden. Die Männer verschwanden im Black Bear. Sie waren alle zwischen dreißig und vierzig Jahre alt. Ich vermutete, dass es sich um Hendersons Gang handelte, die hier ihren Treffpunkt hatte.

Hineinwagen konnte ich mich nicht, denn Henderson kannte mich.

Ich fuhr nach Manhattan. Zurück im Field Office berichtete ich Milo. Er sagte: »Ich habe die Zigarettenschachtel der SRD zugeleitet, damit sie die Fingerabdrücke auswerten. Was hast du nun vor?«

»Wir müssen versuchen, jemand in die Bande einzuschleusen«, sagte ich.

»Wer kommt dafür in Frage?«

»Ein Agent zwischen dreißig und vierzig Jahren.«

»Wir beide scheiden aus. Uns kennt Henderson. Was ist mit Hank?«

»Hank Hogan«, sinnierte ich. »Keine schlechte Idee. Aber ich bin mir nicht sicher, ob er der geeignete Mann für diesen Job ist.«

»Warum nicht?«

»Hank hat einige spektakuläre Fälle aufgeklärt und sein Bild wurde des Öfteren in den Zeitungen veröffentlicht. Es ist nicht auszuschließen, dass ihn einer der Kerle erkennt. Und wir wollen Hank doch nicht opfern.«

»An wen denkst du?«

»An Jay. Ich glaube, er wäre der richtige Mann für diesen Job.«

»Reden wir mit dem Chef darüber«, schlug Milo vor. »Er muss schließlich grünes Licht geben.«

Ich rief Mandy an und fragte, ob der Assistant Director frei sei. Sie bejahte. Milo und ich verließen das Büro und fanden uns eine Minute später beim Chef ein. »Welches Anliegen führt Sie zu mir?«, fragte Mr. McKee freundlich.

Ich begann zu sprechen. Der Chef unterbrach mich kein einziges Mal. Erst, als ich geendet hatte, meinte er: »Das kann ein Spiel mit dem Feuer sein. Wir schicken Jay vielleicht in die Höhle des Löwen.«

»Wir sollten mit Jay darüber sprechen«, schlug ich vor. »Bekommen wir von Ihnen grünes Licht, wenn er sich bereit erklärt, diesen Part zu übernehmen?«

»Ich muss gestehen, dass ich nicht begeistert bin. Aber es ist vielleicht die einzige Möglichkeit, an Dexter heranzukommen.« Der AD griff nach dem Telefonhörer, tippte eine Nummer und sagte gleich darauf: »Jay, kommen Sie bitte doch gleich mal zu mir.«

Zwei Minuten später betrat Jay Kronburg das Büro des Chefs. Er fixierte uns fragend. Mr. McKee forderte ihn auf, sich zu setzen, dann sagte er an mich gewandt: »Weihen Sie Jay ein, Jesse.« Der Chef lächelte. »Es ist Ihr Fall.«

»Hör zu, Jay«, sagte ich. »Du hast sicher von dem Fall Dexter gehört.«

»Natürlich.«

»Dexter und ein Bursche namens Earl Henderson waren die Chefs einer Gang, die man einer Reihe von Raubüberfällen verdächtigt, der aber niemals etwas nachzuweisen war.«

»Worum geht es, Jesse. Sprich Tacheles mit mir.«

»Na schön. Es sieht so aus, als wäre der Black Bear in der Cook Street, Brooklyn, die Stammkneipe der Bande. Über Henderson hoffen wir an Dexter heranzukommen. Ich will, dass du dir Zugang zu der Bande verschaffst und uns mit entsprechenden Informationen versorgst.«

»Ah, ich verstehe.« Jay schaute den AD an. »Was sagen sie dazu, Sir?«

»Ich überlasse es Ihnen, Jay. Wenn Sie sich zu diesem Undercover-Einsatz bereit erklären, so soll es mir recht sein.«

»Dieser verdammte Bursche hat zwei unserer Kollegen auf dem Gewissen«, murmelte Jay. »Sein Hass grenzt an Irrsinn. Wenn es darum geht, dieses Scheusal hinter Schloss und Riegel zu bringen, bin ich zu allem bereit.«

»Ich überlasse es Ihnen, Jesse, Jay die nötigen Instruktionen zu erteilen.«

»In Ordnung, Sir.« Ich erhob mich. Auch Milo stand auf.

»Einen Moment noch«, sagte der Chef. »In New York hat es einige Bombenanschläge gegeben. Die New Yorker Zelle von Ansar el Islam hat sich dazu bekannt. Ich muss jeden verfügbaren G-man im Kampf gegen diese Terroristen abstellen.«

Ich hatte keine Ahnung, worauf der Chef hinaus wollte. Sollten auch Milo und ich gegen die Terroristen zum Einsatz kommen?

Da fuhr der AD auch schon fort: »Ich möchte SAC Caravaggio und Special Agent Blackfeather im Kampf gegen Ansar el Islam einsetzen und dachte daran, Ihnen beiden den aktuellen Fall der beiden zu übertragen.«

»Das ist in Ordnung, Sir«, sagte ich. »Wissen Clive und Blacky schon Bescheid?«

»Sie befinden sich noch im Außendienst. Sobald Sie zurückkehren, werde ich sie unterrichten. Die beiden werden sich dann mit Ihnen kurzschließen.«

Wir ließen den Chef allein. Jay schloss sich uns an. In unserem Büro klärte ich ihn auf. Viel musste ich nicht sagen. Die Entführung Sarahs und die Ermordung der beiden Agents Miller und Hollister hatten beim FBI hohe Wellen geschlagen. Jason Dexter war jedem Agent ein Begriff.

Gegen 15 Uhr erschienen Clive und Blacky. Sie setzten sich auf die Besucherstühle in unserem Büro. »Der AD hat uns informiert«, begann Clive. »Wir arbeiten an einer Sache, in der sich eine Organisation namens Punishing Three-Agreement zu einer Reihe von Morden bekennt …«


*


Jay Kronburg betrat kurz nach 22 Uhr den Black Bear. Er hatte sich eine alte, ausgewaschene Jeans angezogen und trug dazu eine etwas verschlissene Lederjacke. Es befanden sich nur wenige Gäste im Schankraum. Ein Durchgang führte in einen Nebenraum. Jay sah dort einen Billardtisch stehen. Er ging zur Theke und schwang sich auf einen Barhocker. Der Keeper, ein Bursche mit schulterlangen Haaren, wandte sich ihm zu. Jay bestellte sich ein Bier und bekam es. »Ich bin fremd in New York«, sagte Jay zu dem Keeper. »Bin erst seit drei Tagen in der Stadt und suche Arbeit. Du hast auch keine Ahnung, an wen ich mich wenden könnte?«

»Wo kommst du denn her?«

»Nun ja …«

»Was?«

»Ich komme aus Huntington.«

»Liegt der Ort nicht in Pennsylvania und befindet sich dort nicht das Staatsgefängnis?«

»Das ist richtig.«

»Warst du eingesperrt?«

»Nein. Ich bin in Huntington geboren.«

»Warum hast du die Stadt verlassen und bist nach New York gegangen? Hier im Big Apple kriegst du doch kein Bein auf den Boden. Kehr wieder nach Huntington zurück.«

»Das will ich nicht.«

Der Keeper grinste. »Kannst du dich dort vielleicht nicht mehr blicken lassen?«

Jay winkte ab und trank einen Schluck von seinem Bier. »Du kannst mir also auch keinen Tipp bezüglich eines Jobs geben.«

»Was kannst du denn?«

»So richtig kann ich gar nichts«, grinste Jay. »War Gelegenheitsarbeiter. Wo sich mir die Chance bot, ein paar Dollar zu verdienen, habe ich zugegriffen. Ich bin nach New York gegangen, weil ich hoffte, dass sich das hier ändert.«

»Du solltest dir dahingehend keine allzu großen Hoffnungen machen.«

Der Keeper wandte sich ab.

Weitere Männer kamen in das Lokal. Die meisten der Gäste schienen sich zu kennen. Vier gingen in den Nebenraum und spielten Billard.

Zwei Kerle setzten sich neben Jay an die Bar. Sie kamen ins Gespräch. Er erzählte auch ihnen, dass er nach New York gekommen war, um hier Fuß zu fassen. »Wie heißt du denn?«, fragte ihn einer der Kerle.

»Vince Hooker«

»Pass auf, Vince, ich will dir was sagen: Die Arbeitslosenquote liegt in New York bei fast zehn Prozent und jeder sechste Bewohner lebt von Sozialhilfe. New York ist zum einen Glanz und Reichtum, doch zum anderen auch Verwahrlosung und Armut. Wenn du dir hier eine solide Existenz aufbauen willst, brauchst du Glück. Dieses Glück hat von tausend vielleicht einer. Glaubst du, dass du dieser eine bist?«

»Wovon lebst du denn?«

»Nun, ich habe mein Auskommen.« Der Bursche grinste. »Man muss nicht unbedingt arbeiten, um leben zu können.«

»Verstehe ich dich richtig?«

Darauf gab der Bursche keine Antwort, sondern lächelte nur vielsagend. Das Gespräch schlief ein. Jay nahm sein Bierglas und ging in den Nebenraum. Einer, ein mittelgroßer, breitschultriger Bursche setzte gerade zum Stoß an. Er stand über den Billardtisch gebeugt da und visierte mit dem Queue. Dann zischte die weiße Kugel über den grünen Bezug. Eine der farbigen Kugeln verschwand in einer der Taschen.

»Guter Stoß«, lobte einer der Kerle, die dabei standen und zuschauten.

Der Breitschultrige kam um den Tisch herum. Jay stand ihm im Weg. »Geh zur Seite!«, befahl der Bursche und schaute hoch in Jays Gesicht, denn Jay war einen halben Kopf größer als er.

»Du hast das Zauberwort vergessen«, knurrte Jay.

»Du spinnst wohl. Mach Platz, oder ich mache dir Beine.«

Jay trat einen Schritt zur Seite. »Ich will keinen Streit mit dir.«

»Das will ich dir auch geraten haben.«

Der Breitschultrige beugte sich über den Billardtisch und setzte zum nächsten Stoß an.

»Das wird nichts«, sagte Jay grollend.

Der Bursche drehte den Kopf. »Hast du 'n Problem?«

»Nein. Aber ich sage dir, dass dieser Stoß nichts wird. Warum nimmt du nicht die drei?«

Der Breitschultrige richtete sich auf. »He, du bist ein ziemliches Großmaul, wie?« Er hielt den Queue in der Linken und schlug damit leicht in seine geöffnete rechte Hand. »Willst du ein Spiel wagen? Spielen wir um zwanzig Dollar.«

»Mach erst dein Spiel fertig«, sagte Jay.

»Damit du mich studieren kannst. Nein, Sir, so haben wir nicht gewettet.«

»Vergiss es«, sagte Jay und wollte sich abwenden.

Der Vierschrötige packte ihn an der Schulter und zerrte ihn wieder herum. »Du hast wohl Angst, zu verlieren?«

»Unsinn.«

»Dann spielen wir.«

»Ich will nicht.«

»Also bist du wirklich nur ein Großmaul.«

Die anderen Kerle grinsten.

»Warum beleidigst du mich?«, fragte Jay. Er wandte dem Breitschultrigen die Seite zu. Dessen Hand lag noch auf seiner Schulter. Jay schüttelte sie ab. »Mach deinen Stoß. Und glaube es mir, wenn ich dir sage, dass du mit der drei besser fahren würdest.«

»Okay, du kneifst. Na schön. Verschwinde. Auf deine schlauen Kommentare können wir verzichten.«

»Dies ist ein öffentliches Lokal«, erwiderte Jay unbeeindruckt. »Also bleibe ich.«

»Langsam verliere ich die Geduld mit dir.«

»Dein Problem.«

»Der braucht eine Abreibung«, sagte einer der Kerle, die um den Billardtisch herumstanden. »Du bist doch sonst nicht so zimperlich, Conrad.«

Das Gesicht des Vierschrötigen hatte sich verkniffen. »Zieh Leine, mein Freund. Oder ich helfe dir auf die Sprünge.«

»Ich glaube nicht, dass du jemand aus dem Lokal weisen kannst«, knurrte Jay. Ihm war daran gelegen, sich hier in Szene zu setzen und aufzufallen. Darum ging er dem Streit mit dem Breitschultrigen nicht aus dem Weg.

Conrad schlug mit dem Queue zu. Jay riss den linken Unterarm hoch und wehrte den Schlag ab. Stechender Schmerz zuckte durch seinen Arm, aber sein Knochen war stärker als das Holz. Der Stock zerbrach. Jay, der sein Bierglas noch immer in der Hand hielt, schüttete den Inhalt in Conrads Gesicht. Das Glas ließ er einfach fallen. Der vierschrötige Bursche schlug mit dem abgebrochenen Queue nach Jay, aber dieser wich dem Schlag geschickt aus, wandte sich seinem Gegner schnell und behände zu und drehte sich in ihn hinein. Conrad flog über Jays Hüfte und landete der Länge nach auf dem Fußboden. Die Luft wurde ihm aus den Lungen gepresst. Wie ein Erstickender japste er. Sein Gesicht nahm eine dunkle Färbung an, die Augen quollen ihm aus den Höhlen.

Die anderen drei Kerle machten Anstalten, Jay anzugreifen. Die Gesichter hatten einen entschlossenen Ausdruck angenommen. Jay bückte sich und riss Conrad den abgebrochenen Queue aus der Hand. »Kommt nur her!«, knurrte er. »Mit euch drei Schießbudenfiguren nehme ich es allemal auf.«

Sie zögerten.

Da sagte eine Stimme vom Durchgang her. »Hört auf. Es ist genug.«

Die drei Kerle entspannten sich. Der Bursche, der ihnen Einhalt geboten hatte, kam in den Billardraum. Er streckte Conrad die Hand hin und half ihm auf die Beine. Dann wandte er sich Jay zu und sagte: »Ich bin Michael Sanders.« Sanders hatte nackenlange Haare und an seinem Ohrläppchen glitzerte ein goldener Stecker. »Der Keeper sagte mir, dass du 'nen Job suchst.«

Jay, der breitbeinig und leicht vornüber geneigt dastand, ließ den zerbrochenen Queue fallen und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. »Hast du was für mich?«

»Kann schon sein.«


*


Marilyn Weston marschierte auf dem Gehsteig hin und her. Es war kalt. Die junge Frau trug einen Minirock und kniehohe Stiefel. Sie fröstelte und zog die dünne Jacke enger um ihren Körper.

Marilyn ging auf den Strich. Ihr Revier war die Delancey Street in der Lower East Side. Es war kurz vor Mitternacht. Das Geschäft florierte nicht besonders gut. Marilyn dachte an Craig, ihren Zuhälter. Er würde nicht zufrieden mit ihr sein. Aber sie konnte es nicht ändern. Mechanisch setzte sie einen Fuß vor den anderen. Autos fuhren vorbei, doch keines hielt an.

Marilyn seufzte. Einer jähen Eingebung folgend nahm sie ihr Handy aus der Tasche und stellte eine Verbindung her. Als sich jemand meldete, sagte sie: »Heute geht gar nichts. Ich glaube, ich mache Schluss.«

»Du machst Schluss, wenn ich es dir sage. Wann wirst du das endlich begreifen?«

»Verdammt, es ist arschkalt. Ich friere mir hier einen ab.«

»Mach dir warme Gedanken. Aber gut. Harre noch eine Stunde aus. Ich hole dich um ein Uhr ab.«

Craig unterbrach die Verbindung.

»Verdammter Bastard!«, murmelte Marilyn vor sich hin und verstaute das Telefon wieder in der Handtasche. »Du hockst ja im Warmen. Die Pest an deinen Hals.«

Plötzlich hielt ein Buick am Straßenrand. Der Fahrer beugte sich über den Beifahrersitz und öffnete die Tür. Marilyn setzte sich in Bewegung, erreichte das Auto und bückte sich, damit sie ins Wageninnere sehen konnte. »Na, Lust auf ein bisschen Abwechslung?«

»Steig ein«, sagte der Mann am Steuer.

»Du willst gar nicht wissen, wie viel ich verlange?«

»Geld spielt keine Rolle. Hauptsache du bist gut.«

Details

Seiten
Jahr
2022
ISBN (ePUB)
9783738969009
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (Dezember)
Schlagworte
trevellian rächer kriminalroman

Autor

  • Pete Hackett (Autor:in)

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Titel: Trevellian und der verrückte Rächer: Kriminalroman