Zusammenfassung
Körperertüchtigung und Kriegsspiele sind nach Aussage der Verantwortlichen das Einzige, was die NPA im Sinn hat. Die rechtsradikale Gesinnung der Mitglieder ist allerdings nicht zu übersehen. Ihren Fanatismus stellen Sie unter Beweis, als sie Geiseln nehmen um gleichgesinnte Straftäter freizupressen. Eine der Geiseln ist der Chef der FBI-Agenten Trevellian und Tucker . Er soll nach Ablauf des gestellten Ultimatums als erster erschossen werden.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Trevellian stürmte die Gangsterfestung: Action Krimi
Krimi von Pete Hackett
Körperertüchtigung und Kriegsspiele sind nach Aussage der Verantwortlichen das Einzige, was die NPA im Sinn hat. Die rechtsradikale Gesinnung der Mitglieder ist allerdings nicht zu übersehen. Ihren Fanatismus stellen Sie unter Beweis, als sie Geiseln nehmen um gleichgesinnte Straftäter freizupressen. Eine der Geiseln ist der Chef der FBI-Agenten Trevellian und Tucker . Er soll nach Ablauf des gestellten Ultimatums als erster erschossen werden.
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Kapitel 1
Krachend flog die Tür des Farmhauses auf. Zwei Männer schossen aus ihren Sesseln in die Höhe. Eine Blendgranate explodierte mit furchtbarem Knall und verbreitete einen Moment lang gleißendes Licht. Das Haus drohte aus allen Fugen gesprengt zu werden.
Die beiden Kerle wurden niedergerungen. Oben zeigte sich ein Mann mit einer Pistole in der Hand. »Waffe weg!«, erklang es. Die Hand des Kerls zuckte in die Höhe. Ein entschlossener Zug prägte unvermittelt sein Gesicht.
Eine Maschinenpistole ratterte. Kleine Flammen flackerten vor der Mündung. Der Gangster wurde herumgerissen und geschüttelt und stürzte sterbend zu Boden.
Die Beamten des SWAT-Einsatzteams stürmten die Treppe hinauf. Die Treppe drohte unter ihren stampfenden Schritten zusammenzubrechen. Oben zweigten einige Türen vom Flur ab. In einer der Türen zeigte sich ein Mann. Er hielt ein etwa zehnjähriges Mädchen wie ein lebendes Schutzschild vor sich. Die Mündung seiner Waffe hatte er gegen die Schläfe des Kindes gedrückt. »Ich erschieße die Kleine …«
Er brach mit einem Kopfschuss zusammen. Die Räume wurden besetzt. Die Waffen waren verstummt. Einer der SWAT-Männer sagte ins Mikrofon seines Headsets: »Sie können kommen, Trevellian. Wir haben alles im Griff. Das Mädchen ist unversehrt.«
Milo und ich betraten das Haus. Es roch nach verbranntem Pulver. Die beiden Kerle, die in der Halle überwältigt worden waren, lagen bäuchlings am Boden. Soeben kam ein schwarz uniformierter Mann mit einem Helm auf dem Kopf die Treppe herunter. Er führte das Mädchen an der Hand. »Oben sind noch zwei. Sie leisteten Widerstand und wir mussten sie erschießen. Nun, Linda ist heil und unversehrt, ich denke, wir haben einen guten Job gemacht.«
Der Mann sprach ohne besondere Gemütsregung.
Das Mädchen wurde aus dem Haus gebracht. Draußen wartete ein Psychologe aus dem Police Departement, der sich um die Kleine kümmern würde. Die beiden Gangster in der Halle wurden hochgezerrt und in Sessel gedrückt. Ich heftete meinen Blick auf einen der Kerle. Er war höchstens Anfang der dreißig. »Wie ist Ihr Name?«
»Milt Osborne.«
Ich schaute den anderen an. »Wie heißen Sie?«
»Wes Taylor.«
Mir entging nicht das unruhige Flackern in den Augen der beiden. Osborne nagte aufgeregt an seiner Unterlippe. Beiden standen wohl noch ein wenig unter Schock vom Einsatz der Blendgranate. »Sie werden ins Field Office gebracht«, sagte ich und holte mein Telefon aus der Jackentasche, tippte eine eingespeicherte Nummer her, gleich darauf erklang es:
»Jonathan D. McKee. Sind Sie erfolgreich gewesen, Jesse?«
Es war 22 Uhr vorbei, aber der Assistant Director hatte es sich nicht nehmen lassen, im Field Office das Ergebnis unseres Einsatzes abzuwarten.
»Das Mädchen ist wohlauf, Sir«, sagte ich. »Ja, der Einsatz war ein Erfolg. Allerdings wurden zwei der Gangster getötet. Die beiden anderen lasse ich ins Field Office bringen, wo wir sie noch in dieser Nacht vernehmen werden.«
»Gut. Ich werde auf Sie warten.«
»Das ist nicht nötig, Sir.«
»Ich weiß. Dennoch warte ich.«
»Es ist Ihre Entscheidung, Sir. Wir werden uns melden, sobald wir zurück sind.«
Wir überließen das Feld den Kollegen aus dem Police Departement. Ein Team von der SRD war vor Ort. Für uns gab es hier nichts mehr zu tun.
Für die Rückfahrt benötigten wir über eine Stunde. Die Farm lag bei Larchmont, und der Verkehr in Manhattan war trotz der späten Stunde noch enorm. Ich stellte in der Tiefgarage des Bundesgebäudes den Sportwagen auf einem der für das FBI reservierten Parkplätze ab, dann fuhren wir mit dem Aufzug in den dreiundzwanzigsten Stock. Wenig später betraten wir das Büro des Chefs. Es ging auf Mitternacht zu.
»Meinen Glückwunsch«, sagte Mr.. McKee und erhob sich, kam um seinen Schreibtisch herum und schüttelte erst mir, dann Milo die Hand. Dann wies er auf den kleinen Besprechungstisch, um den einige Stühle gruppiert waren, und lud uns ein, Platz zu nehmen.
Wir erstatteten Bericht. Kaum, dass wir am Ende angelangt waren, läutete mein Handy. Ich nahm es aus der Tasche und ging auf Empfang, eine dunkle Stimme sagte: »Soeben wurden Osborne und Taylor eingeliefert, Special Agent.«
»Wir kommen sofort nach unten. Ich denke, wir beginnen mit Osborne. Arretieren Sie Taylor.«
»Ist in Ordnung.«
Ich beendete das Gespräch und sagte: »Bin neugierig, wer hinter der Entführung steckt.«
Wir begaben uns in den Zellentrakt und ließen Milt Osborne vorführen. Der Bursche konnte keinem von uns in die Augen sehen. Er setzte sich an den Tisch in der Raummitte und legte die Hände auf die Tischplatte. In seinen Mundwinkeln zuckte es.
Ich stellte uns dem Burschen vor. Er schluckte würgend. Dann fragte ich: »Warum wurde die Tochter des Stadtverordneten entführt?«
Osborne duckte sich ein wenig. »Das hat man uns nicht gesagt.«
»Waren Sie dabei, als das Mädchen entführt wurde?«
»Ja. Wir sollten es auf die Farm bringen und dort festhalten. Mehr weiß ich auch nicht.«
»Wissen Sie nicht mehr, oder wollen Sie es uns nicht sagen?«, kam es von Milo. Er stand an der Seite des Tisches und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Mit seinem Blick übte er Druck auf den Gangster aus. Der vermied es, Milo oder mich anzusehen. Er schien auf seinem Stuhl regelrecht zu schrumpfen. »Ich weiß wirklich nichts.«
»Für wen arbeiten Sie?«, fragte ich.
»Wir gehören einer Gruppierung an.«
»Welcher Gruppierung?«
»Es ist die >National Socialist Party of America<.«
Milo und ich wechselten einen schnellen Blick. »Was verfolgt diese Gruppierung?«, fragte ich dann.
Osbornes Backenknochen mahlten, aber er schwieg.
»Handelt es sich um eine rechtsextreme Gruppierung?«, fragte Milo.
Osborne nickte.
»Wer steht der Gruppe vor?«
»Präsident ist ein Mann namens Cavendish – Colonel Henry Cavendish. Er wohnt in der 88th Street.«
»Hatten Sie von ihm den Auftrag, die Tochter des Stadtverordneten zu kidnappen?«
»Ich weiß es nicht. Die Entführung plante Stanfield. Der ist auf der Farm ums Leben gekommen. Er äußerte lediglich einmal, dass man eine noch größere Sache vorhabe.«
»Was für eine Sache?«
»Ich weiß es nicht.«
Ich stemmte mich mit beiden Armen auf den Tisch und beugte mich ein wenig nach vorn. »Hat man ein Attentat geplant?«
»Keine Ahnung, ich nehme es aber an.« Osborne atmete tief durch. »Ich kann Ihnen nichts sagen, Special Agents. Ich habe lediglich getan, was mir Stanfield auftrug. Wir gehören einer Wehrsportgruppe an. Ich habe keine Fragen gestellt.«
»Was sollte mit der Entführung des Mädchens erpresst werden?«, fragte ich.
»Auch das kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Was können Sie uns überhaupt sagen?«
»Nichts. Wir haben das Mädchen auf dem Schulweg entführt. Ich habe das Auto gefahren. Taylor und Fisher waren dabei. Taylor betäubte das Mädchen mit Chloroform. Dann brachten wir es auf die Farm. Dort sollten wir abwarten. Zwei Tage vergingen, ohne dass etwas geschah …«
»Wer ist Fisher?«
»Ben Fisher. Er kam auch auf der Farm ums Leben.«
Wir ließen Osborne ab- und Wes Taylor vorführen. Trotzig schaute er von mir zu Milo, dann sagte er: »Ich weiß nicht, was euch Milt erzählt hat. Von mir werdet ihr allerdings nichts erfahren.«
»Setzen Sie sich zunächst mal«, forderte ich ihn auf.
»Ohne einen Anwalt rede ich gar nicht mit euch.«
»Haben Sie nicht das Gefühl, dass Ihnen ein paar Pluspunkte gut tun würden?«, fragte Milo.
Der Bursche verzog den Mund. »Ihr werdet euch an mir die Zähne ausbeißen.«
»Gehören Sie auch zur >Nationalsozialistischen Partei von Amerika<?«, fragte ich.
Er schaute mich irritiert an.
»Wir wissen Bescheid«, fügte ich hinzu. »Sie sind sicher auch Mitglied der Wehrsportgruppe, von der Osborne sprach.«
Taylor blinzelte unruhig. »Was hat Ihnen Osborne noch erzählt?«
»Dass man vielleicht ein Attentat plant.«
In Taylors Zügen arbeitete es krampfhaft. »Davon weiß ich nichts.«
»Dann wissen Sie vielleicht, welchen Grund die Entführung des Mädchens hatte.«
Taylor schien mit sich zu kämpfen. »Wir hatten den Auftrag, das Girl zu entführen und auf der Farm festzuhalten.«
»Von wem hatten Sie den Auftrag?«
»Von Stanfield.«
»Wer war dieser Stanfield? Nahm er eine besondere Rolle in der Gruppierung ein?«
»Er war Gruppenführer in der Wehrsportgruppe.«
»Die Wehrsportgruppe gehört zur >National Socialist Party of America<, nicht wahr?«
»Ja.«
»Was für Ziele verfolgt die Gruppierung«, fragte ich Taylor.
»Wir sind Gegner des Systems«, knurrte der Gangster und es klang fast stolz. »Wir vertreten eine ablehnende Haltung gegenüber der Politik und Kultur der Vereinigten Staaten.«
»Das heißt«, sagte Milo, »Sie sind den Vereinigten Staaten von Amerika, ihrer Bevölkerung, ihren Prinzipien und ihrer Politik feindlich gesonnen.«
»Wenn Sie es so ausdrücken möchten …«
»Wem gehört die Farm, auf der wir Sie festgenommen haben?«
»Keine Ahnung.«
»Das Gericht weiß es zu honorieren, wenn sich jemand wenig kooperativ zeigt«, drohte Milo.
»Ich war doch nur ein Mitläufer. Unsere Befehle erhielten wir von Stanfield. Er hatte den Draht zur Basis. Osborne, Fisher und ich waren doch nur Figuren in einem Spiel, die man beliebig hin und her schob.«
Wir gaben auf. Wenig später fuhren wir nach oben. »Wir sollten uns mal mit diesem Cavendish unterhalten«, meinte Milo.
»Das werden wir ganz sicher«, versetzte ich.
*
»Jemand muss verraten haben, wo das Mädchen festgehalten wird. Es gibt einen Spitzel. Seinen Namen müssen wir herausfinden.«
Henry Cavendish wechselte das Mobiltelefon in die andere Hand.
Am anderen Ende der Leitung erklang es: »Ich nehme das in die Hand, Colonel. Wenn wir diesen Kerl erwischen, hat er sich gewaschen.«
»Ja, ich will, dass er bestraft wird. Nicht nur, dass man uns das Druckmittel weggenommen hat, es wurden auch zwei unserer besten Leute getötet. Zwei weitere Männer befinden sich im Gewahrsam des FBI. Schnappt euch den Kerl, Major. Wir werden ein Exempel statuieren. Jeder soll sehen, dass man uns nicht ungestraft verraten darf.«
»Was das Druckmittel anbetrifft, werden wir ein neues beschaffen«, sagte Kellerman.
»Natürlich. Wir werden unserem Willen Geltung verschaffen. Doch können wir sicher sein, dass wir nicht wieder verraten werden?«
»Sie haben recht, Colonel. Ich werde sämtliche Hebel in Bewegung setzen, um den Verräter auszuschalten.«
*
Fast alle Tische im >Tropica Club< waren besetzt. Auch an der Theke saßen Männer. Auf der Bühne verrenkte sich eine fast nackte Tänzerin. Wie eine Schlange wand sie sich um die Chromstange, die bis zur Decke reichte. Die Augen der männlichen Gäste hingen mit verzehrender Gier an ihr. Sie bewegte sich mit unnachahmlicher Geschmeidigkeit. Ihre langen, blonden Haare flogen. Es war akrobatische Höchstleistung, was sie vollbrachte. Aber daran dachte wohl niemand bei ihrem Anblick.
Draußen fuhr ein Ford vor. Der Fahrer rangierte den Wagen in eine Parklücke, dann stiegen vier Männer aus. Sie waren mit Trenchcoats bekleidet. Wenig später betraten sie den Club. Sie ließen ihre Blicke schweifen. Am Tresen saßen zwei Männer auf Barhockern und unterhielten sich. Beide waren um die dreißig Jahre alt. Sie achteten nicht auf die Ankömmlinge. Überhaupt achtete kaum jemand auf sie.
Plötzlich zogen sie Pistolen unter den Mänteln hervor und schlugen sie auf die beiden Männer am Tresen an. Schüsse knallten. Die beiden Burschen wurden regelrecht von den Barhockern gerissen. Ehe die anderen Gäste einen Gedanken fassen konnten, rannten die vier Kerle schon wieder zur Tür. Im nächsten Moment waren sie draußen. Sie warfen sich in den Ford, der Motor begann zu röhren, der Fahrer kurbelte am Lenkrad …
*
Wir traten kurz vor 8 Uhr den Dienst an. Wie fast jeden Tag waren Milo und ich gemeinsam zur Arbeit gekommen. Wir hatten kaum das Büro betreten, als mein Telefon zu dudeln begann. Ich schnappte mir den Hörer, hob ihn vor mein Gesicht und nannte meinen Namen. Die wohlvertraute Stimme des Assistant Directors erklang: »Guten Morgen, Jesse. Kommen Sie und Milo doch gleich mal zu mir.«
»Wir kommen, Sir. - Zum Chef«, sagte ich an Milo gewandt, nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte. Mein Partner war gerade dabei, aus der Jacke zu schlüpfen, seine Brauen hoben sich, er zog die Jacke wieder an und antwortete:
»Was er wohl für eine Überraschung parat hat?«
»Wer rastet der rostet«, versetzte ich grinsend. »Mr. McKee sorgt dafür, dass wir nicht einrosten.«
»Sicher, immer positiv denken«, knurrte Milo.
Eine Minute später betraten wir das Büro von Mandy. Sie lächelte freundlich, erwiderte unseren Gruß und deutete auf die Verbindungstür zum Büro des AD. »Geht nur hinein.«
Ich klopfte gegen die Tür und öffnete sie.
»Hereinspaziert«, rief der Chef und erhob sich hinter seinem Schreibtisch. Nachdem er uns begrüßt hatte, forderte er uns auf, Platz zu nehmen, er setzte sich zu uns und sagte ohne Umschweife: »Im >Tropica Club< wurden vergangene Nacht zwei Männer erschossen. Ihre Namen sind Richard Weston und Price Swanson. Es war eine Hinrichtung. Die beiden werden dem organisierten Verbrechen zugeordnet. Illegale Prostitution. Sie sollen für Carl Meacham gearbeitet haben.«
Der Name sagte mir etwas. »Wurde gegen Meacham nicht schon früher mal wegen Förderung der Prostitution ermittelt?«
»Das Verfahren wurde eingestellt.« Der Chef zuckte mit den Achseln. »Es waren vier Männer, die gegen 24 Uhr den Club betraten und ohne jede Vorwarnung das Feuer eröffneten. Genauso schnell, wie sie aufgetaucht waren, verschwanden sie wieder.«
»Es muss doch eine Reihe von Augenzeugen geben«, wandte ich ein.
»Sicher«, sagte der Chef nickend. »Die gibt es. Sie sahen vier Männer in Trenchcoats, die ein Zielschießen auf Westen und Swanson veranstalteten und wie der Blitz verschwanden.«
»Hintergrund könnte ein Bandenkrieg sein«, bemerkte Milo.
»Davon bin ich überzeugt«, erklärte der Assistant Director. »Ich betraue Sie mit der Angelegenheit.«
»Wir sind noch nicht mit der anderen Sache fertig, Sir«, gab Milo zu bedenken. »Es gilt, herauszufinden, wer die Entführung der Stadtverordnetentochter anordnete und was der Grund für die Entführung war.«
»Das ist mir klar, Milo. Aber ich habe niemand anderen. Das Police Departement hat den Fall an uns abgegeben. Wir sind gefordert.«
»Ich wollte mich ja nicht beschweren, Sir«, murmelte mein Kollege. »Natürlich können wir parallel ermitteln …«
»Die Vernehmungen von Osborne und Taylor waren nicht gerade ergiebig«, wechselte der Chef das Thema.
»Wir haben einen Namen«, antwortete ich. »Henry Cavendish. Wir werden dem werten Herrn einen Besuch abstatten. Irgendetwas haben die Rechtsextremisten vor. Eine große Sache.«
»Solche Gruppierungen wollen Zeichen setzen«, murmelte Milo.
»Von Cavendish werden Sie keine Antworten auf Ihre Fragen erhalten«, meinte Mr.. McKee.
»Wir können uns zumindest ein Bild von ihm machen«, erwiderte ich.
»Nehmen Sie wegen der Morde im >Tropica Club< mit dem Police Departement Verbindung auf«, sagte Mr.. McKee. »Von dort bekommen Sie auch die Ergebnisse der Spurensicherung.«
Wir kehrten in unser Büro zurück, ich telefonierte mit dem Departement und hatte gleich darauf Ed Schulz an der Strippe. »Ihr habt uns wieder einen Fall aufs Auge gedrückt, Ed«, sagte ich.
Der stellvertretende Leiter der Mordkommission Manhattan lachte kehlig. »So kann man es auch bezeichnen. Nun, wir wollen doch nicht, dass ihr arbeitslos werdet.«
»Diese Gefahr besteht ganz sicher nicht«, erklärte ich.
»Spaß beiseite«, knurrte Ed. »Es waren zwei Hinrichtungen im Zuhältermilieu. Irgendjemand drängt ins Geschäft.«
»Mr. McKee nannte einen Namen«, sagte ich. »Carl Meacham.«
»Meacham besitzt einige Clubs und Bars und wird schon seit langer Zeit verdächtigt, die illegale Prostitution zu fördern. Allerdings hat er sich bisher immer erfolgreich aus der Affäre gezogen.«
»Wir werden uns mit ihm beschäftigen«, versicherte ich. »Kannst du uns die Unterlagen zuleiten?«
»Natürlich. Viel ist es nicht. Die Augenzeugen konnten nichts aussagen, Spuren – soweit es solche überhaupt gibt -, sind noch nicht ausgewertet.«
»Schick uns, was du hast«, bat ich. Dann beendeten wir das Gespräch.
Ich rief beim Grundbuchamt in Larchmont an. Wenig später wusste ich, dass der Besitzer der Farm ein Mann namens Jason Wheeler war, der in Boston lebte. Ich notierte mir den Namen und die Anschrift des Burschen. Dann telefonierte ich mit einem Kollegen aus dem Police Departement in Boston …
Henry Cavendish wohnte in der 88th Street. Der Sportwagen trug uns nach Norden. Vor dem Gebäude mit der Nummer 119 fand ich einen Parkplatz. Die 88th war verhältnismäßig ruhig. Auf den Gehsteigen bewegten sich nur wenige Passanten. Hier herauf verirrten sich auch kaum Touristen. Es gab hier nichts zu sehen.
Seit ein paar Tagen war das Wetter gut. Nur die Nächte waren noch ziemlich frisch. Tagsüber herrschte ungetrübter Sonnenschein. In den Straßencafes im Big Apple herrschte Hochbetrieb.
Wir betraten das Gebäude. Es handelte sich um ein Wohn- und Geschäftshaus. Es gab eine Rezeption, hinter der ein Mann mittleren Alters saß und in einer Zeitschrift blätterte. Jetzt hob er den Blick und schaute uns entgegen. »Zu Henry Cavendish«, erklärte ich.
»Vierte Etage, Apartment 4 E. Soll ich Sie anmelden?«
»Nicht nötig«, antwortete ich. Wir gingen zum Aufzug und Milo drückte den Knopf. Der Lift stand im Erdgeschoss und die Tür glitt fast lautlos auf. Wenig später standen wir vor Apartment 4 E. Ich legte den Daumen auf den Klingelknopf. Der Klingelton war durch die geschlossene Tür zu hören. Nach kurzer Zeit verdunkelte sich die Linse des Spions, dann wurde die Tür einen Spaltbreit aufgezogen und das Gesicht einer Frau zeigte sich. Es wurde zur Hälfte vom Türblatt verdeckt. Fragend schaute sie uns an.
Ich übernahm es, uns vorzustellen, dann erkundigte ich mich nach Henry Cavendish.
»Was wollen Sie denn von Henry?«
»Wir haben ein paar Fragen an ihn.«
Die Frau drehte den Kopf. »Henry!«
»Was ist?«, erklang es in der Wohnung.
»Zwei Agents vom FBI möchten dich sprechen.«
Gleich darauf wurde die Frau zur Seite geschoben und Henry Cavendish zeigte sich. Er hatte dunkle Haare und trug einen Schnurrbart. »Was will das FBI von mir?«
»Wir sollten das in der Wohnung besprechen«, gab ich zu verstehen. »Zwischen Tür und Angel lässt es sich nicht so gut reden.«
In Cavendish' Miene arbeitete es. Sekundenlang kämpfte er mit sich. Mir entging nicht die Unruhe, die sein Gesicht prägte. Plötzlich nickte er und sagte: »Kommen Sie herein.«
Wir betraten die Wohnung. Cavendish drückte die Tür ins Schloss. »Setzen Sie sich«, forderte er uns auf, Platz zu nehmen. Und als wir saßen, fragte er: »Was führt Sie zu mir?«
»Wir haben in der vergangenen Nacht zwei Männer verhaftet. Zwei weitere kamen bei der Verhaftungsaktion ums Leben. Ihre Namen sind Stanfield, Fisher, Osborne und Taylor. Die vier hatten die Tochter des Stadtverordneten Anderson entführt.«
Cavendish starrte mich wortlos an. Ich beobachtete ihn. In seinem Gesicht zuckten die Muskeln. Die Frau war in einem angrenzenden Raum verschwunden und hatte die Tür hinter sich geschlossen.
»Kennen Sie die Namen?«
»Auf Anhieb sagen sie mir nichts. Sollte ich sie kennen?«
»Sie sind doch Präsident der >National Socialist Party of America<«, mischte sich Milo ein.
Cavendish' Blick irrte von mir ab und heftete sich auf Milo. »Das ist richtig.«
»Dieser Organisation gehört eine Wehrsportgruppe an.«
»Wir verfolgen keine kriminellen Ziele. Körperliche Ertüchtigung, ideologische Gesinnung …«
»Wir kennen die Ziele solcher Gruppierungen«, unterbrach ich Cavendish. »Stanfield, Fisher, Osborne und Taylor gehörten zu der Wehrsportgruppe.«
»Richtig. Jetzt weiß ich auch wohin mit den Namen.« Cavendish hob die Hände; eine Geste, die Bedauern ausdrücken sollte. »Wir haben viele Mitglieder. Sie werden verstehen, dass ich nicht alle von ihnen namentlich kenne.«
»Stanfield war Gruppenführer.«
»Möglich.«
»Wir haben die Kidnapper auf einer Farm bei Larchmont überwältigt. Haben Sie eine Ahnung, wem die Farm gehört?«
»Nein. Aber ein Blick ins Grundbuch von Larchmont wird es Ihnen sicher sagen.«
»Kann es sein, dass das Kidnapping auf das Konto Ihrer Organisation geht?«, fragte ich. »Vieles spricht dafür. Die vier Kidnapper sind Mitglieder der >Nationalsozialistischen Partei von Amerika<.«
»Das ist sicher ein Zufall. Ich betone noch einmal, dass unsere Ziele nicht gesetzeswidriger Art sind. Wir sind weder gegen die Verfassung der Vereinigten Staaten noch zweifeln wir die Gesellschaft an.«
»Und dennoch führen Sie was Großes im Schilde«, bemerkte Milo.
Cavendish' Brauen schoben sich zusammen, über seiner Nasenwurzel bildeten sich zwei senkrechte Falten. »Was meinen Sie?«
»Osborne machte eine Andeutung. Man plane eine große Sache.«
Cavendish verzog den Mund. »Dann weiß Osborne mehr als ich.«
»Wo treffen Sie sich mit Ihren Gesinnungsgenossen?«, fragte ich. »Es gibt doch sicher Zusammenkünfte. Haben Sie einen Vertreter? Ich nehme an, die Gruppierung ist hierarchisch geordnet. Erzählen Sie uns mehr, Mister Cavendish.«
»Wir treffen uns in >Jimmy's Lounge<. Das Lokal verfügt über einen Saal. Einmal jährlich findet so ein Treffen statt. Die Wehrsportgruppe kommt natürlich öfter zusammen. Die Jungs trainieren hart. Mein Stellvertreter heißt Robert Kellerman. Es gibt verschiedene Abteilungen …«
Als wir uns wieder auf der Straße befanden, sagte ich: »Sie lehnen den demokratischen Verfassungsstaat und das an den universalen Menschenrechten orientierte Gleichheitsprinzip ab. Leute wie Cavendish sind gefährlich. Der Weg vom Rechtsextremismus in den Terrorismus ist nicht weit.«
»Ich frage mich, was sie vorhaben«, murmelte Milo versonnen. »Osborne hat das nicht nur einfach so dahergesagt.«
Wir erreichten den Sportwagen und setzten uns hinein. Während ich den Motor startete und den Wagen aus der Parkbucht manövrierte, fuhr Milo den Bordcomputer hoch. Ich lenkte das Fahrzeug zum Broadway, auf dem wir uns nach Süden wandten. Milo tippte etwas, wartete kurz, dann sagte er: »Da haben wir ihn ja: Robert Kellerman, neununddreißig Jahre alt, letzte bekannte Anschrift 216 East 108th Street. Vorbestraft wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung.«
»Sollten wir uns näher mit ihm befassen?«, fragte ich.
»Wir werden ihn uns wohl zur Brust nehmen müssen«, erwiderte Milo. »Wobei ich aber nicht glaube, dass wir etwas Neues erfahren. Man müsste sich an die Kerle heranmachen. Ich meine, man müsste einen V-Mann bei den Nationalsozialisten einschleusen.«
Ich zog die Unterlippe zwischen die Zähne und kaute darauf herum. »Keine schlechte Idee«, erklärte ich schließlich. »Allerdings kommt von uns beiden keiner mehr in Frage, denn uns kennt Cavendish, und es wäre viel zu gefährlich.«
»Dennoch sollten wir uns eingehender darüber unterhalten«, meinte Milo.
Als wir ins Field Office zurückkehrten und unser Büro betragen, lag auf meinem Schreibtisch eine dünne Akte. Ich schlug sie auf. Es waren die Protokolle zu den beiden Morden im >Tropica Club<. Wir schauten sie durch. Sie gaben in der Tat nicht viel her. Vier Männer hatten die Bar gegen Mitternacht betreten und dann die Pistolen gezogen. Schüsse fielen, Weston und Swanson kippten von den Stühlen, die Mörder verschwanden, ehe jemand so richtig zum Denken kam.
Wir hatten einen Namen.
Carl Meacham!
Meacham wohnte in der 19th Street. Wir beschlossen, ihm einen Besuch abzustatten. Seine Wohnung lag in der vierzehnten Etage. Wer in dieser Gegend wohnte, musste viel Geld verdienen. Aber wir wussten, dass Meacham einige Bars und Clubs besaß, die sicher einiges abwarfen.
Es war Apartment Nummer 1407. Das Türschild sagte uns, dass wir richtig waren. Milo läutete. Gleich darauf ging die Tür auf. Ein etwa fünfzigjähriger Mann mit grauen Haaren stand vor uns. Pulvergraue Augen blickten uns fragend an.
Ich ergriff das Wort. »Mister Meacham?«
»Ja. Was kann ich für Sie tun?«
»Wir sind die Special Agents Tucker und Trevellian vom FBI New York.«
»Aha.« Seine linke Braue hob sich, was seinem Gesicht einen ausgesprochen arroganten Eindruck verlieh. »Was wünschen Sie?«
»Zwei Ihrer Männer wurden vergangene Nacht im >Tropica Club< ermordet.«
Sein Gesicht verschloss sich. »Weston und Swanson. Ja, die beiden arbeiteten für mich. Weston war Geschäftsführer in der >Golden Lounge<, Swanson war so etwas wie mein Buchhalter. Er hinterlässt eine Frau und zwei Kinder. Es ist tragisch.«
»Gehört Ihnen der >Tropica Club< auch?«, fragte Milo.
Meacham nickte. »Ich besitze mehrere Etablissements in New York. Aber kommen Sie doch herein, Special Agents.«
Wir folgten seiner Aufforderung. In der Wohnung war alles nur vom Feinsten. Das Beste schien gerade gut genug zu sein. Beim Mobiliar handelte es sich um Designer-Möbel, die Bilder an den Wänden waren echt.
Im Wohnzimmer bot er uns Platz an. Als wir saßen, sagte er: »Ich habe mir schon gedacht, dass Sie wegen der beiden Morde zu mir kommen. Aber ich kann Ihnen nicht weiterhelfen. Ich weiß nicht, ob Weston und Swanson Feinde hatten.«
»Wir glauben auch gar nicht, dass die beiden aus persönlichen Gründen erschossen wurden«, erklärte ich.
»Was ist Ihre Meinung?«
»Jemand drängt ins Geschäft.«
Meacham legte die Stirn in Falten. »Ich verstehe nicht ganz.«
»Sicher nicht, wie sollten Sie auch?« Ich verlieh meiner Stimme einen sarkastischen Unterton und erntete dafür einen verzehrenden Blick. »Werden Sie bedroht, Mister Meacham?«
»Was wollen Sie überhaupt von mir?«
»Okay, reden wir Tacheles. Wir wissen, dass Sie Ihr Geld zu einem großen Teil mit illegaler Prostitution verdienen.« Als Meacham etwas sagen wollte, hob ich die Hand und gebot ihm mit dieser Geste, zu schweigen. Ich fuhr fort: »Sie brauchen nichts zu sagen, Mister Meacham. Ja, das Verfahren gegen Sie wurde eingestellt. Dennoch wissen wir, was Sache ist. Also raus mit der Sprache, wer drängt ins Geschäft. Sagen Sie's uns. Es hilft uns, und es hilft gewiss auch Ihnen.«
»Ich glaube, ich rufe meinen Rechtsanwalt an«, stieß Meacham hervor und erhob sich, um zum Telefon zu gehen. »Ich muss mir das nicht anhören.«
»Lassen Sie«, knurrte ich. »Wir wollten Sie nur nicht darüber im Unklaren lassen, dass wir Bescheid wissen.«
Meacham war stehengeblieben. Er schien meinen Worten hinterherzulauschen. Plötzlich drehte er sich um, machte einen Schritt auf uns zu und sagte: »Er nennt sich >The Avenger<. Er hat mir telefonisch angekündigt, dass er sich rächen werde. Wofür weiß ich nicht. Das hat er nicht gesagt.«
»Drohte er Ihnen persönlich?«
»Ja. Zuletzt«, meinte er, »sei ich dran.«
»Und Sie können sich nicht denken, wer dahintersteckt?«
»Nein. Aber ich habe vorgesorgt.« Meacham ging zu seiner Jacke, die an der Garderobe hing, griff hinein und holte eine Pistole aus der Tasche. »Die habe ich immer und überall dabei.«
»Ist sie registriert?«, fragte Milo.
»Natürlich.«
»Nun«, knurrte ich, »>The Avenger< hat angefangen, seine Drohung in die Tat umzusetzen.«
»Es kann eine Finte sein, um uns auf eine falsche Spur zu leiten«, meinte Milo.
»Natürlich«, antwortete ich. »Das ist natürlich nicht von der Hand zu weisen. Wir dürfen keine Möglichkeit außer Acht lassen.« Ich schaute Meacham an. »Wer immer auch dahintersteckt: Er wird weitermachen. Sie sollen zuletzt dran sein.
Am Abend besuchten wir den >Tropica Club<. Hier wurde Striptease angeboten. Das Lokal war gut besucht. Es war 22 Uhr. Im Moment fand keine Vorführung statt. Stimmenwirrwarr empfing uns, Musik, die aus mehreren Lautsprechern kam, mischte sich in den Lärm. Manchmal war Lachen zu hören.
Wir gingen zum Tresen und setzten uns auf zwei freie Barhocker. Nichts mehr erinnerte daran, dass hier vor zwanzig Stunden zwei Männer ermordet worden waren.
Wir schauten uns um. Leicht bekleidete Bedienungen schwirrten zwischen den Tischen herum. Ob sie auch animierten würde sich vielleicht herausstellen. Ein Keeper kam heran. »Was wollen Sie trinken?«
»Zwei Wasser«, verlangte ich.
»Sind Sie gekommen, um sich zu waschen?«, fragte der Bursche grinsend.
»Autofahrer«, versetzte ich und erwiderte sein Grinsen.
Als er die zwei Flaschen und die Gläser brachte, zeigte ich ihm meine ID-Card. »Tucker und Trevellian, FBI New York«, sagte ich.
»Ah, darum nur Wasser. Sie sind im Dienst.«
»So ist es. Waren Sie gestern Abend auch hier?«
»Ja.«
»Sie sahen also die vier Kerle«, konstatierte ich.
»Ihre Kollegen von der Mordkommission haben mich bereits vernommen. Ja, ich sah die vier. Aber ich kann sie nicht beschreiben. Es ging alles so verdammt schnell. Ich bin sofort hinter der Theke in Deckung gegangen. Dann stürmten die Kerle auch schon wieder hinaus. Niemand wagte ihnen zu folgen. Banks rief dann die Polizei.«
»Wer ist Banks?«
»Warren Banks, der Geschäftsführer. Er war zufällig in der Bar.«
»Wo befindet er sich, wenn er nicht in der Bar ist?«
»Zu Hause, oder in einem der anderen Schuppen.«
»Besitzer der Bar ist Carl Meacham, nicht wahr?«
»Stimmt.«
»Kennen Sie ihn persönlich?«
»Ein- oder zweimal im Jahr kommt er in die Bar. Ja, ich kenne ihn vom Sehen. Banks hat völlig freie Hand, was den Geschäftsablauf hier anbetrifft.«
»Diese Bedienungen hier«, dehnte ich, »lauter hübsche Mädchen. Schaffen Sie nebenbei an?«
Der Keeper prallte regelrecht zurück. »Wo denken Sie hin? Die Ladies sind sauber. In diesem Club läuft nichts Illegales.«
»Versuchen Sie sich zu erinnern«, sagte ich mit Nachdruck. »Vielleicht fällt Ihnen doch die eine oder andere Besonderheit ein. Sie haben die vier Mörder kurz gesehen. Irgendetwas muss doch hängen geblieben sein.«
»Sie erregten meine Aufmerksamkeit erst, als es zu krachen begann. Aber da bin ich verdammt schnell auf Tauchstation gegangen.«
Wir befragten auch den anderen Keeper, aber er konnte uns ebenso wenig sagen wie sein Kollege. Wir tranken unser Wasser, zahlten und verließen den Club.
»Was haben wir denn erwartet?«, knurrte Milo genervt, als wir auf der Straße standen. »Es war vergeudete Zeit.«
»Wo du recht hast, hast du recht«, pflichtete ich bei.
Kapitel 2
»Wir schnappen uns Vaugham, wenn er morgen früh zur Arbeit fährt«, sagte der Bursche im Tarnanzug. »Er verlässt täglich um 7 Uhr 30 seine Wohnung in der 54th Street. Gegen 8 Uhr 30 kommt er bei seinem Geschäft an. Dort erwarten wir ihn.«
»Soll er an die Stelle des Mädchens treten?«, fragte einer.
»Ja. Wir treffen uns um 8 Uhr vor seinem Geschäft in der Jackson Avenue. Josh und Artur, ihr beide bleibt im Wagen sitzen. Wir beide, Jacob, schnappen uns den Kerl. Du setzt dich zusammen mit ihm in den Fond des Wagens. Ihr bringt ihn dann auf die Farm. Ich komme hinterher. Noch Fragen?«
»Keine Fragen«, kam es dreistimmig.
»Okay. Das war's auch schon, was ich mit euch zu besprechen hatte. Redet mit niemand drüber. Wir müssen davon ausgehen, dass sich ein Polizeispitzel bei uns eingeschlichen hat.«
»Wie kommst du darauf?«
»Der Coup mit der kleinen Linda Anderson muss verraten worden sein. Also kein Wort – zu niemand.«
»Ein Verräter!«, tönte einer der Kerle. »Das Schwein soll verfaulen.«
»Wir kriegen ihn. Und dann wird er verfaulen.«
Es klang wie ein Versprechen.
*
Als Gordon Vaugham am nächsten Morgen um 8 Uhr 35 vor seinem Geldverleih in der Jackson Avenue in Queens aus dem Oldsmobile stieg, waren plötzlich zwei Männer da. Einer trat ganz dicht an Vaugham heran. »Ich ziele mit einer Pistole auf dich, Vaugham. Wir gehen jetzt zu dem Ford dort drüben und du setzt sich auf den Rücksitz. Wenn du zu türmen versuchst oder wenn du schreist …«
»Keine Bewegung!«, ertönte es klirrend. »FBI!«
Der Kerl, der Vaugham bedrohte, zog die Hand unter der Jacke hervor. Sie hielt eine Pistole. Auch der andere zog eine Waffe. In einer Ausfahrt stand Jay Kronburg. Er schoss. Einer der beiden Burschen brach zusammen. Der andere feuerte auf den FBI-Agenten. Da krachte es auf der anderen Straßenseite. Der Kidnapper bäumte sich auf, kreiselte halb um seine Achse und sackte dann zusammen.
Aus der Parkbucht schoss der Ford. Als der Fahrer Gas gab, drehten die Räder durch und quietschten durchdringend. Doch dann griffen sie, der Wagen bäumte sich regelrecht auf, dann raste er davon.
Vaugham stand da wie vom Donner gerührt. Er war nicht fähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Das alles war vor seinen Augen wie ein schlechter Film abgelaufen und überstieg sein Begriffsvermögen.
Jay Kronburg kam heran. »Sind Sie in Ordnung, Mister Vaugham?«
»Was – was war das?«, stotterte der Geschäftsmann.
»Wir haben soeben Ihre Entführung vereitelt«, erklärte Jay, dann ging er zu einem der Kerle hin, die am Boden lagen.
Leslie Morell kam über die Straße. Er hielt sein Mobiltelefon in der Hand und sprach. Weitere Polizisten traten aus ihren Deckungen.
Leslie Morell sagte ins Telefon: »Der Tipp war zutreffend, Jesse. Wir konnten die Entführung vereiteln. Allerdings ist Blut geflossen. Die Kerle griffen nach den Waffen. Zwei sind uns entkommen. Aber wir haben die Zulassungsnummer des Ford.«
»Das war der zweite anonyme Tipp, den wir bekommen haben und dem wir einen Erfolg zu verdanken haben«, sagte Jesse Trevellian.
»Leider hat uns der Anrufer nicht verraten, wer hinter den Verbrechen steckt«, erwiderte Leslie Morell. »Aber vielleicht bekommen wir das aus den beiden Kerlen heraus, die uns ins Netz gegangen sind.«
*
Wir statteten Robert Kellerman einen Besuch ab. Seine Haare waren militärisch kurz geschnitten. Er trug die Hose eines Tarnanzugs, über den Oberkörper hatte er sich nur ein weißes T-Shirt gezogen. Sein Gesicht verfinsterte sich, nachdem ich uns vorgestellt hatte. »Cavendish hat mich informiert«, brummte er. »Wir haben mit der Entführung nichts zu tun. Für Stanfield, Fisher, Osborne und Taylor sind wir sicher nicht verantwortlich.«
»Natürlich nicht.«
»Na also. Was wollen Sie dann von mir?«
»Osborne äußerte, dass die >Nationalsozialistische Partei< ein großes Ding vorhabe.«
»Wir sind nicht kriminell, Special Agent«, beteuerte Kellerman. »Sicher, wir vertreten eine eigene Ideologie und sind mit dem System nicht einverstanden, aber wir sind nicht gesetzeswidrig tätig.«
»Wir nehmen an, dass die Entführung der Tochter des Stadtverordneten einen politischen Hintergrund hatte. Tatsache ist, dass die Kidnapper einer rechtsextremistischen Gruppierung angehören beziehungsweise angehörten und dass sie keine Lösegeldforderung geltend machten.«
»Ich kann Ihnen dazu nichts sagen.«
»Arbeiten Sie?«
»Was soll diese Frage?«
»Wir wollen nur wissen, womit Sie sich Ihren Lebensunterhalt verdienen.«
»Die NPA hat Gönner, Sponsoren. Wir haben vor, auch in anderen Städten Zellen zu gründen. Das bedarf organisatorischer Maßnahmen. Nein, ich arbeite nicht. Die NPA zahlt mich.«
»Das gilt wohl auch für Cavendish.«
»Er ist Zellenführer, wir nennen ihn auch Präsident. Sein Dienstrang ist Colonel.«
»Was sind die Ziele der NPA?«
»Wir prangern Missstände an und bieten der Jugend eine Ideologie, die ihr weiteres Leben …«
»Hören Sie auf!«, fuhr Milo Kellerman unduldsam in die Parade. »Versuchen Sie nicht, uns ihre hehre Gesinnung zu verklickern. Wir wissen Bescheid. Was Sie anprangern, sind die grundsätzlichen Werte unserer Gesellschaft.«
»Sie bezeichnen uns als rechtsextrem. Das sind wir aber nicht. Vielleicht sollten sie mal versuchen, diesen Begriff für sich selbst neu zu definieren. Wir …«
Wieder unterbrach Milo den Redefluss Kellermans, indem er sagte: »Sie sind gegen Indianer, gegen Schwarze, gegen die Verfassung und gegen alles, was der Verfassung treu ergeben ist. Es geht ihnen nicht darum, Missstände anzuprangern. Sie wollen das System ändern – und dazu ist Ihnen jedes Mittel recht. Um Ihre Pläne durchzusetzen, scheuen Sie auch vor Verbrechen nicht zurück.«
»Mit Ihnen spreche ich nicht länger!«, blaffte Kellerman. Seine Augen versprühten regelrecht Blitze. »Beweisen Sie uns irgendwelche gesetzeswidrigen Machenschaften und kommen Sie dann wieder.«
»Sagt ihnen der Name Gordon Vaugham etwas?«, fragte ich und ließ Kellerman nicht aus den Augen.
»Nein. Was ist mit dem Mann?«
»Er sollte heute Morgen entführt werden.«
»Was soll ich damit zu tun haben?«
»Bei den Entführern könnte es sich um Mitglieder der NPA handeln.«
»Sie kommen mir mit Vermutungen?« Ein höhnisches Grinsen spaltete Kellermans Lippen. »Wenn Sie nicht mit mehr aufwarten können.«
Wir verließen Kellerman.
»Du hast dich von ihm herausfordern lassen«, wies ich Milo zurecht, als wir zum Sportwagen gingen.
»Mir stinken diese Parolen«, knurrte mein Partner. »Für mich sind das alles Gangster, die ihre Aktivitäten mit dem Deckmantel ideologischer Gesinnung versehen. Die Entführung geht auf das Konto der NPA. Davon bin ich überzeugt.«
»Diesen Beweis gilt es zu erbringen«, gab ich zu verstehen. Dann fügte ich hinzu: »Möchte wissen, von wem wir den Tipp mit der Farm erhalten haben und wer uns den Hinweis gab, dass Vaugham vor seinem Geschäft entführt werden sollte.«
»Sieht so aus, als hätten diese Verbrecher nicht nur die Polizei als Gegner«, meinte Milo.
*
»Bei dem Verräter kann es sich nur um Josh handeln«, sagte Artur Meredith ins Telefon.
»Wie kommst du darauf?«, fragte Kellerman.
»Jacob und Wayne scheiden meiner Meinung nach aus. Wenn einer von ihnen der Verräter wäre, würde er nicht nach der Waffe gegriffen haben, als plötzlich Polizei da war. Auch ich bin nicht der Verräter. Nur wir vier wussten, dass der Coup heute Morgen steigen sollte. Also kommt nur Josh in Frage.«
»Locke ihn in die Wohnung über der Lounge, Artur. Dann werden wir es aus ihm herauskitzeln.«
»In Ordnung, Major.«
Artur Meredith wählte eine Nummer. »Wir haben eine Besprechung, Josh. Es ist wegen des Fehlschlags von heute Morgen. Komm zur Lounge. Ich erwarte dich in einer Stunde. Der Major will mit uns einen neuen Plan ausarbeiten.«
»Lerne ich ihn dann endlich mal kennen?«, fragte Josh Bellows.
»Ja, du lernst ihn kennen.«
Meredith rief Kellerman an. »Josh wird in einer Stunde zur Lounge kommen.«
»Ich werde da sein.«
Meredith wartete vor der Tür des Lokals. Josh Bellows fuhr rechts ran, stellte den Motor ab und stieg aus. »Hallo, Artur. Der Major vergeudet wohl keine Zeit, wie?«
»Das können wir uns nicht leisten. Komm.«
Sie betraten das Gebäude durch den Hintereingang und stiegen in die erste Etage hinauf. Oben läutete Meredith, die Tür wurde geöffnet. Die beiden betraten die Wohnung. Im Sessel saß Kellerman. Drei weitere Männer waren anwesend. Sie fielen sofort über Bellows her, drehten ihm die Arme auf den Rücken, einer griff in seine Jackentasche und holte das Handy heraus.
»Was soll das?«, keuchte Bellows. Er war bleich bis in die Lippen. Die Angst kam kalt und stürmisch und trocknete seine Kehle aus.
Einer der Kerle begann auf Bellows' Handy zu tippen. Er sichtete die Anrufliste. Schließlich las er die Nummern vor, die er der Reihe nach abrief, ein anderer der Männer notierte sie. Zehn Nummern gab die Anrufliste her. Dann begann der Bursche, der das Telefon hatte, die Nummern der Reihe nach anzurufen. Wenn sich jemand meldete, unterbrach er die Verbindung und wählte die nächste Nummer. Schließlich sagte eine dunkle Frauenstimme: »FBI Field Office New York. Was kann ich für Sie tun.«
Der Kerl trennte die Verbindung. »Er hat mit dem FBI telefoniert.«
»Warum?«, fragte Kellerman. Mit kalten Augen fixierte er Josh Bellows.
Der Bursche wand sich im harten Griff der Kerle. »Die NPA hat meinen Bruder auf dem Gewissen«, keuchte er schließlich.
»Wer ist dein Bruder?«
»Er wurde Rambo genannt.«
»Richtig, Rambo. Jetzt weiß ich, von wem die Rede ist. Es war ein Unfall.«
»Der vertuscht wurde. Niemand übernahm die Verantwortung dafür. Man hat Slim auf die Straße geworfen wie ein verendetes Stück Vieh. Es sollte nach einem Unfall mit Fahrerflucht aussehen. Aber ich weiß, wer Slim auf dem Gewissen hat.«
»Und du wolltest dich rächen.«
»Ja, ich wollte die NPA fertig machen. Leider war ich nur ein Handlanger. Also konnte ich lediglich die Aktionen, in die ich eingeweiht war, dem FBI verraten.«
»Wer hat dir von dem Mädchen erzählt?«
»Fisher. Wir waren Freunde.«
»Du wirst niemals mehr Gelegenheit haben, uns zu verraten. Du weißt, was dir blüht?«
Unvermittelt riss sich Josh Bellows los und rannte zur Tür. Es war die Verzweiflung, die ihn dirigierte. Er folgte einem der ältesten Prinzipien der Menschheit, der Selbsterhaltung. Aber er schaffte es nicht. Sie rissen ihn zu Boden und schlugen auf ihn ein. Als er sich nicht mehr rührte, stieß Kellerman hervor: »Entsorgt diesen Haufen Abfall. Lasst ihn auf Nimmerwiedersehen verschwinden.«
*
»Die Nummernschilder des Ford waren gestohlen«, sagte Jay Kronburg. »Die beiden Kerle, die wir geschnappt haben, schweigen.«
»Gehören Sie zur NPA?«, fragte ich.
»Sie beantworten nicht eine einzige Frage«, gab Leslie Morell zu verstehen.
»Die Mitglieder solcher Organisationen leisten oft einen Schwur«, mischte sich Milo ein, »den Schwur, unter keinen Umständen etwas über den Verein und seine Ziele zu verraten. Und gerade das Fußvolk fühlt sich dem Eid verpflichtet. Aus den beiden werden wir wohl nichts herausbekommen.«
»Wer ist der Mann, der uns mit den Hinweisen versorgt?«, fragte ich nachdenklich.
»Einer, der dazugehört, der aber einen Grund hat, seinen Gesinnungsgenossen eins auszuwischen«, sagte Jay. »Was er treibt, ist ein Spiel mit dem Feuer. Wenn sie ihm auf die Schliche kommen, ist sein Leben keinen rostigen Cent wert. Mit Verrätern macht man in diesen Kreisen kurzen Prozess.«
»Warum gibt er sich uns nicht zu erkennen?«
»Weil er vielleicht selbst Dreck am Stecken hat«, meinte Leslie Morell.
*
Gegen 22 Uhr betrat ein großer, blondhaariger Mann mit Bürstenhaarschnitt >Jimmy's Lounge< in der Clinton Street, Lover East Side. Die Gäste, die den Schankraum bevölkerten, waren zu neunzig Prozent männlich; meist Burschen zwischen zwanzig und dreißig Jahren. Viele von ihnen trugen Tarnanzüge. Black Metal Musik vermischte sich mit dem Stimmendurcheinander.
Der Blondhaarige ging zum Tresen und stemmte beide Ellenbogen darauf. Der Keeper kam herbei. »Was darf's sein?«
»Bier.«
Der Keeper brachte eine Dose. Als er den Verschluss aufbrach, zischte es. Er stellte sie vor den Blonden hin. »Dich hab ich hier noch nie gesehen.«
»Ich bin neu in der Gegend. War bis vor einem Monat bei der Armee. Sergeant. War auch einige Zeit im Irak. Was sind das hier für Leute? Bin ich hier in die Mannschaftskantine einer Kaserne geraten?«
Der Keeper grinste. »Diese Jungs gehören zur NPA. Sie beschäftigen sich mit Kriegsspielen. Harmlose Irre, die mit ihrer Freizeit sonst nichts anzufangen wissen.«
»NPA?«
»>National Socialist Party of America<«, erklärte der Keeper. Er beugte sich ein wenig über den Tresen und schaute verschwörerisch drein. »Lauter Spinner. Amerika gehört den Weißen, tönen sie. Rassistische Spinner. Ich hab mich noch nicht anstecken lassen von ihren Parolen.«
»Interessant«, murmelte der Blonde und deutete auf eine Tür. »Was ist dahinter?«
»Der Billardraum. Da stehen drei Tische.«
Der Blonde nahm die Bierdose, trank einen Schluck, und setzte sich in Bewegung. Gleich darauf betrat er den Billardraum. An den drei Tischen wurde gespielt. Einige Burschen und auch zwei junge Frauen in Kampfanzügen schauten zu.
Der Blonde stellte sein Bier auf einen Tisch, verschränkte die Arme und beobachtete einen vierschrötigen Burschen mit Glatze, der gerade zum Stoß ansetzte. Er stand über den grünbezogenen Billardtisch gebeugt und starrte über die Spitze des Queue hinweg auf die weiße Kugel. Auch er trug einen Tarnanzug. Er versetzte der weißen Kugel einen Stoß. Sie rollte los, knallte gegen die Bande, kam zurück und prallte gegen eine >Halbe<, die vor eine der Taschen rollte und einen Zoll davor liegen blieb.
»Scheiße!«, stieß der Vierschrötige hervor.
Der Blonde grinste. Seine Mundwinkel bogen sich nach unten.
Der Blick des Vierschrötigen fiel auf ihn. Seine Brauen schoben sich zusammen.
Einer der anderen Kerle beugte sich mit dem Queue über den Billardtisch und suchte mit den Augen das Ziel. Er versenkte eine >Ganze< und kam halb um den Tisch herum. Als er wieder eine >Ganze< versenkte, klatschte der Blonde Beifall. Aller Augen richteten sich auf ihn.
»Hast du irgendein Problem?«, schnappte der Vierschrötige.
Der blondhaarige Bursche verschränkte wieder die Arme vor der Brust. »Wie kommst du darauf?«
»Könnte ja sein.«
»War doch 'n prächtiger Stoß. Warum soll ich ihm nicht Beifall zollen?«
»Was bist denn du für einer? Ich hab dich hier noch nie gesehen.«
»Kannst du auch nicht, denn ich bin heute zum ersten Mal hier. War bis vor 'nem Monat im Irak. Meine Dienstzeit ist abgelaufen. Ich kehrte in die Staaten zurück und begab mich nach New York. Wenn ich euch so sehe, fühle ich mich um ein paar Wochen zurückversetzt. Ist das eine neue Mode?«
»Du warst bei der Army?«
»Ja. Sergeant. Wagst du gegen mich ein Spiel?«
Der Vierschrötige schürzte die Lippen. »Warum hast du eben so spöttisch gegrinst, als ich den Stoß versemmelte?«
»Das war mitfühlend«, versetzte der Blonde.
»Du willst mich wohl verarschen?«
»Einen Büffel wie dich verarscht man nicht«, grinste der Blonde. »Traust du dich gegen mich anzutreten? Spielen wir um einen Fünfziger. Der Verlierer gibt obendrein ein Bier aus.«
»Ich glaube, du bist ein verdammtes Großmaul, Blondie. He, hast du auch einen Namen?«
»Howard Henderson. Und wie heißt du?«
»Mel Adams. Gut, spielen wir um einen Fünfziger und ein Bier. Lass uns aber erst dieses Spiel fertig machen.«
»Natürlich.« Henderson angelte sich sein Bier und trank. Jedes Mal wenn Adams einen Fehlstoß machte, grinste er. In Adams' Augen erschien ein böses Funkeln. Aber schließlich gewann er das Spiel. Triumphierend starrte er Henderson an. Dieser sagte: »Nicht schlecht. Aber schreib deinen Fünfziger schon mal ab.« Er nahm seine Brieftasche aus der Jeansjacke, fingerte eine Fünfzig-Dollar-Note heraus und legte sie auf den Rand des Billardtisches. »Leg deinen Fünfziger dazu, Mel. Dem Gewinner gehört alles.«
Sie legten die Kugeln auf. Henderson machte den ersten Stoß und versenkte eine >Halbe<. Sein nächster Stoß ging fehl. Henderson kam dran. Er versenkte drei >Ganze<, dann war wieder Adams an der Reihe. Sein Stoß war erfolglos. Henderson lachte höhnisch auf. »Es war leichtsinnig von dir, sich auf dieses Spiel einzulassen.«
»Du gehst mir auf die Nerven!«, fauchte Adams böse. Ein brutaler Zug kerbte sich in seine Mundwinkel.
»Bist du etwa ein schlechter Verlierer?«
»Noch habe ich nicht verloren«, grollte Henderson.
»Gleich, mein Freund - gleich hast du verloren. Hast du dann noch das Geld, um mir ein Bier auszugeben?«
Die Umstehenden lachten.
Es schürte Adams' Zorn. Er biss die Zähne zusammen, dass die Backenknochen in seinem Gesicht hart hervortraten, und stieß die Luft durch die Nase aus. »Dann zeig, was du kannst.«
Henderson setzte an. Wieder versenkte er drei >Ganze<, dann richtete er sich auf. »Damit du wenigstens vom Spiel etwas hast«, sagte er und schoss die weiße Kugel blindlings gegen die Bande.
Adams knirschte mit den Zähnen. Dann spielte er. Es gelang ihm ein Treffer, dem folgte ein Fehlstoß und er stieß eine Verwünschung aus.
»Dann werde ich dir jetzt zeigen, wie es geht«, sagte Henderson und beugte sich über den Billardtisch.
Bei Adams knallte eine Sicherung durch. Er drosch den Queue auf den Rand des Billardtisches, dass er in zwei Teile zerbrach, warf das Stück, das er in der Hand hielt auf den Tisch und wandte sich Henderson zu, riss ihn zu sich herum und packte ihn mit den Fäusten an den Aufschlägen der Jeansjacke. »Sag mal, willst du mich provozieren?«
Sein Atem schlug in Hendersons Gesicht. In seinen Zügen wütete der Zorn. Er hatte jetzt die Lippen zusammengepresst, sodass sie nur noch einen dünnen, blutleeren Strich bildeten. Seine Augen zeigte eine stumme Drohung.
»Nimm die Hände von mir!«, sagte Henderson ganz ruhig. »Ich wusste ja nicht, dass du keinen Spaß verstehst.«
»Ich werde dich zum Tempel hinausprügeln!«, keuchte Adams. »Einen wie dich verspeise ich zum Frühstück.«
»Nimm deine Hände von meiner Jacke«, forderte Henderson. Er verlieh jedem Wort eine besondere Betonung.
Adams schüttelte ihn. »Willst du mir drohen? Pass auf, Blondie …« Adams' Kopf zuckte nach vorn. Mit einem brutalen Kopfstoß in das Gesicht von Henderson wollte er klare Verhältnisse schaffen. Aber Henderson sprang gedankenschnell zurück. Der Kopfstoß ging ins Leere, Adams' Hände lösten sich von Hendersons Jacke. Und ehe Adams sich versah, landete Henderson einen schmetternden Schlag an seinem Kopf.
Adams kam aus dem Gleichgewicht und machte einen Schritt zur Seite, ungläubig starrte er Henderson an, in den Augen den törichten Ausdruck des Nichtbegreifens. Seine Hände öffneten und schlossen sich. Plötzlich löste sich aus seiner Kehle ein gefährliches Grollen – dem zornigen Grollen einer Dogge nicht unähnlich. »Dafür ramme ich dich unangespitzt in den Boden!«, versprach er, dann sprang er Henderson an. Seine rechte Faust zischte durch die Luft. Henderson duckte sich und die Faust radierte lediglich über seinen Schädel. Er glitt einen halben Schritt zur Seite und stellte Adams das Bein. Adams landete mit einem Aufschrei auf dem Bauch. Mit dem nächsten Atemzug aber wälzte er sich schon herum und kam hoch. »Du wirst auf allen Vieren aus der Kneipe kriechen!«, drohte er.
Breitbeinig stand Henderson da. »Meinst du nicht, dass du verloren hast, und zwar auf der ganzen Linie.« Er ging zum Billardtisch, nahm die beiden Geldscheine, faltete sie sorgfältig zusammen und steckte sie in die Hosentasche.
Jetzt rastete Adams gänzlich aus. Er stürmte heran und trat nach Henderson. Dieser erwischte das Bein mit beiden Händen, drehte es herum und Adams brüllte gequält auf, hüpfte kurze Zeit auf einem Bein, dann stürzte er. Henderson packte ihn mit der Linken am Kragen des Tarnanzuges und zog ihn ein Stück in die Höhe, holte aus und drosch ihm die Faust gegen den Kopf. Dann ließ er ihn los. Adams fiel auf das Gesicht.
»Ich hoffe, du hast genug«, knurrte Henderson.
Als Henderson den Billardraum verlassen wollte, stellten sich ihm drei Uniformierte in den Weg. Einer sagte: »So billig kommst du nicht weg, Henderson.«
»Geht zur Seite, ihr Milchknaben«, knurrte Henderson. »Euch drei schnupfe ich. Marsch, zur Seite.«
Der Mittlere der drei sprang Henderson an. Der drehte sich in ihn hinein, duckte sich, griff über seine Schulter und erwischte den Burschen an der Uniformjacke. Ein Ruck und er flog über seine Schulter, landete der Länge nach auf dem Boden und schnappte erstickend nach Luft.
Henderson wandte sich einem zweiten zu. Sein Fußfeger legte den Burschen flach. Einer stürmte mit dem erhobenen Queue auf Henderson los. Der Stock sauste nach unten, Henderson wich behände aus, donnerte dem Burschen von der Seite die Faust in den Leib, und als er sich verbeugte, hämmerte er ihm die Faust wie einen Hammer ins Genick. Einer der Kerle wollte wieder hoch, aber ein Schwinger von Henderson unter das Kinn legte ihn wieder flach.
Blitzschnell bückte sich Henderson nach dem Queue, der am Boden lag, hob ihn auf und schlug sich damit leicht in die geöffnete Linke. »Noch jemand, der es genau wissen will?«
Sie zogen die Köpfe zwischen die Schultern und starrten Henderson verbissen an. Dieser warf den Queue zu Boden, wandte sich abrupt um und verließ den Raum. Im Schankraum ging er zur Theke und verlangte noch ein Bier …
*
Mr. McKee hatte um kurz nach 20 Uhr Feierabend gemacht. Er fuhr auf dem schnellsten Weg nach Hause. Routiniert steuerte er seinen Oldsmobile durch den Verkehr.
Das Gebäude, in dem er wohnte, verfügte über eine Tiefgarage. Um die Schranke zu öffnen musste er eine Plastikkarte in ein Lesegerät schieben. Er fuhr die Rampe hinunter und steuerte den Oldsmobile auf den von ihm angemieteten Parkplatz.
Mr. McKee freute sich nicht auf den Feierabend. Seit Verbrecher seine Familie ausgelöscht hatten, hatte er sein Leben der Arbeit verschrieben. Er war ein Workaholic, der sein Privatleben vollkommen dienstlichen Belangen unterordnete. Aber irgendwann war auch bei ihm der Akku leer und er musste sich die Zeit nehmen, um ihn nachzuladen. McKee stieg aus und verriegelte per Fernbedienung die Türen seines Wagens.
In der Tiefgarage roch es nach Abgasen. Gelbe Neonröhren an der Decke sorgten für Licht. Mr. McKee wandte sich dem Aufzugschacht zu. Gedanklich war er schon wieder zwölf Stunden weiter. Ein Fall beschäftigte ihn derzeit besonders. Die NPA spielte hierbei eine Rolle …
Um den Aufzugschacht kam ein Mann herum. Er trug einen Kampfanzug und war maskiert. In seiner rechten Faust lag eine Pistole, die er auf Mr. McKee gerichtet hielt.
Der AD hielt an, als wäre er gegen eine unsichtbare Mauer gestoßen.
Hinter ihm erklangen Schritte. Mr. McKee schaute über die Schulter. Auch von hinten näherte sich ein Maskierter im Kampfanzug und zielte mit einer Pistole auf ihn. Mr. McKee, der die Luft angehalten hatte, stieß die verbrauchte Atemluft aus.
»Keinen Laut!«, gebot der Maskierte vor Jonathan D. McKee. »Zu dem Buick dort.« Er wies mit der Pistole auf ein metallic-blaues Fahrzeug.
Der AD stellte keine Fragen. Ihm war es wie Schuppen von den Augen gefallen. Ihm war klar, dass er von Angehörigen der NPA entführt wurde. Widerstand war angesichts der auf ihn angeschlagenen Pistolen zwecklos. Die Anspannung fiel von Mr. McKee ab, seine Schultern sanken nach unten. Er setzte sich in Bewegung. Einer der Kerle öffnete die hintere Tür. »Setzen Sie sich.« Mr.. McKee ließ sich auf die hintere Sitzbank fallen. Einer der Gangster setzte sich neben ihn, der andere klemmte sich hinter das Steuer. »Geben Sie mir Ihre Karte, McKee.«
Der AD griff in die Tasche und reichte ihm das Kärtchen. »Wie sind Sie denn hereingekommen?«
»Ich habe geläutet und Ihren Namen genannt. Der Doorman öffnete uns.«
»Was haben Sie mit mir vor?«
»Das werden Sie sehen, McKee.«
Von nun an schwiegen sie. Der Fahrer fädelte den Buick in den fließenden Verkehr ein …
*
Mein Telefon läutete. Es war Mandy, die sagte: »Mr. McKee ist nicht zum Dienst erschienen, Jesse. Er hat auch nicht angerufen. Das ist doch seltsam, findest du nicht?«
»Ausgesprochen seltsam. Hast du versucht, ihn telefonisch zu erreichen?«
»Vielleicht hat er verschlafen und …«
»Nicht der AD«, stieß ich hervor. »Ruf ihn an und sag mir wieder Bescheid.«
»In Ordnung, Jesse.«
Als ich aufgelegt hatte, schaute ich auf die Uhr. Es war 8 Uhr 05. Um diese Zeit war der Chef normalerweise längst im Dienst.
Wenige Minuten später klingelte mein Telefon erneut. Mandy sagte: »Fehlanzeige, Jesse. Er geht weder an seinen Festnetzanschluss, noch an sein Handy. Ich mache mir Sorgen.«
»War der Anrufbeantworter eingeschaltet?«, fragte ich.
»Nein.«
»Danke, Mandy, wir werden uns drum kümmern. Zunächst aber sollten wir noch abwarten. Dem Chef kann ja etwas dazwischengekommen sein.«
»Er ließe uns niemals im Unklaren«, wandte Mandy ein.
»Jetzt mal den Teufel nicht gleich an die Wand«, knurrte ich.
Nachdem ich aufgelegt hatte, sagte Milo, der dank des aktivierten Lautsprechers hören konnte, was Mandy gesprochen hatte: »Warum sollte nicht auch Mr. McKee mal verschlafen?«
»Das Klingeln des Telefons hätte ihn geweckt.«
»Vielleicht hat er den Klingelton auf leise gestellt.«
Ich winkte ab. »Warten wir. Wenn er bis um 9 Uhr nicht aufgetaucht ist, sehen wir nach.«
Mr. McKee tauchte nicht auf.
Milo und ich fuhren zu seiner Wohnung. Milo läutete. In der Wohnung blieb es ruhig. Ich fuhr mit dem Aufzug hinunter in die Tiefgarage. Der Oldsmobile unseres Chefs stand auf seinem Platz. Jetzt begann ich mir echte Sorgen zu machen. Der Aufzug trug mich wieder nach oben. »Sein Wagen steht unten«, sagte ich.
Milo machte ein Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. »Wir müssen in der Wohnung nachsehen«, murmelte er bedrückt.
»Schließ auf«, sagte ich.
Milo holte das Etui mit den Spezialdietrichen aus der Tasche. Es dauerte keine zwanzig Sekunden, dann hatte er die Tür geöffnet. Ich verspürte ein Kribbeln zwischen den Schulterblättern. Was erwartete uns in der Wohnung? Ich war angespannt bis in die letzte Faser meines Körpers.
Wir gingen hinein. Alles war sauber und ordentlich. Das Wohnzimmer war verwaist. Ich betrat das Schlafzimmer. Das Bett war nicht zerwühlt. Wir schauten auch ins Arbeitszimmer des Chefs und ins Badezimmer. Nichts!
Wir verließen die Wohnung wieder, ich läutete bei einem Nachbarn. Es war eine Frau, die öffnete. Ich sagte ihr, wer wir waren, dann erklärte ich ihr, dass Mr. McKee spurlos verschwunden war. Sie zuckte mit den Schultern und sagte: »Ich hörte ihn gestern Morgen gegen 6 Uhr die Wohnung verlassen. Seitdem habe ich von ihm nichts mehr gesehen oder gehört.«
Wir fuhren zurück zum Bundesgebäude an der Federal Plaza. Vom Büro aus rief ich Clive Caravaggio an. Er hatte dienstfrei. »Mr. McKee ist spurlos verschwunden«, sagte ich.
Details
- Seiten
- Erscheinungsjahr
- 2022
- ISBN (ePUB)
- 9783738967913
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2022 (November)
- Schlagworte
- trevellian gangsterfestung action krimi