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​Im Banne des Hasses: Pete Hackett Western Edition 80

von Pete Hackett (Autor:in)
©2022 130 Seiten

Zusammenfassung

In Shadoe Rankin war nur noch Hass. Wie einen räudigen Straßenköter hatten ihn die Yankees einige Monaten nach General Lees Kapitulation aus dem Gefangenenlager in Kansas gejagt. Ohne Pferd, ohne Waffen, ohne Geld und ohne einen Bissen Proviant. Nicht einmal vernünftige Kleidung hatten sie ihm gegeben.

Auf seinem Weg nach Süden stahl er sich seine Nahrung zusammen oder lebte von dem, was ihm die Natur bot. Er war abgemagert. Die graue Uniform, auf die er einst so stolz gewesen war, hing in Fetzen an seinem knochigen Körper. Die Augen lagen tief in den Höhlen.

Shadoe Rankin, der zuletzt als Captain für die Sache des Südens gekämpft hatte, war so ziemlich am Ende. Seit vielen Wochen war er unterwegs. Verfilztes Bartgestrüpp wucherte in seinem eingefallenen Gesicht. Er war schmutzig und verschwitzt. Sein Ziel war die Farm am Mustang Draw, in der Nähe von Seminole im Gaines County, Texas. Dort war er zu Hause. Dort wollte er seine Wunden lecken und düstere Vergeltungspläne schmieden.

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Alfred Bekker

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​Im Banne des Hasses: Pete Hackett Western Edition 80

Western von Pete Hackett


Über den Autor

Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.

Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."

Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.


Ein CassiopeiaPress E-Book

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© 2012 der Digitalausgabe 2012 by AlfredBekker/CassiopeiaPress

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In Shadoe Rankin war nur noch Hass. Wie einen räudigen Straßenköter hatten ihn die Yankees einige Monaten nach General Lees Kapitulation aus dem Gefangenenlager in Kansas gejagt. Ohne Pferd, ohne Waffen, ohne Geld und ohne einen Bissen Proviant. Nicht einmal vernünftige Kleidung hatten sie ihm gegeben.

Auf seinem Weg nach Süden stahl er sich seine Nahrung zusammen oder lebte von dem, was ihm die Natur bot. Er war abgemagert. Die graue Uniform, auf die er einst so stolz gewesen war, hing in Fetzen an seinem knochigen Körper. Die Augen lagen tief in den Höhlen.

Shadoe Rankin, der zuletzt als Captain für die Sache des Südens gekämpft hatte, war so ziemlich am Ende. Seit vielen Wochen war er unterwegs. Verfilztes Bartgestrüpp wucherte in seinem eingefallenen Gesicht. Er war schmutzig und verschwitzt. Sein Ziel war die Farm am Mustang Draw, in der Nähe von Seminole im Gaines County, Texas. Dort war er zu Hause. Dort wollte er seine Wunden lecken und düstere Vergeltungspläne schmieden.

Von dem Patriotismus, mit dem er in den Krieg gezogen war, war nichts mehr übrig. Ein stolzer Mann hatte die Farm vor über vier Jahren verlassen, nach Hause kam ein abgerissener, geschlagener Tramp, dessen Seele abgestumpft und dessen Herz tot war.

Die Abenddämmerung begann das Land einzuhüllen. Die hohe, hagere Gestalt in den grauen Fetzen und einem verbeulten Strohhut auf dem Kopf wankte aus dem Ufergebüsch des Canadian River und sank auf dem Schwemmsandgürtel, den das Hochwasser zurückgelassen hatte, auf die Knie. Noch mehr als 250 Meilen war er vom Mustang Draw entfernt, 250 Meilen bis zur Farm, wo Kathy, seine Frau, sowie Sally und Tom, seine Kinder, auf ihn warteten.

Das Wasser des Canadian umspülte seine Knie. Er dachte an Kathy, an Sally. Sie war zwischenzeitlich zwanzig. Tom war dreizehn, als er in den Krieg zog. Anfangs war er in Gedanken oft bei ihnen, im Laufe der Zeit aber gerieten sie bei ihm mehr und mehr in Vergessenheit. Jetzt dachte er wieder an sie.

Mit den hohlen Händen schöpfte Shadoe Rankin das frische Wasser und warf es sich in das Gesicht mit den tiefen Linien und Kerben, die Jahre der Entbehrungen und Strapazen hineingegraben hatten. Ja, er dachte an seine Familie. Aber er fühlte nichts. Empfindungen regten sich in ihm nur, wenn er an die Yankees und all jene dachte, die nicht im Krieg waren, jene, die nicht im Dreck lagen und denen nicht die Kugeln und Granaten der Nordstaatler um die Ohren pfiffen.

In seine Augen trat ein Irrlicht, ein unheimliches Glühen beim Gedanken an sie.

Er trank. Das Wasser erfrischte und belebte ihn. Shadoe Rankin starrte über den Fluss. Träge wälzten sich die Fluten dahin. Im Westen glühte der Horizont im Widerschein der untergegangenen Sonne. Der Wunsch nach einem Pferd und nach Waffen drängte wieder einmal mehr aus dem Unterbewusstsein des Mannes, der am Flussufer kniete und in dessen langen Haaren, die sich bereits grau färbten, der Abendwind spielte. Mit einem Pferd könnte er in wenigen Tagen zu Hause sein ... Er richtete sich auf. Von den Knien abwärts war seine Hose nass. Wasser war in seine gebrochenen Stiefel eingedrungen. Es linderte das Brennen seiner Füße. Der Fluss war breit und tückisch. Monotones Rauschen und Rascheln erfüllte die Luft. Der rötliche Schein auf dem Land verblasste. Die Schatten wurden schwächer.

Rasselnd holte Shadoe Rankin Luft. Er musste hinüber. Ein Ruck durchfuhr seine Gestalt. Shadoe Rankin watete in den Fluss hinein. Bald umspülte das Wasser seine Hüften. Drüben erhob sich dunkel und drohend wie eine undurchdringliche Wand das Ufergestrüpp. Angespülte, rindenlose, bizarr geformte Äste lagen davor auf dem Ufersaum und erinnerten an ausgebleichte Skelette.

Shadoe Rankin begann zu schwimmen. Bald schon spürte er die Schwäche in seinen Armen und Beinen. Die vollgesaugte Kleidung hing wie Blei an ihm und schränkte ihn in seiner Bewegungsfreiheit immens ein. Die starke Strömung in der Flussmitte packte ihn wie mit zornigen Klauen. Er kämpfte dagegen an, mobilisierte seine letzten Energien, wurde von einem Wirbel erfasst und herumgeschleudert und unter Wasser gedrückt. Sein Hut wurde davongetragen und hüpfte auf den Wellen. Shadoe Rankin schluckte Wasser, kam wieder hoch und musste husten. Seine Lungen pfiffen, aber dann füllten sie sich mit lebenserhaltendem Sauerstoff und der Selbsterhaltungstrieb gewann die Oberhand. Mit Armen und Beinen kämpfte er gegen die Wassermassen um sich herum an, dennoch blieb er ein Spielball der Gewalt des Flusses. Die Flut riss ihn mit. Seine Reserven erlahmten ...

Bei einer Biegung des Flusses kam er dem Ufer etwas näher. Der Kopf drohte ihm zu platzen. Sein Blick war vom Wasser verschleiert, seine Augen brannten, das geschluckte Flusswasser verursachte Übelkeit in ihm. Shadoe Rankin begann wieder zu rudern. Das rettende Ufer war greifbar nahe, aber seine Arme schienen Tonnen zu wiegen, es war, als umgäbe ihn nicht Wasser, sondern zähflüssige Pampe, und so mutete es ihn unerreichbar fern an. Aber da war der dämonische Durchhaltewille, der ihn nicht aufgeben ließ. Alles in ihm bäumte sich gegen den Gedanken auf, zu ertrinken wie eine Ratte in ihrem überfluteten Bau.

Und der Zufall spielte obendrein Schicksal. Keine hundert Yards flussabwärts trieben zwei Reiter ihre Pferde durch eine Lücke des Buschgürtels. Sie rissen ihre Pferde in den Stand und beobachteten die Gestalt, die dem Fluss einen verzweifelten Überlebenskampf lieferte. Um sie herum spritzte und gischte das Wasser. Der Mann schien nicht vom Fleck zu kommen, als hielt ihn etwas fest, das sich unter der Oberfläche verbarg, und verhinderte, dass er das Ufer erreichte.

„Heavens!“, stieß einer der Reiter hervor. „Wir müssen ihm helfen, sonst säuft er ab ...“

Sie nahmen die Pferde herum und sprengten über den Ufersaum, und während die Hufe ihrer Pferde wirbelten, knüpften sie die Lassos vom Sattel.

Dann standen die Pferde und die Schlingen flogen durch die Luft, fielen vor Shadoe Rankin klatschend ins Wasser, und der Mann griff mit verkrampften Händen danach. Sie zogen ihn an Land. Röchelnd und röhrend lag er auf dem Bauch. Dann übergab er sich und erbrach einen Schwall Flusswasser. Schließlich setzte er sich auf und wischte sich das Wasser aus den Augen.

Die beiden Reiter waren abgesessen, nachdem sie ihre Lassos zusammengerollt und wieder an die Sättel gehängt hatten. Sie waren gekleidet wie Weidereiter, an ihren Gürteln hingen schwere Colts, sie trugen sie jedoch hoch an den Hüften. Besorgt knieten sie bei dem ausgemergelten Mann in der mausgrauen, zerschlissenen Rebellenuniform ab.

„Geht’s wieder?“, fragte der eine von ihnen, ein blondhaariger Bursche von höchstens zwanzig Jahren.

„Yeah“, keuchte Shadoe Rankin, nickte, und fügte rau hinzu: „Thanks. Ich hätte es sicher auch alleine geschafft - aber dennoch, vielen Dank.“

Die Cowboys wechselten einen betroffenen Blick, der Blondhaarige zog den Mund schief und meinte: „Danach hat es aber ganz und gar nicht ausgesehen, Mister. Du hast ganz schön gezappelt.“

„Wer seid ihr?“, fragte Shadoe Rankin zwischen zwei rasselnden Atemzügen.

Sie musterten ihn abschätzend, schätzten ihn ein, versuchten zu ergründen, zu welcher Sorte er wohl gehörte. Und als sie fertig waren, erhob der andere Cowboy seine Stimme: „Mein Name ist Ted Jennings, mein Gefährte heißt Brian Faithful. Wir reiten für die Waycross-Ranch Gene Saddlers. Südlich des Canadian beginnt das Weidegebiet der Ranch.“

Es war jetzt ziemlich dunkel. Das Wasser des Canadian glitzerte. In den Büschen erstarben die Geräusche der Natur.

Wieder ließ Jennings seine Stimme erklingen: „Kommen Sie aus der Gefangenschaft, Mister? Sie stecken noch in der grauen Uniform. In Texas wimmelt es von Yanks. Ein Mann in der Rebellenuniform erregt hier schnell Missfallen und Argwohn. Sie sollten zusehen, dass Sie die Fetzen ablegen und sich vernünftig kleiden.“

In Shadoe Rankins Augen glühte es auf. Es mutete an wie ein Signal. In seinen Zügen zuckte es, dann brach es aus ihm heraus: „Sie haben mich in Fort Leavenworth eingesperrt, und als die Amnestie kam, jagten sie mich davon wie einen tollwütigen Hund. Einer wie ich gilt in dem Land, für das er den Kopf hingehalten hat, nichts mehr. Nicht nur bei den Yanks stoße ich auf Ablehnung. Wo ich auch hinkam und um Hilfe bat - ich wurde abgewiesen. Plötzlich will keiner mehr etwas vom Krieg wissen. Habt ihr gekämpft?“

Seine letzte Frage kam wild, sein flammender Blick sprang von einem zum anderen.

Brian Faithful schüttelte den Kopf. Er fühlte sich plötzlich nicht wohl in seiner Haut. Shadoe Rankin verströmte plötzlich etwas, das ihn frösteln ließ. „No“, murmelte er unsicher, „ich war zu jung, als es begann. Und als ich alt genug gewesen wäre - nun ...“ Er brach ab, zuckte hilflos mit den Achseln und schaute betreten zur Seite.

„Ich war dabei“, gab Jennings zu verstehen und fixierte Shadoe Rankin grübelnd. „Allerdings wurde ich 63 schon verwundet und war nicht mehr kriegstauglich. Sie schickten mich zurück nach Texas.“

Shadoe Rankins Kiefern mahlten. Das Irrlichtern in seinen Augen war erloschen. Sein Verstand wälzte düstere Überlegungen. Er sagte dumpf: „Ihr habt doch sicherlich Streichhölzer dabei, um ein Feuer zu entfachen. Außerdem habe ich seit gestern nichts mehr zwischen die Zähne bekommen ...“


*


Auf einer kleinen Lichtung zwischen den Sträuchern flackerte das Feuer. Das Zweigwerk filterte den Lichtschein und ließ ihn kaum durch das dichte Gespinst dringen. Die drei Männer kauerten am Feuer. Um sie herum flossen Licht und Schatten ineinander. Im Feuer knackte das dürre Holz. Jennings und Faithful hatten beschlossen, hier die Nacht zu verbringen. Sie hatten Shadoe Rankin Pemmican zu essen gegeben. Jetzt ließen sie eine flache Flasche Whisky kreisen, die Jennings in der Satteltasche mitführte. Dazu rauchten sie.

Irgendwie spürten die beiden Cowboys das Unheil, das von Shadoe Rankin ausging. Etwas Böses schien ihn zu umgeben. Unter halbgesenkten Lidern hervor beobachtete er die beiden abwechselnd. Seine Kleidung war fast trocken. Die Nacht war kühl, jedoch der Whisky wärmte ihn von innen. Manchmal ließ Shadoe Rankin seinen Blick zu den beiden Pferden schweifen, die etwas abseits angeleint worden waren. Sie standen unter den Sätteln, die Weidereiter hatten ihnen jedoch die Sattelgurte gelockert.

Das Essen und der Schnaps hatten neue Kräfte in den ausgebrannten Körper Shadoe Rankins zurückfließen lassen. Die beiden Cowpuncher besaßen alles, was er wollte. Erstklassige Pferde, Sättel, Waffen ...

Der Jüngere der beiden - dieser Brian Faithful, er musste um die sechzehn gewesen sein, als der Krieg begann. In Scharen waren Kerle dieses Alters zu den Fahnen geströmt, als das Kriegsglück des Südens kippte und als Lee Jung und Alt zu den Waffen rief. Zu tausenden waren sie im Trommelfeuer der Yankees gestorben oder von den Granaten zerfetzt worden. Er, Shadoe Rankin, hatte sie fallen und sterben sehen. Sie waren Helden.

Faithful lebte. Er hatte es vorgezogen, andere für die Sache des Südens sterben zu lassen. Ted Jennings war nicht viel besser. Verachtung breitete sich in Shadoe Rankin aus. Er hat gekniffen, nachdem er ein Stück Blei auffing!, durchzuckte es Shadoe Rankin giftig. O ja, ich habe sie erlebt, diese dreckigen Simulanten, die alles taten, um wegen ihrer Kratzer für frontuntauglich erklärt und nach Hause geschickt zu werden. Sie trieben es bis zur Selbstverstümmelung und scherten sich einen Dreck um die Kameraden, die reihenweise krepierten.

Die Leidenschaft durchrann Shadoe Rankin wie tödliches Fieber. Er erbebte innerlich. Ein brutaler, gnadenloser Zug hatte sich um seinen dünnlippigen Mund festgesetzt. Sein Kinn war eckig geworden, und ein Blick in sein Gesicht ließ all die Skrupellosigkeit und Verworfenheit, die in ihm steckten, erahnen. Der mörderische Krieg hatte ihn zu einer den niedrigsten Trieben gehorchenden Bestie werden lassen. Der Hass übermannte ihn ...

Shadoe Rankin erhob sich. Er reckte seine knochigen Schultern, über denen die noch feuchte, abgerissene Uniformjacke hing. Ihm entging nicht, dass ihn die Cowboys wachsam beobachteten, dass sich ihre kauernden Gestalten strafften und jähe Anspannung ihr Mienenspiel beherrschte.

Shadoe Rankins Lippen zogen sich unter einem hintergründigen Lächeln in die Breite. Innerlich war er kalt wie Gletschereis. „Ich verzieh mich mal für ein paar Minuten hinter die Büsche“, erklärte er, und es klang heiser, als stünde er unter einer immensen, inneren Anspannung. „Wahrscheinlich verträgt mein Magen keinen Schnaps mehr.“ Er rülpste laut und drückte seine Hand gegen den Leib.

Ted Jennings’ Brauen schoben sich zusammen. Forschend starrte er in Shadoe Rankins Züge, in die der Feuerschein düstere Schatten warf. Plötzlich knurrte er: „Geh in diese Richtung, Rankin.“ Er wies mit dem Kinn auf die den Pferden abgewandte Seite der Lichtung.

Shadoe Rankins Gestalt krümmte sich etwas nach vorn. Seine Hände öffneten und schlossen sich. Er knirschte drohend: „Du misstraust mir, wie? Einem, der mit der Waffe in der Faust für die Interessen seines Landes eintrat und der als Bettler in die Heimat zurückkehrt, darf man wohl nicht über den Weg trauen? O verdammt!“

„Das hat damit nichts zu tun. Ich kenne viele Männer, die die ganze Zeit dabei waren. Sie sind heimgekehrt und leben geachtet und respektiert unter uns. Du bist anders als sie, Rankin. Dir haftet etwas an, das mir nicht gefallen will. Ich kann es nicht deuten oder beschreiben, jedenfalls würde ich dir auch nicht trauen, wenn du nicht aus Leavenworth kämst und den grauen Waffenrock tragen würdest.“

Shadoe Rankin belauerte ihn wie ein Raubtier. Er hatte den Anschein, als wollte er ihn anspringen und mit den bloßen Händen erwürgen. Er schluckte hart, sein Kehlkopf rutschte im faltigen Hals hinauf und hinunter.

Brian Faithfuls Hand tastete zum Knauf des Coltrevolvers. Dieser große, dunkle Mann war ihm unheimlich. Sie hatten ihn aus dem Fluss gezogen, als er fast ertrunken wäre, sie gaben ihm zu essen, zu trinken und zu rauchen, und sie hatten beschlossen, ihm Gesellschaft zu leisten, bis er wieder stark genug war, um seinen Weg in die Heimat fortzusetzen. Jetzt hatte Faithful das Gefühl, dass es besser gewesen wäre, sie hätten ihn dem Fluss überlassen. Tief in seinem Innersten spürte er das Verhängnis, das sich über ihren Köpfen zusammenbraute wie ein alles vernichtender Blizzard.

Abrupt schwang Shadoe Rankin auf den Absätzen herum. Er bahnte sich einen Weg zwischen das Gestrüpp. Kurze Zeit war das Rascheln von Laub, das Peitschen dünner Zweige, knacken und brechen zu vernehmen, dann hörten die Cowboys das Würgen des ehemaligen Soldaten.

„Er hat etwas im Sinn“, knirschte Jennings zwischen den Zähnen und erhob sich mit einem Ruck. „Dieser Bursche steckt voller Heimtücke und Habgier. Halt die Augen offen, Brian.“

In den Büschen war es jetzt still. Nur das Säuseln des Windes und das Gurgeln des Canadian erfüllte die Finsternis. Im Süden hing der Mond und schüttete sein kaltes Licht auf das Land. Hier und dort funkelten Sterne. Wolkenschatten glitten lautlos über den Fluss und verschmolzen mit der Nacht.

Ted Jennings näherte sich den Pferden. Die Tiere lagen auf der Erde am Rande des Feuerscheins. Jetzt hoben sie die Köpfe. Die Gebissketten klirrten. Jennings’ Hand legte sich um den Revolverknauf. Er schaute über die Schulter und sah Brian auf den Hacken am Feuer kauern. Beklemmung ließ Jennings’ Hals eng werden, dumpf pochte sein Herz, dumpfe Ahnungen brachten seine Nerven zum Schwingen.

Er hob seinen Blick und über Brian hinweg starrte er auf die Stelle, an der Rankin im Gestrüpp verschwunden war. Von Rankin war nichts zu sehen und zu hören. Jennings spürte Trockenheit in seiner Mundhöhle. Das tiefsitzende Unbehagen löste ein seltsames Kribbeln zwischen seinen Schulterblättern aus. Und als wäre der Funke von Unrast und Nervosität auf die Pferde übergesprungen, erhoben sie sich ruckhaft. Dumpfes Stampfen der Hufe erklang.

In dem Gestrüpp ertönte ein wildes, durchdringendes Fauchen. Ein Fluch wurde gebrüllt, eine Erschütterung durchlief einen der Büsche, ein Ast brach mit trockenem Knall. Und dann erklang wieder das grässliche Fauchen, ein dumpfer Fall ...

Die Pferde warfen die Köpfe hoch, wieherten von jäher Panik erfüllt und zerrten an den Leinen. Brian Faithful war mit einem Satz auf den Beinen. Er rannte auf die Büsche zu, zwischen denen die Geräusche darauf schließen ließen, dass Rankin von einem wilden Tier, einem Puma, angefallen worden war. Er riss den Colt aus dem Halfter und spannte ihn.

Die Pferde waren außer Rand und Band. Ted Jennings war zwischen sie gesprungen und hielt sie am Zaumzeug gepackt. Mit stählerner Hand versuchte er, die angsterfüllten Tiere zu bändigen. Er setzte sein ganzes Körpergewicht ein und hatte das Gefühl, als würden ihm die Arme aus den Schultergelenken gerissen.

Jennings konzentrierte sich voll und ganz auf die entsetzten Pferde ...


*


Ohne anzuhalten brach Brian zwischen die Büsche. Zweige peitschten sein Gesicht und rissen seine Haut auf, zerrten ihm den Hut vom Kopf. Er stolperte über eine Luftwurzel, konnte gerade noch das Gleichgewicht bewahren, und er schrie heiser: „Rankin, bei Gott, wo bist du?“

Das Wiehern und Stampfen der Pferde sickerte heran, vermischte sich mit Jennings’ rauem Organ. Das Fauchen und Rascheln war nicht mehr laut geworden. Geduckt stand Faithful da, versuchte sich zu orientieren, witterte und lauschte. Seine schweißnasse Hand hatte sich regelrecht am Coltknauf festgesaugt. Finsternis umgab ihn wie ein schwarzer Vorhang.

Hinter seinem Rücken war plötzlich gepresstes Atmen. Er war wie elektrisiert und wollte sich herumschleudern. Ein Arm legte sich hart um seinen Hals und drückte ihn unerbittlich zusammen. Unwillkürlich krümmte der große Junge den Finger. Ein Feuerstrahl zuckte aus der Coltmündung und riss für Sekundenbruchteile die Umgebung aus der Finsternis. Das Geschoss bohrte sich in die Erde. Die Detonation versickerte zwischen den Büschen. Faithfuls Lippen sprangen auseinander zu einem Schrei, dieser aber wurde in der Kehle erstickt. Der Junge spürte die Hand in seinen Haaren ...

Mit einem leisen Knacken brach das Genick. Die Gestalt erschlaffte. Shadoe Rankin ließ sie zu Boden gleiten, seine Hand ertastete den Colt. Die Schwärze der Nacht verbarg den teuflischen Ausdruck in seiner Miene, das irre Glitzern in seinen Iris.

„Brian, was ist da? Beim Henker, Brian, melde dich!“, hörte er Ted Jennings atemlos brüllen.

Ein satanisches Kichern entrang sich Shadoe Rankin. Mit dem Colt in der Faust glitt er zum Rand der Lichtung. Er triumphierte, weil sie auf seinen primitiven Trick hereingefallen waren. Das Feuer war ziemlich heruntergebrannt. Die Glut mutete an wie das rote Auge eines Zyklopen. Schattenhaft war Jennings zwischen den beiden Pferden auszumachen, die sich nach dem Schuss noch verrückter gebärdeten.

Geduckt huschte Shadoe Rankin am Buschsaum entlang. Seine Hand mit dem Colt hing nach unten. Er spürte nicht die Spur einer Gemütsregung. Tausendmal hatte er in den vier Jahren Krieg den Tod hautnah erlebt, tausendmal griff er mit knöcherner Klaue nach ihm, der Tod war mit ihm schlafen gegangen und mit ihm wieder aufgestanden. Leben auszulöschen war ihm zur zweiten Natur geworden. Er fand nichts mehr dabei, es ließ ihn kalt.

Er befand sich hinter Jennings. Sein Daumen lag auf der Hammerplatte. Er hob die Faust mit dem Colt und spannte ihn. Klickend rotierte die Trommel um eine Kammer weiter. Ted Jennings wurde von den Pferden hin und her gezerrt. Er schrie sich fast die Lunge aus dem Leib, weil Brian nicht antwortete. Das metallische Knacken, das wie ein Gruß aus der Hölle in seinen Verstand eindrang, hörte er dennoch. Instinktiv ließ er die Pferde fahren und er wirbelte geduckt herum. Grell lohte es ihm entgegen. Den peitschenden Knall in den Ohren spürte er den furchtbaren Schlag gegen die Brust, und es waren die letzten Wahrnehmungen seines Lebens. Mit einem ersterbenden Röcheln brach er zusammen, und als er aufschlug, war in ihm kein Funke Leben mehr.

Mitleidlos starrte Shadoe Rankin sekundenlang auf die reglose Gestalt hinunter. Er befand sich wie in einem Rausch. Die Pferde tobten, die Leinen, die um armdicke Äste geschlungen waren, würden nicht mehr lange standhalten. Schmerzhaft schnitten die eisernen Gebissstangen in die Mäuler der Tiere. Diese Qual schürte ihre Panik.

Shadoe Rankin überkam schlagartig die Ernüchterung. Er schob den Colt in seinen Hosenbund, stieg über den Leichnam hinweg und griff den Pferden in das Zaumzeug. Mit aller Kraft, die all seinen Willen erforderte, drückte er ihre Köpfe nach unten. Sie prusteten, keilten nach hinten aus, peitschten mit den Schweifen. Die Anstrengung versiegelte Shadoe Rankins Lippen, er presste die Zähne aufeinander, dass der Schmelz knirschte, seine Muskeln und Sehnen in den Armen und Schultern drohten zu zerreißen.

Er zwang den Tieren seines Willen auf. Und da nichts mehr folgte, das ihre panische Unrast nährte und steigerte, beruhigten sie sich. Mit zitternden Flanken standen sie schließlich. Bei dem Mann brachen sich der Stau aus Konzentration und Anspannung und die jäh einsetzende Erschöpfung mit einem kehligen Gurgeln Bahn. Seine Arme schmerzten, in seinen Schläfen hämmerte das Blut, in seinen Ohren dröhnte es.

Er wankte auf tauben Beinen einige Schritte zur Seite und ließ sich auf den Boden sinken. Nach und nach legte sich in ihm der Aufruhr der Empfindungen. Er war über Leichen gegangen und hatte, was er benötigte, um die letzten 250 Meilen bis nach Hause ohne besondere Strapazen zurückzulegen.


*


Er ritt über endlos anmutendes Weideland nach Südwesten. Tausende wilder, ungebrändeter Longhorns kreuzten seinen Weg. Während des Krieges hatten die Rinder sich vermehrt wie Karnickel. Sie waren herrenlos.

Shadoe Rankin steckte in den Kleidern der Weidereiter, die er ermordet hatte. Er hatte sie längst aus seinem Gedächtnis gestrichen. Um seine Hüften wand sich Ted Jennings’ Revolvergurt. Im Sattelschuh steckte eine Henrygun. Das Pferd, das er ritt, trug den Waycross-Brand. Das andere, das er an der Longe mit sich führte, ebenfalls. Im Sattel dieses Tieres steckte gleichfalls ein Repetiergewehr. In Shadoe Rankins Hosentasche knisterten einige Dollarnoten. Er hatte sie den toten Cowboys abgenommen.

Shadoe Rankin war zufrieden. Er lebte nur in der Gegenwart, fast wie ein wildes Tier. Das Land war endlos. Shadoe Rankin mied die Städte und Ansiedlungen. Die Tage waren heiß, die Nächte kühl. Unermüdlich zog Shadoe Rankin dem Mustang Draw entgegen. Unter den pochenden Hufe der Pferde schmolzen die Meilen.

Der Bandit ahnte nicht, dass ihm ein Reiter auf der Fährte klebte. Ein Mann, der wie Shadoe Rankin durch die Hölle des Bruderkrieges ging und der es gelernt hatte, zu töten. Wie ein Bluthund folgte er der Spur, die Shadoe Rankin über das Weideland zog.

Der Name des Mannes war Allan Davis. Er war siebenundzwanzig Jahre alt, dunkel wie ein Komantsche, hart wie Stahl und unnachgiebig. Er ritt einen Falben. Den schweren Coltrevolver trug er nicht am Oberschenkel, sondern schräg vor seinem Leib. Griffbereit ragte der Kolben aus dem Futteral. In seinem Sattelhalfter steckte eine Henry Rifle.

Die Narben im schmalen Gesicht und der verbitterte Ausdruck um seinen Mund zeugten davon, dass Allan Davis den Krieg in all seinem brutalen Irrsinn durchgemacht und mit all seinen Schrecken erlebt hatte. Vor etwas über einem Monat war er auf die Waycross-Ranch zurückgekehrt. Vor dem Bruderzwist war er dort als Cowboy beschäftigt gewesen. Jetzt hatte ihn Gene Saddler zu seinem Vormann gemacht.

Als Jennings und Faithful überfällig waren, ließ Saddler sie suchen. Tot und fast unbekleidet, ihrer Pferde und Waffen beraubt, lagen sie im Ufergestrüpp des Canadian. Allan nahm die Spur der beiden Pferde auf. Es gab immer wieder Hinweise und Zeichen, die sie markierten. Allan hatte geschworen, den Mörder der beiden Weidereiter zur Rechenschaft zu ziehen.

Unbeirrbar folgte er der Fährte. Er fand die Plätze, an denen der Mörder gelagert hatte. Er schätzte seinen Vorsprung auf zwanzig Stunden. Es war kein Hass, der ihn trieb, es war auch nicht die Gier nach Rache. Es war nur das unstillbare Verlangen, den Mörder der Gerechtigkeit zuzuführen.

Ahnungslos, dass er verfolgt wurde, erreichte Shadoe Rankin acht Tage, nachdem er den Canadian überquert hatte, seine Farm. Alles wirkte grau in grau, war heruntergewirtschaftet und verkommen. Die Dächer der Schuppen und Scheunen waren an manchen Stellen eingebrochen. Der Pferch, in dem einige Ziegen weideten, war notdürftig repariert. Hühner badeten im Staub. Im Stall stampften Pferde.

Shadoe Rankin hatte zwischen zwei windschiefen Schuppen angehalten. In ihm war keine Freude über die Heimkehr. Er witterte und ließ seinen Instinkten freien Lauf. Mit einem Schenkeldruck trieb er das Pferd an. Das Tier an der Longe trottete hinterher. Shadoe Rankin ritt zum Brunnen in der Hofmitte. Hinter einem der Fenster glaubte er eine flüchtige Bewegung wahrzunehmen.

Als sich Shadoe Rankin vom Pferd schwang, flog die Tür des flachen Farmhauses auf. Sally erschien in dem niedrigen Rechteck. „Dad!“, platzte es über ihre Lippen, vor Erregung presste sie die rechte Hand gegen ihren Halsansatz, als konnte sie so ihren fliegenden Atem unter Kontrolle bringen.

Sattelsteif ging er ihr entgegen. Er war überrascht und blinzelte ungläubig. In seinen Mundwinkeln zuckte es. Aus der sechzehnjährigen Göre mit den rotblonden Zöpfen und den Sommersprossen auf der Nase war eine ausgesprochen hübsche, junge Frau geworden. Für die Spanne einiger Atemzüge schien sich in Shadoe Rankins Herzen etwas zu regen, aber er war wohl nicht mehr fähig, Wärme und Ergriffenheit auszuleben. Betroffen von seinem versteinerten Gesichtsausdruck blieb Sally zwei Schritte vor ihm stehen. Brüchig entrang es sich ihr noch einmal: „Dad ...“

Aus dem Farmhaus drängten zwei Kerle. Sie grinsten blitzend. Was sie auf dem Leib trugen, war eine Mischung aus Teilen der Rebellenuniform und ziviler Kleidung. Sie waren beide Mitte zwanzig.

„Hol mich dieser oder jener!“, entfuhr es Shadoe Rankin. „John Finerty und Jim Conner.“ Er ging, ohne Sally weiter zu beachten, an ihr vorbei. Die Hände des Mädchens, die sie ihm entgegengestreckt hatte, sanken müde nach unten. Herbe Enttäuschung zeichnete ihre Züge und verdunkelte ihre Augen. „Das haut mich ja glatt um, Jungs. Ich wähnte euch längst beim Teufel.“

„Der Yankee, der uns in die Hölle schickt, ist noch nicht geboren!“, rief John Finerty, ein großer, breitschultriger Bursche mit verwegenem Gesicht und sandfarbenen Haaren. „Und da wir annahmen, dass du irgendwann nach Hause kommst, Captain, ritten wir zum Mustang Draw. - He, alter Eisenfresser, du hast nicht übertrieben, als du von deiner hübschen Tochter erzähltest. Sie ist noch viel hübscher ...“

„Du hast hoffentlich die Finger von ihr gelassen, Amigo?“, presste Shadoe Rankin hervor und seine Stirn lag in Falten.

„Ich war die ganze Zeit über der Anstandswauwau“, rief Jim Conners lachend. „Und ich habe dem alten Weiberhelden Tag für Tag eingeredet, dass die Tochter seines Captains für ihn tabu ist. Er hat es sehr schnell begriffen, schätze ich.“

Shadoe Rankins Züge hellten sich wieder auf. „Es ist gut, euch zu sehen.“ Er drehte sich um und nahm Front zu Sally ein. „Ich war lange weg, Sally“, murmelte er. „Hier scheint sich eine Menge verändert zu haben.“ Sein rastloser Blick sprang in die Runde. „Man müsste alles wegreißen und neu aufbauen. Nun, wir werden sehen.“ Der Anflug eines Lächelns huschte um seinen Mund. „Du bist sehr schön geworden, Sally, eine richtige Frau. Wahrscheinlich rennen dir die Kerle aus der Umgebung Tür und Tor ein.“

Sally errötete. Seine seltsame Reserviertheit irritierte sie. Er gab sich wie ein Fremder. Sie versuchte in seinem Gesicht zu lesen, ihn zu ergründen, etwas zu finden, was sie an ihren Vater erinnerte, wie er vor über vier Jahren war. Aber sie sah nur steinerne Härte und gefrierende Kälte. Sie erschauderte.

„Ich vermisse deine Mutter und deinen Bruder“, drang seine Stimme in ihr Bewusstsein. „Warum kommen sie nicht aus dem Haus ...“ Plötzlich umwölkte sich seine Stirn. „Sie kämen heraus, wenn sie da wären. Sprich, was ist los?“

„Ma und Tom sind tot, Dad“, stammelte das Mädchen und schluckte krampfhaft. „Eine Horde Banditen tauchte gleich nach Kriegsende bei uns auf, sie nahmen sich, was sie brauchten, und als ihr Anführer über Ma herfiel, ging Tom dazwischen. Ben Hartfiel erschoss ihn, eine verirrte Kugel traf auch Ma.“

„Hartfield?“ Die Leidenschaft, die in Shadoe Rankins Zügen wühlte, war erschreckend und entstellte sie. Seine Stimme sank herab zu einem heiseren Flüstern: „Ben Hartfield, Sergeant Ben Hartfield ...“ Er warf den Kopf in den Nacken. „Haben sie dich auch ...“

Sallys senkte wie beschämt den Blick.

Shadoe Rankin wusste Bescheid. Er wandte sich John Finerty und Jim Conner zu. „Der Bastard hat seinen Schwur also wahrgemacht, den er leistete, als ich ihn wegen Feigheit vor dem Feind vors Kriegsgericht brachte. Wahrscheinlich ist er in den Wirren der letzten Kriegstage entkommen, ehe sie ihn vor das Erschießungskommando stellen konnten.“

„Yeah“, versetzte Jim Conner. „Und er hat ein Rudel reißender Bestien um sich geschart. Kerle, die nicht mehr Fuß fassen konnten, die sich treiben ließen und für die der Krieg noch nicht zu Ende ist.“

„Helft ihr mir, Hartfield eine blutige Rechnung zu präsentieren?“, schnappte Shadoe Rankin.

Sie zögerten, doch dann erwiderte Finerty: „Wir standen immer zu dir, Captain. Gegen die Yankees gingen wir durch dick und dünn. Und sicher wären wir längst vor die Hunde gegangen, wenn du nicht gewesen wärst. Okay, Captain, du kannst auf mich zählen.“

Conner nickte. „Auch ich bin dabei. Hartfield und seine Banditen sind minderwertiger Abschaum, und sie gehören ausgerottet - mit Stumpf und Stiel. Ja, Captain, ich bin dein Mann.“

„Ich wusste es“, murmelte Shadoe Rankin und ein eisiges Grinsen zog seinen Mund in die Breite.


*


Shadoe Rankin aß Rührei mit Speck und dazu selbstgebackenes Brot. John Finerty und Jim Conner schauten ihm zu. Conner rauchte. Sally saß auf einem Hocker an der Wand und beobachtete stumm und gedankenvoll ihren Vater.

Draußen gackerten die Hühner. Hin und wieder jagten sie sich gegenseitig flügelschlagend und zornig kreischend über den Hof. Sally fragte sich, was die Veränderung, die ihr Vater durchgemacht hatte, herbeigeführt haben mochte. Sie wusste, wie er zu den Pferden und Waffen gekommen war. Er erzählte es seinen beiden ehemaligen Untergebenen und machte kein Hehl daraus, dass er gewissenlos mordete.

Fein säuberlich wischte Shadoe Rankin die Pfanne mit Brot aus. Den letzten Bissen spülte er mit einem Schluck Kaffee hinunter. Dann rollte er sich eine Zigarette und zündete sie an. „Du kannst abräumen“, gebot er Sally. Als sie an den Tisch herantrat, schnappte seine Linke nach ihrem Handgelenk und umspannte es. Er sagte: „In zwei - drei Tagen, wenn ich mich einigermaßen erholt habe, verlassen wir die Farm. Es lohnt nicht, sie neu aufzubauen. Es fehlt hier an allen Ecken und Enden. Wir machen uns auf die Suche nach Ben Hartfield - und du kommst mit, Sally.“

„Dad“, ächzte sie zutiefst betroffen und verstört. „Auf diesem Stück Land habe ich Mutter und Tommy begraben. Der Boden ist fruchtbar, und wenn du Saatgut kaufst ...“

Er lachte scheppernd auf. „Mit Hosenknöpfen vielleicht, Kleines?“, rief er sarkastisch. „Außerdem ist das keine Zukunft. Als ich vor zwölf Jahren hier eine Parzelle absteckte, war ich überzeugt davon, ein guter Farmer zu werden. Ich bemühte mich redlich und tat alles, um Kathy, Tom und dir ein ruhiges, sorgloses Leben zu ermöglichen. Jetzt weiß ich, dass wir nur von der Hand in den Mund gelebt haben. Die elenden Yanks unterwandern unser Land. Im Krieg habe ich gelernt, dass es nicht die Berufung eines Mannes sein kann, sich zu ducken und Erdreich umzupflügen. Es gibt bessere Möglichkeiten, sich durchs Leben zu schlagen. Vielleicht werden wir eines Tages sogar reich sein.“

„Außerdem kommt übermorgen noch einmal der Sheriff aus Seminole“, mischte sich Jim Conner ein. „Er war letzte Woche hier, um die fälligen Steuern zu kassieren. Er setzte Sally ein letztes Ultimatum, und das läuft übermorgen ab. Wenn sie nicht zahlen kann, drohte er, müsse er sie von Grund und Boden vertreiben.“

Shadoe Rankin kniff die Lider eng. „Trägt noch immer McLean den Stern in Seminole, oder haben sie das Stück Blech nach Lees Aufgabe einem aalglatten Yankee angesteckt?“

„Fred ist nach wie vor Sheriff“, antwortete Sally und spürte schmerzhaft den Druck seiner Hand um ihr Handgelenk.

„Diese kleine, miese Ratte!“, zischte Shadoe Rankin. „Er hat sich also zum Handlanger der Nordstaatler machen lassen.“ Seine Wangenmuskulatur erzitterte kurz. „Na schön. In Texas wimmelt es wahrscheinlich von dreckigen Verrätern. Ich werde ihm vor die Füße spucken, wenn er aufkreuzt.“

„Dad“, entrang es sich Sally brüchig, „ich - ich kenne dich nicht mehr. Von dir kam kein Zeichen der Erschütterung, der Fassungslosigkeit, als du von Mutters und Tommys Tod erfuhrst, kein Wort der Anteilnahme oder des Entsetzens. Du sprichst nur von Rache, von blutiger Vergeltung. Wäre es nicht normal gewesen, dass du wenigstens ein kurzes Gebet an ihren Gräber gesprochen hättest? Was hat der Krieg aus dir gemacht?“

Sein Gesicht ruckte hoch, der Griff um ihren Arm wurde härter. Sie erschrak vor der Intensität, mit der er sie anstarrte.

„Den Lebenden gehört die Welt, Sally!“, knirschte er. „Wenn du dem Tod vier lange Jahre Tag für Tag ins höhnisch grinsende Auge geschaut hast, schreckt er dich nicht mehr. Tagtäglich sah ich Männer sterben, stieg ich in den Ortschaften über tote Kinder und Frauen. Wer fragte schon danach. Ihre Gräber sind vom Staub zugeweht. Am Anfang dreht es dir den Magen um, aber dann wird es zur Gewohnheit. Und irgendwann beginnst du, die Toten zu beneiden. Denn sie haben dieser verdammten Welt den Rücken gekehrt. Ich glaube, deine Mutter und dein Bruder sind gut aufgehoben.“

Aufheulend riss Sally sich von ihm los. Sie rannte aus dem Haus. In Shadoe Rankins Gesicht zuckte kein Muskel. Finerty und Conners fixierten ihn betreten.

„Sie kommt drüber hinweg“, grollte Shadoe Rankins Organ. „Und eines Tages lernt sie mich begreifen.“ Er inhalierte einen tiefen Zug von der Zigarette, stieß den Rauch durch die Nase aus und fragte: „Habt ihr eine Ahnung, wo wir mit der Suche nach Hartfiel beginnen müssen?“

Conner antwortete: „Er und seine Banditen haben eine blutige Spur durch Texas gezogen. Auf ihre Köpfen wurden hohe Prämien ausgesetzt. Seit einiger Zeit aber ist es ruhig um die Bande geworden. Ich denke, ihnen wurde in Texas der Boden heiß und sie haben sich entweder nach New Mex oder ins Greaserland abgesetzt.“

Finerty winkte ab. Lässig sagte er: „Wenn du mich fragst, Captain, dann brauchst du hier nur auf ihn zu warten. Von Sally erfuhr ich, dass er deinetwegen herkam. Nachdem er dich beim ersten Mal nicht antraf, wird er irgendwann noch einmal aufkreuzen, um dir das Höllentor aufzustoßen. Wir drei allerdings sind ein ziemlich lächerlicher Haufen gegen seinen Verein. Als er hier war, befanden sich bei ihm acht zweibeinige Wölfe. Mittlerweile soll sich seine Bande fast verdreifacht haben. Möglich, dass er beim nächsten Mal noch mehr Kerle von dieser Sorte mitbringt.“

„Sicher“, murmelte Shadoe Rankin. „Er kam meinetwegen zum Mustang Draw. Und er kommt wieder. Also warten wir auf ihn. Und sollte er mit hundert hartgesottenen Sattelwölfen aufkreuzen - er kriegt mein Blei zu schlucken.“

John Finerty stemmte sich am Tisch in die Höhe. „Du solltest weniger hart mit Sally umspringen, Captain“, meinte er unerschrocken und furchtlos. „Hinter ihr liegt Schlimmes. Sie ist ein gutes Mädchen. Als wir hier ankamen, hatte sie gerade ihre Mutter und ihren Bruder begraben, und sie war total gebrochen.“ Und mit zwingendem Unterton schloss er: „Sie ist deine Tochter, Captain. Das einzige, was du noch hast auf der Welt - außer deinem Hass.“

Er ging um den Tisch herum und folgte Sally nach draußen. Shadoe Rankin sprach nichts. Seine Kiefer mahlten. Seine Brauen hatten sich finster zusammengeschoben. Shadoe Rankin starrte auf einen unbestimmten Punkt an der Wand.

Jim Conner beobachtete ihn verstohlen, und er konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass die Zeit in Fort Leavenworth, die Demütigungen und Erniedrigungen, die er erlitt, Shadoe Rankin um den klaren Verstand gebracht hatten. An Shadoe Rankin war nichts mehr Menschliches. Er war unberechenbar, tödlich gefährlich und gewissenlos geworden.

Jim Conners Puls beschleunigte sich. Die Nähe des ehemaligen Captains bereitete ihm plötzlich geradezu körperliches Unbehagen.

*


Am Sulphur Springs Creek verlor Allan Davis die Spur. Er befand sich an dem Platz, an dem der Mörder der Cowboys die vergangene Nacht verbracht hatte. Der schrale Wind trieb die erkaltete Asche des Lagerfeuers auseinander. Die Abdrücke der Pferdehufe endeten am Fluss. Drüben wimmelte es von Longhorns. Sie drängten zum Ufer, um ihren Durst zu löschen. Das Ufergestrüpp auf der anderen Seite war im Laufe der Zeit regelrecht niedergewalzt worden und verdorrt.

Es war später Nachmittag. Es war die Stunde, in der Shadoe Rankin auf seiner Farm eintraf. Allan hatte gut aufgeholt. Der Vorsprung war auf zehn Stunden geschrumpft. Jetzt aber war Allan ratlos.

Er schwang sich aufs Pferd. „Hüh!“ Er lenkte das Tier in den Fluss. Der Falbe scheute zurück. Allan redete ihm beruhigend zu. In der Flussmitte reichte das Wasser dem Tier gerade bis zum Bauch. Drüben trieb Allan es flussabwärts, bis er die riesige Longhornherde hinter sich gelassen hatte. Dann wandte er sich wieder südwestwärts.

Als es finster wurde, stieß er auf einen zerfurchten Reit- und Fahrweg. Allan folgte ihm. Im Westen begann der Abendstern zu funkeln. Allan ritt noch fast zwei Stunden, dann beschloss er, zu lagern.

Im Morgengrauen ritt er weiter. Die Morgennebel stiegen. Auf den Gräsern lag der Tau. Die Sonne schob sich wie ein Fanal über den Horizont im Osten. Auf einem verwitterten Holzschild, das am Straßenrand an einen Pfosten genagelt war, las Allan: Seminole, Gaines County, 20 miles.

Der strapaziöse Ritt steckte ihm in den Knochen. Die Wildnis, durch die er seit einer Woche zog, ödete ihn an. Er war verdrossen und müde, bärtig, staubig und verschwitzt. Auch an seinem Pferd war der hart Ritt nicht spurlos vorübergegangen. Inbrünstig hoffte er, in der Stadt einen Hinweis auf den Mann zu erhalten, der zwei Pferde mit dem Waycross-Brand ritt. Also blieb er auf dem Weg, der ihn nach Seminole führen musste.

Allan erreichte die Stadt am Nachmittag. Er brachte den Falben sofort zum Mietstall. Das Tier war ebenso mitgenommen wie er selbst. Ein bärtiger Oldtimer versorgte hier die Pferde. Manche Boxen waren leer. Der Geruch von Leder, Stroh und Pferdeschweiß stieg Allan in die Nase. Spinnweben zogen sich in den Ecken. In ihnen hingen tote Fliegen.

Der Oldtimer streute gerade mit einer Mistgabel Stroh in die Boxen. Als Allan im Eingang erschien, lehnte er die Forke gegen einen der Stützbalken, wischte sich die Hände an einer grünen, ziemlich abgenutzten Schürze ab, und schlurfte ihm entgegen.

Nachdem er Allans Gruß erwidert hatte, krächzte er wie ein kranker Rabe: „Scheinst ‘nen weiten Ritt hinter dir zu haben, Stranger.“ Er legte seine faltige Hand auf den Hals des Falben. „Ein gutes Pferd, aber ziemlich erledigt. Der Gaul braucht gut und gerne drei Tage, um wieder sein altes Format zu haben.“ Stechend und durchdringend musterte er Allan. „Gehörst du auch zu den vielen Entwurzelten, die ziellos durchs Land ziehen, die sich einfach treiben lassen, die der verdammte Krieg völlig aus der Bahn geworfen hat?“

Allan lächelte lahm. „Nein“, versetzte er, „zu dieser Sorte gehöre ich nicht, Amigo. Ich presse den Sattel der Waycross-Ranch. Sie liegt oben im Norden, am Canadian. Aber ich bin einem Burschen, auf den deine Einschätzung zutreffen könnte, auf der Spur. Er hat zwei von unseren Cowboys ermordet. Die Fährte endete am Sulphur Springs Creek, und weil dies hier der nächste größere Ort ist, dachte ich, sie hier wieder aufnehmen zu können.“

Der Oldtimer schob die Unterlippe vor, kratzte sich am Hals, dann tönte er: „Im Land wimmelt es von Mördern, Räubern, Sattelstrolchen, Abenteurern und Glücksrittern. Manchmal treibt es den einen oder anderen Burschen dieses Schlages nach Seminole. Man erkennt sie sofort. Sie haben etwas in den Augen ...“ Der Stallmann schniefte. „Kannst du den Halunken beschreiben? Was hatte er überhaupt für ‘nen Grund, die beiden Cowpuncher zu ermorden? Mit Reichtümern waren die beiden Jungs doch gewiss nicht gesegnet.“

Er hatte, während er sprach, die Zügel von Allan übernommen. Er strich dem Falben über die Nüstern. Das Tier schnaubte und spielte mit den Ohren.

Allan begann, seine Satteltaschen abzuschnallen. Über den leeren Sattel hinweg erwiderte er staubheiser: „Ich nehme an, es handelt sich um einen Heimkehrer, einen Nachzügler, den die Yanks anlässlich der letzten Amnestie laufen ließen. Die Nordstaatler schicken die Entlassenen bekannterweise nur mit dem nach Hause, was sie auf dem Leib tragen. Also brauchte der Hundesohn ein Pferd, Waffen, Kleidung und einige Dinge mehr, die ein Mann auf dem Trail unbedingt benötigt.“

„Das ist nicht viel, was du weißt, Mister - äh ...“

„Ich heiße Davis - Allan Davis.“ Allan warf sich die Satteltaschen über die Schulter und zog die Henrygun aus dem Scabbard. „Der Schuft reitet ein Pferd mit dem Waycross-Brand und führt ein zweites mit sich. Es ist dieser Brand hier.“ Allan wies mit dem Gewehr auf das Brandzeichen, das sein Pferd trug. Es waren zwei gewellte Linien, die sich kreuzten. Auf der Querlinie saßen die Buchstaben G.S. für Gene Saddler. „Well, Oldtimer, ich werde wahrscheinlich zwei oder drei Tage in Seminole bleiben und im Hotel wohnen. Sollte ein Bursche mit den beiden Pferden auftauchen, wäre ich dir sehr verbunden, wenn du mich informieren würdest.“

„Nenn mich nicht Oldtimer, Davis. Sag Dooley zu mir. Jeder nennt mich nur Dooley. Mein Vorname ist in Vergessenheit geraten. Dooley! Okay?“

„Right, Dooley. Also wie gesagt ...“

„Ich werde es dich wissen lassen, wenn ein Bursche mit zwei Gäulen der Waycross-Ranch aufkreuzt. Und was dein Pferd anbetrifft, so bringe ich es wieder auf Vordermann.“

Dooley hob den Sattel herunter und legte ihn auf eine Balkenablage. Allan stakste aus dem Mietstall. Die Main Street war breit und staubig. Häuser mit falschen Fassaden reihten sich aneinander, einige wiesen Vorbauten auf, bei manchen waren die Obergeschosse vorspringend, bei wenigen sah Allan Außentreppen und Balkone, die die gesamte Breite der Vorderfront einnahmen.

In den Schatten dösten einige Hunde. Nur wenige Menschen waren im Freien. Die Nachwirkungen des Krieges waren auch in dieser Stadt spürbar. Und da es sich um den Countysitz handelte, schätzte Allan, dass hier auch Yankees stationiert waren, die in dem Ort den Ton angaben.

Details

Seiten
Erscheinungsjahr
2022
ISBN (ePUB)
9783738967418
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (November)
Schlagworte
banne hasses pete hackett western edition

Autor

  • Pete Hackett (Autor:in)

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Titel: ​Im Banne des Hasses: Pete Hackett Western Edition 80