Zusammenfassung
Die Saloons und anderen Etablissements der Town waren gerammelt voll. Im ‚Lonesome Rider Saloon‘ standen die Kerle in Dreierreihe am Tresen und traten sich gegenseitig auf die Zehen. Die Tische waren voll besetzt. Tabakrauch schlierte um die Lüster und Lampen und wölkte unter der Decke. Ein Gewirr von Stimmen erfüllte den großen Raum. Unterhaltungen wurden nur schreiend geführt, um sich überhaupt verständlich machen zu können.
Grell geschminkte Mädchen verhießen den Kerlen eine kurze Zeit der Glückseligkeit und einen leeren Geldbeutel. Sie machten die Burschen ungeniert an, lachten, girrten, überboten sich gegenseitig mit ihren Reizen und priesen sich an wie eine Marktfrau ihre Ware.
Tex Carson war Cowboy auf der Circle-M Ranch. Er war schon ziemlich angetrunken, als sich eines der Girls, eine hübsche Brünette mit Feuer im Blick und hochgesteckten Brüsten, an seinen Hals warf.
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Eine Kugel für den Marshal: Pete Hackett Western Edition 79
Western von Pete Hackett
Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war – eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.
Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie „Texas-Marshal“ und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: „Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung.“
Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie „Der Kopfgeldjäger“. Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.
Ein CassiopeiaPress E-Book
© by Author www.Haberl-Peter.de
© der Digitalausgabe 2013 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die Stadt brodelte wie ein Hexenkessel. Es war Samstag und die Cowboys von den umliegenden Ranches waren nach Lincoln gekommen, um den Teufel aus dem Sack zu lassen. Die hartbeinigen Kerle tranken, hurten, spielten, stritten und prügelten sich, kurz gesagt: Sie gaben sich dem hemmungslosen Laster und der Sünde hin.
Die Saloons und anderen Etablissements der Town waren gerammelt voll. Im ‚Lonesome Rider Saloon‘ standen die Kerle in Dreierreihe am Tresen und traten sich gegenseitig auf die Zehen. Die Tische waren voll besetzt. Tabakrauch schlierte um die Lüster und Lampen und wölkte unter der Decke. Ein Gewirr von Stimmen erfüllte den großen Raum. Unterhaltungen wurden nur schreiend geführt, um sich überhaupt verständlich machen zu können.
Grell geschminkte Mädchen verhießen den Kerlen eine kurze Zeit der Glückseligkeit und einen leeren Geldbeutel. Sie machten die Burschen ungeniert an, lachten, girrten, überboten sich gegenseitig mit ihren Reizen und priesen sich an wie eine Marktfrau ihre Ware.
Tex Carson war Cowboy auf der Circle-M Ranch. Er war schon ziemlich angetrunken, als sich eines der Girls, eine hübsche Brünette mit Feuer im Blick und hochgesteckten Brüsten, an seinen Hals warf.
„Hey, Sonny“, flötete das Mädchen, „du bist ein richtiger Mann. Auf einen wie dich habe ich gewartet.“ Sie rieb ihr Knie an seinem Oberschenkel, himmelte ihn mit den braunen Rehaugen an. „Du bist sicherlich ein Tiger im Bett. O ja, ich kann das erkennen. Für 'nen Drink und fünf Dollar bereite ich dir den Himmel auf Erden. Was meinst du?“
Eine schwielige Hand legte sich auf ihre Schulter und zerrte sie zurück. Eine grollende Stimme erklang: „Schau ihn dir genau an, Süße, er ist eine Niete. Er kriegt wahrscheinlich nicht mal einen hoch. Ich bin ein Mann. Ich kann dich einreiten wie ein heißblütiges Wildpferd. Und wenn ich mit dir fertig bin, wirst du alles bisher Dagewesene vergessen haben. Flaschen wie den“, er wies auf Tex Carson, „rauche ich in der Pfeife.“
Sofort ließ das Girl von Tex ab und wandte sich dem Sprecher zu. Es war ein großer, schwergewichtiger Mister mit dem Gesicht eines Preisboxers. Über seinem mächtigen, gewölbten Bauch spannte sich das Hemd. Er legte den Arm um sie und wollte sie mit sich ziehen, aber jetzt senkten sich in Tex Carsons alkoholvernebelten Verstand das Begreifen und das Aufbegehren, und er vertrat den beiden schnell den Weg.
„Dir haben sie wohl Kuhmist ins Gehirn geblasen, Mister!“, lallte er und bemühte sich, nicht zu wanken. „Nimm die Finger von der Lady. Sie gehört mir.“
„Sie gehört allen“, versetzte der andere trocken und schob Tex lässig mit einer Handbewegung zur Seite. „Aus dem Weg, du Pinscher!“
Der Cowboy stolperte, fing sich aber, und mit der Sturheit des Betrunkenen baute er sich erneut vor dem Schwergewichtigen und dem Girl vom horizontalen Gewerbe auf. „Okay, Mister“, geiferte Tex. „Ich muss dir wohl erst die Birne weichklopfen, damit du begreifst, dass ich gewisse Vorrechte bei ihr habe.“
Der Dicke lachte verächtlich auf. Da zog Tex auf und haute ihm ohne jede weitere Vorwarnung die Faust auf die Nase. Der Getroffene schrie erschreckt auf, taumelte einen halben Schritt zurück und ließ das Flittchen los. Es tauchte sofort im Gewühl der Gäste unter.
Sofort bildete sich ein Ring aus Leibern um die beiden Streithähne. „Gib‘s dem fetten Hurenbock, Tex!“, rief jemand lachend und voll wilder Vorfreude.
„Ja, hau dem Hurensohn noch ein paar auf die Nase, Tex!“, feuerte ein anderer an.
„Du beleidigst meine Mutter, Hombre!“, schnaubte der Dicke. „Dafür werde ich dich, wenn ich diese halbe Portion auf den Mond geblasen habe, ungespitzt in die Erde rammen.“
„Du redest zuviel!“ Tex stieß sich ab und flog regelrecht auf den Grobschlächtigen zu. Dieser wurde von dem plötzlichen Angriff überrascht, denn er suchte noch nach dem Sprecher, der ihn einen Hurensohn genannt hatte. Wie Dreschflegel wirbelten Tex‘ Arme durch die Luft. Er traf den Dicken am Kopf und in den Magen, konnte ihn aber kaum erschüttern. Nur ein abgrundtiefes Grunzen entrang sich diesem, und dann warf er sich einfach in Tex‘ fliegende Fäuste hinein, nahm noch einen Treffer hin, dann prallten die beiden Körper aufeinander.
Tex hatte das Gefühl, gegen eine Wand aus Granit geprallt zu sein. Seine Trunkenheit war wie weggewischt. Zwei mächtige Arme legten sich um seinen Oberkörper und pressten ihm mit unwiderstehlicher Gewalt die Luft aus den Lungen. Er japste wie ein Erstickender. Tex wand sich in der unerbittlichen Umklammerung wie ein Aal, versuchte seinen Gegner mit dem Knie zu treffen. Sein Gesicht lief dunkel an, er begann zu röcheln, die Augen traten ihm weit aus den Höhlen, sein Mund klappte auf.
Da trat ein Weidereiter von hinten an den Dicken heran, griff ihm zwischen den Beinen hindurch und kniff ihn mit aller Gewalt in die Hoden. Gequält brüllte der dickleibige Mann auf, es hörte sich an wie der Brunftschrei eines mächtigen Damhirsches. Er ließ Tex sausen und aus der Drehung heraus schoss er seine Rechte ab. Der Bursche hinter ihm aber duckte sich und der Schlag zischte über ihn hinweg. Und schon war der unfaire Attentäter laut auflachend im Gewoge aus Leibern verschwunden.
Von der Seite her knallte Tex dem Schwergewichtigen die Faust gegen die Rippen, er glitt zurück, griff unter seine Weste, und als seine Hand wieder zum Vorschein kam, umklammerte sie den Griff eine Bowie-Knifes. Der scharfgeschliffene Stahl funkelte im Licht.
„Okay, Hurensohn, ich werde dir jetzt die Eier abschneiden und sie dir dann zu fressen geben!“
„Halt!“, rief jemand in der Runde lachend. „Es soll doch fair zugehen! – Fang, Dicker!“
Die Kerle ringsum hatten ihren Spaß. Derlei Abwechslung liebten sie.
Ein Dolch flog durch die Luft auf den Schwergewichtigen zu, er griff geistesgegenwärtig danach, verfehlte ihn aber und das Messer landete auf den Dielen. Der Grobschlächtige bückte sich danach. Da sprang Tex vor, die Faust zum Stoß erhoben.
Sein Sprung wurde abrupt abgebremst. Jemand packte ihn am Kragen und riss ihn zurück. Er verlor die Balance und krachte auf den Rücken. Der Dolch flog in hohem Bogen davon.
Waco Jordan hatte sich unnachsichtig einen Weg durch die Menge gebahnt und in den Kampf eingegriffen. „Hier werden keine Eier abgeschnitten, Cowpuncher“, sagte er laut und deutlich.
Der Dicke hatte das Knife in der Faust und stand geduckt da. Sein Gesicht war von den Treffern Tex‘ gezeichnet. Er atmete schwer.
„Weg mit dem Messer!“, klirrte Wacos Organ. Er zog den Colt und schlug ihn auf den Burschen an.
Der Mann ließ den Dolch fallen. „Ich habe nicht damit angefangen“, murmelte er und wischte sich über die Augen.
„Dann ist‘s ja gut“, erwiderte Waco und zu Tex gewandt, der noch immer am Boden lag und wie verzweifelt Luft in seine Lungen saugte, sagte er: „Eigentlich sollte ich euch Narren einsperren. Aber ein paar Tage im Bau bringen hirnverbrannte Kerle wie euch auch nicht zur Vernunft. – Wer ist noch von der Circle-M?“, fragte er in die Runde.
„Fast die ganze Crew ist hier“, versetzte jemand.
„Right. Kümmert euch um ihn und sorgt dafür, dass er ruhig bleibt. Andernfalls landet er im Knast. – Sie, Mister, kenne ich nicht. Ich rate Ihnen aber, 'nen anderen Saloon aufzusuchen.“
„Ich bin nur auf der Durchreise“, erklärte der Dicke.
„Dann reisen Sie schnell weiter. Männer wie Tex Carson sind nachtragend. Und ich will Sie nicht beerdigen hier in Lincoln.“
*
Die Nacht dauerte für Waco Jordan lange. Er hatte alle Hände voll zu tun. Es galt Schlägereien zu schlichten, Betrunkene aufzusammeln und in den Mietstall zu bringen, wo sie im Heu ihren Rausch ausschlafen konnten. Er jagte einen Falschspieler aus der Stadt und musste eine der Liebesdienerinnen vor einem allzu aufdringlichen Freier retten. Nach Mitternacht hatte Waco den alten Jacob nach Hause geschickt, denn Cindy sollte in einer wilden Nacht wie dieser nicht alleine sein in dem kleinen Haus, das sie, Waco und der alte Jacob gemeinsam bewohnten und das Cindy von ihrem Vater geerbt hatte.
Die Stadt kam erst zur Ruhe, als schon der Tag anbrach. Waco war hundemüde. Er überlegte, ob er nach Hause gehen sollte in sein Bett oder ob er zur Shining Star Ranch reiten sollte, um sich von Joana Sloane die Stunde des Sonnenaufgangs versüßen zu lassen. Schließlich aber beschloss er, in der Stadt zu bleiben und im Jail auf einer der Pritschen zu schlafen.
Als Waco aufwachte, hatte er keine Ahnung, wie lange er geschlafen hatte. Draußen war es taghell. Er wusch sich und kleidete sich an. Waco fühlte sich wie gerädert. Die harte Holzpritsche in der Gefängniszelle war nicht mit Joanas weichem Bett zu vergleichen.
Joana! Der Gedanke durchfuhr ihn wie ein Blitz und Waco verspürte ein wohliges Prickeln unter der Haut. Sekundenlang erstand ihr Bild vor seinem geistigen Auge – die langen, schlanken Beine, der flache Bauch, die üppige Rundung ihrer Hüften, die festen Brüste ...
Waco verdrehte die Augen und merkte, wie sich beim Gedanken an sie in seiner Hose etwas zu rühren begann.
Er rückte seinen Revolvergurt zurecht, angelte seinen Stetson vom Haken neben der Tür und drückte ihn sich auf den Kopf, dann verließ er das Office. Seine Absätze hämmerten auf den dicken Vorbaubohlen. Das grelle Sonnenlicht blendete ihn und er zog sich den Hut tiefer in die Stirn. Die Augen lagen jetzt im Schatten. Von seinem schmalen, gebräunten Gesicht waren nur noch die Nase, der Mund und das kantige Kinn zu sehen.
Heißer Wind aus dem Süden trieb den feinen Staub auf der Main Street vor sich her. Irgendwo bellte ein Hund. Am Vorbaugeländer hielt Waco an. Ja, sein ganzer Körper schmerzte von der primitiven, ungewohnten Lagerstatt und Waco bereute jetzt, dass er nicht in seinem Bett oder bei Joana geschlafen hatte.
Waco reckte seine breiten Schultern, seufzte, schwenkte den Blick die Straße hinauf und hinunter, ließ ihn über die falschen Fassaden der Häuser auf der gegenüberliegenden Straßenseite schweifen – und sah weiter unten auf dem Vorbau des ‚Lonesome Rider Saloons‘ Strykers Schießhund Corby. Der hochgewachsene Gunman lehnte lässig an einem der kunstvoll geschnitzten Vorbaupfosten und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Tief an seinem rechten Oberschenkel hing das Holster mit dem schweren Coltrevolver.
Waco verspürte beim Anblick des Schnellschießers einen galligen Geschmack im Mund. Die Kerben zu beiden Seiten seiner Mundwinkel vertieften sich.
Über die Distanz von etwa 150 Yards starrten sich die beiden Männer sekundenlang an. Waco glaubte um Corbys schmallippigen Mund ein hämischen Grinsen huschen zu sehen. Corby spuckte verächtlich aus. Seine Gestalt löste sich ruckhaft vom Vorbaupfosten, seine Arme sanken nach unten, er machte auf dem Absatz kehrt und ging in den Saloon. Die Badwings der Pendeltür schwangen hinter ihm aus.
Waco wandte sich nach rechts. Von der Kirche am Ende der Stadt her wehte Gesang an sein Gehör; ein vielstimmiger Choral, angeführt vom alten Reverend und der ehrenwerten, rechtschaffenen und absolut tugendhaften Miss Virginia Mosley, die sich berufen fühlte, die Fahne von Sitte und Moral in den Sturm von Lasterhaftigkeit und Todsünde in dieser Stadt zu halten.
Die Straße war wie leergefegt. Nach und nach lösten sich die Verkrampfungen und Verspannungen in Waco. Er ging in den Mietstall, sattelte sein Pferd, führte es hinaus in den Hof und saß auf. Als er die halbe Strecke bis zur Shining Star Ranch zurückgelegt hatte, fühlte er sich wieder geschmeidig wie ein Puma.
Am Holm vor dem Shining Star Ranch waren zwei Pferde angeleint. Müde ließen die Tiere die Köpfe hängen. Sie waren verstaubt und verschwitzt und schlugen mit dem Schweif nach den blutsaugenden Bremsen an ihren Flanken. Waco sprang aus dem Sattel, führte sein Pferd zum Hitchrack, leinte es an und ging um die beiden Tiere herum. Das Brandzeichen, das sie trugen, kannte er nicht. Also waren es Fremde, denen die Pferde gehörten. Waco registrierte, dass in den Scabbards die Gewehre steckten. Er tätschelte eines der Tiere am Hals. Der Braune schnaubte und sah ihn aus großen, trüben Augen an.
Waco hatte kaum Verständnis für Männer, die ihr Pferd nach einem harten Ritt sich selbst überließen und nicht ordentlich versorgten.
Er sah schnell in die Runde. Die Menschen auf der ehemaligen Ranch schliefen noch. Die Mädchen hatten gewiss bis zum frühen Morgen gearbeitet.
Waco betrat das große Haus und stand in der Halle. Durch die großen Fenster fiel Licht. Er strebte der Tür zur Bar entgegen. Sie war geöffnet. Er näherte sich ihr von der Seite und lugte in die Bar. Es roch nach erkaltetem Tabakrauch und vergossenem Brandy. Die beiden Fremden standen an der Bar. Abel O'Connor befand sich hinter dem Tresen. Seine Miene war verschlossen und wirkte wie aus Holz geschnitzt.
Soeben sagte einer der Fremden mit heiserer Stimme: „Zum letzten Mal, Alter: Mein Partner und ich sind hier eingekehrt, weil wir uns den Staub vieler Meilen aus den Hälsen spülen und anschließend ordentlich bumsen möchten. Also schaff uns zwei von deinen Huren her. Mein Partner und ich sind ganz wild darauf, ein Rohr zu versenken. Also hurtig, mein Freund, schwing die Hufe. Oder müssen wir dir Beine machen?“
Jetzt bemerkte der grauhaarige Keeper Waco. In seinen aristokratisch anmutenden Zügen zuckte kein Muskel. Doch Waco glaubte in seinen Augen so etwas wie Erleichterung wahrzunehmen. Abel erwiderte: „Ich sagte es bereits, Gentlemen, die Mädchen haben bis Sonnenaufgang gearbeitet und schlafen jetzt. Spülen Sie sich den Staub aus den Hälsen und kommen Sie später wieder auf die Ranch. Sie werden dann auf Ihre Kosten kommen. Das kann ich Ihnen versichern.“
Einer der beiden Kerle schnitt Abel mit einer ungeduldigen Handbewegung das Wort ab. „Ranch!“, fauchte er mit wildem Spott. „Puff sagt man doch zu so etwas.“ Seine Hände stießen blitzschnell über den Tresen und packten Abel an der Jacke. Mit einem Ruck zerrte er den Keeper dicht zu sich heran, sein heißer Atem streifte Abels Gesicht, als er hechelte: „Ich denke, Amigo, ich muss einen raueren Ton anschlagen. Wir werden dir jetzt die Hammelbeine lang ziehen und uns dann holen, was wir möchten. Mir scheint, du bist dümmer als du aussiehst. Was jetzt kommt, hast du dir selber zuzuschreiben.“
„Langsam, Hombre – ganz langsam!“
Wacos Worte stießen wie ein Peitschenhieb in die drohende Atmosphäre. Einen Herzschlag lang versteiften die beiden Kerle am Tresen, dann wirbelten sie herum. Sprungbereit standen sie da und belauerten Waco, die Hände neben den griffbereit abstehenden Coltknäufen.
Es waren Burschen von der übelsten Sorte, heruntergekommen, verschlagen, skrupellos und tödlich. Das begriff Waco sofort. Und einen Sekundenbruchteil lang dachte er an Stan Stryker, für den eine Reihe von Kerlen von derselben Spezies arbeitete.
Sie maßen sich sekundenlang aufmerksam, schätzten sich ein, und plötzlich dehnte der eine der beiden Fremden: „Aaah, der Sternschlepper.“
Waco setzte sich in Bewegung. Langsam näherte er sich den Kerlen. Der Teppich verschluckte das Geräusch seiner Schritte. Zwei Schritte vor den beiden hielt Waco an. „Der Stern ist in dieser Minute bedeutungslos, Hombre. Mir gehört dieser Laden. Und weil das so ist, solltet ihr beide euch jetzt blitzartig verabschieden.“ Waco verlieh seiner Stimme einen scharfen Unterton. „Kerle, die ihre Pferde dursten lassen und sich an alten Männern vergreifen, haben jegliches Gastrecht auf der Shining Star Ranch verwirkt. Verschwindet!“
Der andere der beiden Fremden, ein Bursche mit einem schwarzen Bart und einem Gesicht, in dem ein jahrelanges Lotterleben unübersehbare Spuren hinterlassen hatte, stieß voll wildem Zynismus hervor: „Town Marshal und Puffbesitzer! Wie verträgt sich denn dieses? Na, wenn das mal kein Witz ist.“
Waco ging nicht darauf ein. „Ich zähle bis drei“, gab er zu verstehen. „Und wenn ihr dann nicht zur Türe hinaus seid, raucht's.“
Der Schwarzbärtige leckte sich über die Lippen, seine Rechte stahl sich noch näher an den Coltkolben heran, der Handballen berührte ihn. In seinen dunklen Augen erschien ein tückisches Funkeln. „Dein Stern nötigt uns nicht den geringsten Respekt ab, Mister. Und dass du Chef in diesem Hurenhaus bist, trifft sich gut. Du wirst jetzt dem alten Geier hinter dem Schanktisch anordnen, zwei besonders scharfe Weibsbilder ...“
Dort, wo Abel stand, knackte es metallisch. Und im nächsten Moment meldete sich der Oldtimer, dessen Wiege einst in Schottland stand: „Mit den beiden Ladungen in dieser Shotgun schieße ich euch die Hintern weg, wenn ihr es so wollt. Beginnen Sie jetzt zu zählen, Waco. Bei drei werde ich schießen.“
Die beiden Sattelstrolche standen starr wie Mumien.
Waco glitt zwei Schritte zur Seite, um aus dem Schussfeld der Schrotflinte zu kommen. „Eins!“
Der Kumpan des Schwarzbärtigen fasste sich. Er kniff die Augen zusammen, in ihnen zeigte sich ein gehässiges Glitzern. „Okay. Diese Runde geht an euch. Aber denkt nur nicht, dass es damit sein Bewenden hat. Wir werden sicherlich 'ne gewisse Zeit in Lincoln bleiben. Und ihr werdet höllisch auf der Hut sein müssen. Mein Name ist Clayburne – Joe Clayburne. Merke dir diesen Namen, Marshal.“ Er dehnte das letzte Wort ganz besonders in die Länge, als wollte er ihm einen besonderen Ausdruck verleihen, fasste seinen Komplizen am Oberarm und ließ erneut seine Stimme erklingen. „Gehen wir, Lee. Sie sind im Moment am Drücker.“
„Ich werde ein Auge auf euch Kerle haben“, versprach Waco. „Solltet ihr für Unruhe sorgen, jage ich euch aus der Stadt.“
Clayburne lachte höhnisch auf und zog seinen Kumpan zum Ausgang. „Dazu bedarf es mehr als eines Bordellchefs, der einen Stern 'rumschleppt“, rief er gehässig über die Schulter.
Waco folgte ihnen. Sie leinten ihre Pferde los, schwangen sich in den Sattel, zogen die Tiere herum und ritten wortlos davon.
Waco wartete, bis sie aus seinem Blickfeld verschwunden waren, machte kehrt und ging in die Halle zurück. „Mit den beiden müssen wir rechnen“, empfing ihn Abel, der die Shotgun mit beiden Händen quer vor seiner Brust hielt.
*
Waco ging in das Nebengebäude, in dem Joana wohnte. Es war das frühere Bunkhouse der Ranch, in dem die Mädchen der Shining Star Ranch ihre Privaträume hatten. Sie hatte ihm gefehlt in der vergangenen Nacht, und in ihm brannte das Feuer einer ungezügelten Leidenschaft.
Waco war spitz wie Nachbars Lumpi, um es auf einen Nenner zu bringen.
Er klopfte an ihre Tür. Einmal, zweimal ...
„Bist du es, Waco?“, ertönte es schlaftrunken.
„Ja. Mach auf. Ich bin scharf wie ein Rasiermesser.“
Kurz darauf klapperte der Riegel und die Tür schwang auf. Da stand sie, wie Gott sie geschaffen hatte. Aus grün schimmernden Augen sah sie ihn an. Sie hatte die blonden Haare geöffnet und sie fielen in weichen Locken über ihre Schultern und ihre straffen, prallen Brüste. Wacos Blut geriet in Wallung – nein, es fing an zu kochen.
Waco trat in das Zimmer und stieß mit dem Fuß die Tür ins Schloss. Er knotete die Schnur an seinem Oberschenkel auf, die das Holster hielt, löste die Schließe des Revolvergurts und warf den Gurt achtlos über die Lehne eines Stuhles. Dann griff er nach Joana. Er zog sie an sich heran und küsste sie. Sie erwiderte seine Küsse, spürte seine Hände auf ihrem Rücken, ihrem Po, ihren Brüsten, sie strichen über ihre harten Brustwarzen, und dann war seine nervige Hand zwischen ihren Beinen. Seine Lippen wanderten über ihre Wange, er nagte an ihrem Ohrläppchen, sein Mund glitt über ihren schlanken Hals hinunter und saugte sich an ihrer Schulter fest. Joanas Atem ging schneller. Sie öffnete mit vor glühender Leidenschaft zittrigen Fingern seine Hose.
„Komm“, flüsterte sie und die Erregung ließ ihre Stimme vibrieren.
Waco löste sich von ihr. Er zog sich schnell aus – er sprang geradezu aus seiner Hose. Sie half ihm dabei, als konnte sie es nicht erwarten, sich ihm hinzugeben. Sein Penis stand wie ein Obelisk. Sie zerrte ihn zum Bett und in enger Umarmung sanken sie hinein. Das Bettzeug raschelte. Sie küssten sich wieder. Ihre Zungen drohten sich ineinander zu verschlingen. Joanas Hand tastete sich an seinem Körper nach unten und umklammerte sein großes, hartes Glied. Er stöhnte auf vor Wollust, als sie ihn geschickt zu massieren begann. Sein Mittelfinger arbeitete sich zwischen ihre Schamlippen und legte sich auf ihre Klitoris. Ihre Scheide war feucht, regelrecht glitschig.
Joana lag halb auf ihm. Flink bearbeitete ihre kleine, weiche Hand sein Glied. Es schien unter ihrem Griff noch mehr zu wachsen. Ihr Atem ging jetzt keuchend, stoßweise. Ihr Körper zuckte, als er geschickt die empfindsamste Stelle ihrer Vagina manipulierte. Nach kurzer Zeit schon stieß sie kurze, abgehackte Schreie aus. Sie wand sich auf ihm, ihr Griff um seinen steinharten Liebesspeer wurde härter, fast schmerzhaft. Sie trieb in einem Meer aus fiebriger, geiler Erregung und wilder, grenzenloser Begierde. Ihre Wangen hatten sich gerötet. Das Verlangen überspülte sie und schwemmte sie hinweg wie eine Springflut. Sie bäumte sich auf, wölbte dem sanften Druck seiner Hand ihr Becken entgegen, wie ein Stromstoß durchfuhr es sie. Ihr Mund klaffte auf, zwei Reihen weißer, ebenmäßiger Zähne wurden sichtbar.
Sein unermüdlicher Finger drang in sie ein, kreiste im nächsten Moment wieder am Kitzler, Adrenalin wurde freigesetzt und die Hormone der hemmungslosen Lust jagten in ihr hinauf bis unter die Schädeldecke. Ihre Pupillen weiteten sich, ein Taumel erfasste sie, fast willenlos ließ sie sich herumwälzen.
Waco kam zwischen ihre Oberschenkel zu liegen, willig spreizte sie die Beine. Sie hatte die Hand von seiner Lustwurzel gelöst und umklammerte ihn mit beiden Armen. „Mach!“, keuchte sie. „O mein Gott ...“
Er drang tief in sie ein, spießte sie regelrecht auf. Ein ächzender Ton entrang sich ihrer Brust, in ihren Mundwinkeln zuckte es. „Ja, ja, ja ...“, keuchte sie. Es ging ihr durch und durch. Sie stand jetzt schon kurz vor der Explosion ihrer hochpeitschenden Empfindungen.
Ihr Krater der Glückseligkeit war warm und klitschnass. Waco bewegte seine Hüften, langsam zuerst, rhythmisch. Er stieß tief in sie hinein, richtete seinen Oberkörper etwas auf und machte dabei das Kreuz hohl, fuhr mit seinem linken Arm unter ihr rechtes Bein, hob es an. Ihr Oberschenkel zeigte senkrecht in die Höhe, ihr Knie war angewinkelt und der untere Teil ihres wohlgeformten Beines bildete einen rechten Winkel zum Oberschenkel. Sie war ihm jetzt vollends geöffnet und ausgeliefert.
Und er trieb sie immer tiefer hinein in das Feuerwerk der ungezügelten Leidenschaft, die den Verstand lahm legt und nur noch vom animalischen Instinkt gesteuert wird. Seine Muskulatur spielte, er war gelöst und spürte, wie sie unter ihm erschauderte. Ihre langen Nägel gruben sich wie spitze Dornen in die Haut seines Rückens, seine Stöße wurde heftiger und schneller. Unaufhaltsam näherten sie sich dem Höhepunkt. Vergessen war die raue Wirklichkeit, vergessen waren Stan Stryker und sein mörderischer Anhang, die Welt um sie herum war versunken in dem stürmischen Ozean von Wollust und Lüsternheit und geilem Verlangen.
Da erklang vom Hof lautes Rufen. Waco glaubte, seinen Namen vernommen zu haben. Als würde ein Vorhang zerrissen, löste sich in seinem Gehirn der jeden anderen Gedanken verschlingende Schleier der einsetzenden Ekstase. Er hielt inne, drehte den Kopf etwas zum Fenster und lauschte, unter ihm der zuckende Körper der Frau, deren Brust sich unter keuchenden Atemzügen hob und senkte, in der es wie in einem Vulkan tobte, der kurz vor der Eruption stand.
„Waco! Wo stecken Sie? Waco ...“
Waco hatte sich nicht getäuscht. Seine Kiefer mahlten. Er schaute in Joanas erhitztes Gesicht, in dem sich die Verkrampfung des einsetzenden Orgasmus löste und die ihn plötzlich ansah, als würde sie aus tiefer Trance erwachen.
„Das ist Rocco“, knurrte Waco und zog sein noch immer pralles Glied aus ihrer Lusthöhle. „Tut mir leid“, setzte er leise hinzu. „Aber da muss was Besonderes sein, wenn es Rocco zu dieser Stunde hertreibt.“
Waco war plötzlich randvoll mit düsteren Ahnungen. Die unerbittliche Realität schien ihn eingeholt zu haben. Er erhob sich mit einem Ruck. Joanas Bein fiel auf das Bett. Sie lag da, die Beine leicht gespreizt, zwischen ihren gepflegten Schamhaaren, die den gewölbten Venushügel dicht bedeckten, der rotfeuchtglänzende Schlund aller fleischlichen Begierde. Sie war die personifizierte, leibhaftige Sünde.
Waco schluckte, wandte sich schnell ab, spürte, wie seine Erektion nachließ, und ging zum Fenster. Vom Ranchhof erklangen Stimmen. Durch die etwas verstaubte Scheibe blickte Waco hinaus. Auf dem Vorbau des Saloons sah er Abel. Ein schlanker Bursche, mittelgroß, mit nackenlangen, pechschwarzen Haaren, stand heftig gestikulierend im Hof und sprach hastig. In der Tür des ehemaligen Pferdestalles, der zum Gästehaus umgebaut worden war, stand ein halb bekleideter, verkatert wirkender Mann mit wirren Haaren und beobachtete aus geröteten, wässrigen Augen die Szene vor dem Haupthaus.
Waco schob das Fenster in die Höhe. Das Holz knirschte in der Führung. Heiße Luft von draußen streifte ihn. Sein Oberkörper schimmerte feucht vom Schweiß. Die Fensterbrüstung verdeckte seine Beine und sein bestes Stück, das jetzt halb schlaff nach unten hing.
„Was ist los, Rocco?“
Das Halbblut verschluckte den Rest seiner Worte, mit denen er Abel irgendetwas erklärte, wirbelte herum und lief einige Schritte näher. Feinkörniger Sand knirschte unter den Sohlen seiner derben Arbeitsschuhe, die befleckt waren vom Pferdedung und die ockerfarbener Staub gepudert hatte.
„Schlechte Nachricht, Waco“, rief der Stallbursche. „Zwei Fremde sind in Lincoln aufgekreuzt, und sie haben sich bei mir erkundigt, wo sie Stan Stryker finden können. Zwei üble Figuren, die von weit her zu kommen scheinen, denn ihre Gäule sind ziemlich am Ende.“
Waco nagte an seiner Unterlippe. „Einer mit schwarzem Bart und einer verwegenen Verbrechervisage, der andere etwas kleiner, mit 'nem braunen Hut auf dem Kopf“, fragte er dann, trotz der Gewissheit, dass von den beiden Kerlen die Rede war, die er vor einer halben Stunde von der Shining Star Ranch vertrieben hatte.
„Ja. Es sieht ganz so aus, als hätte der dreckige Bastard Stryker zwei neue, mächtig heiße Eisen auf seine Lohnliste gesetzt.“
„Dann ist es also kein Zufall, dass die beiden Strolche hier aufgetaucht sind“, murmelte Waco wie zu sich selbst. Und laut fügte er hinzu: „Weißt du, ob Old Jacob schon seinen Dienst angetreten hat?“
Rocco, in dessen Adern Apachenblut floss, schüttelte den Kopf. „Von Jacob habe ich noch nichts gesehen.“
„Okay, Rocco. Geh in die Stadt zurück. Es ist gut. Vielen Dank für den Hinweis. Solltest du Jacob sehen, richte ihm aus, dass ich komme. Er soll sich von den beiden Fremden auf jeden Fall fernhalten. Ich selbst will ihnen etwas intensiver unter den Hutrand blicken.“
Rocco hob zum Zeichen dafür, dass er verstanden hatte, die Hand, dann sprang er in den Sattel seines Pintos und trieb ihn an.
Waco wandte sich Joana zu, die jetzt auf der Bettkante saß. Ihre Blicke trafen sich. In Waco erwachte aufs Neue das Verlangen nach ihr. Und er spürte, wie sich zwischen seinen Lenden erneut das Blut sammelte und staute. Er unterdrückte fast gewaltsam diese hochschwappende, überwältigende Erregung.
„Ich muss ins Büro“, erklärte er und seine Stimme klang kehlig. „Weiß der Teufel, was Stryker wieder ausgeheckt hat. Möglich, dass er seine beiden Neuerwerbungen unverzüglich von der Leine lässt. Und dann ist Jacob ziemlich aufgeschmissen.“
„Die Hölle soll Stryker und seinen widerwärtigen Anhang verschlingen“, stieß Joana wenig damenhaft hervor. Sie war nicht ganz auf ihre Rechnung gekommen soeben, und das machte sie zornig.
*
„Warum ist Stevens nicht selbst hergekommen?“, fragte Stan Stryker. Sein düsterer Blick wechselte zwischen Joe Clayburne und Lee Hackford hin und her. Er hatte den beiden Sattelwölfen keinen Stuhl angeboten. Sie standen vor seinem Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer im Obergeschoss des ‚Lonesome Rider Saloon‘ und wurden fast erdrückt von der pompösen Einrichtung, die den Reichtum des Mannes hinter dem Schreibtisch allerdings nur annähernd erahnen ließ.
An der Wand halb rechts hinter Stryker lehnte Corby an der Wand, die Daumen vor dem Bauch in den Revolvergurt gehakt. Er fixierte die beiden aus unergründlichen, kalten Fischaugen.
„Er und die anderen sind zurückgeblieben und warten in einem Kaff namens Glencoe“, erwiderte Hackford und kratzte sich ungeniert am Hals, der bis zum Kehlkopf von seinem wuchernden Bartgeflecht überdeckt war. Staub, der sich in diesem ungepflegten Gestrüpp verfangen hatte, rieselte zu Boden. „Immerhin ist Taylor Stevens der Regierung 1000 Bucks wert. Und er ist kein Mann, der das Schicksal mit aller Gewalt herausfordert.“
Stryker verzog den Mund, der unter seinem struppigen Schnauzbart kaum zu sehen war. Die fahle Messernarbe in seinem Gesicht stand in scharfem Kontrast zur Bräune seiner Haut. „Ihr kommt spät“, gab er plötzlich, ohne jeden Zusammenhang, zu verstehen.
„Wir wurden in Tularosa aufgehalten. Ein Narr wollte sich die Prämie verdienen, die auf Taylor ausgesetzt ist. Nun, Taylor hat ihm sehr schnell Flügel wachsen lassen.“ Joe Clayburne zeigte die Zähne. „Genug. Wir sind da. Ein Tag hin oder her wird kaum 'ne Rolle spielen, oder? Kommen wir zum Geschäft. Sie haben uns 'nen 6000-Dollar-Job angeboten, Stryker. Wir haben angenommen und sind mehr als fünfhundert Meilen geritten, als säße uns der Leibhaftige im Nacken. Worum genau geht es? Sicher kein sauberer Job. Also legen Sie die Karten auf den Tisch, damit wir Taylor Bescheid sagen können. Und anschließend verhandeln wir über einen Vorschuss.“
Stan Stryker lehnte sich in seinem schweren, mit prächtigen Schnitzereien verzierten Lehnstuhl zurück. Seine Miene war ausdruckslos. Unter halb gesenkten Lidern hervor starrte er Clayburne an. Schließlich begann er zu sprechen: „Es ist ein Job, Mister, bei dem ihr ziemlich Federn lassen könnt.“ Stryker ließ seine Worte sekundenlang wirken. Die beiden hartbeinigen Kerle musterten ihn unbeeindruckt und warteten darauf, dass er fortfuhr. Er sprach weiter: „In dieser Stadt gibt es einen Mann, der etwas besitzt, das ich gerne haben möchte. Es ist die Shining Star Ranch. Er ...“
Lee Hackford japste nach Luft wie ein Erstickender. „Das Hurenhaus am Stadtrand? Gott verdamm mich! Da waren wir, ehe wir Sie aufsuchten. Wir wollten …" Der Strolch machte eine kurze Pause, als müsste er seine nächsten Worte überlegen, dann fuhr er hastig fort: „Yeah, der Puff lag am Weg und wir kehrten ein, weil wir Durst hatten. Doch plötzlich tauchte ein Bursche mit 'nem Stern an der Brust auf, stellte sich uns als der Besitzer des Liebestempels vor und jagte uns mit Hilfe des alten Zausels hinter der Bar zur Tür hinaus. Heiliger Rauch, wenn ich ihn zwischen die Finger kriege, dann ...“
Er verstummte unheilvoll, hatte die Rechte zur Faust geballt, als wollte er etwas zerquetschen, weiß traten die Knöchel unter der Haut hervor.
„Der Hombre mit dem Stern heißt Waco Jordan und ist gefährlicher und giftiger als eine Klapperschlange“, erklärte Stryker. „Er ist der Stein, den es für mich aus dem Weg zu räumen gilt. Dabei muss meine weiße Weste absolut rein bleiben. Darum werde ich euch nach diesem Gespräch nicht mehr kennen. Und ich werde jedem, der mich nach euch fragt, erzählen, dass ihr bei mir um einen Job nachgefragt habt und dass ich euch sozusagen die Tür vor der Nase zuschlug. Offiziell beschäftige ich nämlich keine Kerle eures Schlages. Klar?“
Joe Clayburne schürzte verächtlich die Lippen. „Um Ihre Drecksarbeit zu erledigen sind wir wohl gut genug, wie?“
Corby drückte sich von Wand ab. Seine Rechte lag auf dem Coltknauf. Drohend stieg es aus seiner Kehle: „Der Ton, den du hier anschlägst, passt mir nicht, Amigo.“
Unbeeindruckt und mit schleppendem Tonfall versetzte Clayburne: „Das ist die Art, wie Kerle von unserem Schlag miteinander umzugehen pflegen. Was dagegen?“
Stryker grinste schief. Es war ein Grinsen, das seine Augen nicht erreichte. Er winkte ab. „Sei‘s drum. Ich wollte euch nicht beleidigen. Auf meine Person darf eben kein schiefes Licht fallen. Ich bin jemand in dieser Stadt, ich bin hier etabliert, wie man so schön sagt, anerkannt und geachtet.“
Er gab Corby einen Wink. Dessen Schultern sanken nach unten, seine Hand löste sich vom Knauf, er kehrte zur Wand zurück und starrte ohne jede Freundlichkeit auf die beiden Banditen.
„Vergessen.“ Hackford schob sein Kinn vor. „Um diesen großmäuligen Marshal aus den Stiefeln zu putzen, brauchen wir Taylor und die anderen nicht. Der Sternschlepper hat 'ne Rechnung bei uns offen – eine blutige Rechnung, die wir ihm bei der nächsten Gelegenheit präsentieren werden. Schon morgen wird kein Hahn mehr nach ihm krähen.“
Stryker schüttelte den Kopf. „Kein Mord, kein unnötiges Blutvergießen – nicht in Lincoln. Um Jordan so mir nichts dir nichts mit einer Unze Blei unter die Erde zu schicken, hätte ich nicht Taylor Stevens und euch herholen müssen, und es wäre mir gewiss auch keine 6000 Dollar wert. Als Fitzgerald, Jordans Vorgänger, ins Gras biss, geschah es – hm, nun ja. Er starb im fairen Kampf mit einem meiner Leute. Dennoch war mein Ruf in der Stadt und im County übel angeschlagen. Ich hatte Mühe, ihn wiederherzustellen. Nein, keine Schießerei. Mein Plan, um Jordan kleinzukriegen und dennoch mein Image nicht zu schädigen, ist ein anderer. Also hört zu ...“
*
Während Stan Stryker den beiden Revolverschwingern seinen teuflischen Plan erläuterte, betrat Waco das Marshal's Office. Es war düster in dem spartanisch eingerichteten Raum, die Luft war stickig und abgestanden. Die Tür zum Zellentrakt stand offen. Das Geräusch, mit dem ein Reisigbesen über den Bretterboden fegte, erreichte Wacos Gehör.
„Hallo, Jacob, alles klar?“, rief Waco und ging zum Schreibtisch.
Schlagartig brach das Geräusch ab. Jacob Morgans dünne Gestalt erschien in der Tür. Mit beiden Händen hielt er den Besen fest. Die Haut in seinem Gesicht erinnerte an die geborstene Rinde einer alten Flusspappel. Die braune Weste war ihm zu groß und hing an ihm wie an einem Kleiderständer.
„Morning, Waco“, grüßte der Oldtimer krächzend. „Dachte, nach Mitternacht geht‘s erst richtig los. Hab den Jail voll betrunkener Kerle erwartet, als ich vorhin herkam. Sind die Sünder plötzlich alle brav und solide geworden?“
Waco lächelte. „Ich versprach ihnen vierundzwanzig Stunden hinter Gittern unter deiner Obhut, Jacob“, sagte er amüsiert. „Da bekamen sie es mit der Angst, dass du sie in den vierundzwanzig Stunden zu Tode reden würdest, und sie zogen es vor, friedlich zu sein.“
Waco begann in der Schreibtischschublade zu wühlen. Er holte ein Bündel teilweise ziemlich vergilbter Steckbriefe hervor.
Jacob stieß ein zorniges Knurren aus und stampfte den Besen auf den Boden. „Immer dasselbe mit dir“, schimpfte er und schniefte. „Du nimmst mich nicht ernst. Wäre ich nur zwanzig oder dreißig Jahre jünger, dann würde ich dir die Ohren lang ziehen. Ja, als in deinem Alter war, ritt ich mit Colonel Canby gegen die Navajos. Als uns Manuelito mit seinen roten Halsabschneidern im Canyon de Chelly umzingelt hatte, war es nur meinem Mut, meiner Umsicht und meiner List zu verdanken, dass zwei Kompanien Kavallerie nicht dort oben ihr Grab fanden. Ich habe ...“
Als er bemerkte, dass Waco gar nicht zuhörte, brach der Oldtimer abrupt ab. Erneut knallte er den Besen auf den Boden. „Du hörst mir ja nicht mal zu“, keifte er. „Es interessiert dich nicht. Dabei könntest du Grünschnabel 'ne ganze Menge von mir lernen!“
„Schon gut, Jacob“, murmelte Waco geistesabwesend. Er blätterte in den Steckbriefen. „Ich weiß, dass du einer der großen Helden der Indianerkriege warst. Irgendwann wird jemand deine Geschichten aufschreiben und du gehst als glorreicher Mann in die Annalen unseres Landes ein.“ Er hob das Gesicht und sah den Oldtimer an.
Jacobs Kopf stieß vor wie der Kopf eines Falken, er blinzelte verdutzt, dachte kurz über die Ernsthaftigkeit der Worte Wacos nach, dann aber sah er das belustigte Funkeln in dessen Augen und stampfte wütend mit dem Fuß auf. „Boden schrubben, Gewehre reinigen, deinen Schreibtisch aufräumen – dazu bin ich gut. Wozu trage ich einen Stern? In der Town wimmelt es von zwielichtigem Gesindel. Lass mich die Stadt mit eisernem Besen kehren. Als ich '59 in – in ... Hölle, wo war es gleich wieder?“ Jacob griff sich an den Kopf. „Richtig, in Bisbee, drüben in Arizona. Ja, '59, da scheuchte ich das ganze lichtscheue Grenzgesindel mit Pulverdampf und Blei ...“
„Nichts!“, stieß Waco hervor, der den Packen Steckbriefe durchgesehen hatte.
„Was suchst du überhaupt?“, maulte Jacob neugierig.
Waco richtete sich zu seiner vollen Größe auf. „Heute sind zwei Kerle mit tiefhängenden Eisen in die Stadt gekommen. Sie erkundigten sich bei Rocco nach Stan Stryker. Ich hatte bereits das Vergnügen mit ihnen. Es sind Galgenvögel. Sieht aber so aus, als würde nicht nach ihnen gefahndet. Schade, wenn es einen Steckbrief gäbe, hätte ich etwas in der Hand gegen sie.“
Jacob zog die Mundwinkel nach unten. „Will denn dieser Mistkerl Stryker niemals Ruhe geben?“, knurrte er. „Langsam muss er es doch merken, dass er sich an dir die Zähne ausbeißt.“ Und schon verfiel er wieder in sein altes Fahrwasser. Seine Stimme hob sich. „Ich werde dir den Rücken decken, Waco. Wenn die Schufte erst mal an den Mündungen meiner Greener geschnuppert haben, werden sie die Sättel heiß reiten, um aus Lincoln hinauszukommen.“ Grimmig schüttelte er den Besen wie einen imaginären Feind.
„Wir werden sehen“, murmelte Waco. Er umrundete den Schreibtisch und ging zum Gewehrschrank. Nach kurzer Überlegung angelte er sich eine Winchester. Er prüfte die Ladung und riegelte eine Patrone in den Lauf. „Du hältst hier die Stellung, Jacob.“
„Und du?“
„Ich gehe hinüber in Strykers Lasterhöhle. Vielleicht geben mir die Strolche einen Grund ...“
*
Im Schankraum befanden sich eine Handvoll Gäste. Ein Keeper füllte das Regal hinter dem Tresen mit vollen Flaschen.
Es war ein nobler Schuppen, den Stan Stryker sein eigen nannte. Er stand der Shining Star Ranch in nichts nach. Die Theke war aus Mahagoni, die Regale mit den riesigen Spiegeln im Hintergrund ebenfalls. Die Lüster, die von der Decke hingen, waren dicht mit geschliffenen Bleikristallperlen behängt, die im Zwielicht in sämtlichen Regenbogenfarben glitzerten. Eine breite Treppe führte hinauf zum Obergeschoss. Es gab eine Bühne hinter einem schweren, roten Vorhang, ein riesiges Piano stand gleich neben der schmalen Treppe mit den vier Stufen, die auf die Bühne führte.
Waco hatte über den Rand der geschwungenen Flügeltür genug gesehen. Er stieß die Türpendel auseinander und trat ein. Sein linker Arm mit dem Gewehr hing locker nach unten. Die Rechte baumelte neben dem Holster mit dem schweren Sechsschüsser. Ein großer, unbeugsamer Mann, von dem etwas Raubtierhaftes ausging. Das Symbol des Gesetzes an seiner linken Brustseite schimmerte matt. Er erregte Aufmerksamkeit. Die Unterhaltungen erstarben. Drei Männer standen am Tresen. Sie fixierten ihn. An drei Tischen saßen insgesamt acht Männer. Auch sie starrten Waco an. Es waren allesamt Bürger der Stadt, und Waco kannte jeden von ihnen. Gewiss fragten sie sich in diesem Moment, was den Marshal in die Höhle des Löwen getrieben haben mochte.
Waco nickte ihnen zu und marschierte zur Theke. Er legte das Gewehr vor sich auf die blankgescheuerte Messingplatte und ließ seine Unterarme ebenfalls auf dem Schanktisch liegen. Der Keeper wandte sich ihm zu, hob die linke Braue und fragte mit erzwungener Höflichkeit: „Sind Sie dienstlich hier, Marshal? Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Ich könnte Ihnen einen vorzüglichen Tropfen aus Kentucky ...“
„In diesem Etablissement müsste ich befürchten, dass man mir Rattengift in den Whisky mischt“, versetzte Waco kalt. „Ich möchte Stryker sprechen.“
Der Keeper zog den Kopf zwischen die Schultern, schluckte, räusperte sich und sagte: „Stryker ist oben. Er will allerdings nicht gestört werden.“
„Das interessiert mich einen Dreck.“
Waco nahm das Gewehr und bewegte sich in Richtung Treppe. Als er den Fuß auf die unterste Stufe setzte, erklangen oben Schritte, Stiefelleder knarrte, Sporen klirrten, und dann ertönte es laut – eine Idee zu laut: „Ich bedauere es sehr, Gentlemen, aber ich habe zurzeit nicht einen einzigen Job zu vergeben. Versuchen Sie es auf einer der Ranches in der Umgebung oder in einer anderen Stadt.“
Stryker erschien am oberen Ende der Treppe. Ihm folgten Joe Clayburne und Lee Hackford. Von Corby war noch nichts zu sehen, er befand sich noch im breiten Korridor und war von der Wand verdeckt. Aber Waco wusste, dass Corby da war. Er war wie Strykers Schatten. Wo Stryker war, da war auch der Gunslinger.
Grimmiger Sarkasmus erfüllte Waco. Natürlich hatte Stryker ihn über die Straße kommen sehen. Und jetzt zog er seine lächerliche Show ab. Waco wartete ab.
Die drei Männer auf der Treppe hatten angehalten. Joe Clayburne schnaubte beim Anblick des Marshals durch die Nase, die Erinnerung an die demütigende Niederlage vom Morgen löste in ihm einen Aufruhr der Empfindungen aus.
„Lass dich bloß jetzt zu nichts hinreißen!“, zischelte hinter seinem Rücken Corby, was Waco jedoch nicht hören konnte.
„Ah, der Marshal“, gab sich Stryker überrascht. „Haben Sie Ihren Rundgang auf die Mittagszeit verlegt?“ Seine Stimme triefte vor Hohn. Mit sicheren Bewegungen kam er drei Stufen tiefer. Er wandte sich halb um. „Auf Wiedersehen, Gentlemen. Wie ich schon sagte, ihr habt an die falsche Tür geklopft. Die Jobs, die ich zu vergeben habe, sind besetzt. Nehmen Sie an der Bar 'nen Drink auf Kosten des Hauses, und versuchen Sie Ihr Glück anderswo.“
Eine auffordernde Handbewegung folgte. Clayburne und Hackford stiefelten an ihm vorbei nach unten. Als sie Waco passierten und er in ihre Gesichter sah, entging ihm nicht der Abgrund von verzehrendem Hass und Heimtücke in ihren Augen. Diese Kerle waren tödlicher als Cholera.
Aufreizend langsam schritten sie zur Theke. Stryker hub wieder zu sprechen an: „Also, Marshal, spucken Sie‘s schon aus, was Sie zu mir führt. Wollen Sie mich zur Verantwortung ziehen, weil sich in meinem Inn zwei Betrunkene vergangene Nacht beinahe mit ihren Messern die Bäuche aufgeschlitzt hätten?“
„O nein, Stryker. Da hatten Sie ausnahmsweise mal nicht ihre schmutzigen Hände im Spiel. Ich bin hier, weil ich Sie zu Ihrem neuesten Zulauf beglückwünschen möchte. Sie haben doch die beiden heruntergekommen Halunken dort am Schanktisch angeheuert. Sie können mir nichts vormachen. Sind Sie wieder mal dabei, das Kriegbeil gegen mich auszugraben? Haben Sie nicht langsam die Schnauze voll als ewiger Verlierer?“
Strykers Rechte verkrampfte sich um den Handlauf des Treppengeländers. Von Corby war nach wie vor nichts zu sehen. Waco indes konnte seine Anwesenheit fast körperlich spüren.
Wut verdunkelte Strykers Stimme, als er antwortete: „Zügeln Sie Ihre Zunge, Jordan. Was Sie aussprachen, sind haltlose Verdächtigungen und niederträchtige Unterstellungen. Denken Sie daran, mein Einfluss in dieser Stadt ist groß. Und die nächste Marshalwahl kommt bestimmt.“
„Ihr Einfluss beschränkt sich auf die Ratten in dieser Town“, versetzte Waco ungnädig und ohne jeden Unterton. „Und die sind in der Minderzahl. – All right, Stryker. Ich kenne Ihr Spiel, und ich kenne die Mittel, die Sie sich nicht scheuen, einzusetzen. Bis jetzt konnten Sie sich überall fein herauswinden. Sie sind ein Wolf im Schafspelz, aber irgendwann werden Sie Ihr wahres Gesicht zeigen müssen. Und dann habe ich Sie dort, wo ich Sie haben will.“
„Soll das eine Drohung sein?“
„Eine Drohung – nein. Eher 'ne Warnung.“
Strykers linke Hand schnellte hoch, sein Zeigefinger stach auf Waco zu, seine Gesichtszüge entgleisten regelrecht. „Sehen Sie sich vor, Jordan. Meine Geduld mit Ihnen ist bald am Ende. Ich lasse mich von Ihnen nicht zum Unruhestifter und Gangster abstempeln. Meine Hände sind sauber – an ihnen klebt kein Blut wie an den Ihren. Sie ...“
Waco unterbrach ihn klirrend: „Weil Sie Leute bezahlen, die sich für Sie die Hände schmutzig machen, Stryker.“ Er drehte sich um. Furchtlos wandte er Stryker den Rücken zu. Nirgends war er so sicher wie hier vor den Augen eines knappen Dutzends von Stadtbewohnern. Er war so sicher wie in Abrahams Schoß. „He, ihr beiden, Satteltramps sind in Lincoln nicht willkommen. Wie lange gedenkt ihr zu bleiben?“
Clayburne und Hackford nahmen Front zu ihm ein, jeder hielt ein Glas voll Brandy in der Hand.
„So lange es uns gefällt“, sagte Clayburne patzig und sah Waco herausfordernd an.
„Habt ihr Geld, um euren Lebensunterhalt zu bestreiten?“
„Es wird einige Zeit reichen.“
„Aber ihr habt keinen Job, wenn ich Stryker eben richtig verstanden habe. Wir sehen hier Tagediebe von eurem Schrot und Korn nicht gerne. Sie bereiten nur Ärger.“
„Tja, Marshal, das ist ein freies Land. Jeder kann hingehen, wo er will, jeder darf sich frei bewegen. Wissen Sie das etwa nicht als Mann des Gesetzes?“
„Die eigene Freiheit endet dort, wo die Freiheit anderer mit Füßen getreten wird“, knurrte Waco.
„Unsinniges Wortgeplänkel!“, mischte sich Stan Stryker ein. Er war die Treppe heruntergekommen. „Sind Sie hergekommen, um zu provozieren, Jordan? Dann stehlen Sie mir wertvolle Zeit. Was wollen Sie erreichen? So kommen Sie jedenfalls nicht weiter – was immer es auch ist. Lassen Sie mich in Ruhe und verschwinden Sie. Es gibt hier nichts für Sie zu tun.“
„So ist es“, ließ Clayburne vernehmen und feixte. „Geh heim und lass dir von einer deiner Schlampen einen blasen. Das macht glücklich und zufrieden und du musst nicht länger auf den Gemütern harmloser Pilger herumtrampeln.“
Der Sattelstrolch fing einen warnenden Blick Stan Strykers auf, ignorierte ihn aber. Er grinste anzüglich.
Die Atmosphäre im Saloon war plötzlich spannungsgeladen und unheilvoll. Einige der Gäste riefen nach dem Keeper, um zu bezahlen. Sie wollten nicht dabei sein, wenn die Auseinandersetzung zwischen dem Marshal und seinen Gegnern möglicherweise eskalierte.
Instinktiv spürte Stryker, dass hier eine Entwicklung ihren Lauf nahm, die nicht gut für ihn war. Und er war sich plötzlich sicher, Waco Jordans Absicht zu durchschauen. „Schluss damit!“, donnerte sein Organ. „Ihr beiden werdet jetzt euren Schnaps austrinken und verduften. Und Ihnen, Jordan, gebe ich den guten Rat ...“
Er kam nicht zu Ende. Waco war an Clayburne herangeglitten und knirschte zwischen zusammengebissenen Zähnen: „Meine Mädchen darf niemand als Schlampen beschimpfen, Mister. Schreib dir das hinter deine Ohren.“
Und mit seinem letzten Wort schlug Waco zu. Bretterhart landete sein Handrücken auf dem Mund Clayburnes. Dessen Unterlippe platzte auf und Blut sickerte auf sein Kinn. Ihm entrang sich ein erschreckter Aufschrei, er taumelte zurück und stieß hart mit dem Rücken gegen den Handlauf der Theke. Brandy schwappte über den Rand seines Glases und tropfte über seine Hand auf den Boden.
Lee Hackford, Clayburnes Sattelgefährte, reagierte. Wie ein Straßenköter, dem man aus Versehen auf den Schwanz tritt. Reflexartig und ohne nachzudenken. Sein Oberkörper pendelte etwas nach vorne, die Rechte des schwarzbärtigen Burschen klatschte auf den Revolverknauf. Es war, als brannte in diesem Sekundenbruchteil bei ihm eine Sicherung durch. Er riss das Eisen aus dem Holster, sein Daumen lag quer über dem Hahn.
Wacos linker Arm mit dem Gewehr zuckte hoch, der stählerne Lauf traf Hackfords Gesicht. Der Bursche brüllte auf wie ein angeschossener Longhornbulle und wankte einen Schritt nach hinten. Das Glas entglitt seiner Hand und zerschellte auf dem Fußboden. Trotz des überwältigenden Schmerzes versuchte er den Sechsschüsser in Anschlag zu bringen.
Waco wirbelte die Winchester herum und rammte Hackford den Kolben in den Leib. Erneut brach ein schmerzerfüllter Aufschrei aus dem Mund des Strolchs, sein Gesicht verzerrte sich, Blut rann aus einer Platzwunde an seiner Kinnlade.
Wacos dritter Schlag prellte schließlich Hackford den Colt aus der Faust. Er landete zwischen den Glasscherben auf den Dielen. Mit einem Tritt beförderte Waco das Eisen außer Reichweite.
Waco trat einen Schritt zurück. Das Gewehr war jetzt auf Clayburne gerichtet. Wie das hohle Auge in einem Totenschädel starrte ihn die kreisrunde Mündung an. Wacos Zeigefinger lag hart um den Abzug.
„Das war‘s!“, schnappte Waco. „Keine falsche Bewegung mehr, Clayburne. Diesen Namen nanntest du mir doch, nicht wahr? Joe Clayburne! Du sagtest doch, ich solle ihn mir gut merken. Okay, Joe Clayburne, niemand redet schlecht oder abfällig von den Ladies auf der Shining Star Ranch.“
Aus den Augenwinkeln beobachtete er Lee Hackford, der gegen eine große Not anzukämpfen hatte. Der Kolbenschlag in den Leib hatte ihm die Luft aus den Lungen gepresst. Er atmete keuchend und stoßweise, es erinnerte an ein gepresstes Wimmern. Der Schmerz hatte ihm die Tränen in die Augen getrieben.
Clayburne wischte sich über das Kinn und verschmierte das Blut, das aus der Lippe tröpfelte. Eine Welle von Hass und mörderischem Verlangen ging von ihm aus und schlug Waco entgegen wie ein eisiger Wind.