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Dreimal hat Bount Reiniger Dynamit in den Händen: N.Y.D. New York Detectives Sammelband 3 Krimis

von Earl Warren (Autor:in)
©2022 500 Seiten

Zusammenfassung

Bount hatte seinem Bekannten die Kawasaki zurückgegeben. Um halb neun morgens bog er mit June im 450 SEL in die Fletcher Street ein. Hier standen in der Nähe der Docks hässliche Mietskasernen. Im Hintergrund sah man Dockkrans bei den Piers aufragen. Die Straße war dreckig.

Das Haus, in dem Beamster Unterschlupf gefunden hatte, war, wie von dem Silberköpfchen im Zero Club erwähnt, tatsächlich nicht zu verfehlen. Es gehörte zu einer Häuserzeile. Fahnen und mit Spruchparolen versehene Betttücher hingen aus den Fenstern. Die Wände waren mit Parolen besprüht.

Bount hielt ein Stück vor dem Haus. »June, wir bleiben über Funk in Verbindung. Wenn es in dem Haus Krach gibt und du der Meinung bist, dass ich in Schwierigkeiten stecke, ruf das Überfallkommando. Klar?«

»Natürlich, Chef.« June himmelte Bount an. »Du wagst dich wirklich allein hinein und willst Beamster herausholen?«

»Sicher. Die politische Einstellung der Leute in diesem Haus ist deren Angelegenheit. Beamster ist ein Gangster. Deshalb will ich ihn holen. Ich denke, wenn es mir gelingt, den Hausbesetzern das zu erklären, kann nichts schief gehen.«

»Deinen Optimismus möchte ich haben.«

»Dem Mutigen gehört die Welt«, sagte Bount. »Wird schon schief gehen, June.«

Diesmal hatte Bount keine Kampfausrüstung wie in der vergangenen Nacht in der Bronx. Er trug zwar seine Automatic in der Schulterhalfter, wollte sie aber nach Möglichkeit nicht gebrauchen. Er stieg aus, warf June eine Kusshand zu und schritt zu dem Haus.

Dieser Band enthält folgende Krimis

von Earl Warren:

Bount Reiniger oder Dynamit in den Fäusten

Bount Reiniger und die Yukon-Gang

Bount Reiniger und die Spur ins Pentagon

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Dreimal hat Bount Reiniger Dynamit in den Händen: N.Y.D. New York Detectives Sammelband 3 Krimis

Earl Warren

Bount hatte seinem Bekannten die Kawasaki zurückgegeben. Um halb neun morgens bog er mit June im 450 SEL in die Fletcher Street ein. Hier standen in der Nähe der Docks hässliche Mietskasernen. Im Hintergrund sah man Dockkrans bei den Piers aufragen. Die Straße war dreckig.

Das Haus, in dem Beamster Unterschlupf gefunden hatte, war, wie von dem Silberköpfchen im Zero Club erwähnt, tatsächlich nicht zu verfehlen. Es gehörte zu einer Häuserzeile. Fahnen und mit Spruchparolen versehene Betttücher hingen aus den Fenstern. Die Wände waren mit Parolen besprüht.

Bount hielt ein Stück vor dem Haus. »June, wir bleiben über Funk in Verbindung. Wenn es in dem Haus Krach gibt und du der Meinung bist, dass ich in Schwierigkeiten stecke, ruf das Überfallkommando. Klar?«

»Natürlich, Chef.« June himmelte Bount an. »Du wagst dich wirklich allein hinein und willst Beamster herausholen?«

»Sicher. Die politische Einstellung der Leute in diesem Haus ist deren Angelegenheit. Beamster ist ein Gangster. Deshalb will ich ihn holen. Ich denke, wenn es mir gelingt, den Hausbesetzern das zu erklären, kann nichts schief gehen.«

»Deinen Optimismus möchte ich haben.«

»Dem Mutigen gehört die Welt«, sagte Bount. »Wird schon schief gehen, June.«

Diesmal hatte Bount keine Kampfausrüstung wie in der vergangenen Nacht in der Bronx. Er trug zwar seine Automatic in der Schulterhalfter, wollte sie aber nach Möglichkeit nicht gebrauchen. Er stieg aus, warf June eine Kusshand zu und schritt zu dem Haus.


Dieser Band enthält folgende Krimis

von Earl Warren:



Bount Reiniger oder Dynamit in den Fäusten

Bount Reiniger und die Yukon-Gang

Bount Reiniger und die Spur ins Pentagon

Copyright


Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

COVER A. PANADERO

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

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Bount Reiniger oder Dynamit in den Fäusten

Im Boxring fliegen die Fetzen, und Bount Reiniger knockt die Mafia aus

von Earl Warren


1.

Mike Carson ließ die Fäuste fliegen. Broome Browne, genannt der Harlem-Tiger, gab gegen den entfesselten Orkan Carson ein schwaches Bild ab. Er wankte, und dann kam der linke Haken, blitzschnell und ohne Ansatz. Er traf Brownes Kinn wie eine Granate.

Der Harlem-Tiger verdrehte die Augen und krachte schwer auf den Ringboden.

Mehr als zwanzigtausend Zuschauer in der großen Arena des Madison Square Garden tobten. Viele sprangen auf die Sitze, fuchtelten mit den Armen und schrien wie verrückt.

Bount Reiniger saß vom am Ring. June March, die er alibihalber mitgebracht hatte, um nicht aufzufallen, schwieg. Sie mochte dieses Spektakel nicht sonderlich.

Der Ringrichter zählte Broome aus und hob Carsons Hand.

»Sieger durch K.o. in der dritten Runde – Mike Carson!«

Carson strahlte. Da flog wie ein silberner Blitz das Messer von der Galerie. Zufällig drehte sich Carson um. Um Haaresbreite verfehlte ihn die Klinge und bohrte sich in die Seite des Ringrichters.

Moff Jones, der Ringrichter, schaute entsetzt auf den Messergriff, der plötzlich aus seinem Körper ragte. Er stöhnte und riss die Augen auf. Er konnte nicht fassen, was ihm da passiert war. Nur wenige Zuschauer halten es bemerkt.

Jetzt brach Jones zusammen und fiel schwer neben Broome, der noch immer bewusstlos war. Mike Carson beugte sich über ihn und fasste das Messer an.

Bount reagierte blitzschnell. Er raste zum Ring, stieg hoch und kletterte über die Seile.

»Zieh das Messer nicht aus der Wunde, Carson!«, rief er. »Es verschließt die Blutgefäße. Nur der Arzt oder ein Sanitäter darf es entfernen.«

Carson, eine 1,88 m große Kampfmaschine mit kahlrasiertem Kopf, breiter Nase und mehreren Zahnlücken, schaute Bount an.

»Wer bist du, Mann?«, fragte der muskelbepackte Boxer, der genau wie sein besiegter Gegner Broome ein Schwarzer war. »Hast du das verdammte Messer geworfen?«

»Wo denkst du hin, Mike? Ich bin dein Schutzengel. Angel Dobbs hat mich dazu angestellt, dein Trainer.«

Carson schaute zu seinem Trainer am Ring. Dobbs, ein Weißer mit Faltengesicht, einer Wollmütze, die er wie ein Markenzeichen trug, und einem Hörgerät, nickte bestätigend. Jetzt erst fasste Carson Vertrauen zu Bount, der ihm befahl, den Ring sofort zu verlassen. Carson, der mit seinem K.o.-Sieg heißer Anwärter für einen Titelkampf um die Weltmeisterschaft im Schwergewicht geworden war, passte das nicht.

»Ich kneife nicht!«

Bount zog seine 38er Automatic und stellte sich schützend vor Mike Carson.

»Das hat nichts mit Kneifen zu tun. Willst du dich von Gangstern im Ring umbringen lassen? Dagegen helfen dir deine Kraft und deine Boxkünste überhaupt nichts. – Raus aus dem Ring und runter mit dir, Mike! – Los!«

Endlich gehorchte Carson, den Bount mit seinem Körper deckte. Die Halle hatte sich erst recht in einen Hexenkessel verwandelt. Die Zuschauer schrien erregt durcheinander. Drei Fernsehkameras, die den Kampf übertrugen, summten um die Wette. Die Blitzlichter der Fotografen, die während des Kampfs keinen Blitz hatten auslösen dürfen, zuckten um die Wette.

Bount hob das Ringseil für Mike Carson, der sich neben den erhöhten Boxring duckte. Broome schlummerte immer noch. Mike Carson hatte wirklich Dynamit in den Fäusten. Der Harlem-Tiger würde die Augen so schnell nicht wieder öffnen.

Saalordner umdrängten Mike Carson, der noch immer die Fäuste in den roten Boxhandschuhen hatte. Andere Ordner versuchten festzustellen, wer das Messer geworfen hatte. Doch das hatte im gleißenden Scheinwerferlicht, das ihn blendete, auch Bount nicht erkennen können. Er wollte den Messerwerfer aber nicht entkommen lassen.

Bount Reiniger gab June March einen Wink, bei Carson zu bleiben und auf ihn aufzupassen. An sich war das ein Witz. Carson konnte die blonde, schlanke June am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Doch gegen die skrupellosen Gangster, die ihn bedrohten, konnte sie besser angehen als er.

June zog die 32er Astra aus ihrer Handtasche und passte nach allen Seiten auf. Die Blitzlichter zuckten. Sanitäter und der Ringarzt stiegen in den Boxring. Mike Carson schien vorerst in Sicherheit. Sein Trainer packte ihn am Arm und redete beschwörend auf ihn ein, er solle sich schleunigst in die Kabine zurückziehen. Der geschockte Boxer nickte schließlich.

Er ließ sich wegführen, vorbei an dem tobenden Publikum. Er sah ein Meer von Gesichtern und fuchtelnde Hände. Sein Trainer und June zogen ihn weg.

Währenddessen stürmte Bount den Mittelgang hoch und gelangte zur Tribüne. Auch hier herrschte Durcheinander, schrien alle und rempelten sich gegenseitig an. Mit schussbereiter Pistole schaute Bount sich um.

»Wer hat das Messer geworfen?«, fragte er.

»Ich nicht«, antwortete ein modisch gekleideter Mann, dem Bount auf zweihundert Meter Entfernung den Zuhälter ansah. »Hier hat keiner was gesehen.«

Da irrte der Pimp – Zuhälter – sich. Zwei junge Burschen deuteten auf eine Tür zum Tribüneneingang.

»Da sind sie raus. Es waren zwei Kerle. Der eine trug eine MP unter dem Mantel«, erklärte ein Jugendlicher.

»Wie sehen die beiden aus?« Der junge Mann antwortete wie aus der Pistole geschossen: »Der Messerwerfer ist ein Spic.« Das hieß Puertoricaner. »Hager wie ein Windhund und mit ausgemergeltem Gesicht, als würde er tagelang nichts zu essen kriegen. Er trägt einen hellen, langen Staubmantel, ist fast so groß wie Sie und hat einen Sticker im linken Ohr. Sein Kumpan ist kleiner als er und bullig, hat schütteres braunes Haar. Er trägt Jeans, Lederjacke und T-Shirt.«

»Danke. – Halten Sie sich als Zeuge bereit.«

Damit rannte Bount weiter. Ein Zeuge, der so präzise Angaben vorzubringen vermochte wie der junge Weiße, war selten und wertvoll. Der angeberische Zuhälter beschimpfte den langhaarigen jungen Mann heiser zischend. Das musste er im Zuchthaus gelernt haben, wo die Wärter Konflikte zwischen den Gefangenen möglichst nicht mitkriegen sollten.

Bount rannte die Stufen hoch und riss die Tür zum rundlaufenden Korridor im zweiten Stock des Gardens auf. Er schaute nach rechts und nach links, sah die von ihm Gesuchten nicht und fragte den Verkäufer am Hotdog-Stand.

»Wo sind die zwei Männer hin, die vor mir rauskamen? Das sind Gangster. Ich muss sie fassen.«

Der Hotdog-Verkäufer schaute verängstigt auf Bounts Pistole. Bereitwillig deutete er zu einer Treppe. »Dort sind sie runter.« Diesmal schenkte Bount sich das Danke und flitzte los. Mit dem Rücken gegen die Wand gepresst, wachsam bis unter die Haarwurzeln, die Pistole beidhändig vorgereckt und den Finger am Drücker, pirschte Bount sich weiter unten auf der Treppe, die über mehrere Etagen führte, vorwärts.

Doch keiner lauerte auf der Treppe, die zur Pennsylvania Station führte, genau über der die Madison Square Garden Hall erbaut war. Bount gelangte in die große Haupthalle des zweigeschossigen Bahnhofs, der nach der Grand Central Station der zweitgrößte Manhattans war. Der Privatdetektiv sah das Gewimmel dort, die vielen Bahnsteige und die Rolltreppen und Zugänge zu den tiefer gelegenen Subway-Stations, Ausgänge zur Straße, Ladenpassagen und Geschäfte.

Er wusste, dass er die Verbrecher verloren hatte, und kehrte um. Die beiden Gangster hatten genug Möglichkeiten, zu verschwinden. Jetzt noch eine Absperrung zu versuchen, war zwecklos. Sie waren weg.

Bount steckte die Automatic weg und ging wieder nach oben, wo er das Gebrüll der Zuschauer hörte, die wegen der absoluten Sensation, die sie gerade erlebt hatten, noch immer tobten.

Er wandte sich an einen Ordner in der Halle, der über sein Walkie-Talkie den Hallenleiter und seine Ordnerkollegen darüber informierte, dass die zwei Gangster entkommen waren. Der Hallenleiter sollte die Fahndungsmeldung an die Polizei durchgeben. Bount lieferte ihm übers Walkie-Talkie des Ordners die Beschreibung, wie er sie erhalten hatte.

Dann drängte er sich durch die durcheinander quirlende Menge in der Halle. Im von grellen Scheinwerfern angestrahlten Boxring drängte sich eine ganze Menschentraube. Der Notarzt und Sanitäter bemühten sich um den verletzten Ringrichter, dessen Hemd an der linken Seite voller Blut war. Broome Brown war aus einer Ohnmacht erwacht, torkelte durch den Ring und schrie, dass er weiterboxen wolle.

Lautsprecherdurchsagen ermahnten die »werten Zuschauer« zur Ruhe und Besonnenheit. Doch so schnell ließen sie sich nicht beruhigen. Bount dachte sich, dass Mike Carson mit June und seinem Trainer in seiner Kabine sei und ging dorthin. Er wollte mit dem Boxer und seinem Trainer sprechen und sich vergewissern, dass ihnen auch wirklich keine Gefahr mehr drohte.

*

Angel Dobbs schickte bärbeißig die Reporter weg, die ihm und seinem Schützling bis zu dessen Kabine unter der Tribüne gefolgt waren.

»Von mir aus könnt ihr auch stehen bleiben und Wurzeln ziehen«, sagte der Trainer. »Doch vor der offiziellen Pressekonferenz ist Mike für niemand zu sprechen. – Seht ihr nicht, dass er fertig ist? Ums Haar hätte er das Messer in der Brust gehabt.«

Damit knallte Broome, der eigentlich auf den Vornamen Angelo getauft worden war, die Tür zu. June March, blond, blauäugig, schick und modisch gekleidet, mit handtuchschmalem Minirock, war mit in die Kabine gegangen. Den Masseur und Betreuer hatte das Trio im Gedränge verloren.

June band Carson die Verschnürung der Zehn-Unzen-Handschuhe auf. Der Boxer nickte dankbar. Gerade wollte er unter die Dusche, als es an die Tür klopfte, die Angel Dobbs abgeschlossen hatte.

»Wer ist da?«, fragte der alte Boxtrainer.

June hielt die 32er Astra bereit. »Der Chef des Ringgerichts«, antwortete eine Männerstimme. »Lasst mich rein, es ist dringend. Sonst wird Mike der Sieg aberkannt. Broomes Manager hat Einspruch erhoben, Mike wäre gedopt.«

Angel Dobbs explodierte. Er schrie, er würde seine Boxer nicht dopen und sich wegen der üblen Verdächtigung bei der Boxring Association beschweren. »Mike hat vor dem Kampf eine Urinprobe abgegeben. Daraus könnt ihr alles ersehen, nämlich, dass er keine verbotenen Stoffe geschluckt hat!«

»Aufmachen! Broomes Manager sagt, du hättest ihm das Mittel direkt vor der ersten Runde gegeben. Mike wird untersucht.«

»Fasst lieber den verdammten Messerwerfer!«, schrie Dobbs, der knapp über mittelgroß und recht hager war, jedoch alles übers Boxen wusste.

Er öffnete die Tür. Sie flog ihm ins Gesicht. Zwei Maskierte in Geschäftsanzügen drängten herein. Sie glichen sich wie ein Ei dem anderen. Das Tuch vor der unteren Gesichtshälfte und der ins Gesicht gezogene Hut ließen nur die Augenpartie erkennen.

Beide Männer hielten großkalibrige Schießeisen in der Faust. June konnte nichts mehr unternehmen. Als sie die Astra auf die Gangster richten wollte, schaute sie in die Mündung einer 45er Pistole.

»Weg mit dem Spielzeug!«, rief ihr Besitzer. Er meinte die kleine Astra. »Oder ich puste dich um!«

June ließ die Pistole fallen. Sie und Angel Dobbs mussten sich an die Wand stellen. Ein Gangster schloss die Kabinentür ab. Er hielt Carlson mit seiner schweren 357er Magnum in Schach. »Umdrehen, Boxer!« »Was habt ihr mit mir vor?« Schweißperlen glitzerten auf der Stirn der Kampfmaschine Mike Carson, den Revolverblatt-Reporter »Den Zerstörer« getauft hatten.

Die Gangster waren Farbige. June prägte sich von ihnen ein, soviel sie konnte. Die Blondine und der alte Trainer standen mit dem Gesicht zur Wand da und mussten sich mit den Händen abstützen und die Füße zurücksetzen. Aus der Haltung ließ sich schwer eine Aktion starrten. Carson gehorchte. In einem Boxkampf fürchtete er keinen Gegner. Doch jetzt hatte er Todesangst. Was die skrupellosen Gangster trieben, war nicht sein Spiel.

Er musste sich niederknien.

Ein Gangster zielte auf seinen Hinterkopf.

»Sprich dein letztes Gebet, Nigger!«, sagte er, obwohl er selbst ein Farbiger war. »Du hättest die Warnungen ernst nehmen sollen, die du erhieltest, und auf die Forderungen eingehen. – Was hast du jetzt davon?«

»Erschieß ihn nicht«, bat Angel Dobbs. »Er kann, ja, er wird Weltmeister werden. Er hat eine Frau und ein kleines Kind zu Hause.«

»Was glaubst du, wie viele Kinder ich habe, Alter?«, fragte der Gangster zynisch. »Dutzende, obwohl ich niemals verheiratet gewesen bin. Komm mir nicht auf die Tour! Los, auf die Knie!«

»Niemals!«, zischte Carson.

Da packte der Gangster den zwei Kilo schweren Colt Police Python am Lauf. Er schwang ihn wie eine Keule und donnerte ihn dem Boxer auf den kahlrasierten Schädel. Blut strömte aus einer Platzwunde. June schrie auf.

Carson wankte, blieb jedoch auf den Beinen. Er drehte sich nach dem Schlag um, der jeden anderen niedergestreckt hätte. Der maskierte Gangster wollte es nicht glauben.

Carson schlug eine Dublette. Seine Linke bohrte sich in den Magen des Gangsters. Die Rechte traf ihn am Kinn. Der Maskierte flog gegen die Wand, hielt den Reporter jedoch fest.

Sein Kumpan richtete seine Waffe auf Mike Carson.

»Nein!«, schrie June.

Da krachte die Tür auf. Bount Reiniger hatte sie eingerannt. Der breitschultrige Privatdetektiv taumelte in die Kabine. Sofort zuckte der Pistolenlauf des maskierten Gangsters herum. Bount Reiniger vollführte die Rolle.

Die 45er des Gangsters spuckte Feuer. Die Kugeln hackten in die Wand und ließen Putzbrocken wegspritzen.

Bount Reiniger feuerte, am Boden liegend, zweimal auf den Gangster mit der Pistole, der getroffen zusammenbrach, und gab den nächsten Schuss auf den am Boden liegenden Gangster ab. Der Mann, den Carson niedergeschlagen hatte, wollte auf Bount schießen.

Die Kugel des Privatdetektivs durchschlug seine Hand, beraubte ihn des Revolvers und traf ihn in die Seite. Der Verbrecher schrie auf. Bount erhob sich mit rauchender Pistole.

»Alles klar soweit?«, fragte er Carson, der in Boxerstellung mit erhobenen Fäusten dastand.

Es gab nur nichts zu boxen für ihn.

»Ich bin in Ordnung«, sagte Carson.

»Der Gangster hat ihm den Schädel einschlagen wollen«, informierte June ihren Chef. »Woher kommst du so plötzlich?«

»Du kennst doch meine Angewohnheit, immer im letzten Moment zu erscheinen«, antwortete Bount und klopfte sich Splitter von der Tür und Schmutz von der Jacke. »Wie geht's Ihnen, Dobbs?«

»Ich bin okay. Haben Sie den Messerwerfer gefasst?«

»Nein. Aber ich habe eine genaue Personenbeschreibung von ihm und seinem Kumpan. Den kriege ich noch.«

»Hoffentlich«, erwiderte der alte Dobbs. »Damit der Psychoterror gegen Mike endlich aufhört. Diesen verdammten Halunken, die den Boxsport mit ihren Schiebereien kaputtmachen wollen, muss das Handwerk gelegt werden.«

»Wer steckt dahinter?«, fragte Bount. Er hatte noch keine Gelegenheit gehabt, ausführlich mit Angel Dobbs zu sprechen. Der Trainer hatte ihn kurzfristig engagiert.

»Das weiß keiner genau«, antwortete er. »Die Spur führt nach Chicago. Dort sitzen Leute, die sich The Big Four nennen, die Großen Vier. Doch keiner weiß, wer sie sind. Sie machen ihr mieses Geschäft mit getürkten Kämpfen, bestimmen den Ausgang also vorher. Da kriegt ein Boxer genau gesagt, wie er auszusehen hat und in welcher Runde er zu Boden gehen muss. – Wo bleibt da der Sport?«

Der verletzte Gangster stöhnte. Sein Kumpan regte sich nicht mehr.

»Wenn ihr mit Quasseln fertig seid, holt mir endlich 'nen Arzt«, jammerte der Verletzte. »Oder wollt ihr mich draufgehen lassen?«

»Um dich wär's nicht schade«, antwortete Dobbs dem noch immer Maskierten.

Die Schüsse waren gehört worden. Ordner der Madison Square Garden Hall und der Manager wagten sich vor. Hinter ihnen drängten sich Neugierige und Reporter im Zugang zu den Kabinen. Die Ordner wiesen sie zurück. Jetzt keilten sich wegen des Mordanschlags im Boxring alarmierte Cops durch die Menge, den gezogenen Polizeirevolver in der Hand.

In der Kabine kippte Mike Carson plötzlich um wie ein Baum. Mit dumpfem Laut schlug er auf den Boden. Bount leistete dem von ihm angeschossenen Gangster Erste Hilfe. June March musste den anstürmenden Cops Auskunft geben, die dann auch den Notarzt verständigen ließen.

Trainer Dobbs beugte sich über den reglos daliegenden Champion Mike Carson. Er fühlte seinen Puls.

Mit bebender Stimme sagte er dann:

»Mike ist tot. Das Schwein von einem Gangster hat ihn erschlagen. In seinem Gehirn muss ein Äderchen geplatzt sein. Das Blutgerinnsel brachte ihn um. Jetzt haben The Big Four doch noch ihr Ziel erreicht und meinen Mann umgebracht.«

*

Das 600 PS starke Offshore-Motorboot raste über den Lake Michigan, drosselte die Geschwindigkeit und fuhr den Chicago River hinauf. Der Indian Summer verlieh der Millionenstadt ein wenig Glanz. Trübe und schmutzig strömte der Chicago River und trug die Abwässer der 3,6-Millionen-Einwohner-Stadt mit sich.

Der große, schlanke Mann am Ruder des Motorboots legte am Steg der runden Marina-City-Towers an. Gigantisch ragten die beiden 180 Meter hohen Wolkenkratzer in den sonnigen Herbsthimmel. Der schlanke Mann führ mit dem Laufband in den westlichen Turm und mit dem Expresslift durch die unteren 18 Stockwerke, die als Parketagen dienten, in die zweitoberste Etage. Dort befanden sich Appartements und Luxuswohnungen zu horrenden Preisen.

Eine Fernsehkamera kontrollierte den Mann, als er vor einer mit Teakholz überzogenen Stahltür stand. Er drückte auf den Summer und wurde hereingelassen. Er kannte sich aus und wusste Bescheid über die hier eingebauten Todesfallen: In den Wänden verborgene Flammenwerfer, Giftgas, Säure und Schussmaschinen.

Er marschierte den Korridor hinauf und öffnete eine Tür. Sie führte in einen halbrunden Raum, dessen Panoramafenster jetzt eine Stahljalousie verschloss. Die beiden Männer und die Frau, die er hier treffen wollte, waren schon da. Hinter dem nierenförmigen Konferenztisch saß Bigelow Big, ein fetter, aufgeschwemmter Mittvierziger mit einem Zopf am Hinterkopf. Er rauchte eine dicke Zigarre. Er war der Gründer von The Big Four, die das Boxgeschäft fest in der Hand hatten.

Vor ihm hatten Jake Turner und Lita Geoff Platz genommen, ein Gigolo mit öligem, gefärbtem Haar, solariumgebräunt und faltengesichtig, im weißen Jackett, in dessen Reversknopfloch eine rote Nelke steckte. Und eine weißblonde Frau mit geradezu atemberaubenden Kurven. Der Neuankömmling hieß schlicht John Smith und war in einschlägigen Kreisen unter dem Decknamen Coltfinger bekannt.

Er entschuldigte sich nicht für seine Verspätung, sondern fragte nur knapp, was anliegen würde.

»Carson hat im Madison Square Garden gegen den Harlem-Tiger gewonnen«, sagte Big knapp.

Er wohnte hier und hatte seine Behausung, die er kaum je verließ, zu einer Festung ausgebaut. Außer ihm hatten die anderen noch nie einen Menschen hier oben gesehen.

»Das war schon gestern«, erwiderte Coltfinger, ein austrainierter Modellathlet mit schwarzem Haar, Grübchen im Kinn und blendendweißen Zähnen. Er sah aus wie ein Filmstar. »Natürlich weiß ich das. – Carson hat unsere Anweisung also nicht befolgt, sich auf die Bretter zu legen.«

»Über den Rest bist du nicht informiert, John«, sagte Big. »Unsere Killer. haben versagt. Sie konnten Carson nicht im Ring umlegen. Ich hatte ein zweites Killerteam aufgeboten, für alle Fälle. Diese beiden Männer erwischten Carson auch in seiner Kabine. Doch da griff ein Mann ein, der in der Unterwelt ein Begriff ist: Bount Reiniger.«

»Bount Reiniger?«, fragte Coltfinger überrascht. »Wer hat ihn in den Fall hineingezogen?«

»Ich vermute Angel Dobbs, Carsons Trainer. Wie dem auch sei, Carson gewann den Kampf. Jetzt ist er die Nummer eins als Herausforderer für Pretty Boy Dunkin.«

Coltfinger ging an die Hausbar, öffnete sie und schenkte sich einen Drink ein. Er fragte Lita Geoff, ob sie auch einen wolle. Die Blondine mit dem schulterfreien Kleid und dem Superbusen nickte.

»Weiter«, fragte Coltfinger Bigelow Big, nachdem er sich hingesetzt hatte, das Glas in der Hand.

»Dunkin, der amtierende Weltmeister, ist die Nummer eins in unserem Boxstall«, sagte Big. »Carson hat den Harlem-Tiger nun mal k.o. geschlagen. Daran können wir nichts niemandem. Und er lebt.«

»Das letztere ließe sich ändern«, sagte Coltfinger. Big zuckte die Achseln. »Warum? Ich bin Geschäftsmann. Es läuft immer mal was anders, als man es sich dachte. Wer nicht flexibel ist, scheitert. Lassen wir Carson doch gegen unseren Mann boxen. Sie sollen sich einen tollen Fight liefern, den Dunkin hauchdünn gewinnt. Dann gibt es einen Revanchekampf, der auch wieder eine Menge Geld einbringt. Danach können wir Carson immer noch abservieren für den Ärger, den er uns bereitete.«

»Carson beugt sich dem Druck aber nicht, wie sich gezeigt hat«, sagte Coltfinger.

»Er wird schon noch parieren«, erwiderte der fette Mann im pneumatisch verstellbaren Bürosessel gelassen. »Die drei großen G sind es, die diese Welt regieren: Gewalt, Geilheit und Geld. Bei Carson setzen wir mit Gewalt und Geld an. Vor allem mit Gewalt.«

»Halt keine Vorträge, Bigelow«, sagte Coltfinger. »Worauf willst du hinaus?«

»Wir ködern Carson damit, dass er eine Menge Geld verdienen kann, wenn er sich an unsere Anweisungen hält«, erklärte Bigelow. »Außerdem setzen wir ihn mit seiner Familie unter Druck. Er hat eine Frau, an der er hängt, und eine kleine Tochter, die er sehr liebt. Für die Kleine würde er alles tun. Wenn wir ihm drohen, dass seiner Frau und dem Kind was passiert, wird er butterweich werden. Dazu kommt noch die Aussicht aufs Geld.«

»Wie viel willst du ihm geben?«, fragte Lita Geoff. »Bei Dunkin kassieren wir den größten Teil seiner Gage. Warum sollten wir es bei Carson anders halten?«

»Weil wir ihn noch nicht fest in der Hand haben. Darum. Er kriegt einen anderen Manager, nämlich unseren Freund Jake.« Turner nickte und winkte mit seiner Zigarettenspitze. Big fuhr fort: »Wir sahnen schon bei ihm ab. Nur keine Angst. Kein Cent wird ihm bleiben, wenn er mit einer Kugel im Kopf endet.«

»Ich würde ihm lieber eine Überdosis Heroin spritzen, also den goldenen Schuss geben«, sagte Coltfinger. »Wenn's wie Selbstmord wirkt, sieht es besser aus. Ich nehme an, dass Carsons bisheriger Manager abserviert werden soll?«

»Genau. Das wirst du erledigen, John. Sein Trainer und vor allem Bount Reiniger müssen auch weg. Sie stören unsere Kreise. Mit Bount Reiniger im Rücken fühlt Carson sich stark, und auf seinen alten Trainer hört er.«

»Das wären gleich drei Morde«, sagte Coltfinger gedehnt.

»Na und?«, schnappte Big. »Für Millionenbörsen müssen wir schon was leisten. Lita kann dich begleiten und bei der Ausführung der Taten helfen. Sie wird nicht umsonst der Engel des Todes genannt.«

Lita Geoff, deren Augen hellblau und strahlend waren, lächelte verführerisch. Coltfinger nagte an seiner Unterlippe.

»Ich soll immer den Kopf hinhalten«, sagte er. »Ich finde, dass ich für meinen Anteil an unserem Geschäft zu viel leisten muss. Du und Jake haltet euch zurück, und Lita und ich müssen die Kastanien aus dem Feuer holen.«

»Die Aufgabenverteilung haben wir vorher so geregelt«, sagte Big. »Ich hatte die Idee und bin das Gehirn. Jake ist unser Buchhalter. Du bist der Vollstrecker, und Lita das Mädchen für alles. Sex und Mord sind die Mittel, die sie einzusetzen weiß. – Wenn du aussteigen willst, sag es nur, John.« Eine versteckte Drohung schwang in Bigelow Bigs Worten mit. Von diesem Quartett wusste jeder zu viel über die anderen und ihre Geschäfte. Auszusteigen war nur als Leiche möglich.

Coltfinger ließ sich nicht einschüchtern. Er war ein Lohnkiller und vielleicht der beste Mann überhaupt in seinem Fach.

»Okay, sagte er. »Für den Manager und den Trainer verlange ich nichts extra. Aber wenn ich Bount Reiniger umbringen soll, will ich dafür einen Aufpreis haben. Eine halbe Million Dollar ist Bount Reinigers Tod allemal wert.«

»Ich will mich nicht streiten«, antwortete Big. »Das kannst du haben.«

Turner, der aus dem Zuhälter- und Nachtklubmilieu kam, begehrte auf.

»Augenblick mal. Damit bin ich nicht einverstanden. Das schmälert unseren Anteil. Außerdem würde Lita dann sicher auch was wollen. Ich halte mich an die Abmachung, dass jeder seinen Job erledigt. Zu Coltfingers gehört es, die ganz heißen Eisen anzupacken und Leute umzubringen, die uns im Weg sind. – Reicht dir der Ruhm nicht, Bount Reiniger zur Strecke gebracht zu haben, Coltfinger?«

»Nein«, antwortete der Killer, der in Gangsterkreisen und auch bei der Polizei nur unter seinem Decknamen bekannt war und dessen wahre Identität nur sehr wenige kannten. »Aber wenn's dir zu teuer ist, versuch doch selbst, Bount Reiniger zu killen, Zuhälter.«

Turner zuckte zusammen. Er war zwar ein Zuhälter, ließ sich aber ungern so nennen.

»Ich finde ...«, begann er, aber Big unterbrach ihn.

»Wir wollen uns nicht über Lappalien streiten. Es wird so gehandhabt, wie ich es gesagt habe, und damit basta.«

»Augenblick mal!«, rief Turner. »Eine halbe Million Dollar extra für Coltfinger ist für mich keine Lappalie.«

»Plus dreihunderttausend für mich«, gurrte Lita. »So viel ist meine Mitarbeit allemal wert.«

»Zweihundertfünfzigtausend, und kein Cent mehr«, bestimmte Bigelow Big. »Jake, du hältst jetzt deine Klappe. Wenn du dich mausig machst, schicke ich dich mit Betonsocken tauchen. Mal sehen, wie es dir auf dem Grund des Lake Michigan gefällt.«

Das war keine leere Drohung. Jake Turner stimmte mürrisch zu. Coltfinger und Lita wollten baldmöglichst nach New York fliegen.

»Bisher waren ja wohl lauter Pfuscher eingesetzt, um die Sache mit Carson anzupacken«, sagte Coltfinger. »Es wird höchste Zeit, dass ich das in die Hand nehme.«

*

Angel Dobbs hatte sich geirrt, als er seinen Schützling Mike Carson für tot erklärte. Der gleich darauf eintreffende Notarzt stellte fest, dass der Boxer nur bewusstlos war. Sein Puls war kaum wahrnehmbar, was Dobbs getäuscht hatte. Der Boxtrainer atmete auf. Während Carson ins Beekman Downtown Hospital gebracht wurde, der von Bount angeschossene Gangster und der durch den Messerwurf verletzte Ringrichter ebenfalls, unterhielt sich Dobbs schon mit Bount Reiniger und June March.

Kurz darauf trafen die Mordkommission und Detectives des zuständigen Polizeireviers ein. Als dann auch die G-men kamen, da die Big Four außerhalb von New York saßen, wie triftig vermutet wurde, war es ein Mehrstaatenfall, war der Auflauf verschiedener Polizeidienststellen komplett.

»Hoffentlich finden sich die Fahnder bei ihren unterschiedlichen Kompetenzen durch«, sagte Bount in der Cafeteria des Madison Square Gardens zu June March. »Und es weiß jeder, was er zu tun hat.«

Bount hatte da schon tolle Dinger erlebt. Die Boxveranstaltung war vorüber. Die letzten Zuschauer verließen den gigantischen Rundbau zwischen der 7. und 8. Avenue und der 31. und 33. Straße, New Yorks bevorzugten und weltberühmten Austragungsort für sportliche Großveranstaltungen sowie Spektakel wie Pferde- und Hundeshows, Rodeos, Rock- und Klassikkonzerte, Musicals, Eisrevuen, Parteikongresse, Mammut-Hochzeiten und Ausstellungen. Der traditionsträchtige Rundbau hatte außer der großen Arena mit zwanzigtausend Sitzen noch das kleinere Feit Forum, die Exposition Rotunda sowie ein supermodernes Bowling Center mit 48 Bahnen.

Bount rührte in seinem Kaffee, als Captain Toby Rogers gefolgt von seinem Stellvertreter, Police Lieutenant Ron Myers, die Cafeteria betrat, in der noch reger Betrieb herrschte.

Der bullig gebaute Captain, der beste Freund Bounts, war als Leiter der Mordkommission Manhattan Süd im Dienst, zu deren Zuständigkeitsbereich der Madison Square Garden gehörte. Bount hatte bisher noch nicht mit Toby Rogers gesprochen, ihn aber erwartet.

»Hallo«, sagte er. »Wie geht's?«

»Überarbeitet und unterbezahlt wie immer«, antwortete der Captain. »Da bist du mal wieder in eine ganz dicke Sache verwickelt. Dobbs sagte mir, hinter den Anschlägen steckt ein Verbrecherquartett, von dem er als The Big Four gehört hat, über das er aber nichts Näheres weiß?«

»Das hat er mir auch erzählt.«

Bount sagte beim Captain aus. Lieutenant Myers hielt unerwünschte Zuhörer fern. Zwei Reporter, zu denen sich weitere gesellten, waren Captain Rogers gefolgt. Andere Neugierige in der Cafeteria, durch die sich auffällig herandrängelnden und die Hälse reckenden Reporter aufmerksam geworden, spitzten die Ohren.

»Den von dir erschossenen Gangster und seinen Kumpan haben wir schon identifiziert«, sagte Toby Rogers. Er nannte die Namen der beiden und fügte hinzu, dass sie einschlägig vorbestraft waren. »Es sind Hitmen, die für heiße Jobs angeworben werden können. Ob sie ihren Auftraggeber kennen, bezweifle ich.«

»Vernimm den Harlem-Tiger«, riet Bount dem Captain. »Der Kampf sollte getürkt werden. Broome Browne wollte dabei mitmachen. Doch Carson machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Browne muss von jemandem Anweisungen erhalten haben und bei der Stange gehalten worden sein.«

»Von seinem Manager, der so windig ist wie Windstärke zehn und eins der größten Schlitzohren in der Branche«, antwortete Rogers, der das längst gecheckt hatte. »Der Harlem-Tiger selber ist dumm wie Bohnenstroh. Wenn du dem was von Shakespeare erzählst, sagt er dir, dass er ihn in der fünften Runde k.o. haut. Wenn es auf die Dämlichkeit ankäme, wäre Browne längst Weltmeister.«

»Du hast keine hohe Meinung von einem der besten Boxer der USA«, sagte Bount grinsend, während June stumm mit dabeisaß.

»Browne ist Fallobst und durch Schiebungen hochgejubelt worden«, sagte der Captain. »Ich bin froh, dass Carson ihm mal gezeigt hat, wie geboxt wird. Browne soll nach Harlem zur Müllabfuhr gehen, wo er hingehört.«

»Nanu«, sagte Bount, »höre ich bei dir etwa rassistische Töne?«

»Ganz und gar nicht, nur die gerechte Empörung von jemand, der sich einen sauberen Boxsport wünscht. Du musst auf Mike Carson aufpassen. Was wir dazu beitragen können, dass ihm nichts zustößt und er bald seinen Titelkampf gegen Pretty Boy Dunkin fair und ohne Gefahr durch Gangster und Killer austragen kann, werden wir leisten. Zurzeit sind drei Beamte ins Beekman Hospital abkommandiert, um Carson zu schützen. Wenn's sein muss, stellen wir auch seine Familie unter Polizeischutz.«

»Ihr könnt nicht rund um die Uhr und jahrelang auf sie aufpassen«, sagte Bount. »Das Übel muss bei der Wurzel gepackt und die Gefahr beseitigt werden. Dafür ist es nötig, die Big Four zu entlarven und ihnen das Handwerk zu legen.«

»Da hast du dir allerhand vorgenommen. Sprich morgen im Police Headquarters vor, damit wir deine Aussage vervollständigen und zu Protokoll nehmen können. June brauchen wir auch. Die G-men werden ebenfalls mit euch sprechen wollen.«

»Fein«, sagte Bount. »Man freut sich immer wieder zu sehen, dass für die Steuergelder auch was geleistet wird. Mike Carson ist mein Klient. Ich werde mich mächtig ins Zeug legen, damit er demnächst ohne Furcht um den Weltmeistertitel boxen kann.«

»Okay, dann sind wir uns einig. Jetzt habe ich noch ein paar Fragen.«

Rittlings auf seinem Stuhl sitzend, stellte sie der Captain, dem sein Stellvertreter eine Tasse schwarzen Kaffee gebracht hatte. Bount und June antworteten knapp und präzise. Dann waren sie vorerst aus der Behördenmühle entlassen. Bount fuhr beim Beekman Hospital vorbei, wo er sich nach Carsons Befinden erkundigte.

Trainer Dobbs saß im Korridor der inneren Medizin auf der Bank. Er gab Bount und June die Auskunft, Carson mit seinem Eisenschädel fehle vermutlich nicht viel. Jedenfalls habe er kein Blutgerinnsel im Gehirn, wie der Trainer zunächst befürchtet hatte.

»Zur Beobachtung muss er jedoch noch zwei, drei Tage hier bleiben.«

»Wo ist sein Manager eigentlich?«, fragte Bount.

»Habe ich das noch nicht erwähnt?«, fragte Dobbs. »Tim Curver liegt mit einem durchgebrochenen Magengeschwür im Bellevue Hospital. Deshalb konnte er nicht zu dem Boxkampf erscheinen. Er hat aber nach dem Anschlag schon zweimal angerufen und sich erkundigt.«

»Ich will mit ihm reden«, sagte Bount.

»Geh nur hin«, antwortete Dobbs. »Mehr als ich weiß er auch nicht.«

Bount fuhr June mit seinem champagnerfarbenen 500 SL, den er auf dem Krankenhausparkplatz abgestellt hatte, zu ihrer Wohnung, wo er sie absetzte. Anschließend führ er nach Hause, zur über seiner Detektei in der Manhattan Midtown gelegenen Junggesellenwohnung. Ein doppelter Whisky verhalf Bount zu der nötigen Bettschwere. Am nächsten Tag sollte die Verbrecherjagd weitergehen. Oder erst richtig anfangen.

*

Am nächsten Vormittag landete der Flug 303 von American Airlines mit einer dreiviertel Stunde Verspätung auf dem La Guardia Field. John »Coltfinger« Smith und Lita Geoff trafen mit der Boeing 737 ein. Während Lita mit allem Gepäck im Taxi zum Plaza Hotel fuhr, nahm Coltfinger ein anderes Yellow Cab. Es brachte ihn zum Bellevue Hospital, dem mehrere Häuserblocks umfassenden Großklinikum am East River.

Der Gangster hatte sich bereits von Chicago aus informiert und wusste, wo sich Carsons Manager Curver derzeit aufhielt. Der Gangster erkundigte sich beim Pförtner an der Einfahrt nach der inneren Medizin, die in einem extra Gebäude untergebracht war. Er kaufte einen großen Blumenstrauß im Geschäft am Eingang und ging damit zur inneren Medizin. Dort suchte Coltfinger im Erdgeschoss die Toilette auf, wo er seine Aktentasche öffnete, der er verschiedene Gegenstände entnahm.

Zunächst setzte er eine Sonnenbrille auf und klebte sich einen Schnurrbart an.

Eine blonde Perücke, die er überzog, und hautfarbene Folienhandschuhe folgten. Eine Beretta mit Schalldämpfer, eine Handgranate und ein Griff, aus dem durch Lösen einer Sperre und Schütteln ein langer und spitzer Metalldorn hervortrat, der sich arretieren ließ, vervollständigten Coltfingers Ausrüstung. Der Killer verstaute sein Werkzeug in Schulterhalfter und Taschen, Im Spiegel überm Handwaschbecken überprüfte er den Sitz der Perücke, die zusammen mit Schnurrbart und Sonnenbrille eine erstklassige Tarnung abgab. Die Aktentasche klemmte er sich unter den Arm.

Mit dem Blumenstrauß in der Hand ging der Killer zur Anmeldung, wo er die farbige Angestellte höflich nach der Zimmernummer von Tim Curver fragte. Sie nannte sie ihm. Curver lag in einem Drei-Bett-Zimmer im 19. Stock und war ziemlich bleich.

Er löffelte gerade sein Diätsüppchen, als Coltfinger eintrat. Von seinen beiden Mitpatienten saß einer am Tisch, der andere im Bett, dessen Oberteil hochgestellt war. Auch sie waren beim frühen Mittagessen.

Coltfinger grüßte höflich und lieferte seine Blumen ab, die er gleich in die Vase stellte. Er gab an, von der »New York Times« zu kommen und Curver wegen der beiden Anschläge auf Mike Carson und Carsons weitere Pläne interviewen zu wollen.

»Was sagen Sie als Mikes Manager dazu? Der Junge hat einen großartigen Kampf geliefert. Aber wird er den Nerv haben, unter diesen Belastungen gegen Pretty Boy Dunkin in den Ring zu treten?«

Curver bezweifelte nicht, wirklich einen Reporter vor sich zu haben. Er gab bereitwillig Auskunft. Coltfinger wartete einen günstigen Moment ab. Er ließ den Dorn aus dem Griff schnellen, wodurch er ein Werkzeug ähnlich einer Schusterahle hatte. Er hielt es neben dem Bett verborgen.

Dann führte er einen blitzschnellen Stoß in Tim Curvers Herz. Doch die Rechnung des Killers ging nicht auf. Statt lautlos zu sterben, stieß Curver einen gellenden Schrei aus und fasste sich an die Brust. Er stöhnte.

»Mein Herz ... Ich sterbe ... Er hat mich ... umgebracht ...«

Das letzte Wort war für die beiden Mitpatienten nicht zu verstehen, die Coltfingers Aktion nicht bemerkt hatten. Der Killer steckte den Kunststoffgriff, in dem er den mörderischen Dorn wieder hatte verschwinden lassen, in die Tasche seiner leichten Lederjacke. Er drückte den Rufknopf für die Stationsschwester und wandte sich an die Mitpatienten.

»Der Mann hat einen Herzanfall. Ich rufe sofort den Arzt! Curver muss schnell in den OP-Saal, sonst ist es zu spät!«

Damit eilte Coltfinger aus dem Krankenzimmer. Mit klappernden Holzsandalen eilte die Krankenschwester bereits herbei.

Sie verschwand durch die Tür, über der das Blinklicht der Rufanlage aufflammte. Coltfinger fuhr mit dem Expresslift schleunigst ins Erdgeschoss, wo er abermals die Toilette aufsuchte, in der Kabine seine Tarnung ablegte und einen grünen Pflegerkittel über seine Zivilkleidung zog. Die Aktentasche stellte er hinters WC-Becken und verließ das Gebäude, ohne aufgehalten zu werden.

Unangefochten erreichte er den Haupteingang. Als er in ein Taxi stieg, hörte er die Polizeisirene und sah gleich darauf einen Streifenwagen mit flackerndem Rotlicht heranrasen.

»Fahren Sie mich zum Central Park South«, forderte Coltfinger den Taxidriver auf.

»Was wollen denn die Cops im Hospital?«, fragte der Fahrer, während er losfuhr. »Was mag da geschehen sein?«

»Keine Ahnung«, antwortete der Gangster in gleichgültigem Ton. »Fahren Sie schon. Ich habe einen Termin und bin eilig.« Kaltblütig fragte er den Taxifahrer, ob er sich die Zeitung nehmen könne, die auf dem Beifahrersitz lag. Der Fahrer bejahte. Der Gangster schlug die »New York Herald« auf.

»Schlimme Zeiten«, sagte der Taxifahrer. »Nichts als Verbrechen stehen wieder mal in der Zeitung.«

»Ja«, erwiderte Coltfinger. »Ich weiß auch nicht, wo das noch hinführen soll. Man ist seines Lebens ja nicht mehr sicher. Wir brauchten viel mehr Polizei, und die Verbrecher müssten härter bestraft werden. – Aber jetzt lassen Sie mich in Ruhe lesen.«


2.

Die Nachricht von Tim Curvers Ermordung traf Bount Reiniger wie ein Faustschlag in die Magengrube. June March übermittelte sie ihm übers Autotelefon des Mercedes 500 SL. Bount war erschüttert. Damit, dass der Manager Mike Carsons in Lebensgefahr schweben könnte, hatte er nicht gerechnet, Soviel Skrupellosigkeit von Seiten der Gangster war mehr als übel.

Denn Curver war ja wohl nur eine Randfigur gewesen, seine Ermordung, zumal er noch krank war und sowieso nicht viel zu bestellen hatte, ein brutaler und an sich gar nicht notwendiger Akt. The Big Four hatten es offenbar anders gesehen. Wer den Killer geschickt hatte, nach dem eine Großfahndung lief, lag für Bount auf der Hand.

Er fuhr weiter zu seinem Ziel in Spanish Hartem, wo er vorhatte, den Messerwerfer vom Vorabend zu stellen. Jenen klapperdürren Spie mit dem ausgemergelten Gesicht. Bount hatte vorher bereits Captain Rogers aufgesucht.

Von ihm hatte er erfahren, dass es sich bei dem Messerwerfer höchstwahrscheinlich um einen vorbestraften Puertoricaner mit Namen Luis Acosta handelte. Beamte des 17. Reviers in Spanish Hartem hatten Acosta aufgesucht, der jedoch mit einem durch ein Dutzend Zeugen beschworenen Alibi aufwartete. Zudem zogen die Zeugen, denen Bount die genaue Beschreibung verdankte, ihre Aussage zurück, weil ihnen aufgegangen war, in welche Gefahr sie sich möglicherweise damit brachten.

Plötzlich konnten sie sich an nichts mehr erinnern, was man in Fachkreisen den Al-Capone-Blackout nannte. Es war auch sonst kein Zeuge vorhanden. Acosta hatte nicht mal mit aufs Revier gemusst. Die Cops waren wieder abgezogen. Der Gangster konnte zu Hause mit seiner Freundin zusammen in Ruhe weiter seinen Milchkaffee trinken und Hörnchen zum Frühstück essen.

Bount Reiniger würde sich aber nicht so leicht abspeisen lassen.

Er parkte seinen Mercedes-Roadster provozierend vor der heruntergekommenen Mietskaserne, in der Acosta wohnte, dessen Adresse er von Toby Rogers hatte. Jugendliche von einer Straßenbande, wie ihre mit deren Emblem versehenen Jacken verrieten, lungerten herum.

Bount stieg nassforsch aus. Er winkte einen der halbstarken Puertoricaner-Boys heran.

»Ich will zu Acosta. Ich bin ein Freund von ihm. Versucht nicht, meine Karre zu klauen. Erstens ist sie sowieso schon geklaut, zweitens nehme ich das übel. Einem Hitman stiehlt keiner ungestraft seinen Luxusschlitten. Ist das klar?«

»Ja, Sir.« Die Puertorico-Boys kauften Bount seine Rolle als Gangster ab. »Luis Acosta finden Sie jetzt in Santorillos Billardsalon zwei Straßen weiter.«

Bount ließ sich den Weg genauer beschreiben und fuhr hin. Zum Billardsalon gehörte auch eine Bar, in der etliche Jahre Zuchthaus versammelt waren. Die Gespräche verstummten, als Bount eintrat. Er schaute sich um und fand Acosta im ersten Stock, wo er sich gerade zu einem besonders schwierigen Stoß anschickte. Sein Spielpartner war ein langer Puertoricaner mit einer gerade erst verheilten Rasiermessernarbe quer über die linke Wange.

Auf die Weise hatte ein Konkurrent im Rauschgiftgeschäft ihm mitgeteilt, was er von ihm hielt. Zwei Kugeln in seine Brust bewirkten, dass das Narbengesicht sich in Zukunft im Spiegel ansehen konnte, ohne von blindwütigem Hass und Groll zerfressen zu werden. Mit solchen Gentlemen hatte Bount sich hier auseinanderzusetzen.

Er wartete, bis Acosta seinen Stoß ausgeführt hatte, der nicht das gewünschte Ergebnis brachte. Dann winkte er ihn zur Seite.

»Ich muss mit dir sprechen, Luis. Ich komme von den Big Four.«

»Wer ist das?«, fragte der Messerwerfer, dem die Kokainsucht aus den Augen schaute.

Bount hatte den Eindruck, dass er nicht schauspielerte.

»Die Leute, in deren Auftrag du das Messer nach Carson geworfen hast. Wir brauchen dich für einen weiteren Auftrag.«

Acosta war misstrauisch. Er sagte Bount, er hätte den Auftrag über Santorillo, den Wirt des Billardsalons erhalten, der dergleichen vermittelte. »The Big Four kenne ich nicht.« »Aber vielleicht kennst du das.« Bount ließ zehn Hundert-Dollar-Noten sehen. »Es ist eine eilige Sache. Du hattest Pech, dass du Carson nicht trafst. Wir haben trotzdem weiter Vertrauen zu dir. – Fahr mal mit ein paar Runden um den Block. Dann gebe ich dir deinen neuen Auftrag und die tausend Dollar als Anzahlung.«

»Wen soll ich dafür umbringen?«, fragte Acosta. »Das erfährst du im Auto.« Acosta sagte dem Narbengesicht, er würde die Partie verlorengeben. Sein Spielpartner schaute Bount schon die ganze Zeit scharf und fragend an.

»Bount Reiniger«, zischte er plötzlich. »Kennst du mich nicht mehr, Cerro, du Hund? Vor Jahren hatten wir miteinander zu tun. Damals hatte ich die Narbe noch nicht. Es ging um Mädchenhandel.«

Er zischte Acosta einige spanische Worte zu. Damit flog Bounts Bluff auf.

»Ramon Ruiz«, sagte der Privatdetektiv, dem blitzartig durch den Kopf schoss, wen er da vor sich hatte. Die Narbe hatte sein Gegenüber ziemlich verändert. »Ich dachte, du säßest im Zuchthaus?«

»Sie haben mich wegen guter Führung vorzeitig entlassen. Ich sang im Kirchenchor des Zuchthauses, habe dem Direktor jeweils sein Auto repariert und gewartet und noch so manches andere getan, was sich für mich günstig auswirkte.«

Ruiz lachte auf. Im nächsten Moment schlug er blitzschnell mit dem dicken Ende des Queues nach Bounts Kopf. Der Privatdetektiv duckte sich. Der Queue pfiff über ihn weg. Bounts Faust fand ihr Ziel. Der Leberhaken ließ Ruiz käsebleich werden und zusammenknicken.

Acosta wich zurück und riss blitzschnell ein Wurfmesser unterm Jackett hervor. Bount zog die Automatic. Das Wurfmesser zischte durch die Luft Bount wich aus.

Das Messer durchbohrte seinen Jackettärmel und heftete ihn an die Wand. Fluchend riss Bount die Klinge heraus und warf sie weg. Der Augenblick genügte Acosta, um loszuspurten und übers Geländer zu flanken. Er landete krachend unten in der Bar, raffte sich auf und raste aus der Tür.

Bount rannte die Treppe hinunter. Ehe die Bargäste noch reagierten, war er schon auf der Straße. Acosta legte einen tollen Spurt hin. Bount feuerte einen Warnschuss knapp an seinen Beinen vorbei.

»Der nächste trifft!«, rief er. »Stehen bleiben, Acosta!«

Der Messerwerfer gehorchte. Mit erhobenen Händen drehte er sich um. Bount holte ihn sich und zerrte ihn zu seinem Mercedes. Doch damit war der Fall noch nicht erledigt. Ramon Ruiz hatte den Leberhaken verdaut und erschien mit sämtlichen Gästen der Bar, dem finster blickenden Wirt und dem Kellner, der ein Totschläger und Messerheld war. Bount stand mit Acosta bei seinem Mercedes.

Zwanzig gefährlich aussehende Burschen, alles Puertoricaner, umringten ihn. Im Hintergrund standen ein paar Weibsbilder, die ebenfalls in der Bar gewesen waren und die eine Sensation witterten. Sie hetzten die Männer auf, den Privatdetektiv, Schnüffler und Schlimmeres, wie sie ihn nannten, zu erledigen.

Bount verstand nicht viel Spanisch, aber genug, um mitzubekommen, dass die Weiber hetzten, ihm sollte Verschiedenes abgeschnitten werden.

»Schlagt ihm den Schädel ein und lasst ihn im nächsten Gully verschwinden!«, forderte eine hennarot gefärbte Frau die Ganoven auf.

Bount feuerte mit der Automatic einen Warnschuss in die Luft. Sofort schaute er in die Mündungen von einem halben Dutzend Schusswaffen und sah zudem mehrere Messer blinken. Auch mit zwei Baseballkeulen und Totschlägern war der Mob vor Bount bewaffnet. Er hielt Acosta als Kugelschutz vor sich, sonst wäre er schon erledigt gewesen.

»Gib Luis frei!«, forderte Ramon Ruiz, das Narbengesicht, der als Wortführer auftrat. »Dann kannst du wegfahren, ohne dass dir einer ein Haar krümmt.«

Bount schüttelte den Kopf. Die Burschen würden ihm keine Haare krümmen, sondern ihm ganz was anderes zufügen.

»Du hältst mich wohl für dämlich, Ramon? Sag deinen Freunden, sie sollen verschwinden. Sonst verpasse ich dir nämlich eine Kugel, comprende?«

Er zielte auf den Bauch des Narbengesichtigen, der unruhig wurde. So hatte er sich das nicht vorgestellt.

»Du kommst hier nicht lebend weg, wenn du Luis nicht laufen lässt und deine Knarre wegsteckst«, drohte er.

Bount sagte cool: »Du auch nicht, Amigo.«

Ramon Ruiz zögerte.

Die hennarote Barschlampe keifte:

»Was seid ihr denn für Männer? Schlappschwänze seid ihr.«

Sie drängte sich vor und stürzte auf Bount los, ein kurzes Messer in der einen Hand, die andere mit den rotlackierten Fingernägeln wie eine Kralle erhoben. Die Frau stand einwandfrei unter Drogen. Völlig high sah sie keine Gefahr. Ihre Pupillen waren so klein wie Stecknadelköpfe.

Bount versetzte ihr einen heftigen Stoß gegen die Brust. Die Hennarote verlor mit ihren hochhackigen Absätzen das Gleichgewicht und fiel gegen Ruiz, den sie umriss. Es gab ein kurzes Durcheinander, das Bount benutzte, um Luis Acosta in seinen Mercedes zu zerren. Er stieß ihn auf den Beifahrersitz, wechselte die Automatic in die Linke und ließ in aller Eile den Motor an. Den Automatic-Hebel auf Drive stellen, einen Warnschuss durchs Fenster feuern, das ein Druck auf den Knopf des elektrischen Fensterhebers nach unten hatte schnurren lassen, Gas geben und losfahren war eins.

Acosta wollte die Tür aufreißen und aus dem Auto springen. Doch Bount hatte die Zentralverriegelung eingeschaltet. Der Puertoricaner zerrte vergeblich am Griff.

Er drehte sich um. Die 326 PS des Achtzylinder-Motors konnten den Mercedes in 9,8 Sekunden von null auf hundert Stundenkilometer bringen. Ganz so rasant startete Bount nicht, um niemanden totzufahren. Doch die Reifen quietschten, als der Roadster mit dem geschlossenen Verdeck losschoss. Die südländisch aussehenden Ganoven, die ihn umringten und drohend mit ihren Waffen fuchtelten, sprangen zur Seite. Zwei schafften es nicht rechtzeitig.

Einer wurde gestreift, gegen die Hauswand geschleudert wie ein Kegel. Der andere rollte über die lang gestreckte Kühlerhaube mit dem integrierten Mercedes-Stern, blieb auf ihr liegen und hielt sich am Scheibenwischer fest.

Eine Baseballkeule krachte auf den Kofferraumdeckel des Mercedes. Bount fuhr einen Schlenker, um den Mann abzuschütteln, der vorn auf dem Auto lag, was auch gelang. Der Puertoricaner purzelte herunter und rollte über den Bürgersteig.

Hinter dem davonfahrenden Mercedes, der schleunigst um die nächste Ecke bog, schrien seine Kumpane und krachten zwei Schüsse. Eine Kugel zerschlug die linke Heckleuchte des 500 SL. Damit war Bount noch glimpflich weggekommen – bisher jedenfalls.

Er war in der Eile in der verkehrten Richtung in eine Einbahnstraße gefahren. Entgegenkommende Autos hupten. Die Fahrer gestikulierten und fluchten. Sie wichen aus. Bount fuhr im Slalom durch die One Way Street und erreichte die Third Avenue, wo er sich in den normalen Verkehr einfädelte.

Jetzt griff Acosta ihn an, der bisher schreckensstarr auf dem Beifahrersitz gesessen und einen Frontalzusammenstoß erwartet hatte. Sein Handkantenschlag fiel recht schwach aus. Doch dann zog er ein Stilett. Bount hatte noch keine Gelegenheit gehabt, ihn nach Waffen abzusuchen.

Er packte Acostas Handgelenk und verdrehte es. Mit einem Aufschrei ließ der Gangster das Stilett fallen. Bounts Faust traf sein Kinn.

Acosta sackte zusammen. Mit dem Benommenen fuhr Bount in den oberen Central Park, wo er am East Drive anhielt.

»Jetzt pack aus«, sagte Bount zu Acosta. »Wer ist dein Auftraggeber, Messerwerfer? Wie heißt dein Komplize? Was hast du dafür erhalten, Carson umzubringen?«

Acosta spuckte aus.

»Du kannst mir gar nichts, Schnüffler. Der dritte Grad ist verboten. Ich weiß von nichts, und überhaupt bin ich unschuldig.«

»Von Unschuldigen deiner Sorte sind die Zuchthäuser voll, und zu Recht.« Bount packte Acosta, hielt ihn fest und setzte ihm die Automatic unters Kinn. Er spannte den Hammer. Ein kurzes Krümmen des Zeigefingers genügte, um jetzt den Schuss auszulösen. »Raus mit der Sprache, oder ...«

Bount hätte nie geschossen. Er jagte Acosta jedoch Todesangst ein. Der Gangster wurde aschgrau und zitterte. Bount gab ein leeres Band in den Kassettenrecorder und stellte auf Aufnahme.

»Rede!«

»Mein Kumpel heißt Bill Harris.« Acosta nannte die Adresse. »Ich sagte doch schon, dass ich den Auftrag über Santorillo erhielt. Er wird schweigen wie ein Grab und alles abstreiten. Ehrlich, Mister, ich weiß nichts, sonst würde ich es jetzt sagen.«

Bount schaute dem bibbernden Gangster in die Augen. So waren viele von diesen Killern. Sie verletzten und töteten, ohne dabei mit der Wimper zu zucken. Mit der Waffe in der Hand führten sie sich auf wie Halbgötter. Doch wenn es ihnen selbst an den Kragen ging, sie auch nur leicht verletzt wurden und Schmerzen aushalten mussten, jammerten sie.

»Okay«, sagte Bount. »Ich glaube dir.«

Er fesselte Acosta die Hände mit Handschellen auf den Rücken und fuhr los.

»Wohin bringst du mich?«, fragte Acosta.

»Ins Police Headquarters, wo ich dich Captain Toby Rogers übergebe. Er wird seine helle Freude an dir haben.«

Acosta hatte keine Chance zu fliehen.

Bount lieferte ihn bei Toby Rogers mit den Worten ab: »Da hast du den Messerwerfer von Madison Square Garden. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.«

Acosta hatte wieder Mut gefasst. Giftig schaute er den Privatdetektiv an.

»Die Leute, mit denen du dich angelegt hast, sind nicht von Pappe«, zischte er. »Du kannst dir schon einen Platz auf dem Friedhof reservieren lassen.«

»Ich denke, du weißt nichts und kennst keine Hintermänner?«

»So viel weiß ich.«

Nachdem Acosta zum Verhör weggebracht worden war, äußerte sich Toby Rogers zu dem Mord an Tim Curver im Bellevue Hospital.

»Das ist ein Profi gewesen«, sagte er, »und ein verdammt gefährlicher noch dazu. Der wird uns noch allerhand zu schaffen machen.«

Toby Rogers irrte sich nicht. Der Killer Coltfinger bereitete schon den nächsten Anschlag vor. Er sollte Bount Reiniger und Toby Rogers gelten. Coltfinger hatte vor, zwei Fliegen, bildlich gesprochen, mit einer Klappe zu schlagen und seinen Gegnern ihre Grenzen aufzuzeigen. The Big Four holten zu einem Rundumschlag aus.

*

Mike Carson verließ bereits an diesem Tag auf eigene Verantwortung das Beekman Downtown Hospital und fuhr mit der Subway, ohne Bewachung, nach Hause. Er wohnte mir Frau und Kind in Brooklyn, wo er an der Flatlands Avenue ein hübsches Einfamilienhäuschen erstanden hatte. Brooklyn bestand nicht nur aus Hochhäusern und Häuserblocks, sondern es gab auch Bezirke mit aufgelockerter Bauweise. Carson hatte für seinen Aufstieg im Boxsport hart gearbeitet, sich nie geschont und war immer fair gewesen.

Er hatte eine Menge einstecken müssen und verabscheute unlautere Machenschaften.

Seine Frau Zelda erschrak, als sie ihn unverhofft mit verbundenem Kopf vor sich stehen sah. Janet, die dreijährige Tochter, ein süßer, dreijähriger Fratz mit Zöpfchen, jauchzte und lief ihrem starken Daddy in die Arme. Sie war selig, als der Hüne sie herumschwenkte.

Zelda war mittelmäßig hübsch. Carson kannte sie von klein auf. Sie war drei Jahre jünger als er – er war 22 –, und sie hatte immer an ihn geglaubt, als andere ihn noch verlachten und ihm voraussagten, er würde als Boxer nie etwas werden. Besorgt schaute sie ihren Mann an.

»Bist du auch wirklich okay?«, fragte sie ihn. »Übernimm dich nicht.«

»Keine Angst, Darling. Ich weiß selbst am besten, was ich mir zumuten kann. Ich nehme heute schon wieder das Training auf. Jedenfalls ziehe ich ein leichtes Programm in der Gym durch. Das halte ich für notwendig, weil ich meinen Titelkampf mit dem Weltmeister schnellstmöglich haben will. Außerdem will ich den Großen Vier zeigen, dass sie Mike Carson nicht klein gekriegt haben. Im Moment habe ich die volle Sympathie der Presse und der Öffentlichkeit. Sie werden Dunkin und seinen Manager unter Druck setzen, sich mir zu stellen.«

»Wie geht es Moff Jones, dem Ringrichter?«

»Besser. Von den beiden Halunken, die Bount Reiniger in meiner Kabine erledigte, ist der eine tot, der andere schwer verletzt. Leider kann er nicht verraten, wer seine Hintermänner sind, weil er es nicht weiß.«

Das Telefon in dem Fertigbauhaus klingelte. Zelda hob ab.

»Für dich, Mike«, sagte sie.

Carsons Trainer Angel Dobbs war am Apparat.

»Du bist wohl vom Affen gebissen, dich einfach aus der Klinik davonzustehlen und deine Bewacher abzuhängen«, wütete der alte Trainer. »Ich rufe sofort beim zuständigen Polizeirevier an, damit du weiter geschützt wirst. Du bist nämlich in Lebensgefahr, du Idiot.«

»Ich kann schon auf mich aufpassen.«

»Das kannst du eben nicht. Auf deine Familie dazu noch schon gar nicht. Du hast gestern Abend gesehen, wozu diese Gangster fähig sind, und wie wenig du gegen sie ausrichten konntest. Wenn Bount Reiniger nicht gewesen wäre ... Daran wollen wir lieber nicht denken. – Pass auf, Mike: Ich habe eine traurige Mitteilung für dich. Tim Curver ist tot.«

»Wie? Ich dachte, er sei längst über dem Berg, und der Magendurchbruch wäre nicht so schlimm.«

»War er auch nicht. Tim ist ermordet worden.« Dobbs schilderte am Telefon die bestürzenden Einzelheiten. »Du bleibst im Haus, lässt niemanden rein und rührst dich nicht vom Fleck.

»Hast du eine Waffe?«

»Nur meine Fäuste.«

»Die kannst du vergessen. Wir haben es mit Gangstern zu tun, die sofort und skrupellos schießen. Hoffentlich sind sie nicht schon unterwegs zu dir.

»Die Cops sind gleich da.«

Carson legte bleich und erschüttert auf. Er hatte Tim Curver gut gekannt und gemocht. Zelda fragte ihn, was los sei. Die kleine Janet merkte nichts von den Sorgen der Eltern, sondern verlangte, ihr Vater solle mit ihr in dem kleinen Garten spielen. Carson musste das ablehnen. Er trug Janet in ihr Zimmer und sagte ihr, sie solle mit ihren Puppen spielen, während er sich mit ihrer Mutter unterhielt. Trotzig gehorchte sie.

Im Wohnzimmer fragte Zelda ihren Mann nochmals: »Was ist los, Champion?«

Carson sagte es ihr. Dabei lauschte er zu der Haustür, die er abgeschlossen hatte, und spannte jedes Mal, wenn ein Auto vor dem Haus vorbeifuhr, die Muskeln an.

Zelda schwieg betroffen.

»Wer soll dich jetzt managen?«, fragte sie.

Carson zuckte die breiten, muskulösen Schultern. Er wusste es nicht. Dann stoppte ein Patrolcar vor dem Haus. Zwei uniformierte Beamte, ein Corporal und ein Patrolman, klingelten an der Tür. Carson war so vorsichtig, dass er sich ihre ID-Cards zeigen ließ und die in die Klarsichthülle eingeschweißten Fotos mit ihrem Aussehen verglich, ehe er sie einließ.

»Wir sind Ihre Leibwächter«, sagte der Corporal. »Lange kann das Revier Ihnen allerdings keine Guards abstellen. Wir haben Personalmangel. Wenden Sie sich an die G-men oder besorgen sie sich selber Guards.«

»Wovon soll ich das bezahlen?«, fragte Carson. »Ganz große Börsen hatte ich noch nicht. Das gestern Abend ist meine erste gewesen. Ich komme von ganz unten, Officer.«

»Ich weiß«, sagte der Corporal.

Ihm war bekannt, dass solche Burschen einen starken Ehrgeiz entwickelten. Sie waren gewöhnt, sich durchzubeißen, und sie wollten es sich und der Welt beweisen. Mike Carson war ein Hoffnungsträger für die Schwarzen, nicht zu resignieren, an den amerikanischen Traum zu glauben und stark, ehrlich und tapfer zu sein.

Er stellte einen Gegenpol zu den vielen schwarzen Dealern, Pimps und sonstigen Ganoven dar.

Am späten Nachmittag traf June March mit einem Chevy Impala, den sie geliehen hatte, bei dem Einfamilienhaus in der Flatlands Avenue ein, das da auf einem recht kleinen Grundstück stand. Carson hatte es auf Abzahlung gekauft, als Anleihe für eine glanzvolle Zukunft als Weltklasseboxer oder amtierender Meister im Schwergewicht.

Die Grundstückspreise in New York waren horrend. Carson wollte seiner Familie eine bessere Zukunft bieten. Zelda hatte ihn unterstützt und ihm Mut zugesprochen, wenn er verzweifeln wollte, weil der Aufstieg gar so hart und so langwierig war. Boxer gab es viele. Die Champions hatten es nicht eilig, einem Newcomer wie Mike Carson die Chance zu Kämpfen zu bieten, die ihn weiterbrachten, sondern trugen die gutbezahlten Ringschlachten lieber unter sich aus.

Zelda hatte als Verkäuferin in einem Drugstore gearbeitet und nebenher noch Zeitungen ausgetragen und geputzt, um ihren Mann zu unterstützen. Carson hatte keinen Beruf erlernt. Als ungelernter Arbeiter verdiente er nicht viel und hatte keine Aufstiegschancen in bessere Positionen. Seine Freizeit ging fürs Training drauf. Er arbeitete wie besessen an sich.

Vor den wichtigen Kämpfen konnte er nicht arbeiten, weil er sich zu intensiv vorbereiten musste. Sein Boss feuerte ihn. Er hatte kein Verständnis für einen ehrgeizigen jungen Boxer. Zelda ernährte ihren Mann mit, obwohl sie noch für das Kind zu sorgen hatte. Carson fing dann im Schlachthof zu arbeiten an, wo er in der Tiefkühlkammer Rinderhälften als Sandsack benutzte.

Ganz allmählich war es dann aufwärtsgegangen, bis ihn endlich Angel Dobbs unter seine Fittiche nahm. Danach ging es rascher. Doch als Carson endlich glaubte, es auf die reelle Tour geschafft zu haben, störte er die Kreise der Big Four, jenes Gangster-Quartetts, das den Boxsport kontrollierte und hemmungslos Kämpfe türkte und schob.

Vor dem Kampf gegen den Harlem-Tiger hatten Carson und seine Familie Drohanrufe erhalten, ihnen würde etwas zustoßen, wenn Carson gegen den Tiger gewann. Als Carson sich nicht beeindrucken ließ, nahm eines Nachmittags ein »netter Mann« seine kleine Tochter mit, die im Vorgarten spielte. Mike und Zelda Carson standen Todesängste aus.

Dann wurde das Kind unversehrt beim Battery Park abgesetzt, wo eine Polizeistreife es aufgriff. Janet gab an, ein Mann und eine junge Frau, beide Schwarze, hätten sie mit zum Jahrmarkt genommen. Das musste auf Coney Island gewesen sein. Sie waren mit ihr Riesenrad und Karussell gefahren und hatten ihr Zuckerwatte und Popcorn gekauft.

In Sichtweite der Polizei, zu der sie die Kleine hinschickten, hatten sie sie dann abgesetzt. Die Carsons verstanden die unausgesprochene Warnung. Diesmal war es ein Ausflug zum Rummelplatz, lautete sie. Wenn ihr nicht nachgebt, wird der nächste anders enden.

Carson beugte sich trotzdem nicht und bescherte Broome Browne, dem Champion aus Harlem, einen großmäuligen Typen, der gern im Zuhältermilieu verkehrte, die Niederlage seines Lebens. Er hatte den Tiger so auf die Bretter geschickt, dass er hinterher nicht mehr der gleiche Boxer sein würde.

Seit der kurzfristigen Entführung ihrer Tochter durch Unbekannte; wobei die Entführung noch nicht gerichtlich als solche zu ahnden gewesen wäre, ließ Zelda Carson die kleine Janet nicht mehr aus den Augen. Seitdem hatten die Gangster sich ihr nicht mehr genähert.

June March begrüßte die Dreijährige und ihre Mutter und sprach mit Mike Carson.

»Bount Reiniger schickt mich. Ich werde Ihr Leibwächter sein.«

Carson musterte die hübsche, mittelgroße und schlanke Blondine abweisend. Er trug noch ein großes Pflaster an seinem kahlrasierten Hinterkopf.

»Das kommt überhaupt nicht in Frage. Ich bin ein Mann und Herausforderer des Weltmeisters im Schwergewicht. Wie sieht das denn aus, wenn ich einen weiblichen Bodyguard habe? Der Herausforderer kann sich nicht hinter einem Weiberrock verstecken.«

»Warum eigentlich nicht?«, fragte Zelda Carson. »Und was heißt hier verstecken? Miss March versteht ihr Fach. Sie braucht ja nicht offiziell als deine Leibwächterin aufzutreten, sondern vielleicht als deine Presseagentin, Public-Relations-Managerin, oder was auch immer.«

»Warum nicht gleich als Managerin?«, fragte Carson gallig. »Dann hätte sie einen triftigen Grund, nicht von meiner Seite zu weichen.«

Zu seiner Überraschung sagte Zelda: »Ja, warum nicht? Curver ist tot. Zumindest vorübergehend könnte Miss March doch diese Aufgabe übernehmen. Sie kann mit der Waffe umgehen, und im Fall eines Gangsterattentats kann sie zu deinen Gunsten eingreifen.«

»Das hat gestern Abend schon nicht geklappt«, sagte Carson.

»Da wurde ich überrascht«, sagte June. »Das ist keine schlechte Idee, Missis Carson. Noch was: Sie sollten raus aus New York. Gehen Sie mit Ihrer Tochter an einen sicheren, geheimen Ort.«

»Das kommt überhaupt nicht in Frage. Ich bin bisher vor und nach jedem Kampf immer in Mikes Nähe gewesen. Er braucht mich.«

Mike Carson küsste Zelda zärtlich.

»Darling, diesmal ist es besser, wenn ich Janet und dich in Sicherheit weiß. Glaub mir. Dann kann ich ruhiger und ohne ständige Sorge boxen.«

»Ich will es mir überlegen«, sagte Zelda.

June March informierte Mike Carson über die letzte Entwicklung, soweit sie es für geraten hielt. Carson sah mit seinem kahlrasierten Schädel und den Zahnlücken, ungeheuer breitschultrig, muskelbepackt und gedrungen, zum Fürchten aus. Er war jedoch eine Seele von Mensch. Wie June jetzt schon merkte, tat er außerhalb des Boxrings nicht mal einer Fliege was zuleide und beschäftigte sich am liebsten mit seiner kleinen Tochter, die er vergötterte.

Seine Frau liebte er zärtlich. Affären kannte er keine, und das großspurige Gehabe und die Nachtklubgeschichten anderer Klasseboxer, die dann meist nicht lange welche blieben, waren ihm fremd. Im Ring jedoch verwandelte sich Mike Carson in eine gnadenlose Kampfmaschine, die nur das eine Ziel kannte, den Gegner k.o. zu schlagen.

Er hatte es mal so zur Presse ausgedrückt: »Ich boxe, um zu gewinnen. Nicht, um lieb und nett zu sein. Boxen ist nun mal ein harter Sport, bei dem es darauf ankommt, den anderen so zu Boden zu schlagen, dass er nicht wieder aufsteht. Wer das nicht vertragen kann, soll Blumen pflücken gehen.«

June March fuhr Carson ohne Begleitung der beiden Polizeibeamten zu Harrisons Gym in Brooklyns Stadtteil Flatbush, wo der Champion üblicherweise trainierte. Dort stand ihr ein besonderes Erlebnis bevor, an dem auch Bount Reiniger teilnahm.

*

Übers Autotelefon hörte Bount, der wieder mal in seinen Ermittlungen unterwegs war, dass Carson sein Training schon wieder aufnahm. Der Privatdetektiv fand das am Tag nach dem Kampf gegen den Harlem-Tiger und dem Niederschlag durch den Gangster übertrieben. Doch es war Carsons Entscheidung. Bount fuhr nach Brooklyn hinüber zur Gym, um sich Carsons Training anzusehen und ein Auge auf ihn zu haben.

In der Gym roch es nach Bohnerwachs und Schweiß. Es gab drei Boxringe, in denen mit Gebissschutz und Schutzhelm gesparrt wurde, Krafträume fürs Gewichttraining, Sprossenwand, Standfahrrad und andere Geräte. Reporter drängten sich um Carson, der mit einem Ringmantel um die Schultern aus der Kabine trat.

June March stand im Hintergrund, und Bount wusste, dass sie ihre Astra im Notfall blitzschnell ziehen konnte und auf der Hut war. June konnte mehr als Maschine schreiben und Telefonate entgegennehmen. In ihrem Mini war sie zudem eine Augenweide. Jeder, der sie nicht näher kannte, würde sie unterschätzen und in dieser hübschen Blondine alles andere als eine Scharfschützin und Judoexpertin vermuten.

Etwa fünfzig Leute, hauptsächlich Farbige, waren in der Halle beim Trainieren. Carsons Trainer Dobbs latschte mit einer dicken Zigarre im Mund durch die Halle, obwohl striktes Rauchverbot herrschte. Wenn jemand Dobbs darauf ansprach, schaltete er einfach sein Hörgerät ab oder gab vor, es würde nicht funktionieren.

Carson sprach kaum zu den Reportern. Er war bekannt dafür, dass er die Zähne kaum auseinanderkriegte und das Gegenteil von Muhammad Ali war, seinem prominentesten Idol, der redegewandt gewesen war und der Presse jeweils eine Show geboten hatte. Carson war sein solider und harter Handwerker, der sein Metier im Boxring von Grund auf erlernt hatte, und mit Leib und Seele ein Boxer.

Er legte den Ringmantel ab, sprang Seil, um sich zu lockern, boxte gegen Sandsack und die Birne, die er mit blitzschnellen Schlagserien vibrieren ließ, und fing dann zu Sparren an. Das letztere war ein Wahnsinn, nachdem er am Vorabend erst im Ring gestanden und gekämpft und vor allem schwer eins über den Schädel gekriegt hatte.

Er ließ sich nicht abhalten, hielt sich jedoch zurück. Trotzdem setzte er seinem Gegner schwer zu, einem bulligen Boxer um die Dreißig, der nie groß herausgekommen war, aber durchaus Dampf in den Fäusten hatte. Carson spielte mit ihm, hielt ihn auf Distanz und brachte ihn dann mit blitzschnellen linken Haken ins Wackeln.

Der Sparringspartner ging zurück.

Da öffnete sich die Tür zur Halle. Bounts Hand zuckte unter der Jacke. Doch keine Gangster erschienen, sondern Pretty Boy Floyd Dunkin, der Weltmeister, gefolgt von seinem Manager Ring Starkey und drei weiteren Personen. Eine davon war eine blondgefärbte Farbige mit atemberaubender Figur. Dunkin zeigte sich gern mit aufregenden Frauen, fuhr große Cadillac und warf überhaupt mit dem Geld um sich, soviel er konnte.

Dunkin, ein Brocken von 1,95 Meter und knapp zwei austrainierten Zentnern, der durch seine Länge dennoch schlank wirkte, trug einen bodenlangen weißen Pelzmantel. Er hatte ihn aufgeknöpft, weil es ein warmer Tag war. Eine Designer-Sonnenbrille verdeckte seine Augen.

Dunkin sah recht gut aus. Zahnlücken hatte er keine, und er pflegte im Boxring wenig einzustecken. Eine so große Schönheit, dass er unbedingt Pretty Boy hätte heißen müssen, war er indessen nicht. Er stolzierte gleich auf den Boxring zu und streckte seine mit teuren Ringen geschmückte Hand, an deren Gelenk er eine Fünftausend-Dollar-Rolex hatte, in Richtung Carson.

»Ich höre, du willst gegen mich boxen, Carson?«, tönte der Champ.

Die Reporter umdrängten ihn, eine Sensation witternd.

Mike Carson nickte nur.

»Du musst Mut haben«, fuhr Dunkin fort. »Du weißt, dass ich dich ungespitzt in den Boden schlagen kann. Ich bin der Champ, der Allergrößte, und das werde ich noch eine ganze Weile bleiben. Du kannst mir den Titel nicht wegnehmen.«

»Dann gib ihm doch die Chance dazu, es zu versuchen«, mischte sich Angel Dobbs ein. »Bist du ein Boxer oder ein Maulheld? Stell dich Mike zum Kampf, wenn du Mut hast.«

»Pass auf, was du sagst, alter Mann, oder ich wische dir eine«, tönte Dunkin.

Carson flankte mit Sparringshelm und Gebissschutz am Ringposten über das Seil und landete federnd vor Dunkin.

»Rühr meinen Trainer nicht an, Floyd. Wenn du boxen willst, boxe mit mir.«

Dunkin hob seine Fäuste. Doch das war nur eine Schau. Sein Manager ging dazwischen. Ring Starkey kleidete sich teuer und auffällig. Am liebsten hätte er die Preisschilder an den Klamotten gelassen und die Herstelleretikette nach außen gedreht. Er hatte eine Afro-Look-Krause und schleppte ein gutes Kilo Schmuck mit sich herum.

»Halt, keine Übergriffe!«, mahnte Starkey. »Carson, der Champ ist bereit, dir rasch einen Kampftermin zu geben, schon um die hässlichen Gerüchte aus der Welt zu schaffen, er würde von Gangstern gesponsert. Und diese wollten dich aus dem Weg räumen, weil er dich fürchten würde. Floyd Dunkin braucht keinen zu fürchten. Er ist der Meister aller Klassen. – Wann willst du gegen ihn antreten?«

June stellte sich neben Carson.

»Jederzeit«, antwortete der kahlköpfige Herausforderer. »Je eher, desto besser.«

»Wenigstens sechs Wochen Zeit für die Vorbereitung müsst ihr ihm schon lassen«, mischte Angel Dobbs sich ein. »Ein Weltmeisterschaftskampf ist kein Pappenstiel. Zudem muss sich herausstellen, ob der Schlag, den Mike von einem Gangster über den Schädel erhielt, tatsächlich keine Folgen hat.«

»Hässlicher, als er schon ist, kann er davon auch nicht mehr werden«, tönte Dunkin. »Seht dagegen mich an.« Er wandte sich an die Presse. »Ich bin der schönste Boxer aller Zeiten.«

»Die Sprüche hast du von Muhammad Ali geklaut«, sagte Carson. »Warte ab, bis ich mit dir fertig bin. Danach bist du die längste Zeit schön gewesen.«

»Wenn du einen neuen Manager hast, können wir den Kampf aushandeln, Mike«, sagte Ring Starkey. »Von uns aus kann er noch diesen Sommer stattfinden, in vier oder in sechs Wochen. Am besten, bevor die Urlaubssaison voll begonnen hat. Diesmal in Chicago.«

Das war die Heimat der Großen Vier, die dort zweifellos die besten Verbindungen hatten.

»Ich bin sein neuer Manager«, sagte June March und warf Bount Reiniger einen verschwörerischen Blick zu, damit er ihr nicht dazwischen redete. »Ich rufe Sie gleich morgen an, Mister Starkey. Dann besprechen wir die Einzelheiten, Börse und so weiter. Mein Mann wird nicht für ein Butterbrot kämpfen.«

»Eher für eine Banane, der hässliche Affe«, höhnte Dunkin.

Er mochte Carson ganz offensichtlich nicht und reizte ihn absichtlich bis zur Weißglut. Carson wollte auf ihn losgehen. Doch June stellte sich ihm in den Weg. Ihr war es, als ob sie eine Dampfwalze aufzuhalten versuchte. Ihre Appelle an Carsons Vernunft verhallten zunächst ungehört.

Manager und Trainer trennten die beiden Boxer. Endlich beruhigten sich die Kampfhähne ein wenig. Die Reporter hatten ihre Schau. Fotografen knipsten eilig. Alle in der Gym sahen zu.

»Wir tragen es im Boxring aus, Floyd«, sagte Mike Carson schließlich. »In sechs Wochen.«

»Okay. Nummerier schon mal deine Knochen, Mike, denn ich werde dich schlagen, wie du noch niemals geschlagen worden bist, du Niemand. Keiner beleidigte Pretty Boy Dunkin jemals ungestraft.«

Carson wandte sich ab, ließ Dunkin stehen und verschwand in der Kabine. Sein Trainer folgte ihm. Der Weltmeister posierte noch ein wenig, ehe er mit seinem Gefolge die Gym verließ. Bount Reiniger und June March folgten Mike Carson und seinem Trainer in die Kabine.

»Er hat den Kampftermin deshalb so kurzfristig angesetzt, weil er hofft, dich dann leichter schlagen zu können, Mike«, sagte Angel Dobbs dort zu seinem Schützling. »Dunkin ist ein Fuchs. Er rechnet damit, dass du von dem Broome-Kampf und dem späteren Knockout in der Kabine noch angeschlagen bist. Das kostet Substanz, das kannst du nicht von heute auf morgen wegstecken. Nicht umsonst liegen Monate zwischen den großen Fights eines Boxers.«

»Sechs Wochen reichen mir allemal«, sagte Carson, der leicht verschwitzt auf der Bank saß. »Er hat mich einen hässlichen Affen genannt. Das brauche ich mir von diesem geleckten Salonboxer mit seinen geglätteten Haaren nicht sagen zu lassen.«

»Er will dich nur reizen und verunsichern«, sagte Bount. »Jetzt frage ich mich bloß, was die Großen Vier planen. Nach allem, was ich gehört habe, ist Pretty Boy Dunkin das beste Pferd in ihrem Stall. Wollen sie ihn nun gegen dich boxen lassen, oder sollst du vorher gekillt werden?«

Bount sagte das absichtlich so brutal und deutlich, damit Carson aufmerkte. Angel Dobbs stellte Vermutungen an. Carson schwieg.

June sagte: »Sie wollen den Kampf, schätze ich. Aber vermutlich werden sie Mike wieder unter Druck setzen. Mike ist in. Die beiden Mordanschläge und das, was seinem Kampf gegen den Harlem-Tiger vorausging, auch die überragende Leistung, die er dabei geboten hat, haben ihm zu einer ungeheuren Popularität verholten. Ein Kampf zwischen ihm und Pretty Boy Dunkin wäre ein Medienspektakel und Kassenmagnet. Er würde mit größter Spannung verfolgt, und die Großen Vier wollen Geld verdienen.«

»Vermutlich hast du recht«, sagte Bount. »Das würde bedeuten, dass vor dem Kampf kein Anschlag auf Mike mehr stattfindet.«

»Ja«, erwiderte June. »Doch er wird mehr unter Druck gesetzt als je zuvor. Seine Familie muss aus der Stadt und an einen geheimen Ort, wo sie in Sicherheit ist. Den Rest müssen wir erledigen und die Gangster entlarven.«

Angel Dobbs klopfte gegen sein Hörgerät, das nicht richtig funktionierte.

»Sie reden schon fast wie eine Boxexpertin«, sagte er zu June. »Für eine so hübsche und junge Frau legen Sie sich für diesen harten Männersport mächtig ins Zeug.«

»Dafür bin ich auch Mikes Managerin. Ich heiße June, wie Juni und August.«

»Du kannst mich Angel nennen oder Onkel Angelo. Wir sind eine große Familie.«

»Dann bin ich der Vetter Bount«, sagte Bount Reiniger.

»Besser ein Vetter, als ein Fetter«, äußerte June, die in einer übermütigen Stimmung war. »Entschuldige, dass ich dich wegen meinem Nebenjob als Managerin von Mike Carson nicht vorher gefragt habe.«

Bount winkte ab. Scharfsinnig, wie er war, erfasste er die Hintergründe ohne große Erläuterungen.

»Das geht in Ordnung.«

Angel Dobbs erhob sich.

»Wir stehen vor einer schweren Aufgabe«, sagte der alte Trainer. »Mike muss den schwersten Kampf seiner Laufbahn bestreiten. Ich als sein Trainer habe ihn darauf vorzubereiten, womit ich voll ausgelastet bin. Terror und Erpressungen der Big Four können wir nicht auch noch ablenken. Wenn du uns das abnimmst, Bount, erhältst du einen Teil von der Börse des Kampfes. Wir sind fair. Wenn Mike Weltmeister wird und die Big Four ihm keinen Stein mehr in den Weg legen können, wird er eine ganze Weile der Champion bleiben. Was das bedeutet, wissen wir alle: Ruhm, Reichtum und große Kämpfe. Millionengagen. Du kannst dich als Promoter und Finanzier beteiligen und einen Anteil an Mike haben, auch für seine zukünftigen Kämpfe, wenn du die Großen Vier ausschaltest.«

»Ich bin Privatdetektiv, kein Boxkampfveranstalter«, erwiderte Bount. »Wir werden uns einigen. Die Promotion soll ein anderer übernehmen.«

Bount wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass als dieser andere sowieso schon Big Bigelow bestimmt war, der führende Mann der Großen Vier. Und dass er und Angel Dobbs ganz oben auf der Abschussliste der Großen Vier standen.


3.

Zelda Carson verließ mit der kleinen Janet New York und zog sich auf eine abgelegene Farm in Illinois zurück. Ihr Aufenthaltsort wurde streng geheim gehalten. Carson bezog mit seinem Trainer und einigen anderen ein Sommerhaus auf Long Island. Dort war sein Trainingscamp.

Zwei pensionierte Polizeibeamte waren als Leibwächter für den Champ engagiert, für alle Fälle. June March suchte das Trainingscamp auf, und auch Bount Reiniger ging dort ein und aus. Die Beule im Kofferraumdeckel seines Mercedes sowie die zerschossene Rückleuchte hatte er reparieren lassen. Luis Acosta saß auf einem Gefängnisschiff an einem Hudson Pier. Nicht zuletzt wegen der zahlreichen Drogendelikte und der auch anderweitig ansteigenden Zahl der Verbrechen waren die Gefängnisse von New York hoffnungslos überfüllt.

Die Stadt New York nahm zu ausgefallenen Methoden Zuflucht, wie Verbrecher auf Gefängnisschiffen unterzubringen. Ab und zu schwamm mal ein Gefangener in die Freiheit. Luis Acosta hatte leider nie schwimmen gelernt, was ihn jetzt sehr verdross. Sein Komplize bei dem Mordanschlag auf Mike Carson im Madison Square Garden war noch nicht gefasst worden. Er musste New York verlassen haben und würde sich so schnell nicht wieder dort sehen lassen.

Der von Bount in Carsons Kabine angeschossene Gangster erholte sich mehr und mehr von seinen Verletzungen. Wer die Großen Vier waren, wusste Bount noch nicht.

Auch der Weltmeister Pretty Boy Dunkin bereitete sich auf den Titelkampf vor, der Ende Juni stattfinden sollte. Dunkin hatte sein Trainingscamp auf den Catskills. Er murrte wegen der Strapazen und Entbehrungen, die er auf sich nehmen musste, und gab großmäulige Statements über den Verlauf des Weltmeisterschaftskampfs an die Medien.

Die Großen Vier hatten Mühe, Dunkin bei der Stange zu halten, damit er nicht über die Stränge schlug. Coltfinger und Lita Geoff suchten ihn auf. Unter sechs Augen erklärte der Killer Coltfinger dem Champion, dass die Hauptaufgabe eines Schwergewichtsweltmeisters nicht Saufen, Huren und Protzen waren.

»Wenn ich schon Weltmeister bin, will ich auch dementsprechend leben«, murrte Dunkin. »Ich hab' nun mal was für Mädchen übrig. Ich bin eine Sexmaschine. Dich könnte ich auch vernaschen, Baby.«

Die weißblonde, kurzhaarige Lita Geoff lächelte und streckte den mit Silikon auf Oberweite 103 gespritzten Busen vor. Coltfinger holte todernst die vernickelte Auto-Mag, die schwerste Pistole der Welt, im Kaliber .44 Magnum aus der Schulterhalfter und zielte zwischen Dunkins Augen.

»Das ist die letzte Warnung, Floyd! Entweder du parierst jetzt und tust genau das, was du gesagt bekommst, oder ich puste dir deinen verdammten Schädel weg. – Klar?«

Pretty Boy Dunkin schaute in Coltfingers eiskalte Killeraugen. Sämtliche Sprüche vergingen ihm.

Brav sagte er: »Ja, Sir!«

Coltfinger und Lita Geoff hielten sich in Dunkins Trainingscamp nicht länger auf. Sie flogen mit dem Hubschrauber nach New York zurück. Dunkin spurte von da an, dass es für die Big Four eine Freude war.

Bount Reiniger bewunderte Mike Carsons Trainingsmethoden. Jeden Morgen erledigte Carson erst mal einen Dauerlauf über neun Meilen. Dann folgte das Training im Kraftraum, um seine Muskeln gezielt zu stärken. Nach einem kräftigen Mittagessen und einer Mittagsruhe standen Sparringsboxen und Boxübungen den ganzen Nachmittag über auf dem Programm.

Beim Sparring verschließ Carson seine Partner gleich reihenweise. Manchmal mussten ein halbes Dutzend nacheinander gegen ihn antreten. Und jeder steckte ein. Diese ausgedienten Profis und Nachwuchsboxer hatten alle den Ehrgeiz, den Herausforderer des Weltmeisters in Verlegenheit zu bringen und so auf sich selbst aufmerksam zu machen, was ihnen aber nie gelang.

Nach einem Training, das jeden ändern zu Boden gestreckt hätte, schwamm Carson meist noch im Atlantik, wobei er sich weit hinauswagte. Einmal wäre er fast in der Strömung abgetrieben und musste von June March mit einem Boot zurückgeholt werden. Am Abend relaxte er und schaute sich Filme von Boxkämpfen an, wobei er Boxmeister früherer Zeiten und auch seinen Gegner Pretty Boy Dunkin studierte.

Oft suchte er die Sauna auf, um noch das letzte Gramm Fett aus seinem Körper herauszuschwitzen. Oder er sah fern oder Video, wobei er Western mit John Wayne bevorzugte. Ein Sportreporter schrieb, noch nie hätte er einen Boxer so hart trainieren sehen wie Mike Carson.

Bount bemerkte zu June, nach drei Tagen mit Carsons Trainingspensum wäre er tot.

»Hoffentlich behält er überhaupt noch Kraft für den Kampf übrig«, ängstigte sich June March. »So wie er es treibt, fürchte ich, er wird in der ersten Runde zusammenbrechen.«

»Keine Angst«, beruhigte Bount sie. »Mike verträgt das. Zudem wird er die letzte Woche vor dem Kampf nur noch ganz locker trainieren, um seine Kräfte nicht zu verschleißen. Bei einem Top-Trainer wie Angel Dobbs kannst du da ohne Sorge sein.«

Ein Arzt untersuchte Carson regelmäßig. Die World Boxing Association verlangte ihm dreimal die Woche Urinproben ab, wobei ein Kontrolleur aufpasste, dass sie auch tatsächlich vom Champion stammten. Damit sollte die Einnahme unerlaubter Dopingmittel verhindert werden. Die Doping-Experten hatten zwar Methoden entwickelt, die Urinproben zu täuschen. Doch Trainer Dobbs und sein Schützling Carson weigerten sich gleichermaßen, auf Kraftspritzen und -pillen zu setzen. Dobbs war noch vom alten Schlag und hielt den Schaden, den diese anrichteten, für größer als den Nutzen.

Er vertrat auch die Ansicht, ein Boxer habe vor einem großen Kampf sexuell abstinent zu leben, was seine Kräfte und Aggressionen fördern sollte. Carson wurde auch prompt immer mürrischer, wobei ihm weniger der Sexentzug, als vielmehr die Trennung von Frau und Tochter zu schaffen machten.

Schließlich zeigte er sich als regelrecht melancholisch. June hatte ein Herz und ließ ihn mit einer Chartermaschine, für die Bount Reiniger das Geld vorstreckte, nach Illinois zu der Farm fliegen, wo sich Zelda und Janet aufhielten. Strahlend kehrte Carson ins Trainingscamp zurück.

June war gerührt, als sie zufällig einen Brief an Zelda und Janet sah, den Carson noch nicht beendet in seinem Zimmer liegen hatte. Der Herausforderer hatte eine Schrift wie ein Schuljunge, schön gemalt und mit ein paar orthographischen Fehlern.

Gott schütze euch, schrieb er in dem Brief, und auch mich. Ich denke immer an euch. Wenn ich Weltmeister werde ...

Mitten im Satz brach der Brief ab. Carson wusste wohl noch nicht so recht, was er dann anfangen wollte.

In New York und Chicago, wo er zwischendurch mal hinflog, ermittelte Bount hartnäckig wegen der Big Four. Er stieß jedoch auf eine Mauer des Schweigens. Die Großen Vier hatten sich abgeschirmt.

Der Mörder von Carsons Manager Tim Curver war noch immer nicht gefasst worden. Captain Toby Rogers, der diesen Fall am Hals hatte, wurde immer saurer. Die Tarnung Coltfingers war noch am Mordtag gefunden worden, was aber auch nichts nützte.

June führte die Verhandlungen mit Dunkins Manager Starkey, der vergeblich versuchte, sie über den Tisch zu ziehen. Als Austragungsort für den Titelkampf wurde die größte Sporthalle von Chicago ausgesucht, die Mart Bowl in der Loop im Zentrum von Chicago. Ihr wabenförmiges Trägerdach überspannte insgesamt 35.000 Sitze, womit sie größer als die Madison Square Garden Hall war. Sämtliche großen Fernsehgesellschaften wollten den Kampf übertragen.

June, der Bount Reiniger freie Hand ließ und von Mike Carson und seinem Trainer Vollmacht hatte – sie genoss deren unbeschränktes Vertrauen – entschied sich für die Vergabe an die CBS. Allein für die Fernsehübertragung bezahlte das CBS etliche Millionen. Was die Gesellschaft dann unter- und weiterverkaufte und im Network weitergab, war deren Problem. Der Promoter des Kampfs des Jahrhunderts, wie er mal wieder genannt wurde, war Don Gallagher, ein sauf- und rauflustiger Ire, dabei ein scharf kalkulierender Geschäftsmann.

Bount hatte ihn im Verdacht, zu den Big Four zu gehören, war sich aber noch nicht sicher. Vier Wochen vergingen nach dem Mord an Tim Curver. June hatte emsig Verhandlungen zu führen und für Carson tätig zu sein. Der Weltmeisterschaftskampf erforderte eine Menge Vorbereitungen. Hunderte von Leuten waren in der einen oder anderen Weise tätig, um die Vorbedingungen zu schaffen, damit zwei Boxer im Ring aufeinander treffen konnten und der Kampf möglichst effektiv vermarktet wurde.

Da wurden Finanzexperten gebraucht, Werbefachleute, Stäbe von Spezialisten und jede Menge Helfer, damit der große Kampf über die Bühne gehen konnte, mit 35.000 Zuschauern vor Ort und Millionen vor den Fernsehapparaten in aller Welt. Alle möglichen Vorbedingungen mussten erfüllt und die Voraussetzungen geschaffen werden.

Ein Rädchen musste ins andere greifen. June hätte nie gedacht, dass eine sportliche Großveranstaltung über die Bühne zu bringen so stressig sein konnte. Zum Glück gab es jede Menge Experten, an die sie sich wenden konnte. Sie hatte jedoch aufzupassen, damit sie nicht an die Falschen geriet.

Eine Menge Pannen konnten passieren, und es geschahen auch welche. June schlief schlecht und nahm ab. Um die Verbrecherjagd konnte sie sich überhaupt nicht mehr kümmern. Ihre Aufgabe als Leibwächterin für Mike Carson, die sie ja auch noch hatte, trat in den Hintergrund.

Der Boxpromoter Gallagher tröstete June March, als sie in der Mart Bowl einem Nervenzusammenbruch nahe war, weil die Fernsehübertragung durch die CBS durch einen Einspruch des Halleneigentümers zu scheitern drohte. Die Mart Bowl gehörte einer Gesellschaft, die mit CBS-Television einen Prozess laufen hatte, wegen einer anderen Übertragung.

Der Halleneigentümer erteilte CBS deshalb Hausverbot. Die Verträge waren aber schon unterzeichnet.

»Keep cool«, riet Gallagher, von dessen brandroten Haaren die Schläfen ergraut waren. »Stell dir einfach vor, was alles schief gehen kann. Nimm das Schlimmste an. Dann sag dir, dass es gewiss noch schlimmer kommt, und du bist vorbereitet.«

Sein Galgenhumor ließ June auflachen. Die Blondine überwand ihr Tief. Sie führte ein ernstes Gespräch mit dem Direktor der Gesellschaft, der die Mart Bowl gehörte. Dabei kündigte sie ihm eine 100-Millionen-Dollar-Klage an, falls er die CBS-Übertragung weiter sabotieren würde. Der Direktor blieb stur.

»Dann müssen Sie sich einen anderen Austragungsort suchen. CBS kommt mir nicht ins Haus.«

»Okay.« June stand auf. Sie hatte es satt, mit diesem verbohrten Menschen zu streiten. »Der Madison Square Garden stellt uns die große Arena mit Kusshand zur Verfügung. Die dazu erforderlichen Planungsumstellungen nimmt man dort in Kauf. Die Leute in New York sind viel entgegenkommender als Sie, und wenn Sie den Kampf nicht haben wollen, bitte schön. Die 100-Millionen-Dollar-Klage erhalten Sie trotzdem, und unsere Schadensersatzansprüche kommen noch dazu.«

June zog ihren Taschenrechner, was eine reine Demonstration war, und tippte Zahlenkolonnen ein. Sie nahm das Datum, ihren Geburtstag und ihre letzte Boutiquenrechnung dazu, wobei sie den Preis von dem Kleid, das sie sich gekauft hatte, mit fünf zusätzlichen Nullen versah.

»Nicht unter zwölf Millionen«, sagte sie.

»Wie wollen Sie das zusammenbringen?«

»Das setzt Ihnen unsere Rechtsabteilung auseinander.«

June hatte zwar keine, aber das brauchte sie ihrem Gegenüber nicht auf die Nase zu binden.

Der Direktor gab nach.

»Also gut, ich ziehe meine Einwände gegen die CBS-Fernsehgesellschaft zurück. Ich will nicht, dass der Kampf wieder in New York stattfindet und uns Madison Square Garden das Geschäft und die damit verbundene Publicity wegschnappt.«

June ließ sich das gleich schriftlich geben. Erleichtert verabschiedete sie sich. Ein wesentlicher Schritt war geschafft. Die Blondine hatte geblufft. Weder konnte sie die Kosten für die eigene Klage abschätzen, noch hatte sie eine Zusage vom Madison Square Garden.

Es ist gar nicht so schwer, Geschäfte in Millionenhöhe abzuschließen, dachte June. Man muss dazu nur mit höheren Zahlen rechnen.

*

Währenddessen holte Coltfinger in New York zum entscheidenden Schlag gegen Bount Reiniger und Captain Toby Rogers aus. Er warb Helfer an. Bount Reiniger merkte, dass er beobachtet wurde. Bounts Detektei lief zurzeit mit einer Notbesetzung. Eine Freundin von June March versah den Bürodienst. Fälle, die an ihn herangetragen wurden, trat Bount an Kollegen ab, die sich darüber herzlich freuten.

An einem späten Abend Anfang Juni – es dämmerte schon – fuhr Bount mit Captain Rogers in dessen Dienstlimousine, einem biederen Chevrolet Blazer, aus Brooklyn kommend über die Brooklyn Bridge nach Manhattan. Sie hatten im Mordfall Tim Curver in Brooklyn ermittelt. Toby Rogers als Leiter der Mordkommission Manhattan South konnte selbstverständlich in anderen Stadtteilen tätig werden, wenn das ein Fall erforderte, und musste mitunter auch in andere Städte oder ins Ausland.

Die untergehende Sonne zauberte an diesem Spätnachmittag ihren Glanz hinter die Skyline, deren Silhouetten scherenschnittartig aufragten. Das UNO-Hochhaus erhob sich filigranartig im Gegenlicht. Es handelte sich um einen der letzten schönen Tage des Jahres.

»Ihr drei seid meine besten Freunde«, sagte Bount Reiniger zu Captain Rogers. »Du, meine Pistole und die Brooklyn Bridge. Ihr habt mich noch niemals im Stich gelassen.«

Toby Rogers wusste, dass Bount Reiniger, selten allerdings, merkwürdige Scherze machte.

»Der beste Freund ist noch immer ein alter Scotch«, sagte er.

»Nein«, widersprach Bount. »Davon kannst du einen schweren Kopf erhalten.«

Ein Range Rover stand mit eingeschalteter Warnblinkanlage auf der Standspur. Mäßiger Verkehr herrschte um die Zeit auf der Brooklyn Bridge. Zwei Wagen hinter dem Chevy Blazer mit Captain Rogers am Steuer fuhr ein schwarzer Ford-Transitbus.

Plötzlich sah Bount ungefüges Rohr vorn am Range Rover auftauchen. Der Mann, der es gegen die Schulter stützte und durch das Zielfernrohr visierte, stand hinter dem Rover in Deckung, auf den Bount und der Captain zufuhren.

Bount griff Toby Rogers ins Steuer und trat über seinen Fuß weg auf die Bremse.

»Bist du verrückt?«, schrie Toby Rogers.

Der Chevy schlingerte und stoppte quer zur Fahrbahn. Der Wagen hinter ihm fuhr auf.

»Der Kerl beim Rover hat eine Bazooka!«, schrie Bount. »Raus!«

Es war keine Zeit für lange Erklärungen. Der Gangster schwenkte die Panzerfaust herum. Bount und Toby Rogers rissen gleichzeitig die Autotüren auf, sprangen aus dem Chevrolet und flüchteten von ihm weg. Das Geschoss der Bazooka zischte los, einen kurz aufflammenden Feuerschweif hinter sich herziehend.

Krachend schlug es in den Motor des Chevrolets. Bount und der Captain warfen sich zu Boden. Die Explosion donnerte. Ein Feuerball zuckte auf, und nach allen Seiten flogen die Trümmer und Splitter. Die Druckwelle der Explosion fauchte über Bount und Toby Rogers weg. Brennendes Benzin spritzte.

Ein Blechstück streifte Toby Rogers' Kopf und riss ihm eine Schürfwunde. Im Nu verwandelte sich der Chevrolet in einen brennenden Trümmerhaufen, der nur noch andeutungsweise als ein Auto zu erkennen war.

In der Nähe befindliche Wagen wurden beschädigt. Der Mann mit der Bazooka war Coltfinger. Er setzte die Waffe ab, deren Ladung er hinausgejagt hatte. Lita Geoff, mit Kapuze maskiert und im enganliegenden Kampfdress, richtete ihre MPi auf die beiden Detektive, die sie hatte aus dem Chevrolet springen sehen.

Doch der Rauch nahm ihr die Sicht.

Der Ford-Transitbus stoppte. Drei Männer sprangen heraus, jeder mit einem Schießeisen in der Faust. In dem Wagen, der auf den Chevrolet aufgefahren war, saßen ein Mann und eine Frau. Sie hatten einen schweren Schock erlitten. Ihr Buick Skylark war beschädigt worden. Die Flammen des brennenden Chevy-Wracks leckten nach ihm.

Die Frontscheibe des Buick war zersplittert, die beiden Insassen verletzt worden. Blutüberströmt saßen sie da.

Auch andere Wagen waren beschädigt, teils zusammengestoßen, zwei gegen das Geländer gefahren. Wer noch fahren konnte, sah zu, dass er das Weite suchte, als Schüsse peitschten und Feuerstöße aus Lita Geoffs MPi ratterten.

Auf der Brooklyn Bridge sah es aus wie nach einem Bombenanschlag oder in Beirut.

Bount schoss mit seiner Automatic, robbte zu Toby Rogers hinüber, der einen blutüberströmten Kopf hatte, und zog ihn zum Brückengeländer. Rogers kam allmählich wieder zu sich. Seine Benommenheit verflog rasch angesichts der lebensgefährlichen Situation.

Auch er feuerte mit seinem Dienstrevolver. Coltfingers Auto-Mag dröhnte. Die Abschüsse der 44er donnerten bis nach Queens hinüber. Unter dem Kreuzfeuer von fünf Gangstern hatten Toby Rogers und Bount Reiniger nicht lange eine Chance.

Sie kauerten hinter dem Heck des Buick Skylark, dessen Insassen sich in dem Fahrzeug duckten. Jeden Moment konnte auch der Buick in Flammen aufgehen. Zudem gefährdeten die Kugeln der Gangster das Ehepaar im Auto. Auch auf sie mussten Bount und Toby Rücksicht nehmen.

Sie schossen. Der Rauch verhüllte sie. Es stank nach brennendem Gummi und Kunststoff.

»Wir müssen runterspringen, Toby!«, zischte Bount.

»Bist du verrückt?«, fragte ihn sein Freund schon zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit. »Das sind dreißig Meter.«

»Nicht ganz. Die Todesspringer von Acapulco schaffen das auch.«

»Aber nur einmal, was?«, fragte Toby Rogers mit Galgenhumor.

»Nein, regelmäßig. Der Fluss ist tief genug. Da unten ist die Fahrrinne ausgebaggert. Flussaufwärts liegen die oberen Brooklyn-Piers.«

Dort löschten Ozeanschiffe ihre Ladung. Die Gangster konzentrierten ihr Feuer. Schüsse hackten in den Kofferraum des Buick. Ein paar Kugeln durchschlugen die Karosserie. Toby und Bount hatten Glück, nicht getroffen zu werden, das aber nicht anhalten würde.

»Killt sie!«, brüllte Coltfinger und lief geduckt über die Fahrbahn, zu einem haltenden Cadillac, dessen Fahrer ohnmächtig vor Schreck überm Steuer lag.

Bount feuerte auf den Killer, der sich eine Strumpfmaske übergezogen hatte. Coltfinger vollführte einen tollen Hechtsprung, gelangte hinterm Cadillac in Deckung, tauchte an dessen Vorderseite wieder auf und feuerte beidhändig mit der Magnum-Pistole über die Motorhaube weg.

Bount und Toby mussten sich flach zu Boden werfen. Die Gangster-Lady mit der Kapuze erschien vorn neben dem Range Rover, die MPI in den Händen. Bount sah die Frau deutlich. Seine Pistole war leer geschossen. Ehe er das Magazin wechseln und gezielt schießen konnte, zwang Toby Rogers die Killerin mit schnellen Schüssen in Deckung.

Jetzt war er eher geneigt, den Sprung zu wagen. Denn es ging ihm ans Leben. Eine kurze Feuerpause der Gangster bot den Freunden die Chance.

Sie sprangen auf und schwangen sich übers Geländer. Aufschreiend stürzten sie in die gähnende Tiefe, und es war gut, dass sie keine Zeit gehabt hatten, erst lange hinunterzuschauen und sich vorzubereiten. Sonst wären sie wohl nie gesprungen.

Bount zischte durch die Luft. Nur ein Herzschlag Zeit blieb ihm, bevor er ins kalte Wasser klatschte, das bei einem Sprung aus der Höhe so hart wie Beton sein konnte. Es galt, gestreckt und möglichst gerade und mit den Füßen voran einzutauchen, wobei sich empfahl, die Arme senkrecht nach oben über den Kopf zu halten.

Bount sah Toby Rogers knapp über sich fliegen. Das Jackett des Captains flatterte.

Unterhalb der Fahrbahn befand sich ein Fußgängerübergang, auf dem trotz der Schießerei oben mehrere Passanten standen. Bount sah sie ganz deutlich im Vorbeifliegen. Die schmutzig-trübe Wasseroberfläche raste näher. Bount streckte sich, tauchte ein und sank metertief. Er hörte ein explosionsartiges Klatschen über sich, das von Toby Rogers' Landung herrührte. Der Privatdetektiv tauchte auf. Er holte tief Luft.

Bounts rechter Arm, den er nicht ganz gestreckt gehalten hatte, brannte wie Feuer. Auch Toby Rogers tauchte nun auf. Ein den Fluss hinauffahrender Schlepper tutete und wich den in der Flussmitte Schwimmenden aus.

Die klatschnassen Kleidungsstücke behinderten die beiden Männer. Deshalb zogen sie ihre Schuhe aus und ließen sie wegschwimmen. Die Kälte des Wassers war auszuhalten und jedenfalls angenehmer, als tot zu sein.

Der Schlepper bot Bount und dem Captain Deckung und die Möglichkeit, einen Moment zu verschnaufen, als die Killer oben übers Geländer schauten und ihre Waffen hinunterrichteten. Als der Schlepper sie passiert hatte, tauchten Bount und der Captain auf und schwammen unter die Brücke. Hier boten sie den Killern, die blindwütig ins Wasser ballerten, kein Ziel.

Doch Coltfinger, der zu Lita Geoff geeilt war, hatte noch einen Trumpf in Gestalt einer Handgranate in der Tasche. Er zog sie hervor und den Ring ab.

»Mit Handgranaten kann man Fische fangen«, sagte er zu seiner sexy Komplizin. »Das müsste auch bei Detektiven klappen.«

Damit spielte Coltfinger auf die Tatsache an, dass bei einer Handgranatenexplosion unter Wasser den Fischen die Schwimmblasen platzten. Die Leichen trieben dann an die Oberfläche. Menschen hatten zwar keine Schwimmblasen, aber ein Lungenriss oder das Platzen von Äderchen im Gehirn durch eine starke Explosion in unmittelbarer Nähe waren auch nicht zu verachten.

Die Handgranate flog von der Brücke. Bount und Toby tauchten jedoch auf, bevor sie unter Wasser explodierte und einen Wasserschwall aufsteigen ließ. Die Explosion schadete den beiden Männern nicht.

Die Splitter wurden durchs Wasser abgelenkt und gebremst. Die beiden Freunde schwammen unter der Brücke zum Ufer, wobei sie darauf achteten, nicht von der Strömung abgetrieben zu werden.

Polizeisirenen heulten heran. Die Gangster auf der Brücke sprangen in ihre Autos und ergriffen die Flucht. Sie rasten nach Manhattan hinüber. Coltfinger rammte mit dem Range Rover mit seiner verstärkten Stoßstange ein Patrolcar aus dem Weg, das ihm den Fluchtweg blockieren wollte. Der Streifenwagen drehte sich um die Achse und knallte gegen die Mauer.

Der Range Rover und der Ford-Transitbus rasten vorbei und fuhren in Richtung Downtown. Die Brooklyn Bridge hatte mehrere Abfahrten und war so schnell nicht zu sperren. Die Gangsterautos verschwanden spurlos, als ob sie sich in Luft aufgelöst hätten. Eine Großfahndung, Alarmstufe Gelb, brachte Dutzende von Streifenwagen in den Bezirk, die durch die Straßen patrouillierten. Doch längere Zeit ohne Ergebnis.

»Die Fluchtautos der Gangster können in einer Garage stehen, auf einem Parkplatz, in einer Seitenstraße oder in einem Hof«, sagte der Fahndungsleiter. »Da können wir noch eine Weile suchen.«

Er behielt Recht. Erst am folgenden Vormittag, einem Sonntag, wurden die beiden Gangsterautos in einer Garage gefunden. Es handelte sich um gestohlene Fahrzeuge mit gefälschten Nummernschildern. Von den Insassen fehlte jede Spur.

*

Tropfnass wie gebadete Katzen und frierend entstiegen Bount Reiniger und Toby Rogers dem East River. Sie betasteten ihre Glieder. Bount war unversehrt. Der Captain hatte bis auf die Schramme am Kopf keine Verletzungen.

»Verdammt«, sagte Bount plötzlich. »Was ist los?«, fragte Toby Rogers. »Meine Zigaretten sind nass geworden.«

Ein Patrolcar stoppte bei den beiden Männern. Sie erhielten Decken, in die sie sich nach dem Ablegen der nassen und schmutzigen Kleider hüllen konnten, und Glimmstängel. In einer Ambulanz fuhren sie dann zum Beekman Downtown Hospital, wo sie ärztlich untersucht werden sollten, für alle Fälle. Die Untersuchung ergab, dass sie keine Schäden davongetragen hatten.

Toby Rogers erhielt ein Pflaster an den Kopf, nachdem ihm ein Haarstreifen abrasiert und die Wunde gereinigt worden war.

»Mit dir fahre ich nicht mehr nach Brooklyn«, sagte Bount beim Verlassen des Krankenhauses. »Das ist ja lebensgefährlich.«

Beide Männer trugen Kleidung und Schuhe, die ein Detective ins Hospital gebracht hatte. Es handelte sich um Ersatzklamotten aus irgendwelchen Polizeispinden. Bount Reiniger trug eine Jacke, die ihm drei Nummern zu eng war. Dafür schlotterte die Hose. Die Turnschuhe drückten. Toby Rogers stellte seinem Freund, der seine Automatic im Fluss verloren hatte, eine Polizeipistole zur Verfügung.

Bount konnte dann bald zu seiner Detektei fahren, wozu er ein Taxi benutzte, zog sich in der Wohnung um, steckte seine Zweitautomatic ein, da er mit dieser Pistole am besten vertraut war, und stürzte sich gleich wieder in die Fahndung.

In den Nachrichten wurde die Meldung von der Schießerei auf der Brooklyn Bridge durchgegeben. Die Verletzten dort waren abtransportiert, das brennende Autowrack gelöscht und die Fahrbahn wieder geräumt worden. Die Spurensicherung hatte ihren Job erledigt. Es war eine Sensation. Reporter wollten Bount unbedingt interviewen. Der Privatdetektiv schlug ihnen jedoch ein Schnippchen. Er legte keinen Wert auf Publicity.

Spätabends erschien er dann frustriert wieder in seiner Wohnung. Mehrere Anrufe waren auf seinem Anrufbeantworter gespeichert. Einer stammte von Coltfinger.

Der Gangster war wütend, weil Bount und Toby Rogers seinem sorgfältig ausgetüftelten und von langer Hand vorbereiteten Anschlag entgangen waren.

»Hier spricht Coltfinger«, nannte er seinen Decknamen. »Der Mann, dem du das Feuerwerk auf der Brooklyn Bridge verdankst. Diesmal bist du davongekommen. Doch ich erwische dich noch.«

Bount grinste dünn; das hatten ihm schon viele Gangster versprochen. Er merkte sich den Namen Coltfinger. Auch wenn es ein Pseudonym war, wusste Bount jetzt doch schon eher, mit wem er es zu tun hatte. Er hörte eine Nachricht, die June auf das Band gesprochen hatte, rief sie in Chicago zurück, wo sie sich derzeit aufhielt, und erreichte dann Toby Rogers, der mit geöffneter Krawatte und bei schwarzem Kaffee noch im Police Headquarters war.

»Sagt dir der Name Coltfinger was?«

»Und ob. Das ist ein ganz böser Finger, der Coltfinger. Ein Profikiller, dem über zwanzig Morde nachgesagt werden, und ein sicherer Kandidat auf den elektrischen Stuhl, vorausgesetzt, dass es endlich gelingt, ihn zu fassen. Das versuchen das FBI und andere Polizeiorgane allerdings schon seit Jahren ohne Erfolg. Von ihm ist nämlich nur sein Deckname bekannt und sonst überhaupt nichts. – Wie kommst du auf ihn?«

»Halt dich fest, Toby. Coltfinger ist derjenige, wegen dem wir von der Brooklyn Bridge in den East River springen mussten.«

Bount erzählte Toby Rogers von dem Anruf und der Drohung des Killers.

»Dann ist er also in New York?«, fragte Rogers.

»Muss er wohl, sonst hätte er uns heute auf der Brooklyn Bridge nicht an den Kragen gehen können wollen.«

»Diesmal soll er nicht entwischen. Bei uns beiden hat er sich mit den falschen Leuten angelegt, Bount.«

Bount Reiniger beendete das Gespräch und legte sich todmüde ins Bett. Am nächsten Tag, kaum dass er aufgestanden war, fand er eine Klientin in seiner Detektei vor, die sich von seiner Aushilfskraft nicht abwimmeln ließ. Sie bestand darauf, Bount Reiniger zu sprechen. Sie jammerte, es ginge um Leben und Tod.

Die Vertretung rief Bount schließlich herbei. Er erschien, sah, dass die Klientin bildhübsch war und bat sie hinauf zu sich in die Wohnung.

»Ich bin noch ungewaschen und unrasiert, Miss. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, unterhalten wir uns, während ich mir meine Frühstückseier mit Speck zubereite.«

»Ich habe auch noch nicht gefrühstückt«, sagte die kurvenreiche weißblonde Lady im hautengen Minikleid. Was es unten zu wenig hatte, fehlte oben erst recht. Bount sah einen Busen, der selbst einen Erzbischof ins Schwitzen gebracht hätte. »Kann ich eine Portion haben?«

»Klar.«

Bount stieg mit der Blonden die Treppe hoch, die von der Detektei direkt in seine Wohnung führte und wohlweislich vor einer Panzertür endete. Sie war allerdings mit Holz verkleidet und sah recht dünn aus, ein Trugschluss, den ein wildgewordener Mobster schon mal mit einer gebrochenen Schulter bezahlt hatte, als er wie ein Stier gegen die Tür rannte.

In seiner Junggesellenbude plauderten sie locker. Bount ließ den Kaffee durch die Maschine laufen. Die weißblonde Lady mit der streichholzkurzen Figur gab ihren Namen mit Linda Garth an.

»Man will mich ermorden«, sagte sie. »Nur Sie können mich schützen. Außerdem handelt es sich um ein Multimillionenerbe, um das die Familie meines verstorbenen Mannes mich bringen will.«

»Schlimm, schlimm«, sagte Bount und schaute die trauernde Witwe an, die allerdings nicht die Tracht einer solchen trug. »Würden Sie die Ham and Eggs zubereiten? Dann gehe ich unter die Dusche.«

»Natürlich.«

Der Privatdetektiv verschwand im Badezimmer. Die Dusche rauschte. Kurz darauf öffnete sich die Tür zu dem dampfgeschwängerten Raum. Die angebliche Miss Garth erschien, eine Schalldämpferpistole in der Hand, schlich zur Tür der Duschkabine und riss sie auf.

»Pfui«, sagte Bount Reiniger da hinter ihr. »Wer wird denn fremde nackte Männer beim Duschen ansehen? Schickt sich das denn für eine arme Witwe?«

Die Duschkabine war leer. Bount Reiniger hatte vollständig angezogen hinter der Badezimmertür gestanden. Lita Geoff – sie war es – wirbelte herum. Bounts Handkantenschlag prellte ihr die Schalldämpferpistole aus der Hand.

Doch der Engel des Todes gab noch nicht auf. Mit ihren rotlackierten Fingernägeln krallte die Killerin nach Bounts Augen. Gleichzeitig versuchte sie einen Tritt dorthin, wo es ein Mann am meisten spürte. Bount wich beiden Attacken aus. Lita erwies sich als eine Tigerkatze.

Sie konnte Karate und hatte sämtliche unfairen Tricks drauf. Bount hatte Hemmungen, bei einer Frau, zumal einer so hübschen, hart zuzuschlagen. Deshalb steckte er einiges ein. Der Kampf tobte quer durch die Wohnung.

Lita Geoff gelang es, sich auf den Rücken zu werfen, als Bount einen Handkantenschlag von ihr abblockte und sie am Gelenk ergriff, ihm den Fuß in den Magen zu setzen und ihn über sich zu schleudern. Bount segelte auf sein Bücherregal zu. Er krachte dagegen. Das Regal zerbrach.

In Büchern und Holztrümmern liegend, fand Bount sich wieder. Lita Geoff sprang ihm mit zwei Füßen ins Gesicht. Im letzten Moment konnte Bount sich zur Seite wälzen. Er fegte der Killerin die Beine weg und nagelte sie mit seinem Gewicht auf den Boden.

Doch Lita war stark wie eine Stahlfeder. Sie bäumte sich auf und schüttelte ihn ab. Dann riss sie ein Stilett aus einer Geheimtasche ihres Kleides und warf mit allem nach Bount, was ihr in die Finger fiel.

Die Stilettklinge zischte durch die Luft. Bei einer ihrer wütenden Attacken zerfetzte Lita Bount Reiniger mit der Klinge das Hemd. Ein roter Streifen zog sich quer über seine Brust. Bount wich aus, als Lita zustach, packte ihren Arm und riss sie nach vorn.

Lita krachte gegen die Wand. Sie verlor das Stilett. Bount warf sie zu Boden, setzte sich auf ihren Rücken und wollte ihr die Hände mit der Vorhangschnur auf den Rücken fesseln. Lita zuckte. Plötzlich fing sie zu kreischen an, trommelte mit den Füßen auf den Boden wie eine Wahnsinnige und produzierte Schaum vor dem Mund.

Bount versuchte weiter, sich die Vorhangschnur zu holen. Lita Geoff spielte den epileptischen Anfall jedoch so täuschend echt, dass selbst der mit allen Wassern gewaschene Privatdetektiv davon abgelenkt wurde. Zwar band er der Killerin die Hände, achtete jedoch nicht darauf, dass sie Spielraum hatte.

Lita zuckte weiter, die Augen verdreht.

Bount trug sie zur Couch. Seine Nachlässigkeit rächte sich jetzt. Plötzlich hatte Lita die Hände frei. Ein knallharter Schlag mit der Karatefaust ließ Bount Reiniger Sterne sehen und taumeln. Das weißblonde Teufelsweib landete auf den Füßen und griff wieder an wie eine entfesselte Furie.

Bount trieb Lita Geoff, deren Namen er noch nicht kannte, in die Enge. Da fing sie zu strippen an. Mit den Waffen einer Frau versuchte sie, Bount Reiniger nochmals abzulenken. Doch diese Schönheit war Bount zu mörderisch.

Er warf Lita einen Bademantel zu, als sie nur noch den Slip am Leib trug.

»So, Baby, das reicht. Jetzt weiß ich wenigstens ganz genau, dass du keine verborgene Waffe mehr am Leib trägst. – Du gehörst zu den Großen Vier?«

Bount meinte damit, dass das Gangsterquartett sie geschickt hatte. Doch Lita verstand ihn anders. Bount landete einen Zufallstreffer mit seiner Äußerung, die Lita glauben ließ, er wisse besser über sie Bescheid, als es tatsächlich der Fall war.

»Ja, ich bin eine von ihnen. Dass du mich in der Klemme hast, nützt dir nichts, Bount Reiniger. Coltfinger wird dich töten.«

»Coltfinger kocht auch nur mit Wasser.«

Diesmal fesselte Bount die schöne Lita, die seinen Bademantel verschmähte, gründlicher. Er befragte sie zu den Großen Vier, erhielt jedoch keine Auskunft mehr, die ihm genutzt hätte. Lita beschimpfte ihn mal, dann wieder machte sie ihm sexuelle Versprechen, die das Repertoire der meisten Dirnen übertrafen.

Bount blieb cool. Er rief Captain Rogers an.

»Ich habe da ein sehr kratzbürstiges Vögelchen, das in der Unterwelt singt. Bring einen Käfig mit und hol sie dir ab. Sie weiß einiges über den Mord an Tim Curver und andere Machenschaften der Großen Vier. Sie ist eine intime Freundin von Coltfinger.«

Toby Rogers sagte zu, jemand zu schicken.

»Wie hast du mich erkannt?«, fragte Lita Bount. »Was hat mich verraten?«

Bount deutete auf ihre tolle Oberweite.

»Deine Figur. Ich sah dich gestern bei dem Anschlag auf der Brooklyn Bridge. Eine Figur wie deine gibt es so schnell nicht wieder. Da habe ich dir heute eine Falle gestellt, und du tapptest prompt hinein.«

Dass er angeblich duschte, also wehrlos und nackt in der Kabine stand, war für die Killerin eine Einladung gewesen, der sie nicht widerstehen konnte. Resigniert ließ Lita Geoff die Schultern sinken.

»Männer«, sagte sie, »sind doch alle gleich. Wäre ich flach wie ein Bügelbrett, hättest du dir meine Figur nicht eingeprägt.«

»Stimmt«, sagte Bount. »Da hast du Pech gehabt, Baby. – Warum wolltest du mich killen?«

»Blöde Frage. Du störst unsere Geschäfte. Deshalb.«

Lita Geoff spuckte auch dann noch Hass, als Beamtinnen vom Police Headquarters sie mit dem Gefangenenwagen abholten. Sie hatte nicht gelogen, als sie Bount Reinigers Aushilfskraft erzählte, es ginge um Leben und Tod, weshalb sie dringend zu Bount müsste.

Es war um sein Leben gegangen.

Bount blieb erst mal in seiner Wohnung und betupfte die Kratzer, die Lita ihm zugefügt hatte, mit Jod. Der Privatdetektiv hatte blaue Flecken bei dem Kampf davongetragen. Eine seiner Rippen schmerzte heftig.

Sie musste angebrochen oder zumindest geprellt sein.

Später, als er wegen der Killerin im Police Headquarters vorsprach, sagte Toby Rogers: »Mich wundert, dass Lita dich nicht verführen konnte. Du bist doch sonst kein Kostverächter, Bount.«

Details

Seiten
Jahr
2022
ISBN (ePUB)
9783738966886
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (November)
Schlagworte
dreimal bount reiniger dynamit händen york detectives sammelband krimis

Autor

  • Earl Warren (Autor:in)

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Titel: Dreimal hat Bount Reiniger Dynamit in den Händen: N.Y.D. New York Detectives Sammelband 3 Krimis