Zusammenfassung
von Earl Warren:
Bount Reiniger und der Frisörsalon
Bount Reiniger und die Flucht aus der Karibik
Bount Reiniger oder Erpressen will gelernt sein
Die Nachricht von der Festnahme Bount Reinigers und Willard Tylers, des Medienreferenten des Gouverneurs von Kalifornien, verbreitete sich blitzartig. Als die beiden Männer beim Police Headquarters angeliefert wurden, warteten bereits Reporter. Blitzlichter zuckten. Die Reporter bombardierten die beiden Festgenommenen, die in einem Kordon von Cops und Detectives marschierten, mit Fragen.
Bount schwieg wie der israelische Mossad, dessen Mitarbeiter der Meinung waren, die Aussage »Kein Kommentar« sei bereits einer.
Tyler rief: »No comment.«
Zunächst mussten sich die beiden Festgenommenen den erkennungsdienstlichen Formalitäten unterziehen. Danach warteten sie im Headquarters getrennt voneinander. Bount hatte Gelegenheit, auf einer harten Bank sitzend das Summen der fehlerhaft arbeitenden Klimaanlage zu studieren. Ein Beamter beobachtete ihn durch die offene Tür.
Immerhin waren Bount die Handschellen abgenommen worden.
Zwei Beamte brachten ihn dann zu einem Captain und Leiter einer Mordkommission, der inzwischen Anweisungen von höchster Stelle hatte. Der Captain war groß, bullig, grauhaarig und erweckte den Eindruck, als ob er seine Fälle mit der unerbittlichen Effizienz eines Reißwolfs löste.
Sein rötlicher Teint verriet Gereiztheit, einen hohen Blutdruck und Temperament. Capt. Donahue, Mordkommission Miami Centre, stand auf dem Namensschild auf seinem Schreibtisch. Er musterte Bount mit der Freundlichkeit eines Nussknackers.
Dann befragte er ihn zu den Vorfällen bei der Main Station. Bount berief sich auf die einschlägigen Paragraphen zum Schutz seines Klienten.
»Ich könnte Sie einsperren, bis Sie windelweich werden«, knurrte der Captain.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Bount Reiniger kommt dreimal auf den Trichter: N.Y.D. New York Detectives Sammelband 3 Krimis
Earl Warren
Dieser Band enthält folgende Krimis
von Earl Warren:
Bount Reiniger und der Frisörsalon
Bount Reiniger und die Flucht aus der Karibik
Bount Reiniger oder Erpressen will gelernt sein
Die Nachricht von der Festnahme Bount Reinigers und Willard Tylers, des Medienreferenten des Gouverneurs von Kalifornien, verbreitete sich blitzartig. Als die beiden Männer beim Police Headquarters angeliefert wurden, warteten bereits Reporter. Blitzlichter zuckten. Die Reporter bombardierten die beiden Festgenommenen, die in einem Kordon von Cops und Detectives marschierten, mit Fragen.
Bount schwieg wie der israelische Mossad, dessen Mitarbeiter der Meinung waren, die Aussage »Kein Kommentar« sei bereits einer.
Tyler rief: »No comment.«
Zunächst mussten sich die beiden Festgenommenen den erkennungsdienstlichen Formalitäten unterziehen. Danach warteten sie im Headquarters getrennt voneinander. Bount hatte Gelegenheit, auf einer harten Bank sitzend das Summen der fehlerhaft arbeitenden Klimaanlage zu studieren. Ein Beamter beobachtete ihn durch die offene Tür.
Immerhin waren Bount die Handschellen abgenommen worden.
Zwei Beamte brachten ihn dann zu einem Captain und Leiter einer Mordkommission, der inzwischen Anweisungen von höchster Stelle hatte. Der Captain war groß, bullig, grauhaarig und erweckte den Eindruck, als ob er seine Fälle mit der unerbittlichen Effizienz eines Reißwolfs löste.
Sein rötlicher Teint verriet Gereiztheit, einen hohen Blutdruck und Temperament. Capt. Donahue, Mordkommission Miami Centre, stand auf dem Namensschild auf seinem Schreibtisch. Er musterte Bount mit der Freundlichkeit eines Nussknackers.
Dann befragte er ihn zu den Vorfällen bei der Main Station. Bount berief sich auf die einschlägigen Paragraphen zum Schutz seines Klienten.
»Ich könnte Sie einsperren, bis Sie windelweich werden«, knurrte der Captain.
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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
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Bount Reiniger und der Frisörsalon
Sie machen Geld – aber noch schneller sind ihre MPis
von Earl Warren
1.
Die Painted Monkey Bar im südlichen Queens war ein Schuppen, in den man besser nicht ohne kugelsichere Weste ging. Bount Reiniger hatte seinen 450 SEL in der Nähe der Bar abgestellt. Er schlenderte in den Painted Monkey, dessen total verschmutzte Fenster längst kein Sonnenlicht mehr durchließen, und musterte die dort versammelten 400 Jahre Zuchthaus. Bount spielte den Ganoven. Er wusste, dass sich jeder Privatdetektiv im Painted Monkey in akuter Gefahr befand, an einer Bleivergiftung oder Messerstahl zwischen den Rippen zu sterben.
Bount sagte zu einem gorillaähnlichen Rausschmeißer: »Ich suche Langfinger Eddy. Ich bin sein Hehler.«
»Du siehst aber gar nicht wie ein Hehler aus«, brummte der Rausschmeißer. »Ich bin aber einer. Außerdem gehöre ich zur Cosa Nostra. Jetzt gib mir Auskunft, oder ich werde sauer. Meine Zeit ist teuer.«
Der Rausschmeißer runzelte die zwei fingerbreite Stirn und schaute Hilfe suchend zu den Stammkunden des Etablissements. Doch die schweren Jungs und leichten Mädchen wandten sich ab und interessierten sich demonstrativ für ihre Drinks ...
»Was ist jetzt?«, fragte Bount barsch. »Erhalte ich endlich die Auskunft, oder muss ich mit einem Rollkommando anmarschieren und euren Laden auseinander nehmen?«
Die Wasserstoffblondine hinter der Bar erbarmte sich Bount Reinigers.
»Eddy sitzt im Hinterzimmer und zockt«, erklärte sie. »Geh zur Toilette und links dran vorbei. Die Tür rechts um die Ecke ist es dann. Sag dem Mann davor, dass du ein Freund von Harvey bist, klar?«
»Verstehe. Heißen Dank, Herzchen.«
Bount tippte an die Hutkrempe und wandte sich der Tür hinten zu. Er ging durch, nahm den bezeichneten Weg und fand vor der Tür des Spielzimmers einen Zwillingsbruder des Rausschmeißers aus der Bar. Der Hüne säuberte seine schmutzigen Fingernägel mit einem langen Messer. Bount dachte, dass der vorn in der Bar wohl King sei, sein Ebenbild also Kong.
Kong schaute fragend.
»Ich bin ein Freund von Harvey.«
Kong, kein Freund langer Worte, deutete mit dem Daumen auf die Tür. Bount trat ein. Er sah drei dicht von Männern umlagerte Tische, an denen gewürfelt und Karten gespielt wurde. Es handelte sich um einfache, schnelle Spiele, die einen raschen Geldumsatz mit sich brachten.
Fast ausschließlich Männer waren anwesend, alles Zocker. Diese Spielsüchtigen scherten sich einen Teufel um ihre Umgebung, solange sie ihrer Leidenschaft frönen konnten. Sie spielten, wer die höchste Karte zog, oder sie addierten drei Karten oder spielten Aufteilen, wobei man raten musste, welches von drei aus einem Kartenspiel hervorgebrachten Häufchen das erste As enthielt.
Banknoten und Münzentürme stapelten sich auf den Tischen. Die Luft unter den runden, von der Decke herabbaumelnden Lampen war total verräuchert. Die Spieler sprachen kaum und warfen Bount allenfalls einen taxierenden raschen Blick zu, ehe sie sich wieder aufs Spiel konzentrierten. Bount stellte sich an die Wand. Ein hagerer Mann mit einem Zahnstocher im Mund trat zu ihm und fragte: »Was darf s denn sein, Freund?«
»Ich will mal 'nen Moment zusehen und mich akklimatisieren. Dann mache ich meinen Einsatz.«
Bount ließ ein von einem Clip zusammengehaltenes Banknotenbündel sehen. Die Augen des Hageren funkelten gierig. Er nickte und ließ Bount allein, dessen Antwort glaubhaft geklungen hatte.
Kiebitze wurden hier nicht geduldet, auch keine Leute, die keinen Umsatz brachten.
Bount zündete sich eine Zigarette an. Den Hut ins Gesicht gezogen, spähte er unter der Krempe vor, rauchte und suchte Langfinger-Eddy.
Er sah ihn an dem Tisch rechts, wo Eddy am Würfeln war. Eddy klaute alles, was nicht niet- und nagelfest war. Er hatte einem Klienten Bounts die Brieftasche entwendet. Diese Brieftasche enthielt außer Bargeld Kreditkarten, geschäftliche Aufzeichnungen und nicht zuletzt einen Liebesbrief und ein Foto von der Freundin des verheirateten Klienten.
Wenn das in die unrechten Hände geriet, konnte sich Bounts Klient auf Schlimmes gefasst machen. Bount hatte sich erweichen lassen, obwohl er sich sonst nicht mit solch vergleichsweise läppischen Fällen abgab.
Langfinger-Eddy war ein feister, mittelgroßer Mann mit rundlichem Gesicht. Er sah wie die personifizierte Harmlosigkeit aus. Obwohl es sich bei dem Taschendieb um eine mit Hudsonwasser getaufte New Yorker Pflanze handelte, erweckte er den Eindruck, frisch von der Farm zu kommen.
In seinem Fall war das ein Kapital. Langfinger-Eddy trug einen blauen Anzug mit Längsstreifen, der seine besten Tage hinter sich hatte. Der Taschendieb würfelte mit Leidenschaft.
Bount schob sich näher. Er teilte die mit Rauchschwaden geschwängerte Luft wie ein Eisbrecher.
Eddy spuckte in den Würfelbecher und schob Banknoten in die Tischmitte.
»Ich bin heiß!«, rief er. »Ich habe die Strähne. Würfelchen, Würfelchen, hört auf mich! Meine kleinen Lieblinge, enttäuscht euren Eddy nicht? Sechzehn Augen sind zu überbieten! Eddy bringt sie! Caramba, ihr Böcke, zeigt mir die Punkte! Siebzehn Augen oder achtzehn will ich sehen. Hey, whow und verkorkst!«
Viele Spieler hatten ihr spezielles Ritual, mit dem sie glaubten, das Glück günstig stimmen zu können. Eddy verdrehte die Augen, rieb den Würfelbecher an seinem Revers und spitzte die Lippen.
Der Spieler, der die Bank hielt, wurde ungeduldig.
»Jetzt wirf schon, Eddy. Willst du spielen oder eine Schau abziehen?
Glaubst du, du bist in Las Vegas und stehst auf 'ner verdammten Bühne?«
»Nein, Süßer. Da!«
Eddy stülpte den Becher um. Die drei knöchernen Würfel rollten über den abgewetzten grünen Filz. Einer stieß gegen ein Whiskyglas.
Als die Würfel liegen blieben, zeigten sie vier Augen.
Eddy riss seine Augen weit auf.
»Ungültig!«, schrie er. »Der Wurf ist ungültig und muss wiederholt werden. Ein Würfel ist gegen das Glas geprallt und aufgehalten worden. Das gilt nicht.«
»Du tickst wohl nicht richtig. Du hast ja die Seuche«, ereiferte sich der Bankhalter. »Selbst wenn du mit dem angeprallten Würfel eine Sechs geworfen hättest, wären das höchstens neun Augen. Was willst du eigentlich? Kannst du nicht anständig verlieren?«
Die anderen Spieler stimmten dem Bankhalter zu. Höhnische Bemerkungen ertönten. Dann schrie man schon, das Spiel fortzusetzen.
»Los, los, die Würfel müssen rollen, sonst werden sie kalt. Was soll das Gequatsche? Ist das ein Spielbums oder ein Debattierklub? Was sind hier denn für Typen drin? Das wollen Spieler sein?«
Eddy weinte fast, denn er war pleite. Bount stand schon hinter ihm. Als Eddy keinen Einsatz mehr bringen konnte, drängten die anderen Spieler ihn weg. Bount legte ihm die Hand auf die Schulter und zog ihn mit sich.
»Vielleicht kann ich dir helfen, Eddy.«
Langfinger-Eddy hatte nur für das Spiel Augen gehabt. Jetzt erst schaute er Bount an, stellte fest, dass er ihn nicht kannte, und schüttelte den Kopf.
»Ich kenne Sie nicht, Mister. Wenn Sie ein Kredithai sind, haben Sie bei mir kein Glück. Ich bin verrückt aufs Spiel, aber so verrückt auch wieder nicht, dass ich mir Geld zu Wucherzinsen pumpe, wo auf der Straße welches herumspaziert.«
»Genau darum geht es, Eddy. Um geklautes Geld.« Bount musste einen Jargon sprechen, den der Taschendieb verstand. »Ich will von dir wissen, wo du eine bestimmte Brieftasche gelassen hast. Es handelt sich nicht um die Dollars, die darin steckten, sondern um andere Dinge, die für den Besitzer wichtig sind.«
Eddy war jetzt auf der Hut. Die Spielleidenschaft umnebelte sein Gehirn nicht mehr komplett.
»Ach ja?«, sagte er gedehnt. »Wer sind Sie denn, Mister? Woher rührt Ihr Interesse?«
»Ich erweise einem Freund einen Gefallen. Mein Name spielt keine Rolle.«
»Eine Gefälligkeit. Nur so?«
»Genau. Aber ich kann unangenehm werden, wenn du dich stur stellst, Eddy. Das hat Folgen für dich.«
»Welche?«
»Dann bringe ich dich zur Polizei und liefere dich ab. Ich weiß, dass du diese Brieftasche gestohlen hast. Ich kann es beweisen. Es gibt einen Zeugen. Also sei vernünftig.«
Eddy senkte den Kopf und schaute Bount von unten herauf an.
»Bist du ein Schnüffler?«
Das war der Unterweltausdruck für einen Privatdetektiv. Bount beschloss, es zu riskieren, indem er das soweit zugab.
»Und wenn es so wäre? Ich will mich nur mit dir einigen, Eddy. Das Zeug, das mein Klient braucht, geht zurück. Mit dem Rest kannst du selig werden.«
»Hm«, äußerte sich Eddy. Plötzlich stieß er mit dem Knie nach Bounts Unterleib und kreischte wie am Spieß:
Schnüffler! Leute, hier ist ein Schnüffler! Er hat uns ausspioniert und will den Laden auffliegen lassen! Auf ihn, macht ihn fertig!«
Die Spieler sprangen auf wie von der Tarantel gestochen. Der Hagere, der Bount zuvor angesprochen hatte, stürmte heran, ein Schnappmesser in der Rechten. In seinen Augen glitzerte kalter Mord.
*
Als er die Tankstelle mit Autoreparaturwerkstatt in dem Bronx-Stadtteil University Heights übernahm, hatte Ted Lyman geglaubt, ein gutes Geschäft abgeschlossen zu haben. Jetzt wusste er, warum sein Vorgänger sie ihm so billig gelassen hatte.
Der Laden lief miserabel. Das Werkzeug taugte nicht viel. Eine der Hebebühnen war ständig defekt, und Ted fehlte das Geld für die Ersatzteile, um sie zu reparieren. Es wäre beinahe besser gewesen, das alte Ding zu verschrotten.
Bloß konnte sich Ted auch keine neue Hebebühne leisten. Die andere erfüllte ihren Zweck gerade so, doch es ließ sich absehen, dass auch sie bald den Dienst versagen würde. Der Benzinverkauf war wegen dreier Supermärkte in der Nähe mit Billigbenzin geradezu läppisch.
Ted musste sich an die von der Lieferfirma festgesetzten Preise für Werkstätten halten. Man glaubte da, wer bei ihm sein Auto reparieren und den Service erledigen ließ, würde auch öfter mal dort tanken.
Nur kam kaum jemand. Die Studenten von der University of New York reparierten ihre Kisten entweder selbst in der Hobbywerkstatt, oder sie ließen das von guten Freunden erledigen. Den Professoren und Dozenten war Teds Werkstatt wieder nicht gut genug. Sie gingen zu ihren Vertragswerkstätten.
Was sonst anfuhr, davon konnte Ted Lyman weder leben noch sterben. Er gaukelte sich nichts vor. Wenn das so weiterging, war er demnächst bankrott. Von einer Anlaufzeit konnte man nicht mehr sprechen. Teds Ersparnisse waren nahezu aufgezehrt, die seiner Frau auch.
Wie es aussah, würde er seinen Traum von der Selbständigkeit mit einer Pleite und einem Schuldenberg bezahlen.
Das dachte Ted resigniert, als er an dem Abend einen alten Ford abschmierte. Er stand in seiner Werkstatt direkt neben der Tankstelle unter dem Auto. Da hörte er die Klingel, die ein zu den Zapfsäulen fahrender Wagen auslöste.
Ted horchte auf. Kundschaft, dachte er, wischte sich die Hände mit Putzwolle ab und trat aus der Werkstatt. An dem Juniabend war es noch hell. In den Büschen hinter der Tankstelle zwitscherten die Vögel ihr Abendlied.
Ted, ein großer, kräftiger Mulatte von achtundzwanzig Jahren in einem ölfleckigen Overall, sah erstaunt den nagelneuen Cadillac Seville an seiner Tankstelle. Der Wagen blinkte und glänzte. Er musste mit der Hand poliert worden sein. Die Waschanlage brachte solchen Glanz nicht hervor.
Der Mann, der neben dem Caddy stand, und der hinterm Steuer passten dazu wie die Faust aufs Auge. Der neben dem Auto war noch größer als Ted, der immerhin 1,84 m maß, knochig und hager. Die Lippen bildeten in dem langen Gesicht einen dünnen Strich. Der Kerl hatte eine Boxernase und sah hart und gemein aus.
Unter seinem Konfektionsanzug beulte eine Schusswaffe die Stelle unter der linken Achsel aus. Ted sah das auf einen Blick.
Der Mann hinterm Steuer hatte eine feiste Gangstervisage und rauchte eine dicke Zigarre mit Bauchbinde. Seine Augen waren in Fett eingebettet. Der Solitär an seiner Krawattennadel war bestimmt einiges wert. Der Gangster — es musste einer sein! – protzte damit.
»Hallo«, sagte Ted und war wachsam.
Der Lange nickte ihm zu.
»Wir haben ein Geschäft für dich, Blackie«, sagte er gönnerhaft. »Dein Laden läuft doch beschissen, stimmt's? Nun, wir könnten dir Arbeit verschaffen.«
»Welche Arbeit?«
»An Autos. Wir brauchen eine unauffällige Werkstatt und einen tüchtigen, zuverlässigen Mann. Du wirst gut bezahlt.«
Die Kerle waren Gangster und brauchten jemanden, der gestohlene Autos für sie umspritzte und anderweitig veränderte, damit die Polizei sie nicht erkennen konnte. Ted war immer ehrlich gewesen. Das wollte er bleiben, egal, was auch geschah.
Er schüttelte den Kopf.
»Nein.«
»Sei nicht so voreilig, Blackie. Du bist nicht in der Lage, dass du eine dicke Lippe riskieren kannst.«
»Das müssen Sie schon mir überlassen. Außerdem heiße ich für Sie Mister Lyman und nicht Blackie. Ich sage zu Ihnen auch nicht Plattnase.« In den Augen des Langen funkelte es gefährlich. Ted, einmal in Fahrt, sprach weiter. »Ich nehme an, dass die Qualle hinterm Steuer Ihr Boss ist oder Ihnen jedenfalls was zu sagen hat. Erklären Sie ihm, dass er schleunigst mit seinem ergaunerten Schlitten von meiner Tankstelle verschwinden soll, und zwar mit Ihnen. Sonst werde ich ungemütlich.«
Der Feiste im Auto hatte die Worte mitgehört. Er musste scharfe Ohren haben. Ted erkannte es an der Art, wie er das Gesicht verzog.
»Was willst du denn schon tun, Blackie?«, fragte der Lange und griff nach der Schulterhalfter.
»Das!«
Ehe der Lange seine Pistole ziehen konnte, war Ted bei ihm und traf ihn mit einer schnellen Links-Rechts-Kombination. Ted hatte nichts verlernt, seit er bei der Army Champion im Halbschwergewicht gewesen war. Der Lange knickte ein, versuchte, sich an dem Cadillac festzuhalten, und schaffte es nicht.
Er sackte zusammen.
Teds Hände schmerzten. Vor lauter Frust hatte er knochenhart zugeschlagen. Ihn wurmte das Angebot. Ihn wurmte auch, dass ein ehrlicher Kerl wie er hart am Bankrott war, während Gangster wie der Lange und der Feiste in nagelneuem Caddy herumgondelten und vor Geld nur so stanken.
Die Autotür schlug zu. Ted wirbelte herum. Der Feiste war ausgestiegen, die rechte Hand in der Tasche, und grinste, die Zigarre im schiefen Maul, mit der Freundlichkeit eines Haifischs.
Ted schritt auf ihn zu.
»Hören Sie, Mister, nehmen Sie Ihre Figur da, laden Sie sie ein, und treten Sie aufs Gas, oder Ihnen passiert was! Dass ich Sie nämlich in den Hintern trete und in Ihre Karre stopfe. Ich ...«
»Schnauze, Junge«, zischte der Dicke. Etwas in seinem Ton und seiner Haltung ließ Ted erstarren. Jetzt sah er die Waffe, die sich in der Tasche des Feisten abzeichnete. Sie war auf ihn gerichtet. »Ich weiß immer genau, was ich tue, und ich weiß auch über dich Bescheid, Lyman«, fuhr der Gangster fort. »Wenn du wagst, mich anzugreifen, schieße ich dich auf der Stelle nieder.«
Er meinte das ernst und schreckte vor nichts zurück. Kalt grinste er Ted an, ohne den Lauf auch nur um ein Haar von ihm weg zu bewegen.
»Ich weiß, dass diese Werkstatt für unsere Zwecke genau das richtige ist. Ich weiß ferner, dass du eine junge, hübsche Frau hast, an der du hängst. Diese Frau erwartet in wenigen Wochen ein Kind. Du willst doch, dass deiner Frau nichts geschieht und das Kind heil und gesund geboren wird, oder?«
Ted bebte vor Zorn. Er hob die Fäuste.
»Du Dreckskerl!«
»Halt! Einen Schritt, und es knallt! Du bist ein Hitzkopf. Ich gebe dir Zeit, um dich abzuregen und über mein Angebot nachzudenken. Wir melden uns wieder. Unsere Angebote lehnt man nicht ab. Ron!«
Ted hatte den Langen vergessen. Er erinnerte sich jäh an ihn, als ihm ein Schlag ins Genick knallte und ihm der Schmerz wie ein Blitz durch den ganzen Körper fuhr. Ted wankte. Ein Schwächerer wäre zu Boden gegangen.
Ted blieb auf den Füßen und drehte sich um. Aber er war so angeschlagen, dass ihm der Gangster Ron überlegen war. Ron schlug zu. Ted sah seine Faust mit dem Siegelring wie in Großaufnahme auf sich zurasen. Der Schlag erschütterte ihn. Der nächste traf seinen Magen.
Ron schlug Ted zusammen. Der Feiste stoppte ihn.
»Das reicht! Lass uns abfahren. Er wird schon zur Vernunft gelangen.«
Der Lange rieb die Stellen, wo Ted ihn getroffen hatte.
»Der hat vielleicht einen Schlag. Mein lieber Mann! Das lasse ich mir von keinem gefallen. Am liebsten würde ich diesem Nigger den Rest geben.«
»Das wirst du bleibenlassen. Steig ein.«
Der Lange gehorchte wütend. Die beiden ungleichen Gangster rauschten im Caddy ab. Der Feiste fuhr ganz knapp an Ted vorbei. Der Caddy rollte auf die Straße und verschwand um die Ecke. Ted stöhnte, kroch zu einer Zapfsäule und zog sich daran mühsam hoch. Er hatte eine Schramme vom Siegelring des Langen im Gesicht und spürte Schmerzen, wo dessen harte Fäuste in getroffen hatten. Ted war es hundeelend.
Am meisten aber setzte ihm der Gedanke zu, dass er die zwei Gangster damit noch nicht los war. Er kannte solche Kerle, die brutal jeden Widerstand brachen, die das Gesetz verhöhnten und auf Moral und Anstand pfiffen.
Der Feiste war wohl noch gefährlicher als der Lange. Er hatte Barbara, Teds Frau, und ihre Schwangerschaft erwähnt, ein Zeichen, wie gut er Bescheid wusste. Ted stöhnte. Um keinen Preis wollte er, dass Barbara und dem Kind, das sie erwartete, etwas geschah.
*
Bount wich Langfinger-Eddys Kniestoß aus. Er versetzte dem Taschendieb einen Faustschlag, wirbelte herum und blockte den Messerstich des Hageren mit einem harten Handkantenhieb ab. Bounts andere Handkante säbelte gleichzeitig durch die Luft, traf ihr Ziel, und während das Messer noch durch die Luft flog, brach der Hagere schon zusammen.
Eddy war gegen die Wand getaumelt und hielt sich nur noch mit Mühe aufrecht. Bount packte ihn am Kragen, zog mit der anderen Hand seine 38er Automatic und feuerte einen Schuss in die Decke.
Die Spieler, auch die paar Frauen, machten nämlich Front gegen ihn. Das Krachen des Schusses ließ sie innehalten.
Doch jetzt flog die Tür auf. Kong stürmte herein, sah in Bounts Mündung, stutzte und blieb stehen.
»Was soll 'n das bedeuten?«, fragte er begriffsstutzig.
Bount schrie: »Razzia!« und zerrte Eddy zur Tür. Die Waffe in seiner Faust trieb die Zocker zurück. Nicht aber Kong.
Aus falsch verstandenem Pflichtbewusstsein gegenüber seinem Arbeitgeber sprang Kong Bount an.
»Verduftet!«, schrie er den Spielern zu. »Ich halte den Kerl auf.«
Kong glaubte an die Razzia, von der Bount geschrien hatte. Bount wollte nicht auf ihn schießen, weil Kong ihn mit bloßen Fäusten angriff.
Er schlug mit der Pistole zu. Doch Kong grunzte nur, schlang seine enorm langen Arme um Bount und nahm ihn in eine mörderische Umklammerung. Bount sprengte die Klammer mit Mühe, wich zurück, stieß Kong, der ihn wieder angriff, einen Stuhl in den Weg und packte Langfinger-Eddy, der türmen wollte, am Kragen. Mehrere Spieler flüchteten bereits durch ein Fenster an der Seite des Hinterzimmers.
Es musste auf den Hof hinausführen. Bount ließ die Zocker laufen, sie waren ihm gleichgültig. Er riss Eddy zu sich und stieß ihm die Pistolenmündung hart in den Rücken.
»Hier geblieben, oder es passiert was!«
»Wir können uns doch einigen«, heulte Eddy.
»Hier drin nicht. Du kommst mit, und wehe, wenn du Widerstand leistest.«
Eddy war ein Feigling und sein Angriffsrepertoire mit dem Kniestoß schon erschöpft.
»Ich wehre mich nicht«, versprach er.
Natürlich log er. Bei der erstbesten günstigen Gelegenheit würde er zu fliehen versuchen.
Bount hatte seine liebe Not, ihn hinauszubringen und gleichzeitig weiteren Angriffen zu entgehen. Eine Flasche flog auf ihn zu, und er zog den Kopf ein. Die Flasche fegte ihm den Hut vom Kopf, knallte gegen die Wand und zerschellte mit dumpfem Knall. Scherben und Fusel spritzten. Kong, der über den Stuhl gefallen war und sich gerade wieder aufrichtete, wurde besudelt.
Er brüllte, weil ihm Spritzer des hochprozentigen billigen Schnapses in die Augen geraten waren und höllisch brannten. Der Hüne rieb sich die Augen.
Bount benutzte die zeitweilige Blendung, um ihm auf die Schulter zu tippen. Als Kong sich umdrehte, bot er Bount sein Kinn. Bount hatte Gelegenheit, einen wuchtigen Uppercut genau auf den Punkt zu schmettern. Den konnte auch Kong nicht vertragen.
Mit seinem 220-Pfund-Gewicht fiel er auf einen Spieltisch, der krachend zusammenbrach.
Eddy quiekte, als Bount ihn fest am Arm packte und aus der Tür drängte. Bount überzeugte sich, dass niemand im Gang auf ihn lauerte, und warf die Tür zu der Spielhölle, in der es wie in einem aufgestörten Ameisenhaufen zuging, hinter sich zu. Seinen Hut ließ er liegen.
Dann führte er Eddy nach vorn ins Lokal ab. Er stieß ihn durch die Tür, wartete einen Moment und sprang blitzschnell selbst in die Bar. Die Vorsicht zahlte sich aus.
King, Kongs Ebenbild, lauerte rechts neben der Tür, an die Wand gepresst, ein anderer Halunke links. King schwang einen Totschläger, sein Gegenüber stieß mit einem Messer zu. Bount entging Schlag und Stich.
Der Messerstecher verletzte King und lief in dessen gewaltigen Schlag hinein, der einen Ochsen gefällt hätte. Aufheulend ging der Messerstecher zu Boden und blieb verletzt liegen. King stierte auf sein dreckiges Hemd, an dessen linker Seite sich ein rasch größer werdender Blutfleck ausbreitete.
Der Rausschmeißer hatte nur einen Kratzer erhalten. Bount hielt mit seiner Automatic die 400 Jahre Zuchthaus im Painted Monkey in Schach und hinderte Eddy an der Flucht.
»Was willst du denn von mir?«, wimmerte Eddy. »Ich habe dir doch gar nichts getan.«
»Halt die Klappe!«
Ein höflicher Ton war hier fehl am Platz. Die Wasserstoffblonde gab einem Mann, der rechts an einem der dreckigen runden Tische saß, ein Zeichen. Der Bursche hielt unterm Tisch schon einen kurzläufigen Revolver bereit und hob ihn jetzt über die Tischplatte.
Die vier, die bei ihm saßen, wichen rasch aus der Schusslinie.
Bount feuerte schnell und scheinbar ohne zu zielen. Der Meisterschuss traf den Colt Agent des Kerls und prellte ihn ihm aus der Hand. Der Kerl schrie auf, schlenkerte seine geprellte Hand und hüpfte vor Schmerz auf und ab.
Bount drohte mit seiner Automatic in die Runde.
»Wer so was noch mal versucht, erhält eine Kugel!«, rief er und richtete die Waffe auf King, der gerade wieder mit seinem Totschläger ausholte. »Lass fallen!«
King schaute so enttäuscht drein, wie ein Kind, dem man die Bonbons gestohlen hat. Er öffnete seine Pratze. Der Totschläger polterte auf die Dielen.
Im nächsten Moment bewegte sich die Wasserstoffblondine. Schlagartig erlosch das Licht in der Ganoven- und Zockerbar. Damit hatte Bount schon gerechnet. In allen diesen Finten gab es einen versteckten Schalter, der für einen totalen Licht- und Stromausfall sorgte. Bount war das recht.
Er sprang vor, erwischte Langfinger-Eddy, bevor der die Dunkelheit zur Flucht nutzen konnte, verdrehte ihm den Arm und führte ihn schleunigst zur Seite. King stampfte dort herum, wo Bount gerade noch gestanden hatte, und suchte ihn.
»Stell dich, du Feigling!«, röhrte er.
Bount war kein Anfänger. Er drehte sich um, senkte den Kopf, legte die Hand als Schalltrichter an den Mund und rief: »Hier bin ich. Kleiner!«
Für King hörte es sich an, als stehe Bount ganz woanders. Er marschierte sofort los, stieß Tische und Stühle um, räumte Leute aus dem Weg, die ihm in die Quere gerieten, zerbrach Flaschen und Gläser und führte sich auf wie ein wildgewordener Büffel.
Weibliche Bargäste kreischten im Dunkeln. Männer fluchten. King hatte jemanden erwischt und nahm ihn in die Mangel. Der Mann schrie vor Angst und Schmerzen.
»Ah! Au! Uh! Ich bin es doch! Lass mich los, verdammt!«
Wie es sich anhörte, stieß King den Stammgast zur Seite. Der Arme stürzte.
»Wo steckt der Lump von einem Schnüffler?«, röhrte King.
Bount verriet es ihm nicht; Er drückte Eddy, den er nach wie vor im Griff hatte, die Automatic in die Seite, raunte ihm zu, keinen Mucks von sich zu geben, und führte ihn zur Tür. Bount verfügte über eine erstklassige Ortskenntnis und ebensolchen Orientierungssinn. Er hatte sich alles eingeprägt und fand seinen Weg in der Stockfinsternis.
Im Painted Monkey war eine Saalschlacht im Gang. Jemand versuchte, im Dunkeln die Kasse zu rauben. Die Wasserstoffblondine kreischte. Bount hatte den Eindruck, dass sie mit ihrem Stöckelschuh auf den Räuber losprügelte.
Die Bargäste keilten sich im Dunkeln, jeder gegen jeden. Die Frauen mussten unter die Tische gekrochen oder in die Ecken geflohen sein.
King röhrte noch immer nach Bount.
»Dem Schnüffler drehe ich den Hals um! Den mache ich kalt! Das ist keine Razzia! Wo steckt der Lump?«
»Schade, dass wir schon gehen müssen, gerade als es gemütlich wurde«, sagte Bount zu Langfinger-Eddy. »Aber da führt kein Weg dran vorbei. Ab durch die Tür.«
Zwischen Eddy, Bount und dem Ausgang stand jemand. Bount fragte nicht lange, als er gegen den Mann stieß, sondern schlug mit dem Pistolengriff zu. Der Kerl heulte auf und floh, von Bount hart getroffen.
Damit war der Ausgang frei. Bount stieß Eddy aus dem Lokal und vor sich her die Treppe hoch, die von der Souterrainbar auf die Straße führte. Es war zirka 21.30 Uhr. Nach einen Regenguss glänzte die Straße noch nass.
Bount führte Eddy am Arm energisch mit, bog um die Ecke und erwartete, seinen silbergrauen Mercedes vorzufinden – ein Schmuckstück für diese Gegend –, um mit seinem Gefangenen schleunigst im Auto zu verschwinden. Nur hatten auch andere den 450er für ein Schmuckstück gehalten.
Er war nämlich weg. Bount wollte es zunächst nicht glauben. Perplex stand er da, schaute nach rechts und nach links und überlegte, ob er sich vielleicht geirrt hätte und der 450 SEL woanders parkte.
Doch das konnte nicht der Fall sein. Es musste der Platz sein.
Die Stelle unter der Peitschenlampe vor einem Elektrogeschäft war leer. Der nasse Asphalt schien Bount höhnisch anzugrinsen.
Dass man den Wagen abgeschleppt hatte, konnte nicht sein. In der Zeit, die Bount im Painted Monkey zubrachte, mussten Autoknacker zugeschlagen und den Mercedes gestohlen haben. Luxusautos der Nobelmarke aus Germany brachten gutes Geld.
Es musste sich um Experten handeln. Der Mercedes war nämlich raffiniert mit Zentralverriegelung, Alarmanlage und einer Lenkradsperre, die ein Kurzschließen verhinderte, gesichert.
Das alles fuhr Bount innerhalb von Sekunden durch den Kopf. Hinter sich hörte er schon ein Gebrüll von der, Bar. King und einige andere hatten den Painted Monkey verlassen und standen im Begriff, erneut Bount anzugreifen.
Bount unterdrückte einen Fluch. Langfinger-Eddy hatte sein Erstaunen bemerkt und nutzte es auf seine Weise, indem er Bount vors Schienbein trat, so fest er konnte. Bount schrie auf. Eddy wollte sich losreißen. Aber Bounts Linke schoss vor. Trotz des Schmerzes packte er Eddy mit stählernem Griff im Genick und schüttelte ihn, dass ihm Hören und Sehen verging.
Eddy jaulte auf.
»Aua, lass mich los! Ich tue es auch nicht wieder.«
»Das könnte dir so passen, dass ich dich loslasse. Niemals.«
Bount hob die Pistole, weil King und ein ganzes Rudel Wilder aus der Bar anstürmten. Sie hatten Schlagringe, Totschläger und andere Waffen bei sich, die sie wütend schwenkten. Der Anblick der Pistole ließ sie stoppen. Aber sie flohen nicht, sondern standen vielmehr da, belauerten Bount und warteten auf eine Schwäche bei ihm.
Es wurden immer mehr. Achtzehn, zwanzig Mann drängten sich angriffslüstern und stachelten sich gegenseitig auf.
»Los doch!«, gifteten die hinteren, weil sie genau wussten, dass sie nicht von Bounts Kugeln getroffen werden konnten. »Auf ihn, ihr Schlappschwänze! Was seid ihr denn für Kerle?«
»Der erste, der mich angreift, erhält einen Schuss ins Bein«, drohte Bount. »Dann schieße ich weiter.«
Er befand sich in Lebensgefahr. Diese Meute war imstande, ihn auf offener Straße abzumurksen oder totzutrampeln. Beim Verhör durch die Polizei würde es keiner gewesen sein. Da deckten die Lumpen sich gegenseitig.
Sie wollten auch, dass Bount Eddy freiließ.
»Lass den Mann laufen, Schnüffler, dann kannst du verschwinden!«, forderte King.
Das war natürlich gelogen. Bount schüttelte den Kopf.
»Nein. Haut ab!«
Keiner wollte der erste sein, der Bount angriff. Die Kerle drängten und stießen sich gegenseitig. Bount hörte, wie man murmelte: »Los doch!« und: »Spring ihn an!« Aber keiner brachte den Mut auf.
Bount zog Eddy mit sich durch die Seitenstraße zur größeren Canal Street. Aber vorher musste er durch eine Unterführung. Dort wurde es gefährlich. Die Ganovenmeute aus dem Painted. Monkey wusste das auch und folgte Bount und seinem Gefangenen wie Schatten.
Von den Anwohnern mischte sich keiner ein. Wer etwas sah oder hörte, verschloss Augen und Ohren, um sich keinen Ärger einzuhandeln.
Ein Totschläger flog aus dem Hintergrund, verfehlte Bount und dröhnte gegen einen Lieferwagen, an dessen Karosserie er eine tiefe Beule hinterließ. Von dem Wurf aufgehetzt, heulte die Verfolgermeute auf. Ein Messer zischte heran.
Es war stramm geworfen, aber schlecht gezielt. Es hätte Eddy getroffen. Doch Bount riss ihn rasch zur Seite. Er feuerte zwei Warnschüsse über die Köpfe Kings und der anderen, erzielte aber nur einen mäßigen Erfolg damit.
Bount jagte die letzten Schüsse aus dem Magazin, wechselte blitzschnell das leere aus und zerrte den zitternden Langfinger-Eddy in die finstere Unterführung. Rowdies hatten die Lampen dort zerstört. Nicht eine brannte mehr.
Eddy rannte mit Bount durch die Unterführung, voller Angst, aus Versehen von seinen Kumpels verletzt oder sogar getötet zu werden.
Bount hörte King brüllen: »Los, packt ihn!«
Der Rausschmeißer stürmte vor. Bount sah seinen klobigen Schatten, stieß Eddy. gegen die Wand, nahm einen kurzen Anlauf und sprang King entgegen. Im Karatetraining hatte Bount auch Sprungkicks gelernt. Sein linkes Bein war angewinkelt, das rechte gestreckt, dass Absatz und Fußkante senkrecht durch die Luft sichelten.
King raste voll in Bounts Sprung. Bount wurde jäh in der Luft gestoppt, prallte auf den Boden und sprang sofort wieder hoch.
Nicht so King. Der Rausschmeißer streckte alle viere von sich. Er würde in der nächsten Zeit niemanden mehr angreifen. Bount lief zu Eddy, der zu entnervt war, um jetzt noch fliehen zu wollen, packte ihn und zog ihn weiter. Sie verließen den finsteren Schlauch der Unterführung, in der Schritte und Schreie hallten.
Einige Männer aus dem Painted Monkey waren über King gestolpert. Andere fielen über sie. Es gab einen wüsten Knäuel und Stöße und Püffe, die sich die Kerle gegenseitig verpassten. Bount musste wider Willen grinsen.
Er zog Eddy rasch von der Unterführung weg, an deren Ende sie sich deutlich abzeichneten. Das war gut so, denn in der Unterführung blitzten Schüsse auf. Kugeln zischten an Bount und Eddy vorbei.
Endlich näherten sich Polizeisirenen. Zwei Patrolcars, blau-weiß und mit flackerndem Rotlicht, rasten von der Canal Street heran und bereiteten dem Spuk ein Ende. Die Streifenwagen stoppten.
Die Türen platzten regelrecht auf. Blauuniformierte sprangen heraus, den Dienstrevolver im Anschlag. Die Scheinwerfer der Patrolcars, auf Fernlicht gestellt, strahlten in die Unterführung und beleuchteten geblendete, zurückweichende Männer. Die Ganoven schleppten den bewusstlosen King mit sich.
Einige Waffen ließen sie liegen. Drei Cops stürmten mit gezogenem Revolver in die Unterführung, während zwei auf Bount und Langfinger-Eddy zielten.
»Was ist hier los?«, fragte der Streifenführer.
Es handelte sich um einen schwarzen Police Sergeant, den Bount zu kennen glaubte.
Bount hielt seine Automatic mit zwei Fingern am Griff, um keine Irrtümer entstehen zu lassen. Als er mit der Rechten seine Detektivlizenz hervorholen wollte, wurde er gestoppt.
»Nach was greifst du? Keine Bewegung!«
New Yorker Streifenpolizisten wurden entweder krankhaft misstrauisch, oder sie lebten nicht lange. Bount erklärte, was er wollte.
»Ah, jetzt erkenne ich Sie, Mister, Reiniger!«, rief der schwarze Police Sergeant. »Sie sind doch Bount Reiniger und mit Captain Toby Rogers von der Mordkommission Manhattan South befreundet. Sie können Ihre Waffe verstauen, die Ausweiskontrolle erübrigt sich. Sie stecken wohl in der Klemme?«
»Jetzt nicht mehr. Ich habe diesen Mann in einer Spielhölle festgenommen und wollte ihn gerade zu euch bringen. Er hat einen Taschendiebstahl begangen. Ich habe den Auftrag, das Gestohlene wieder herbeizuschaffen.«
»Und Sie haben den Kerl tatsächlich geschnappt? Das grenzt an ein Wunder, denn normalerweise ist es leichter, einen bestimmten Fisch im East River zu erwischen als einen Taschendieb in New York. In welcher Spielhölle haben Sie den Vogel gegriffen, Mister Reiniger?«
»Schon mal was vom Painted Monkey gehört?«
»Donnerwetter! Der Schuppen gehört den Brüdern O'Keefe.« Der Sergeant beschrieb die O'Keefe-Brüder kurz und treffend. Es handelte sich um King und Kong, die Bount nur für Rausschmeißer gehalten hatte. »Und da leben Sie noch? Das nenne ich eine Leistung.«
Die drei Cops, die den Ganoven nachgelaufen waren, kehrten zurück. Sie schleppten King mit und hatten zwei Nachzügler eingefangen. Diese beiden protestierten und behaupteten, die personifizierte Harmlosigkeit und nur auf einem Abendspaziergang gewesen zu sein.
»Das wird sich alles auf dem Revier herausstellen«, entschied der Police. Sergeant. »Die ganze Horde kommt mit. Corporal, bestellen Sie einen Transportwagen. Ich werde gleich veranlassen, dass im Painted Monkey eine Razzia durchgeführt wird. Den Laden haben wir schon lange vorgemerkt.«.
Bount bezweifelte, dass die Cops und das Glücksspieldezernat jetzt noch viel finden würden. Aber immerhin hatte er nicht gelogen, als er von einer Razzia schrie. Der Painted Monkey würde eine erleben.
*
Auf dem 21. Revier berichtete Bount, warum ihn die Ganoven zur Canal Street hin verfolgt hatten. Er meldete auch seinen Mercedes als gestohlen an. Der schwarze Police Sergeant, der die Anzeige aufnahm, legte den Kopf zurück und lachte laut auf.
»Das kann doch nicht wahr sein! Dem gefürchteten Verbrecherschreck Bount Reiniger ist das Auto geklaut worden. Wer hat das denn getan?«
»Das wüsste ich auch gern«, erwiderte Bount einsilbig. Wer den Schaden hatte, brauchte für den Spott nicht zu sorgen. Außer dem Police Sergeant würden es auch noch andere sehr lustig finden, dass Bount einem Autodiebstahl zum Opfer gefallen war. Bount indessen konnte darüber nicht lachen. »Jetzt möchte ich mit Langfinger-Eddy sprechen«, verlangte er.
»Okay, aber zuerst brauche ich die genauen Angaben über den Wagen. Ich tippe schon mal die Anzeige, klar?«
»Gut.«
Der Sergeant hämmerte die Anzeige in einem Nebenzimmer des großen Polizeireviers, in dem ein ständiges Kommen und Gehen herrschte, mit zwei Fingern. Dann durfte Bount Langfinger-Eddy im Office des Lieutenant unter vier Augen sprechen.
Langfinger-Eddy war mächtig sauer und überschüttete Bount mit Vorwürfen.
»Du hast mich bei den Bullen als Taschendieb verpfiffen. Außerdem kann ich mich im Painted Monkey nicht mehr blicken lassen, weil du wegen mir dort aufgekreuzt bist und außerdem auch noch eine Razzia stattfindet. Du bist eine ganz linke Bazille. Außerdem hast du mir auch noch versprochen, ich brauchte nur was zurückzugeben, dann wäre alles in Ordnung.«
Bount seufzte. Der kleine Taschendieb kostete ihn schon mehr von seiner Zeit, als die ganze Sache wert war.
»Deine Sorgen möchte ich mal für 'ne Weile haben, Eddy. Wir können uns arrangieren. Du steckst mir, wo ich die Geschäftspapiere, um die es mir geht, ein bestimmtes Foto und einen Brief erhalte. Dann erfolgt keine Anzeige wegen des Diebstahls, und ich überlasse es dir, dich da herauszureden. Wo kein Kläger ist, findet sich bekanntlich auch kein Richter. Von mir aus kannst du auch erzählen, dass du im Painted Monkey nur Soda getrunken und nicht am Spieltisch gesessen hast.«
Eddy war nicht überzeugt. Ihm gefiel die Geschichte nicht.
»Ich weiß nicht, ob ich mich darauf einlassen kann.«
»Dann lass es und handele dir eine Gefängnisstrafe ein. Du bist vorbestraft. Also, was ist?«
»Na gut, weil Sie es sind, Mister Reiniger«, erwiderte Langfinger-Eddy treuherzig. »Normalerweise schließe ich solche Arrangements nicht.«
Ich auch nicht, dachte Bount. Er hatte seinen Auftrag, und es war nicht seine Angelegenheit, einen Taschendiebstahl mit aller Strenge zu ahnden. Er erklärte Eddy, um welche Brieftasche es sich handelte und wo Eddy sie gestohlen hatte.
»Ach, die«, meinte Eddy. »Der Papierkram liegt in meiner Wohnung. Ich gebe dir für alle Fälle den Schlüssel. Vermutlich wirst du meine Verlobte dort antreffen. Stell ja keine Dummheiten mit ihr an, das kann ich nämlich nicht vertragen.«
»Du kannst unbesorgt sein«, versprach Bount dem eifersüchtigen Taschendieb. »Schreib eine Nachricht für deine Verlobte. Das wird besser sein.«
»Da hast du Recht.«
Eddy nahm einen Zettel und einen Kugelschreiber. Mit ungelenken Buchstaben schrieb er: »Katy, Bount Reiniger is' in Ordnung. Eddy.«
Das Datum folgte. Rechtschreibung war eindeutig nicht seine Stärke. Bount steckte den Zettel ein und gab Eddy eine Zigarette. Der Lieutenant klopfte und rief durch die Tür, er müsse wieder in sein Office.
»Moment noch!«, rief Bount zurück. Er wandte sich an Eddy. »Jetzt habe ich noch eine allerletzte Frage: Hast du eine Ahnung, wer meinen Wagen gestohlen hat? Ganz unter uns, ich wäre dir für den Tipp dankbar.«
»Ich bin Taschendieb und kein Autoknacker. Da bin ich überfragt.«
»Gut, wenn du was hörst, ruf mich an. Hier hast du meine Karte. Du kannst auch unbesorgt völlig offen mit meiner Sekretärin sprechen, mit June March. Spitz mal die Ohren, Eddy.«
Eddy drehte die Karte in den Fingern, grinste und lachte dann.
»Hähä! Ich dachte, Sie sind der Detektiv von uns beiden, Mister Reiniger. Jetzt soll ich Ihre Karre finden. Das finde ich ja zum Kringeln.«
»Ja, wirklich sehr lustig«, meinte Bount mit todernster Miene. »Du erhältst eine Belohnung, wenn du mir einen heißen Tipp gibst.«
»Na ja, ich kann's ja mal versuchen. Bount Reiniger wurde das Auto geklaut! Hähä! Höhö!«
Schadenfreude steckt anscheinend in jedem Menschen, und das nicht zu knapp, dachte Bount.
2.
»Du hast mir doch versprochen, dich nicht mehr zu prügeln«, sagte Barbara Lyman, als Ted in die Wohnung wankte.
Die Lymans hatten eine Zweizimmerwohnung in einer Mietskaserne, zwei Häuserblocks von Tankstelle und Werkstatt entfernt. Wegen der Nähe war das günstig. Aber Ted fand es jedes Mal unerfreulich, wenn er den hässlichen Brownstone-Bau sah. Er hätte Barbara gern etwas Besseres geboten.
Wie es aussah, würde das noch eine Weile dauern. Sie konnten froh sein, wenn sie die Miete für die Wohnung hier aufbrachten und nicht in einen Slum abgedrängt wurden.
Ted hatte sich in der Tankstelle gewaschen und umgezogen. Doch die Schwellungen und Schrammen in seinem Gesicht, besonders die Schramme vom Siegelring, konnte er damit nicht wegbringen.
Barbara schnupperte an seinem Atem und stellte erfreut fest, dass Ted nicht getrunken hatte. Ted hatte als Jugendlicher Dummheiten begangen. Erst die Army und dann die Ehe hatten aus ihm einen anderen Menschen werden lassen. Jetzt wollte er um jeden Preis ehrlich bleiben.
Barbara war schwarz, dreiundzwanzig Jahre alt und zierlich. Sie hatte Krankenschwester gelernt, aber Ted wollte nicht, dass sie sich bei dem Job verschliss. Barbara trug das Haar zu Rasta-Zöpfchen zusammengebunden mit Schleifchen und Clips darin. Es sah lustig aus.
Ihr Leib trat unter der Kittelschürze weit hervor. Barbara war im achten Monat. In sechs Wochen sollte ihr Kind zur Welt kommen.
Die Wohnung war nett eingerichtet, nicht teuer. Ein würziger Geruch nach Irish Stew, das auf dem Herd brutzelte, durchzog die Räume. Ted sah die Wiege und die Babysachen, die Barbara bereits für den zu erwartenden Nachwuchs eingekauft hatte, im Wohnzimmer.
Er ließ sich in einen Sessel fallen, stützte das Kinn auf die Hand und starrte vor sich hin. Barbara setzte sich auf die Sessellehne und strich ihrem Mann übers Haar.
»Was ist geschehen? Hast du dich hinreißen lassen? Hattest du Streit?«
»Ich muss dir etwas gestehen, Babs. Mit der Firma läuft es nicht so, wie es sollte. Ich weiß nicht mehr, wo ich die Raten für den Bankkredit hernehmen soll. Bisher habe ich dir das verschwiegen, aber ...«
Barbara unterbrach ihren Mann.
»Das weiß ich doch längst. Denkst du, ich merke nicht, wie du dich sorgst und quälst? Da wäre ich eine schlechte Ehefrau. Außerdem habe ich Augen im Kopf und sehe, was du an Arbeit hast, wenn ich zur Tankstelle komme. Und unsere Nachbarn tuscheln und reden. Ich bin schon mehrmals durch die Blume und auch offen gefragt worden, ob wir den Betrieb nicht bald aufgeben wollen.«
»Das hast du gewusst?«
Ted war verblüfft. Dabei hätte er es sich an den Fingern abzählen können, denn Barbara war nicht dumm.
»Du wirst schon einen Ausweg finden«, sagte Barbara und schmiegte sich zärtlich und vertrauensvoll an ihren Mann. »Wenn es gar nicht anders möglich ist, suchst du dir eben wieder einen Job als Arbeitnehmer. Und ich arbeite mit, sobald es möglich ist.« Sie legte die Hand auf den Leib. »Gleich wird es allerdings nicht gehen. Jetzt erzähl mir bitte, was heute geschehen ist. Sei ehrlich.«
Ted tat es gut, sich mitteilen zu können. Er verschwieg nichts.
»Der fette Gangster hätte dich erschießen können!«, rief Barbara entsetzt. »Was wäre dann gewesen? Du musst sofort zur Polizei gehen und die beiden anzeigen.«
Ted schüttelte den Kopf. In solchen Dingen kannte er sich besser aus als seine Frau.
»Die Polizei kann mich nicht schützen. Vor allem aber geht es um dich und unser Kind. Wenn ich Anzeige erstatte, steht Aussage gegen Aussage. Angenommen, ich tue es. Dann behaupten die Kerle, ich würde lügen. Und sie werden sich rächen.«
»Zu ermitteln wären sie aber?«
»Ja, das glaube ich schon. Ich habe mir die Autonummer gemerkt und kann die Kerle beschreiben. Das sind keine Unschuldslämmer. Ich wette, die stehen im Verbrecheralbum.«
»Sie haben dich niedergeschlagen.«
»Und? Das würden sie als einen Streit aus einem ganz anderen Grund hinstellen. Außerdem habe ich den ersten Schlag geführt.«
»Aber die Polizei muss dich doch beschützen.«
»Wie denn? Sollen sie den ganzen Tag einen Bewacher für dich und einen für mich abstellen? Und was sollte er ausrichten, wenn jemand aus der Ferne mit einem Gewehr oder aus einem fahrenden Auto schießt? Es ist unmöglich, ständig auf uns aufzupassen. Außerdem erhält man wegen eines Wortwechsels und Drohungen, die ich nicht mal beweisen kann, nicht gleich Polizeischutz.«
Barbara erkannte, dass Ted Recht hatte.
Kleinlaut fragte sie: »Diese Gangster können dich doch nicht dazu zwingen, für sie zu arbeiten, wenn du nicht willst? Oder hast du das vielleicht vor, um deine geschäftlichen Probleme zu bereinigen?«
»Nein. Für mich ist das nichts. Wer einmal ins Netz des Verbrechens verstrickt ist, verwickelt sich immer tiefer. Das ist meine Überzeugung. Ich habe es oft genug bei anderen erlebt. Als Jugendlicher war ich mal leichtsinnig und habe einer Straßenbande angehört. Aber das ist vorbei. Die Army, das Boxen und du haben mich gerettet. Ich will nicht mehr in diese Kreise zurück. Von meinen damaligen Freunden sind zwei tot, fünf im Zuchthaus, und zwei sind hoffnungslos als Junkies gestrandet. Einer ist eine große Nummer im Syndikat geworden. Aber mit dem möchte ich auch nicht tauschen.«
»Vielleicht kann er dir die Gangster vom Hals schaffen, die uns unter Druck setzen. Um der alten Zeiten willen.«
Ted erstickte Barbaras jähe Hoffnung.
»Wiley tut nichts umsonst, die alten Zeiten interessieren ihn einen Dreck. Diese Leute verlangen immer etwas, wenn sie sich für dich einsetzen. Ich würde vom Regen in die Traufe geraten.«
»Dann lass uns die Tankstelle abgeben. Stoß sie ab, dann bist du alle Probleme los. Du wirst schon wieder Arbeit finden.«
»Das wäre vielleicht das beste, denn auf reelle Weise ist die Firma doch nicht zu halten«, meinte Ted zögernd.
Das Schrillen des Telefons ließ ihn zusammenschrecken. Er stand auf, ehe sich Barbara erheben konnte, ging in den Flur und hob ab.
»Hallo?«
»Bist du das, Nigger?« Ted erkannte die Stimme des Langen mit der Boxernase. »Hast du dir unser Angebot schon überlegt?«
»Nein.«
»Dann beeil dich. Eine Nacht kannst du drüber schlafen, mehr aber nicht. Denk nicht etwa, du kannst uns ausbüxen. Der Boss ist gewohnt, dass man ihm gehorcht. Was er sich in den Kopf gesetzt hat, wird durchgesetzt, klar? Wenn wir uns erst mal von Nulpen wie dir auf der Nase herumtanzen lassen, können wir gleich einpacken. Wenn du deine Frau liebst und das Kind haben willst, parierst du. Außerdem ist es auch noch dein Vorteil, du Esel. Wie kann einer nur so halsstarrig sein?«
»Sind Sie jetzt fertig?«, fragte Ted und bemühte sich, seine Stimme neutral klingen zu lassen.
Barbara stand in der Tür. Sie konnte sich denken, wer da anrief.
»Fast, du Bastard, fast. Wenn du dich gegen uns stellst, wäre mir das ganz recht. Ich habe nicht vergessen, wie du mich niedergeschlagen hast. Dann rechne ich nämlich persönlich mir dir ab, Nigger, und nicht nur mit dir. Hast du mich verstanden?«
Das Hohngelächter des Hageren klang Ted noch in den Ohren, als der andere schon aufgelegt hatte. Ted krampfte die schwitzende Hand um den Hörer. Wilder, ohnmächtiger Zorn tobte in ihm.
In diesem Moment hatte er eine Idee und fasste bald darauf einen wahnwitzigen Plan.
*
Das hartnäckige Schrillen des Telefons weckte Bount Reiniger. Er drehte sich im Bett zur Seite, griff nach dem Hörer und meldete sich schlaftrunken.
June March flötete: »Guten Morgen, Chef! Die Vögel zwitschern, die Sonne scheint. Es ist ein herrlicher Tag.«
»Wenn man ausgeschlafen hat, sicher. Mir fehlen noch zwei bis drei Stunden dazu. Ich bin erst um drei Uhr ins Bett gestiegen.« Der Radiowecker zeigte 8.30 Uhr. June hatte um acht Uhr mit ihrer Arbeit begonnen. »Was gibt's denn?«
»Captain Rogers ist am Apparat. Ich stelle durch.«
»Wenn's sein muss.«
Toby Rogers' dröhnende Stimme klang ihm ins Ohr.
»Hallo, du alter Räuber. Was habe ich da gehört? Dir ist dein Auto geklaut worden? Das ist mal ein Ding. Also, ich finde das ...«
»Moment. Wenn du jetzt lustig sagst, ist unsere Freundschaft gekündigt. Du solltest mir besser einen Tipp geben, wie ich den Wagen zurückerhalte. Ich bin zwar gegen Diebstahl versichert, aber so einfach nehme ich das nicht hin. Die Autodiebe sollen noch merken, mit wem sie sich angelegt haben.«
»Mit einem, der gerade seinen Mercedes losgeworden ist«, witzelte Rogers. »Aber im Ernst. Es gibt einen Autoknackerring, der uns schon seit einer Weile einige Sorgen bereitet. Es handelt sich um eine Organisation, die auf Bestellung Autos stiehlt und über mehrere Werkstätten zum Umfrisieren und erstklassige Absatzmöglichkeiten verfügt. Der Boss ist uns unbekannt. Ich habe mit dem Fall zu tun, weil in meinem Bezirk ein Werkstattbesitzer umgebracht wurde, der sich nicht von der Bande einspannen lassen wollte. Aus den Aussagen seiner Witwe geht einwandfrei hervor, dass die Autoknacker hinter dem Mord stecken.«
»Hm. Eine böse Geschichte.«
»Du sagst es. Natürlich kann dein Mercedes auch von anderen gestohlen worden sein. Aber ich habe das Gefühl, dass die Organisation ihn sich krallte. Luxusautos, besonders ausländische, sind ihre Spezialität. Mit Kleinwagen geben die sich nicht ab. Du weißt ja wohl, wie hoch ein erstklassiger Mercedes neueren Baujahrs auf dem schwarzen Markt gehandelt wird.«
Das war Bount bekannt. Mercedes-Autos erfreuten sich in den USA schon seit Jahren großer Beliebtheit. Sie ließen sich auch gut nach Südamerika oder in arabische Länder verkaufen.
»Weißt du Näheres, Toby?«, fragte Bount. Er war jetzt hellwach. »Soll ich mal zu dir hinüberkommen?«
Hinüber hieß in dem Fall ins Police Headquarters in der Centre Street.
»Das kann nicht schaden. Wir gehen dann gleich zum Diebstahl- und Raubdezernat. Unsere Daten sind bisher allerdings dünn, das sage ich dir gleich. Das FBI ist auch nicht schlauer, was mich tröstet. Einen heißen Tipp gleich vorab: Der Dachverband der Kfz-Versicherungen verlangt händeringend eine schnelle Zerschlagung des Autoknackerrings, weil die Schadenssummen, für welche die Versicherer geradestehen müssen, enorme Beträge erreichen. Die Versicherungsleute sind bestimmt an der Mitwirkung eines tüchtigen Privatdetektivs interessiert. Vielleicht kennst du einen?«
Das war mal wieder Toby Rogers' Humor.
»Mal nachdenken. Sherlock Holmes. Nein, der ist schon verstorben. Nero Wolfe. Nein, der hat sich zur Ruhe gesetzt und. züchtet jetzt nur noch Orchideen. Philip Marlowe ist auch aus dem Rennen geschieden.«
»Das sind doch alles literarische Erfindungen, Bount.«
»Was? Was du nicht sagst? Darauf wäre ich nie gekommen. Ich bin in einer Stunde bei dir.«
Bount legte auf. Die Bilanz war ausgeglichen. Er hatte Captain Rogers genauso gefrotzelt wie der ihn. Bount stand auf und ließ die Rouleaus hochschnurren. Fünfzehn Minuten später betrat er sein Office im 14. Stock eines Hochhauses in Manhattan Midtown. June March saß in einem trägerlosen, duftigen Sommerkleid blond und beneidenswert frisch an ihrem Platz und hackte auf der Schreibmaschine herum.
Auf Bount wartete sein Frühstück, das June vom Cafe unten im Haus hatte hochschicken lassen.
»Du siehst reizend aus, June. Wie stellst du das bloß an?«
»Das ist angeboren, Chef.«
Bount verzog das Gesicht. Heute schienen alle Leute darauf aus zu sein, ihn mit geistreichen Antworten auf den Arm zu nehmen. Er frühstückte erst mal, sprach mit June über geschäftliche Dinge und erwähnte, dass er die von seinem Bekannten dringend gewünschten Gegenstände wieder herbeigeschafft hätte. Sie abzuholen war noch ein Kapitel für sich gewesen.
Bount hatte im Taxi durch die halbe Stadt fahren und dann mitten in der Nacht in einem verwahrlosten Bau mit tunnelartigen Fluren mühsam Langfinger-Eddys Apartment suchen müssen. Die Bewohner jenes Hauses legte keinen Wert darauf, ihre Namensschilder an die Tür zu hängen, und äußerten sich zu Fremden, besonders nachts, am liebsten gar nicht.
Entweder absichtlich oder aus Unüberlegtheit hatte sich Eddy nur vage geäußert. Seine so genannte Verlobte entpuppte sich als ein kratzbürstiger Besen, bei deren Bekanntschaft sich Bount fragte, wieso Eddy eifersüchtig war. Bis sie Bount in die Wohnung ließ und herausrückte, was er wollte, verging auch wieder Zeit.
Dann fand Bount kein Taxi in jener Gegend. So war es halb drei geworden, bis er endlich ins Bett kroch.
Jetzt rief er den Versicherungs-Dachverband an, erhielt einen Termin, fuhr zur Centre Street und nahm danach den Termin beim Verband wahr. Bount hatte bei Hertz einen Leihwagen geordert, einen 280 SE, weil er nun mal auf Mercedes eingeschworen. war. Der 280er verfügte über ein Autotelefon, Klimaanlage, getönte Scheiben, Diebstahlsicherung und Alarmanlage.
Bount rollte darin die Fifth Avenue entlang zur Südspitze von Manhattan, wo er mit seinen Ermittlungen bei der Witwe des ermordeten Werkstattbesitzers beginnen wollte. Er arbeitete im Auftrag des Dachverbands, was immerhin ein Erfolg war.
Die Witwe verweigerte ihm jede Auskunft. Die Frau hatte offenbar entsetzliche Angst.
Bount beschloss, seine Informationsquellen anzuzapfen, und suchte am Nachmittag alle möglichen und unmöglichen Leute auf. Den ersten heißen Tipp erhielt er von einem farbigen Zeitungsverkäufer.
»Mein Junge, der Phil, studiert am Technical College und will Elektronik-Ingenieur werden.« Verhaltener Stolz klang aus den Worten des Vaters. »Phil ist clever. Er weiß, wie schwer ich es habe, die Familie mit meinen paar Kröten durchzubringen. Deshalb ist er immer auf gutbezahlte Jobs aus, um uns nicht auf der Tasche zu liegen.«
Bount unterhielt sich in einem Stehcafé am Tompkins Square mit dem Zeitungsverkäufer. Merkwürdigerweise waren Zeitungsverkäufer und Friseure meist erstklassig informiert.
»Phil hat ein paar Mal Autos nach Kanada gefahren«, fuhr der Zeitungsverkäufer fort. »Teure Luxusschlitten. Wie er sagte, sind sie sicher nicht auf ehrliche Weise erworben worden. Phil hatte mit den Papieren an der Grenze nie Schwierigkeiten. Er hat das Auto jeweils in Toronto an einem bestimmten Platz an einen Mann übergeben, der ihm ein Kennwort nannte und eine halbe Dollarnote vorwies, die zu der Hälfte passte, die mein Boy hatte. Phil hatte sich dann zu verdrücken und kehrte mit dem Zug zurück. In zwei Fällen ist er mit einem ganzen Konvoi von über zwanzig Autos gefahren, die allerdings nicht alle den gleichen Grenzübergang nach Kanada benutzten.«
»So was nennt man Kurierfahrten«, sagte Bount. »Was erhielt Phil denn für eine Fahrt?«
»Dreihundert Dollar und die Spesen. Für einen Tag Autofahrt von New York nach Toronto und in der Nacht gleich wieder zurück, dass er also am nächsten Morgen schon wieder in New York war, ist das gutes Geld.«
»Aber kein ehrliches.«
»Das sagte Phil sich dann auch. Ihm wurde es zu mulmig bei der Sache. Deshalb steckte er diese Fahrten auf.«
»Wer hat sie vermittelt?«
»Da musst du schon Phil selber fragen.«
Der Zeitungsverkäufer nannte Bount die Adresse und erhielt einen Zwanziger. Bount bezahlte die geringe Zeche und verabschiedete sich.
Er traf Phil im Studentenwohnheim in Queens. Der junge Student war zunächst misstrauisch, taute aber schnell auf, als Bount sich auswies und ihm reinen Wein einschenkte. Phil Destry wusste, dass sein Vater Bount gelegentlich Informationen lieferte.
»Mein alter Herr ist eine zweibeinige Nachrichtenbörse«, sagte er lächelnd. »Hoffentlich bereitet ihm das nicht noch mal schweren Ärger. Das ist so ein Hobby von ihm. Er kennt eine Menge Leute und hört das Gras wachsen, noch bevor es gesät ist.«
»Jeder hat seine Steckenpferde. Also, Phil, wie war das mit deinen Kurierfahrten?«
»Ich bin durch einen anderen Studenten darauf gestoßen. Ein Kurierdienst in Greenwich Village vermittelte diese Fahrten.« Phil Destry nannte die genaue Adresse. »Das lief über einen Mann namens Wobbsley, einen unsympathischen Kerl mit einem Tick.«
»Wie äußerte sich der?«
»Alle paar Sekunden verzog Wobbsley krampfartig die linke Gesichtshälfte. Aber wenn Sie sich an ihn wenden, erwähnen Sie bitte nicht meinen Namen, Mister Reiniger. Ich bin raus aus dem Geschäft. Als ich durchblickte, wie unsauber es war, wurden meine Skrupel immer größer. Mein Kommilitone, von dem ich den Tipp hatte, meinte zwar, ich solle mich nicht so anstellen, ich fahre nur Autos und wisse von nichts. Aber ich sehe das anders.«
»Das ist in Ordnung, Phil. Bleib sauber. Heißen Dank für den Tipp. Dafür hast du bei mir was gut und kannst dich jederzeit an mich wenden. Okay?«
Bount streckte Phil die Hand hin. Der junge Mann schlug ein. Bount verließ das Wohnheim. Es war noch hell, als er über die Manhattan Bridge fuhr, und es fing eben erst an zu dämmern, als er in einem Hinterhof unweit des Washington Square im Herzen von Greenwich Village hielt. Der romantischste Stadtteil von Manhattan galt immer noch als Künstlerviertel und hatte ein besonderes Flair.
Auf dem Hinterhof, wo Bount ausstieg, merkte man allerdings nicht viel davon. Hier waren kleine Firmen angesiedelt. Teils buntbemalte Autos und Lieferwagen standen herum. Bount stieg aus, las die Firmenschilder und stellte fest, dass der Kurierdienst im ersten Stock eines der im Quadrat angeordneten Gebäude untergebracht war.
Oben brannte Licht. Bount drückte auf den Klingelknopf. Als sich nichts rührte, warf er Steinchen ans Fenster. Daraufhin wurde das Fenster aufgerissen. Ein Mann mit verlebtem Gesicht, papageienbunt angezogen und mit lang über den Kragen fallenden Haaren, schaute heraus.
Als Ausgleich für die Mähne hinten hatte der Bursche vorn eine Glatze. Phil Destrys Beschreibung nach erkannte Bount unschwer Wobbsley.
Ein Gesichtszucken, das Wobbsleys Miene zu einer Grimasse verzerrte, war die letzte Bestätigung.
»Was gibt's?«
»Ich habe eine dringende Neuigkeit.«
»Ach? Ich erwarte niemanden. Kommen Sie morgen früh wieder.«
Bount schaute sich um, legte die Hand an den Mund und wisperte, dass ihn der andere oben gerade noch hören konnte: »Es handelt sich um die Kurierfahrten nach Kanada.« Wobbsley stutzte. »Warum hat mich keiner angerufen?«, fragte er.
»Haben Sie schon mal was davon gehört, dass Telefone abgehört werden können? Lassen Sie mich jetzt endlich rein, oder soll ich die Nachrichten für Sie zum Fenster hochschreien?« »Moment, ich komme runter.« Bount stellte sich an die Tür. Wobbsley erschien rasch, schaute sich nach allen Seiten um, nachdem er aufgeschlossen hatte, und zog Bount in den Flur.
»Ist die Polizei hinter mir her?«, zischte er.
»Es besteht Gefahr«, antwortete Bount mehrdeutig. »Der Boss schickt mich.«
Wobbsley schaute Bount an, als ob er auf etwas warte. Bount deutete auf die Treppe. »Gehen wir hoch?« »Klar.«
Wobbsley ging vor Bount her und führte ihn durch einen Warteraum und ein Office mit zwei Schreibtischen, einem New Yorker Stadtplan und einer Karte der Ostküstenstaaten an der Wand sowie einer Termintafel in sein eigenes Office. Die anderen Arbeitsplätze waren aufgeräumt. Bount hatte den Eindruck, dass Wobbsley als einziger noch in der Firma war.
Wobbsley setzte sich hinter seinen unglaublich unordentlichen, mit Zigarrenasche gesprenkelten Schreibtisch. In dem Papierwust stand ein Homecomputer, in den Wobbsley Daten eingegeben hatte. Der Computer interessierte Bount sehr. Wenn er Glück hatte, waren darin Aufschlüsse über die Autoknacker-Organisation enthalten.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte Wobbsley förmlich. Sein Gesicht verzog sich wieder. Er gehörte schon von der Optik her zu jenen Typen, denen man nicht mal die Hand geben konnte, ohne hinterher Finger und Ringe nachzählen zu müssen, »Wo sind denn meine Zigarren?«
Wobbsley kramte auf dem Schreibtisch und wühlte in seinem Papierwust. Sein Office stank durchdringend nach altem und neuem Zigarrenrauch.
Bount setzte sich auf die Schreibtischkante.
»Ich habe ein wenig geblufft«, sagte er. »Ich weiß, dass Sie gutbezahlte Kurierfahrten nach Kanada organisieren. Dabei werden Luxusautos über die Grenze gebracht und in Toronto abgeliefert. Nun, ich brauche Geld und stelle mich als Kurier zur Verfügung. Ich bin zuverlässig, nicht vorbestraft – oder kaum jedenfalls! – und auch noch für andere Jobs geeignet, als Autos durch die Gegend zu fahren.«
»Was Sie nicht sagen. Wie war doch gleich Ihr Name?«
Wobbsley öffnete die Schreibtischschublade.
»John Welles«, nannte Bount einen falschen Namen.
»Ah, Mister Welles. Da sind ja auch meine Zigarren.« Wobbsley fasste in die Schublade, zog blitzschnell einen 32er Smith & Wesson hervor und richtete ihn auf Bount. »Hände hoch, keine falsche Bewegung!«, rief er triumphierend. »So leicht lasse ich mich nicht reinlegen. Damit hast du nicht gerechnet, Freundchen, was?«
Bount hatte damit gerechnet und wäre durchaus in der Lage gewesen, Wobbsley auf die Finger zu klopfen, bevor er den kleinen 32er heraushatte. Doch Bount verfolgte andere Pläne. Wenn sich Wobbsley in sicherer Position wähnte, würde er mehr preisgeben als unter Zwang.
Damit war das Risiko verbunden, dass Wobbsley die Waffe einsetzte. Bount stand scheinbar völlig verblüfft da und hob die Hände.
»Jetzt hast du mich reingelegt, Wobbsley.«
Wobbsley schwoll die Brust vor lauter Stolz. Er stand auf und gab sich grimmig und entschlossen, obwohl der Revolver in seiner Hand leicht zitterte, so aufgeregt war er. Der Tick verzerrte sein Gesicht und entblößte gelbliche Zähne.
»Ja, Donald Wobbsley ist keiner gewachsen. Wenn du auch nur verkehrt mit der Wimper zuckst, schieße ich dir ein paar Löcher in die Figur, Bursche, klar? Bleib ruhig stehen.«
Wobbsley trat hinterm Schreibtisch vor. Bount musste sich umdrehen. Wobbsley drückte ihm den Revolverlauf in den Rücken, was in der Haltung grundverkehrt war, und tastete Bount ab. Bount juckte es in den Fingern, herumzuwirbeln, Wobbsley mit einem Schlag den Revolver aus der Hand zu fegen und ihm beizubringen, was von ihm zu halten war.
Aber Bount beherrschte sich. Wobbsley musste am Drücker bleiben.
Er zog Bount die Automatic aus der Schulterhalfter, leerte ihm die Taschen und legte alles auf seinen Schreibtisch. Als er Bounts Lizenz, die in einem Lederetui steckte, anschaute, fielen ihm fast die Augen aus dem Kopf. Sein Gesicht zuckte heftig.
Bount hätte ihm den Revolver aus der Hand kicken können.
»D-d-du b-bist Privatdetektiv? D-d-du b-bist tatsächlich Bount Reiniger?«
Bount Reiniger stand natürlich nicht auf der Lizenz. Wobbsley musste in der Zeitung von Bount gelesen haben oder ihn aus anderen Quellen kennen.
»So ist es.«
»Teufel, da habe ich ja einen kapitalen Hecht erwischt.«
»In dir habe ich meinen Meister gefunden.«
Bounts Worte gaben Wobbsley weiteren Auftrieb.
»Was soll ich jetzt mit dir anfangen?«, fragte er mehr im Selbstgespräch.
»Wir müssen uns unterhalten, Wobbsley. Du kannst mich fesseln, damit du sicherer bist.«
Wobbsley schaute Bount misstrauisch an, nickte dann aber. Er befahl Bount, sich auf seinen Chefsessel zu setzen, und holte ein Stück Schnur, um ihm die Hände zu binden. Bount hielt die Hände auf den Rücken und spannte die Muskeln an, damit, wenn er sie erschlaffen ließ, Raum entstand. Außerdem drückte er gegen die Fesseln.
Wobbsley fesselte ihn. Doch Bount würde die Fesseln bald abgestreift haben. Wobbsley mochte gerissen sein, aber er war kein Gewaltverbrecher. Mit einfachen Dingen — wie jemanden in Schach zu halten oder zu fesseln – hatte er Probleme.
Einem wie ihm war Bount noch lange über. Wobbsley setzte sich nun auf die Schreibtischkante, holte zielsicher seine Zigarren unter dem Wust hervor und steckte sich eine ins Gesicht. Er ließ sein Feuerzeug aufflammen.
Mit dem Kraut, das er rauchte, konnte man Bakterien töten. Wobbsley ließ Bount in die Revolvermündung schauen.
»Nun?«, fragte er.
Bount berichtete wahrheitsgemäß vom Diebstahl seines Mercedes, von dem Auftrag, den er für die Versicherungs-Dachorganisation übernommen hatte, und einem Tipp, der ihn zu Wobbsley geführt hatte. Bount erfand einen Informanten, den es gar nicht gab, um den echten zu schützen.
Wobbsley schluckte die Lüge.
»Wie hast du gemerkt, dass mit mir etwas nicht stimmt?«, fragte Bount den Kerl zum Schluss seiner Geschichte.
»Ja«, brüstete sich Wobbsley, »uns legt keiner so leicht rein. Wir haben ein Kennwort innerhalb der Organisation, das jede Woche wechselt. Diese Woche lautet es Chicago. Im Zweifelsfall ist es anzubringen. Als du es nicht äußertest, wusste ich Bescheid.«
»Donnerwetter.« Bount tat, als ob dieses Verfahren wunder was sei. »Ihr seid aber auf Draht. Hat das der Boss persönlich ausgeheckt? Wer ist er? Ihr seid eine große Organisation.«
So dumm war Wobbsley nun doch nicht, Bount auf den Leim zu gehen und zu plaudern. Er griff zum Telefon und wählte eine achtstellige Nummer, die Bount sich einprägte.
Nach mehrmaligem Rufzeichen meldete sich jemand am anderen Ende.
»Hier ist Donald. Gib mir Ron, es ist dringend. Ja, das weiß ich. Beeil dich, verdammt, die Organisation ist in Gefahr.«
Es dauerte eine Weile. Wobbsley wurde immer ungeduldiger. Endlich war der Gewünschte am Apparat.
»Ron? Ich bin's, Don Wobbsley. Stell dir vor, wen ich hier habe.«
Wobbsley teilte stolz mit, wen er geschnappt hatte. Bount spitzte die Ohren, konnte aber nicht verstehen, was jener Ron am anderen Ende sagte. Einen Teil davon kombinierte sich Bount aus. dem zusammen, was er von Wobbsley hörte.
»Nein, das glaube ich nicht, dass ihm jemand gefolgt ist. Sonst hätte man nämlich schon eingegriffen. So toll ist das Schloss unten an der Tür nicht. Nein, sicher weiß ich nicht, dass er niemandem gesagt hat, dass er mich aufsucht. Mir gegenüber hat er es behauptet. Was heißt hier, in die Mangel genommen? Ich bin doch kein Metzger. Ich habe ihn vor der Mündung. Klar passe ich auf. Der ist mir sicher. Er ist gefesselt. Wenn er was versucht, knallt es, das weiß er. Das hättet ihr mir nicht zugetraut, was? Ihr denkt, der alte Wobbsley macht sich die Hosen voll, wenn's hart auf hart geht. Doch jetzt habe ich sogar den berühmten Bount Reiniger überlistet und gefangen genommen, vor dem die Unterwelt zittert. Okay, ich halte ihn fest, bis ihr hier seid. Aber beeilt euch. Nein, ich habe keine Angst, ich bin nur vorsichtig. Ihr quetscht ihn aus, und dann ...« Wobbsley sprach den Satz nicht zu Ende. Bount wusste auch so, was gemeint war: sein Tod. »Bis dann«, sagte Wobbsley und legte auf.
Wieder zeigte sich sein Tick, der viel heftiger und häufiger hervortrat, wenn er sich aufregte. Er fuchtelte Bount mit dem Schießeisen vor der Nase herum.
»In vierzig Minuten ist die rechte Hand vom Boss da. Du wolltest doch wissen, wer die führenden Köpfe der Organisation sind. Jetzt lernst du einen davon kennen. Du sollst dich nicht beklagen können.«
Wobbsley kicherte. Er fühlte sich ganz als Herr der Lage.
3.
Die Minuten verflossen langsam. Bount ließ Wobbsley in dem Glauben, ihn sicher in der Gewalt zu haben, und horchte ihn geschickt aus. Wobbsley lobte die Organisation und die Cleverness ihres Bosses über den grünen Klee.
»Uns werden die Cops und die G-men nie packen können«, sagte er überzeugt. »Du schon gar nicht, du kleiner Pinscher. Wir haben verschiedene Werkstätten bei der Hand, die uns die gestohlenen Autos umspritzen und anderweitig verändern. Die Motorblocknummer wird abgeschliffen, stattdessen wird die Nummer eines Schrottautos eingefügt. Für die Papiere haben wir eine todsichere Quelle. Sie sind besser als echte. Die Werkstätten wechseln wir öfter. Gerade jetzt ist wieder eine neue aufgetan worden, die eines gewissen Lyman in der Bronx. Auf diesen Lyman habe ich hingewiesen. Ein Kurier, der für mich fährt, erwähnte seine missliche Lage.«
Bount merkte sich den Namen Lyman und den Stadtteil. Wobbsley schwafelte weiter. Als zwanzig Minuten verstrichen waren, dachte Bount, dass es an der Zeit sei, ihn zu überwältigen.
Doch dazu war es zu spät. Von der Eingangstür zum Kurierdienst war ein Geräusch zu hören. Die Tür zum Vorzimmer war nur angelehnt, die zu Wobbsleys Office stand halb offen. Wobbsley drehte sich um.
Bount konnte nicht erkennen, wen er sah, als er zur Tür schritt und in den vorderen Raum schaute.
»Du bist schon da, Ron?«, hörte Bount Wobbsley erstaunt fragen.
Dann hob Wobbsley abwehrend die Rechte, riss den Mund auf, der Tick verzerrte sein Gesicht, und Wobbsley wich einen Schritt zurück. Das geschah ganz schnell.
Der Feuerstoß einer MPi ratterte. Wobbsley wurde voll getroffen, drei Schritte weit durch den Raum geschleudert und fiel über seinen unordentlichen Schreibtisch. Sein Gesicht blieb im Tod verzerrt.
Bount sah den Lebensfunken in seinen Augen erlöschen, noch bevor Wobbsley vom Schreibtisch rollte und mit schlenkernden Gliedern auf den Boden fiel.
Bount hatte seine Hände längst von Wobbsleys lächerlicher Fesselung befreit. Seine Automatic steckte in Wobbsleys Hosenbund. Bount sprang vom Sessel, duckte sich neben den Schreibtisch und drehte Wobbsley auf den Rücken, um an seine Waffe zu gelangen.
Da sprangen kurz nacheinander zwei mit Strumpfmasken getarnte Männer in den Raum. Der vordere war Wobbsleys Mörder. Er hielt die Thompson-MPi in den behandschuhten Fäusten. Die handliche Waffe mit dem Stummellauf rauchte noch.
Der Killer war lang und knochig. Ertrug einen abgewetzten Jeansanzug mit großen Nieten und Turnschuhe.
Sein Komplize, kleiner und vierschrötiger als er, hielt eine klobige Pistole mit beiden Fäusten und schwenkte sie herum auf der Suche nach einem Ziel.
Jetzt wird's heiß, dachte Bount. Die beiden wollten ihn umbringen. Auch der Vierschrötige hatte Handschuhe, um keine Fingerspuren zu hinterlassen. Er trug eine Bomberjacke, ausgebeulte Cordhosen und braune Lederschuhe.
Bount erfasste die Details innerhalb einer Sekunde. Noch hatten die Killer ihn nicht gesehen. Im nächsten Augenblick würde sich das ändern. Wobbsleys Revolver lag für Bount unerreichbar. An die Automatic konnte er auch nicht schnell genug heran.
Bount hatte nur eine Chance: Er fasste in den Papierwust auf Wobbsleys Schreibtisch und schleuderte den Killern Schriftstücke und die Tischlampe in einem Wirbel entgegen. Gleichzeitig wich er zurück, warf sich herum und hechtete, den Kopf mit dem rechten Arm schützend, aufs Fenster zu.
Es handelte sich um ein zweiflügeliges Fenster mit zwei gleich großen Scheiben. Für Bounts Schulterbreite war es ziemlich eng. Er sprang schräg und hoffte, schnell genug zu sein und nicht im Fenster hängenzubleiben.
Der lange Killer wich zurück und drückte ab. Er feuerte in den Papierwirbel hinein. Die 357er Auto Mag seines Komplizen donnerte zweimal, schlug ein großes Loch in einen Aktenschrank und löcherte den Chefsessel hinterm Schreibtisch.
Bount hörte die Garbe und die Schüsse. Die Kugeln pfiffen. Dann krachte und splitterte es. Bount schlug mit der rechten Schulter hart gegen den Fensterrahmen, wurde aber nicht aufgehalten und flog aus dem Fenster. Er sah in dem schlecht beleuchteten Hinterhof ein Autodach auf sich zurasen.
Glasscherben umtanzten Bount. Er knallte aufs Autodach, vollführte die Rolle vom Dach hinunter über die Kühlerhaube des Wagens, landete auf dem Pflaster und rollte sich weiter.
Er musste schnell sein, oder die Gangster erschossen ihn. Aus der Rolle gelangte er auf die Füße und raste im Zickzack über den Hof, ohne zu zögern.
Aus dem Fenster, durch das er gesprungen war, ertönte ein Ruf: »Da läuft er! Schieß!«
Wieder ratterte die MPi. Bount schlug Haken wie ein Hase. Er hörte Querschläger jaulen, als MPi-Projektile von den Pflastersteinen des Hofs abprallten, und spürte einen Schlag gegen den rechten Absatz.
Bount wusste noch nicht, ob er verletzt war. Er konnte weiterlaufen und brachte sich mit einem Hechtsprung hinter einem Dodge-Bus in Deckung. Gerade noch rechtzeitig. Die Auto Mag dröhnte.
Bount presste sich mit hämmerndem Herzen gegen den Lieferwagen. Er hatte keine Waffe und verfluchte seinen Leichtsinn, auf den Trick der Gangster hereingefallen zu sein. Jener Ron hatte genau gewusst, dass er in zwanzig Minuten bei dem Kurierdienst sein würde. Und er hatte bereits die Absicht gehabt, Wobbsley zu töten. Der Mann war zu einem Risiko geworden.
Er hatte Wobbsley und Bount mit seiner Zeitangabe von vierzig Minuten getäuscht.
Hätte ich bloß nicht so lange gewartet und Wobbsley früher überwältigt, sagte sich Bount. Dann lebte er jetzt noch, und es würde anders aussehen.
Doch mit hätte, wenn und wäre ließ sich nichts mehr ändern.
Bount war hinter dem Lieferwagen festgenagelt. Der Lange spähte aus dem Fenster, die MPi im Anschlag. Wenn Bount auch nur seine Nasenspitze zeigte, würde er schießen. Bount schaute sich um. Er konnte nicht weg. Der Killer war ungeduldig. »Wo bleibst du denn?«, rief er in den Hof hinunter seinem Komplizen zu. »Er ist noch da drüben. Erschieß ihn damit wir abhauen können.«
»Ja, ja«, ertönte die Antwort vom Hof.
Der Lange – Ron, die rechte Hand des Bosses – hatte seinen Komplizen hinuntergeschickt, während er selbst oben aufpasste. Ron löschte das Licht im Office, ohne vom Fenster wegzugehen. Er lauerte.
Bount wollte das Blut in den Adern gefrieren, als der Vierschrötige, die stählern glänzende Pistole vorgereckt, über den Hof ging.
Der Gangster war aufs Töten aus. Bount tastete nach seinem rechten Schuh. Dort hatte er vorhin den Schlag gespürt. Wie er jetzt feststellte, war der Fuß heil, bloß der Absatz fehlte. Eine Kugel hatte ihn weggefegt. Besser als die Ferse, dachte Bount. Er zog den Schuh aus, als der Vierschrötige sich näherte. Bount stand aufrecht mit dem Rücken gegen den Lieferwagen an dessen Heck. Er verschmolz mit dem Schatten.
Der Gangster war nur wenige Schritte von ihm entfernt. Er zögerte und wusste nicht genau, wo Bount sich befand. In einiger Entfernung ertönte eine Polizeisirene. Aber es würde noch ein paar Minuten dauern, bis die Cops eintrafen. Die Schüsse waren gehört worden. Doch es gab keine unmittelbaren Anwohner, die der Polizei genau mitteilen konnten, wo die Schüsse gefallen waren.
Auf die Polizei konnte sich Bount nicht verlassen. Bis sie eintraf, würde er tot sein, wenn er sich nicht selber half.
»Auf was wartest du denn, zum Teufel?«, fragte Ron vom Fenster.
Bount warf seinen Schuh auf die andere Seite hinüber, in den Zwischenraum zwischen der Mauer und einem parkenden Chevy Camaro. Der Vierschrötige hörte das Geräusch und drehte sich um. Seine Waffe schwenkte herum. Bount sprang hinter den Vierschrötigen, packte ihn, riss ihn herum und presste ihn an sich. Er drückte dem Kerl mit dem rechten Unterarm den Hals zu und rang mit ihm um die Pistole.
Der Vierschrötige diente Bount als lebende Deckung. Bount zerrte den Kerl, der sich heftig wehrte, zu dem Lieferwagen. Ron zielte mit der MPi aus dem Fenster.
Er zögerte. Doch dann geschah das, was Bount nicht erwartet hatte. Der Killer drückte skrupellos ab, als die Gegenwehr seines Komplizen, der sich gegen Bount stemmte, erlahmte.
Bount sah die Mündungsblitze der MPi und spürte, wie die Kugeln den Mann vor ihm trafen. Jetzt konnte Bount die Pistole an sich nehmen. Mit einem schnellen Sprung brachte er sich wieder in Deckung und duckte sich hinter den Lieferwagen.
Der Vierschrötige lag am Boden, rang nach Luft und stöhnte. Er streckte seinem Komplizen die Hand entgegen.
»Ron«, ächzte er, »bist du verrückt?«
Die Polizeisirene klang schon ganz in der Nähe. Ron legte an, und bevor Bount ihn hindern konnte, tötete er kaltblütig seinen Komplizen mit einem gezielten Schuss. Dann beharkte er den Lieferwagen. Bount war zu dessen Vorderteil gerobbt, legte die Auto Mag an und schoss auf den Killer, von dem er praktisch nur das Mündungsfeuer sah.
Ein Aufschrei ertönte. Bount konnte aber nicht unterscheiden, ob es sich um einen Schmerzensschrei oder einen Überraschungsruf handelte. Der Killer stellte einen Moment das Feuer ein. Dann schoss er wieder.
Bount musste zurückweichen, als Kugeln vor ihm aufs Pflaster und in den Lieferwagen hackten. Wieder jaulten zwei, drei Querschläger. Bount fürchtete schon, der Tank des Lieferwagens würde Feuer fangen und explodieren. Aber das geschah nicht.
Stattdessen sah er oben im Office des Kurierdienstes, nachdem der Killer sein Magazin leer geschossen hatte, das Licht eines Flämmchens zucken.
Bount kauerte beim Heck des Lieferwagens, die Pistole aufs Fenster gerichtet, und wartete.
Plötzlich knallte es oben. Eine feurige Lohe zuckte auf. Feuer spritzte aus dem Fenster und ergoss sich als brennender Regen über den Hof. Feurige Tropfen brannten auf dem Pflaster und auf geparkten Autos weiter.
Das Office aber war eine Flammenhölle. Feuerzungen loderten aus dem Fenster, schwarzer Rauch quoll hervor. Ron hatte einen Molotowcocktail gezündet und ins Office geworfen. Er musste ihn schon zu dem Zweck mitgebracht haben, damit einen Brand zu entfachen und die Spuren zu verwischen.
Bount huschte zu dem Vierschrötigen. Der Feuerschein geisterte über die schwarze Strumpfmaske und spiegelte sich in den weit aufgerissenen, starren Augen. Dem Gangster war nicht mehr zu helfen. Bount fasste in seine Taschen, fand zwei Reservemagazine für die Pistole, wechselte deren leergeschossenes Magazin, steckte das letzte Magazin ein und lief vor zum Haus.
Er wollte den zweifachen Mörder Ron fassen und war auf der Hut. Doch Ron zeigte sich nicht mehr. Die Tür unten war jetzt offen. Bount trat in den Hausflur, verzichtete auf Licht und schlich, die Pistole vorgereckt, mit dem Rücken an der Wand entlang vor zur Treppe.
Er lauschte. Irgendwo schlug eine Tür zu. Sonst war in dem verlassenen Gebäude kein Laut zu hören. Auf dem Hof rief jetzt ein Mann, ein anderer antwortete. Ron konnte es nicht sein. Es musste sich um Leute handeln, die herbeigeeilt waren, woher auch immer.
Bount eilte die Treppe hoch. Als er die Tür zum Kurierdienst öffnete, quollen ihm Hitze und Rauch entgegen. Ron war nicht mehr drinnen. Bount schaute sich um und eilte den Flur entlang. Er stieg die Treppe hoch, probierte an Türen und gelangte schließlich zu einem Ausgang, der aufs Dach führte. Von dort konnte man weiterflüchten.
Es gab zweifellos auch noch andere Fluchtwege, die Bount nicht kannte. Ron kannte die Umgebung zweifellos besser. Er war entwischt. Bount musste einsehen, dass es aussichtslos war, Ron auf eigene Faust verfolgen zu wollen. Er wusste nicht, wohin er sich wenden sollte.
Deshalb kehrte er in den Hof zurück, wo inzwischen die Polizei eingetroffen war. Er wies sich aus und erzählte seine Geschichte.
*
Um 22.25 Uhr waren die für den vierschrötigen Gangster tödlichen Schüsse gefallen. Bount blieb am Ort, bis die Mordkommission Manhattan South unter seinem Freund Captain Rogers eintraf. Ein Löschzug der Feuerwehr war in den Hof gefahren, ein anderer stand hinterm Haus. Der Feuerwehr fiel es schwer, den Brand zu bekämpfen, den Ron mit seinem Molotowcocktail entfacht hatte.
Zwei Etagen des Gebäudes, in dem sich der Kurierdienst befand, brannten aus. Es dauerte, bis Wobbsleys Leichnam geborgen werden konnte. Bount sagte inzwischen schon an Ort und Stelle im Kleinbus der Mordkommission aus, wo ein komplettes Minibüro mit Funktelefon, Tisch und Schreibmaschine eingerichtet war.
Die Experten der Mordkommission beschäftigten sich mit der Leiche des erschossenen Gangsters. Spuren wurden gesichert.
Bount sah zu, die Hände in den Taschen vergraben, wie man Wobbsleys sterbliche Überreste dann in einem Zinksarg wegtrug. Wenn es nach dem Willen Rons und des Vierschrötigen gegangen wäre, hätte er jetzt genauso ausgesehen.
Toby Rogers legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Die Fahndung nach dem Mörder geht weiter.« Bisher war Ron, obwohl man das Village abriegelte, nicht gefasst worden. Vermutlich hatte er den Sperrbezirk inzwischen verlassen. »Hier wird die Spurensicherung nichts mehr bringen.« Von den Räumen des Kurierdienstes waren nur noch eine Brandruine und qualmende Überreste übrig, in denen Feuerwehrleute in Asbestanzügen umherstapften. »Wir vernehmen Wobbsleys Mitarbeiter.«
Bount nickte und überlegte, ob er Rogers den Namen des Werkstattbesitzers Lyman nennen sollte, entschied sich aber dagegen. Bount wollte die heiße Spur selbst weiterverfolgen. Es trieb ihn dazu.
Diesen Ron wollte er greifen und hinter Schloss und Riegel bringen, damit der Richter ihn seiner gerechten Strafe überantwortete.
»Weißt du noch etwas?«
Bount schüttelte den Kopf.
»Du kannst nach Hause fahren. Wir bleiben in Verbindung. Wenn es Neuigkeiten gibt, rufe ich dich an.«
Bount wollte gerade zu seinem Auto gehen, das noch im Hof parkte und unbeschädigt war, als Rogers' Stellvertreter Toby Myers herbeieilte.
»Gerade ist der von seinem Komplizen erschossene Gangster anhand seiner Fingerabdrücke identifiziert worden.«
Die Prints waren per Bildfunk ans Police Headquarters durchgegeben worden.
Bount blieb stehen.
»Wer ist es?«, fragte Captain Rogers.
»Bert Shelter, einschlägig vorbestraft, Wohnsitz unbekannt. Shelter war ein Gangster, den man gegen entsprechende Bezahlung für schmutzige Jobs anwerben konnte.«
»Diesmal hat er sich von den falschen Leuten anwerben lassen«, brummte Rogers.
Bount merkte sich den Namen Bert Shelter und stieg in sein Auto.
*
Für Bount war es ein Kinderspiel herauszufinden, wo sich Ted Lymans Tankstelle und Werkstatt befanden. Er brauchte nur im Telefonbuch nachzusehen. Am anderen Morgen um 8.30 Uhr rollte er mit seinem Mercedes-Leihwagen zur Tankstelle. Ein junger Farbiger, der einzige Gehilfe, den Lyman sich leisten konnte, bediente die Zapfsäule.
»Volltanken«, sagte Bount. »Öl und Reifendruck prüfen. Schau auch mal nach der Waschanlage. Wo finde ich Mister Lyman?«
»In der Werkstatt da.« Der Boy deutete hin. Aufgeregt, weil er einen guten Kunden witterte, fragte er: »Wollen Sie Ihr Auto herbringen, Sir?«
»Es ist nicht mein Auto, sondern eins von Hertz.«
Bount betrat die Werkstatt. Die Hebebühne war noch gesenkt. Über ihr stand ein japanischer Kleinwagen, derart verrostet, dass Bount sich fragte, ob er das Hochheben aushalten würde, ohne auseinanderzufalten. Bount schaute über die Werkzeuge und Ersatzteile hin und betrachtete den einzigen Mann in der Werkstatt, der Ted Lyman sein musste.
Der kräftige Mulatte trug einen Overall und hatte die Ärmel hochgekrempelt. Sein Gesicht wirkte sympathisch.
»Hallo, Sir. Was kann ich für Sie tun?«
Bount trat näher.
»Chicago«, nannte er für alle Fälle das Losungswort. »Ich bin wegen des Autoknackerrings hier.«
Lyman starrte ihn an.
»Sind Sie der Mann, auf den ich warte?«, fragte er.
Bount nickte, weil er etwas erfahren wollte. Nach seiner Ansicht empfahl es sich, selbst möglichst wenig zu sagen, um sich nicht zu schnell zu verraten und sich möglichst viel erzählen zu lassen.
Diesmal war das kein gutes Verfahren.
Kaum dass Bount genickt hatte, sprang Lyman auf ihn zu und schwang die Fäuste. Bount blockte ab. Er stellte fest, dass er es mit einem hervorragenden Boxer zu tun hatte. Lyman war aber zu wütend.
Bount, der sich trotz seiner Überraschung nicht hatte überrumpeln lassen, brachte eine Rechte durch, die Lyman spürte. Seinem Gesicht nach zu urteilen, hatte er erst kürzlich eine Schlägerei gehabt, und sie schien ihm noch nicht zu genügen.
Bount ging in den Infight, klammerte, rang mit Lyman und stieß ihn zurück.
»Was soll das?«, fragte er barsch. »Bist du verrückt geworden?«
Lyman knirschte vor Zorn mit den Zähnen.
»Du bist also der Boss!«, fauchte er Bount an. »Du hast mir die Halunken geschickt. Du willst meine Frau umbringen lassen, obwohl sie hochschwanger ist, du verdammter Bastard! Aber du hast die Rechnung ohne Ted Lyman aufgestellt.«
»Du irrst dich. Ich bin kein Boss. Ich ...«
Lyman wollte nichts hören. Er ließ Bount nicht ausreden.
»Feig bist du auch noch, du Lump. Aber bei mir kannst du dich nicht herausreden. Du dachtest wohl, du hättest mich schon in der Tasche. Da hast du!«
Außer sich vor Zorn ergriff Lyman einen schweren Schraubenschlüssel und drang auf Bount ein, ohne ihm die Chance zu lassen, seine Pistole zu ziehen. Bount hätte ohnehin nicht danach gegriffen.
Er duckte sich unter Lymans Schlag weg, unterlief den Mann und trat ihm mit einem Judo-Fußfeger die Beine unterm Leib weg. Lyman krachte auf seinen Hosenboden. Bount entriss ihm den Schraubenschlüssel, wich zurück, bevor Lyman ihn packen konnte, und warf den Schraubenschlüssel in die Ecke. Es klirrte.
»Was soll der Unfug?«, fragte Bount. »Du hast was gegen die Kerle vom Autoknackerring?«
Lyman standen die Zornestränen in den Augen.
»Und wenn ihr mich noch so zusammenschlagt, ich arbeite nicht für euch!«, rief er. »Meine Frau schicke ich aufs Land. Ich gebe die Tankstelle, auf. Mit euch Gesindel will ich nichts zu tun haben. Ich lasse mich nicht zum Verbrecher zwingen.«
Bount erkannte, dass hier etwas anders lief, als er gedacht hatte.
Der schwarze Boy schaute zur Tür herein.
»Steh auf«, sagte Bount zu Lyman. Und zu dem Boy: »Geh wieder an die Arbeit. Dein Boss und ich haben nur eine Unterredung. Es ist alles in Ordnung.«
»Ruf nur die anderen herbei!«, rief Lyman Bount zu. Er wandte sich an seinen Tankwart: »Wie viele sind bei ihm?«
»Niemand, Ted, der Mister ist allein«, erwiderte der Junge verwirrt.
Lyman war aufgestanden und staunte. Als Bount den Jungen erneut wegschickte, nickte er verwirrt. Der Boy zuckte mit den Schultern und ging.
Bount holte seine Lizenz heraus und zeigte sie Lyman.
»Da! Ich schätze, wir verfolgen das gleiche Ziel. Ich hielt dich für einen Komplizen der Gangster und wollte dich aushorchen.«
Lyman schaute auf die Lizenz. Plötzlich lachte er laut, was den Boy, der draußen Bounts Wagen polierte und die Ohren spitzte, noch mehr verwunderte.
»Und ich habe dich für den Gangsterboss gehalten, Mann«, sagte Lyman. »Den habe ich nämlich zu einer Unterredung zu mir bestellt. Ich wollte dem Kerl die Zähne zeigen.«
»Darüber müssen wir uns näher unterhalten.«
Sie gingen in den engen Raum neben der Werkstatt. Dort hätte Lyman auf einem uralten, zerkratzten Schreibtisch eine Kaffeemaschine stehen, die er jetzt in Gang setzte. Er berichtete Bount von seinen Sorgen.
»Und da wolltest du dich mit dem Gangsterboss anlegen?«
»Ja.«
»Das ist sehr mutig gedacht von dir, hat aber wenig Aussicht auf Erfolg. Der Boss wird kaum bei dir erscheinen und sich verraten. Sollte er dich doch mal aufsuchen, dann bestimmt nicht allein. Wie hast du ihn denn herbestellt?«
»Na ja, ich bin angerufen worden, und da sagte ich, dass ich den Boss persönlich sehen und mit ihm verhandeln will.«
»Dann dürfte bald jemand aufkreuzen.« Bount hatte kaum ausgesprochen. als die Klingel das Anfahren eines Wagens zur Tankstelle meldete und ein Hupsignal ertönte.
»Verrate dich nicht«, zischte Bount. »Wenn es die Burschen sind, geh zum Schein auf ihre Wünsche ein. Wir arbeiten zusammen, um sie zu überführen. Nur ein paar Handlanger festzunehmen würde nichts nutzen. Wir brauchen den Kopf der Organisation, um sie zu sprengen. Verlass dich auf mich.«
Die Hupe ertönte wieder, ungeduldig und fordernd. Der Boy trat vom ins Tankstellengebäude und rief nach Lyman. Lyman schaute Bount in die Augen.
»Okay«, sagte er dann. »Ich riskiere es und richte mich nach Ihnen, Mister Reiniger.«
»Bount für dich. Sag dem Boy, er soll mich nicht erwähnen. Fahrt den Mercedes zur Seite. Erzähl den Kerlen, er gehöre jemandem von der Universität.«
Lyman nickte und ging nach vorn. Bount spähte aus der Tür. Er konnte übers Kassenpult weg durch die Fensterwand einen nagelneuen Cadillac Seville stehen sehen. Ein feister Mann. mit Sonnenbrille und handbemalter Krawatte war ausgestiegen und trommelte mit den Fingern ungeduldig auf die Kühlerhaube. Auf der anderen Seite des Caddys stand ein langhaariger blonder Muskelprotz.
Lyman flüsterte seinem Gehilfen rasch zu, wie er sich verhalten sollte, und gab Bount hinterm Rücken ein Zeichen, dass die Kerle draußen zu den Gangstern gehörten. Dann ging Lyman hinaus. Bount spähte weiter durch den Türspalt.
Der Feiste redete mit Lyman. Die beiden Gangster gingen mit Lyman ins Tankstellengebäude. Bount ließ die Tür angelehnt, schaute sich nach einem geeigneten Versteck um und tastete nach der Automatic unter der Jacke. Er hatte seine Ersatzwaffe eingesteckt. Die andere Waffe hatte er am Vortag bei dem Brand verloren.
Der Blonde konnte nicht der Doppelmörder Ron sein. Ron hatte eine andere Figur.
»Du bist doch allein, Lyman?«, fragte der Feiste misstrauisch.
Lyman versicherte das. Bount schlüpfte, von einem sechsten Sinn gewarnt, hinter das Regal mit Öldosen. Jemand öffnete die Tür. Bount hatte die Fingerspitzen am Griff der Automatic, hielt die Luft an und presste sich mit dem Rücken gegen die Wand.
Das Regal war flach. Bount machte sich so schmal wie möglich. Wenn sich der Bursche gründlich umschaute, musste er ihn entdecken. Bount hörte die Schritte des Mannes.
Dann sagte der Blonde – es war nicht die Stimme des Feisten: »Die Luft ist rein, Lloyd.«
Er zog die Tür hinter sich zu. Bount atmete auf, huschte lautlos zur Tür und lauschte. Er hörte, wie sich der feiste Lloyd mit Lyman unterhielt, der ihm brummig nachgab. Der Blonde sagte kein Wort. Er konnte nur ein Handlanger sein. Lloyd hingegen zählte zu den wichtigen Männern der Organisation.
Wie wichtig er war, würde Bount noch herausfinden.
»Keiner von uns kennt den obersten Boss«, erklärte Lloyd. »Er bleibt immer im Hintergrund. Entweder du spurst, oder deine Frau stirbt, Lyman. Gut, du bist also bereit, für uns zu arbeiten?«
»Was bleibt mir denn anderes übrig?«
»Manche muss man zu ihrem Glück zwingen, Mac.« Damit musste der Blonde gemeint sein. »Du wirst schon umdenken, wenn du das erste Geldscheinbündel in der Hand hältst, Lyman. Wie viele Autos kannst du hier in der Woche umspritzen?«
»Na ja, zehn, zwölf bestimmt. Wenn ich noch jemanden einstelle, auch mehr. Ich brauche aber auch Platz, um die Autos unterzubringen. Es fällt auf, wenn bei mir plötzlich sündteure Luxuskarossen stehen.«
»Das lass mal unsere Sorge sein. Hinten auf deinem Grundstück ist Platz, da schaut keiner so leicht nach. Errichte einen Zaun, und verbiete Unbefugten den Zutritt. Außerdem kannst du in der Nähe eine Halle zum Abstellen mieten. Das Geld dafür schießen wir dir vor. Hier hast du schon mal einen Vorschuss. Du sollst nicht leben wie ein Hund.«
Bount sah es nicht, doch er war sicher, dass der Feiste Lyman mit Gönnermiene Dollarscheine in die Hand drückte.
»Vorerst arbeitest du allein, Lyman. Wir wollen ausprobieren, wie es mit dir läuft. Später sehen wir weiter. Ich glaube, wir werden eine gute Zusammenarbeit haben. Verfall bloß nicht auf dumme Gedanken, zur Polizei gehen oder so. Ein Werkstattbesitzer in Manhattan drüben hat das getan. Vorige Woche ist er beerdigt worden.«
»Ihr habt ihn ermordet?«, fragte Lyman.
Er wollte, dass ein Geständnis erfolgte und Bount es horte. Doch Lloyd war zu clever, um sich festzulegen.
»Der Typ, Ridges hieß er, stand einer Kugel im Weg. Wer sie abfeuerte und auf wessen Befehl, kannst du mal raten. Wir sind uns einig?«
»Ja. Wann liefert ihr die ersten Autos?«
»Heute Abend. Zeit ist Geld, und der Dollar muss rollen. Den kleinen Scheißer, der bei dir arbeitet, jagst du zum Teufel. Entlass ihn noch heute. Er wird seinen Mund bestimmt nicht halten.«
»Bennie arbeitet von Anfang an bei mir. Außerdem kann ich nicht gleichzeitig die Autos umfrisieren und alle naselang gestört werden und Benzin zapfen und all das. Ich brauche einen Gehilfen.«
»Das ist kein Problem. Mac tut das. Ab siebzehn Uhr muss der Junge verschwunden sein.«
Lyman erhielt noch weitere Verhaltensmaßregeln. Lloyd fragte ihn nach dem Besitzer des 280 SE. Der Tankwart hatte Bounts Auto zur Seite gefahren. So fiel den Kerlen nicht auf, dass es sich um einen Leihwagen handelte, was nur ein Schildchen am Nummernschild verriet.
»Der Wagen gehört einem Professor von der Universität«, erwiderte Lyman. »Ich hoffe, ihn als Stammkunden zu gewinnen.«
»Jetzt brauchst du den Studentenverdummer nicht mehr. Halt dich an uns, und du wirst reich. Das wär's, Lyman. Und keine faulen Tricks, oder du stehst bald an einem Grab oder liegst selber drin.«
Bount hörte, wie ein Stuhl gerückt wurde. Die beiden Kerle verließen die Tankstelle. Bount hörte, wie der Caddy davonfuhr. Lyman öffnete die Tür zum Hinterzimmer.
»Bount? Die Halunken sind weg. Du kannst dich zeigen.«
»Besser nicht. Dieser Lloyd ist ein Giftpilz und mit allen schmutzigen Wassern gewaschen. Der fährt sicher in ein paar Minuten noch mal hier vorbei.«
Bount kannte seine Pappenheimer und blieb in der Werkstatt. Tatsächlich rollte der Caddy nach knapp zehn Minuten noch mal an. Er musste um die vier Ecken gefahren sein. Die Kerle beobachteten den Betrieb an der Tankstelle, verlangsamten das Tempo und fuhren gleich weiter. Hätte Bount vor der Tankstelle gestanden, wären sie misstrauisch geworden, denn wie ein Universitätsprofessor sah er keineswegs aus.
»Okay«, sagte Bount zu Lyman. »Die wären wir los. Jetzt wollen wir beraten, wie wir die Autoknackergang am besten auffliegen lassen. Dieser Mac soll dir natürlich auf die Finger sehen. Wir müssen uns heimlich treffen und in Verbindung bleiben.« »Was hast du vor?« »Wir stellen fest, welche Autos hier angeliefert werden, woher sie stammen und wer sie wieder abholt. Ich muss Lloyds vollen Namen erfahren und herausfinden, wer seine Komplizen sind. Wenn ich weiß, wer hinter der. Organisation steckt, und mir ein Großteil ihrer Mitarbeiter bekannt ist« schlagen wir zu.«
»Wer – wir? Wir beide?«
»Nein, Ted. Die Polizei oder das FBI und ich. Wenn alles so läuft, wie ich mir das vorstelle, geht die Organisation hoch wie eine Bombe.« »Und wenn nicht?« »Schick deine Frau auf jeden Fall Weg und in Sicherheit. Ich will dich zu nichts überreden. Wenn dir die Sache zu heiß ist, sieh zu, dass du aussteigen kannst. Vielleicht kann ich jemanden finden, der an deiner Stelle die Tankstelle und Werkstatt übernimmt.«
»Das würde auffallen. Außerdem ist es mein Betrieb, und ich will ihn behalten. Kriege ich für meine Unterstützung vom Staat Geld?«
»Ich denke schon. Ich kläre das ab. Das Gangstergeld kannst du nicht behalten, und niemand kann von dir verlangen, dass du umsonst arbeitest. Darüber hörst du noch heute von mir.«
»Wenn meine Arbeit bezahlt wird, tue ich es. Ich werde diesen Betrieb doch noch in die Höhe bringen, und wenn ich schuften muss wie ein Ross. Wenn die Autoknackergang erledigt ist und meine Mithilfe wird bekannt, ist das eine gute Werbung für mich. Dann werden sich auch andere Kunden einfinden.«
»Es wird einen Weg geben.« Obwohl Lyman keine Miene verzog, musste er an den Werkstattbesitzer in Manhattan denken. Würde er dessen Schicksal teilen?
*
Zum Mittagessen suchte Ted Lyman seine Wohnung auf. Er brauchte nicht mal zehn Minuten zu Fuß dahin, Barbara fragte ihn, was geschehen wäre. Ted erzählte es unumwunden.
»Ich vertraue Bount Reiniger. Außerdem kann ich mich nicht immer ducken und weglaufen. Ich muss da durch. Man muss gegen solche Lumpen angehen und darf nicht vor ihnen kneifen oder sich ihnen unterwerfen.«
»O ja, es gibt viele gute Gründe für deine Handlungsweise, Ted, hehre und edle. Es gibt aber auch den triftigsten Grund von allen, der dagegen spricht.«
»Und der wäre?« »Das Risiko ist zu groß. Cops, G-men und auch Privatdetektive wie dieser Bount Reiniger werden dafür bezahlt, dass sie sich mit Verbrechern herumschlagen und Kopf und Kragen riskieren. Es ist ihr Beruf. Deiner nicht.«
»Mein Beruf ist es, Autos zu reparieren, auch zu verkaufen und Benzin zu verkaufen. Das wollte ich ja. Aber diese Bastarde mussten sich einmischen und mich unter Druck setzen. Wenn jeder so denken würde wie du, würde die Polizei bald auf verlorenem Posten stehen. Man muss das Gesetz und seine Vollzugsorgane unterstützen.« »Früher hast du nicht so gedacht.«
»Heute ist das anders. Du wirst auf jeden Fall in Sicherheit sein. Du reist umgehend zu deinem Bruder nach Ohio ab. Ich werde den Kerlen erklären, dass du eine Luftveränderung brauchst. Sonst würde das Kind geschädigt Du hättest was mit den Bronchien und könntest den Smog nicht vertragen. Mir wird schon was einfallen.«
Barbara strich Ted übers Haar und küsste ihn aufs Ohr.
»Nein, Darling, ich gehe nicht. Gerade jetzt brauchst du mich, ich lasse dich nicht im Stich. Außerdem müsstest du bei der vielen Arbeit, die du bald in der Werkstatt hast, auch noch den Haushalt führen. Wie willst du das anstellen?«
»Ich kann in der Tankstelle schlafen. Die Verpflegung ist kein Problem. Ich hole mir was bei McDonald's oder esse Fertiggerichte. Meine Klamotten kann ich zum Waschen geben.«
»Nein. Mein Entschluss steht fest. Ich bleibe.«
Ted verdrehte die Augen.
»Verstehe einer die Frauen. Gerade hast du gesagt, das Risiko wäre zu groß. Und jetzt weigerst du dich, ihm aus dem Weg zu gehen. Wie soll ich das bitte verstehen?«
»Wenn du hier bleibst und das Wagnis auf dich nimmst, stehe ich dir bei. Schließlich bist du mein Mann. Ich hätte anderswo keinen Augenblick Ruhe.«
Ted brachte weitere Argumente vor. Doch Barbara zeigte sich halsstarrig wie noch nie zuvor in ihrer Ehe. Ted gab es auf, ihren Sinn ändern zu wollen. Er schüttelte nur den Kopf.
»Jetzt nimm mich endlich in die Arme«, forderte Barbara. »Ich bin nämlich gar nicht so mutig, wie ich tue, und will, dass du mich festhältst.«
4.
Bount hatte eine Menge zu erledigen. Er fuhr zu seinem Büro in der Midtown zurück. June March, in einem pfirsichfarbenen Hosenanzug, mit Kringellöckchen und Modeschmuck zum Anbeißen anzusehen, war gerade damit beschäftigt, ihr Make-up aufzufrischen. Außerdem hatte sie ihre Fingernägel frisch lackiert und fächelte mit den roten Krallen in der Luft, damit der Lack trocknete.
Bount riss die Tür auf, eilte im Sturmschritt hinein und prallte zurück.
»Ha! Wer ist das denn?«
»Ich bin es, Chef. Ich war gestern Abend beim Friseur. Den Suit habe ich aus der Konkursmasse einer Boutique günstig erstanden.«
»Kein Wunder, dass der Laden pleite gegangen ist.«
»Aber das ist jetzt die Mode. Einmal am Tag lackiere ich mir die Nägel, ausgerechnet da erscheinst du. Die ganze Zeit hatte ich keine Verschnaufpause und habe noch nicht mal gefrühstückt.«
»Wer's glaubt, wird selig, War nicht so gemeint, June«, lenkte Bount gleich ein, als er die beleidigte Miene seiner tüchtigen Mitarbeiterin sah. »Hat sich der Mann gemeldet, dem ich die Geschäftsunterlagen, das Foto und den Brief wiederbeschaffte?«
Bount hatte June an dem Morgen noch nicht gesehen. Nach den Vorfällen in Greenwich Village hatte er nur kurz geschlafen und war dann schon wieder aufgebrochen, noch bevor June erschien, weil ihm der Fall keine Ruhe ließ.
»Ja, er hat alles abgeholt und sich überschwänglich bedankt. Er sagte, es ginge doch nichts über einen guten alten Freund. Er würde dich demnächst mal ins Steakhaus einladen und dann würdet ihr auf seine Kosten einen draufhauen.«
»Na, bestens. Schau in meinem Terminkalender nach, und gib ihm einen Termin in zwei, drei Jahren.«
Bount dachte an King und Kong, den Hageren mit dem Messer und die Meute, die mordlüstern hinter ihm her gewesen war. Gefälligkeitshalber hatte er mit einem Bein tief im Grab gestanden, als er den Job übernahm. Außerdem war ihm noch sein Mercedes gestohlen worden, und er hatte ein brandheißes Eisen angepackt.
»Ja«, sagte Bount gallig. »Es geht wirklich nichts über gute alte Freunde. Sie verschönen das Leben. June, ich brauche deine Hilfe. Hast du herausgefunden, wer die Telefonnummer hat, die ich dir hinterließ? Und weißt du was über Bert Shelter?«
Bount hatte June eine Bandnachricht hinterlassen und sie von unterwegs angerufen. Sie wusste, was im Village geschehen war. June war auf Zack und erledigte Bounts Aufträge, ohne dass er viel zu erklären brauchte. Sie dachte mit. Manchmal war sie schon fast zu clever, fand Bount, und vor allem zu kess.
»Natürlich, Chef. SW 54-4307 ist die Telefonnummer eines Buchmacherbüros drüben in Queens, in der Nähe der Aqueductrennbahn.« June nannte die genaue Adresse. »Es gehört einem gewissen Shimmy Watson, und es wird gemunkelt, er habe schon mal bei Schiebungen mitgemischt. Bert Shelter hat sich zuletzt in Brooklyn herumgetrieben. In den Bars an der Oceanside war er kein besonders beliebter Gast, weil er gern Streit suchte.«
»Gut gemacht. Woher weißt du das? Nicht mal Captain Rogers konnte bisher feststellen, wo Shelters letzte Jagdgründe waren.«
»Man hat so seine Quellen«, bemerkte June. Sie freute sich über das Lob ihres Chefs. »Über Donald Wobbsley weiß ich dagegen wenig. Er war natürlich vorbestraft. Geschieden, ein einsamer, seltsamer Mann, der für Gangster arbeitete und dessen Leben jäh und brutal endete.«
»Deswegen muss der Mord an ihm trotzdem gesühnt werden. Ron hat ihn kaltblütig und überlegt ausgelöscht, genau wie seinen Komplizen Shelter.« »Wozu brauchst du mich jetzt?«
Bount erklärte es June. Er hatte von Ted Lyman erfahren, wer die Häuser gegenüber von dessen Tankstelle verwaltete. June erklärte auf Bounts Frage, ob sie das auch schaffe, was er ihr auftrug, mit einem unbefangenen Augenaufschlag: »Kleine Fische. Wenn ein Mann für die Wohnungsvergabe zuständig ist, sowieso. Bei einer Frau wird es schwieriger, aber das traue ich mir auch zu.«
Als Bount wieder aufbrach, telefonierte June zunächst. Bald darauf verließ sie das Büro mit zwei Tragetaschen und einer länglichen Röhre. Eingehende Anrufe gingen auf den Anrufbeantworter, der bis zu drei Minuten Text speicherte. An die Tür hatte June ein Schild gehängt: »Vorübergehend verreist.«
Sie fuhr mit ihrem VW Rabbit, der auch schon bessere Tage gesehen hatte, in die Bronx und zur Tankstelle Lymans. Während der Boy den Rabbit auftankte, stellte sich June Lyman im Gebäude drinnen als Bount Reinigers Assistentin vor.
»Ich quartiere mich in dem Häuserblock drüben ein. Hier haben Sie ein Walkie-Talkie. Damit können Sie mich jederzeit auf Kanal neun anfunken. Wir wählen uns ein Kennwort, das täglich wechselt; Für heute lautet es ›Canarsie Street‹. Ich fotografiere alle verdächtigen Wagen und Personen per Teleobjektiv. Außerdem kann ich Gespräche belauschen.«
»Was? Quer über die Straße weg? Haben Sie so lange Ohren, Miss March?«, scherzte Lyman.
»Nein, aber ein Röhrenmikrophon. Man könnte hier auch Wanzen anbringen, aber das lassen wir besser.« Wanzen waren Minispione. »Sie sind nicht allein, Mister Lyman. Ich bin Tag und Nacht auf dem Posten und ziehe heute noch drüben ein.«
»Sie haben vielleicht ein Tempo drauf. Na, dann viel Erfolg und gute Zusammenarbeit. Ist das für eine hübsche junge Frau nicht ein zu gefährlicher Job, den Sie da haben, Miss March?«
»Das ganze Leben ist gefährlich. Mir gefällt meine Arbeit. Wird schon schief gehen, Ted. Du kannst mich June nennen und dir darauf etwas einbilden. Das gestatte ich nämlich nur, wenn mir jemand sympathisch ist. Übrigens, du erwähnst mich niemandem gegenüber, auch deiner Frau nicht. Wir müssen besonders vorsichtig sein, wenn dieser Mac erst hier herumschleicht, den dir der feiste Lloyd aufs Auge gedrückt hat. Jetzt darfst du mir noch ein Coke spendieren. Dann zische ich ab.«
Lyman blieb der Mund offen stehen. »Pass auf, dass dir keine Fliege hineinsummt.«
Lyman klappte den Mund zu, zog June das gewünschte Coke aus dem Automaten an der Wand und erhielt das Geld für die Benzinrechnung, die, er am Anzeiger ablas.
Als ein anderer Kunde eintrat, sagte Lyman: »Das muss am Verteiler liegen, Miss. Bringen Sie mir den Wagen Montag, dann repariere ich das und stelle den Verteiler neu ein.«
»Alles klar.«
Man konnte nie wissen. Der Kunde konnte ein Spion der Gangster sein. June gab dem Boy, der ihr gerade die Scheiben putzte, ein Trinkgeld und fuhr um den Häuserblock. Sie suchte die Verwaltung auf, wo es ihr tatsächlich auf Anhieb gelang, eine der beiden leerstehenden Wohnungen zur Straße hin zu mieten.
»Ich ziehe gleich ein«, sagte June.
»Aber das geht doch nicht, Miss«, protestierte der Verwalter. »Es muss erst renoviert werden. Außerdem ist der Strom abgestellt.«
»Darum kümmere ich mich. Denken Sie vielleicht, ich ziehe in ein sündteures Hotel? Mein Großvater war Sir Arthur March, ein waschechter Schotte. Er war so geizig, dass er achtundneunzig wurde, weil ihn die hohen Beerdigungskosten vorm Tod schreckten. Wenn seine Verwandten nicht einen Sarg zum Vorzugspreis erhalten hätten, würde er vielleicht heute noch leben. Aber so wollte er die gute Gelegenheit nutzen. Jetzt geben Sie mir bitte die Schlüssel.«
Auch dem Verwalter klappte der Mund auf. June erhielt die Schlüssel, klimperte damit und bezog die Wohnung. Bis die Con-Edison-Elektrizitätsgesellschaft ihr Strom lieferte, wollte sich June mit Kerzen behelfen.
Das erste Mobiliar in der Wohnung würde eine Luftmatratze sein. In der Wohnung stellte June fest, dass sie einen ausgezeichneten Blick auf die Einfahrt und den größten Teil der Tankstelle hatte. Sie konnte zufrieden sein. Methodisch packte sie das Röhren-Richtmikrophon, Kamera, Teleobjektive, Aufzeichnungsgerät und das Restlichtverstärker-Nachtsichtgerät aus.
Mit einem Spezialobjektiv konnte June auch bei Nacht scharfe Bilder schießen. Sie setzte die Geräte gekonnt in kurzer Zeit zusammen, überprüfte sie und stellte sie auf. Bount Reinigers Schule zahlte sich aus.
June sauste wie ein Wirbelwind aus der Wohnung, um zu ihrer eigenen Wohnung zu fahren und Gardinen und Stores zu besorgen. Wenn sie sich nämlich mit dem Röhrenmikrophon ans unverhüllte Fenster stellte, fiel das sofort auf. Aber auch dem ließ sich abhelfen.
Im Hausflur unten begegnete June dem Verwalter, den sie schwer beeindruckt hatte.
»Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann, sagen Sie es mir bloß, Miss. Es wird mir ein Vergnügen sein.«
»Sie sind ein Schatz, aber das ist nicht notwendig. Beim Möbeltragen und bei allem, was ich nicht schaffe, hilft mir mein großer Bruder Bount.«
»Ah ja. Wie schön, dass die Familie zusammenhält.«
*
Bount verfügte über gute Beziehungen zu den Behörden und erhielt vom Police Headquarters die Nachricht, auf wen der Cadillac Seville zugelassen war, den der feiste Lloyd gefahren hatte. Es handelte sich um den Autosalon Smith & Sons in der Bridge Street an der Südspitze von Manhattan. Bount fuhr zu dem Autosalon, einem kleinen Unternehmen mit nur einem Schaufenster.
Exoten und US-Autos standen im Schauraum, blitzblank geputzt und bereit zum Einsteigen. Von ihren Bodenmatten hätte man essen können, so sauber waren sie. Bount betrat den Salon und wandte sich zum Verkaufspult.
Ein geschniegelter junger Mensch war damit beschäftigt, mit einer jungen Lady – sie trug Jackett, imitierte weiße Seidenkrawatte und silbernes Namensschild auf der Brust – zu flirten. Es musste sich um einen Autoverkäufer und eine Angestellte handeln.
Der Verkäufer, gestört, weil er sein Rendezvous noch nicht hatte vereinbaren können, sah in Bount einen potentiellen Kunden und versuchte es mit Keep smiling.
Er stellte sich vor.
»Was kann ich für Sie tun, Sir? Beim Autohaus Smith & Sons sind Sie bestens bedient.«
Bount zog ein wütendes Gesicht und schnaubte: »Eine Schweinerei ist das! Ich will sofort den Lumpen sprechen, der mir die Schramme in den Lack gefahren hat und dann frech abgehauen ist.« Bount nannte die Nummer des Caddy Seville, den er bei Lymans Tankstelle gesehen und dessen Auftauchen Lyman schon am Vorabend erwähnt hatte. »Ein feister Kerl mit einer dicken Zigarre saß am Steuer. Den neben ihm habe ich nicht genau gesehen. Aber ich habe mich erkundigt und weiß, dass es sich um einen Ihrer Wagen handelt: einen stratosilbernen Caddy Seville.«
Der Verkäufer schaute die Krawattenlady an. Sie telefonierte.
»Es handelt sich um eins unserer Fahrzeuge, Sir«, bestätigte sie dann.
Der Verkäufer wollte wissen, wo das mit der Schramme geschehen sei. Bount erzählte eine Story, am Central Park West. Er habe von weitem den Caddy aus der Parkbucht neben der seinen ausfahren sehen und dann, als er bei seinem Auto gewesen sei, die Schramme entdeckt.
»Da war der Kerl aber schon weg. Er trug eine handbemalte Krawatte, von der man farbenblind werden konnte. So einen Typ gibt es so leicht nicht wieder. Sie müssen ihn kennen.«
»Bedaure, hier im Haus ist der Gent jedenfalls nicht angestellt«, behauptete der Verkäufer, ohne mit der Wimper zu zucken. Bount behielt ihn und die Angestellte scharf im Auge. Die Pupillen der Krawattenlady zuckten, und es hatte den Anschein, als wolle sie etwas sagen. Aber dann schwieg sie. »Vermutlich hat es sich um einen Interessenten gehandelt, der mit dem Wagen eine Probefahrt unternahm«, fuhr der Verkäufer aalglatt fort. »Mein Kollege ist unterwegs, ich habe nicht mit dem Herrn verhandelt, den Sie mir beschrieben. Wir sind vollkaskoversichert. Wenn Sie mir die Schramme zeigen, werde ich dafür sorgen, dass Sie entschädigt werden. Vielleicht können wir uns auch direkt einigen, ohne die Versicherung zu bemühen, wenn der Schaden nicht zu groß ist.«
Der Verkäufer ließ ein Banknotenbündel sehen. Bount spielte weiter den Wütenden.
»Ach, die Schramme ist nicht so schlimm. Nur ein kleiner Kratzer. Aber ich kann auf den Tod nicht ausstehen, wenn jemand mein Auto beschädigt und dann einfach davonfährt. Der Kerl muss das gemerkt haben, Zumindest hätte er nachsehen und seine Adresse hinterlassen müssen, wenn er den Schaden bemerkte. Man darf solchen Burschen so was nicht durchgehen lassen. Ich will mit dem Mann sprechen, oder ich gehe zur Polizei.«
»Wir wissen von nichts. Unsere Kunden sind uns heilig. Die Probefahrt geht auf Risiko des Hauses. Entweder vergleichen Sie sich mit uns, oder Sie lassen es.«
Bount sah, dass er so nicht weitergelangte.
»Das wird sich noch herausstellen«, sagte er und trat den Rückzug an. »Sie hören von mir. Ich werde diesen Kunden schon finden.«
Bount verließ den Autosalon. Sein Mercedes stand um die Ecke. Er stieg ein und fuhr zur Chamber of Commerce, wo er sich erkundigte, wer der Inhaber des Autosalons Smith & Sons war. Es handelte sich um einen gewissen Lloyd Horowicz, 48 Jahre alt, weiß, US-Amerikaner.
Nachdem er so viel wusste, verließ Bount die Handelskammer und rief gleich übers Autotelefon bei Smith & Sons an.
»Baxter«, sagte er mit verstellter Stimme. »Ist Mister Horowicz da? Nein? Es handelt sich um den Lotus. Sie kennen den Vorgang?« Bount wurde weiterverbunden. Natürlich wusste niemand etwas. »Das ist aber seltsam«, sagte Bount. »Natürlich kenne ich Mister Horowicz persönlich. Ein untersetzter, fülliger Herr um die Fünfzig, Zigarrenraucher und mit einer Vorliebe für ausgefallene Krawatten. Das ist er doch, oder? Na, sehen Sie. Nein, ich melde mich wieder. Wann, sagten Sie, wird er zurück sein? Danke.«
Bount legte den Hörer auf und zündete sich eine Zigarette an. Na also, dachte er. Er kannte jetzt Horowicz und die Firma Smith & Sons.
Beides waren feste Anhaltspunkte in diesem Fall.
*
Als nächstes fuhr Bount zum Police Headquarters, wo er Captain Rogers traf. Mit Rogers zusammen suchte er den Commissioner auf, den Polizeichef von New York City. Dieser höchste Beamte hörte sich Bounts Geschichte an, besonders was Ted Lyman und seine Unterstützung betraf.
Captain Rogers legte sich für seinen Freund Bount Reiniger und den ihm unbekannten Lyman ins Zeug.
»Sie wollen doch Ergebnisse im Kampf gegen die organisierte Kriminalität vorweisen, Sir«, sagte er zu dem untersetzten, weißhaarigen, bebrillten Commissioner. »Wenn es gelingt, den Autoknackerring zu sprengen, ist das ein erstklassiges Ergebnis. Ihre Wiederwahl steht doch bald bevor.«
Den Posten des Commissioner hatte der Stadtrat zu besetzen. Es handelte sich um einen politischen Beamten, der nicht unbedingt aus dem Polizeidienst zu stammen brauchte.
»Der Erfolg zählt«, fuhr Toby Rogers fort. »Bount Reiniger ist uns allen ein Begriff. Wenn er sich für diesen Lyman verbürgt, ist das in Ordnung. Ich habe mir Lymans Akte angesehen. Der Mann hat zwei Jugendstrafen, doch er erhielt auch eine Tapferkeitsmedaille von der Armee und ist seit Jahren unbescholten. Ich denke, dass wir uns auf ihn verlassen können. Bount sollte den Kontakt mit ihm halten, denn zu viele Köche verderben den Brei. Je weniger Leute eingeweiht sind, umso besser.«
Der Commissioner gab nach einigem Überlegen sein, Okay.
»Dann werde ich mich mal mit dem FBI-Chef querschließen«, sagte er.
»Die G-men sind auch hinter den Autoknackern her, weil diese die gestohlenen Wagen über Staats- und Landesgrenzen weg verkaufen.«
Die Zusammenarbeit war damit gesichert. Nachdem Bount das Polizeihochhaus verlassen hatte, fuhr er nach Queens hinüber, wo er in der Nähe der Aqueduct-Rennbahn das Wettbüro Shimmy Watsons aufsuchte.
Weil an dem Tag kein Rennen stattfand, herrschte wenig Betrieb. Watsons Angestellte dösten hinter ihren Schreibtischen. Bount marschierte ohne große Umstände in Watsons Büro. Er öffnete die Tür mit der Milchglasscheibe, auf der in Goldbuchstaben Watsons Name stand.
Details
- Seiten
- Erscheinungsjahr
- 2022
- ISBN (ePUB)
- 9783738966800
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2022 (November)
- Schlagworte
- bount reiniger trichter york detectives sammelband krimis