Zusammenfassung
Irgendwie mutete ihn die Stimmung in der Stadt seltsam an. Nur wenige Leute zeigten sich auf den Bürgersteigen. In Wacos Unterbewusstsein begannen die Alarmglocken anzuschlagen. Die Stille, die über die Town lastete, verstärkte den Eindruck von Unheil und Gefahr. Es war wie die Ruhe vor dem Sturm.
Dann sah Waco einen Burschen an der Ecke der Futtermittelhandlung. Er lehnte lässig an der Wand und hatte die Daumen in den Revolvergurt gehakt. Ein zweiter stand beim Barber Shop. Ein dritter lungerte vor der City Hall herum. Sie starrten Waco an wie Wölfe, die ihre Beute gestellt hatten. Und Waco Jordan begriff, dass sie auf ihn warteten. Es war eine tödliche Falle, in die er ahnungslos geritten war ...
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© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
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Waco Jordan und die Stunde der Abrechnung: Pete Hackett Western Edition 72
Pete Hackett
Western von Pete Hackett
Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war – eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.
Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie „Texas-Marshal“ und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: „Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung.“
Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie „Der Kopfgeldjäger“. Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.
Ein CassiopeiaPress E-Book
© by Author www.Haberl-Peter.de
© der Digitalausgabe 2013 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Waco Jordan ritt mitten in der Main Street von Lincoln. Er kam von der Shining Star Ranch. Jetzt, zur Stunde des Sonnenuntergangs, kehrte er in die Stadt zurück, um Jacob Morgan im Marshal's Office abzulösen.
Irgendwie mutete ihn die Stimmung in der Stadt seltsam an. Nur wenige Leute zeigten sich auf den Bürgersteigen. In Wacos Unterbewusstsein begannen die Alarmglocken anzuschlagen. Die Stille, die über die Town lastete, verstärkte den Eindruck von Unheil und Gefahr. Es war wie die Ruhe vor dem Sturm.
Dann sah Waco einen Burschen an der Ecke der Futtermittelhandlung. Er lehnte lässig an der Wand und hatte die Daumen in den Revolvergurt gehakt. Ein zweiter stand beim Barber Shop. Ein dritter lungerte vor der City Hall herum. Sie starrten Waco an wie Wölfe, die ihre Beute gestellt hatten. Und Waco Jordan begriff, dass sie auf ihn warteten. Es war eine tödliche Falle, in die er ahnungslos geritten war ...
Waco zügelte den Braunen. Sein Blick sprang in die Runde. Er hatte die Lippen zusammengepresst und atmete hart durch die Nase. Hinter ihm knirschte Staub unter Stiefelsohlen. Er drehte den Kopf und sah einen vierten Mann aus der Gasse neben der Sattlerei treten. Er trug einen langen Staubmantel. Der Mister hatte den Hut tief in die Stirn gezogen. Seine Augen lagen im Schatten der Hutkrempe. Seine Arme pendelten locker von den Schultern.
Ein fünfter Mann löste sich aus dem Schatten eines Hauses rechter Hand von Waco. Er trug ein Gewehr.
Unter Waco stampfte das Pferd. Es prustete erregt, als übertrüge sich die jähe Spannung, die Waco Jordan befiel, auf das Tier. Ja, Waco stand unter einer fast schmerzlichen Anspannung. Es sah schlecht für ihn aus. Es war ein teuflisches Spiel, und er hielt die absolute Verliererkarte in der Hand.
Eine Reihe von Fragen zog durch Wacos Gehirnwindungen. Ihn befiel die düstere Ahnung, dass wieder einmal Stan Stryker für blutige Abwechslung und Unterhaltung in Lincoln sorgte. Unwillkürlich löste sich Wacos Rechte vom Zügel und schob sich in die Nähe des Revolverknaufs. Er war bereit, seine Haut so teuer wie nur möglich zu verkaufen.
Der Bursche im langen Staubmantel, der bei der Sattlerei gewartet hatte, hielt an. Er schob den Schoß des Mantels nach hinten, so dass der Coltgriff freilag. "Heh, Jordan!", kam es barsch über seine schmalen Lippen.
Waco wendete das Pferd. Er hatte jetzt drei der Kerle im Rücken, der vierte befand sich links von ihm in der Passage zwischen zwei Gebäuden. Waco zwang sich zur Ruhe. Die Situation war heikel und er war absolut im Nachteil. "Yeah", dehnte er. Er konnte von dem Burschen im Staubmantel nur die untere Hälfte des Gesichts sehen. Es war ein schmales, kantiges Gesicht mit tagealten Bartstoppeln. Um den Mund lag ein brutaler und gnadenloser Zug. Waco fing an, in seiner Erinnerung zu kramen. Er kam zu dem Schluss, dass er den Mann nie vorher im Leben gesehen hatte. Und er fragte sich, weshalb Jacob nicht mit seiner Greener auf dem Vorbau des Marshal's Office erschien.
"Mein Name ist Anderson", klirrte das Organ des Misters. "Tom Anderson."
"Schön, Anderson", rief Waco. "Ich kenne dich nicht. Was willst du?" Er schätzte die Distanz zu Anderson. Es waren etwa 15 Schritte. Am gefährlichsten wurde ihm der Bursche mit der Winchester. Es war der Kerl links von ihm am Fahrbahnrand.
"Nach was sieht das wohl aus?", fragte Anderson. "Wir sind vor einer Stunde in Lincoln angekommen. Solltest du dich fragen, weshalb dein Deputy nicht erscheint, dann lass dir sagen, dass den ein weiterer Freund von mir in Schach hält. Du bist also völlig allein."
Wie zur Bestätigung seiner Worte wurde die Tür des Marshal's Office aufzogen. Ein sechster Mann trat auf den Vorbau. Er grinste hämisch und rief: "Ich hab den alten Knochen in den Jail gesperrt. Er keift und schimpft, und wenn er so weitermacht, wird ihm bald die Luft ausgehen."
Ein eisiger Schauer rann Waco den Rücken hinunter. Dumpfer Druck senkte sich in seine Eingeweide. Die Lage war für ihn so gut wie aussichtslos. Aber gerade diese Ausweglosigkeit nahm jede Furcht von ihm. Seine Stimme klang ruhig, als er sagte: "Okay, Anderson. Es bedarf wohl keiner weiteren Worte. Worauf wartest du? Bringen wir es hinter uns." Seine Fingerkuppen berührten das glatte Leder des Holsters.
"Ja." Anderson nickte. "Wozu lange reden. Farewell, Waco Jordan!"
Er zog. Es war ein sauberer, glatter Zug, eine huschende Bewegung seiner Hand. Der Colt flirrte aus dem Holster, die Mündung stach ins Ziel ...
Linker Hand von Waco wurde die Winchester durchgeladen.
Waco zauberte den Remington geradezu heraus. Gleichzeitig hämmerte er dem Braunen die Fersen in die Seiten und zerrte mit der Linken an den Zügeln. Das erschreckte Tier machte aus dem Stand einen Satz nach halblinks. Waco warf sich aus dem Sattel. Staub schlug unter seinem Körper auseinander.
Die Waffen brüllten auf. Der Schussdonner vermischte sich zu einem explosionsartigen Knall, rollte durch die Stadt, sickerte zwischen die Gebäude und stieß hinaus in die Prärie, wo er in vielfachen Echos verhallte.
Waco lag bäuchlings im Straßenstaub. Er sah Tom Anderson zusammenbrechen. Der Mister mit der Winchester zu seiner Linken fiel, als hätte ihn ein Blitz getroffen, und blieb zusammengekrümmt auf der Seite liegen. Jener, der aus dem Marshal's Office getreten war, kippte über das Vorbaugeländer. Seine Arme baumelten schlaff nach unten. Sein Colt lag auf der Straße.
Aber da waren noch drei von dieser höllischen Sorte. Siedend durchfuhr durch Waco diese Erkenntnis. Er warf sich auf den Rücken. Weiter unten auf der Straße peitschte eine Winchester auf ...
Der Bursche bei der Futtermittelhandlung wurde gegen die Wand geschleudert und rutschte haltlos an ihr nach unten. Der beim Barber Shop gab noch einen Schnappschuss ab, dann suchte er das Weite. Derjenige, der vor der City Hall herumlungerte, war schon zwischen den Häusern verschwunden.
Dann trat wieder lastende Stille ein. Eine Stille, die sich aufs Gemüt legte und an den Nerven zerrte.
Waco war ziemlich perplex. Er hatte genau einmal geschossen. Seine Kugel fällte den Kerl im Staubmantel, diesen Tom Anderson.
Das Rätsel löste sich im nächsten Augenblick. Aus der Gasse, die zum Mietstall führte, trat Rocco, das Halbblut. Er hielt ein Gewehr im Hüftanschlag. Ein feiner Rauchfaden stieg noch aus der Mündung. Das dunkle Gesicht des jungen Stallburschen mutete maskenhaft starr an. In seinen dunklen Kreolenaugen flackerte ein heißes Feuer.
Waco erhob sich. Staub hing an seiner Kleidung, Staub klebte in seinem Gesicht. Er blickte Rocco entgegen. Der Junge ließ die Kerle, die er niedergeschossen hatte, nicht aus den Augen. Aber von keinem der Burschen ging noch Gefahr aus.
"Danke, Rocco", murmelte Waco, als das Halbblut bei ihm ankam. "Ohne dich hätte ich hier auf der Straße wohl heute meinen letzten Schnaufer gemacht."
"Sie kamen vor einer Stunde in die Stadt", sagte Rocco. "Ihre Gäule stellten sie bei mir unter. Sie stellten keine Fragen. Ich habe sie beobachtet. Die Schufte postierten sich auf der Straße und in den Gassen. Einer verschwand im Office. Da ahnte ich, was die Stunde geschlagen hatte und holte mein Gewehr."
Der Aufruhr der Gefühle in Waco legte sich. Während Rocco zu der reglosen Gestalt zwischen den Häusern schritt, beugte sich Waco über Tom Anderson. Anderson lag auf dem Bauch. Er atmete rasselnd. Waco drehte ihn auf den Rücken. Seine Kugel war Anderson in die Brust gefahren. Andersons Geschoss hingegen war über den leeren Sattel hinweggestrichen.
Andersons Lider zuckten. Mit verschleierten Augen schaute er zu Waco in die Höhe. Ob er ihn überhaupt wahrnahm, konnte Waco nicht erkennen. Waco kniete bei ihm ab. "Weshalb hast du diesen höllischen Reigen veranstaltet, Anderson?", fragte er und seine Stimme klang heiser.
Der Blick des Verwundeten schien sich für einen Moment aufzuklaren. Seine Lippen bewegten sich. Dann entrang es sich ihm: "Fahr zur Hölle, Jordan ..."
Mit dem letzten Wort auf den Lippen starb er.
Waco erhob sich. Langsam wandte er sich um. Die Menschen wagten sich wieder auf die Straße. Aus dem 'Lonesome Rider Saloon' drängten die Gäste und die Liebesdienerinnen. Stan Stryker allerdings und sein Gunslinger Corby ließen sich nicht blicken.
Die Neugierigen rotten sich auf der Main Street zusammen. Rocco trat wieder an Waco heran. "Die drei sind tot", murmelte er.
"Anderson ebenfalls", versetzte Waco und spürte einen galligen Geschmack in der Mundhöhle. Er stieß den Sechsschüsser ins Holster, ging zu seinem Pferd und nahm es am Kopfgeschirr. "Komm, sehen wir nach Jacob", fügte er dann hinzu.
Sie begaben sich zum Office. Waco leinte den Vierbeiner an. Dann gingen sie hinein. Das Gezeter des Oldtimers schallte ihnen durch die geschlossene Tür zum Zellentrakt entgegen. "... dann werde ich euch Schuften den Höllenmarsch blasen", hörten sie ihn keifen. Die Gitter schepperten, als Jacob wie wild daran rüttelte.
Als Waco die Tür öffnete, verstummte er schlagartig. Und als er Waco erkannte, japste er erst einmal nach Luft, dann krächzte er: "Dem Himmel sei Dank, Waco. Was waren das für Schufte. Der eine kam hereinspaziert, als könnte er kein Wässerchen trüben, und plötzlich schaute ich in die Mündung seines Sixshooters. Grundgütiger, ich dachte, die Welt geht unter da draußen, als es zu krachen begann."
"Für vier der Kerle ist sie untergegangen", knurrte Waco und schloss die Zelle auf. Jacob trat in den Gang vor den Käfigen. Er schaute verkniffen. "Hat der Bursche, der dich einsperrte, irgendetwas verlautbart?", fragte Waco. "Irgendetwas, das uns Aufschluss geben könnte, weshalb sie diesen höllischen Tanz veranstalteten?"
Jacob überlegte kurz. "Nein", meinte er dann kopfschüttelnd. "By Gosh, Waco, ich war chancenlos. Er trieb mich mit dem Eisen in die Zelle, sperrte ab und lauerte dann im Office. Schon gleich, nachdem ich ihn hinausgehen hörte, krachten die Waffen. – Hast du die Kerle allesamt in die Hölle geblasen?"
"Nur einen, Jacob", antwortete Waco. "Wenn mir Rocco einen Teil der anderen nicht abgenommen hätte, dann wären mir wohl schon Flügel gewachsen. Zwei der Schufte sind abgehauen."
Jacob legte dem jungen Halbblut die Hand auf die Schulter. "Junge", sagte er anerkennend, "du hast das Zeug, in meine Fußstapfen zu treten. Ja, das erinnert mich sehr an die Sache damals in Abilene, Texas, als ..."
Jacob brach ab, als Waco warnend den Zeigefinger ausstreckte. "Keine Storys mehr, Jacob!", stieß Waco hervor.
"Ja, ja, schon gut, schon gut", krächzte der Oldtimer. "Aber auch ich war einmal jung und draufgängerisch, und in Roccos Alter ..."
Über den Rio Bonito trieben Detonationen.
Wie dumpfes Donnergrollen wehten sie in die Stadt. Wacos Wirbelsäule versteifte. Er stand wie gelähmt, während der Schreck in langen, heißen Wogen durch seine Adern pulsierte. Dann wechselte er mit Rocco einen vielsagenden Blick. Das Herz drohte Waco in der Brust zu zerspringen.
Die Erstarrung fiel.
Waco stürmte nach draußen, leinte mit fliegenden Fingern sein Pferd los und warf sich in den Sattel. Er riss das Tier herum und trieb es mit einem Schenkeldruck an. In wilder Karriere sprengte er in Richtung des Rio Bonito ...
*
Die beiden Banditen Don Montgomery und Ken Barrett waren zu ihren Pferden gerannt, als säße ihnen der Leibhaftige im Nacken. Als sie in den Sätteln saßen, rief Montgomery: "Hölle, Ken, ich sah Tom, Jason und James fallen. Was ist mit Joe?"
"Der hängt über dem Vorbaugeländer des Marshal's Office", kam es rau aus Barretts Kehle. "Jemand hat mitgemischt. Wir haben die Sache zu sehr auf die leichte Schulter genommen."
"Okay", nickte Montgomery. "Für den Fall, dass Jordan unseren Kugeln entgeht, haben wir Plan B entwickelt. Komm. Sehen wir es einfach positiv. Die Gage von 3000 Dollar gehört jetzt uns beiden. Unser Anteil hat sich verdreifacht."
Sie gaben ihren Pferden die Sporen und ließen die Zügel schießen. Schon wenig später trieben sie ihre Pferde ins Ufergebüsch des Rio Bonito. Die Tiere scheuten vor dem Wasser, aber die Banditen zwangen sie hinein. Schon bald mussten die Pferde schwimmen. Jedes der Tiere teilte die Fluten mit seiner Brust wie der Bug eines Bootes. Sie wurden etwas abgetrieben, erreichten aber ohne nennenswerte Schwierigkeiten das andere Ufer. Dann jagten sie die Gäule die Uferböschung hinauf, brachen durch das Zweiggespinst und näherten sich der Shining Star Ranch von Süden.
Vor dem Haupthaus sprangen sie von den Pferden, zogen die Colts und stürmten hinein. In der Bar befanden sich Abel, einige leichtbekleidete Mädchen und eine Handvoll Freier.
Die beiden Ankömmlinge erregten Aufmerksamkeit, dann stellten sich Bestürzung und Erschrecken ein. Die angeschlagenen Colts waren schließlich nicht zu übersehen. Die harten Blicke der Kerle schweiften in die Runde. Sie sahen eine sehr schöne Blondine, die ein giftgrünes Korselett trug, dessen Ausschnitt viel von ihren üppigen Brüsten zeigte.
"Keiner rührt sich!", peitschte das Organ Don Montgomerys. Er ließ die Hand mit dem Colt über die Anwesenden pendeln. Ein Blick in die von Skrupellosigkeit und Lasterhaftigkeit geprägten Züge des Banditen mahnte jeden, den Befehl zu befolgen. Montgomery wies mit dem Kinn auf die blonde Schönheit. "Ken, nimm sie. Vorwärts, wir haben nicht viel Zeit."
Ken Barrett setzte sich in Bewegung, immer darauf bedacht, seinem Komplizen nicht vor das Schießeisen zu geraten.
Abel stand bleich und starr hinter der Theke. In seinem faltigen Gesicht zuckte kein Muskel. Er wagte nicht, nach der Winchester unter der Theke zu greifen. Nicht nur, dass er um sein eigenes Leben fürchtete; es war mehr die Tatsache, dass die beiden Kerle eine ausgesprochen tödliche Entschlossenheit verströmten. Und Abel hätte mit einer unbedachten Aktion auch das Leben der anderen Anwesenden gefährdet.
Barrett hatte die Blondine erreicht. In ihren tiefblauen Augen wob die Angst. Ihr Herz raste und jagte das Blut durch ihre Adern, die Furcht brachte es in Wallung. Ihre sinnlichen Lippen zuckten, ihre Nasenflügel bebten.
"Okay, Süße", knurrte der Outlaw, "wir drei machen jetzt einen kleinen Spazierritt. Vorwärts!"
Er packte das Girl am Arm und zerrte es zur Tür. Es wagte keinen Widerstand. Jeder bewusste Wille war lahmgelegt. Wie von Fäden gezogen setzte das Mädchen einen Fuß vor den anderen.
"Wenn uns jemand folgt, beißt die Kleine ins Gras", drohte Montgomery. Er wartete, bis Barrett und das Girl draußen waren, dann zog er sich rückwärtsgehend ebenfalls zur Tür zurück.
Einer der Freier, ein Bursche von höchsten 25 Jahren, glaubte eine Chance wahrzunehmen, um das Blatt zu wenden. Seine Hand stieß zum Colt, erschien mit dem Eisen über dem Tisch, den Hahn hatte er schon gespannt.
Montgomery war es nicht entgangen. Die Mündung seines Colts zuckte ein wenig herum, eine ellenlange Mündungsflamme leckte aus dem Sechskantlauf. Der Mann am Tisch wurde samt seinem Stuhl zurückgestoßen und kippte nach hinten um. Sein Schuss donnerte, aber die Kugel fuhr in die Decke. Die Detonationen lähmten die Trommelfelle. Das Grauen fuhr den Anwesenden in die Gemüter.
Montgomery jagte noch einen Schuss aus dem Lauf. Die Kugel durchschlug den Oberarm eines anderen Mannes. Ein erschreckter Aufschrei erklang. Einige der Kerle und Girls warfen sich flach auf den Boden.
Aber Montgomery war schon draußen. Ken Barrett hatte das Girl genötigt, auf sein Pferd zu klettern. Er saß hinter dem Mädchen auf und griff an ihr vorbei nach den Zügeln. Montgomery warf sich in den Sattel. Er jagte noch einen Schuss in die offen stehende Tür des Haupthauses. Ein Querschläger quarrte durchdringend. Dann klirrte es.
Die beiden Banditen rissen die Pferde herum und gaben ihnen die Köpfe frei. Die Tiere stoben nach Süden und verschwanden mit ihren Reitern schon bald zwischen den Hügeln.
In der Bar der Shining Star Ranch legte sich nur langsam die Lähmung.
Als es unten krachte, hatte Joana Sloane den Freier, der sich auf ihr das Mark aus den Knochen leierte, regelrecht von sich heruntergeworfen. Sie zog sich in Rekordzeit an und rannte die breite Freitreppe hinunter. Den Hufschlag der fliehenden Pferde konnte sie noch vernehmen.
In der Bar stieß sie auf bleiche Gesichter, in denen sich der Schrecken und das Entsetzen der vergangenen Minuten widerspiegelten. Ein Mann lag am Boden. Jacqueline Boulez, die rothaarige Französin, und Anny, ein dunkelhaariges Girl, knieten bei ihm. Ein anderer Mann presste seine linke Hand auf den durchschossenen Oberarm. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor. Alle anderen standen völlig im Banne des Geschehenen. In der Bar herrschte Atemlosigkeit.
"Was war los?", stieß Joana hervor. Sie starrte auf den blutenden Mann am Boden, der kein Lebenszeichen mehr von sich gab. "Wer hat geschossen? Ich hörte Pferde ..."
Abel schüttelte die Erstarrung ab. "Es ging alles viel zu schnell", murmelte er, und seine Stimme klang brüchig. "Einen richtigen Gedanken zu fassen war keinem hier möglich. Sie haben Loretta mitgenommen. Es waren zwei." Abel schluckte hart und trocken. "Ich – ich habe die Kerle noch nie hier gesehen."
Hufgetrappel näherte sich. Im Ranchhof brach es ab. Waco Jordan stürmte mit dem Colt in der Faust herein. Aller Augen richteten sich auf ihn. Diejenigen, die ihm im Weg standen, machten ohne Aufforderung Platz. Waco ging mit versteinerter Miene zu dem Mann am Boden und beugte sich über ihn.
"Mon dieu", murmelte Jacqueline, und ihre Stimme drohte jeden Moment zu zerbrechen, "er ist tot."
Waco drückte sich wieder in aufrechte Haltung. Er holsterte den Colt. Joana trat vor ihn hin. "In der Stadt fielen Schüsse, Waco. Was ..."
"Sechs Kerle", knurrte er. "Rocco half mir. Zwei konnten entkommen. Waren die beiden hier?"
Joana nickte. "Sie haben Loretta entführt."
Abel kam hinter dem Tresen hervor. "Was waren das für Kerle?", fragte er mit belegter Stimme.
Waco zuckte mit den Achseln. "Sie haben mich in die Zange genommen, als ich in die Stadt ritt. Eine Stunde vorher etwa sind sie erst in Lincoln angekommen. Ich kenne sie nicht. Sie nannten auch keinen Grund, weshalb sie mir das Licht ausblasen wollten."
Eines der Girls hatte Verbandszeug geholt und machte sich nun daran, den Arm des Verwundeten zu verarzten.
Mit erhobener Stimme fuhr Waco fort: "Mir scheint, dahinter steckt System. Da sie mich in der Stadt nicht erwischten, haben sie hier zugeschlagen. Verdammt, haben sie nichts für mich bestellt? Irgendeine Forderung?"
"Nichts", murmelte Abel niedergeschlagen. "Der an der Tür wies nur auf Loretta und meinte 'Ken, nimm sie', worauf der andere Bandit das Girl nach draußen zerrte und lediglich sagte, dass sie einen kleinen Spazierritt unternehmen würden. Dann griff Boulder zum Colt, und schon flogen die Kugeln. Und innerhalb der nächsten Minute waren die Schufte auf und davon."
"Du denkst, sie haben Loretta entführt, um sie als Druckmittel gegen dich zu benutzen, Waco?", kam es fast verzweifelt von Joana.
Waco nickte. "Man will mich endgültig in die Knie zwingen", dehnte er und seine Miene wurde zu einer Maske des namenlosen Zorns. "Und ich kann mir auch schon denken, wer da wieder seine dreckigen Finger im Spiel hat."
"Stan Stryker!" Abel stieß die Worte hervor. Sie fielen wie Hammerschläge.
Waco nickte. "Yeah. In welche Richtung sind die Schufte getürmt?"
"Den Fluss hinunter", sagte jemand in der Runde.
"Gut", stieg es rau aus Wacos Kehle. Er schaute Joana an. "Ich folge den Bastarden. Und ich werde nicht eher ruhen, bis ich Loretta aus der Gewalt der beiden Hurensöhne befreit habe." Waco nickte und grollte. "Der Wolf beginnt immer dreister aus seinem Schafspelz zu kriechen. Sieht aus, als hätte er zur Generaloffensive gegen mich geblasen."
Jeder wusste, von wem die Rede war.
"Gib auf dich acht, Waco", murmelte Joana.
"Natürlich. Alles andere hieße ja, Stryker einen Gefallen zu erweisen. Und das ist das Letzte, was ich will."
Er ging nach draußen. Es war merklich dunkler geworden. Über den Rio Bonito kam ein warmer Westwind. Wacos Blick hatte sich an den Hügeln weiter südlich verkrallt. Dazwischen nisteten schon die Schatten der beginnenden Nacht. Das Terrain mutete farblos und wie ausgestorben an.
Joana war Waco auf die Veranda gefolgt. Das Gesicht der schönen Frau war ernst und sorgenvoll. Waco schwang sich aufs Pferd. Joana war an das Geländer herangetreten. Waco lenkte den Braunen zu ihr hin und gab ihr vom Sattel aus einen flüchtigen Kuss. "So long, Darling", murmelte er, dann zog er das Tier um die rechte Hand und schnalzte mit der Zunge. "Hüh, lauf!"
Joana blickte ihm hinterher, bis er aus ihrem Blickfeld verschwand. Ihre Schultern sanken nach unten. Mit gesenktem Kopf kehrte sie in die Bar zurück. Wann wird endlich Stan Stryker das schmutzige Handwerk gelegt?, durchrann es sie voll Beklemmung. Mit Carrie Mitchells Tod begann es, dann starb Fitzgerald, Cindys Dad, und schließlich behauptete sich Stryker nur noch mit Mord und Totschlag. Irgendwann muss er doch einen Fehler machen. Irgendwann muss es doch möglich sein, ihm die Maske vom Gesicht zu reißen und ihn als die reißende Bestie zu entlarven, die er ist ...
*
Waco ritt durch die Nacht. Hügel und Felsen umgaben ihn. So manches der Gebilde erinnerte in der Dunkelheit an ein riesenhaftes, geduckt daliegendes und lauerndes Ungeheuer. Er ritt durch ein Gebiet, in dem die Gefahr überall lauern konnte und der Tod allgegenwärtig war. Ja! Wenn ihn die Kerle mit der Entführung des Girls nur hinter sich herlocken wollten, dann lagen sie gewiss irgendwo auf der Lauer. Das Mond- und Sternenlicht umfloss ihn und er gab ein gutes Ziel ab.
Waco sicherte um sich und ließ seinen Instinkten freien Lauf. Sein sechster Sinn für die Gefahr aber signalisierte nichts. Auch das Pferd zeigte nicht durch ein erregtes Schnauben an, dass Gefahr drohte.
Dumpf pochten die Hufschläge. Der Sattel knarrte. Ab und zu hielt Waco an. Aber um ihn herum waren nur die Geräusche der Nacht, das leise Säuseln des Windes, das Rascheln der Blätter in den Sträuchern, die seinen Weg säumten, und das Murmeln des Flusses rechts von ihm.
Manchmal ließ Waco das Pferd traben. Er war darauf eingestellt, blitzartig zu reagieren, sollte es irgendwo vor ihm grell aufglühen. Nach zweieinhalb Stunden sah er vor sich die Lichter San Patricios. Die kleine Town lag auf der anderen Seite des Flusses. Es gab eine schmale Brücke. Waco ritt hinüber.
San Patricio lag in dem Dreieck zwischen Rio Bonito und Rio Ruidoso, die sich ein Stück weiter südöstlich zum Rio Rocco vereinten. Direkt am Zusammenfluss beider Creeks lag die Ortschaft Rocco, dasselbe verschlafene Nest wie San Patricio.
Es gab hier einen Saloon. Licht fiel aus der Tür auf den Vorbau. Verworrenes Stimmengemurmel drang Waco entgegen. Auch aus dem einen oder anderen Fenster fiel noch gelber Lichtschein. Die meisten der Wohnhäuser aber lagen schon im Dunkeln.
Waco saß ab, warf die Leine über den Holm und nahm das Gewehr. Sattelsteif ging er in den Saloon. Eine Handvoll Männer, die sich hier aufhielten, musterten ihn. Waco war bekannt hier. Es gab kaum einen männlichen Bürger in San Patricio, der sich nicht schon einmal auf die Shining Star Ranch verirrt hatte. Die einen aus Neugierde, um einfach mal den Atem der Sünde zu spüren, die anderen ganz einfach wegen des Drucks in ihren Lenden.
Waco grüßte. Die Männer starrten ihn fragend und erwartungsvoll an. Der eine oder andere erwiderte seinen Gruß. Laut fragte Waco:
"Sind hier zwei Kerle mit einem ziemlich leichtbekleideten Girl durchgekommen? Das Mädchen sitzt bei einem der Burschen auf dem Pferd."
Ein Bursche am Tresen lachte. "Ist dir eines deiner Rassepferdchen durchgebrannt, Waco?"
Waco schüttelte den Kopf. "Nein. Die Kleine wurde von der Shining Star Ranch entführt. Ursprünglich waren es sechs Kerle, die nach Lincoln gekommen waren. Zwei von ihnen gelang die Flucht. Sie haben sich Loretta geholt."
Betroffenheit machte sich breit. Dann meinte der Keeper: "Nein, in San Patricio sind die beiden mit dem Girl nicht durchgekommen. Vielleicht sind sie dran vorbeigeritten und du findest sie in Rocco. – Willst du was trinken, Jordan?"
"Ja, gib mir ein Glas Wasser."
Zehn Minuten später war Waco wieder auf dem Trail. Bevor er aus der Town ritt, hatte er noch im Hotel wegen der beiden Banditen und Loretta nachgefragt. Der Mann hinter der Rezeption hatte den Kopf geschüttelt.
Eine halbe Stunde später kam Waco in Rocco an.
Hier hatte der Saloon schon geschlossen. Aber im Hotel brannte noch Licht. Waco erkundigte sich beim Owner, ob die Banditen und das Girl hier abgestiegen seien.
"Yeah", murmelte der Mann, "sie sind oben. Die Kleine ist verteufelt hübsch. Aber sie sieht aus, als wäre sie aus einem Bordell ausgerissen."
"Welches Zimmer?", schnappte Waco. Er war jetzt eiskalt und von kompromissloser Entschlossenheit erfüllt.
"Acht", murmelte der Owner und zog den Kopf zwischen die Schultern. Ihm war die jähe Veränderung, die mit Waco vor sich gegangen war, nicht verborgen geblieben. "Sie werden hier doch nicht eine Schießerei vom Zaun brechen, Marshal?", fragte er verunsichert, fast ängstlich.
"Ohne wird's kaum abgehen", versetzte Waco klirrend und repetierte die Winchester.
"Gütiger Gott", entfuhr es dem Mann hinter dem Pult. "Die beiden ..."
Waco lief schon die Treppe hinauf.
Er schritt den spärlich beleuchteten Korridor im Obergeschoss entlang. Auf jeder Seite des Flurs waren vier Zimmer. Links waren die mit den geraden Zimmernummern. Zwei, vier, sechs – acht ...
Waco lauschte an der Tür. Ein Bett knarrte rhythmisch. Er schaute durch das Schlüsselloch. In dem Zimmer brannte Licht. Waco konnte die ausgestreckten Beine eines Mannes sehen. Seine Füße steckten in verstaubten Stiefeln. Waco nahm an, dass er auf einem Stuhl hockte und seinem Kumpel zuschaute, wie der Loretta vernaschte.
"Schweine!", entrang es sich Waco.
Dann warf er sich mit seinem ganzen Körpergewicht gegen die Tür. Krachend flog sie auf. Der Riegel wurde regelrecht vom Holz des Türstocks gefetzt. Waco war mit einem Schritt im Zimmer.
Montgomery hockte auf dem Stuhl und hatte die Hände über dem Bauch verschränkt.
Auf dem Bett lag Loretta, die Beine gespreizt, die Hände an den beiden Bettpfosten festgebunden. Sie war nackt. Zwischen ihren schlanken Beinen lag Ken Barrett. Sein nackter Hintern zuckte gerade nach unten, als er in sie hineinstieß.
Als wäre er mit einem glühenden Draht berührt worden, sprang Montgomery auf. Er griff sofort nach dem Colt.
Barrett rollte von Loretta herunter und landete auf dem Boden. Über der Lehne des Stuhles neben dem Bett hing sein Revolvergurt. Seine Hand zuckte zum Knauf ...
Waco drückte ab. Aber Montgomery beugte sich ein wenig zur Seite. Wacos Kugel durchschlug seine Weste und sein Hemd und zog ihm eine blutige Schramme über die Rippen.
Waco glitt sofort zur Seite, als der Bandit seitlich einknickte und das Gesicht verzog. Montgomerys Eisen dröhnte. Die Kugel fuhr durch die offene Tür und bohrte sich in die gegenüberliegende Wand.
Waco kniete blitzschnell ab und feuerte auf Barrett, der jetzt den Sechsschüsser auf ihn anschlug. Über seinem Kopf meißelte ein Geschoss Putz aus der Wand. Kalkstaub regnete auf Waco herunter. Er hatte Barrett getroffen, aber der Bandit bemühte sich mit verzerrtem Gesicht, noch einmal abzudrücken. Wacos zweite Kugel setzte einen blutigen Punkt unter sein Leben.
Pulverdampf wogte dicht in dem Raum und legte sich ätzend auf die Schleimhäute, brannte in den Augen und reizte zum Husten.
Montgomery hatte sich herumgeworfen und rannte zur offenen Tür, die zur Außentreppe führte. Die Banditen hatten sie geöffnet, weil die Luft in dem Zimmer stickig und schwül war. Mit zwei Sätzen war er auf dem Bohlensteg, der nach links zur Treppe führte. Der Bandit flankte aber einfach über das Geländer und verschwand in der Tiefe. Unten barst und knirschte es, weil er in einem Stapel leerer Kisten landete.
Waco war mit drei Sätzen ebenfalls durch die Tür. Unten sah er einen Schemen in Richtung Hoftor humpeln. Wacos Gestalt wurde scharf vom Licht umrissen, das aus der Tür fiel. Im Hof blitzte es auf. Waco sprang zur Seite. Der Schussdonner staute sich im Hof. Dann schleuderte Wacos Winchester ihr rhythmisches Krachen in die Dunkelheit. Aber Montgomery huschte bereits in die Gasse, die in die Main Street mündete.
Waco lief nicht die Außentreppe hinunter, sondern kehrte ins Zimmer zurück und rannte in den Korridor. Auf dem Flur standen einige Gäste, die von der Ballerei aus dem Schlaf gerissen worden waren. Waco achtete nicht auf ihre Fragen. Er stieß die Leute einfach beiseite und hetzte die Treppe hinunter, durch die Lobby und hinaus auf die Straße.
Don Montgomery hatte schon fast die Straße überquert. Er hinkte, denn er hatte sich bei seinem Sprung von der Außentreppe den Knöchel verstaucht. Der Schmerz ließ ihn stöhnen und trieb ihm die Tränen in die Augen, aber die Todesangst peitschte ihn unerbittlich vorwärts.
Er schaute sich im selben Moment um, in dem Waco auf die Fahrbahn sprang.
Montgomery feuerte und beschleunigte seine Schritte. Den tobenden Schmerz in seinem Bein ignorierte er. Er wollte zum Mietstall. Jetzt jedoch schien das bei ihm nicht mehr vorrangig zu sein. Zuerst musste er sich Waco Jordan vom Hals schaffen.
Seine Kugel, völlig überhastet und blindlings verschossen, hatte Waco verfehlt. Waco zielte. In dem Augenblick, als er abdrückte, schlug Montgomery einen Haken. Das Peitschen stieß über die Straße. Die Kugel zerschlug ein Fenster. Es schepperte.
Dann verschwand Montgomery in einem Hof. Ein Stück Bretterzaun zog sich bis zu einem Schuppen oder Stall. Hinter diesem Zaun verschanzte sich der Bandit. Seine Rechte mit dem Colt schob sich an der Einfassung des Hoftores vorbei. Der Schuss wummerte trocken. Waco aber hatte sich mit dem Auseinanderplatzen der Mündungsblume flach auf den Bauch geworfen. Das Stück Blei strich über ihn hinweg und bohrte sich in einen Vorbaupfosten. Und nun jagte Waco eine ganze Serie von Schüssen in den Bretterzaun. Repetieren und schießen waren ein gedankenschneller, fließender Bewegungsablauf. Seine Projektile durchschlugen die Bretter.
Montgomerys Colt klatschte in den Staub. Dann wankte der Bandit einen Schritt in die Durchfahrt. Seine Gestalt war nach vorne gekrümmt, er hatte die Arme vor der Brust verkrampft, als kämpfte er gegen einen Hustenanfall. Er taumelte, setzte das rechte Bein nach vorn, um noch einmal festen Stand zu gewinnen, aber da knickte sein Knie ein. Er ging nieder, ein Stöhnen brach aus seiner Kehle, zwei Herzschläge lang hielt er sich in dieser knienden Stellung, dann kippte er zur Seite.
Waco erhob sich. Das Gewehr auf die reglose Gestalt gerichtet, schritt er über die Fahrbahn.
Montgomery starb, noch ehe Waco bei ihm eintraf. Waco kniete bei ihm ab. Er durchsuchte die Taschen des Toten. Außer ein paar Dollars fand er nichts. Er kam hoch und wandte sich um. In vielen Häusern brannten jetzt Lichter. Menschen kamen notdürftig angezogen auf die Straße. Einige trugen Laternen.
"Heh, du bist doch Waco Jordan, der Town Marshal von Lincoln", rief jemand.
"Richtig", sagte Waco. "Lasst mich durch ..."
Er rannte zurück ins Hotel.
In dem Zimmer, in dem Loretta von den beiden Banditen missbraucht worden war und in dem Ken Barrett sein verbrecherisches Dasein beendete, drängten sich Hotelgäste. Jemand hatte das nackte Girl von seinen Fesseln befreit. Die Anteilnahme aller gehörte Loretta. Nackt saß sie auf der Bettkante und massierte sich die Handgelenke.
Waco bahnte sich einen Weg. Man hatte Barrett auf den Rücken gedreht. Die gebrochenen Augen des Outlaws starrten hinauf zur Decke. "Geht hinaus, Leute", sagte Waco laut und deutlich und mit Nachdruck. "Die Sache ist erledigt. Ihr könnt euch wieder schlafen legen."
"Denkst du tatsächlich, dass heute Nacht von uns noch jemand ein Auge zubringt?", fragte ein älterer Mann. "Ich bekam fast einen Herzschlag, als es zu krachen begann."
Waco komplimentierte die Leute höflich, aber mit aller Entschiedenheit hinaus.
Schließlich war er mit Loretta und dem Toten allein. Loretta stand noch viel zu sehr unter Schock, um irgendein Gefühl zeigen zu können. Auf dem Grund ihrer Augen woben noch im Nachhinein das Grauen und die Verzweiflung.
Waco durchsuchte auch Ken Barretts Taschen. Auch hier fand er nichts, was von Interesse für ihn gewesen wäre.
Waco packte Ken Barrett unter den Achseln und schleifte ihn hinaus auf die Außentreppe. Dort legte er ihn ab. Er sagte dem Owner Bescheid, damit der Undertaker erfuhr, wo er den Leichnam abholen konnte. Dann kehrte er zu Loretta zurück. Er drückte die Tür ins Schloss.
Loretta saß nach wie vor auf der Bettkante, nackt, wie Gott sie erschaffen hatte. Aber sie begann, das Erlebte psychisch aufzuarbeiten. Den Blick ihrer tiefblauen Augen auf Waco gerichtet, sagte sie: "Diese Schweine haben mich gedemütigt und vergewaltigt. Es ist gut, dass du sie beide erschossen hast."
Waco angelte sich einen Stuhl und setzte sich rittlings drauf. Er verschränkte die Arme über der Lehne. "Und ich bin froh, dass ich dich körperlich unversehrt aus ihren dreckigen Händen befreien konnte. Du bist doch soweit in Ordnung?"
"Ja", nickte Loretta.
Trampelnde Schritte kamen die Außentreppe herauf, flüsternde Stimmen waren zu hören. Das Licht aus dem Zimmer fiel über den Toten. Die verzerrten Züge muteten in diesem vagen Licht wächsern an. Die weit aufgerissenen Augen glitzerten wie Glas.
Waco erhob sich und trat in das Türrechteck. Sein Schatten legte sich auf die leblose Gestalt. Zwei Männer kamen näher. Unter ihren Schritten dröhnten die Bohlen. Es waren der Coroner und sein Gehilfe. "Wer zahlt mir die Beerdigungskosten für den Hombre?", fragte der Leichenbestatter und schaute Waco ins Gesicht.
"Er hat ein paar Dollars in der Tasche", versetzte Waco. "Der andere auf der Straße auch. Außerdem stehen ihre Gäule in irgendeinem Stall dieser Stadt. Bringen Sie sie an den Mann, und sie können von dem Geld eine fürstliche Bestattung durchführen."
Der Undertaker brabbelte noch etwas vor sich hin, dann packten er und sein Helfer den Leichnam und schleppten ihn die Treppe hinunter.
Waco schloss die Tür von innen und zog den Vorhang vor. "Wir werden hier übernachten, Loretta", murmelte er. "Morgen früh reiten wir nach Lincoln zurück."
"Bleibst du hier?", fragte das Girl zaghaft.