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Der Mann aus Arizona: Pete Hackett Western Edition 71

von Pete Hackett (Autor:in)
©2022 120 Seiten

Zusammenfassung

James Holdings schmales Gesicht wurde kantig. Seine pulvergrauen Augen blickten ernst. Er knurrte freudlos: "Schon wieder ein paar von diesen Narren. Stirbt denn diese Sorte niemals aus? Denken diese verrückten Kerle denn wirklich, sie erlangen Berühmtheit und Anerkennung, wenn sie mich im Kampf töten? Diese Dummköpfe – diese gottverdammten Dummköpfe. Im ganzen Land sind die Friedhöfe voll von ihnen."

Holding war 48 Jahre alt. Er hatte seiner Tochter versprochen, den Stern zurückzugeben und den Sechsschüsser an den Nagel zu hängen. Er hatte genug – er wollte nicht mehr kämpfen und töten. Vor allem hasste er es, unsinnige Kämpfe auszufechten. Soeben aber hatte ihm ein Mann aus dem Saloon die Herausforderung der Lockhardt-Brothers übermittelt. Er würde dem Tod also noch einmal ins schreckliche Antlitz blicken müssen ...

Groß und hager stand Holding mitten in seinem Office. Er war mit einem dunklen Anzug bekleidet. Der Stern an der linken Brustseite funkelte matt. Das weiße Hemd wurde am Hals von einer weinroten Schnürsenkelkrawatte zusammengehalten. Die Linien und Kerben in seinem Gesicht schienen sich vertieft zu haben. Ein bitterer Ausdruck hatte sich in seinen Zügen festgesetzt.

Der Bursche unter der Tür war klein und schmächtig und trug eine grüne Schürze. Nervös knetete er seine Hände. Mit belegter Stimme gab er zu verstehen: "Die Lockhardts haben es mir aufgetragen, Sheriff. Es – es tut mir leid. Aber sie hielten ihre Colts in den Fäusten, und sie hätten mich tanzen lassen, wenn ich nicht sofort losgegangen wäre, um Ihnen ..."

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Alles rund um Belletristik!

Der Mann aus Arizona: Pete Hackett Western Edition 71

Western von Pete Hackett


Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war – eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.

Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie „Texas-Marshal“ und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: „Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung.“

Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie „Der Kopfgeldjäger“. Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.



Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author www.Haberl-Peter.de

© der Digitalausgabe 2013 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

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James Holdings schmales Gesicht wurde kantig. Seine pulvergrauen Augen blickten ernst. Er knurrte freudlos: "Schon wieder ein paar von diesen Narren. Stirbt denn diese Sorte niemals aus? Denken diese verrückten Kerle denn wirklich, sie erlangen Berühmtheit und Anerkennung, wenn sie mich im Kampf töten? Diese Dummköpfe – diese gottverdammten Dummköpfe. Im ganzen Land sind die Friedhöfe voll von ihnen."

Holding war 48 Jahre alt. Er hatte seiner Tochter versprochen, den Stern zurückzugeben und den Sechsschüsser an den Nagel zu hängen. Er hatte genug – er wollte nicht mehr kämpfen und töten. Vor allem hasste er es, unsinnige Kämpfe auszufechten. Soeben aber hatte ihm ein Mann aus dem Saloon die Herausforderung der Lockhardt-Brothers übermittelt. Er würde dem Tod also noch einmal ins schreckliche Antlitz blicken müssen ...

Groß und hager stand Holding mitten in seinem Office. Er war mit einem dunklen Anzug bekleidet. Der Stern an der linken Brustseite funkelte matt. Das weiße Hemd wurde am Hals von einer weinroten Schnürsenkelkrawatte zusammengehalten. Die Linien und Kerben in seinem Gesicht schienen sich vertieft zu haben. Ein bitterer Ausdruck hatte sich in seinen Zügen festgesetzt.

Der Bursche unter der Tür war klein und schmächtig und trug eine grüne Schürze. Nervös knetete er seine Hände. Mit belegter Stimme gab er zu verstehen: "Die Lockhardts haben es mir aufgetragen, Sheriff. Es – es tut mir leid. Aber sie hielten ihre Colts in den Fäusten, und sie hätten mich tanzen lassen, wenn ich nicht sofort losgegangen wäre, um Ihnen ..."

"Es ist schon in Ordnung, Ross. Du kannst ja nichts dafür. Es sind sechs, nicht wahr?"

"Ja." Ross Duncan, der Keeper, nickte wiederholt. "Die beiden Brüder und vier Kerle, die ziemlich gefährlich aussehen."

James Holding kniff die Lippen zusammen. "All right, Ross. Du kannst wieder in den Saloon zurückkehren. Sag den Lockhardts, dass ich kommen werde."

"Das ist Irrsinn, Sheriff", entfuhr es Ross Duncan. "Das sind Strolche, denen nichts heilig ist. Eine Bande heruntergekommener, heimtückischer und tödlicher Halsabschneider. Das Wort Fairness wird diesen Kerlen fremd sein."

"Wir werden sehen", murmelte James.

Ross Duncan verließ das Office.

James Holding trat an das verstaubte Fenster heran. Die Main Street lag im Sonnenglast. Ein schraler Wind wirbelte den feinen Staub auf und trieb ihn in Spiralen vor sich her. Hunde dösten in den Schatten, Kinder lärmten. Passanten bewegten sich auf den Gehsteigen. Die Stadt mutete ruhig und friedlich an.

Holding überlegte, grübelte, ging in sich. Die Zeit schien stillzustehen. Am Fenster summten die Fliegen. Der Regulator an der Wand tickte. Beweis dafür, dass die Zeit nicht stillstand, sondern dass sie unerbittlich verfloss.

Seit 14 Jahren trägst du den Stern in Winslow, durchfuhr es James Holding. 14 Jahre lang hast du dafür gesorgt, dass die Bürger in Ruhe und Frieden leben konnten. Du hast die Town damals mit eiserner Faust gezähmt, und das hat dir diesen traurigen, diesen unseligen Ruhm eingebracht. Du dachtest, es wäre ruhig um dich geworden. Doch jetzt wollen es diese jungen Narren im Saloon noch einmal wissen ...

Er entschloss sich von einem Augenblick zum anderen. In seinem hageren Gesicht zuckte kein Muskel, als er sich vom Fenster abwandte. Er griff mit beiden Händen nach der Schließe seines Revolvergurts und öffnete sie. Er warf den Gürtel samt Holster, in dem der schwere, langläufige Coltrevolver steckte, auf den Schreibtisch.

Dann verließ er das Büro.

Gelber Staub puderte seine Schuhe, als er über die breite Fahrbahn schritt. Seine Schritte waren kurz und abgezirkelt. Seine Arme pendelten locker von den hageren Schultern. Sein Schatten huschte vor ihm her. Er hatte die Sonne im Rücken.

Furchtlos und unerschrocken betrat er den Saloon. Die Batwings der Schwingtür pendelten knarrend und quietschend hinter ihm aus. Die Bande lümmelte am Tresen. Die Kerle tranken trotz der Hitze, unter der sich das Land duckte, Whisky.

Auch im Schankraum war es heiß wie in der Hölle. Die Luft war abgestanden und stickig. Die beiden großen Frontfenster warfen gleißende Lichtkästen über die Tische und Stühle und auf den Fußboden.

Ross stand wieder hinter dem Tresen. Er schwitzte. Die sechs Kerle waren die einzigen Gäste. Aber auf einigen Tischen standen Gläser und Flaschen, was Holding sagte, dass der Saloon bis vor kurzer Zeit noch mit weiteren Gästen bevölkert gewesen war. Sie hatten es vorgezogen, zu verschwinden, als sich abzeichnete, dass die Kerle nach Winslow gekommen waren, um Verdruss zu schaffen.

James Holding blieb einen Schritt vor der Tür stehen. Die Türpendel standen still. Er musterte das halbe Dutzend Kerle, die mit hämischem Gegrinse Front zu ihm einnahmen.

Sie waren jung. Keiner von ihnen hatte die 30 schon erreicht. Aber trotz ihres jungen Alters hatte ein unstetes Leben bereits unübersehbare Spuren in ihren Gesichtern hinterlassen – in den Gesichtern, die von Verkommenheit, Verschlagenheit und brutaler Härte geprägt waren.

In Winslow hatte sich eine Horde übler Gunslinger eingefunden. Das war James Holding schlagartig klar, als er das Rudel sah.

Einer der Kerle stieß sich vom Schanktisch ab und trat einen Schritt nach vorn. Der lange Staubmantel schlug um seine Beine. In seinem Mundwinkel hing eine halbgerauchte Zigarette. In seinen tagealten Bartstoppeln klebte der Staub eines langen Rittes. Unter seinem verbeulten Stetson fielen nackenlange, blonde Haare hervor. Tief an seinem rechten Oberschenkel hing der Colt. Er hakte die Daumen in den breiten Gurt, spuckte die Zigarette auf den Boden und rief fast belustigt:

"Du bist doch nicht etwa der legendäre James Holding, Hombre?" Er lachte herablassend und taxierte den Sheriff von Kopf bis Fuß. "Ich hab 'nen Mann voll Kraft und Saft erwartet und keine Mumie."

Langsam ging Holding weiter, seine rauchgrauen Augen hatten sich an dem Burschen festgesaugt. Drei Schritte vor ihm hielt er an. Er nickte. "Ja, ich bin James Holding. Und was die Mumie angeht – du kannst dich ja jung aufhängen, wenn du nicht älter werden willst. – Was wollt ihr von mir?"

"Ich bin Matt Lockhardt", erklärte der Blonde. Er beobachtete James Holding aufmerksam, doch der zeigte sich weder beeindruckt noch sonst irgendwie von diesem Namen berührt.

"Schön", versetzte James. "Sie sind also Matt Lockhardt. Sollte mir der Name irgendetwas sagen?"

Lockhardt schürzte die Lippen. Er zischte: "Noch sagt mein Name keinem etwas, Holding. Aber wenn ich dich zu deinen Ahnen versammelt habe, dann – schätze ich –, wird er im ganzen Territorium und darüber hinaus bekannt sein. Du hast einen Ruf wie Donnerhall, Holding. Man sagt, du seist unschlagbar. Ich – " Lockhardt nahm die linke Hand hoch und tippte sich mit dem Daumen gegen die Brust, "– werde das Gegenteil beweisen. Wenn ich diese Stadt verlasse, ist die Legende von James Holding Geschichte, und Matt Lockhardt wird in die Annalen eingehen als der Mann, der besser war als der berühmt-berüchtigte James Holding."

"Ein dummer, vielleicht sogar ein verhängnisvoller Ehrgeiz, mein Junge", murmelte Holding.

"Du kannst sagen, was du willst, Holding", stieß Lockhardt zwischen den Zähnen hervor. "Wir werden dieses Nest erst verlassen, wenn sie dich mit den Zehenspitzen nach oben zum Boot Hill tragen. Heh, weshalb kommst du ohne Colt? Hast du Schiss? Ist der Mann, dem man die heißesten Fights nachsagt, in Wirklichkeit ein Feigling?"

Seine Worte waren genauso herausfordernd wie die ganze Haltung, die er einnahm.

Die Kerle am Tresen feixten. Sie maßen James Holding mit einer Mischung aus überheblicher Provokation und selbstsicherer Überlegenheit.

Holdings Mundwinkel sanken ein wenig herab. Das Aufblitzen in seinen Augen mutete an wie ein Signal. Doch dieses Feuer erlosch jäh wieder und machte einem müden, resignierenden Ausdruck Platz.

"Größe und Stärke mit dem Colt zu beweisen ist Unsinn, Lockhardt", murmelte Holding. "Was haben Sie davon, wenn Sie den traurigen Ruf haben, James Holding im Revolverkampf getötet zu haben? Es wird einer kommen, der wie Sie vom Ehrgeiz zerfressen ist. Sie erledigen ihn vielleicht. Irgendwann taucht der Nächste auf. Das geht so weiter – und eines Tages finden Sie Ihren Meister. Dann trägt man Sie mit den Zehenspitzen nach oben zum Boot Hill. Friede Ihrer Asche, Lockhardt. Kein Hahn wird nach Ihnen krähen."

Das Gesicht des schießwütigen Strolches verzerrte sich. Er glitt dicht vor James Holding hin. Der zuckte mit keiner Wimper. Sie starrten sich an. Von Holding ging ein großes Maß an Ruhe aus. In den blauen Augen Lockhardts aber war ein Glimmen, ein Glühen, das nicht verlöschen wollte. Er dehnte: "Hol deinen Colt, Holding. Hol ihn und lass es uns austragen. Nur wir beide. Von meinen Freunden wird sich keiner einmischen. Ich will sehen, ob du wirklich so gut bist mit dem Sixshooter, wie es behauptet wird."

Doch James schüttelte den Kopf. "Ich werde mich nicht mit Ihnen schießen, Junge. Ich trage in dieser Stadt den Stern. Das Stück Blech verpflichtet mich. Es lässt nicht zu, dass ich jede x-beliebige Herausforderung annehme. Ich schreite ein, wenn Recht und Ordnung bedroht sind. Aber ich schieße mich nicht – nur um des Schießens Willen."

Es klang endgültig und entschieden.

Eine Weile herrschte absolute Stille. Die Atmosphäre im Saloon schien sich mit Elektrizität aufzuladen. Sie war angespannt und unheilvoll und zerrte an den Nerven.


*


"Du feiger Bastard!", fauchte Matt Lockhardt und schlug zu.

Seine Faust zischte ins Leere. Sie sollte sich in Holdings Magen bohren, doch der Sheriff war blitzschnell einen halben Schritt zur Seite getreten. Seine Linke schoss vor und erwischte Matt Lockhardt an der Hemdbrust. Mit einem Ruck riss er den großmäuligen Coltschwinger dicht an sich heran. Der Hemdenstoff krachte. Holdings verschlossenes Gesicht war ganz dicht vor dem des Heißsporns, der mit seinem Colt Berühmtheit erlangen wollte. Holdings Atem schlug ihm ins Gesicht, als der Sheriff hervorstieß:

"Versuch das nie wieder, mein Junge. Ich will mich nicht mit dir schießen – und ich werde mich auch nicht mit dir schießen. Du solltest dem Herrgott dafür dankbar sein. Du taugst nichts. Du bist ein Blender. Hock dich auf deinen Gaul und verschwinde aus der Stadt. Und nimm deine Freunde mit. Ich werde jetzt in mein Office zurückkehren und meinen Revolvergurt wieder umschnallen. Sollte ich in einer Viertelstunde noch einen von euch wildgewordenen Möchtegern-Coltschwingern innerhalb der Stadtgrenzen antreffen, fliegt er hinter Gitter. Und dort bleibt er, bis er Grünspan ansetzt."

"Wenn du in einer Viertelstunde auf die Straße kommst, Holding, werden wir auch dort sein", drohte Matt Lockhardt und riss sich los. Seine Hand legte sich auf den Revolverknauf. Seine Mimik verriet, wie sehr der Hass in ihm wühlte. Er fühlte sich von James Holding vorgeführt. Er hatte keine besonders glückliche Figur abgegeben, als der Sheriff seinem Schlag auswich und ihn sich wie einen frechen Schuljungen schnappte.

"Dann gnade euch Gott", murmelte Holding und schwang auf dem Absatz herum. Seine Absätze tackten rhythmisch auf den Dielen, als er der Tür zustrebte. Er hatte keine Angst, dass sie ihn in den Rücken schossen. Diese Spezies war auf den spektakulären Kampf aus. Es ging ihr darum, in aller Munde zu sein; Kerle wie Matt Lockhardt litten an einem gefährlichen Komplex.

Holding trat aus dem Saloon. Tief sog er die würzige Luft in seine Lungen. Von den nahen Bergen wehten ein erdiger Geruch und der Duft blühenden Salbeis heran. Am Holm standen die Pferde der Strolche. Die Tiere peitschten mit den Schweifen nach den blutsaugenden Bremsen an ihren Seiten. Sie ließen die Köpfe hängen. Aus den Scabbards ragten die glatten, polierten Kolben der Winchester. Das Brandzeichen, das die Tiere trugen, kannte Holding nicht. Er dachte auch nicht darüber nach.

Er ging in sein Büro. Scheue Blicke beobachteten ihn. Es war durch die Stadt gegangen wie ein Lauffeuer, dass die sechs heruntergekommenen Kerle im Saloon den Sheriff zwingen wollten, sich mit ihnen zu schießen.

Das Vertrauen zu James Holding war groß. An seine Seite wollte sich jedoch niemand stellen. Es war sein Job, für Ordnung und Sicherheit zu sorgen. Er wurde bezahlt, um den Terror von der Town und ihren Bürgern fernzuhalten.

Das war so. Holding wusste es. Es durchrieselte ihn jedes Mal aufs Neue, wenn er alleine und auf sich gestellt vor einem blutigen Kampf stand.

Damit muss Schluss sein, James!, sickerte es durch seinen Verstand. Du hast die Schnauze schon lange voll. Gosh, du bist nicht mehr der Jüngste. Samantha braucht dich. Sie steht mutterseelenallein da, wenn sie dich wirklich eines Tages tot von der Straße tragen. Yeah, verdammt, ich mache Schluss ...

Als er das Office betrat, erfasste sein Blick das Mädchen, das am Schreibtisch lehnte und ihn mit den Augen eines verschreckten Rehs ansah.

Samantha!

Die 19-jährige war eine schwarzhaarige, glutäugige Schönheit. Die Rasse hatte sie von ihrer Mutter geerbt, einer heißblütigen Mexikanerin. Sie war mittelgroß, schlank, gewachsen wie eine Grazie. Die enge Jeans, die sie trug, unterstrich die weiblichen Proportionen, über die sie trotz ihrer fast knabenhaften Schlankheit verfügte. Über ihren festen, runden Brüsten spannte sich die weiße Bluse, deren obere Knöpfe offen waren, so dass sie den Blick auf die Ansätze der paradiesischen Halbkugeln freiließen.

Holdings Brauen schoben sich zusammen. Über seiner Nasenwurzel bildete sich eine steile Falte. "Du hast es also gehört, Samantha", murmelte er rau. Er ging um den Schreibtisch herum und ließ sich schwer auf den Stuhl fallen. Vor ihm lag sein Revolvergurt. Er war aus schwarzem Büffelleder. In den Schlaufen schimmerten die Messingböden der Patronen.

"Du hast die Herausforderung doch nicht angenommen, Dad?", fragte sie beklommen. Auf dem Grund ihrer dunklen Augen wob die bange Erwartung.

Holding schüttelte den Kopf. "Nein, Kleines. Aber diese Narren sind unverbesserlich und stur. Sie haben es sich in den Kopf gesetzt. Sie werden nicht locker lassen."

Er zog den Schub auf und holte ein Blatt Papier heraus. Der Federhalter lag in einer dafür vorgesehen Rille auf dem Schreibtisch. Er tauchte die Feder in den Tintenbehälter mit dem hochklappbaren Deckel. Holding begann zu schreiben. Die Feder kratzte über das Papier.

Samantha war hinter ihn getreten. Über seine Schulter las sie, was er zu Papier brachte. Es war ein Brief an den Countysheriff, und er beinhaltete die Kündigung James Holdings.

Er setzte Datum und Namen unter die feuchten Zeilen. Dann kritzelte er auf ein Kuvert die Empfängeradresse. Er faltete den Brief zusammen und steckte ihn in den Umschlag. Schließlich nahm er den Stern von seiner Jacke und ließ ihn in das Kuvert fallen. Er klebte es zu und gab es Samantha. "Bring den Brief zum Post Office, Sam", murmelte er.

Das Mädchen war sprachlos. "Du kündigst deinen Job, Dad?", entrang es sich ihm schließlich.

"Ja, Kleines. Ich bin zu alt geworden dafür. Ich habe es dir doch schon lange versprochen." Er lächelte lahm. Es mutete aufgesetzt und unecht an. "Wir verlassen Winslow und suchen uns einen Platz, an dem ich in Frieden alt werden kann. Du wirst einen guten Mann heiraten und mit ihm Kinder haben. Sie werden auf meinen Oberschenkeln reiten, und wenn sie groß genug sind, kaufe ich ihnen ein Pony. Ich denke, es wird sehr schön, Sam."

Der Blick seiner Augen strafte seine Worte Lügen. Er wollte Hoffnungen schüren, die er selbst nicht hatte. Sein Kinn wurde kantig. Die Linien, die von seinen Nasenflügeln zu seinen Mundwinkel liefen, vertieften sich.

James Holding erhob sich und legte sich den Revolvergurt um die Hüften. Mit einer Bewegung, die ihm im Laufe der Jahre in Fleisch und Blut übergegangen war, rückte er das Holster zurecht. Mit einer dünnen Lederschnur band er es dicht über seinem rechten Knie fest.

"Dad, du wirst doch nicht hinausgehen?", kam es erstickend und mit brüchiger Stimme von Samantha. "Es sind sechs junge und gewiss sehr gefährliche Revolverhelden ..."

Holding schaute auf den Regulator. Hart antwortete er: "Ich habe ihnen eine Viertelstunde Zeit gegeben, aus der Stadt zu verschwinden. Die Zeit ist um. Noch hat der Countysheriff meine Kündigung nicht. Also bin ich noch in Amt und Würden." Wieder kräuselte ein angedeutetes Lächeln seine Lippen. "Bring den Brief zur Poststation, Kleines. Und dann geh nach Hause. Ich werde nachkommen."

"Dad!" Samantha spürte es heiß in sich aufsteigen. Tränen füllten ihre Augen. Ihre Lippen bebten. Sie trat vor ihn hin. Er legte ihr beide Hände auf die Schultern.

"Keine Sorge, Sam", murmelte Holding. "Es sind großspurige Hitzköpfe, denen ich den Schneid abkaufen werde. Du wirst es sehen. Geh jetzt."

Das Mädchen ahnte, dass jedes weitere Wort zwecklos war. Sie kannte ihren Vater als einen aufrechten, geradlinigen Mann, der immer der Gefahr ins Auge gesehen hatte. Er suchte sie nicht, aber er wich ihr auch nicht aus. Früher war es Samanthas Mutter, die tagaus und tagein fürchtete, dass man ihr den Mann tot vor die Tür legte. Als ihre Mutter vor drei Jahren starb, hatte Samantha diese Rolle übernommen.

Und heute empfand sie die Angst besonders tief und intensiv. Sie hatte das Gefühl, als ballten sich über ihren Häuptern drohende Gewitterwolken zusammen.

Mit hängenden Schultern verließ Samantha das Büro.

James Holding blickte durch das Fenster hinter ihr her. Als sie in einer Gasse verschwunden war, holte er sein Gewehr aus dem Schrank, repetierte und trat auf den Vorbau. Er kniff die Augen eng. In den Augenwinkeln bildeten sich unzählige kleine Falten.

Die Main Street war jetzt wie leergefegt. Die Mütter hatten ihre Kinder von der Straße geholt. Die Einwohnerschaft von Winslow harrte dessen, was sich anbahnte. Die Stadt hielt den Atem an. Die unheilvollen Impulse, die sie durchströmten, berührten James Holding fast körperlich.


*


James Holding durchfuhr ein Ruck. Er stieg die vier Stufen vom Vorbau hinunter. Das Gewehr trug er in der Linken. Die Rechte hing locker neben dem abstehenden Colt. Staub knirschte unter seinen Sohlen. Feines Prasseln erfüllte die Luft, wenn der Wind die leichten Sandkörner aufwirbelte und gegen die Fassaden trieb.

Vor dem Saloon standen noch die sechs Gäule am Hitchrack. Die Sonne stand im Südwesten. Langbeinig und mit ausdrucksloser Miene schritt James Holding die Main Street hinunter.

Dann war er durch eines der großen Frontfenster des Saloons zu sehen. Er blieb stehen und heftete seinen Blick auf die Pendeltür.

Im Saloon sagte Dave Lockhardt mit dem Unterton einer wilden Vorfreude: "Er ist da, Bruder. Gehen wir hinaus."

Tom Holbrock, einer der anderen Kerle, knurrte: "Sollten wir uns nicht doch bereit halten, Matt? Du darfst diesen alten Knochen nicht unterschätzen. Du weißt nicht, wie gut er wirklich ist. Wir kennen ihn nur aus den Storys, die über ihn erzählt werden. Vielleicht sollten wir ..."

Matt Lockhardt schnitt ihm mit einer lässigen Handbewegung das Wort ab. "Den blase ich mit dem ersten Schuss auf den Mond, Tom. Keine Sorge. Der kriegt nicht mal seinen Colt heraus."

Tom Holbrock schaute skeptisch.

Matt Lockhardt trank sein Glas leer. Dann setzte er sich in Bewegung. Während er der Tür zustrebte, schob er den Mantelschoß über den Revolverknauf zurück. Er lüftete das Eisen etwas im Holster und drückte den Griff nach außen.

Mit den Handballen stieß er die Türpendel auseinander. Dann stand Lockhardt auf dem Vorbau. Er reckte seine Schultern.

James Holding war mitten auf der Main Street stehen geblieben.

Dave Lockhardt war seinem älteren Bruder bis zur Tür gefolgt. Über die geschwungenen Ränder beobachtete er Holding. Daves Faust hatte sich am Coltknauf festgesaugt.

Matt Lockhardts Sporen klirrten leise. Die Bohlen des Vorbaus ächzten. Er stieg die Stufen hinunter. Er zeigte James Holding die Zähne. "Du kommst ohne deinen Stern, Sheriff", rief er. "Befürchtest du, ich könnte in das Symbol für Recht und Ordnung ein Loch stanzen?"

Er grinste scharf.

"Nein", murmelte Holding, "diese Sorge habe ich nicht. – Ihr habt das Ultimatum verstreichen lassen, Lockhardt. Die Viertelstunde ist um. Hab ich euch nicht versprochen, jeden einzusperren, der bis zum Ablauf der 15 Minuten die Stadt nicht verlassen hat?"

Sie standen sich auf eine Distanz von zehn Schritten gegenüber. Eine tödliche Distanz. Und es würde gar nicht so sehr darauf ankommen, wer schneller den Colt in der Faust hatte. Maßgeblich war, wer über die besseren Nerven verfügte.

"Yeah", kaute Lockhardt hervor, "du hast ziemlich große Töne gespuckt, Holding." Er nahm, während er sprach, die Beine etwas auseinander, um festern Stand zu haben. Wie die Klaue eines Greifs schwebte seine Rechte über dem Revolverkolben. "Na denn, Sheriff. Warum versuchst du nicht, mich einzusperren?"

"Pass auf, Junge", sagte Holding. "Ich lege noch mal zwei Minuten dazu. Ergreif die Chance und reite. Wenn du mich zwingst, zum Colt zu greifen, wirst du Federn lassen."

Der Sheriff hatte es ruhig, sachlich und klar ausgestoßen.

Aber seine Worte waren in den Wind gesprochen. Das wusste er, kaum dass die letzte Silbe über seine Lippen gekommen war. Dieser Matt Lockhardt verfügte über jenen gefährlichen, selbstzerstörerischen Stolz, der ein Zurück nicht zuließ.

"Worte!", fauchte Matt Lockhardt. "Genug geredet, Sheriff!"

Er griff nach dem Colt. Blitzschnell zog er. Das Eisen flirrte aus dem Holster. Im Hochschwingen spannte Lockhardt den Hahn. Dann hatte er den langen Sechskantlauf in der Waagerechten. Der Colt bäumte sich auf in seiner Faust. Brüllend stießen Pulver, Rauch und Blei aus der Mündung.

James Holding zog ebenfalls sehr schnell. Es war eine fließende Bewegung von Schulter, Arm und Hand. Dabei trat er einen Schritt zur Seite. Als Lockhardt schon abdrückte, schwang er das Eisen hoch. Die Kugel Lockhardts pfiff an ihm vorbei. Holding feuerte nicht drauf los, sondern zielte kurz. Als Lockhardts Hand herumzuckte, um das Ziel neu aufzunehmen, donnerte Holdings Sechsschüsser. Eine ellenlange Mündungsflamme stieß auf Lockhardt zu. Das Geschoss fuhr ihm in die rechte Schulter. Er zuckte zusammen. Sein Finger krümmte sich zwar noch, aber die Kugel peitschte nur den Straßenstaub in die Höhe.

Die ineinander verschmelzenden Detonationen trieben auseinander und zerflatterten.

Lockhardt wankte. Seine Faust mit dem Colt war nach unten gesunken. Schmerz und Schreck verzerrten seine Züge und verdunkelten seine Augen.

"Matt!", brüllte Dave Lockhardt entsetzt und riss den Revolver aus dem Holster. Er drückte mit seinem Körper die Schwingtür auf und sprang ins Freie. Sein Colt stach ins Ziel. Holding starrte einen schrecklichen Sekundenbruchteil in die gähnende Mündung und reagierte. Er ließ sich einfach zur Seite kippen. Im Fallen feuerte er.

Wieder war die Stadt voll vom Donnern der Colts. Der Krach wurde von den Häusern zurückgeworfen. Aus James Holdings Coltmündung kräuselte ein feiner Rauchfaden. Dave Holding kniete auf dem Vorbau und hatte beide Hände vor der Brust verkrampft. Sein Eisen lag auf den Bohlen. Zwischen seinen Fingern quoll Blut hervor.

Die Waffe in James Holdings Faust deutete sofort wieder auf Matt Lockhardt. Der presste die linke Hand auf die stark blutende Schulterwunde. Schweiß perlte über sein Gesicht. Er atmete stoßweise. Seine Bronchien pfiffen.

Ein dumpfer Aufprall erklang, als Dave Lockhardt nach vorn auf das Gesicht kippte und reglos liegen blieb.

Aus dem Saloon kamen die vier Kumpane der Brüder. Ihre Mienen muteten verkrampft an. In ihren Gesichtern zuckten die Nerven. Ihre Colts steckten in den Futteralen.

Holding erhob sich.

Langsam, wie von Schnüren gezogen, drehte sich Matt Lockhardt um. Seine unterlaufenen Augen saugten sich am Körper seines Bruders fest. Der Colt lag noch in seiner kraftlosen Hand. Die Mündung wies zu Boden. "Dave", murmelte er brüchig. "Gütiger Gott ..."

Auf unsicheren Beinen setzte er sich in Bewegung. Er stolperte die Stufen hinauf.

Ringo Baxter drehte Dave Lockhardt auf den Rücken. Gebrochene Augen starrten ihn an. Die Kugel war dem jungen Sattelstrolch mitten in die Brust gefahren.

"Er ist tot", murmelte Baxter. Die drei Worte fielen wie Hammerschläge. Baxter sprach abgehackt, seine Stimme wies einen tonlosen Klang auf.

"Bruder ..." brach es über Matt Lockhardts bleiche Lippen. Er sank neben den Leichnam auf die Bohlen. Sein Oberkörper schwankte vor und zurück. Sein Colt polterte auf den Vorbau. Mit der blutverschmierten Linken griff er nach Dave und rüttelte ihn. Aus der Wunde in seiner Schulter pulsierte das Blut.

James Holding hatte den Colt geholstert. Er kam, das Gewehr an der Hüfte, näher. Der Sheriff ließ nicht für den Bruchteil einer Sekunde in seiner Wachsamkeit nach. Die Kerle zählten zur unberechenbaren Sorte. Holdings Zeigefinger lag um den Abzug. Die drei anderen Finger steckten im Repetierbügel.

Obwohl Holding einen gallenbitteren Geschmack in seiner Mundhöhle spürte, obwohl eine grenzenlose Verbitterung in ihm hochwallte, stieß er brechend hervor: "Den Jungen hast du auf dem Gewissen, Matt Lockhardt. Dein Ehrgeiz, mit meinem Tod zu Berühmtheit zu gelangen, hat ihn getötet. Er geht auf dein Konto. Er war dein Bruder. Falls ihr noch Eltern habt, wirst du ihnen wohl nie wieder in die Augen blicken können."

"Ich werde dir seinen Tod blutig vergelten, Holding", röchelte Matt Lockhardt. "Er war 24. Du wirst bezahlen."

Blutverlust und Schmerz und die daraus resultierende Schwäche übermannten Matt Lockhardt. Er verdrehte die Augen und fiel über seinen toten Bruder. Die Schatten der Besinnungslosigkeit glitten auf ihn zu. Er versank in der Dunkelheit, die sich in seinem Gehirn aufbaute.

Auf der Straße fanden sich Neugierige ein. Stimmendurcheinander erhob sich.

"Hol jemand den Doc her!", rief James Holding. An die Kumpane der beiden Brüder gewandt gab er zu verstehen: "Den Toten werden wir hier begraben. Um Matt Lockhardt wird sich der Doc kümmern. Ihr vier aber verschwindet. Und zwar auf der Stelle."

Ben McKane maß Holding mit einem sengenden Blick. "Dass du seinen kleinen Bruder erschossen hast, wird Matt nicht schlucken. Ich schätze mal, es wird keinen Ort auf dem Erdball geben, an dem er dich nicht aufstöbern wird."

"Dann ist er ein Narr", versetzte James Holding kalt.


*


Am nächsten Morgen verließen James Holding und seine Tochter die Stadt. Holding hatte einen Wagen erstanden, auf den er ihre Habseligkeiten und einige Haushaltsgegenstände verstaut hatte. Sein Pferd hatte er an das Fuhrwerk geleint. Auf der Ladefläche lag sein alter, gebrochener Sattel. Es war einer jener leichten Schlutterwagen, wie ihn die Armee und auch die Rancher verwendeten.

Holding führte die Zügel des Zweiergespanns. Eine lange Peitsche steckte in der Halterung. Neben dem Mann saß Samantha auf dem Kutschbock. Auf dem Kopf trug sie einen kleinen Stetson mit schmaler Krempe.

Die Räder mahlten durch den Sand. Die Achsen quietschten in den Naben. Das Fuhrwerk ächzte und rumpelte. Noch wallten die Morgennebel über dem Fluss. Aber die Natur war schon zum Leben erwacht.

Ein Mann lief in die Straße und fiel einem der Gespannpferde ins Geschirr. James Holding stemmte sich gegen die Zügel. Der Wagen stand.

"Gibt es nichts, was dich bewegen kann, zu bleiben, James?", fragte der Mann.

Gemächlich schüttelte James Holding den Kopf. "Ich bin zu alt geworden für diesen Job, Carter", gab er zu verstehen. "Meine Augen sind nicht mehr die besten. Wenn ich die Zeitung lese, verschwimmen die Buchstaben vor meinem Blick. Nein, Carter, nichts auf der Welt kann mich dazu bewegen, in Winslow noch länger den Stern zu tragen. Außerdem bin ich es leid, ständig wegen meines Rufes dazu gezwungen zu werden, zum Eisen zu greifen und Blut zu vergießen. Denk nur an die beiden jungen Narren von gestern."

Carter, der Friedensrichter von Winslow, nickte schwerfällig. "Ich verstehe dich, James. Yeah, sucht euch einen Platz, an dem ihr Ruhe habt. Du hast genug geleistet in deinem Leben."

Er trat zur Seite.

Der Wagen rollte wieder an.

"Good luck!", rief Carter hinterher.

"Adios!", rief Holding.

Er schaute sich nicht mehr um. Die Stadt versank hinter ihnen im Dunst, der Vorbote der quälenden Tageshitze war.

Sie zogen nach Osten. Die Wildnis nahm sie auf. Das Land, das sie umgab, war ausgedörrt und tot. Kaum ein Windhauch regte sich. Rötliche Felsen in allen Größen und Formen buckelten aus den Ebenen. Hügel mit gleißenden Sand- und Geröllhängen erhoben sich. Braunverbranntes, verstaubtes Büffelgras zog sich, soweit das Auge reichte. Comas, Ocotillos, Mesquitesträucher und Kakteen bildeten die Vegetation. Hier und dort stand eine einsame Korkeiche mit ausladenden Ästen.

Es war ein schönes Land, aber auch ein wildes Land. Als es geschaffen wurde, musste der Satan die Hand im Spiel gehabt haben. Es war auch ein Land voll tödlicher Gefahren ...

Ein Reiter folgte der deutlichen Spur, die das Gespann zog. Sein Name war Vince Hunter. Er war der vierte Mann des Quartetts, das mit Matt und Dave Lockhardt nach Winslow gekommen war.

Er hielt sich in sicherer Entfernung hinter dem Fuhrwerk. Geschickt nutzte er den Schutz der Hügel, Felsen und Bodenwellen aus. Holding und Samantha bemerkten den Burschen nicht. Vor Vince Hunter lag klar und deutlich die Fährte, die die Pferde und der Wagen ins staubige Gras zogen ...


*


Zwei Wochen waren vergangen. Das Fuhrwerk rumpelte zwischen die ersten Häuser von Lincoln. Es war um die Mittagszeit. Der Himmel war bewölkt. Es hatte in der Nacht geregnet. Das Land dampfte. Der knöcheltiefe Staub der Main Street Lincolns hatte sich in Morast verwandelt. Es war lähmend schwül. Zu beiden Seiten der Straße waren die Häuser wie Perlen an einer Schnur aufgereiht.

Waco Jordan hatte in der Stadt mit stählerner Faust aufgeräumt. Er hatte die verbrecherischen Umtriebe und das lichtscheue Gesindel mit Pulverdampf und Blei aus der Stadt hinausgefegt. Sein Erzfeind Stan Stryker lag sechs Fuß unter der Erde. Er hatte ihn in Carrizozo gestellt und erschossen. Den zwergenhaften, korrupten Town Mayor Elwell Coldwater hatten die Bürger geteert und gefedert. Er hatte bei Nacht und Nebel die Stadt verlassen und lebte nun in Alamogordo, wo er eine Zweigstelle seines Handelshauses betrieben hatte.

Jetzt war Lincoln eine ruhige, beschauliche Stadt geworden.

Einige Passanten blieben stehen und beobachteten neugierig die Ankömmlinge. Eine Gruppe junger Burschen hatte nur Augen für die rassige Samantha. Einer pfiff anerkennend zwischen den Zähnen.

Bei einem großen Gebäude, dessen Tür und die Fenster mit Brettern vernagelt waren, zügelte James Holding die Pferde. Sie blieben stampfend stehen, prusteten. Ein großes Schild stand auf dem Vorbaudach. In riesigen Lettern war 'Lonesome Rider Saloon' darauf gepinselt.

James Holding schaute nachdenklich. Dann ließ er seinen Blick die Straße hinunterschweifen. Gedankenverloren meinte er: "Das wäre doch was für uns, Samantha. Ein Saloon. Sieht verlassen und herrenlos aus. Ich werde mal Erkundigungen einziehen."

"Denkst du, wir sind am Ziel, Dad?", fragte das Girl hoffnungsvoll.

"Möglich", murmelte er, und es klang noch immer ziemlich versonnen. Er befeuchtete sich mit der Zungenspitze die Lippen. "Ja, Sam. Ich glaube, das ist eine Stadt, in der wir uns wohlfühlen und leben können. Was meinst du?"

Die Gruppe junger Burschen schlenderte heran. Sie grienten schief und ein wenig verlegen. Ihnen war nicht entgangen, dass James Holding immer wieder seinen aufmerksamen Blick über die Fassade des Saloons gleiten ließ.

Die Chance, sich das schöne Girl auf dem Kutschbock aus der Nähe anzusehen, war günstig. Sie ergriffen die Gelegenheit beim Schopf. Einer wies auf das Gebäude, als Holding den Blick seiner pulvergrauen Augen auf ihn richtete, und sagte:

"Den Bau können Sie ersteigern, Mister. Der Besitzer ist tot. Unser Marshal hat ihm das Licht ausgeblasen. Er war ein Hur..." Er brach ab, schaute das Girl betreten an und errötete. "Er war ein Hundesohn. Es ist gut, dass er vom Antlitz der Erde verschwunden ist. Allerdings hinterließ er keine Erben ..."

Die Burschen verschlangen Samantha geradezu mit den Augen. Ihre anzüglichen Blicke, die geile Gier in ihren Augen, bereiteten dem Mädchen fast körperliches Unbehagen. Samanthas Blick irrte ab.

"An wen muss ich mich wenden?", fragte Holding.

"Gehen Sie zum Marshal, Sir. Er heißt Waco Jordan. Das Office ist gleich ein Stück weiter auf der rechten Straßenseite. – Heh, Mister, werden Sie und die junge Lady bleiben?"

Holding grinste. "Das werde ich Sam entscheiden lassen. Aber nachdem ihr sie mit euren Blicken regelrecht ausgezogen habt, sie aber ein ehrenwertes Mädel ist, wird sie es wohl vorziehen, dieser Stadt wieder den Rücken zu kehren."

Die Kerle schauten betroffen.

Samantha errötete bis unter die Haarwurzeln.

James Holding ließ die Zügel auf die Rücken der Zugpferde klatschen. Sie zogen an. Einer der vorlauten Burschen rief:

"Heh, Stranger, heißt die Kleine wirklich Sam?"

"Samantha, junger Freund, sie heißt Samantha", rief Holding nach hinten.

Auf dem Vorbau des Marshal's Office saß Jacob Morgan, der alte, kauzige Assistant Marshal von Lincoln, im Schaukelstuhl. Er hatte vor sich hingedöst. Das Knarren und Ächzen des Fuhrwerks und das Quietschen der Achsen rissen ihn aus dem Halbschlaf. Jacob blinzelte wie eine Eule und zeigte die verkniffene Mimik eines schlechtgelaunten Turmfalken.

Der erhob sich und kam zum Vorbaugeländer. Die Hose, die von zwei breiten Hosenträgern gehalten wurde, schlackerte um seine dünnen Beine. Trotz der Hosenträger rutschte sie ihm immer wieder über die knochigen Hüften hinunter. Eine braune Stoffweste wurde auf der linken Seite vom Stern nach unten gezogen.

Das Gespann verhielt vor dem Office. James Holding tippte an die breite Krempe seines schwarzen, flachkronigen Stetson. "Good day, Marshal. Mein Name ist Holding." Er wies mit einer knappen Bewegung seiner Rechten auf das Girl. "Meine Tochter Samantha. Wir sind fremd hier ..."

"Klar", grummelte Jacob. "Andernfalls würde ich euch ja kennen." Er bewegte die Kiefer, als hätte er einen Priem zwischen den Zähnen. "Ich bin nicht der Marshal", erklärte er dann mit der krächzenden Stimme eines kranken Raben. "Der hat im Moment eine wichtige Mission zu erledigen und ist nicht in der Stadt. Wollten Sie zu ihm, Holding?"

"Yeah", versetzte James Holding. Er schaute an Jacob vorbei auf ein großes Plakat, auf dem ein Mann namens Ernest Wallace für seine Wahl zum Town Mayor von Lincoln warb. Holding registrierte es, dachte aber nicht darüber nach. Er schenkte seine Aufmerksamkeit wieder Jacob Morgan. "Ja, ich wollte den Marshal sprechen, und zwar wegen des Saloons, der versteigert werden soll. Sam und mir gefällt diese Stadt. Wir möchten hierbleiben. Und ein Saloon wäre doch eine solide Existenzgrundlage."

Jacob kratzte sich hinter dem Ohr. Seine grauen Raubvogelaugen taxierten Holding. "Der Lonesome Rider", murmelte er dann wie für sich. "Ja, der kommt unter den Hammer. War 'ne üble Kaschemme. Der Boss war ein niederträchtiger Verbrecher." Jacob beugte sich ein wenig über das Geländer. "Sie möchten den Saloon erwerben?"

"Warum nicht?", kam sogleich die Gegenfrage. "Wann kommt der Marshal zurück?"

"Wenn er den Druck in seinen ..." Erschreckt hielt Jacob inne. Er warf Samantha einen betretenen Blick zu. Dann drehte er den Kopf und schaute nach Osten, wo auf der anderen Seite des Rio Bonito die Shining Star Ranch lag. "Wenn er seine Mission erfüllt hat", endete er dann und kicherte.

James Holding schaute etwas verständnislos. Schließlich reckte er die Schultern. "Wann wird das sein?"

Jacob massierte sich mit Daumen und Zeigefinder das spitze Kinn. Er schaute wie ein listiger Fuchs. "Das kann man nie so genau sagen. Das kommt auf seine Tagesform an. Nun, Holding, wenn Sie zu bleiben gedenken, werden Sie sicherlich im Hotel für sich und Ihre Tochter ein Zimmer mieten. Ich schicke Waco Jordan zu Ihnen, wenn er müde vom langen Ritt –" Jacob lachte glucksend, "– in die Stadt zurückkehrt."

Die Verständnislosigkeit in Holdings Augen vertiefte sich. Er wechselte mit Samantha einen schnellen, viel sagenden Blick. "Gibt es in dieser Stadt mehr lustige Burschen von Ihrer Art, Oldtimer?", fragte Holding dann trocken.

Details

Seiten
Erscheinungsjahr
2022
ISBN (eBook)
9783738966060
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (Oktober)
Schlagworte
mann arizona pete hackett western edition

Autor

  • Pete Hackett (Autor:in)

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Titel: Der Mann aus Arizona: Pete Hackett Western Edition 71