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Trevellian und die heiße Fracht: Action Krimi

von Pete Hackett (Autor:in)
©2022 250 Seiten

Zusammenfassung

Krimi von Pete Hackett

Stattner ist V-Mann des FBI und meldet FBI-Agent Trevellian, er habe beobachtet, dass einige junge Frauen an Pier 26 illegal an Land gebracht wurden. Am nächsten Tag wird Stattner erschossen in seinem Auto gefunden. Die Agenten Trevellian und Tucker haben kaum Anhaltspunkte, um den Mord zu klären. Dann aber wird ein junger Brasilianer gefunden, der brutal zusammengeschlagen wurde. Er ist auf der Suche nach seiner Schwester und behauptet, sie werde gezwungen, anschaffen zu gehen. Er redet von falschen Versprechen und einer Arbeitsvermittlung in Brasilien. Er nennt Namen von Personen und Nachtclubs und davon, dass seine Schwester ihn um Hilfe gebeten habe. Die beiden Agenten haben eine Spur.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Trevellian und die heiße Fracht: Action Krimi

Krimi von Pete Hackett



Stattner ist V-Mann des FBI und meldet FBI-Agent Trevellian, er habe beobachtet, dass einige junge Frauen an Pier 26 illegal an Land gebracht wurden. Am nächsten Tag wird Stattner erschossen in seinem Auto gefunden. Die Agenten Trevellian und Tucker haben kaum Anhaltspunkte, um den Mord zu klären. Dann aber wird ein junger Brasilianer gefunden, der brutal zusammengeschlagen wurde. Er ist auf der Suche nach seiner Schwester und behauptet, sie werde gezwungen, anschaffen zu gehen. Er redet von falschen Versprechen und einer Arbeitsvermittlung in Brasilien. Er nennt Namen von Personen und Nachtclubs und davon, dass seine Schwester ihn um Hilfe gebeten habe. Die beiden Agenten haben eine Spur.



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Alfred Bekker

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Kapitel 1

Auf dem Pier stand ein weißer Kastenwagen. Zwei Männer saßen im Führerhaus. Leise lief das Autoradio. Es war ein Uhr vorbei. Auf dem Hudson spiegelten sich New Yorks Lichter. Motorengeräusche erfüllten die Nacht. Der Beifahrer hatte das Fenster nach unten gekurbelt. Kühle Luft strömte ins Führerhaus. Sie brachte den Geruch des Flusses mit sich.

»Warum können diese verdammten Arschgeigen nie pünktlich sein«, erregte sich der Bursche, der auf dem Beifahrersitz saß. Er holte eine Packung Marlboro aus der Brusttasche seines Hemdes, schüttelte einen der Glimmstängel heraus und schob ihn sich zwischen die Lippen. »Auch eine?« Er hielt dem Anderen die Schachtel hin.

»Nein, danke. Ich will es mir abgewöhnen. Mittlerweile veranstalten sie auf die Raucher regelrechte Hexenjagden. Irgendwann werden sie das Rauchen unter Strafe stellen.«

Der Beifahrer zündete sich unbeeindruckt die Zigarette an und inhalierte tief den ersten Zug. Die Schachtel verstaute er wieder in der Brusttasche. »Wenn du mit dem Rauchen aufhörst, wirst du bald in keine Hose mehr passen.«

»Es ist gesünder, ein dicker Nichtraucher zu sein als ein schlanker Raucher.«

»Darüber streiten sich die Gelehrten.«

»Das ist erwiesen.«

»Alles nur Panikmache.«

Das Gespräch schlief wieder ein. Etwa fünf Minuten verstrichen. Auf dem Hudson tuckerte eine Yacht heran. Sie hatte den Namen Albatros. Der Bugscheinwerfer war auf den Pier gerichtet.

»Na endlich!«, sagte der Mann auf dem Beifahrersitz.

Die Yacht legte an. Ein Mann sprang an Land. Die beiden Burschen, die im Lieferwagen gewartet hatten, stiegen aus. Der Beifahrer schnippte den Zigarettenstummel ins Wasser. Der Bursche von der Yacht trat an sie heran. »Wartet ihr schon lange?«

»Es geht. Habt ihr die Ware?«

»Natürlich. Andernfalls hätten wir euch Bescheid gesagt. Habt ihr das Geld?«

»Auf den Cent genau.«

»Okay. Gib es mir.«

Der Fahrer des Kastenwagens ging zu seinem Fahrzeug und nahm einen Koffer heraus. Er gab ihn dem Mann vom Boot und sagte: »30.000 pro Nase. Insgesamt 180.000.«

»Bestell Jack, dass es schön ist, mit ihm Geschäfte zu machen.«

»Mach ich. Doch jetzt schick die Frauen heraus. Wir wollen sehen, dass wir weiterkommen.«

»Schickt die Frauen heraus!«, kommandierte der Mann von der Yacht mit lauter Stimme.

Der andere sagte: »Wenn ihr wieder Ware habt, dann meldet euch. Ihr findet in uns immer Abnehmer.«

Auf dem Boot wurde es lebendig. Die Tür des Aufbaus öffnete sich, ein Mann kam heraus, und ihm folgten nacheinander sechs junge Frauen auf Deck. Ein weiterer Kerl folgte. Die sechs Ladys kamen an Land. Sie schwiegen. Der Fahrer des Kastenwagens schnalzte mit der Zunge. Er konnte im unwirklichen Licht genug erkennen, um begeistert hervorzustoßen: »Scheint wieder erstklassige Ware zu sein. Jack wird zufrieden sein.« Er öffnete die Tür des Wagenaufbaus. »Einsteigen, Señoritas«, gebot er. »Wir machen eine kleine Spazierfahrt.«

Die jungen Frauen wurden auf die Ladefläche des Kastenwagens bugsiert. Dort standen Bänke, auf die sie sich setzten. Der Fahrer schloss die Tür. »Ihre Papiere brauche ich noch.«

Der Bursche, den er angesprochen hatte, gab einem der Kerle einen Wink. Dieser reichte dem Fahrer des Wagens ein großes Kuvert. »Sie wissen, dass sie illegal im Land sind. Ihr werdet keine Probleme mit ihnen haben. Die Girls wollen Geld verdienen.«

»Dann ist ja alles in Butter.«

Die Männer, die die jungen Frauen gebracht hatten, kehrten aufs Boot zurück. Die anderen beiden setzten sich in den Wagen, der Fahrer ließ den Motor an, die Scheinwerfer glühten auf, die Lichtfinger bohrten sich in die Dunkelheit hinein. Der Wagen wurde gewendet, dann fuhr er davon.


Ben Strattner lief zu seinem Ford, der im Schatten einer Lagerhalle parkte, riss die Tür auf und klemmte sich hinter das Steuer. Während er anfuhr, nahm er sein Handy aus der Tasche, holte eine eingespeicherte Nummer auf das Display und stellte eine Verbindung her. Viermal erklang das Freizeichen, dann sagte eine schlaftrunkene Stimme:

»Trevellian. Was ist los?«

»Hier ist Strattner. Ich habe die Übergabe der Mädchen beobachtet. Sie sind in einen Lieferwagen gestiegen, der jetzt in Richtung West Street fährt.«

»Wie viel Mädchen?«

»Sechs.«

»Hast du die Zulassungsnummer des Fahrzeuges?«

»Ja.« Strattner nannte sie und fügte hinzu: »Es ist ein Dodge-Transporter. Weiß. Ich folge ihm und halte dich auf dem Laufenden. Bin neugierig, wo die Girls landen.«

»Lehn dich nur nicht zu weit aus dem Fenster. Wir brauchen dich noch.«

Strattner lachte. »Unkraut vergeht nicht. Aber wem sage ich das?«

»Trotzdem, gib Acht.«

Strattner beendete das Gespräch.

Der Dodge fuhr auf der West Street nach Norden und bog in die Watts Street ein, fuhr bis zur Canal Street und folgte ihr bis zur Greene Street, in die er fuhr.

Der Fahrer des Dodge schaute immer wieder in den Außenspiegel. »Ich glaube, wir werden verfolgt, Charly«, sagte er schließlich. »Ein Ford. Er ist seit der West Street hinter uns. Das kann kein Zufall sein.«

»Fahr rechts ran.«

Der Fahrer des Dodge parkte. Charly stieg aus und lief im Schutz parkender Autos ein Stück auf dem Gehsteig zurück. Tatsächlich fuhr auch der Ford rechts ran. Der Fahrer blieb sitzen. Charly schlich sich von hinten an das Fahrzeug heran, riss die Tür der Beifahrerseite auf und ließ sich auf den Sitz fallen. Ben Strattner war dermaßen überrascht, dass er überhaupt nicht reagieren konnte. Die Mündung eines klobigen Schalldämpfers glotzte ihn an.

»Du!«, entrang es sich Charly überrascht. Plötzlich verzerrte sich sein Gesicht. »Du hast uns beobachtet.« Charlys Zähne knirschten. »Du verdammter Hund hast uns Sand in die Augen gestreut. Du bist ein verdammter Polizeispitzel.«

»Du irrst …«

Charly drückte ab.

Ben Strattner bekam die Kugel in die Brust. Der Schalldämpfer schluckte die Detonation. Strattner verspürte den furchtbaren Einschlag, wollte etwas sagen, aber seine Stimmbänder versagten. Schwindelgefühl erfasste ihn, und dann schwanden ihm die Sinne. Er sackte haltlos auf dem Sitz zusammen.

Charly nahm das Handy, das in der Ablage zwischen den beiden Sitzen lag, verstaute seine Pistole unter der Jacke und stieg aus. Er warf die Tür zu. Strattner saß in dem Wagen, als wäre er eingeschlafen. Es war ein Schlaf, aus dem es kein Zurück mehr gab.

Wenig später saß Charly wieder auf dem Beifahrersitz des Dodge. »Du kannst weiterfahren«, sagte er ohne die Spur einer Gemütsregung. »Strattner kann uns nicht mehr verpfeifen.«

»Wenn er uns nicht schon verpfiffen hat«, gab der Fahrer des Dodge zu bedenken.

Charly drückte einer jähen Eingebung folgend die Wahlwiederholungstaste des Mobiltelefons und hob es vor sein Gesicht.

»Okay, Ben, was gibt es Neues?«, ertönte es.

»Sie sind zum Pretty Flamingo in der Spring Street, SoHo, gefahren. Kannst du herkommen?«

»Ich bin schon auf dem Weg.«

»Gut. Ich warte auf dich.«

Charly beendete das Gespräch und grinste niederträchtig. »Wir werden dem Bullen eine Überraschung bereiten, die er so schnell nicht vergisst.«


*


Ich schöpfte keinen Verdacht. Schon eine Weile waren wir hinter Jack Benton her, den wir der Förderung der illegalen Prostitution und des Menschenhandels verdächtigten. Unser V-Mann Ben Strattner hatte Eingang in die Szene gefunden, und heute, so schien es, bekamen wir etwas in die Hand, um Benton endlich das schmutzige Handwerk zu legen.

Ich verspürte ein tiefes Gefühl innerlicher Zufriedenheit. Gut Ding will Weile haben, dachte ich und konnte nicht ahnen, dass ich in dieser Nacht noch durchs Fegefeuer gehen sollte.

Sekundenlang dachte ich daran, Milo anzurufen und zu mobilisieren. Diesen Gedanken verwarf ich wieder. Auch zu zweit waren wir zu schwach, um den Laden hochzunehmen. Ich wollte mich nur mal ein wenig umsehen dort.

Ich warf mir einige Hände voll Wasser ins Gesicht, kämmte mir mit den feuchten Fingern die Haare, zog mich an und fuhr mit dem Aufzug in die Tiefgarage. Wenig später trug mich der Sportwagen in Richtung Süden. Auf den Straßen war es um diese Zeit recht ruhig. Es heißt zwar, New York schläft nie, aber die meisten New Yorker lagen jetzt wohl doch in ihren Betten und hielten den Schlaf der Gerechten.

Ich fand das Pretty Flamingo auf Anhieb. Ein Flamingo über der Tür, der in gelbem Neonlicht erstrahlte, wies mir den Weg. Außerdem war der Name der Bar in roter Leuchtschrift an der Hauswand angebracht.

Ich fand einen Parkplatz. Einen Moment kamen mir Zweifel, und ich fragte mich, ob es nicht vielleicht doch besser gewesen wäre, im Field Office über meinen nächtlichen Einsatz Bescheid zu sagen. Ich beschloss, dies jetzt nachzuholen und stellte eine Verbindung her. Chef vom Dienst war ein Agent namens Floyd Winter.

»Hallo, Floyd, hier ist Jesse. Ich befinde mich in der Spring Street vor dem Pretty Flamingo. Sieht so aus, als wären hierher ein paar junge Frauen gebracht worden, die ein Mädchenhändlerring ins Land geholt hat. Ich will mich mal umsehen.«

»Bist du allein?«, fragte Winter.

»Ja.«

»Dann solltest du etwas zurückhaltend sein.«

»Ich melde mich wieder.«

Nach dieser Zusicherung beendete ich das Gespräch und verließ den Sportwagen.

Wenig später betrat ich die Bar. Auf einer Bühne tanzte an einer verchromten Stange ein Go-go-Girl zum Klang der Musik, die aus mehreren Lautsprechern tönte. Die meist männlichen Gäste starrten die Tänzerin an. Es waren lüsterne Blicke, vielleicht wäre gierig sogar der richtigere Ausdruck. Eine Bedienung, die ein Tablett mit leeren Gläsern und Flaschen trug, huschte an mir vorüber.

Im Gastraum gab es nichts, was mir auffällig erschienen wäre. Ich durchquerte ihn, ging an der Theke entlang, hinter der zwei Latinos standen und mich beobachteten, dann öffnete ich die Tür, die auf den Flur mit den Toiletten führte. Als die Tür hinter mir zufiel, umgab mich eine tiefe Ruhe. Es gab hier insgesamt vier Türen. Zwei auf der linken Flurseite waren als Toiletten gekennzeichnet. Am Ende des Korridors schwang sich eine Treppe ins obere Stockwerk. Da war auch eine Tür, die wahrscheinlich in den Hof führte.

Ich versuchte die beiden Türen auf der rechten Seite zu öffnen. Sie waren verschlossen. Langsam ging ich weiter und erreichte die Treppe. Oben war es ruhig. Ich fragte mich, wo sich wohl Ben Strattner, unser V-Mann befand. Warum hatte er sich mir nicht gezeigt, als ich vor dem Lokal angekommen war? Und einen kurzen Moment lang verspürte ich Beklemmung. Ich hatte keine Ahnung, worauf sich dieses Gefühl bezog, es war einfach da, und ich hatte Mühe, es zu überwinden.

Bei mir machte sich Anspannung bemerkbar. Die Stille hier mutete mich trügerisch an. Aus einem tiefen, verborgenen Teil meines Verstandes wurde eine Warnung an die Oberfläche gespült, doch ich wollte nicht auf diese innere Stimme hören. Mein Jagdtrieb war erwacht.

Ich stieg die Treppe empor. Als ich unten Schritte hörte, hielt ich an. Eine Tür klappte. Dann war es wieder still. Ich ging weiter. Die eine oder andere Stufe knarrte unter meinem Gewicht. Dann stand ich in der ersten Etage. Da waren zwei Wohnungstüren. Ich lauschte an der einen. Nichts! Auch hinter der anderen war nichts zu hören.

Ärger stieg in mir in die Höhe.

Warum hatte mich Strattner hierher bestellt?

Und warum meldete er sich nicht mehr?

Ich ging wieder nach unten und verließ das Gebäude durch die Hintertür. Draußen atmete ich tief durch. Die innere Stimme, die mich warnte, war verstummt.

Im Hof war es stockfinster und es dauerte einige Sekunden, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Dann sah ich die Umrisse zweier Autos. Es handelte sich um Personenwagen. Matt schimmerte der Lack. Ich ging an der Wand entlang, erreichte die Ausfahrt, hielt an und nahm mein Mobiltelefon zur Hand. Im nächsten Moment hatte ich Strattners Nummer auf dem Display und drückte den grünen Knopf. Das Freizeichen ertönte. Strattner meldete sich nicht.

Mein Ärger verflüchtigte sich. Sorge begann sich in mir einzunisten.

Ich steckte mein Handy in die Tasche und kehrte auf die Straße zurück. Als ich den Sportwagen erreichte, löste sich aus dem Schatten eines Gebäudes eine Gestalt. »He!« Es war eine dunkle Stimme, die mich anrief. Der Mann erregte meine Aufmerksamkeit. Einzelheiten konnte ich nicht erkennen. In mir begannen wieder die Alarmglocken zu läuten. Meine Hand legte sich auf den Griff der SIG.

Plötzlich hörte ich auch hinter mir Schritte und ich warf einen Blick über die Schulter. Ein zweiter Mann kam schräg über die Straße auf mich zu. Derjenige, den ich zuerst wahrgenommen hatte, sagte klirrend: »Rühr dich nicht, Mister. Auf dich sind zwei Kanonen angeschlagen. Wir schießen dich in Stücke.«

Sekundenlang blockierte mein Verstand. Mein Instinkt für die Gefahr hatte mich im entscheidenden Moment im Stich gelassen. Mundhöhle und Kehle trockneten bei mir schlagartig aus. Sie haben Strattner erwischt und er hat ihnen erzählt, dass ich zum Pretty Flamingo komme!, durchfuhr es mich siedendheiß. O verdammt!

Der Kerl, der von vorne kam, baute sich vor mir auf. Jetzt sah ich ganz deutlich die Waffe, die er in der Hand hielt. Sie war mit einem Schalldämpfer ausgestattet. Das Gesicht des Burschen war nur ein heller Klecks in der Dunkelheit.

Etwas bohrte sich mir mit stählerner Härte in den Rücken. Der Kerl, der von hinten gekommen war, hatte mich erreicht. »Das ist die Quittung dafür, wenn man sich eines verdammten Spitzels bedient«, knurrte der Bursche. »Vorwärts, wir fahren ein Stück.«

Nach und nach nahm mein Herz den regulären Rhythmus wieder auf und meine Gedanken ordneten sich und begannen fieberhaft zu arbeiten.

Worten waren diese beiden Kerle sicher nicht zugänglich. Der Mann, der vor mir stand, zog mir die Pistole aus dem Holster und ließ sie unter seiner Jacke im Hosenbund verschwinden. Der Druck in meinem Rücken verstärkte sich. Ich zerbrach mir den Kopf, wie ich das Ruder zu meinen Gunsten herumreißen konnte. Aber angesichts der drohend auf mich gerichteten Pistolen rechnete ich mir keine Chance aus. Um Zeit zu gewinnen fragte ich:

»Was habt ihr mit Strattner gemacht?«

»Der hört schon die Engel singen!«

Ich erschrak bis in meinen Kern. »Ihr habt ihn umgebracht?«

»Er war ein dreckiger Polizeispitzel und hat bekommen, was er verdient hat.«

Der Bursche, der es sagte, sprach mit einer Kaltschnäuzigkeit, die ihresgleichen suchte.

Dass Strattner tot sein sollte, erschütterte mich. Ich hatte aber keinen Grund, an den Worten des Kerls zu zweifeln. Entsetzen durchfuhr mich kalt und scharf wie eine eisige Bö.

Sie dirigierten mich zu einem Buick. Ich musste mich auf den Rücksitz setzen. Einer der Kerle setzte sich neben mich, und währen mich sein Kumpan in Schach hielt, verband er mir die Augen. Dann ging die Fahrt los.

Wir fuhren wohl eine gute halbe Stunde, dann wurde der Buick angehalten. Ich musste aussteigen. Wir betraten ein Gebäude, es ging einige Treppen hinauf, ich zählte drei Stockwerke, dann waren wir am Ziel. Licht schimmerte durch das Tuch, das sie mir um die Augen gebunden hatten. Das Tuch wurde mir abgenommen. Einen Augenblick lang war ich geblendet und blinzelte.

Wir befanden uns in einem Wohnzimmer. Eine ockerfarbene Polstergarnitur war um einen niedrigen Glastisch herum gruppiert. Es gab einige Schränke und Boards. Drei Türen führten in andere Räume. In einem der Sessel und auf der Couch saßen zwei Männer. Beide hatten dunkle, gelockte Haare und braune Augen. Es handelte sich um Latinos. Sie musterten mich mit kalten Augen.

»Setz dich!«

Ich ließ mich – dem eisigen Wind meiner Gedanken ausgesetzt -, in einen der Sessel fallen. In der Magengrube spürte ich ein mulmiges Gefühl. Die beiden Kerle, die mich hergebracht hatten, sicherten die Tür.

»Der dreckige Spitzel hat mit dir telefoniert«, sagte der Mann auf der Couch. »Wer bist du?«

Leugnen hatte keinen Sinn. Denn ich hatte meinen Ausweis einstecken, und es war davon auszugehen, dass man mich durchsuchen würde. Also sagte ich: »Special Agent Trevellian, FBI New York.«

Ich hatte das Gefühl, als würde jedes Wort, das ich sprach, tonnenschwer wiegen. Die Tatsache, dass ich Polizist war, konnte mein Todesurteil bedeuten. Ich weigerte mich, diesen Gedanken, an dessen Ende etwas Dunkles und Unheilvolles stand, zu Ende zu führen.

Einer der Latinos sagte: »Euer Spitzel hat sich bei uns unter dem Namen Ben Strattner eingeschlichen. Wie hieß er wirklich?«

»Strattner war sein richtiger Name.« Ich schluckte mühsam, als mir bewusst wurde, dass ich von unserem V-Mann in der Vergangenheit sprach.

»Was hat dir Strattner erzählt?«

Auch im Hinblick darauf hatte ich keinen Grund, irgendetwas aus der Luft zu greifen. »Nicht viel. Er habe die Übergabe von einigen illegalen Einwanderinnen beobachtet, als nächstes sagte er mir, dass man die jungen Frauen zum Pretty Flamingo gebracht habe. Das war für mich Grund, zu der Bar zu fahren.«

Einer der Kerle, die mich hergebracht hatten, trat hinter meinen Sessel, seine Hand fuhr in meine Haare, er riss mir den Kopf in den Nacken, und einen Moment hatte ich das Empfinden, skalpiert zu werden. Ein gequälter Ton kämpfte sich in mir in die Höhe und brach aus meiner Kehle. »Du solltest die Wahrheit sagen«, herrschte er mich an.

»Das ist die Wahrheit«, stöhnte ich.

»Nannte Strattner irgendwelche Namen?«

»Nein.«

»Okay«, sagte einer der beiden Latinos. »Sie kommen mir sehr gelegen, Trevellian.« Er hatte den Blick auf mich gerichtet. Jetzt zeigte er ein hämisches Grinsen. »Zu Ihrer Orientierung, Trevellian, falls Sie Ihre Kollegen informiert haben. Das Pretty Flamingo ist die falsche Adresse.«

»Was sind das für Frauen?«, fragte ich.

Das Grinsen des Burschen wurde verkniffener. »Da du keine Gelegenheit mehr haben wirst, darüber zu reden, gibt es keinen Grund, es dir zu verschweigen. Es sind Girls aus Kolumbien, die in der Erwartung in die Staaten eingewandert sind, Arbeit zu bekommen und Geld zu verdienen.« Der Bursche lachte. »Geld werden sie verdienen. Viel Geld. Sie werden uns zu reichen Männern machen.«

»Illegale Prostitution«, knurrte ich. »Ihr nutzt die Hilflosigkeit dieser Girls schamlos aus …«

Der Bursche hinter mir schlug mir ins Gesicht. »Spar dir deine Moralpredigten.«

»Bringt ihn weg«, sagte der Kerl auf der Couch.

»Hoch mit dir.«

Ich wurde an den Haaren in die Höhe gezerrt und hätte am liebsten aufgeschrien. Als ich stand, löste sich die Hand des Kerls aus meinen Haaren. Dafür spürte ich wieder den harten Druck gegen die Wirbelsäule. Ich wurde aus dem Wohnzimmer bugsiert. Wir befanden uns in einem Treppenhaus. Hinter uns wurde die Tür geschlossen.

Mir war klar, dass ich auf mich alleine angewiesen war. Es wäre jedoch ein Fehler gewesen, zu resignieren und die Flinte ins Korn zu werden. Der Latino hatte es angedeutet. Ich sollte sterben. Sollte ich mich wie ein Hammel zur Schlachtbank führen lassen?

In mir erwachte der Widerstandsgeist, und der Selbsterhaltungstrieb, eines der ältesten Prinzipien der Menschheit, setzte sich durch.

Ich setzte alles auf eine Karte und wirbelte herum. Mit dem linken Unterarm schlug ich die Hand mit der Waffe zur Seite, mit der Rechten packte ich den Kerl an der Jacke und schleuderte ihn an mir vorbei die Treppe hinunter. Sofort wandte ich mich dem zweiten der Gangster zu, der drei Stufen über mir stand. Seine Gesichtszüge waren vor Überraschung regelrecht entgleist. Jetzt ließ er sein Bein hochschnellen. Er reagierte nahezu ansatzlos. Sein Fuß traf mich unter dem Kinn. Mein Kopf flog in den Nacken. Ich verlor das Gleichgewicht und machte unwillkürlich einen Schritt nach hinten, um es wieder zu erlangen, trat jedoch ins Leere, denn die nächste Stufe lag fünfundzwanzig Zentimeter tiefer.

Um nicht zu stürzen klammerte ich mich mit der rechten Hand am Geländer fest. Ich wurde halb herumgeworfen und prallte mit dem Rücken gegen die Wand. In diesem Moment bekam ich einen Tritt in die Seite. Die Luft wurde mir aus den Lungen gedrückt. Ich japste. Aus den Augenwinkeln sah ich den Kerl, den ich die Treppe hinuntergeschleudert hatte, wieder nach oben stürmen. Ich überwand mich und empfing ihn mit einem Tritt. Er brüllte auf. Da traf mich etwas mit Wucht am Kopf. Vor meinen Augen schien die Welt zu explodieren. Benommenheit brandete gegen mein Bewusstsein an, Nebel schlugen über mir zusammen. Ich sah nichts und schlug instinktiv um mich. Meine rechte Faust prallte auf Widerstand. Ein Aufschrei ertönte.

Doch dann wurden mir beiden Beine vom Boden weggerissen. Es polterte, als ich auf die Treppe stürzte. Und wieder bekam ich einen furchtbaren Schlag gegen den Kopf. Schlagartig riss mein Denken. Eine undurchdringliche Finsternis nahm mich auf.


*


Als ich erwachte, war es immer noch finster. Es dauerte einige Zeit, bis bei mir die Erinnerung einsetzte und ich mich besinnen konnte. Mir brummte der Kopf. Der Druck in meinem Schädel schien mein Hirn einzuengen. Das Denken fiel mir schwer.

Meine Hand tastete über die Schläfe und ich spürte es feucht und klebrig an meinen Fingerkuppen. Da war nicht nur eine Beule, sondern auch eine Platzwunde, aus der Blut sickerte.

Die Finsternis, die mich umgab, war tief und mutete fast stofflich an. Ich setzte mich auf. Schmerzende Stiche zuckten durch meinen Schädel. Es war eine Anstrengung, eine Überwindung, die all meinen Willen erforderte.

Benommenheit wollte wieder nach mir greifen. Kurze Zeit drehten sich feurige Kreise vor meinen Augen. Ich seufzte und befand mich wieder auf der Schwelle der Bewusstlosigkeit. Doch schon in der nächsten Sekunde gewann der Durchhaltewille die Oberhand und erfüllte meinen angeschlagenen Körper mit neuer Kraft. Ich überwand mich und konnte verhindern, erneut in die Tiefen der Besinnungslosigkeit gerissen zu werden.

Schließlich kämpfte ich mich auf die Beine und tastete mich durch die Finsternis. Da standen einige Schränke und Regale. Dann ertastete ich eine Tür. Sie war aus Stahlblech. Ich rüttelte am Türgriff. Vergebens. Die Finsternis um mich herum verstärkte das Gefühl von Einsamkeit und Verlorenheit.

O verdammt! Ich saß ziemlich in der Patsche.

Wo war ich?

Mir zog sich der Magen zusammen. Ich war den Kerlen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Und jetzt verfluchte ich meinen Leichtsinn, der mich dazu verführt hatte, alleine zum Pretty Flamingo zu fahren.

Ich war Gefangener des Mädchenhändlerrings. Und die Gangster hatten über meinem Kopf bereits den Stab gebrochen.


*


»Jesse hat gegen halb zwei Uhr angerufen«, sagte Floyd Winter. »Da befand er sich vor dem Pretty Flamingo. Er sprach von Girls, die ein Mädchenhändlerring ins Land geholt hatte, und wollte sich in der Bar ein wenig umsehen. Ich habe dann nichts mehr von ihm gehört, obwohl er zusagte, sich wieder zu melden.«

Es war neun Uhr. Die Agents hatten sich bei Mr. McKee zum morgendlichen Briefing eingefunden. Milo Tucker blickte sorgenvoll drein. Außer ihm waren noch ein halbes Dutzend weiterer Agents anwesend, unter ihnen Clive Caravaggio und Blackfeather.

Jesse war an diesem Morgen nicht an der Ecke erschienen, an der er Milo immer zusteigen ließ. Er war auch telefonisch nicht erreichbar. Es war, als hätte er sich in Luft aufgelöst.

»Die Bar liegt in der Spring Street, nicht wahr?«, fragte Milo.

»Ja«, bestätigte Winter.

»Ich werde mich dort mal umsehen«, versprach Milo.

Da läutete das Telefon auf dem Schreibtisch des Assistant Directors. McKee pflückte den Hörer vom Apparat und hob ihn vor sein Gesicht, meldete sich mit Namen und Dienststelle, dann lauschte er. Sein Gesicht straffte sich, seine Lippen wurden schmal. Schließlich bedankte er sich, legte auf, und sagte: »In der Greene Street wurde Ben Strattner gefunden. Er saß tot am Steuer seines Fahrzeugs. Strattner wurde erschossen.«

»Großer Gott!«, entfuhr es Milo. »Mit Strattner haben Jesse und ich zusammengearbeitet. Er war an Jack Benton dran, den Barbesitzer, den wir in Verdacht haben, dass er sein Geld unter anderem mit Förderung der illegalen Prostitution verdient.«

»Mit Prostituierten, die er aus Südamerika kommen lässt«, fügte Clive Caravaggio erklärend hinzu. »Die Mädchen werden in Kolumbien, Argentinien und Brasilien für einen Job in den Staaten angeheuert, dann bringt man sie illegal in die USA, nimmt ihnen die Ausweispapiere weg und macht sie oftmals mit Rauschgift gefügig.«

»An so einer heißen Fracht war Jesse wohl dran«, murmelte Mr. McKee. »Wahrscheinlich ist Strattner aufgeflogen. Und er hat Jesse verraten …«

Milo schluckte. Den Kloß, der sich in seinem Hals gebildet hatte, vermochte er jedoch nicht hinunterzuwürgen. Seine eigene Stimme kam ihm fremd vor, als er hervorpresste: »Also müssen wir wohl das Schlimmste annehmen.«

Die Kollegen und Mr .McKee starrten ihn wortlos an. Die Gesichter waren Spiegelbild der Empfindungen, in denen die Agents und der AD trieben.

»Mal bloß den Teufel nicht an die Wand«, entrang es sich Clive Caravaggio, und seine Stimme klang belegt.

Milo fuhr sofort in die Spring Street. Aber der Club öffnete erst um 20 Uhr. Milo begab sich zur Gerichtsmedizin. Dort ließ er sich den Leichnam Strattners zeigen. Ein Zweifel war ausgeschlossen. Bei dem Toten handelte es sich um den V-Mann.

Der Tag wollte nicht vergehen. Wenn sein Telefon klingelte, riss Milo regelrecht den Hörer vom Apparat, in der Erwartung, die Stimme seines Kollegen Jesse Trevellian zu hören.

Seine Hoffnungen wurden jedes Mal aufs Neue enttäuscht.

Um 20 Uhr begab sich Milo in die Bar. Die Auftritte begannen erst um 21 Uhr. Milo sprach einen der beiden Keeper hinter der Bar an. Er beschrieb dem Mann Jesse. Der Bursche nickte und sagte:

»Dieser Mann war gestern in der Nacht hier. Es mag etwa zwei Uhr gewesen sein. Vielleicht ein wenig später. Er fiel mir auf, denn er setzte sich nicht, sondern verschwand sofort wieder durch die Hintertür und schaute sich um, als suchte er jemand. Er kam nicht wieder zurück in die Bar. Ich hab mir seinetwegen aber auch keine Gedanken gemacht.«

Milo trat hinaus in den Flur, von dem aus man in die Toiletten gelangte, ging zur Hintertür, überzeugte sich davon, dass sie offen war, dann stieg er die Treppe hinauf. Er läutete an einer der Wohnungstüren. Niemand öffnete ihm. Milo versuchte es an der anderen. Auch sie blieb verschlossen. Milo verließ die Kneipe wieder – und jetzt erst sah er ein ganzes Stück entfernt den roten Wagen am Fahrbahnrand. Er ging hin.

Es war Jesses Sportwagen.

Spätestens jetzt war Milo klar, dass seinem Freund etwas zugestoßen war. Er begriff es und eine Woge der Besorgnis überschwemmte seinen Verstand wie eine graue, alles verschlingende Flut.

Es gab selten eine Situation in Milos Leben, in der er sich so hilflos, so ohnmächtig vorgekommen wäre. Die Sorge um Jesse raubte ihm nahezu den Verstand.

Er rief Mr. McKee an. Der AD befand sich noch an seinem Arbeitsplatz. Zu Hause wartete niemand auf ihn. Seine Frau und seine Tochter waren tot. Brutale Verbrecher hatten sie vor vielen Jahren ermordet. Also hatte er das Field Office zu seinem zu Hause erklärt. »In der Nähe des Pretty Flamingo steht Jesses Auto, Sir«, gab Milo zu verstehen. »Einer der Keeper hat Jesse in der Nacht in der Bar gesehen. Er hat sie durch den Hinterausgang verlassen und ist nicht mehr aufgetaucht.«

»Haben Sie sich in der Bar umgesehen?«

»Ja. Im Stockwerk darüber gibt es zwei Wohnungen, die scheinbar leer stehen. Auf mein Läuten öffnete jedenfalls niemand. Es wäre vielleicht ganz gut, Sir, wenn wir den Laden einmal auf den Kopf stellen würden.«

»Sie haben sicher recht, Milo. Ich werde mit dem Police Departement Verbindung aufnehmen, damit man Ihnen Verstärkung schickt. Es kann eine Stunde dauern, Milo.«

»Ich warte, Sir.«

Milo setzte sich in den Chevy, den er sich im Fuhrpark des FBI ausgeliehen hatte. Gäste, zu neunzig Prozent männlichen Geschlechts, gingen in den Pretty Flamingo. Die Abenddämmerung senkte sich über New York. Die Spitzen der Wolkenkratzer glänzten rot im Widerschein der untergegangenen Sonne. In den Häuserschluchten nisteten schon die Schatten des Abends. Hinter den Fenstern der Wohnungen über der Bar blieb es dunkel.

Milos Handy klingelte. Er nahm das Gespräch an. Ein Sergeant Johnson meldete sich und erklärte, dass er mit einem Dutzend Männern in der Spring Street eingetroffen sei.

»Gut«, sagte Milo. »Postieren Sie drei Männer vor dem Lokal, drei sollen den Hinterausgang sichern. Mit dem Rest gehen wir hinein. Wir treffen uns beim Haupteingang.«

Milo stieg aus seinem Wagen und schloss die Türen ab. Vor der Tür in die Bar wartete er. Gleich darauf erschienen ein halbes Dutzend Männer in Zivil. Im Vorraum der Bar hielt sich ein Türsteher auf. Milo zeigte ihm seine ID-Card. Dann betrat er zusammen mit den Kollegen den Gastraum.

»Polizeirazzia!«, rief Milo. »Bleiben Sie auf Ihren Plätzen!«

Milo ging zur Theke. Sergeant Pete Johnson hielt sich neben ihm. Der Keeper, mit dem Milo vor gut einer Stunde schon einmal gesprochen hatte, sagte kehlig: »Ich habe es Ihnen an der Nasenspitze angesehen, dass sie 'n Bulle sind.«

»Special Agent Tucker, FBI New York«, sagte Milo. »Mein Kollege, den Sie in der Nacht sahen, ist spurlos verschwunden. Wer bewohnt die beiden Wohnungen in der ersten Etage?«

»Niemand. Die letzten Mieter sind vor einiger Zeit ausgezogen, weil ihnen der Lärm von der Bar zu laut war.«

»Haben Sie einen Schlüssel?«

»Nein.«

»Wem gehört diese Bar?«

»Virgil Duncan. Er besitzt drei solcher Etablissements. Hören Sie, Special Agent. Bei uns läuft nichts Illegales. Hier wird weder mit Drogen gehandelt, noch dulden wir Prostituierte. Hier wird nicht geraucht und wir schenken keinen Alkohol an Jugendliche aus …«

Milo winkte ab und wandte sich an Sergeant Johnson. »Kann jemand die Wohnungstüren oben öffnen?«

Der Sergeant nickte. »Ich habe eine Auswahl von Dietrichen dabei.«

»Kommen Sie.«

Milo und der Sergeant verließen die Bar und stiegen die Treppe empor. Johnson brauchte nicht mal eine Minute, um beide Türen aufzusperren. Die Wohnungen waren leer. Nicht ein Möbelstück stand in ihnen. Sie begaben sich in die zweite Etage. Beide Wohnungen dort waren bewohnt. Milo sprach mit den Mietern und ihm war klar, dass sie mit Jesses Verschwinden nichts zu tun hatten.

Sie durchsuchten auch noch den Keller. Dann brachen Sie die Aktion ab. Sergeant Johnson und seine Männer kehrten ins Police Departement zurück. Milo rief Mr. McKee an. »Es war ein Schuss in den heißen Ofen, Sir. Wir haben nicht den geringsten Hinweis auf Jesses Verbleib gefunden.«

»Dann können wir nur beten und hoffen, Milo.«

»Der Gedanke, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte, bringt mich fast um, Sir.«

»Nie die Hoffnung verlieren, Milo«, versuchte der AD den G-man zu trösten. Es klang nicht überzeugend. Dennoch fügte er hinzu: »Sie stirbt zuletzt.«


*


Das Licht ging an. An der Tür machte sich jemand zu schaffen. Ich stellte mich so, dass mich das aufschwingende Türblatt verbergen musste. Dann ging die Tür auf. Ich warf mich gegen das Türblatt und es traf auf Widerstand. Der Kerl, der den Raum betreten wollte, wurde regelrecht zur Seite gefegt.

Ich hatte nichts zu verlieren.

Sofort sprang ich hinter der Tür hervor. Eine Verwünschung ertönte. Der Bursche, dem ich einen Stoß versetzt hatte, kämpfte noch damit, sein Gleichgewicht zu bewahren. Ich packte ihn, wirbelte ihn herum, entwand ihm die Pistole und hielt sie ihm unter das Kinn.

Es spielte sich in Bruchteilen von Sekunden ab. Meine Gegner kamen wahrscheinlich nicht mal zum Denken.

Der andere Kerl, der im Türrechteck stand, schaute betroffen drein. Auch er hielt eine Waffe in der Faust.

»Fallen lassen!«, herrschte ich ihn an und richtete die erbeutete Pistole auf ihn.

Er schaute mich an wie ein Erwachender. Der Gangster, den ich festhielt, begann sich zu winden. Mein linker Arm schlang sich härter um seinen Hals. Er gurgelte.

»Hörst du nicht?«

Der Bursche in der Tür reagierte. Er bückte sich und legte die Waffe auf den Fußboden.

»Kommen Sie in den Raum!«

Wie von Schnüren gezogen setzte er sich in Bewegung. Ich drehte mich auf der Stelle und der Kerl, den ich festhielt, drehte sich mit mir.

»Gehen Sie bis zur Wand!«

Als der Kerl die der Tür gegenüberliegende Wand erreicht hatte, versetzte ich dem Burschen, den ich hielt, einen Stoß, und er taumelte auf seinen Kumpan zu. Ich huschte zur Tür hinaus, warf sie zu und drehte den Schlüssel, der steckte, herum. Dann löschte ich das Licht, hob die Pistole vom Boden auf und lief zur Treppe.

Hinter mir entstand höllischer Lärm, als die beiden Kerle begannen, mit Fäusten und Füßen die Stahlblechtür zu bearbeiten.

Im Korridor und auf der Treppe brannte Licht. Als ich die unterste Stufe betrat, erschien oben ein Mann. Er sah mich, seine Hand zuckte unter die Jacke, ich rief:

»Hände hoch!«

Er dachte nicht daran. Als seine Hand zum Vorschein kam, hielt sie eine Pistole. Ich feuerte. Sein rechtes Bein knickte ein. Im selben Moment drückte auch er ab, aber er verriss, und so strich seine Kugel nur über die Wand und hinterließ eine tiefe Furche. Die Detonationen schienen das Haus zu sprengen. Der Bursche zog sich zurück und warf die Tür zu.

Ich rannte die Treppe hinauf und stellte mich neben der Tür an die Wand, klinkte die Tür auf und versetzte dem Türblatt einen Stoß. Es schwang auf. Ein Schuss krachte. Die Kugel fuhr durch die Türöffnung und bohrte sich in die Wand. Kalkstaub rieselte zu Boden.

Ich setzte alles auf eine Karte und wirbelte um den Türstock herum, ging sofort auf das linke Knie nieder, um ein möglichst kleines Ziel zu bieten, schwenkte meinen Blick in die Runde und meine Hand mit der Pistole folgte der Blickrichtung. Im Zimmer war es hell. Durch die Fenster sah ich, dass draußen die Sonne schien.

Der Kerl hatte sich hinter einem Sessel verschanzt. Jetzt zuckte er hoch und feuerte auf mich. Ich warf mich mit dem Brechen des Schusses auf die Seite und schoss. Der Bursche bäumte sich auf, sein Mund öffnete sich zu einem Schrei, der allerdings im Kehlkopf erstickte, dann kippte er über die Sessellehne und rührte sich nicht mehr. Die Pistole war seiner Hand entglitten.

Ich erhob mich und hielt die Waffe auf den Kerl angeschlagen. Langsam näherte ich mich ihm. Als ich ihn berührte rutschte er von der Sessellehne und fiel zu Boden. Auf seiner rechten Brustseite vergrößerte sich schnell ein dunkler, feuchter Fleck.

Auf einem Board lagen meine persönlichen Dinge. Die SIG, mein Handy, das Etui mit meinem Dienstausweis …

Ich eignete mir meine Sachen an, dann verließ ich das Haus, um zu sehen, wo ich mich befand. Es handelte sich um ein Einfamilienhaus. Es hatte die Nummer 148. Ich musste nur noch herausfinden, in welcher Straße es lag, und erkundigte mich im benachbarten Gebäude. Der Mann, den ich fragte, schaute mich befremdet an, nannte mir dann aber die Straße. Ich befand mich in Queens, genau gesagt in der 55th Street. Ich konnte von hier aus die Williamsburg Bridge sehen.

Ich kehrte in das Haus mit der Nummer 148 zurück und rief im Field Office an. Gleich darauf hatte ich den Chef an der Strippe. »Jesse!«, entfuhr es ihm, als er meine Stimme hörte. »Dem Himmel sei dank!«

»Ich befinde mich in Queens, Sir, 55th Street Nummer 148. Es ist ein Einfamilienhaus. Drei Kerle haben mich bewacht. Zwei habe ich auf Nummer Sicher, einen dritten musste ich niederschießen.«

»Ich schicke Ihnen ein paar Leute, Jesse.«

»Vielen Dank, Sir. Sie erhalten von mir einen umfassenden Bericht.«

»Bis später, Jesse.«

Dann war die Leitung tot.

Zuerst kam eine Ambulanz. Der Gangster, der meine Kugel in der Brust hatte, wurde erstversorgt und abtransportiert. Nach einer Viertelstunde trafen zwei Streifenwagen ein. Und nach einer weiteren halben Stunde kamen Milo, Clive, Blacky, Sarah Anderson und Josy O'Leary.

Milo umarmte mich. »Ich befürchtete schon das Schlimmste.«

»Meine Zeit war noch nicht gekommen«, versetzte ich.

»Mag sein. Trotzdem hast du mir einen gewaltigen Schrecken eingejagt.«

Die beiden Gangster, die ich im Keller eingesperrt hatte, wurden gefesselt und ins Field Office gebracht. Clive Caravaggio forderte ein Team von der SRD an. Sarah und Josy blieben in dem Haus, um auf die Kollegen von der Spurensicherung zu warten, wir anderen fuhren zur Federal Plaza.

Die Erleichterung bei den Kollegen war groß, weil ich unversehrt aufgetaucht war. Ich musste erzählen, fasste mich allerdings ziemlich knapp, denn ich würde Mr. McKee umfassend Bericht erstatten und die Kollegen würden dabei sein.



Kapitel 2

Zum ersten Mal seit meiner Befreiung schaute ich auf die Uhr. Es war 11 Uhr vormittags. Mandy lächelte mich an. »Du möchtest sicher eine Tasse Kaffee, Jesse«, sagte sie.

»Ich bestehe darauf«, sagte ich grinsend, dann klopfte ich an die Tür des Chefs.

»Herein!«

Ich öffnete die Tür und betrat das Zimmer. Mr. McKee erhob sich von seinem Schreibtisch, umrundete ihn und kam auf mich zu, gab mir die Hand und sagte: »Der Himmel hat meine Gebete erhört, Jesse. Gott sei dank sind Sie gesund und unversehrt.«

Mir folgten Milo, Clive und Blacky in das Büro.

»Sie haben sicher sehr intensiv gebetet, Sir«, antwortete ich lachend. »Der Himmel konnte wohl gar nicht anders.«

Wir lachten. Es klang befreit.

»Setzen Sie sich«, sagte der AD und wies auf den kleinen Konferenztisch, um den einige Stühle gruppiert waren. »Und dann berichten Sie.«

Wir ließen uns nieder. Auch der Assistant Director setzte sich zu uns. »Ich erhielt gegen halb zwei Uhr in der Nacht einen Anruf von Ben Strattner«, begann ich. »Er erzählte mir, dass er die Übergabe einer gewissen Anzahl von Mädchen beobachtet habe und dass sie in einen weißen Lieferwagen gestiegen seien …«

Ich berichtete von dem kurzen Gespräch und von dem zweiten Anruf, auf den hin ich zum Pretty Flamingo gefahren war. Niemand unterbrach mich, und erst, als ich geendet hatte, sagte der Chef:

»Strattner ist tot. Sie haben ihn erschossen. – Die Frage ist nun, wo die Mädchen hingebracht wurden und wer sie ins Land holte. Außerdem wäre es für uns wichtig, zu wissen, wer zu dem Mädchenhändlerring gehört und wo dieser seinen Sitz hat, damit wir die entsprechende Polizeibehörde einschalten können.«

»Wer sie übernommen hat, glaube ich zu wissen, Sir«, sagte ich.

»Jack Benton, wie?«

»Genau.«

»Wir wissen es«, sagte Clive, »doch wir haben keinen Beweis.«

»Den zu erbringen gilt es«, sagte Milo.

»Leichter gesagt als getan«, ließ Blacky vernehmen.

»Vielleicht beantworten uns die beiden Kerle, die sich in unserem Gewahrsam befinden, die Fragen, auf die wir die Antworten suchen.«

»Nehmen Sie die Burschen in die Mangel«, meinte der Assistant Director.

Das übernahmen Milo und ich. Nachdem wir uns noch eine Zeitlang unterhalten und Mandys vorzüglichen Kaffee getrunken hatten, ließen wir einen der beiden in den Vernehmungsraum bringen. Er war dunkelhaarig, sein Name war Stan Douglas, sein Alter bezifferte er mit zweiunddreißig Jahren.

»Für wen arbeiten Sie?«, fragte ich, nachdem er seine Personalien angegeben hatte.

Douglas zögerte nicht lange. »Für Ramon Esteban.«

»Wer ist das?«

»Er ist Kolumbianer, lebt aber hier in New York. Esteban besitzt vier Bars. Ich bin im Dance Club in der 38th Street Türsteher.«

»Waren Sie dabei, als auf dem Pier die Frauen aus Südamerika übernommen wurden?«

»Nein. Damit haben wir nichts zu tun.«

»Wer dann?«

»Das kann ich Ihnen nicht sagen.«

»Können Sie nicht oder wollen Sie nicht?«

»Ich weiß es nicht. Darum.«

»Sie waren einer von denen, die mich vor dem Pretty Flamingo kassierten«, sagte ich. »Wem gehört das Haus, in dem ich festgehalten wurde?«

»Milt Cooper.«

»Das ist der andere Mann, den wir verhaftet haben.«

»Ja. Wir erhielten einen Anruf von Ramon. Er sagte uns, dass im Pretty Flamingo ein Polizist auftauchen würde, den Ben Strattner, der sich in die Gang von Allan Behrendt eingeschlichen habe, informiert habe. Ein dreckiger Schnüffler, sagte Ramon. Wir sollten ihn uns kaufen.«

»Sie waren zu dritt. Sie und Cooper. Wer ist der dritte Mann?«

»Herb Grant. Er war mit uns in dem Haus.«

Es war der Bursche, dem ich eine Kugel in die Brust geschossen hatte. »Wo wohnt Ramon Esteban?«

»East 54th Street, Nummer 243, sechste Etage.«

»War Esteban einer der Männer, die sich in dem Wohnzimmer befanden, in das ich gebracht wurde, nachdem ihr mich kassiert habt?«

»Ja.«

»Wer war der andere der beiden Kerle?«

»Pablo Montega.«

»Was hattet ihr mit mir vor?«

»Estebans Bruder sitzt in Sing Sing. Er wurde zu dreißig Jahren Gefängnis verurteilt. Ramon wollte ihn mit Ihnen freipressen. Allerdings sollten Sie …«

Stan Douglas brach ab.

»Was?«

»Der Austausch sollte nicht wirklich stattfinden. Sobald Fernando Esteban frei gewesen wäre, hätte Ramon Sie umbringen lassen.«

»Und Sie wissen nichts, was den Mädchenhändlerring anbetrifft?«, fragte Milo.

»Nein. Hin und wieder taucht in einer der Bars, die Ramon gehören, eine Neue auf. Meistens sind es Südamerikanerinnen. Manchmal ist auch 'ne Mexikanerin darunter. Die Girls sind zurechtgebogen …«

Ich wusste, was Douglas meinte. Er meinte damit, dass die Mädchen gefügig gemacht worden waren. Wie auch immer.

»Wer ist Allan Behrendt?«, fragte ich.

»Ein Gangster. Sein bester Freund heißt Charly Miles.«

Wir stellten Douglas noch eine Reihe von Fragen, die er uns zum größten Teil beantwortete. Dieser Bursche war ein kleines Licht, das war mir sehr schnell klar geworden. Er erledigte in der Bande dieses Ramon Esteban nur die Schmutzarbeit.

Nachdem wir ihn abführen ließen, läutete das Telefon im Vernehmungsraum. Es war Clive, der sagte: »Wir haben die Zulassungsnummer des Dodge-Transporters überprüft, Jesse. Der Wagen ist auf einen Mann namens Allan Behrendt zugelassen.«

»Auf diesen Namen sind wir soeben auch gestoßen. Er soll eine Gang anführen. Er scheint der Mann zu sein, der die Girls übernommen hat und der für Ben Strattners Tod verantwortlich ist. Hast du eine Adresse?«

»West 78th Street Nummer 198, fünfte Etage.«

»Sagt dir der Name Ramon Esteban etwas?«, fragte ich Steve.

»Nein. Wer soll das sein?«

»Sein Bruder Fernando sitzt für dreißig Jahre in Sing Sing. Mit mir sollte seine Freilassung erpresst werden.«

»Sagt mir nichts. Ich werde mich mal kundig machen.«

»Mach das.«

Milt Cooper wurde in den Vernehmungsraum geführt. Er war rotblond und sommersprossig. Cooper musste sich an den zerkratzten Tisch setzen. Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Eine trotzige Haltung …

»Sie sind Milt Cooper.«

»Wenn Sie's wissen, weshalb fragen Sie dann?«

»Wie alt sind Sie?«, fragte ich unbeirrt.

»Vierunddreißig.«

»Sie haben sich des Menschenraubes schuldig gemacht, der Nötigung, der Körperverletzung … Sicher findet der Staatsanwalt noch ein paar Delikte, die er ihnen ans Bein schmieren kann.«

Cooper zeigte erste Anzeichen von Unsicherheit. Er wich meinem Blick aus. Die Unterlippe hatte er zwischen die Zähne gezogen und er kaute darauf herum.

»Besonders erschwerend dürfte hinzukommen, dass Sie wussten, dass es sich um einen Polizisten handelt, den ihr gekidnappt habt.«

»Was wollen Sie? Sie wollen doch etwas von mir.«

»Ihr Kumpan hat uns einige Namen genannt.«

»Was für Namen?«

»Zum Beispiel Ramon Esteban.«

Cooper zuckte zusammen. »Das ist Stans Tod!«, entrang es sich ihm.

Unbeeindruckt fuhr ich fort: »Fernando Esteban, Allan Behrendt, Charly Miles.« Und ich fügte einen Namen hinzu, den Stan Douglas jedoch nicht genannt hatte. »Jack Benton.«

»Womit haben Sie Stan geködert?«

»Er hat von sich aus gesprochen. Ich weiß auch, dass ich sterben sollte, sobald sich Fernando Esteban in Freiheit befunden hätte.«

Milt Cooper zog den Kopf zwischen die Schultern. Seine Arme lösten sich aus der Verschränkung, er legte die Hände auf die Tischplatte und sah jetzt aus wie ein vorbildlicher Schüler. »Behrendt und Charly Miles sind zwei Gangster, die mit uns nicht viel zu tun haben.«

»Was ist mit Benton?«

»Den Namen habe ich schon einige Male gehört. Persönlich kenne ich ihn nicht. Ich kann Ihnen nichts über ihn sagen.«

»Sie arbeiten für Esteban. Womit verdient er seine Brötchen.«

»Er betreibt vier Bars in Manhattan. Ich bin Türsteher bei ihm.«

»Und einer seiner Männer fürs Grobe«, mischte sich Milo ein.

Cooper schien auf seinem Stuhl zu schrumpfen. Er verschränkte jetzt die Finger ineinander und begann seine Hände zu kneten.

»Wer hat Ben Strattner erschossen?«, fragte ich wie aus heiterem Himmel.

»War das der Polizeispitzel?«

»Er war V-Mann«, verbesserte ich den Gangster. »Wer ist sein Mörder?«

»Entweder Behrendt oder Miles. Ich weiß es nicht. Ich habe auch keine Ahnung, was im Vorfeld geschah. Stan wurde vom Boss angerufen und zum Pretty Flamingo zitiert. Wir sollten uns um einen Polizeischnüffler kümmern. Das haben wir getan.«

»Dann wissen Sie also nichts von den illegalen Einwanderinnen, von den Mädchen, die ins Land geholt werden, damit sie hier der Prostitution nachgehen?«

»Nichts Konkretes.«

»Was war das für eine Wohnung, in die ich gebracht wurde, nachdem ihr mich vor dem Pretty Flamingo kassiert habt?«

»Es war Stans Wohnung in der 31st Street. Dort warteten Ramon und Pablo Montega auf uns.«

»Wer ist dieser Montega?«

»Ramons rechte Hand.«

»Sie sagten, Sie wissen die Mädchen betreffend nichts Konkretes«, sagte Milo. »Erzählen Sie uns das Wenige, das Sie wissen.«

»Ich weiß nur, dass in nächster Zeit eine größere Lieferung in New York eintreffen soll. Ramon will einige der Ladys übernehmen. Ich hab das allerdings nur am Rande gehört. Ich gehöre nur zum Fußvolk und muss mit dem zufrieden sein, was ich so aufschnappe.«


*


Wir beschlossen, uns zuerst mit Ramon Esteban zu beschäftigen. Also fuhren wir in die 54th Street. Vor dem Gebäude mit der Nummer 243 parkte ich den Sportwagen, den ich in der Zwischenzeit in der Spring Street abgeholt hatte.

Sechste Etage. Wir nahmen den Aufzug. Fast lautlos glitt die Edelstahlkabine nach oben, die Türen gingen auf, wir traten in einen Korridor, der wie ausgestorben anmutete. Der Boden war gefliest. Die Wände im Treppenhaus waren weiß gekalkt. Es war hell und freundlich hier. Hier und dort standen Kübel mit exotischen Pflanzen. Die Mieten in diesem Haus waren sicher nichts für Otto Normalverbraucher.

Es gab auf dem Flur vier Wohnungen. Ein Türschild mit der Aufschrift R. Esteban zeigte uns an, wo wir richtig waren. Ich legte den Daumen auf die Glocke. Der Klingelton war durch die geschlossene Tür zu hören.

In der Wohnung blieb es still. Ich läutete noch einmal. Nichts! Einen Grund, um gewaltsam einzudringen, hatten wir nicht. Ich schrieb eine Vorladung und warf sie in den Briefschlitz der Tür. Danach sollte Esteban am kommenden Tag um 10 Uhr im Field Office vorsprechen.

Wir fuhren wieder hinunter. Als wir das Gebäude verließen, fuhr etwa fünfzig Yards entfernt ein Toyota aus einer Parklücke. Schnell kam der Wagen auf Touren. Als er auf einer Höhe mit uns war, wurde er abrupt abgebremst. Das Seitenfenster war nach unten gelassen. Das Gesicht eines Latinos war zu sehen. Und ich sah auch die Pistole, deren Lauf aus dem Seitenfenster ragte. Ich hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Meine Reaktion erfolgte instinktiv, von keinem bewussten Willen geleitet. Ich warf mich gegen Milo, riss ihn nieder, wälzte mich herum und griff nach der SIG. Zweimal krachte es. Der Knall wurde über uns hinweggeschleudert, von der Hauswand zurückgeworfen und verhallte schließlich.

Ich feuerte. Meine Kugel stanzte ein Loch in die Tür des Toyotas. Sofort rollte ich herum. Die Waffe in dem Wagen donnerte noch einmal. Da, wo ich eben noch gelegen hatte, zog die Kugel eine helle Spur auf den Gehsteig und jaulte als Querschläger davon. Dann gab der Toyotafahrer Gas. Der Wagen raste in Richtung Ninth Avenue davon. Ich kam auf die Beine. Auch Milo erhob sich. Ich sah, dass er seine Dienstwaffe gezogen hatte. Einige Autos, die hinter dem Toyota gefahren waren, hatten angehalten. Auch auf den Gehsteigen waren Passanten stehengeblieben, die sich auf das trockene Knallen keinen Reim machen konnten. Wer denkt denn schon an eine Schießerei.

Ich lief in die Straßenmitte. Mein Arm und meine Schulter bildeten eine gerade Linie, über die Zieleinrichtung der SIG hinweg folgte mein Blick dem Toyota. Aber er war schon an die fünfzig Yards entfernt und ich hätte nur meine Kugeln vergeudet. »Komm, Milo!«

Wir rannten zum Sportwagen und warfen uns hinein.

In diesem Moment schaltete die Ampel an der Ninth Avenue auf Rot um. Der Toyota war das dritte Auto vor der Ampel. Er scherte auf die linke Spur aus und fuhr einfach in die Ninth Avenue hinein. Dabei nahm er einem Wagen die Vorfahrt, dieser musste scharf abbremsen, der nachfolgende Fahrer konnte nicht mehr rechtzeitig reagieren und fuhr auf. Es gab einen dumpfen Knall, Glas klirrte, sofort setzte ein Hupkonzert ein.

Ich schaltete die Sirene ein, Milo setzte das Rotlicht aufs Dach. Der Toyota war in der Ninth Avenue verschwunden. Milo rief beim Police Departement an. Als er eine Verbindung hatte, sagte er: »Hier spricht Special Agent Milo Tucker vom FBI New York. Mein Kollege und ich befinden uns in der 54th Street und folgen einem grauen Toyota, der auf der Ninth Avenue in Richtung Süden fährt. Ich bitte Sie, nach meiner Anweisung Straßensperren zu errichten.«

Ich tastete mich in die Ninth Avenue hinein. Der Toyota fuhr gut hundert Yards vor uns. Beide Fahrspuren vor uns waren blockiert. Ich fädelte mich auf der linken ein und fuhr dicht auf den vor uns fahrenden Wagen auf. Meine Sirene war ja wohl kaum zu überhören. Der Fahrer des Mitsubishis vor uns setzte den Blinker und scherte dann auf die rechte Fahrbahn hinüber.

Milo hielt Kontakt mit dem Police Departement.

Der Toyota bog jetzt in die 49th Street ein. Milo sagte dem Kollegen Bescheid. Ich überholte noch drei Autos und ordnete mich dann rechts ein. Die Ninth Avenue war derart verstopft, dass die vor mir fahrenden Autos überhaupt keine Chance hatten, auszuweichen und mich durchzulassen.

Als wir in die 49th einbogen, stand der Toyota an der Ampel zur Tenth Avenue. Diese schaltete jetzt auf Gelb, dann auf Grün um. Die Autos fuhren an. Die Gangster wandten sich auf der Tenth Avenue nach Norden.

Ich fuhr auf der linken Fahrspur, schnitt vor einem Ford nach rechts und bog ebenfalls in die Tenth Avenue ab. Es ging jetzt wieder nach Norden. Der Vorsprung des Toyotas war geschrumpft. Zwischen ihm und uns befanden sich nur noch sechs Autos.

Ich wechselte auf die linke Spur.

»Der Toyota befindet sich auf der Tenth Avenue«, hörte ich Milo sagen. »Wir befinden uns auf Höhe der 51st Street.«

Es gelang mir, einige Autos zu überholen. Aber auch der Toyotafahrer gab Gas. Er fuhr einen regelrechten Slalom, überholte mal links, dann wieder rechts, schnitt andere Fahrzeuge und zwang sie zu Vollbremsungen.

Plötzlich kam der Verkehr ins Stocken, und dann stand die Autoschlange. Der Toyota war dermaßen eingekeilt, dass er nicht mehr vor und nicht mehr zurück konnte. Uns ging es allerdings nicht viel besser. Ich stellte die Sirene ab und jetzt hörte ich die Sirene eines anderen Einsatzfahrzeuges.

Milo und ich sprangen aus dem Sportwagen. Weit vorne, bei der Einmündung der 53rd Street, stand ein Patrouillenfahrzeug der City Police quer zur Fahrbahn und blockierte beide Spuren. Der Kollege im Police Departement hatte die Cops hergelotst. Und die hatten gleich den ganzen Verkehr südlich der 53rd lahmgelegt.

Im Geiste verlieh ich den Burschen in dem Fahrzeug einen Orden.

Milo und ich spurteten los.

Jetzt sprangen aber auch die beiden Insassen des Toyotas ins Freie. Sie sahen uns kommen und schossen. Ich konnte erkennen, dass es sich nicht um Latinos handelte. Wir gingen hinter stehenden Fahrzeugen in Deckung. Diese Kerle reagierten wie in die Enge getriebene Raubtiere. Sie waren bereit, sich ohne Rücksicht auf unbeteiligte Dritte den Fluchtweg freizuschießen.

Ich erhob mich soweit, dass ich über das Dach eines Autos hinwegspähen konnte. Die beiden waren verschwunden. Deckungsmöglichkeiten gab es hier zu hunderten. Über ein anderes Fahrzeug spähte Milo hinweg. Er schaute zu mir her und schüttelte den Kopf.

Ich lief zur westlichen Mündung der 53rd in die Tenth Avenue. Und da sah ich einen der Kerle die Straße hinunterrennen. Er hatte sich im Schutz der Autos in die 53rd geschlichen und versuchte sich nun abzusetzen. Er rannte in Richtung des De Witt Clinton Parks. Ich setzte zum Spurt an.

Die Füße des Burschen schienen kaum den Boden zu berühren. Aber auch ich gab Gas. Jetzt schaute sich der Gangster um und bemerkte, dass er verfolgt wurde. Er schien noch schneller zu werden. Meine Absätze trappelten. Auf den Gehsteigen bewegten sich Passanten, denen sowohl der Gangster als auch ich ausweichen musste. Daher beschloss ich, die Fahrbahn für meine Verfolgungsjagd zu benutzen. Ich kam dem Gangster langsam näher. Er erreichte die Eleventh Avenue. Dort rollte der Verkehr in beiden Richtungen. Der Bursche wandte sich noch einmal um. Ich hatte mich ihm bis auf etwa fünfzig Yard genähert. Er richtete die Pistole auf mich und ich sprang hinter ein parkendes Auto, obwohl mir auf diese Entfernung eine Kugel kaum etwas anhaben konnte. Dennoch wollte ich kein Risiko eingehen.

Der Gangster senkte die Hand mit der Waffe wieder und konzentrierte sich auf den Verkehr, der an ihm vorbeifloss. Hinter einem Pik up rannte er in die Straße, sprang einem Ford vor die Nase und nötigte den Fahrer, in die Eisen zu steigen. Dann erreichte er den Mittelstreifen und ließ einen roten Wagen vorüber, erreichte die äußere Fahrspur, flankte über die Motorhaube eines Volvo und erreichte die andere Straßenseite. Jenseits des Gehsteiges begann der Park mit dichten Büschen und alten, knorrigen Bäumen. Der De Witt Clinton Park ist im Vergleich zum Central Park ein Winzling, bildet aber dennoch eine der vielen grünen Lungen im Big Apple.

Ich kämpfte mich durch die Blechlawine, nötigte ebenfalls einen Autofahrer, scharf zu bremsen, bekam einen Vogel gezeigt, ließ auf der nächsten Fahrbahn einen Transporter vorbei und stürzte mich ins Getümmel. Ich stand mitten auf der Fahrbahn. Vor mir und hinter mir rollte der Verkehr nach Süden. Der Gangster war im Park verschwunden. Ich drohte vor Ungeduld zu platzen. Als eine Lücke in der Autoschlange entstand, legte ich einen Blitzstart hin und kam schließlich auch auf die andere Straßenseite.

Als ich zwischen die Büsche schlich, waren meine Nerven auf das Äußerste angespannt. Ich war darauf eingestellt, gedankenschnell zu reagieren, denn ich hatte das Gefühl, mich auf einem Präsentierteller zu bewegen.

Ich schob mich zwischen zwei dicht beieinander stehenden Büschen hindurch. Zweige peitschten zurück. Das Zweiggespinst war dicht ineinander verflochten und ich hatte das Gefühl, von knochigen Fingern festgehalten zu werden. Wie hineingeschmiedet lag die SIG in meiner Rechten. Die Spannung krümmte meine Gestalt.

Vor mir lag eine Wiese. Sie war von dichtem Buschwerk begrenzt. Auf der anderen Seite begann ein Weg, da stand auch eine Bank. Ich blieb stehen und bohrte meinen Blick in das Strauchwerk. Verkehrslärm umgab mich. Ich witterte wie ein Raubtier und ließ meinem Instinkt freien Lauf.

Mein Verstand warnte mich. Ich pirschte an den Büschen entlang, dumpf schlug mein Herz gegen die Rippen. Die Gefahr war allgegenwärtig. Als ich ein trockenes Knacken hörte, blieb ich wie angewurzelt stehen. Ich starrte in die Richtung, aus der das Geräusch herangesickert war.

Ich erreichte die andere Seite der Grünfläche, betrat den Weg und folgte ihm ein Stück. Kies knirscht unter meinen Sohlen. Der Weg war von Sträuchern gesäumt, dazwischen waren Rosenbeete angelegt worden. Süßlicher Geruch hing in der Luft. Ich hatte allerdings kein Auge für die Schönheiten, die der Park bot. Ich war angespannt bis in die letzte Faser meines Körpers.

Und plötzlich sah ich den Gangster. Er stand, halb verdeckt vom dicken Stamm einer Buche, am Rand des Kiesweges. Ich stieß mich ab. Da knallte auch schon sein Schuss. Ich feuerte, noch während ich durch die Luft flog. Mit beiden Beinen kam ich auf, stieß mich sofort wieder ab und landete im Schutz eines Busches. Eine ziemlich unzureichende Deckung. Der Gangster konnte mich zwar nicht sehen, aber er konnte den Strauch mit Kugeln eindecken und gegen einen Zufallstreffer war ich gewiss nicht gefeit.

Ich warf mich flach auf den Bauch.

Im letzten Moment. Der Kerl feuerte eine ganze Salve in den Strauch. Es war ein hämmerndes Stakkato. Zweige und Blätter segelten zu Boden. Heißes Blei pfiff wie giftige Hornissen über mich hinweg.

Ebenso abrupt, wie es begonnen hatte, brach das Feuer ab. Ich lag flach auf dem Bauch, bog mit der Linken das Zweiggespinst etwas auseinander, um besser sehen zu können, und sah den Burschen tiefer in den Park hineinrennen.

Ich schnellte auf die Beine, brach durch die Büsche und folgte ihm. Er wandte sich, ohne sein Tempo zu drosseln, um und feuerte auf mich. Ich schlug einen Haken. Sein Ziel waren einige Büsche. Ich hielt an, zielte sorgfältig und drückte ab. Sein Bein knickte ein wie eine morsche Zaunlatte. Er stürzte, rollte am Boden herum, sein Oberkörper zuckte hoch, er nahm mich unter Feuer. Ich rannte in den Schutz eines Baumes. Rinde spritzte, als eine Kugel den Stamm streifte.

Der Kerl kroch davon.

»Geben Sie auf!«, rief ich.

Er kroch weiter.

Ich jagte eine Kugel über ihn hinweg.

Er ließ sich nicht beirren. Und als ich aus meiner Deckung trat, wandte er sich sogar um und schoss auf mich. Dann erreichte er den Schutz der Büsche und verschwand aus meinem Blickfeld.

Ich hatte ihn getroffen. Aber der Gangster war noch in der Lage, sich zu verteidigen. Dass er von dieser Möglichkeit Gebraucht machte, hatte er bisher eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Er durfte nicht auf die leichte Schulter genommen werden.

Ich schlug einen Bogen. Wie ein Waldläufer pirschte ich zwischen Bäumen und Büschen dahin, ein Bündel angespannter Aufmerksamkeit, jeder meiner Sinne war aktiviert, meine Muskeln und Sehnen waren gestrafft. Die Atmosphäre schien vor Spannung zu knistern wie vor einem schweren Gewitter.

Ich spürte den Pulsschlag der tödlichen Gefahr …


*


Milo richtete sich auf.

In dem Moment kam auch der Gangster hinter einem Fahrzeug hoch. Er sah Milo und riss die Hand mit der Pistole in die Höhe. Der Schuss krachte, aber Milo war schon wieder auf Tauchstation gegangen. Die Kugel schrammte über das Autodach und hinterließ einen Kratzer.

Milo umrundete das Fahrzeug und rannte geduckt in die Richtung, in der er den Gangster gesehen hatte. Er musste den Burschen ausschalten. Rücksichtslos gefährdete der Kerl das Leben Unbeteiligter. Die Autofahrer hatten wahrscheinlich schon bemerkt, dass ihnen außerhalb ihrer Autos Gefahr drohte, und sie blieben in ihren Fahrzeugen sitzen.

Und jetzt sah Milo den Kerl erneut. Er rannte am Rand der Tenth Avenue südwärts.

»Bleiben Sie stehen!«, schrie Milo. Der Kerl war wohl fünfzig Yards von ihm entfernt.

Der Gangster rannte weiter. Milo nahm die Verfolgung auf. Auf der Tenth Avenue stand nach wie vor der Verkehr. Der Gangster erreichte die 52nd und rannte in sie hinein. Es handelte sich um eine Einbahnstraße, die nur in Richtung Osten befahren werden durfte. Die Beine des Gangsters wirbelten. Er war um die Ecke des Gebäudes, das an der Kreuzung stand, aus Milos Blickfeld verschwunden. Milo ließ die gebotene Vorsicht nicht außer Acht. Und er tat gut daran. Denn als er sich der Ecke auf zwanzig Yard genähert hatte, trat der Kerl dahinter hervor und begann sofort zu schießen. Milo sprang nach rechts, spürte den glühenden Hauch eines Geschosses auf der Wange, dann ging er hinter einem Auto in Deckung. Als er über die Motorhaube hinwegäugte, war der Gangster wieder hinter der Ecke verschwunden.

Milo lief an den stehenden Autos soweit entlang, bis er Einblick in die 52nd hatte. Der Gangster rannte in einer Entfernung von sechzig, vielleicht sogar siebzig Yard in Richtung Ninth Avenue. Plötzlich hielt er an, drehte sich um, sah Milo in die Straße laufen, hob die linke Hand und zeigte dem Agent den hochgereckten Mittelfinger, dann rannte er in das Haus, vor dem er stand.

Milo wusste nicht, ob der Kerl vielleicht in der Türnische nur darauf lauerte, dass er auf Pistolenschussweite herankam. Er schmiegte sich eng an die Hauswände und schob sich Yard um Yard an das Gebäude heran.

Der Gangster lauerte nicht.

Milo betrat das Haus. Im Treppenhaus roch es nach gebratenem Fleisch. Eine Treppe schwang sich nach oben. An ihr vorbei führte der Flur, in dem Milo stand, zur Hintertür. Milo lauschte. In dem Gebäude war es ruhig. Der G-man glitt an die Hintertür heran. Vorsichtig zog er sie auf. Milo konnte in den Hinterhof blicken. Er schob seinen Kopf durch den Türspalt. Drei Seiten des Hofes waren von Gebäuden begrenzt, die vierte von einer etwa zwei Yard hohen Mauer aus roten Backsteinen. An dieser Mauer standen zwei Müllcontainer.

Milo witterte eine Falle. Dennoch trat er in den Hof hinaus. Um seinen Mund lag ein angespannter Ausdruck. Er hatte keine Ahnung, was ihn erwartete, aber er harrte darauf, dass irgendetwas geschah, das die verdammte Anspannung von ihm nahm. Irgendwie hatte er das Gefühl, das Schicksal herauszufordern.

Aber es geschah nichts.

Der Gangster war fort.

Milo entspannte sich. Seine Hand mit der SIG sank nach unten. Er ging an der Hauswand entlang bis zur Ausfahrt und kehrte auf die Straße zurück. Seine Hoffnung konzentrierte sich darauf, dass es Jesse gelungen war, den anderen Kerl zu stellen.


*


Ich gelangte hinter den Gangster. Er lag auf dem Bauch und starrte in die Richtung, in der er mich vermutete. Ich bewegte mich so leise wie ein Panther, ahnungslos, wie der Bursche reagieren würde, wenn ich ihn anrief. Ich wollte so nahe wie möglich an ihn herankommen. Und dann stand ich hinter einem Baum, keine fünfzehn Yards von dem Gangster entfernt. Ich richtete die Pistole auf ihn.

»Schluss mit lustig!«, rief ich. »Lassen Sie die Waffe fallen!«

Es riss ihn regelrecht herum. Er richtete den Oberkörper auf. Seine Hand mit der Pistole zuckte hoch – ich schoss. Er fiel zurück. Ein Gurgeln erreichte mein Gehör, ein ersterbender Laut. Ich wartete einige Sekunden, dann setzte ich mich in Bewegung. Reglos lag der Bursche da. Ich hielt die Pistole auf ihn angeschlagen. Diese Sorte war mit äußerster Vorsicht zu genießen.

Als ich mich dem Gangster auf drei Schritte genähert hatte, sah ich den Blutfleck auf seiner Brust, die sich unter keuchenden Atemzügen senkte und hob. Ich ging neben dem Burschen auf das linke Knie nieder. Sein Atem ging rasselnd. Mit erloschenem Blick schaute er mich an. In seinen Mundwinkeln zuckte es. Mir war klar, dass ich es mit einem Sterbenden zu tun hatte.

In meiner Mundhöhle bildete sich ein galliger Geschmack. Ich hasste es, zu töten. Überhaupt widerte mich körperliche Gewalt an. Daher machte ich auch nur in Ausnahmefällen von der Schusswaffe Gebrauch. Aber manches Mal geriet man eben in Situationen …

Ich hatte in Notwehr geschossen. Der Gangster hatte mir nicht die Zeit gelassen, besonders sorgfältig zu zielen.

»Wer hat Sie geschickt?« Während ich fragte, griff ich in die Tasche und holte mein Handy heraus. Ich wählte die Nummer des Notrufs und bat, einen Notarzt und eine Ambulanz zu schicken.

Die Lippen des Verletzten bewegten sich, als flüsterten sie tonlose Worte. Spitz sprang die Nase aus dem bleichen Gesicht hervor.

Details

Seiten
Erscheinungsjahr
2022
ISBN (ePUB)
9783738965766
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (Oktober)
Schlagworte
trevellian fracht action krimi

Autor

  • Pete Hackett (Autor:in)

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Titel: Trevellian und die heiße Fracht: Action Krimi