Zusammenfassung
Der Thron von Cambalar 10
von Pete Hackett & Alfred Bekker
nach einem Exposé von Alfred Bekker
Im Reich von Cambalar rivalisieren ein Orden unsterblicher Krieger und das seherisch begabte Königsgeschlecht der Dwannuach um die Macht.
König Farban hält seine Verlobte Sargeria hin, um nicht schon die Hochzeit auszurichten. Die Bedrohung durch Verschwörung der Unsterblichen ist sehr real, und Farban will ihnen eine Falle stellen. Während dieses Feldzuges begegnet er Veja, der Frau mit den goldenen Augen, die in seiner Vision neben ihm auf dem Thron sitzt. Dann stellt sich ihm ein Ungeheuer in den Weg. Doch es gibt noch andere Mitspieler im Verborgenen: Die krakenartigen Ktoor, mit deren Sternenschiffen einst die ersten Menschen auf den Cambalar-Planeten kamen - oder der uralte Drache Siwaat, dessen Erscheinen am Himmel ein Zeichen sein kann und der über die Schicksale aller Geschöpfe zu wachen scheint.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Im Reich von Cambalar rivalisieren ein Orden unsterblicher Krieger und das seherisch begabte Königsgeschlecht der Dwannuach um die Macht.
König Farban hält seine Verlobte Sargeria hin, um nicht schon die Hochzeit auszurichten. Die Bedrohung durch Verschwörung der Unsterblichen ist sehr real, und Farban will ihnen eine Falle stellen. Während dieses Feldzuges begegnet er Veja, der Frau mit den goldenen Augen, die in seiner Vision neben ihm auf dem Thron sitzt. Dann stellt sich ihm ein Ungeheuer in den Weg. Doch es gibt noch andere Mitspieler im Verborgenen: Die krakenartigen Ktoor, mit deren Sternenschiffen einst die ersten Menschen auf den Cambalar-Planeten kamen - oder der uralte Drache Siwaat, dessen Erscheinen am Himmel ein Zeichen sein kann und der über die Schicksale aller Geschöpfe zu wachen scheint.
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© Roman by Author
nach einem Exposé von Alfred Bekker
© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
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Prolog

Die Welt von Cambalar ist sehr trocken und zu vier Fünfteln mit Land bedeckt. Es gibt zwei Binnenmeere, ein großes und ein kleines. Diese sind durch einen Fluss, den sogenannten Strom der Unendlichkeit miteinander verbunden. Er entspringt in einem für irdische Verhältnisse gewaltigen, unbesteigbaren und angeblich bis in die luftlose Dunkelheit des Kosmos emporragenden Gebirges, dessen Gipfel als Sitz der Götter der Unendlichkeit gilt. Von dort aus fließt der ‘Strom der Unendlichkeit’ zunächst in das Große Meer und anschließend in das Kleine Meer. Danach verliert er sich irgendwo in der Unendlichkeit einer steinigen Ödnis und Wüste. (Es gibt extreme Jahreszeiten und starke klimatische Schwankungen: Die Wüste darf man sich nicht wie die Sahara vorstellen, sondern eher wie die Gobi oder die Salzwüste von Utah, in der im Winter Schnee auf den Kakteen liegt.) Niemand weiß, wo der Strom der Unendlichkeit endet, denn die große Ödnis wird von nichtmenschlichen Kreaturen bewohnt, während sich die Menschen um die beiden Meere und die Flussverbindung dazwischen gruppieren.
Und niemand weiß, was jenseits des Gebirges ist. In den Höhenzügen unterhalb der Sphäre der Götter leben asketische Einsiedler-Mönche, die als Heilige gelten, sowie Kreaturen, die angeblich ohne Luft leben können: Geister, Dämonen und Gnome. Es hat diese Wesen aber kaum jemand je gesehen.
In der Wüste leben die Sandlinger - Menschen mit Echseneigenschaften, die offenbar sehr wenig Wasser brauchen. Sie kommen auch zum Handeltreiben in die Menschenreiche - oder zum Plündern. Man sieht nie ihre Gesichter, denn ihre Kleidung lässt kaum mehr als die Augen frei.
Das größte Reich auf dieser Welt ist das Reich von Cambalar. Cambalar ist der Name der Hauptstadt, die auf einer Insel mitten im Großen Meer liegt. Die gesamte Küste dieses Meeres wird von Cambalar beherrscht. Dieses Imperium muss nahezu ständig verteidigt werden: Gegen Barbaren am Rande der Ödnis, die sich manchmal mit den Sandlingern zusammentun oder auch gegen die Freien Städte am Kleinen Meer und das Königreich Tolvanea am Strom der Unendlichkeit. Die Bewohner Cambalars sind auf die Einfuhren aus ihren Kolonien rund um das Große Meer angewiesen.
Es wäre unmöglich für Cambalar, sich gegen alle Gegner an allen Grenzen auf einmal zu verteidigen. Aber erstens gehen die selten koordiniert vor (und sind untereinander fast immer verfeindet) und zweitens gehören die Könige Cambalars dem Geschlecht der Dwannuach an. Unter ihnen ist die Gabe der Voraussicht weit verbreitet. Die Grenze zwischen tatsächlicher seherischer Begabung und ausgeprägtem strategischen Denken ist dabei fließend. Manche Angehörige des Dwannuach-Adels vermögen zu sehen, was im nächsten Augenblick geschieht, andere sehen bis zu einem Monat weit in die Zukunft, wobei diese Zukunft kein unabänderliches Schicksal darstellt, sondern eher eine wahrscheinliche Möglichkeit.
Diese Fähigkeit ist Voraussetzung, um in Cambalar König sein zu können. Denn der König muss vorhersehen können, wo das Reich als nächstes angegriffen wird. Nur dann kann er seine Truppen rechtzeitig per Schiff an den richtigen Ort schicken und den Angriff abwehren.
Die Existenz des Reiches hängt davon ab, alle wissen dies.
Doch die Dwannuach-Könige von Cambalar regieren keineswegs nur aus eigener Herrlichkeit. Sie sind ihrerseits auf eine Truppe von Kriegern angewiesen, die als die Unsterblichen bezeichnet werden.
Und das sind sie tatsächlich! Durch eine magische Prozedur, die mit der Einnahme eines Tranks verbunden ist (die aber niemand genau kennt, der nicht dazugehört), verändern sich die aufgenommenen Neumitglieder. Sie werden unempfindlich gegen Schmerz und Verwundung. Ihre Kraft und ihre Schnelligkeit nimmt über menschliches Maß zu. Ihre Haut wird weiß und pergamentartig, die Haare schlohweiß oder grau. Nach einiger Zeit sind sie nur noch sehr schwer zu töten, denn ihre Selbstheilungskräfte lassen Verwundungen sofort heilen. Abgetrennte Arme und Beine wachsen innerhalb von Stunden nach. Man muss sie regelrecht zerstückeln oder köpfen, wenn man sie umbringen will.
Ihre Körper altern nicht, ihre Schwertarme kennen keine Müdigkeit.
Man nennt sie die Diener von Tason, dem Totengott - denn ihm opfern sie in einem Ritual ihre Seele, um Unsterblichkeit und (nahezu) Unverwundbarkeit für ihre Leiber zu bekommen. Dieser Schwur wird hoch oben im Gebirge abgelegt, nachdem bei den Neulingen (von denen es nicht viele gibt, da die Verluste bei den Unsterblichen gering sind) die Veränderung bereits so weit fortgeschritten ist, dass ihnen auch die dünne Luft nichts ausmacht.
Neulinge ersetzen bei den Unsterblichen die wenigen Gefallenen. Sie werden nach bestimmten, geheimen Merkmalen “erwählt”.
Die Unsterblichen werden von Hochmeister Damlak kommandiert, der enorme Macht ausübt. Auf Grund seines langen Lebens hatte er viel Zeit, ein Netzwerk zu knüpfen, das ihn nach dem König zum mächtigsten Mann des Reiches von Cambalar macht. Und doch ist er auf den König angewiesen, denn ohne dessen Fähigkeit zur Voraussicht wäre Cambalar verloren.
Der König wiederum weiß, dass er auf den Hochmeister angewiesen ist, der das Wissen um die Magie der Unsterblichkeit bewahrt.
Die Götter verbieten es allerdings, dass jemals ein König in den Genuss dieser Unsterblichkeit gelangt. Denn eigentlich sind die Eigenschaften göttlich, die damit verbunden sind. Und der Totengott Tason, der dieses Geheimnis offenbarte, wurde deswegen auch von den anderen Göttern vom Gipfel des Götterberges verbannt und muss dem Mythos nach seitdem im Inneren des Berges leben. Es gibt allerdings dunkle Legenden darüber, dass Dwannuach-Könige sich trotzdem in den Besitz der Unsterblichkeit bringen wollten - mit jeweils katastrophalen Folgen.
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1

Sein Name war Zedok.
Er war zwölf Jahre alt und lebte in einer kleinen, aber unabhängigen Hafenstadt an den Ufern des Stroms der Unendlichkeit. Wie weit sich dieser Strom noch in die südliche Wüste hinein zog und wann sich seine Wassermassen in der trockenen Einöde verloren, wusste niemand so genau. Niemand, außer vielleicht den echsenmenschartigen Sandlingern, denn sie durchquerten diese öden Wüsten. Sie waren anders, brauchten weniger oder gar kein Wasser und konnten mit den Lebensbedingungen dort draußen zurechtkommen.
Für Menschen war das nur bedingt möglich.
Das Reich von Cambalar war für Zedok nicht viel mehr als ein Name.
Ein großes mächtiges Reich, das in weiter Ferne existierte.
Fast so, wie eine Legende, von der man sich erzählte, aber nichts, was für das Leben irgendeine konkrete Bedeutung hatte. Cambalar, dessen Könige in die Zukunft blicken konnten und das von einem Kriegerorden unsterblicher Kämpfer verteidigt wurde, die man angeblich regelrecht zerhacken musste, um sie zu töten. Sonst erhoben sie sich wieder. Ihre Wunden heilten und sie kämpften weiter. Kein Wunder, dass dieses Reich als unbesiegbar galt. Barbaren und Sandinger hatten bestimmt immer wieder versucht, Cambalar zu plündern und zu vernichten. Aber das versuchten sie seit Ewigkeiten.
Nur Siwaat, der unsterbliche fliegende Drache, der bisweilen in die Weite des Alls entschwand, mochte wissen, wie lange dieses Reich schon existierte.
Vielleicht war es von den ersten Menschen gegründet worden, die mit den Sternenschiffen der Ktoor auf diese Welt gekommen waren. So zumindest erzählten es andere Legenden. Geschichten, die man sich in den Städten am Ufer des Stroms der Unendlichkeit erzählt. Und Zedok hatte diesen Geschichten immer eifrig gelauscht. Geschichtenerzähler erzählten sie für ein paar cambalarische Münzen, die selbst hier, weit im Süden, als Zahlungsmittel überall akzeptiert wurden.
Zedok war von der kleinen Stadt am Ufer des Stroms der Unendlichkeit nach Osten aufgebrochen, in die weite Ödnis. Das war nicht ganz ungefährlich. Sandlinger konnten einen überfallen und ausruhen. Auch menschliche Räuber gab es hier draußen. Barbaren, die einen vielleicht entführen und in die Sklaverei verkaufen konnten. Oder die hofften, ein hohes Lösegeld mit ihren Gefangenen zu erlösen.
In Zedoks Fall war das unmöglich.
Er stammte aus armen Verhältnissen. Seine Eltern waren früh gestorben, als eine Seuche die Gegend heimgesucht hatte. Seitdem schlug er sich auf eigene Faust durch.
Etwas anderes blieb ihm auch gar nicht übrig.
Überleben war alles.
Überleben und aus seinem Schicksal etwas machen.
Denn es waren nicht die Götter, die das Schicksal nach Zedoks Auffassung maßgeblich bestimmten. Die Götter setzten nur den Rahmen. Aber helfen musste sich jeder selbst.
So stark und clever wie nur irgend möglich werden, darauf kam es an. Und noch besser war es, wenn man reich wurde. Denn Reichtum war die allerbeste Überlebensgarantie. Wer reich war, der war auch sicher. Der konnte sich den Schutz kaufen, den man braucht, um sicher leben zu können. Wer reich war, konnte sich alle Wünsche erfüllen - und das ganz ohne Magie, deren Wirkung ohnehin fraglich war.
Und genau deswegen kam Zedok in das verwunschene Tal, das zwischen mehreren schroffen Felsmassiven lag.
Um reich zu werden.
Auf einem Hügel war ein in der Sonne glitzerndes Etwas zu sehen. Es handelte sich um ein quaderförmiges Objekt. Ein riesiger Würfel, größer als die größten Häuser in der Stadt. Dieser Quader steckte zur Hälfte im Erdreich und man konnte den Eindruck bekommen, dass es sich bei diesem Ding um etwas handelte, das vom Himmel gefallen und dann in den Boden eingeschlagen war.
Das Objekt war in der ganzen Gegend bekannt, sowohl bei Sandlingern als auch bei den Menschen.
Es war silberfarben und glitzerte in der Sonne.
Und wenn es Nacht war, dann strahlte es ein magisches Licht ab, das die ganze Umgegend erhellte.
Es handelte sich um ein abgestürztes Sternenschiff der Krakengötter.
Ein Schiff der Ktoor.
Warum es abgestürzt war, wusste niemand. Es gab Erzählungen über diesen Vorfall, aber das Geschehen musste sich schon vor Generationen zugetragen haben.
Seitdem lebten die Ktoor dort, in ihrem abgestürzten silbernen Schiff.
Nur sehr selten zeigten sich die Krakengötter. Sie hatten sehr unterschiedliche Größen, wie Zedok schon gesehen hatte. Manche waren riesige Exemplare, andere winzig.
Manchmal öffneten sich in dem silbernen Sternenschiff Tore. Dann fielen Gegenstände heraus und rollten den Hügel hinunter. Substanzen, Stoffe, Behälter, Gegenstände von denen niemand hätte sagen können, welchem Zweck sie dienten und Kristalle, die glitzerten und schön aussahen.
Die Gaben der Götter, so nannte man diese Dinge.
Ketzer behaupteten, es sei eigentlich nur ihr Müll.
Aber diese Meinung durfte nicht öffentlich geäußert werden, denn man befürchtete, dass die Krakengötter dadurch erzürnt werden könnten.
Im Laufe vieler Jahre hatten sich sehr viele dieser Gaben der Götter angesammelt.
Die Gabenhalde, so nannte man diesen Ort deswegen auch.
Eine Müllhalde hätte man auch sagen können. Aber der Müll der einen war wertvoll für die anderen. Und gerade die glitzernden Kristalle zum Beispiel ließen sich in der Kleinen Stadt am Ufer des Stroms sehr gut weiterverkaufen. Flussschiffe brachten sie dann nach Norden. Vielleicht sogar bis nach Cambalar...
Unzählige Menschen und Sandlinger aus der Umgebung kamen regelmäßig hierher, um auf der Gabenhalde nach etwas Wertvollem zu suchen. Manchmal endete so eine Suche tödlich. Etwa, wenn jemand einen Behälter mit einer giftig gasenden Substanz gewaltsam öffnete, weil er irgendeinen Schatz darin vermutete. In so einem Fall konnte einem niemand helfen.
"Verschwinde hier!”, zischte Zedok ein echsenhafter Sandlinger an, der gerade mit einem Dutzend weiteren seiner Art damit beschäftigt war, nach wertvoilen Gaben der Ktoor zu suchen. “Hier ist unser Gebiet!”
Ein anderer Sandlinger hielt Zedok eine Speerspitze entgegen.
“Hau ab!”, sagte er. “Hau ab, Menschenjunge oder wir grillen dich heute Abend über dem Feuer.
“Ist ja schon gut”, sagte Zedok.
Mit den Sandlingern war nicht zu spaßen.
“Mach ihn tot!”, sagte ein dritter Sandlinger.
Zedok lief jetzt davon.
Die Sandlinger folgten ihm. Zedok rannte um sein Leben.
Da traf den ersten Sandlinger etwas in die Brust und riss ihn zu Boden. Er war sofort tot. Ein Mann in dunkler Lederkluft hatte eine Einhand-Armbrust abgeschossen. Er hatte noch eine zweite. Mit der streckte er den nächsten Sandlinger nieder. Ein weiterer, ebenfalls in Leder gekleideter Mann trat neben ihn und hob ebenfalls eine Einhand-Armbrust zum Schuss.
Zedok war unterdessen gestolpert und in eine Vertiefung gestürzt.
Die Sandlinger brüllten auf und zogen sich zurück.
Zedok zitterte. Seine Hände suchten Halt.
Er griff nach irgend etwas und hatte einen golden schimmernden Stab in der Hand.
Was das für ein Gegenstand war, wusste er nicht.
Aber es dämmerte ihm, dass dieser Stab ein Vermögen wert sein musste.
Schon allein wegen des edlen Metalls, aus dem er gefertigt war.
Aber heute sollte nicht Zedoks Glückstag sein.
Der Mann in der Lederkluft, der ihm das Leben gerettet hatte, hatte inzwischen seine Einhand-Armbrust nachgeladen. Er richtete die Waffe auf Zedok.
"Gib das her”, forderte er.
Zedok hatte keine andere Wahl.
Er stand auf, kam aus der Vertiefung und gab dem Mann in Leder den Stab.
Dieser begutachtete ihn.
“Ein Zauberstab der Krakengötter”, meinte einer seiner Begleiter. “Dafür wird sich sicher ein Käufer finden!”
“Heute ist anscheinend unser Glückstag”, sagte der Andere. Er grinste Zedok an. “Und auch deiner! Du bist nämlich noch am Leben!”
*

Jahre später und weit entfernt, in der Hauptstadt von Cambalar...
Samus, Hauptmann im Heer der Sterblichen, das unter cambalarischer Flagge diente, schaffte es über das große Meer und erreichte viele Tage, nachdem er sich von Carraq, dem unglücklichen Thronfolger, verabschiedet hatte, den Hafen der auf der Insel gelegenen Hauptstadt.
Er war physisch und auch psychisch ziemlich am Ende. Ein Sturm hatte zwei Tage und zwei Nächte lang auf hoher See gewütet und ihm so ziemlich alles abverlangt, was an Kraft und Energie in ihm gesteckt hatte. Außerdem war das Boot groß und schwer, und ein Mann allein, selbst wenn er noch so kräftig war, hatte Mühe, es zu bewegen und zu lenken.
Samus kroch mehr an Land, als dass er aufrecht ging. Wellen der Benommenheit brandeten unablässig gegen sein Bewusstsein an und immer wieder verhinderte er nur mit letzter Willenskraft ein Abgleiten in die Besinnungslosigkeit. Auch sein Geist schien gelitten zu haben, denn er stammelte nur wirres Zeug.
Einige der Soldaten, die den Hafen bewachten, brachten ihn zu den Kasernen außerhalb des Königsschlosses. Man gab ihm zu essen und zu trinken, und dann schlief er den Rest des Tages und die ganze Nacht. Als er am nächsten Tag erwachte, fühlte er sich um ein Vielfaches besser als unmittelbar nach seiner Ankunft, als er dem Tod näher gewesen war als dem Leben.
Er stand auf und ging zu der Schüssel, die auf einem Hocker stand, warf sich einige Hände von dem frischen Wasser ins Gesicht und trocknete es mit dem Handtuch ab, das an einem Haken an der Wand hing. Sodann schaute er an sich hinunter. Er hatte in der Kleidung geschlafen, die er in der ganzen Zeit, in der er unterwegs gewesen war, getragen hatte. Der scharfe Geruch von Schweiß, vermischt mit Gerüchen, die er nicht zu identifizieren vermochte, stieg ihm in die Nase.
Er holte aus dem Spind eine Reserveuniform, wusch sich und zog sie an. Dann begab er sich zur Palastwache und bat, dem König vorgeführt zu werden.
Farban befand sich in seinen Privatgemächern. Er saß am Fenster, schaute gedankenvoll in die Ferne und spielte versonnen mit der Waffe, die ihm ein Händler namens Beros aus Bandalan, einer Freien Stadt am Kleinen Meer, verkauft hatte. Vom Aussehen her erinnerte sie an ein ellenlanges Rohr aus Bronze, das mit Runen und anderen magischen Zeichen verziert war.
Nequest, der Hohepriester des Tason, hatte die Waffe erprobt und den König in ihre Geheimnisse eingewiesen. Beros hatte von einem Zauberstab gesprochen, der Farban, dem König, göttliche Macht verlieh. Er hatte damit einen Söldner, der ihn ermorden sollte, unschädlich gemacht und zu Asche verbrannt. Der Zauberstab verschoss ein Feuer, das heißer war als der Atem Tasons.
Als Samus zwischen zwei Wachsoldaten das Gemach des Königs betrat, erhob sich Farban, legte den Zauberstab auf einen kleinen, runden Tisch und wandte sich dem Hauptmann zu. Der kniete und hielt den Kopf gesenkt, presste die flache rechte Hand gegen den Leib und rief: „Mögen die Götter Euch freundlich gesinnt sein, Majestät.“
„Man hat mir schon berichtet, Samus, dass Ihr von der Mission, mit der ich Euch beauftragt habe, zurück seid. Ihr habt sämtliche Männer verloren, die ich Euch mitgegeben habe. An Eurer Stirn sehe ich eine große Narbe, die vorher nicht da war. Berichtet, Hauptmann. Was ist Euch und Euren Männern in den heiligen Bergen widerfahren?“
Samus berichtete von ihrer Landung an der Küste und dem Marsch durch die Wüste, von dem Überfall durch die Gnome in den Bergen und von seiner Rettung durch den Mönch Segestes, der ihn, Samus, in seine Höhle brachte und gesund pflegte. „Als ich in der Höhle weilte, erschien Carraq, Euer Ziehvater, mein König. Segestes sandte Zeichen aus Rauch zum Himmel, die ihn gerufen haben. Vorher hat mir Segestes bereits berichtet, dass Carraq ruhelos durch das Gebirge zieht.“
„Habt Ihr mit ihm gesprochen?“, fragte Farban. „Habt Ihr ihm bestellt, dass ich mich vermählen werde und mir wünsche, dass er zu meiner rechten Seite an der Hochzeitstafel sitzt?“
„Ich habe ihm alles vermittelt, mein König, was Ihr mir aufgetragen habt“, antwortete Samus.
„Und warum ist er nicht mit Euch nach Cambalar zurückgekehrt?“
„Er hat geschworen, erst dann wieder in die Zivilisation zurückzukehren, wenn er seine Seele von Tason zurückerhalten hat. Segestes hat mir verraten, dass Carraq sich von dem Gott abgewendet hat. Wenn nötig, will er sogar in den Berg eindringen und mit dem Totengott um seine Seele kämpfen.“
„Das wäre sein Tod“, entfuhr es Farban. „Tason würde ihn zerschmettern, ebenso wie er Hochmeister Damlak zerschmettert hat. Konntest du Carraq nicht dazu überreden, seine Unsterblichkeit einfach zu akzeptieren und nach Cambalar zurückzukehren?“
„Er wird den Schwur, den er geleistet hat, niemals brechen, mein König. – Carraq wollte alles erfahren, was sich während seiner Abwesenheit im Reich zugetragen hat. Als ich mich von ihm verabschiedet habe, erklärte er mir, dass er sehr zufrieden sei. Er wisse das Reich in den besten Händen und beglückwünscht Euch zu Eurer bevorstehenden Vermählung mit Prinzessin Sargeria. An Graf Sambak erinnerte er sich. Er sei ein treuer Gefolgsmann, meinte er. Seine Verwandtschaft mit dem Königshaus werde der Herrschaft über das Reich Sicherheit und Rückhalt verleihen.“
„Danke, Hauptmann Samus. Ihr habt vorzügliche Arbeit geleistet. Ich werde Euch zu gegebener Zeit einen Orden für Euren Mut und Eure Treue verleihen. Ruht Euch noch den heutigen und morgigen Tag aus, und dann begebt Euch zu Eurer Einheit.“
„Habt Dank, Majestät“, sagte Samus und richtete sich auf. „Es tut mir leid, dass ich Carraq nicht bewegen konnte, mit mir nach Cambalar zu kommen. Ich hatte seinem Willen nichts entgegenzusetzen.“
„Es ist gut“, antwortete der König und bedeutete Samus mit einer Geste seiner rechten Hand, dass er entlassen sei.
Der Hauptmann zog sich rückwärtsgehend bis zur Tür zurück, dort machte er kehrt und verließ das Gemach.
„Wache!“, rief Farban, und sogleich betraten zwei der Wachposten das Gemach.
„Ihr wünscht, Herr?“
„Schickt nach Nequest. Graf Sambak soll gleichfalls bei mir erscheinen.“
„Zu Befehl, Herr!“
Zackig machten die Wachposten kehrt, und im nächsten Moment schloss sich hinter ihnen die Tür.
Farban nahm wieder den Zauberstab. Er selbst nannte ihn Wunderwaffe. Ein Druck auf eine der Runen löste den glühenden Strahl aus, der Bronze schmolz und Menschen zu Asche verglühen lassen konnte. Der Stab konnte kein menschliches Werk sein. Nur ein mächtiger Gott konnte Derartiges schaffen. Hatte ihm dieser Gott die Waffe in die Hände gespielt. Sollte er in die Lage versetzt werden, seine Macht auf den gesamten Planeten auszuweiten.
Ihm kam in den Sinn, dass er wenig Tage zuvor am Himmel ein Schauspiel beobachtet hatte, wie es während ihres Lebens nur wenige Menschen zu sehen bekamen. Die Monde schienen für kurze Zeit ihre Umlaufgeschwindigkeit um den Planeten verändert zu haben, sodass der Verborgene Mond sichtbar geworden war.
Die Legenden besagten, dass bei einer solchen Konstellation eine Zeit der Veränderungen bevorstand. Sollte die Wunderwaffe in seinen Händen der erste Schritt im Hinblick darauf sein? Hatten die Götter Großes mit ihm vor? Die Vermutung lag nahe. Er, Farban, würde bereit sein.
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2

Zuerst erschien Graf Sambak, gleich darauf kam dann der Hohepriester, dem Farban, ebenso wie einst Carraq, blind vertraute. Den Hochmeister des Ordens der Unsterblichen, Rheton, hatte Farban mit Bedacht nicht zu dieser Besprechung geladen. Denn es würde um den Verdacht des Königs gehen, dass einige Hauptleute des Ordens planten, ihn vom Thron zu stürzen und damit den Dwannuachs auf dem Königsthron von Cambalar den Todesstoß zu versetzen. Rhetons Loyalität betreffend wollte der König nicht die Hand ins Feuer legen, wenn er auch geneigt war zu glauben, dass die Aufständischen den Hochmeister nicht mit ins Boot genommen hatten, weil sie sich nicht auf seine Verschwiegenheit und Treue verlassen konnten.
„Setzt Euch, Graf Sambak“, forderte der König den Grafen auf, Platz zu nehmen. „Ihr auch, Nequest.“ Als die beiden saßen, fuhr er sogleich fort: „Erinnert ihr euch? Nach dem Attentat, bei dem der gedungene Mörder von den Göttern zu Asche verbrannt worden ist, erklärte ich vor allen Ministern und Beratern, das ich den Aufständischen den nächsten Zug überlassen will.“
„Ich erinnere mich“, sagte Graf Sambak. „Ich sagtet, dass derjenige, der hinter dem Anschlag steckt, ein weiteres Mal versuchen würde, Euch zu töten. Ihr habt darüber hinaus zu verstehen gegeben, dass Euch die Götter hold sind und Euch beschützen werden.“
„Das waren Eure Worte, König“, pflichtete Nequest dem Grafen bei. „Zumindest sinngemäß.“
„Ich habe lange nachgedacht“, ergriff wieder Farban das Wort. „Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es geradezu selbstmörderisch wäre, auf den Schutz der Götter zu vertrauen und einfach abzuwarten, bis der nächste gedungene Mörder auftaucht. Darum habe ich beschlossen, die Angelegenheit voranzutreiben. Mir sind einige Namen bekannt, die Namen der Männer, die mir der Pferdeknecht Kasderos genannt hat, der ihre verschwörerische Unterredung belauscht hat. Sie versehen im Moment Dienst an den verschiedenen Grenzen. Ich selbst habe sie dort stationiert, damit sie das Komplott gegen den Thron nicht vorantreiben können. Es sind die Hauptleute Undos, Tebeldon und Seredis.“
„Ihr hättet sie nicht an die Grenze abordnen sollen, mein König“, warf Graf Sambak dazwischen, „sondern dem Henker überantworten.“
Farban schüttelte den Kopf. „Das wäre sehr, sehr kurzsichtig gewesen, mein lieber Graf. Ich hätte den gesamten Orden gegen mich aufgebracht, wenn ich auf die bloße Behauptung eines Pferdeknechts hin drei Offiziere aufs Schafott geschickt hätte. Unter den Unsterblichen herrscht sowieso ein hoher Grad an Unzufriedenheit. Sie sehen sich nach wie vor Hochmeister Damlak verbunden. Ich habe nunmehr beschlossen, die drei Hauptleute, deren Namen mir Kasderos genannt hat, zurück in die Hauptstadt zu holen. Hier habe ich sie besser unter Kontrolle. Vielleicht kann man den einen oder anderen Offizier des Ordens kaufen, sodass er das Königshaus über jede Aktivität der Aufrührer informiert. So können wir einen Umsturzversuch möglicherweise zuvorkommen und ihn im Keim ersticken.“
„Ich denke“, gab der Graf zu bedenken, „dass die rebellischen Zenturios für Euch hier in der Hauptstadt eine größere Gefahr darstellen, als irgendwo draußen auf einem einsamen Grenzposten.“
„Ich bin anderer Meinung“, versetzte der König. „Zunächst dachte ich auch so wie Ihr, Graf. Aber in der Zwischenzeit sehe ich sie als Kommandeure über jeweils zwei Hundertschaften Unsterblicher als die größere Gefahr für mich. Was ist, wenn sie ihre Truppen davon überzeugen, dass ein Umsturz notwendig ist, und sie mit sechs Hundertschaften gegen die Hauptstadt marschieren? Die hier stationierten Soldaten des Ordens werden nicht gegen sie kämpfen, sie machen möglicherweise sogar gemeinsame Sache mit ihnen.“
„Ja, Ihr mögt recht haben, mein König“, gab nun der Graf zu. „Unter dem von Euch genannten Gesichtspunkt ist es wahrscheinlich besser, die drei Hauptmänner von ihren Truppen, die ihnen ja ergeben sind, zu trennen und sie hier in der Stadt unter inoffizielle Aufsicht zu stellen.“
Nequest nickte. Zeichen für den König, dass der Hohepriester seine Überlegungen befürwortete.
„Darf ich ein anderes Thema anschneiden, mein König?“, fragte der Graf.
Farban lehnte sich in seinem Scherensessel zurück. „Ihr werdet langsam ungeduldig, Graf, nicht wahr? Ich soll endlich verkünden, dass ich mich mit Eurer Tochter, der erlauchten Prinzessin Sargeria, vermähle.“
„Mit Verlaub, mein König, meint Ihr nicht, dass es dafür längst an der Zeit wäre? Von den ganzen Unbilden und Entbehrungen, die wir auf uns genommen haben, um Eurer Einladung zu folgen, will ich gar nicht mehr sprechen, mein Herr und König.“
„Ich weiß, ich weiß, mein lieber Graf. Seid versichert, dass ich Eure Tochter ehelichen werde. Allerdings möchte ich den Zeitpunkt der Vermählung noch nicht festlegen. Alles ist unsicher, unsere Zukunft steht auf wackligen Beinen. Denkt an das Naturschauspiel, dass Ihr und Sargeria zusammen mit mir beobachtet habt. Es kündigt Veränderungen an. Niemand kann abschätzen, was auf uns zukommt. Was auch immer, es wird ein göttlicher Beschluss sein und wir haben uns ihm zu beugen. Es wäre unverantwortlich von mir, in diesem Stadium Eure Tochter zu ehelichen, um sie vielleicht mit mir ins Verderben zu reißen.“
„Ihr fürchtet also, ins Verderben gerissen zu werden, mein König“, konstatierte Graf Sambak.
„Ich kann es nicht ausschließen, weil ich nicht weiß, wie sich alles im Reich, insbesondere hier in der Hauptstadt, entwickelt. Ich schließe nicht einmal mehr aus, dass Angehörige des Dwannuach-Adels, die nicht zur Blutlinie König Ghaderichs gehören, maßgeblich den Aufstand planen, weil sie nach der Macht im Reich streben. Die Unzufriedenheit bei den Unsterblichen ist ihnen vielleicht wie gerufen gekommen. Was ist, wenn einer meiner Vettern oder sonstigen entfernten Verwandten usurpatorische Pläne verfolgt und es versteht, den Orden der Unsterblichen vor seinen Karren zu spannen? Könnt Ihr mir etwas Verderblicheres nennen, Graf?“
„Das – das wäre ja Gotteslästerung!“, stieß Graf Sambak hervor. „Mein König, Eure Blutlinie ist, nachdem König Ghaderich keine Erben hatte, die sich von den Göttern legitimiert die Krone aufsetzen durften, dazu berufen, das Reich von Cambalar zu regieren. Carraq, der Sohn König Ghaderichs, selbst hat euch das Zepter in die Hand gedrückt. Das war göttlicher Wille, mein König. Wer es wagt, dies in Frage zu stellen, lästert der Götter.“
„Und sie werden ihn fürchterlich bestrafen“, ergänzte Nequest. „Ist das Schicksal König Ghaderichs nicht ausreichender Beweis für die göttliche Allmacht? Er hat die Götter gefrevelt, und sie haben ihm den Erstgeborenen genommen sowie seine beiden geliebten Gattinnen, sie haben ihm ihre Gunst entzogen und ihm einen Sohn geschenkt, der das Zeichen des Totengottes auf der Stirn trug, sowie einen weiteren Sohn, dem die Gabe der Voraussicht versagt geblieben ist.“
„Was habe ich davon, wenn die Götter denjenigen bestrafen, der mich ermorden ließen?“, fragte Farban.
Zwei Augenpaare fixierten ihn voller Betroffenheit.