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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
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COVER EDWARD MARTIN
© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Grat Bassett, der Desperado-Reiter: Pete Hackett Western Edition 67
Western von Pete Hackett
Die neu geplante Bahnlinie der Union Pacific Railway soll über das Land von Grat Bassett verlaufen, der dort eine Pferdezucht betreibt. Der benachbarte Rinderzüchter Silas Brown, der für den Bau der Bahnlinie ist, kommt mit einigen Männern zu Bassett, um ihn zur Zustimmung zu überreden, wird allerdings mit seinen Leuten von Bassetts Land gejagt. Daraufhin schickt Brown seine Männer zwei Tage später, als Bassett ein paar Pferde in den nächsten Ort bringt, auf dessen Ranch um sich zu rächen, indem er diese niederbrennen und Bassetts Leute ermorden lässt. Bassett schwört Rache und gerät damit in eine Angelegenheit mit noch viel weitreichenderen Folgen.
Über den Autor
Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G. F. Unger eigen war - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.
Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G. F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."
Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-Book bei CassiopeiaPress.
Ein CassiopeiaPress E-Book
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© 2012 der Digitalausgabe 2012 by AlfredBekker/CassiopeiaPress
Grat Bassett vernahm den rumorenden Hufschlag und verließ das Haus. Die aufgehende Sonne blendete ihn. Es war früh am Morgen, über dem South Platte River hingen Nebelbänke, auf den Gräsern glitzerte der Tau.
Zum Schutz gegen das Sonnenlicht schirmte Grat seine Augen mit der flachen Hand ab. Er ahnte nichts Schlimmes. Er dachte sich auch nichts, als er vier Reiter wahrnahm, die sich der kleinen Ranch näherten. Grat züchtete Pferde, er besaß aber auch eine Herde Rinder. Er beschäftigte zwei Cowboys. Die beiden befanden sich auf der Weide.
Nun erkannte Grat die Reiter. Es waren Silas Brown, der Boss der Grazy Bull Ranch, sein Vormann Bill Wilcox sowie die beiden Cowboys Lee Edwards und Joe McGregg. Sie kamen auf dem Weg, der nach Sterling führte.
Einige Schritte vor Grat zerrten sie ihre Pferde in den Stand. Silas Brown setzte sich im Sattel bequemer zurecht, beugte sich vor und musterte Grat durchdringend, forschend und auf besondere Art prüfend. Es wurde kein Gruß ausgetauscht, und die finsteren Mienen der Männer von der Grazy Bull Ranch riefen in Grat düstere Ahnungen hervor.
Grat verschränkte die Arme vor der Brust und fragte kühl: „Was verschafft mir die Ehre, Mr. Brown. Haben sich wieder einmal einige meiner Rinder über den Fluss verirrt und sind auf Ihre Weide gelaufen?“
Die Mundwinkel des Ranchers zogen sich geringschätzig nach unten. Silas Brown verströmte Überheblichkeit und Erhabenheit. Er schüttelte fast gemächlich den Kopf und grollte: „Nein, Bassett. Es geht nicht um Rinder. Es geht um Land. Um Ihr Land, Bassett. Sicherlich ist Ihnen bekannt, dass sich seit einigen Tagen Ray Chesterfield von der Union Pacific in Sterling aufhält. Er und sein Stab sollen die Bahnlinie planen und vermessen. Sie wird über Ihr Land führen.“
Ein mattes Lächeln umspielte Grats Mund, ein Lächeln ohne jede Freude oder Freundlichkeit, und er versetzte: „Da werde ich wohl auch ein Wort mitzureden haben. Und ich glaube nicht, dass ich auch nur einen Quadratzoll Land an die Union Pacific verkaufe. Die Bahn kann ihre Trasse weiter im Osten an meinem Land vorbeiführen. - Ja, Chesterfield war bereits bei mir. Und ich habe ihm meinen Standpunkt unmissverständlich klargemacht.“
„Ein schlechter Standpunkt, Bassett“, knurrte Silas Brown. „Das Land weiter östlich ist ungeeignet für den Gleisbau. Zu viele Hügel und Felsen. Der finanzielle Aufwand stünde wahrscheinlich in keinem Verhältnis zum Erfolg.“
Grats Lider verengten sich. „Das interessiert mich nicht. Es ändert nichts an meiner Einstellung.“
Browns Schultern strafften sich. „Ich will, dass die Bahn so schnell und so nahe wie möglich an mein Land herangeführt wird. Die Union Pacific wäre sogar bereit, eine Viehverladestation hier einzurichten.“
„Auf meinem Land?“, erboste sich Grat. „Kommt nicht in Frage.“
„Die Bahn zahlt hohe Preise“, erklärte Silas Brown mit Nachdruck. „Sie bekämen für Ihr Land dreimal so viel, wie Sie dafür bezahlt haben. Sie erzielen einen horrenden Gewinn, wenn Sie verkaufen, und mir wäre geholfen. Meine Herden hätten nur noch kurze Strecken zur Verladung zurückzulegen und ...“
„Ich lasse weder zu, dass Sie Ihre Rinder über meine Weidegründe treiben, Brown, noch lasse ich mich auf einen Handel mit der Bahngesellschaft ein. Schlagen Sie es sich aus dem Kopf. Daraus wird nichts.“
„Sie sind ausgesprochen uneinsichtig, Bassett“, gab Brown zu verstehen, und es klang fast bedauernd. „Es gibt aber Mittel und Wege, Sie zur Einsicht zu bringen und zum Verkauf zu veranlassen.“ Er deutete ein vielsagendes Grinsen an. „Sie täten also gut daran ...“ Plötzlich stutzte er, es schien, als drängte sich ihm unvermittelt ein Gedanke auf, und er schob sein kantiges Kinn vor. Lauernd kam es über seine Lippen: „Hat Sie vor mir vielleicht schon John Gallatin aufgesucht? Hat er Ihnen gedroht, Sie zurechtzustutzen, falls Sie auf die Idee kommen, an die Union Pacific zu verkaufen? Wenn die Bahnlinie kommt, ist er nämlich ziemlich fertig mit seinem Frachtwagenbetrieb. War er bei Ihnen?“
Diese letzte Frage kam scharf und drohend, über der Nasenwurzel des Ranchers hatte sich eine steile Falte gebildet. Sein stechender Blick hatte sich an Grat regelrecht verkrallt.
„Nein, Gallatin war nicht bei mir“, antwortete Grat gedehnt. „Aber selbst wenn: Ich lasse mir keinen fremden Willen aufzwingen. Nicht den Ihren, Brown, nicht den Gallatins, und auch nicht den der Eisenbahnmanager.“
„Ist das Ihr letztes Wort, Bassett?“
„Mein allerletztes.“ Grats Miene und seine ganze Haltung drückten Unnachgiebigkeit und Unbeugsamkeit aus. Obwohl er Silas Brown nicht aus den Augen ließ, entgingen ihm nicht die Reaktionen der drei Weidereiter, die der Rancher mitgebracht hatte. Ihre Schultern strafften sich, sie musterten ihn fast gierig und schienen nur auf den Befehl ihres Bosses zu warten.
„Ich ahnte es.“ Silas Brown nickte wie zur Bekräftigung seiner Wort. „Sie sind ein sturer Esel, Bassett. - Bill, Lee, Joe!“
Mehr als die drei Namen brauchte er nicht zu sagen. Die Unmissverständlichkeit in Browns Unterton war nicht zu überhören. Darin lag die unausgesprochene Aufforderung, in Aktion zu treten. Seine Männer wussten Bescheid. Brown hatte sein Vorgehen mit ihnen abgesprochen, für den Fall, dass Bassett sich seinen Vorstellungen widersetzte. Mit niederträchtigem Grinsen glitten sie von den Pferden. Grat bereute in dieser Minute, dass er das Haus unbewaffnet verlassen hatte.
Die drei Kerle näherten sich ihm geschmeidig und gleitend wie Raubtiere. Bill Wilcox, Browns Vormann, rieb sich die rechte Faust in der linken Hand. Er dehnte: „Du lässt uns keine andere Wahl, Bassett. Na schön. Wir werden dir jetzt etwas Verstand in deinen dummen Kopf hineinhämmern. Und wenn wir mit dir fertig sind, wird dich Mr. Brown noch einmal fragen, ob du bereit bist, an die Union Pacific zu verkaufen. Schreib es deiner Unvernunft zu. Vielleicht aber denkst du noch einmal blitzschnell nach - noch hast du es in der Hand.“
Grat biss die Zähne zusammen. Hart traten die Backenknochen unter der Haut hervor. Er straffte seine Muskeln. „Ich habe bereits darüber nachgedacht“, stieß er abgehackt hervor. „Und meine Antwort kennt ihr. Und noch etwas, Wilcox: Ich werde es euch dreien bestimmt nicht leicht machen.“
Er gab sich keinen Illusionen hin. Er war chancenlos gegen die drei Kerle. Aber die Ranch bedeutete seine Existenz. Er hatte sie vor drei Jahren gegründet und den letzten Cent hineingesteckt. Und jetzt, da sie endlich die ersten Gewinne abwarf, sollte er einfach alles aufgeben. Eine wilde Entschlossenheit durchflutete ihn - es war fast so etwas wie der Mut der Verzweiflung. Er stellte sich auf den Kampf ein und war bereit, seine Haut so teuer wie möglich zu verkaufen.
„Wir werden dich zerbrechen!“, knirschte Bill Wilcox und schnellte auf Grat zu. Dieser nahm schnell die Beine etwas auseinander, um festeren Stand zu haben, und er riss abwehrend die Fäuste hoch. Ehe Wilcox gegen ihn prallte, nahm er noch wahr, dass sich die beiden Weidereiter schneller bewegten - raubtierhaft schnell und behände.
*
Ein Schuss peitschte. Die Kugel ließ zwischen den Vorderhufen des Pferdes von Silas Brown den feinen Sand und das Erdreich spritzen. Das Tier stieg von Panik erfasst auf die Hinterhand, wieherte schrill, und ehe der Rancher zum Denken kam, krachte er mit Wucht in den Ranchhof. Staub wolkte unter ihm auseinander. Das Pferd drehte sich, rollte mit den Augen, und dicht neben dem Rancher prallten die Hufe wieder auf den Boden. Die Detonation verebbte in der Weite des Landes.
Bill Wilcox konnte seinen Angriff nicht mehr stoppen. Lee Edwards und Joe McGregg aber erstarrten. Grat glitt gedankenschnell einen Schritt zur Seite, der Vormann flog an ihm vorbei, stolperte, fing sich, wirbelte herum und richtete seine Aufmerksam nach Osten, wo der Schuss gefallen war.
Auch Grat blickte in diese Richtung. Auf dem Scheitelpunkt des Hügels hoben sich zwei Reiter scharf und schwarz gegen die Kulisse des ungetrübten Himmels ab. Auf den Läufen ihrer Gewehre brach sich das Licht der Morgensonne. Stöhnend und ächzend rappelte sich Silas Brown in die Höhe. Schief stand er da, über sein wind-, sonnen- und regengegerbtes Gesicht liefen eine Reihe von Gemütsbewegungen, die von Ungläubigkeit und Erstaunen bis hin zu wilder, vernichtender Wut reichten.
Ein Gefühl der Erleichterung durchströmte Grat, als er die beiden Reiter erkannte. Es waren Quincy Ladd und Al Dodson, seine beiden Cowboys. Sie trieben ihre Pferde an und ritten die Hügelflanke hinunter. Die Gewehre an der Hüfte im Anschlag parierten sie bei Grat die Pferde. Quincy, ein bärtiger Oldtimer, knurrte: „Als wir die vier Figuren über Bassett-Weide reiten sahen, ahnten wir nichts Gutes, Grat, und deshalb sind wir ihnen gefolgt. Wie mir scheint, war das keine schlechte Idee.“
„Euch hat der Himmel geschickt“, sagte Grat. „Sie wollten gerade anfangen, mir die Flügel zu stutzen ...“
„Haltet eure Pfoten bloß in respektabler Entfernung von den Kanonen, ihr Coyoten!“, röhrte Al Dodsons Donnerstimme, als er bemerkte, dass die Hände der drei Grazy Bull-Männer nach den Schießeisen tasteten.
Sofort hielten sie still. Bill Wilcox‘ Zahnschmelz knirschte, als er in hilfloser Ohnmacht die Zähne zusammenbiss. In der Tiefe seiner Augen entstand ein hässliches Funkeln. Aber der Anprall der Unversöhnlichkeit, die die Cowboys verströmten, bewahrte ihn vor unüberlegten Handlungen. Denn Quincy und Al brauchten nur abzudrücken, während er seine Waffe erst ziehen und spannen musste.
Widerstand war zwecklos. Zwar bedrohten die Gewehre der beiden Weidereiter keinen direkt. Die Läufe pendelten von einem zum anderen. Und die beiden Cowboys beobachteten sie mit Argusaugen. Der Versuch, das Ruder herumzureißen, wäre für die Männer von der Grazy Bull Ranch sicherlich übel ausgegangen. Das erkannten sie, und darum wagte keiner diesen Versuch. Ihre Haltungen blieben jedoch angespannt, sprungbereit und lauernd.
Grat ließ wieder seine Stimme erklingen: „Brown möchte, dass ich Land an die Union Pacific abtrete, damit diese auf meinem Grund und Boden eine Viehverladestation errichten kann und er seine Rinder nicht mehr große Umwege treiben muss. Und weil ich mich mit diesem Gedanken ganz und gar nicht anfreunden wollte, ließ er seine Sattelwölfe von der Leine.“
Quincy Ladd spuckte voll Verachtung in den Staub. „Das ist typisch für diesen aufgeblasenen Möchtegern-King. Na schön, Grat, wir haben ihm die Tour vermasselt. Was machen wir nun mit den vier wenig ehrenwerten Gentlemen? Schicken wir sie ohne Pferde und in Strümpfen nach Hause, oder lassen wir sie die Hosen auch noch ausziehen?“
Grat winkte ab. „Haltet Wilcox, Edwards und McGregg in Schach, Jungs.“ Er ging auf Silas Brown zu. Schleppend, jedes Wort betonend, sagte er: „Wie wäre es, Brown, wenn Sie zur Abwechslung mal versuchten, Ihre Schmutzarbeit selbst zu erledigen? Solange Ihre Männer Ihnen den Rücken stärken, geben Sie sich großmäulig, unduldsam, arrogant und unnachgiebig. Wie ist es aber mit Ihrem Mut bestellt, wenn keiner da ist, der für Sie die Kastanien aus dem Feuer holt?“
Er blieb einen Schritt vor Silas Brown stehen und wippte auf den Fußballen.
Der Rancher verzog das Gesicht. Sein flackernder Blick strich hilfesuchend über seine Männer hinweg. Doch diese konnten ihm nicht beistehen. Angesichts der auf sie angeschlagenen, schussbereiten Gewehre wäre das selbstmörderisch gewesen.
„Sie werden doch nicht kneifen?“
Unerbittlich hieb Grats klirrende Stimme in sein Denken. Er zog den Kopf zwischen die Schultern, dann presste er hervor: „Ich kämpfe nicht mit Ihnen, Bassett. Weder mit irgendeiner Waffe noch mit den Fäusten.“ Er schluckte, in seinen Mundwinkeln zuckte es, und dann fügte er frech hinzu: „Wer bin ich denn, dass ich mir an einem wie Ihnen die Hände schmutzig mache?“
Grats Brauen schoben sich düster zusammen. Zorn wallte in ihm hoch, und er war nahe daran, sich auf Silas Brown zu stürzen, um ihn niederzuschlagen. Aber er behielt die Rebellion in seinem Innern im Zaum und stieß grimmig hervor: „Sie sind ein Giftpilz, Brown, ein mieser, niederträchtiger und feiger Giftpilz. Yeah, ich jage sie in Socken und ohne Pferd von meiner Ranch. Sie und ihren Anhang. Also vorwärts, zieht die Stiefel aus. Vorher aber legt eure Gurte ab. Eure Pferde, Waffen und Stiefel könnt ihr euch beim Sheriff in Sterling abholen.“
„Das kannst du nicht ...“ Bill Wilcox japste es hinaus, aber Grat schnitt ihm schroff und klirrend das Wort ab, indem er sagte: „O doch, Vormann! Ihr seid mit üblen Absichten hergekommen, und das Gesetz nennt dies Landfriedensbruch. Ich könnte euch mit der Peitsche von meinem Grund und Boden jagen. Und nun schnallt die Gürtel auf und zieht die Stiefel aus. Andernfalls lehren meine Boys euch das Tanzen.“
Er grinste hart und kantig.
Grat hatte sich halb zu Bill Wilcox umgewandt. Auf Silas Brown achtete er nicht. Im zerfurchten Gesicht des Ranchers arbeitete es. Er scheute sich davor, mit Grat zu kämpfen. Aber demütigen lassen wollte er sich nicht - durfte er sich nicht, wollte er sich nicht lächerlich machen. Und es war wie ein Taumel, der ihn erfasste und überwältigte. Mit einem Aufschrei stürzte er sich auf Grat. Seine Fäuste wirbelten, und sie trafen. Grat, der total überrascht wurde von dieser Attacke, strauchelte und stürzte. Er hatte das Empfinden, mit dem Kopf gegen eine Ziegelwand gerannt zu sein, so hart waren Browns Schläge gewesen. Und ehe er richtig zur Besinnung kam, warf sich der Rancher auf ihn.
Sie wälzten sich im Staub. Wie irrsinnig schlug Silas Brown auf Grat ein, und dieser musste immer wieder empfindliche Treffer einstecken. Schließlich aber konnte er seinen Gegner abschütteln. Er sprang auf die Beine. Blut rann aus einer kleinen Platzwunde an seinem Jochbein. Staub puderte sein Gesicht und knirschte zwischen seinen Zähnen. Und eine Welle des Zorns überschwemmte sein Bewusstsein.
Der Rancher war etwas langsamer. Er stemmte mit den Armen seinen Oberkörper vom Boden weg, kam auf die Knie, und in dem Moment, als er sich endgültig erheben wollte, knallte ihm Grat einen weit aus der Hüfte geholten Haken gegen das Kinn, und im nächsten Augenblick landete Grats Linke auf seinem Ohr. Die beiden Schwinger warfen den Rancher wieder um. Er rollte auf den Rücken und stieß mit beiden Beinen gleichzeitig nach Grat. Dieser erwischte den linken Fuß Browns mit beiden Händen und drehte ihn mit einem wilden Ruck herum.
Silas Brown brüllte Schmerz und Not hinaus, warf sich auf die Seite, folgte so mit seinem gesamten Körper der Drehung des Beines, und sogleich ließ der stechende Schmerz nach.
Ein Ruck, und Grat hatte ihm den Stiefel ausgezogen. „Nummer eins!“, fauchte er wild, fast leidenschaftlich, und schleuderte ihn zur Seite.
Brown kroch ein Stück davon. Er versuchte, aus der unmittelbaren Nähe Grats zu kommen. Er hatte plötzlich panische Angst vor dem jungen Pferdezüchter, den zurechtzustutzen er hier aufgekreuzt war, der nun jedoch dabei war, ihm eine bittere Lektion zu erteilen.
Grat holte ihn ein. Er packte das rechte Bein des Ranchers und riss es hoch. Silas Brown fiel auf das Gesicht. Seine Finger verkrallten sich im Boden. Der Schrei, der sich in ihm hochkämpfte, erstickte im Ansatz, und nur ein dumpfer, abgerissener Ton brach über seine Lippen.
Und dann hatte Grat ihm den zweiten Stiefel ausgezogen. Auch ihn schleuderte er weit davon. Er zerrte Brown am Westenkragen in die Höhe, versetzte ihm einen Stoß, und der Rancher taumelte auf seine Cowboys zu, die von Quincy Ladd und Al Dodson in Schach gehalten wurden.
„Abschnallen!“, befahl Grat mit rasselnden Stimmbändern. „Und dann runter mit den Stiefeln.“
„Du wirst es bereuen!“, keuchte Bill Wilcox. „Verlass dich drauf, Bassett. Wir kommen wieder, und dann ...“
Er ließ den Rest offen, aber gerade das war beredter als alle Worte es auszudrücken vermocht hätten.
Wilcox öffnete den Revolvergurt. Er rutschte an seinen Beinen nach unten. Lee Edwards und Joe McGregg folgten seinem Beispiel. Tödlicher Hass glühte in den Augen der Kerle. Die Schmach, die ihnen Bassett und seine Männer zufügten, konnte nur mit Blut abgewaschen werden.
Dann standen sie in Socken auf dem Ranchhof. Ihre Gesichter hatten sich verkrampft, böse Verheißungen gingen von ihnen aus. Der Weg bis zur Grazy Bull Ranch würde für sie zur Tortur werden. Grenzenloser Zorn tobte in ihren Gemütern.
„Marsch!“, rief Quincy Ladd und drückte ab. Vor Wilcox Zehen pflügte das Geschoss in den Staub. Unwillkürlich sprang der Vormann einen halben Schritt zurück. „Wir zahlen es euch heim“, prophezeite er, machte mit hängenden Schultern kehrt und sagte kratzig: „Gehen wir. Wir haben einen Fehler gemacht, aber wir werden ihn ausbügeln. Bald schon. Also gehen wir.“
Er setzte sich in Bewegung.
Silas Brown spuckte Gift und Galle. „Auf allen Vieren werdet ihr vor mir im Staub kriechen. Und ich werde auf euch spucken ...“
Wilcox zog ihn mit sich fort. Der Vormann wusste, wann eine Sache verloren war. Und an diesem Tag mussten sie eine schmähliche Niederlage einstecken.
Edwards und McGregg folgten ihnen und verwünschten Grat Bassett.
*
Josh Kilkeene ritt die Main Street von Sterling entlang. Suchend schaute er sich um. Sterling war eine verhältnismäßig große Stadt. Es herrschte hektische Betriebsamkeit. Hier und dort wurde gebaut. Hämmern und Sägen, das Geschrei der Arbeiter, das Rumpeln von Karren und Fuhrwerken, Wiehern, Hufschlag und eine ganze Reihe anderer, oftmals undefinierbarer Geräusche erfüllten die Stadt. Das alles wurde übertönt vom Lärm der Sägemühle, die am Ufer des South Platte River errichtet worden war und die für das notwendige Schnittholz sorgte.
Die Union Pacific plante, zunächst einen Schienenstrang bis nach Sterling zu verlegen, und mit der Eisenbahnanbindung sollten Aufschwung und Blüte einsetzen. Sterling sollte zu einem Knotenpunkt, einem Umschlagplatz von Waren und Gütern werden, zum Puls eines weiten Umlandes, das mit allem Notwendigen versorgt werden wollte. Und dann war es nur noch eine Frage der Zeit, bis von Sterling aus weitere Nebenlinien das Land in alle Himmelsrichtungen erschlossen.
Josh Kilkeene lenkte sein Pferd auf einen Saloon zu, auf dessen Vorbau sich zwei Männer unterhielten. Er tippte lässig an die Hutkrempe und sagte: „Ich suche John Gallatins Frachtwagenbetrieb. Können Sie mir weiterhelfen?“
Die beiden hatten ihr Gespräch unterbrochen und fixierten ihn scharf von oben bis unten. Sie sahen einen großen, hageren Mann mit scharfgeschnittenem Gesicht und pulvergrauen Augen, von dem etwas Unnahbares, Abweisendes ausging. Am Colt, den er tief am rechten Oberschenkel trug, blieb ihr Blick etwas länger hängen. Schließlich wies einer der beiden mit dem ausgestreckten Arm weiter die Straße hinunter und erklärte: „Reiten Sie einfach weiter, Stranger. Etwa hundert Yards noch, dann sehen Sie schon das Schild.“
„Thanks.“ Kilkeene ritt weiter.
Der Betrieb war nach dieser Beschreibung gar nicht zu verfehlen. Eine riesige Holztafel über einer Hofeinfahrt und ein halbes Dutzend abgestellter Frachtwagen verrieten Kilkeene nach wenigen Minuten, dass er am Ziel war. Er ritt in den Wagenhof, orientierte sich kurz, und hielt dann auf das große Haupthaus zu. Aus einem Schuppen trat ein Mann, blinzelte ins Sonnenlicht und beobachtete ihn.
Am Haltebalken saß Kilkeene ab. „Ist Mr. Gallatin zu Hause?“, rief er.
Der Mann beim Schuppen nickte. „Gehen Sie nur hinein. Im Flur die zweite Tür rechts - da ist sein Büro. Dort finden Sie ihn.“
Aber da wurde bereits die Haustür geöffnet und John Gallatin erschien. Seine massige Gestalt füllte nahezu das ganze Rechteck aus. Ein zufriedenes Grinsen glitt über sein feistes, gerötetes Gesicht, zog seine wulstigen Lippen in die Breite, und dann ließ er seine sonore Stimme erklingen: „Sie sind Josh Kilkeene, habe ich recht?“
Kilkeene schlang die Leinen lose um den Querholm und trat vom Pferd weg. Er schob sich den breitrandigen, flachkronigen Stetson etwas aus der Stirn und nickte. „Ja, ich bin Kilkeene. Sie sind John Gallatin, nicht wahr? - Wird jemand mein Pferd versorgen?“
„Natürlich.“ Gallatin winkte dem Mann im Stalltor und rief befehlsgewohnt: „Stelle das Tier im Stall unter und bringe es auf Vordermann.“ Er lächelte Kilkeene zu. „Ich schätze, es hat einige Tage Ruhe verdient.“
Wieder nickte Kilkeene. Er schien kein Mann großer Worte zu sein. „Werde ich bei Ihnen wohnen?“
„Gewiss. Da Sie gekommen sind, denke ich, dass Sie mein Angebot annehmen. Und somit stehen Sie ab heute auf meiner Lohnliste. Kommen Sie herein. Es gibt einiges zu besprechen. Und dann können Sie sich ausruhen. Folgen Sie mir.“
Sattelsteif ging Josh Kilkeene hinter dem Fuhrunternehmer her ins Haus. Bei jedem seiner Schritte streifte sein Handgelenk den tiefsitzenden Coltknauf. Es war ein schwerer, langläufiger Remington-Colt. Und es war deutlich, dass Kilkeene das Eisen nicht nur zur Dekoration mit sich trug. Er wusste es zu gebrauchen - und zwar mit tödlicher Präzision. Josh Kilkeene war ein Revolvermann, ein Gunslinger, der seinen Colt an den Meistbietenden vermietete.
Im Office bot Gallatin seinem neuen Mann einen Stuhl zum Sitzen an. „Ein Drink gefällig?“, fragte er, als Kilkeene Platz genommen hatte.
„Nichts dagegen“, murmelte der Revolvermann, nahm seinen Hut ab, legte ihn auf den Schreibtisch und streckte die Beine weit von sich. Und während Gallatin einschenkte, beobachtete Kilkeene ihn unter halb gesenkten Lidern hervor. Dann tranken Sie sich zu, und schließlich begann Gallatin: „Mein Problem ist die Eisenbahn, die ihre Schienen zunächst nach Sterling und später von hier aus nach Osten, Süden und in den Südwesten verlegen will. Regelmäßig verkehrende Züge bedeuten den Ruin meines Frachtwagenunternehmens. Es gibt allerdings eine ganze Reihe von Leuten in der Stadt und im Umland, die die Seele ihrer Großmutter dem Satan verkaufen würden, nur um den Anschluss an die Bahn zu ermöglichen. Und um diese Narren sollen Sie sich kümmern, Kilkeene.“
„Ja“, sagte der Revolvermann, „das deuteten Sie bereits in Ihrem Brief an. Gut. Der Preis, den Sie mir geboten haben, ist in Ordnung. Sie müssen mich nur noch mit einigen Details versorgen.“
„Ich wusste, dass wir uns einig werden“, kam es von Gallatin, und er hob noch einmal das Glas. „Auf gute Zusammenarbeit also, Kilkeene.“
Der Gunslinger prostete ihm wortlos zu.
*
Zwei Tage waren seit Browns unerfreulichem Besuch auf der Bassett Ranch vergangen. Achtundvierzig Stunden, in denen Ruhe und Friede herrschten - ein Friede, dem Grat nicht traute, ein trügerischer Friede. Es war wieder kurz nach Sonnenaufgang. In einem Corral standen ein Dutzend Pferde, die sie am Vortag ausgesondert hatten. Am Haltebalken war Grats Reitpferd angeleint. Es trug Sattel und Zaumzeug, und ein Reservepferd war mit Campzeug, Kochgeschirr, Proviant und allerlei anderen Dingen beladen, die Grat für einige Tage und Nächte im unwirtlichen, menschenfeindlichen Land benötigte.
Er wollte die Pferde nach Fort Morgan treiben und sie dort an die Armee verkaufen. Er knüpfte die Leine vom Holm, saß auf, und sagte vom Sattel aus: „In vier Tagen bin ich wieder zurück. Bleibt auf der Ranch. Die Longhorns kommen auch ein paar Tage ohne euch zurecht. Wenn Brown irgendeine Niedertracht im Sinn hat, dann hält er sich nicht an die Rinder, sondern an die Ranch. Wenn ich zurückkomme, möchte ich hier nicht nur rauchende Trümmer vorfinden. Und jetzt treibt die Herde aus der Fence.“
„Mal den Teufel nur nicht an die Wand“, knurrte Quincy Ladd. Er legte den Kopf in den Nacken und blinzelte. „Aber keine Sorge, Grat. Wir werden während deiner Abwesenheit die Ranch hüten wie unsere Augäpfel“, versprach der Cowboy. Und im Brustton der Überzeugung fügte er hinzu: „Sollten Silas Brown und seine Halsabschneider tatsächlich noch einmal aufkreuzen, jagen wir sie mit Pulver und Blei zum Teufel.“
„Das gleiche gilt für Ray Chesterfield von der Union Pacific“, gab Al Dodson herb und grimmig zu verstehen. „Falls er mit seinem Team aufkreuzt, lehren wir ihnen die heilige Mannesfurcht.“
„Seid vorsichtig“, mahnte Grat. „Ein zweites Mal lässt sich Brown nicht so einfach aufs Kreuz legen. Bill Wilcox ist ein mit allen schmutzigen Wassern gewaschener Hundesohn. Beim nächsten Mal überlässt er nichts dem Zufall. Also seid auf der Hut und fordert nichts heraus.“
„Wir lassen es auf uns zukommen“, versetzte Quincy grimmig. „Und dann werden wir sehen.“
Er und Al stiefelten zum Corral und öffneten das Gatter. Staub wolkte und wehte, als sie die Herde in den Hof trieben. Es waren eingerittene Tiere. Al streifte dem Leithengst eine Longe über den Kopf und warf das Ende Grat zu. Die Leine des Packpferdes war an Grats Sattelhorn befestigt. „So long. Und haltet die Ohren steif.“ Grat hob grüßend die Hand und ritt an. Willig folgte ihm der Leithengst, und die kleine Herde setzte sich in Bewegung.
Quincy und Al schauten ihm nach, bis er über einer Bodenwelle verschwunden war.
Grat ritt am South Platte River entlang nach Südwesten. Er hatte keine Probleme mit der Herde. Vierzig Meilen lagen zwischen seiner Ranch und Fort Morgan. Er freute sich auf das Wiedersehen mit Hazel Rawlins, die in der Ansiedlung, die um den Armeeposten herum entstanden war, einen kleinen Store betrieb. Und er nahm sich vor, sie diesmal zu fragen, ob sie seine Frau werden und mit ihm auf die Ranch kommen wollte.
Sogleich aber verdüsterte sich sein Gesicht. Die Gedanken, die unvermittelt durch seinen Kopf spukten, waren alles andere als erhebend. Es war, als legten sich Bleigewichte auf sein Gemüt. Hass und Gewalt waren vorprogrammiert, gärten und brodelten bereits unter der Oberfläche, und er konnte es nicht verantworten, Hazel irgendeiner Gefahr auszusetzen. Der Kampf um seine Ranch war unausbleiblich, denn Silas Brown gab sich gewiss nicht geschlagen. Ebenso wenig würde Ray Chesterfield den Plan aufgeben, Schienen über seine Weidegründe nach Sterling zu verlegen.
Nein, die Idee, Hazel zu sich auf die Ranch zu holen, war nicht gut. Deshalb schob er den Gedanken zur Seite. Er würde sie fragen, ob sie ihn heiraten wollte - alles andere aber stellte er zurück. Seine Gegner waren stärker als er. Die Zukunft seiner Ranch sah wenig rosig aus. Das wusste er. Es war der Kampf Davids gegen den Riesen Goliath, wenn er sich zum einen mit Silas Brown, zum anderen mit der Eisenbahngesellschaft anlegte.
Um ihn war das Trappeln, das über fünfzig Hufe verursachten. Grat brütete vor sich hin. Am Ende seiner Überlegungen stand immer wieder der unumstößliche Grundsatz, sich nicht freiwillig dem Druck der Stärkeren und Mächtigen zu beugen. Und weil der Lärm, der ihn umgab, alle anderen Geräusche verschluckte, weil Grat tief in nagende Gedanken versunken war, und weil er auf seinem Weg nach Fort Morgan sicherlich auch nicht mit einer höllischen Überraschung rechnete, überhörte er den prasselnden Hufschlag, der über die Bodenwelle zu seiner Rechten heranbrandete.
Und dann rissen ein halbes Dutzend Reiter auf der Kuppe die Pferde zurück. Grat sah sie und griff nach dem Gewehr, aber da blitzten bei ihnen schon die Mündungsfeuer auf. Sie schossen ohne jede Warnung. Das Peitschen der Gewehre übertönte das Hufetrommeln. Pferde stiegen, wieherten, stürzten, keilten mit den Hufen, wälzten sich am Boden und verendeten. Grat bekam das Gewehr frei, spürte ein heftiges Brennen auf dem Rücken, als ihn eine Kugel streifte, und im nächsten Moment brach unter ihm das Pferd zusammen. Er bekam gerade noch die Füße aus den Steigbügeln und konnte sich mit einem Sprung zur Seite retten.
Die dezimierte Pferdeherde brach auseinander. Mit wehenden Mähnen und hochgestellten Schweifen rasten die Tiere in alle Himmelsrichtungen davon. Fünf Pferde lagen tot oder sterbend am Boden, darunter Grats Reittier. Das Packtier, das nicht fliehen konnte, gebärdete sich wie wild, zerrte an der Longe, bockte, keilte nach hinten aus, wieherte fanfarenhaft. Über den Reitern auf dem Hügel zerflatterte der Pulverdampf.
Grat lag jetzt im spärlichen Schutz des Ufergebüsches. Heiß und kalt rann es ihm über den Rücken hinunter, sein Mund war wie ausgedörrt. Die Streifschusswunde auf seinem Rücken brannte höllisch. Um ihn herum summten Bienen und sirrten Mücken. Alle anderen Stimmen der Natur waren nach der todbringenden Salve verstummt. Die Natur schien den Atem anzuhalten.
Grat erkannte Bill Wilcox. Und auch die anderen fünf Kerle kannte er namentlich. Sie mussten die Ranch beobachtet haben und ihm gefolgt sein. Siedend durchfuhr ihn der Schreck. Ihm schwante Fürchterliches. Wahrscheinlich war die Mannschaft, die Wilcox mitgebracht hatte, viel größer. Und jene, die nicht an dem Überfall auf ihn, Grat, teilgenommen hatten, sorgten bereits auf der Ranch für Furore.
Wie eine Warnung vor Verhängnis, Untergang und Tod zuckte dieser Verdacht durch seinen Verstand und quälte ihn. Er hatte plötzlich das Empfinden, als wehte ihn kalte Grabesluft an. Und die düstere Ahnung verfestigte sich mehr und mehr und ließ ihn nicht mehr los, hielt ihn fest wie mit scharfen Klauen.
Die Reiter kamen in auseinandergezogener Reihe den Abhang herunter. Bill Wilcox‘ klirrende Stimme ertönte: „Gib es auf, Bassett! Wenn du jetzt schießt, ist es aus mit dir. Gib auf und rette wenigstens dein Leben. Es ist das einzige, was dir noch bleibt.“
Eine vernichtende Wut begann Grat zu beherrschen. Es überkam ihn wie ein Rausch. Er zog den Gewehrkolben an die Schulter, visierte kurz und drückte ab. Der Donner des Schusses prallte dem Rudel entgegen, Wilcox warf beide Arme gleichzeitig hoch, kippte nach hinten und stürzte vom Pferd, als hätte ihn die Faust des Satans aus dem Sattel gefegt. Sofort gaben die anderen ihren Tieren die Sporen. Einige Schüsse krachten. Das blindlings verfeuerte Blei prasselte in das Dickicht. Blätter und Zweige regneten auf die Erde.
Gedankenschnell war Grat einige Schritte zur Seite gekrochen. Er schoss, und seine Kugel traf. Der Fuß des Getroffenen blieb im Steigbügel hängen und er wurde von dem durchgehenden Pferd mitgeschleift.
Grat repetierte. Sein Blick sprang in die Runde. Wie fiebrig glühten seine Augen. Er jagte eine dritte Kugel aus dem Lauf, aber sie ging fehl. Seine Gedanken hetzten einander. Die Sorge um Quincy und Al und auch die Ranch zerfraß ihn geradezu.
Einer der Reiter war zurück über den Hügel geflohen. Und jetzt ging er auf der Kuppe in Stellung. Die anderen drei hatten weitab von Grat das Ufergebüsch erreicht, waren von den Pferden gesprungen und fanden Deckung in dem Blatt- und Zweiggespinst. Einer von ihnen flussaufwärts, die anderen beiden ein ganzes Stück den Fluss hinunter. Sie hatten ihn also zwischen sich. Und nun schlichen sie wohl im Schutze der Sträucher heran, um ihn aufzuspüren und ihm den Rest zu geben.
Hier kannst du dich nicht halten, Grat! So durchpeitschte ihn eine innere, zwingende Stimme. Zwei kommen von rechts, der dritte von links, und auf dem Hügel sitzt der vierte der Schufte und wartet nur darauf, dass sie dich ihm vor die Mündung treiben.
Grat lauschte und witterte und ließ seinen Instinkten freien Lauf. Manchmal war ein entferntes Knacken zu vernehmen. Hinter ihm war das monotone Rauschen des Flusses, der seine Wassermassen nach Nordosten wälzte, vorbei an seiner Ranch und an Sterling, weit hinein nach Nebraska, wo er sich mit dem North Platte River vereinigte, bis zur Mündung in den Missouri südlich von Omaha.
Der Fluss! Er war seine einzige Rettung. Er saß zwischen den vier Kerlen wie eine Maus in der Falle. Sie hatten bewiesen, dass sie von dem Vorsatz beseelt waren, ihn zu töten. Wahrscheinlich waren sie schon mit einem Mordauftrag zu seiner Ranch geritten. Und nun, nachdem er Wilcox und einen weiteren ihrer Gefährten vom Pferd geschossen hatte, war es nicht nur mehr die Weisung Browns, die sie auf ihn hetzte, jetzt kämpften sie aus eigenem Antrieb, der persönlichen Leidenschaft und der Rachsucht wegen.
Grat entschied sich von einer Sekunde auf die andere. Er zog sich zurück. Wie eine Schlange kroch er unter den tiefhängenden Zweigen hindurch. Einmal glaubte er ganz in der Nähe das Knacken eines trockenen Zweiges unter einem Stiefeltritt zu vernehmen. Er bewegte sich schneller und erreichte die schmale Sandbank zwischen dem Buschgürtel und dem Fluss. Grat sicherte nach beiden Seiten, dann brach er aus dem Gestrüpp, zwei, drei kraftvolle Sätze brachten ihn zum Ufer, und mit dem vierten Satz hechtete er in die Fluten. Das Wasser schlug über ihm zusammen. Er tauchte, bis ihn die heftige Strömung in der Flussmitte erfasste. Sein Kopf durchbrach die Wasseroberfläche, ein Schwall verbrauchter Atemluft entwich seinen Lungen, und durch die Wasserschleier vor seinen Augen sah er die Grazy Bull-Reiter am Ufer.
Sie bemerkten ihn im selben Moment. Ihre Gewehre flogen an die Schultern. Aber da hatte Grat seine Lungen bereits mit frischem Sauerstoff gefüllt, und er sackte weg wie ein Stein. Wo ihre Kugeln einschlugen spritzte das Wasser. Suchend tasteten ihre Augen den Fluss ab, und als sie Grat das nächste Mal auftauchen sahen, war er schon an die hundert Yards von ihnen entfernt. Und die Strömung riss ihn mit unwiderstehlicher Gewalt davon.
Einer der Kerle hatte das Gewehr gehoben um zu schießen. Ein anderer drückte den Lauf nach unten. Er knurrte: „Du vergeudest nur dein Blei, Ben. Kümmern wir uns lieber um Bill und Stan. Und dann reiten wir zurück zur Bassett-Ranch. Ich schätze, Lee und die anderen haben dort keinen Stein auf dem anderen gelassen.“
Sie schlugen sich durch das verfilzte Gestrüpp.
Bill Wilcox lebte noch. Er hatte Grats Blei in der rechten Schulter stecken. Stan Benbow war tot. Sein Pferd war nach etwa hundert Yards stehen geblieben. Der Fuß des Cowboys hing noch im Steigbügel. Aber Grats Kugel hatte ihn getötet, ehe ihn das Tier in rasender Karriere über Stock und Stein schleifte.
„Ich erwürge diesen Bastard mit bloßen Händen!“, versprach der Vormann, als einer der Cowboys sein Hemd aufschnitt. Er zitterte vor Schmerz und Hass.
„Zunächst einmal wirst du den Doc in Anspruch nehmen müssen, schätze ich“, sagte der Cowboy trocken. „Das Stück Blei muss raus. Und dann werden einige Tage vergehen, bis du wieder auf den Beinen stehst.“
„Der Hund soll verfaulen!“, knirschte Bill Wilcox, und der Hass, der in seinen Zügen wütete und sie entstellte, war erschreckend.
Die Wunde wurde notdürftig gesäubert und verbunden, dann halfen zwei der Cowboys Bill Wilcox aufs Pferd. Die anderen beiden legten den Toten quer über den Rücken seines Braunen und banden ihn fest, dann folgten sie dem Fluss.
Währenddessen ließ Grat sich einfach treiben. Das Wasser kühlte die Streifschusswunde auf seinem Rücken. Schnell trug ihn die Strömung seiner Ranch entgegen. Da sah er die dunklen Rauchschwaden, die sich über einen Höhenzug östlich des Flusses wälzten und träge nach Westen trieben. Und obwohl er es geahnt hatte, drohte ihm der Herzschlag auszusetzen. Er brauchte nicht zu raten, was dort brannte ...
*
Einige Schwimmbewegungen brachten Grat zum Ufer. Er erklomm die Uferböschung. Wasser tropfte aus seiner Kleidung, der durchnässte Stoff behinderte ihn in seinen Bewegungen. Grat zog sich die Stiefel von den Füßen und schüttete das Wasser heraus. Er strich sich die Haare aus der Stirn. Seinen Hut hatte er verloren. Das Wasser hatte wahrscheinlich die Munition in seinen Waffen und den Schlaufen seines Gurtes verdorben.
Es schien, als wäre es Silas Brown gelungen, ihm an diesem Tag den existentiellen Todesstoß in diesem Teil des Landes zu versetzen. In Grat vermischten sich Zorn, Bitterkeit und Enttäuschung.
Er hatte sich die Stiefel wieder angezogen und lief den Abhang hinauf, der zwischen seiner Ranch und dem Fluss lag. Das Bild, das ihm in die Augen sprang, war niederschmetternd. Die Gebäude seiner Ranch standen in hellen Flammen. Brandgeruch stieg ihm in die Nase. Funken stoben, Asche wirbelte. Das Prasseln der Flammen erreichte sein Gehör, ab und zu auch ein Knirschen und Krachen, wenn etwas zusammenstürzte.
Es traf Grat bis in seinen Kern, etwas in ihm schien zu zerbrechen, abzusterben.
Die Corrals waren leer. In wilder Panik hatten die Pferde die Eingrenzung niedergetrampelt, und dann waren sie in die Hügel geflohen, geleitet vom instinktiven Selbsterhaltungstrieb.
Grat erbebte innerlich. Sein Verstand blockierte. Sein Kopf dröhnte vor hilfloser Wut. Ein trockenes Schluchzen entrang sich ihm, als sich der Stau aus Entsetzen, Fassungslosigkeit und Zorn löste. Eine unsichtbare Faust schien ihn zu würgen.
Er sah den Pulk Reiter, die vor der sengenden Hitze auf dem Ranchhof geflohen waren und nun aus sicherer Entfernung ihr zerstörerisches Werk beobachteten. Und seine Gefühle drohten ihn zu übermannen. Doch dann kam wie ein eisiger Guss die Frage nach dem Schicksal seiner beiden Reiter.
Mit den Augen versuchte er den wogenden Qualm im Ranchhof zu durchdringen. Krachend stürzte ein Schuppen zusammen. Hoch schlugen die Flammen. Von Quincy Ladd und Al Dodson war nichts zu sehen. Wie ätzende Säure durchfloss Grat die Sorge um die beiden. Gewaltsam zwang er sich zur Ruhe. Er wartete ab. Die Frage nach dem Verbleib der beiden Cowboys brachte seine Nerven zum Schwingen und zermürbte ihn, aber er musste ausharren, bis das Reiterrudel sich verzogen hatte.
Er durfte keinen Kampf wagen. Auf seine Waffen konnte er sich nach dem unfreiwilligen Bad im South Platte River nicht verlassen. Mochte das Pulver in der einen oder anderen Patrone auch vom Wasser verschont geblieben sein - jene Kugel aber, auf die es vielleicht ankam, konnte versagen. Der Tribut, den er dem Risiko zu zollen gehabt hätte, wäre wahrscheinlich sein Leben gewesen.
Gefühl und Verstand lagen bei Grat in zäher Zwietracht. Doch der Verstand war stärker. Er gewann die Oberhand. Die sorgenvolle Ungeduld aber blieb.