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Das gnadenlose Gesetz: Pete Hackett Western Edition 52

von Pete Hackett (Autor:in)
©2022 120 Seiten

Zusammenfassung

Der Tag neigte sich seinem Ende zu. Die Sonne stand schon weit im Westen und glühte über den fernen Graten und Zinnen der Roskruge Mountains. Ziemlich schnell krochen die Schatten über die heiße, staubige Main Street von Tucson und erreichten die Häuser auf der anderen Seite.

Sheriff Tom Jordan trat auf den Vorbau seines Office. Hart umspannten seine nervigen Hände das Geländer, das von Sonne, Wind und Regen blank geschliffen war. Aus engen Augenschlitzen starrte der Sheriff nach Westen. Sein scharfkantiges Gesicht war ausdruckslos. Um ihn herum war reges Leben. Viele Menschen bewegten sich auf den hölzernen Gehsteigen, Reiter kamen die Fahrbahn entlang, Buggies, hin und wieder ein schwereres Fuhrwerk. Tom Jordan nahm das alles nur unterbewusst wahr. Reglos stand er da, den Blick starr nach Westen gerichtet, als erwartete er aus dieser Richtung irgendetwas.

Ein Mann steuerte von der gegenüberliegenden Straßenseite schräg auf den Sternträger zu. Er trug einen dunklen Anzug und ein weißes Hemd, das am Hals von einer weinroten Samtschnur zusammengehalten wurde. Auf seinem Kopf saß eine schwarze Melone. Er war wohl an die sechzig Jahre alt, und die Haare, die unter dem Hut hervorlugten, waren eisgrau. Der Ostwind trieb Staubspiralen gegen seine Stiefel und puderte sie grau.

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Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER EDWARD MARTIN

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Das gnadenlose Gesetz: Pete Hackett Western Edition 52

Pete Hackett


Western von Pete Hackett


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Über den Autor

Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.

Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."

Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.


Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author

© 2012 der Digitalausgabe 2012 by AlfredBekker/CassiopeiaPress

www.AlfredBekker.de



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Der Tag neigte sich seinem Ende zu. Die Sonne stand schon weit im Westen und glühte über den fernen Graten und Zinnen der Roskruge Mountains. Ziemlich schnell krochen die Schatten über die heiße, staubige Main Street von Tucson und erreich­ten die Häuser auf der anderen Seite.

Sheriff Tom Jordan trat auf den Vorbau seines Office. Hart umspann­ten seine nervigen Hände das Gelän­der, das von Sonne, Wind und Regen blank geschliffen war. Aus engen Au­genschlitzen starrte der Sheriff nach Westen. Sein scharfkantiges Gesicht war ausdruckslos. Um ihn herum war reges Leben. Viele Menschen beweg­ten sich auf den hölzernen Gehstei­gen, Reiter kamen die Fahrbahn ent­lang, Buggies, hin und wieder ein schwereres Fuhrwerk. Tom Jordan nahm das alles nur unterbewusst wahr. Reglos stand er da, den Blick starr nach Westen gerichtet, als er­wartete er aus dieser Richtung irgendetwas.

Ein Mann steuerte von der gegen­überliegenden Straßenseite schräg auf den Sternträger zu. Er trug einen dunklen Anzug und ein weißes Hemd, das am Hals von einer weinro­ten Samtschnur zusammengehalten wurde. Auf seinem Kopf saß eine schwarze Melone. Er war wohl an die sechzig Jahre alt, und die Haare, die unter dem Hut hervorlugten, waren eisgrau. Der Ostwind trieb Staubspi­ralen gegen seine Stiefel und puderte sie grau.

Vor dem Vorbau blieb der Eisgraue stehen, blinzelte zu Jordan hinauf, der ihn allerdings nicht wahrzuneh­men schien.

»Hallo!«, grüßte er.

Von Jordan kam keine Resonanz.

Und so wiederholte er seinen Gruß, diesmal lauter und herausfordernder.

Und nun wandte sich Tom Jordan ihm zu. »Ah, Doc«, sagte er. »Hab Sie gar nicht kommen hören.« Er ver­suchte ein Lächeln, doch misslang ihm dies. Und so nahm sein Gesicht wie­der den ernsten Ausdruck an.

»Sie machen mir überhaupt einen recht abwesenden Eindruck in den letzten Tagen«, erwiderte der Doc und verzog den Mund. »Ich beob­achte Sie. Seit einer Woche stehen Sie täglich wiederholt hier auf dem Vor­bau und starren nach Westen.« Der alte Arzt nickte einige Male wie zur Bekräftigung seiner Worte. »Und ich glaube auch zu wissen, was Sie be­drückt, Tom Jordan«, fügte er dann etwas leiser hinzu.

»Dann brauche ich es Ihnen ja nicht zu erzählen«, entgegnete der Sheriff ziemlich schroff. Er hatte sich wieder umgedreht.

»Na, na, warum gleich so brum­mig?«, gab der Alte zurück und schüt­telte den Kopf. Er bohrte mit der Stie­felspitze in den Staub. Dann fragte er lauernd: »Glauben Sie, dass Jack Dodson seinen Schwur wahr macht und zurückkehrt, um sich an Ihnen zu rä­chen?«

Tom Jordan presste die Lippen zu­sammen. Deutlich traten seine Wan­genknochen hervor. »Ja«, antwortete er sehr ernst. Seine Stimme klang rau und belegt. »Er kommt. Und mit ihm seine schießwütigen Brüder. Ich erwarte sie täglich, denn die vier Jahre sind um.«

Eine Weile herrschte Schweigen zwischen den beiden Männern. Der Doc brach es, indem er sagte: »Ich an Ihrer Stelle würde nicht so viel auf solche Drohungen geben, wie sie Dodson damals bei seiner Verur­teilung ausstieß, als ihn der Richter für vier Jahre nach Fort Yuma ins Zuchthaus schickte. Vier Jahre in die­ser Hölle ändern einen Mann, auch ei­nen wie Jack Dodson. Er wird die Finger von Ihnen lassen, Sheriff. Er wird sich überhaupt hüten, noch einmal seinen Fuß in diese Stadt zu setzen.«

Tom Jordan lächelte grimmig. »Da kennen Sie Dodson aber schlecht, Doc«, meinte er gedehnt. »Dieser Ha­lunke steht zu seinem Wort. Also habe ich mich darauf eingestellt, dass er hier aufkreuzt, um mir das Tor zur Hölle aufzustoßen.«

Der Arzt kaute auf seiner Unter­lippe herum. »Warum mobilisieren Sie nicht die Bürgerwehr?«, fragte er schließlich. »Ein Dutzend Gewehre würden genügen, um den Schuften ei­nen heißen Empfang zu bereiten.«

Jordan winkte ab. »Von dieser Stadt kann ich gegen Kerle wie die Dodsons keine Hilfe erwarten«, erklärte er düster. »Und ich erwarte sie auch nicht. Es ist meine ganz persönliche Angelegenheit.«

»Nein.« Der Doc schüttelte den Kopf. »So sehe ich das nicht. Sie ver­körpern hier das Gesetz, Sheriff. Und dem Gesetz hat Dodson blutige Rache geschworen. Sie sind zu stolz, die Bürger um Hilfe anzugehen, das ist es. Aber es ist eine falsche Art von Stolz.«

Jordan zuckte mit den Achseln. »Meine beiden Deputies werden mir den Rücken freihalten, Doc. Ich will nicht, dass irgendein Mensch in dieser Stadt gefährdet wird. Ich kann doch gegen dieses mörderische Trio nie­mand ins Feld schicken, der keinerlei Kampferfahrung hat. Oder wissen Sie einen Mann in Tucson, der es mit ih­nen aufnehmen könnte?«

»Verdammt, nein.«

»Na also.«

»Sie wollen den Schuften doch nicht offen entgegentreten, wenn sie …«

»Ich lasse es auf mich zukommen«, unterbrach Jordan den Doc. »Ort und Zeitpunkt werden allerdings die Halunken be­stimmen.«

Damit war das Gespräch beendet. Tom Jordan tippte lässig gegen die Krempe seines Stetsons und ging in sein Office.


*


Die Lichter der Stadt tauchten vor den vier Reitern in der Dunkelheit auf. Ringsum dehnte sich ödes, von der Sonne ausgebranntes Land; Hügel­ketten, sandige Ebenen, Arroyos und steinige Senken. Unter den Hufen der Pferde raschelte das harte Galleta Gras. Der Weg der vier war gesäumt von Dornengestrüpp, Kreosot- und Mesquitebüschen.

Ein karges, schweigendes Land, das erfüllt war vom Wispern des Windes. Ein Land, in dem das Verhängnis überall lauern konnte und der Tod all­gegenwärtig war.

Nach einer halben Stunde passier­ten die Reiter die ersten Häuser und Hütten von Tucson.

Es ging auf Mitternacht zu. In den Behausungen der Bürger waren die Lichter längst erloschen. Nur in den Vergnügungsbetrieben war noch der Teufel los. Aus den riesigen, mit gro­ßen Lettern beschrifteten Fenstern fiel in breiten Bahnen das Licht auf die Gehsteige und in die Straße. Raue Männerstimmen schwangen ineinander und vermischten sich. Da­zwischen ertönte immer wieder das helle Lachen von Frauen. Unterstri­chen wurde das alles vom Hämmern der Orchestrions.

Eine wilde Stadt voller Laster und Sünden, in der es brodelte und gährte wie in einem Vulkan. Hier war man auf der Jagd nach Dollars, auf diese oder jene Weise. Gegolten hatte hier immer nur das Recht des Stärkeren. Egal, ob dieser gut oder schlecht war. So jedenfalls hatte Jack Dodson Tucson in Erinnerung.

Er ritt ein Stück vor seinen beiden Brüdern und jenem Burschen, der sie begleitete, als sie ihn in Yuma abhol­ten. Sein Name war Wy Hastings. Ein Hombre, dem die Niederträchtigkeit ins Gesicht geschrieben stand.

Jack Dodsons flackernder Blick schnellte über die Straße, ließ den Banditen al­les erfassen und in sich aufnehmen. Genugtuung wühlte in ihm, aber auch Hass. Er wütete tief in seinem Innern. Grenzenloser Hass auf einen Mann, der ihn vier Jahre seines Lebens geko­stet hatte.

Tom Jordan.

Jack Dodson lenkte sein Pferd zum größten Saloon der Stadt, dem Last Chance Inn. Am Holm stand ein gutes Dutzend Pferde. Aus dem Saloon drang Höllenlärm auf die Straße. Seine Begleiter schlossen auf. Gleich­zeitig saßen sie ab.

»Diese Atmosphäre habe ich vier Jahre lang missen müssen«, erklärte Jack Dodson heiser und begierig. »Also werden wir gleich den Teufel aus dem Sack lassen. Und dann holen wir uns Jordan, dieses Stinktier.«

Die anderen lachten. Sie schlangen die Zügel um den Hitchrack, dann stiegen sie die wenigen Stufen zum Vorbau empor. Tabakqualm quoll über die grün gestrichene Pendeltür ins Freie. Jack Dodson stieß die Tür­flügel auseinander und betrat den Sa­loon. Die drei anderen drängten ihm nach.

Rauchschwaden hingen unter der Decke und wogten um die Lampen. Es roch nach Bier und Brandy, nach Schweiß und dem Parfüm der Ani­miermädchen. Betrunkene torkelten zwischen den Tischen, lachten und grölten und hielten ihre Schnapsglä­ser fest in der Hand wie ein besonders wertvolles Gut. An vielen Tischen un­terhielten grell geschminkte Mädchen die Gäste, hier und dort fand eine Po­kerpartie statt. Die Spieler starrten unbewegt auf ihre Karten und scho­ben ohne große Worte ihre Einsätze in die Tischmitte. Von irgendwo kam ein derber Fluch.

Dodson und seine Gefährten wur­den kaum beachtet. Sie bahnten sich einen Weg zur Theke und verschaff­ten sich dort ohne viel Federlesens Platz. Ein Mann wollte aufbegehren, schwieg aber nach einem Blick in Dodsons stechende Augen, die deutlich werden ließen, dass er keiner Herausforderung aus dem Weg ging.

Nebeneinander bauten die vier sich am Schanktisch auf. Einer der Keeper wandte sich ihnen zu, um sie nach ih­rer Bestellung zu fragen - und er­starrte. Fahle Blässe überzog unver­mittelt sein Gesicht.

»Du, Dodson?«, ächzte er. »Bei Gott …«

Jack Dodson grinste. »Ja, Curly, ich. Die Hölle hat mich wieder ausge­spuckt. Doch jetzt klapp deinen Mund wieder zu und gib uns eine Flasche und vier Gläser.«

Curlys Blick wanderte von einem zum anderen. Er sah ihre stoppelbär­tigen Gesichter, den Staub und den eingetrockneten Schweiß auf ihrer Haut und die Gnadenlosigkeit in ihren Augen. Curly schluckte trocken. Dann aber beeilte er sich, sie zu bedienen. Mit flatternden Händen schenkte er ihre Gläser voll.

»Tom Jordan trägt doch noch den Stern in diesem lausigen Nest, wie?«, fragte Jack Dodson ohne jede Einlei­tung. Erwartungsvoll, lauernd fixierte er Curly, den Keeper.

Der zuckte zusammen wie unter ei­nem Peitschenhieb. Dann aber nickte er wie unter einem inneren Zwang. »Ja, natürlich«, krächzte er. »Einen besseren Sheriff werden wir wohl nicht mehr bekommen.«

Dodson lachte spöttisch auf. »Ihr werdet euch aber nach einem anderen Sternschlepper umsehen müssen, Curly.« Er klatschte seine flache Hand gegen das Halfter an seinem rechten Oberschenkel. »Wir werden euren sauberen Sheriff nämlich in die Hölle schicken.« Er hatte es gerade so laut gesprochen, dass Curly ihn ver­stehen konnte. »Vorher aber wollen wir meine Rückkehr ins Leben begießen, mein Freund. Weißt du, was es für einen Mann heißt, vier Jahre in Yuma begraben zu sein? Nein, Curly, du kannst es wahrscheinlich nicht ein­mal erahnen. In der Hölle ist es gewiss angenehmer als in Yuma.« Jack Dod­son nahm sein Glas und hob es. »Cheerio«, stieß er hervor, dann kippte er den Inhalt mit einem Ruck hinunter. Die scharfe Flüssigkeit brannte in sei­nem Kehlkopf und trieb ihm das Was­ser in die Augen. »Trinkt, Leute«, knurrte er. »Das soll nämlich eine Freudenfeier werden, keine Trauer­feier.«

»Sollten wir damit nicht warten, bis Jordan ins Gras gebissen hat?«, ließ sich Hank Dodson vernehmen. Er war der vernünftigste der drei Brüder, aber nicht minder skrupellos und bösartig wie Jack und Ed. Seine Be­sonnenheit machte ihn höchstens noch gefährlicher.

»Warum warten?«, tat Jack seinen Einwand ab. »Jordan hat gegen uns nichts in der Hand. Lassen wir ihn doch ein wenig schmoren.«

»Er wird nicht warten, bis wir über ihn kommen.«

»Solange wir nicht unsere Kanonen auf ihn richten, ist er machtlos. Ich habe meine Strafe bis auf den letzten Tag verbüßt. Gegen euch liegt nichts vor in Arizona. Wir sind also unbe­scholtene Bürger in einem freien Land. Das bindet Jordan die Hände. Wenn er sich auch fühlen mag wie eine in die Enge getriebene Ratte. Ich will, dass ihn die Angst zerfrisst. Er soll keine ruhige Minute mehr haben, bis wir ihn — sagen wir — erlösen.«

Ein gemeines Grinsen bahnte sich in die ausgemergelten Züge des ehemaligen Sträfling, der einen Trail des Hasses und der blutigen Rache ritt.


*


Tom Jordan kehrte von seinem letzten Rundgang für diese Nacht zu­rück. Das Office lag im Dunkeln. Der Lärm aus den Saloons drang nur noch schwach an seine Ohren. Die ver­worrenen Stimmen muteten an wie das ferne Gemurmel eines Flus­ses. Sie verstummten völlig, als der Sheriff die Tür hinter sich zuzog. Eine mit den Augen nicht zu durchdrin­gende Finsternis umgab ihn. Aber Jordan erreichte sicher den Schreib­tisch. Er riss ein Streichholz an, nahm den Zylinder von der Lampe und hielt die Flamme an den Docht. Die Flamme rußte und flackerte, dann aber brannte sie ruhig und Jordan stürzte den Zylinder wieder darüber. Helligkeit breitete sich im Raum aus. Das Streichholz warf er in den Aschenbecher, in dem Duffys Zigar­renstummel lagen. Der Alte lag wohl in einer der Zellen und schlief den Schlaf des Gerechten.

Auch Jordan war müde. Er öffnete die Schnalle seines Revolvergurts und warf ihn auf den Schreibtisch. Es pol­terte dumpf. In diesem Moment er­tönten vom Gehsteig schnelle, tackende Schritte. Gleich darauf wurde die Tür aufgestoßen. Ein kühler Luft­zug wehte herein.

Jordan hatte blitzschnell reagiert. Und der Ankömmling prallte zurück, als er den schweren Colt des Geset­zeshüters auf sich gerichtet sah. Der Daumen Jordans lag quer über der Hammerplatte. Aber die Anspannung fiel von Jordan ab, als er den Mann er­kannte.

»Du, Curly?«, fragte er überrascht. »Gibt es Ärger?« Jordan senkte die Hand mit dem Revolver.

Curly keuchte. Sein Kopf war von der Anstrengung des Laufens gerötet. »Ärger, Sheriff?«, entgegnete er laut und hastig zwischen zwei tiefen Atemzügen. »Es stinkt zum Himmel! Sie sollten sich setzen, bevor ich Ih­nen sage, wer bei mir an der Theke steht und Whisky säuft.«

Jordans Miene verhärtete sich. In seine Mundwinkel kerbten sich zwei Falten. »Ich kann es mir denken, Curly«, murmelte er düster. »Es sind die Dodsons, nicht wahr?«

Curly nickte erregt. Fahrig knetete er seine Hände. »Die Dodsons und ein vierter Kerl, der den dreien an Ge­meinheit in nichts nachstehen wird. Ich kenne diese Sorte. Die vier haben nur ein Ziel, Sheriff. Nämlich …«

»… mich zum Teufel zu schicken«, vollendete Jordan Curlys Satz.

»So ist es«, bestätigte Curly mit zittriger Stimme.

Aus dem Zellentrakt drangen schlurfende Schritte und unmutiges Gebrabbel. Die Tür ging auf und Duffy trat ins Licht. Bart und Kopf­haare waren zerzaust, Duffys Klei­dung war zerknittert. Schlaftrunken rieb er sich die Augen, dann krächzte er wie ein kranker Rabe: »Bei allen neunundneunzig geschwänzten Teufeln, was für ein hirnrissiger Idiot …« Er ver­stummte, als er Tom Jordans verknif­fenen Gesichtsausdruck wahrnahm, in dem sich alles widerspiegelte, was in dem Sheriff vorging, Duffy schaute auf Curly, und seine Stirn legte sich in Falten. »Ver­dammt, Curly, warum veranstaltest du einen derartigen Höllenlärm, dass davon ein toter Indsmen wieder zum Leben erweckt werden würde?«

Curly zog den Kopf zwischen die schmalen Schultern und stieß heiser hervor: »Die Dodsons sind eingetroffen. Sie haben es auf den Sheriff abgesehen.«

Duffy war erstarrt. Und er benö­tigte eine ganze Weile, um diese Nachricht zu verarbeiten. Dann atmete er rasselnd aus. »Heiliger Rauch«, knurrte er. Er wandte sich Tom Jordan zu, schniefte vernehm­bar und fuhr fort: »Die Hundesöhne haben nicht lange auf sich warten las­sen, wie? Wahrscheinlich sind sie von Fort Yuma aus schnurstracks nach Tucson geritten. Was gedenkst du ge­gen sie zu unternehmen, Tom?«

»Ich weiß es nicht«, gab Jordan zu. »Ich weiß es wirklich nicht, Duffy. Seit vier Jahren bereite ich mich auf diesen Tag vor, und nun stehe ich da wie ein begossener Pudel. Tausend­mal habe ich es mir zurechtgelegt, wie ich den Kerlen gegenübertrete, wenn sie auftauchen, um mir das Fell über die Ohren zu ziehen. Und jetzt habe ich keine Ahnung, wie ich mich ver­halten soll.«

Tom Jordan war ratlos. Und er war verzweifelt. Sein Alptraum war wahr geworden. Und er spürte, wie ein Ge­fühl von Beklemmung in ihn hinein­kroch. Gewaltsam unterdrückte er diese aufkommende Empfindung. Er gab sich einen Ruck. »Ich werde die Kerle beobachten und abwarten. Mehr kann ich im Augenblick nicht tun. Ich werde sie auf Schritt und Tritt überwachen, und wenn sie den Rei­gen eröffnen, bin ich bereit.«

»Ich muss zurück in den Saloon«, mischte sich der Keeper ein. »Die vier Halsabschneider sollen nicht merken, dass ich verschwunden bin, um Sie zu warnen, Sheriff. Ich habe nämlich keine Lust, Opfer der wechselvollen und unberechenbaren Stimmung Jack Dodsons zu werden «

»Geh nur, Curly«, erwiderte Jordan.

Curly verschwand.

»Wir müssen diese Sattelstrolche aus der Stadt jagen«, forderte Duffy. »Alles andere wäre ein Witz. Willst du ruhig hier sitzen und zusehen, wie sie mit dir Katz und Maus spielen, he? Da mache ich nicht mit. Ich schnalle jetzt meine Kanone um und gehe in den Last Chance Inn, um ihnen ein paar Takte zu flüstern.« In seinen Au­gen blitzte es auf. Er wirbelte um seine Achse, um aus dem Zellenanbau seine Waffe zu holen, aber Jordans Stimme hielt ihn zurück.

»Das wirst du schön bleiben lassen, Duffy!«, rief der Sheriff barsch. »Wenn einer in den Last Chance geht, dann bin ich das. Für mich braucht kei­ner die Kastanien aus dem Feuer zu holen.«

Tom Jordan hatte seine alte Sicher­heit zurückgewonnen. Er hatte die aufkeimende Furcht überwunden. Kalte Gelassenheit hatte von ihm Be­sitz ergriffen.

In Duffys Bartgestrüpp geriet Be­wegung, als er erregt antwortete: »Ohne Rückendeckung setzt du auf keinen Fall einen Fuß in diese Laster­höhle, Tom. Wenn du mich schon nicht allein hinübergehen lässt, dann hast du mich eben im Schlepptau. Du wirst einen brauchen, der dir den Rücken deckt. Oder glaubst du allen Ernstes, dass in diesen Burschen auch nur ein Hauch von Anstand und Fairness steckt? Das Wort Ehrenkodex ist dieser Spezies fremd. Diese Bluthunde werden dich in die Zange nehmen und abknallen wie ei­nen Hasen. Außerdem bin ich dein Deputy. Und ich sehe nicht tatenlos zu, wie sie dir die Haut streifenweise abziehen. Verstanden?«

Ein Gefühl der Dankbarkeit durch­strömte Jordan. Er überlegte nicht lange. »Okay, Alter. Ich kenne deinen sturen Schädel. Also komm mit. Nimm die Shotgun. Sie wird den Ker­len Respekt einflößen.«

Fünf Minuten später traten sie auf die Straße. Tom trug in der linken Armbeuge eine Winchester, Duffy eine doppelläufige Parkergun. Ein har­ter Gang, an dessen Ende der schnelle Tod durch heißes Blei stehen konnte. Jordan gab sich keinen Illusionen hin. Die Entschlossenheit eines Mannes, der die Entscheidung suchte, ging von ihm aus. Bei jedem seiner Schritte streifte sein Handgelenk den Revol­verknauf. Eine Berührung, die ihm seine Stärke bewusst werden ließ und ihm Sicherheit verlieh. Tom Jordan war ein Kämpfer. Dieses Naturell war ihm schon in die Wiege gelegt wor­den. Ein Fighter konnte man nicht werden, ein Fighter musste man sein.

Seine Absätze mahlten durch den Staub. Mechanisch setzte er einen Fuß vor den anderen. Duffy wieselte neben ihm her. Er war mehr als einen Kopf kleiner als Jordan und konnte kaum mit diesem Schritt halten.

Sie erreichten den Last Chance Inn. Der Lärm des Barbetriebs brandete ihnen entgegen. Tabak- und Schnaps­geruch trieben über die Pendeltür ins Freie. Die Vorbaubretter knarrten unter dem Gewicht der beiden Män­ner.

Plötzlich ertönte eine gedämpfte Stimme aus der Dunkelheit, die unter dem Vorbaudach herrschte: »Du soll­test nicht hineingehen, Tom!«

Jordan, der gerade im Begriff ge­wesen war, die Schwingtür aufzusto­ßen, ruckte herum. Unwillkürlich legte sich sein Finger fester um den Abzug der Winchester. Duffy prallte gegen ihn und zerbiss eine Verwün­schung.

Aber von der Person, die gespro­chen hatte, drohte keinerlei Gefahr.

»Du, Cora?«, entrang es sich Jordan verdutzt.

Er konnte ihre schmale Gestalt nur als schattenhaften Umriss in der Dun­kelheit an der Schmalseite des Vor­baus ausmachen. Sie löste sich aus der Finsternis, trat in die Lichtbahn des großen Frontfensters, und er konnte Kummer und Sorge in ihren ebenmä­ßigen, hübschen Zügen erkennen. Sie kam ganz dicht heran und schaute hinauf in sein verschlossenes Gesicht.

Jordans Haltung entspannte sich, seine Überraschung verschwand. »Heavens, Cora, was treibt du hier um diese Zeit?« Sein Arm streifte sie.

»Das fragst du?«, antwortete sie leise, mit etwas rauchiger Stimme. »Außerdem ist es als Besitzerin dieses Etablissements mein gutes Recht, mich um diese Zeit hier aufzuhalten.«

»Gewiss, aber …«

Sie ließ ihn nicht ausreden. »Geh nicht hinein, Tom!«, sagte sie ein­dringlich und beschwörend. »Die Dodsons wollen dich töten. Sie ma­chen kein Hehl daraus. Und wenn du dich jetzt da hineinbegibst, kommst du nicht mehr lebend heraus.«

Er starrte in ihr Gesicht und nahm jede Einzelheit darin in sich auf. Ja, er liebte diese Frau. Von ganzem Her­zen. Und sie erwiderte seine Gefühle. Irgendwann wollten sie heiraten. Das war beschlossene Sache.

Unschlüssig zog Jordan seine Un­terlippe zwischen die Zähne. Dann sagte er: »Ich muss mich den Dodsons stellen, Cora. Die Sache muss aus der Welt geschaffen werden. Nur wenn ich ihnen in den Weg trete, habe ich eine reelle Chance. Ich kann es mir nicht leisten, darauf zu warten, dass sie mich zermürben und schließlich als Nervenbündel vor ihre Kanonen holen.«

Sie seufzte. »Ich ahnte es. Nach­dem Curly zurückkam und mich in­formierte, begann ich hier auf dich zu warten. Und ich sagte mir die ganze Zeit über, dass es umsonst sein würde.« Sie senkte den Kopf, und bitter fuhr sie fort: »Ein Tom Jordan geht eben seinen Weg, auf Biegen oder Brechen und ohne Rücksicht auf Verluste. Ein Tom Jordan ist lieber ein toter Held als ein lebendiger Feig­ling. Geh nur hinein und lass dich erschießen. Mach dir nichts draus, wenn sie dich töten. Schließlich wirst du als mutiger, aufrechter Kämpfer für Recht und Ordnung sterben, und das Gesetz wird es dir sicher danken, weil du dich ihm aufgeopfert hast.«

»Verdammt, Cora, rede kein dum­mes Zeug!«, herrschte er sie an.

»Dummes Zeug!«, rief sie schrill. »Nur weil ich nicht will, dass dir etwas zustößt? Begreif das doch. Du weißt, wie ich zu dir stehe. Ich könnte es nicht ertragen, wenn sie dich …«

Jordan legte ihr die rechte Hand auf die Schulter. Es sollte eine beruhi­gende, besänftigende Geste sein. »Keine Sorge, Cora«, flüsterte er rau. »Duffy ist bei mir. Der beste Gehilfe, den sich ein Mann nur wün­schen kann. Er hat mir zigmal den Rücken freigehalten. Er ist so etwas wie meine Lebensversicherung.«

Der Sheriff war von seinen Worten selbst nicht überzeugt. Aber er ließ es sich nicht anmerken.

Abrupt wandte Cora ihm den Rücken zu und schüttelte so seine Hand ab. Kraftlos sank sie herab. Gelbes Licht aus dem Saloon floss über Coras wellige, halblange Haare und ließ sie schimmern wie reifen Weizen.

Tief sog Jordan die Luft in seine Lungen. Es gab kein Zurück.

»Gehen wir!«, stieß er hart zwischen den Zähnen hervor.


*


Der Sheriff stieß die Tür auf und trat ein, dicht gefolgt von Duffy. Die­ser glitt sofort zur Seite und postierte sich an der Wand.

Im Schankraum ging es nicht mehr so hoch her wie beim Eintreffen der Dodsons, aber die Stimmung war im­mer noch ausgelassen und teilweise überschwappend.

Jack Dodson führte an der Theke das große Wort. Alte Bekannte von ihm hatten sich eingefunden und wollten genau wissen, wie es ihm in Fort Yuma ergangen war.

Dodson wurde nicht müde, es wie­der und wieder zu erzählen, in den schillerndsten Farben die Hölle zu be­schreiben, die ein Mann in Yuma durchmachte. Er war eben krankhaft geltungssüchtig, überdies schürte er mit seinen Beschreibungen seinen un­bändigen Hass auf den Mann, dem er diese Hölle zu verdanken hatte. Und nun stand dieser Mann vor der Tür. Groß, hager, sehnig, mit versteiner­tem Gesicht.

Nach und nach verebbten im Schankraum die Geräusche. Beinahe eine Minute lang war es still wie in ei­ner Gruft. Dann aber ging ein Mur­meln und Flüstern durch den Raum, das aber sogleich wieder verstummte.

Die stechenden Blicke der Bandi­ten tasteten Jordan ab. Jack Dodson drehte sein Whiskyglas in der Hand. Plötzlich setzte er es hart auf den Tresen und trat einen Schritt vor. Sein Gesicht war hassverzerrt.

»Jordan!«, zischte er mit rauer Stimme. Er duckte sich ein wenig, seine Hand stahl sich zum Coltkol­ben.

Seine Brüder und Wy Hastings schoben sich zur Seite und nahmen drohende Front zu Jordan ein. Gäste und Animiermädchen flüchteten ha­stig aus der Schusslinie zwischen den Parteien.

Tödliche Bereitschaft ging von den vier Outlaws aus. Jack Dodson stierte den Sheriff durchdringend an. Seine Augen waren vom genossenen Alko­hol gerötet und wässrig.

»Yeah, Dodson, ich!«, peitschte Jor­dans Stimme durch den Inn. »Hast du angenommen, dass ich mich vor dir und deinem Anhang verstecke?«

Dodson schürzte die Lippen. »Das könntest du gar nicht, Jordan. Ich würde dich finden, und sei es am Ende der Welt.« Dodson äugte zu Duffy hin. Grimmig schaute der Oldtimer drein. Die Shotgun in seiner Arm­beuge bedrohte die Outlaws, wies aber auf keinen bestimmten von ih­nen. Ein böses, tückisches Schillern war in die Augen Jack Dodsons getreten. »Vier Jahre, Jordan, vier Jahre habe ich diesen Tag, habe ich diese Stunde her­beigesehnt.« Dodsons Stimme hatte den Klang zerspringenden Glases. »Ich habe dir Vergeltung geschworen, damals, vor vier Jahren. Und nun werde ich dich die Hölle von Yuma bezahlen lassen.« Die Haltung des Banditen hatte sich, während er sprach, gelockert.

»Dann fang an, Dodson!«, konterte der Sheriff furchtlos und unerschrocken.

Jack Dodson hob ironisch die Ober­lippe. »Du baust wohl auf den alten Duffy? Hat der überhaupt noch so viel Kraft, um die Flinte länger als fünf Minuten im Anschlag zu halten?«

»Das wirst du erleben, Hundesohn, wenn du dich zu einer Bewegung hin­reißen lässt, die mir nicht gefällt!«, rief Duffy gallig. Die Doppelmündung der Parker wies dabei auf Jack Dodsons Bauch.

Der maß Jordan von oben bis un­ten. »Duffy kann dich nicht retten, Sheriff.«

»Das mag schon sein«, keifte Duffy. »Aber es ändert nichts daran, dass du als erster mein gehacktes Blei in den Wanst kriegst.«

Dodsons Seitenblick traf seine Brü­der, dann Wy Hastings. Sie standen lauernd abwartend da und fixierten Jordan kalt. Dann musterte er wieder den Sheriff. Die Feindschaft, die er verströmte, berührte diesen wie ein fauliger Atem. »Ich habe Zeit mit meiner Ra­che, Sternschlepper.« Grollend und gedehnt kam es über Dodsons spröde Lippen.

Jordan schüttelte den Kopf. »Du hast keine Zeit, Amigo. Denn ihr vier Strolche werdet noch in dieser Stunde Tucson verlassen. Eure Sorte ist hier nicht erwünscht.«

»Du hast keine Handhabe, uns aus der Stadt zu jagen. Dass du um dein lausiges Leben zitterst, ist nicht Grund genug.«

»Ein Grund ließe sich finden.«

»Den musst du dir aber aus den Fin­gern saugen.« Ein hämisches Grinsen zerpflügte das Gesicht des Outlaws. »Allerdings wäre es gegen Gesetz und Recht. Und das weißt du sehr genau, Amigo.«

»Das Recht verleiht mir der Stern.«

»Auf den pfeife ich. Er ist nicht mehr wert als der Mann, der ihn trägt.«

Darauf antwortete Jordan nichts.

Fast gemächlich verschränkte Jack Dodson die Arme vor der Brust, als wollte er so dokumentieren, dass er den Zeit­punkt für einen Kampf noch nicht für gekommen hielt. Er legte den Kopf schief und meinte: »Wir lassen uns von dir nicht vertreiben, Jordan. Du musst dich schon damit abfinden, dass wir hier sind und hier bleiben, bis wir es für richtig halten, wieder zu ver­schwinden. Das werden wir, wenn er­ledigt ist, was wir uns vorgenommen haben.«

In Jordans Gesicht zuckte es flüch­tig. Er hatte Mühe, seine düsteren Ge­danken hinter einer nichts sagenden Miene zu verbergen.

»All right, Dodson. Ich habe es nicht nötig, mich hinter der Autorität des Abzeichens an meiner Brust zu verstecken. Bleibt von mir aus, aber geht mir aus dem Weg. Das ist eine Warnung. Nehmt sie euch zu Herzen. Und verhaltet euch ruhig. Radaubrü­der wandern hier ins Gefängnis.«

Jack Dodson verzog höhnisch den Mund. Seine Augenbrauen hoben sich. Belustigt rief er: »Danke, Sheriff, für den gut gemeinten Ratschlag und die Warnung. Allerdings klingt das alles ziemlich lächerlich aus dem Mund eines Mannes, der die Hosen gestrichen voll hat. Außerdem glaube ich nicht, dass wir uns davon beein­drucken lassen.«

Jordan hob die Schultern, ließ sie wieder sinken. »Das ist euer Problem. Aber ich versichere dir, dass ich euch gehörig auf die Zehen treten werde, wenn ihr mir einen Grund dazu bie­tet.«

Jordan machte kehrt und ging zur Tür. Ihm entging nicht der verblüffte Blick Duffys, dem sein Verhalten nicht einleuchtete.

»Verdammt!«, maulte der Oldtimer und starrte Jordan ungläubig an. »Willst du …«

Weiter kam er nicht.

Jack Dodson hatte nur darauf ge­lauert, dass der Alte seine Aufmerk­samkeit von ihm nahm. Seine Rechte stieß nach unten, umfasste den Colt­knauf. Seine Brüder und Wy Hastings sahen es und handelten ebenfalls, blitzschnell, ohne zu zögern.

Die Eisen schwangen hoch. Ein Aufstöhnen ging durch den Saloon, in das hinein die Schüsse krachten. Feuer, Rauch und Blei stießen aus den Mündungen, und die Projektile fan­den ihr Ziel. Die Schüsse verdichteten sich zu einem einzigen, berstenden Knall, der von den Wänden zurückgeworfen wurde und den Saloon in sei­nen Fundamenten geradezu erbeben ließ.

Jordan erhielt einen derben Schlag in den Rücken und wurde durch die Pendeltür nach draußen gestoßen. Ein Feuerball explodierte vor seinen Augen, er erhielt noch einen zweiten fürchterlichen Schlag, dann versank alles um ihn herum. Er spürte nicht mehr, wie er hart mit dem Gesicht auf die Dielen des Vorbaues prallte, hörte nicht mehr den verzweifelten Auf­schrei Coras, die über die Tür hinweg alles beobachtet und die die Angst na­hezu zerfressen hatte, vernahm nicht die Detonation der Schüsse, die Duffy von den Beinen fegten.

Tom Jordan wurde niemals mehr etwas spüren oder hören. Denn als er auf den Vorbau schlug, war er bereits tot.

Und im Saloon starb Duffy, von mehreren Kugeln getroffen. Er hatte nicht einmal mehr Gelegenheit ge­habt, den Stecher der Shotgun durch­zuziehen.

Zwei Gesetzeshüter waren gestor­ben, sie waren skrupellos und meuchlings ermordet worden. Ihr Blut klebte an den Händen bruta­ler Killer. Sie hatten dem ungeschrie­benen Gesetz dieses wilden Landes, nach dem nur der Gewissenlose und Unerbittliche überlebte, auf schreck­lichste Art und Weise Geltung ver­schafft.


*


Das Pferd ging mit hängendem Kopf. Müde setzte es einen Huf vor den anderen. Der Reiter saß zusam­mengesunken im Sattel. Sein braunge­branntes, hohlwangiges Gesicht ließ auf die Strapazen eines langen Trails schließen.

Unbarmherzig brannte die Sonne vom ungetrübten Himmel. Pferd und Reiter waren über und über mit Staub bedeckt. Er rieb unter der Kleidung und knirschte zwischen den Zähnen.

Ringsum dehnte sich verbranntes, ausgedörrtes Land, karg und öde, mit Tausenden von Felsklötzen, Kakteen und Comas, so weit das Auge reichte. Lediglich in rauchiger Feme zeichne­ten sich schemenhaft die Konturen ei­ner Bergkette ab. Der Mann hielt sein Pferd an, hakte die Wasserflasche vom Sattel, schraubte sie auf und trank einen Schluck. Dann füllte er et­was Wasser in die Krone seines Stetson und ließ vom Sattel aus sein Pferd saufen.

Das Wasser schmeckte schal und brackig, dennoch belebte es. Der Rei­ter stülpte sich den Hut wieder auf den Kopf und prüfte den Stand der Sonne. Sie hatte ihren Zenit bereits überschritten.

Vor dem Blick des Mannes wand sich der Weg wie eine endlose graue Schlange. Er befand sich auf der alten Poststraße, die von El Paso durch New Mexico über den Apache-Pass nach Tucson und von dort über Maricopa Wells und Yuma nach Kalifor­nien führte.

Tucson war sein Ziel. Irgendwo an dieser Straße lag die Stadt.

Mit einem Zungenschnalzen trieb er das Pferd wieder an. Es schnaubte unwillig. Unmutig trottete der Braune dahin. Die Zeit schien für den Reiter stillzustehen. Hunderte von Meilen in sengender Hitze und treibendem Staub lagen schon hinter ihm. Wie viele noch vor ihm lagen, wusste er nicht genau. Aber als sich von Osten her die Abenddämmerung über das Land schob, erreichte er sein Ziel. Er erkundige sich bei einem Passanten nach dem Mietstall und lenkte sein Pferd in die angegebene Richtung.

Stickige Luft, vermischt mit dem Geruch von Stroh und Pferdeausdün­stung, schlug ihm entgegen. Er nahm die Füße aus den Steigbügeln, hob sein rechtes Bein über das Sattelhorn und ließ sich zu Boden gleiten. Auf steifen Beinen stakste er in den Stall, das Pferd am Zügel hinter sich her zie­hend. Es war düster hier drinnen, und es dauerte einige Zeit, bis sich seine Augen an die herrschenden Lichtver­hältnisse gewöhnt hatten.

Aus einer der Boxen trat der Stall­mann, ein Junge noch, der wohl erst dem Knabenalter entwachsen war.

Der Fremde reichte ihm die Zügel und klopfte sich dann den Staub aus der Kleidung, der ihn eine Zeitlang einhüllte wie eine Wolke, sich dann aber langsam senkte.

Aus entzündeten Augen sah der große, hagere Mann den Jungen an. »Versorge ihn gut, mein Freund. Und lass ihn anfangs nur ganz vorsichtig saufen. Er ist der beste und treueste Gaul, den ich je besaß. Und ich will nicht, dass er durch falsche Behand­lung kaputtgemacht wird.«

Der Junge tätschelte den Hals des Tieres. Es schnaubte und spielte mit den Ohren. »Yeah, Mister, wirklich ein gutes Pferd. Man sieht es ihm an, selbst jetzt, wo es ausgemergelt ist und am Ende zu sein scheint.« Der Junge betrachtete den Fremden auf­merksamer. »Sie sehen aber auch nicht besser aus als der Hengst. Auch Sie haben gute Versorgung nötig. Ih­nen werde ich allerdings nicht helfen können.«

Ein Lächeln huschte über das Ge­sicht des Fremden. Dann machte er sich daran, die Satteltaschen abzu­schnallen. Er warf sie sich über die Schulter und zog seine Winchester aus dem Scabbard. Als er zum Gehen ansetzen wollte, fragte der Junge: »Bleiben Sie länger, Stranger?«

Der drehte den Kopf und schaute den Stallboy über die Schulter an. »Ich weiß es nicht. Vielleicht einen Tag oder eine Woche, vielleicht auch immer. Warum fragst du?«

Der Halbwüchsige zuckte mit den Achseln, »Nur so. Ich frage jeden Fremden danach. Eine Angewohn­heit.«

»Nun, dann weißt du ja Bescheid.«

»Wollen Sie mir Ihren Namen nen­nen, Mister?«

Der Fremde verdrehte die Augen. »Du scheinst mir ja ein mächtig neu­gieriges Bürschchen zu sein«, entgegnete er nicht unfreundlich.

»Man muss doch schließlich wissen, wessen Gaul man pflegt.«

Details

Seiten
Erscheinungsjahr
2022
ISBN (ePUB)
9783738962840
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (Juli)
Schlagworte
gesetz pete hackett western edition

Autor

  • Pete Hackett (Autor:in)

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Titel: Das gnadenlose Gesetz: Pete Hackett Western Edition 52