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​Die Verdammten des Südens: Pete Hackett Western Edition 41

von Pete Hackett (Autor:in)
©2022 140 Seiten

Zusammenfassung

Fort Bliss, Texas. Man schrieb den 25. Juli 1864. Die Tage waren sengend heiß, die Nächte schwül und drückend. Es war die Stunde des Übergangs vom Tag zur Nacht. Aus den Unterkünften der Soldaten drangen dumpfe Stimmen, Gelächter, und von irgendwo das Klimpern einer Gitarre. Der laue Südwind, der über den Rio Grande kam und den Staub Mexikos über den Fluss wehte, bewegte träge das Banner des Südens.

Mit schnellen Schritten überquerte ein Mann in mausgrauer Uniform und den Schulterstücken eines Captain den Paradeplatz. Ein großer Mann, in dessen scharfgeschnittenen, braungebrannten Gesicht der Krieg seine Zeichen hinterlassen hatte. Er war noch keine vierzig, und trotzdem wies dieses Gesicht bereits tiefe Linien und Kerben auf, und die blonden Haare, die unter dem Hut hervorlugten, waren von grauen Strähnen durchzogen.

Das war Captain Amos Warlock, ein Mann, der die Sache des Südens zu seiner eigenen gemacht hatte. Langbeinig, mit wiegenden Schritten und pendelnden Armen marschierte er zur Kommandantur. Vor zwei Minuten war ihm durch eine Ordonanz der Befehl seines Vorgesetzten, Colonel Howard, übermittelt worden, unverzüglich zu erscheinen.

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Alfred Bekker

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​Die Verdammten des Südens: Pete Hackett Western Edition 41


Western von Pete Hackett


Über den Autor

Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.

Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."

Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.


Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author

© 2012 der Digitalausgabe 2012 by AlfredBekker/CassiopeiaPress

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Fort Bliss, Texas. Man schrieb den 25. Juli 1864. Die Tage waren sengend heiß, die Nächte schwül und drückend. Es war die Stunde des Übergangs vom Tag zur Nacht. Aus den Unterkünften der Soldaten drangen dumpfe Stimmen, Gelächter, und von irgendwo das Klim­pern einer Gitarre. Der laue Südwind, der über den Rio Grande kam und den Staub Mexikos über den Fluss wehte, bewegte träge das Banner des Südens.

Mit schnellen Schritten überquerte ein Mann in mausgrauer Uniform und den Schulterstücken eines Captain den Paradeplatz. Ein großer Mann, in dessen scharfgeschnittenen, braunge­brannten Gesicht der Krieg seine Zei­chen hinterlassen hatte. Er war noch keine vierzig, und trotzdem wies dieses Gesicht bereits tiefe Linien und Kerben auf, und die blonden Haare, die unter dem Hut hervorlugten, waren von grauen Strähnen durchzogen.

Das war Captain Amos Warlock, ein Mann, der die Sache des Südens zu seiner eigenen gemacht hatte. Langbeinig, mit wiegenden Schritten und pendeln­den Armen marschierte er zur Kom­mandantur. Vor zwei Minuten war ihm durch eine Ordonanz der Befehl seines Vorgesetzten, Colonel Howard, über­mittelt worden, unverzüglich zu er­scheinen.

Und wenn es der Colonel so eilig hatte, dann war irgendetwas im Busch.

Der Mann in der Schreibstube sagte, kaum dass Warlock die Tür hinter sich zugezogen hatte: »Guten Abend, Sir, gehen Sie nur hinein. Der Chief hat schon zweimal nach Ihnen gefragt. Es ist, als säße er auf glühenden Kohlen.«

Warlock grinste lahm. »Soviel Zeit, um in die Stiefel zu schlüpfen, muss der Colonel mir schon zugestehen.« Dann öffnete er die Tür zum Dienstzim­mer seines Vorgesetzten.

»Na endlich!«, wurde er von einem grollenden Bass empfangen. »Dachte schon …« Colonel Howard brach ab, als Amos Warlock salutierte, und erwiderte mit einer lässigen Geste seiner Rechten Warlocks Gruß. Dann wies er auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch. »Setzen Sie sich, Captain.«

Warlock ließ sich nieder, streckte die Beine weit von sich, nahm seinen Hut ab und drehte ihn zwischen den Händen.

Es ging nicht sehr förmlich zu in dem Konföderiertenstützpunkt ganz in der Nähe von El Paso.

»Was gibt's, Colonel?«

Howard stemmte beide Ellbogen auf die Schreibtischplatte und legte sein kantiges Kinn auf die ineinander ver­schränkten Hände.

»Sonderauftrag, Captain. Eine ver­dammt haarige Sache. Darum betraue ich Sie damit.« Scharf fixierte er War­lock.

»Dann schießen Sie mal los, Colo­nel.« Warlock hielt dem Blick gelassen stand.

Colonel Howard räusperte sich, als müsste er, ehe er zu sprechen begann, seinen Hals frei machen. »Vor zehn Mi­nuten erhielt ich Nachricht, dass ein Goldtransport der Yankees von Idaho herunter nach Fort Wingate unterwegs ist. Ihre Aufgabe, Captain, wird es sein, diesen Goldtransport abzufangen und nach Texas zu bringen.«

»Fort Wingate«, überlegte Warlock laut. »Das liegt doch an der Grenze New Mexikos zum Arizona-Territo­rium. Ungefähr vierzig Meilen südöst­lich des Canyon de Chelly.«

»Genau. Weiß der Satan, was die Blaubäuche in dieser Einöde mit einer riesigen Menge Gold wollen. Ich nehme aber an, das Gold soll dort nur zwischen­gelagert werden. Nun, sei es wie es mag. Sie, Captain, müssen das Gold für die Konföderation erobern. Sie wissen, wie nötig der Süden auf finanzielle Mit­tel angewiesen ist.«

»Da oben wimmelt es von Navajos und Apachen, Colonel.«

»Und von verdammten Blaubäu­chen. Zwischen Fort Wingate und dem Canyon de Chelly liegt Fort Defiance. Sie werden höllisch aufpassen müssen, Captain.«

Warlock nickte. »Wie viele Leute ste­hen mir zur Verfügung?«

Im runzligen Gesicht des Colonels zuckte es sekundenlang. »Ich dachte an fünf Männer. Und ich überlasse es Ihnen, sich die Burschen auszusuchen. Mit Ih­nen werdet ihr also sechs Mann sein, die dem Teufel in den Rachen springen.«

Der Anflug eines müden Lächelns huschte über Warlocks Miene. »Sechs Mann«, entrang es sich ihm heiser, »das ist verdammt wenig, Sir.«

Howard nahm die Hände herunter und legte sie flach auf den Tisch. Seine Fingerkuppen begannen nervös zu trommeln. »Das ist nicht der einzige Haken an der Sache«, sagte er. »Ihr werdet als Cowboys getarnt mit einer Herde Longhorns dem Goldtransport entgegenziehen. Nichts an euch darf daran erinnern, dass ihr Soldaten der Konföderation seid. Aber auch gar nichts. Nicht einmal Ihre Leute dürfen erfahren, worum es geht. Viel zuviel hängt vom Gelingen des Auftrags ab, als dass wir irgendetwas leichtfertig aufs Spiel setzen dürften.«

Warlock schluckte. »Das heißt, wir bewegen uns als Spione und Saboteure in Feindesland. Und wenn sie uns erwi­schen, werden wir auch entsprechend behandelt.«

»Ja. Dann ist jedem von euch der Strick sicher«, erklärte der Colonel ohne Umschweife.

»Wann brechen wir auf?«

»Morgen. Ihr werdet an die dreihundertfünfzig Meilen reiten müssen und könntet in spätestens einer Woche den Canyon de Chelly erreichen. Sie sehen schon, es wird ein höllisch harter Ritt, Captain. - Der Gold­transport kommt von Boise herunter und hat mehr als die doppelte Strecke zurückzulegen. Bei einer Marschge­schwindigkeit von durchschnittlich fünf­undzwanzig Meilen pro Tag ist er na­hezu einen Monat unterwegs. Nachdem er am 5. Juli abgegangen ist, wird er zwei oder drei Tage nach euch den Can­yon de Chelly erreichen. Ihr werdet also genügend Zeit haben, den Überfall vorzubereiten.«

»Der Überfall dürfte das geringste Problem sein, Colonel«, wandte War­lock vorsichtig ein. »Der gefährliche Teil kommt, wenn wir den Transport in den Händen haben. Schließlich müssen wir quer durch New Mexiko zurück. Und auch wir werden dann nur noch fünfundzwanzig Meilen täglich schaf­fen. Wenn überhaupt.«

Der Colonel sah Warlock fest an. »Das ist der Grund, Captain, weshalb ich Sie mit dieser Mission beauftrage. Wenn es einer schaffen kann, dann nur Sie. Und wenn Sie es schaffen, dann wird der Süden Ihnen ein Denkmal setzen.« Er lächelte matt.

»Und wenn ich es nicht schaffe?«

»Dann wird man behaupten, dass Captain Amos Warlock und fünf präch­tige Männer für eine gute Sache gestor­ben sind.«

»Fein.« Warlock erhob sich und stülpte sich den breitrandigen Hut auf den Kopf. »Dann gehe ich jetzt in die Unterkünfte und suche die fünf Burschen aus, die mich auf diesem Himmelfahrtskommando begleiten. Ich werde ihnen das mit dem Denkmal erklären. Den Rest können sie sich selbst an fünf Fingern abzählen.« Er grüßte lässig, machte kehrt und ging. Die Tür klappte zu.

Im Gesicht des Colonels arbeitete es. Ein bitterer Zug kerbte sich in seine Mundwinkel. »Du wirst in die Hölle ge­hen, Captain Amos Warlock«, mur­melte er und verdammte den ganzen Krieg. »Und ich fresse meinen Hut, wenn du es schaffst.«


*


Als Captain Warlock die Mann­schaftsunterkunft betrat, setzte schlag­artig Schweigen ein. Gespannt starrten ihn die Männer an. Sie erkannten an sei­ner Miene, dass er keine besonders er­freulichen Nachrichten für sie brachte. Und unwillkürlich zogen einige von ih­nen die Köpfe ein.

Warlock ließ seinen Blick schweifen, heftete ihn auf einen schlaksigen, sem­melblonden Burschen mit wasserhellen Augen. »Reiter Evans!«, ließ er seine Stimme erschallen.

»Sir?« tönte es zurück. Der Bursche, der auf seinem Lager gesessen hatte, war aufgesprungen und nahm Haltung an.

»Reiter Ward!«, fiel der zweite Name.

»Yes, Sir!« Auch Ward schoss in die Höhe. Er war ein breitschultriger, dunkelgesichtiger Bursche aus Louisiana.

Warlock schaute weiter in die Runde. »All right«, murmelte er dann. Er hatte sich die beiden fähigsten Leute heraus­gepickt. Und mit erhobener Stimme sagte er. »Ihr beide findet euch in zwei Minuten in meinem Quartier ein!«

Draußen war er.

In der nächsten Unterkunft wählte er einen Mann namens Sam Larabee aus, einen Vollbluttexaner. Anschließend begab er sich in die Unteroffiziersba­racke. Dort rief er Sergeant Jim Lancey und Corporal Joey Barnes auf.

Schließlich hatte er die Männer in sei­nem Quartier versammelt. Er blickte sie der Reihe nach an. Und er sagte sich, dass er die härteste Mannschaft ausge­wählt hatte, die Fort Bliss bieten konnte.

»Okay, Leute«, begann er ruhig. »Ihr werdet morgen früh den grauen Rock mit Cowboykleidung tauschen und mit mir eine Herde Longhorns quer durch New Mex in Richtung Utah treiben. So­viel ich weiß, hat jeder von euch Erfah­rung mit Kuhschwänzen.« Er sah ihre verdutzten Gesichter, und ein Lächeln huschte über seine Miene. Es lockerte die Härte in seinen Zügen für die kurze Spanne einiger Augenblicke.

Sergeant Jim Lancey rief in breite­stem Texas-Slang: »Ich höre wohl nicht richtig, Captain. Wir sollen Longhorns treiben? Ist etwa der Krieg aus, hat der Norden kapituliert? Oder warum sonst sollen wir die Uniform des Südens an den Nagel hängen?«

»Für uns wird der Krieg erst richtig anfangen, Männer«, antwortete War­lock, und hinter seinen Worten lag eine besondere Bedeutung. »Allerdings ist es mir nicht möglich, mehr zu verraten. Nur so viel, dass wir sechs armen Hunde wahrscheinlich verdammt rauchigen Zeiten entgegengehen, und dass der eine oder andere von uns irgendwo da oben seinen letzten Schnaufer tun wird.«

»Geheime Kommandosache also«, murmelte der Sergeant und kratzte sich am Hinterkopf. »Und die Longhorns sind nichts anderes als Tarnung, schätze ich.«

»So ist es.« Warlock schob die Hände in die Hosentaschen. »Ich werde für euch also nicht mehr Captain Amos Warlock sein, sondern schlicht und ein­fach Trailboss Amos. Wir werden uns benehmen wie harmlose Cowboys. Und jedem, der mich in Gegenwart eines Dritten, der nicht zu uns gehört, Cap­tain nennt, werde ich die Zähne in den Hintern schlagen. Verstehen wir uns?«

»Yeah, Amos!«, brummte Sergeant Lancey.

Und in den fünf Gesichtern stand plötzlich ein hartes Grinsen.

»Well.« Warlock nickte. »Dann fin­det euch morgen vor dem Frühappell bei mir ein. Und nehmt nichts mit auf den Trail, was auch nur im Entferntesten daran erinnert, dass wir Südstaatler sind. Wir bekommen neutrale Pferde, Sättel und Waffen. Und ich will, dass je­dem von euch klar ist, was ihm blüht, wenn er von den Blauröcken als Konfö­derierter erkannt und erwischt wird. Sie werden …«

»Du brauchst es uns nicht zu erklä­ren, Amos«, unterbrach ihn Dudley Ward, der indianerhafte Bursche aus Louisiana. »Sie werden uns nicht als Kriegsgefangene behandeln, sondern als schmutzige Spione, und sie werden uns am Ende eines Stricks das Genick brechen. Richtig?«

»Treffender hätte ich es euch nicht klarmachen können. Okay, ihr wisst nun Bescheid. Richtet euch darauf ein. Und jetzt geht noch einen trinken. Ihr habt heute Abend frei. Aber besauft euch nicht. Ich will morgen früh kein verka­tertes Gesicht sehen, aber auch kein ge­schwollenes Auge oder Schlimmeres. Also geht jedem Streit aus dem Weg. Klar?«

»Klar!«, kam es mehrstimmig zurück.

»Dann ab mit euch.«

»Was ist mit dir, Amos?«, fragte Bill Evans, und die vertraute Anrede kam glatt über seine Lippen. »Kommst du nicht mit nach El Paso, um dir noch ein­mal den Hals zu befeuchten?«

»Nein.« Warlock schüttelte den Kopf. »Ich habe alles mit dem Quartier­meister zu arrangieren. Reitet nur ihr, und haltet den Mund. Zu niemand ein Wort, dass wir morgen nach New Mex trailen. Ihr wisst nämlich nicht, welche Ohren es aufnehmen. Es können auch die Ohren eines verdammten Verräters sein.«


*


Vier der Männer fanden sich am fol­genden Morgen vor Captain Warlocks Unterkunft ein. Corporal Joey Barnes fehlte. Unter den Augen der Männer la­gen dunkle Schatten, und ihre Mienen wiesen einen betretenen Ausdruck auf. Es war deutlich, dass sie in der vergan­gen Nacht nicht viel Schlaf gefunden hatten.

Warlock blinzelte in die Morgen­sonne, dann tastete sein prüfender Blick die vier nacheinander ab. Dumpf und drohend kam es aus seinem Mund: »Wo ist Barnes?«

Sergeant Jim Lancey schniefte, wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen und antwortete mit rauer, spröder Stimme: »Barnes ist tot, Cap… Amos.«

Ein Ruck ging durch Warlocks Ge­stalt, eine scharfe Falte erschien über seiner Nasenwurzel. »Tot!«, echote er düster.

»Ja, erschossen.« Lancey zuckte die Schultern. »Der Teufel weiß, wie es an­fing. Jedenfalls bekamen Barnes und ein Bursche namens Cash Santee Streit, und plötzlich standen sie sich auf zehn Schritt Distanz gegenüber, und die Ku­geln flogen. Santee schoss einmal und traf Barnes mitten ins Herz. Ich sah noch nie einen Mann so schnell seinen Colt ziehen.«

Warlock atmete hörbar aus. »Cash Santee«, flüsterte er gedehnt. Er blickte nachdenklich zu Boden. Die vier Bur­schen ließen ihn nicht aus den Augen. Jäh hob er das Gesicht. »Wo ist dieser Santee jetzt?«, wollte er wissen.

»Verhaftet«, erwiderte Dudley Ward gepresst. »Er sitzt im Jail und wartet dar­auf, vor das Kriegsgericht gestellt zu werden. Dabei hat er in Notwehr ge­handelt. Barnes griff zuerst nach dem Eisen. Aber es ist nun einmal verboten, sich zu duellieren. Und darum werden sie Santee eins überbraten, schätze ich. Bei Gott, Amos, dieser Boy aus Ala­bama hat einen Zug am Leib - wenn du mich fragst, dann grenzt es an Zau­berei.«

»Im Jail also. Gut. Geht in die Beklei­dungskammer und lasst euch eure Ausrü­stung geben! Ich werde mich in der Zwi­schenzeit um Santee kümmern.«

»Was hast du vor?«, erkundigte sich Sergeant Lancey gespannt.

»Nun, ich brauche Ersatz für Barnes. Und wer wäre geeigneter als der Mann, der ihn schlug?«

Warlock begab sich zum Gefängnis­trakt. Gleich darauf stand er Cash San­tee gegenüber. Santee war ein mittel­großer, drahtiger Bursche mit kantigem, düsterem Gesicht. Er war Anfang dreißig und wirkte hart und gefährlich.

Der Sergeant der Wache verließ auf einen knappen Wink des Captain hin den Raum. Warlock und der Mann aus Alabama waren allein. Amos Warlock verschränkte die Arme vor der Brust. Forschend betrachtete er Santee von oben bis unten. Der ließ die Musterung geduldig über sich ergehen. Er strahlte gelassene Sicherheit aus.

»Okay, Alabama«, begann Warlock kühl. »Du hast einen Mann erschossen, der zu den fünf fähigsten Burschen mei­nes Haufens gehörte. Es gilt einen Son­derauftrag auszuführen, und Barnes hätte dazugehört. Nun ist er tot, und ich brauche Ersatz für ihn. Ich glaube, du wärst der richtige Mann dafür. Wenn du ja sagst, wird noch in den nächsten zehn Minuten die Anklage gegen dich fallen­gelassen.«

Santees Mundwinkel verzogen sich. »Nachdem unsere glorreiche Armee keinen Pardon bei den noch so gering­sten Verstößen gegen die Disziplin kennt, muss es eine heiße Sache sein, die Sie mir anbieten, Captain. Und wenn ich zustimme, komme ich wahrschein­lich vom Regen in die Traufe.«

»Du kannst sogar unter die Erde kommen, mein Freund«, gab Warlock trocken zurück. »Aber das dürfte für ei­nen Mann des Südens, der die Freiheit gewöhnt ist, nicht so schlimm sein, als die nächsten Jahre hinter Gefängnis­mauern zu verbringen. Und wenn wir Erfolg haben, kriegst du sogar einen Or­den.« Warlock grinste.

»Jetzt soll ich Ihnen wohl um den Hals fallen, Captain?«, entgegnete San­tee ohne jede Freundlichkeit. Und tief im Hintergrund seiner stahlblauen Au­gen glitzerten Zweifel und Misstrauen.

»Nein, Alabama, das erwarte ich nicht von dir. Aber ich warte darauf, dass du ja sagst.« Der Captain starrte ihn zwingend an.

»Nicht, ehe ich weiß, um was es geht.«

»Der Auftrag lautet, eine Herde Rin­der nach Utah zu trailen«, log Warlock.

Überraschung zeichnete die Züge Santees. »Rinder nach Utah?«, maulte er. »Verdammt, Captain, ich bin kein Cowpuncher.«

»Womit hast du denn dein Geld ver­dient, ehe du Soldat wurdest?«

Santee schnaubte verächtlich. »Je­denfalls nicht als Kuhtreiber«, gab er dann ausweichend zur Antwort.

»Wahrscheinlich auch nicht in einem anderen ehrbaren Beruf, Alabama, denke ich. Du sollst blitzschnell mit dei­ner Gürtelkanone umgehen können. Hat das was mit deinem Broterwerb zu tun?«

Santee verzog wieder den Mund. »Vielleicht, Captain. Wissen Sie, was mich an Ihnen stört?«

»Nein.«

»Das ist Ihre respektlose Art. Ich heiße weder Alabama, noch habe ich Ih­nen das Du angeboten. Auch wenn ich Arrestant bin, habe ich Anspruch dar­auf, den militärischen Umgangsformen entsprechend behandelt zu werden.«

»Gewiss.« Warlock lächelte, und um seine Augen bildeten sich unzählige kleine Falten. »Aber ich rechne immer noch damit, dass du lieber mit uns quer durch New Mexiko trailst, als dass du hinter Stacheldraht verfaulst. Wenn wir zusammen reiten, dann werde ich Trailboss Amos sein. Du und die vier anderen Jungs, ihr seid meine Treiber. Und die militärischen Umgangsformen wer­den wir uns an den Hut stecken. An­dernfalls reißen uns die Yanks schneller den Hintern auf, als wir mit der Wimper zucken können.«

Cash Santee ging einige Schritte zu­rück und lehnte sich mit dem Rücken an die weißgetünchte, kahle Wand. Er hakte seine Daumen hinter den Hosen­gurt und meinte sarkastisch: »Okay, Trailboss Amos. Dann verrate mir jetzt den wirklichen Grund, der uns quer durch New Mex treiben wird. Das mit den Rindern ist doch nichts weiter als eine Finte, die die Yankees täuschen soll.«

Das schwache Lächeln, das noch im­mer um Warlocks Mund gelegen hatte, zerrann. Seine Miene verschloss sich. »Nachdem du dich in den militärischen Gepflogenheiten so gut auszukennen scheinst, Alabama, wirst du dich mit der Erklärung, die ich dir gegeben habe, zufrieden geben müssen. Alles andere wirst du hören, wenn wir am Ziel sind.«

»Angst vor Verrat, was?«

»Schufte gibt es wie Sand am Meer.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie sich für den Job Leute aussuchen, die nicht hundertprozentig hinter der Sache des Südens stehen.«

Warlock zuckte mit den Achseln.

Sekunden des Schweigens traten ein. Die beiden Männer fixierten sich. Nur die Geräusche des Morgenappells draußen auf dem Exerzierplatz dran­gen herein. Laute, schnarrende Stim­men, das Knallen von Absätzen, Spo­rengerassel …

Santee brach das Schweigen. Er sagte: »Ich habe es mir überlegt, Trailboss Amos.« In seine Augen trat plötzlich ein unruhiges Flackern. »Nachdem ich mir sicher bin, dass es darum geht, den verdammten Blaubäuchen eins auszuwi­schen, bin ich dein Mann. Sie haben et­was gut bei mir. Yankeekugeln haben zwei meiner Brüder umgebracht. Der eine fiel vor Gettysburg, der andere in Vicksburg. Vielleicht kann ich den blauuniformierten Schuften etwas heimzah­len.«

Warlocks Brauen zogen sich zusam­men. »Das wird kein persönlicher Ra­chefeldzug, Alabama«, entgegnete er, und seine Stimme klang schroff. »Wir haben einen Auftrag, und den werden wir ausführen. Emotionen jedweder Art haben dabei in den Hintergrund zu tre­ten. Habe ich mich klar genug ausge­drückt?«

Die Leidenschaft verschwand aus Santees Blick. Er nickte.

»Dann komm, du bist frei!« Warlock wandte sich zur Tür.


*


Zweihundertfünfzig Rinder wühlten Staub auf. Das Brüllen der Stiere und das Muhen der Kühe übertönte das dumpfe Gebrodel der tausend Hufe. Drei alte Cowboys, die nicht mehr für den Krieg taugten, umrundeten auf ih­ren Pferden die Herde. Die Longhorns drängten gegeneinander. Horn klap­perte. Ein dunkles, unruhiges Gewoge ging hin und her.

Amos Warlock und seine Mannschaft verließen das Fort. Sie ritten Pferde mit dem Brandzeichen der Ranch, von der auch die Rinder kamen: Den Schaukel-S-Brand Red Sheridans. Auch die Sättel waren von der Schaukel-S-Ranch. Die Männer trugen Revolvergurte mit offe­nen Halftern, und in den Sattelschuhen steckten Henry-Rifles, Modell 1860.

Nichts mehr an diesen sechs Männern erinnerte daran, dass sie Angehörige der Konföderierten Armee des Jefferson Davis waren. Und was sie in ihren Her­zen trugen, stand nicht auf ihre Stirnen geschrieben.

Sie verhielten die Pferde, starrten auf die unruhigen Longhorns, und Jim Lancey meinte grollend: »Sechs Treiber für zweihundertfünfzig Kuhschwänze. Wer etwas vom Herdentrieb versteht, der weiß, dass ein einzelner Mann in der Lage ist, eine solch winzige Herde zu treiben. Auch die Yanks werden sich fragen, wieso diese kleine Herde sechs Treiber benötigt. Noch dazu Burschen, die eigentlich im Krieg sein müssten.«

Der Adamsapfel des Sergeanten hüpfte erregt auf und nieder. Aber es war keine Furcht in Jim Lancey. Es war lediglich die dumpfe Gewissheit, ohne die wahren Hintergründe zu kennen, mitten in die Höhle des Löwen zu reiten und am Ende möglicherweise nicht ein­mal genau zu wissen, wofür er heißes Yankeeblei schluckte.

»Die Yankees können denken, was sie wollen«, erwiderte Warlock. »Maß­geblich ist, dass wir ordnungsgemäße Papiere haben. Die Rinder sind für ei­nen Rancher in Utah bestimmt, der dort oben Longhorns züchten will, weil sie genügsamer sind als Herefords.« Er nahm die Treiberpeitsche vom Sattelhorn und ließ das Leder nach vorn schnellen. Es knallte wie ein Revolver­schuss. »Vorwärts! Wir haben keine Mi­nute zu verlieren. Wir müssen sie oh­nehin fast doppelt so schnell nach Norden jagen, wie es bei einem Trail üblich ist.« Er trieb sein Pferd an.

Die Männer wechselten viel sagende Blicke, dann folgten sie ihm.

Bald war die Ebene vor dem Fort voll von Rindergebrüll, Hufestampfen und Peitschengeknall. Die Herde setzte sich in Bewegung und wurde immer schnel­ler. Innerhalb weniger Minuten war sie in einer gewaltigen Staubwolke ver­schwunden. Der laue Wind kam aus Sü­den. Der Viehtreck hatte ihn im Rücken. Der Staub zog vor ihm her nach Norden. Die kleine Herde wälzte sich durch den Morgen. Amos Warlock hatte als Trailboss die Spitze übernom­men. Jeweils zwei seiner Leute ritten an den Flanken, den Schluss bildete der lä­sterlich fluchende Cash Santee aus Ala­bama. Er musste den meisten Staub schlucken. Die drei alten Cowboys blie­ben zurück.

Bald führte Warlock die Herde auf nordwestlichen Trail. Und für die sechs Männer des Südens begannen die Wür­fel des Schicksals zu rollen.


*


Es ging auf den Rio Grande zu. Bei Arrey überschritten sie den Fluss, und das Gebirge nahm sie auf. Von nun an führte der Weg durch schattige Canyons und karge Täler, über windige Hö­hen hinweg und durch eine ganze Reihe schmaler Creeks.

Das öde, zerklüftete Land ringsum war von der sengenden Sonne ausge­brannt und glich mit seinen ruinenhaften, bizarren Felstürmen und -formationen einem gigantischen Trümmerfeld, dessen Vegetation aus vereinzelten Kakteen bestand, aus dornigen Comas, Mesquitesträuchern, Ocotillos und har­tem Büschelgras.

Die Felsbastionen zwangen die Män­ner zu Umwegen, was sie eine Menge Zeit kostete. Und so hatten sie am Abend des vierten Tages noch nicht ein­mal die halbe Strecke hinter sich ge­bracht. Amos Warlock gab sich keinen falschen Illusionen hin. In sieben Tagen war die gesamte Strecke nicht zurück­zulegen. Die zweihundertfünfzig Longhorns handicapten sie. Sie kamen nicht schnell genug vorwärts.

Sicher, nach Colonel Howards Rech­nung hatten sie zwei oder drei Tage Spielraum, bis der Goldtransport den Canyon de Chelly erreichte. Ob das ge­nug war? Warlock war skeptisch. Wenn der Goldtransport nicht fünfundzwan­zig, sondern dreißig Meilen täglich zu­rücklegte, dann würden sie das Nachse­hen haben. Dann wäre er in Fort Defiance oder Fort Wingate in Sicherheit, ehe sie am Ziel anlangten. Er ließ täglich siebzehn, achtzehn Stunden knochenbrecherisch treiben, und die Männer konnten sich vor Müdigkeit kaum noch in den Sätteln halten. Warlock gönnte ihnen kaum Ruhe. Und sie fingen an, ihn zu verfluchen.

Warlock ritt eine halbe Meile vor der Herde. Seine Augen waren unablässig in Bewegung. Sie befanden sich im Apa­chenland. Und diese roten Burschen liebten es ganz und gar nicht, wenn Herden der Weißen durch ihr angestamm­tes Gebiet marschierten. Das mindeste, was sie forderten, war Wegezoll in Form von Rindern. Meistens aber waren sie auf die ganze Herde wild - und auf die Skalps der Treiber.

Noch mehr als die Indianergefahr aber fürchtete Warlock einer Patrouille der Yankees in die Arme zu reiten. Es gab eine ganze Menge Militärposten im Indianerland, deren Besatzungen nicht untätig waren. Sie versteckten sich nicht hinter den Palisaden der Forts, sondern streiften durch die Gegend, si­cherten die Trailwege und hielten die Indsmen friedlich. Auch die Tatsache, dass sie seit vier Tagen ungeschoren trailten, konnte Warlock nicht in Si­cherheit wiegen. Vier oder fünf Tage la­gen noch vor ihnen. Hundert und noch mehr Stunden. Stunden, in denen Ge­fahr und Tod allgegenwärtig sein würden.

Das Rumoren der dahinziehenden Herde war in diesem einsamen Land meilenweit zu hören, der Staub, den sie hochwirbelte, von jedem Höhenzug aus zu sehen.

Links wand sich ein schmaler Flusslauf nach Nordwesten. Das war der Negrita Creek. Das aber wusste Warlock nicht. Die untergehende Sonne ließ das gurgelnde und schäumende Wasser wie Gold glänzen.

Dann verschwand die Sonne hinter den Bergen drüben im Arizona-Territo­rium, und der Himmel über den Graten und Klüften brannte purpurn. Wolken­bänke schoben sich davor und glühten. Zwischen dem kahlen Gestein lastete noch immer die Hitze.

Aus den Tiefen der Bergtäler zogen die ersten Dunstschwaden empor, kro­chen die Hänge und Felswände hinauf und hüllten Vegetation und Höhenzüge ein. Überall woben Schatten zwischen den Klippen und Felskegeln. Und als die Abenddämmerung endgültig über den Tälern und Senken zusammenschlug, wand sich vor Warlocks Blick der Tularosa River dem Negrita Creek entgegen. Keine hundert Yards zu seiner Lin­ken trafen die beiden Flüsse in einem spitzen Winkel aufeinander und verein­ten sich.

Und drüben wuchteten wieder himmelstürmende Felsmassive in die Höhe. Warlock sah ihre Schattenseite, und sie muteten ihn in der Dämmerung dunkel und drohend an.

Warlocks Pferd stand ruhig und schnaubte leise. Der Captain stützte beide Hände auf das Sattelhorn und starrte zwischen engen Lidschlitzen hervor über den Fluss. Er überlegte. Das Getöse der Herde weit hinter ihm, das an fernes Donnergrollen erinnerte, nahm er nur unterbewusst wahr.

In einer halben Stunde ist es so fin­ster, dachte er, so dass wir es nicht mehr wagen können, den Fluss zu überque­ren. Hölle und Teufel! Das zwingt uns, hier bis zum Morgengrauen zu lagern. Zwei Stunden länger, als ich zu rasten vorhatte. Es ist zum Auswachsen. Diese verdammten Kuhschwänze …

Er zuckte zusammen, als hätte ihn ein Schlag getroffen. Entfernter, harter Hufschlag, wie er nur auf felsigem Un­tergrund hervorgerufen werden konnte, wehte heran. Es waren beschla­gene Pferde. Und in dieser Gegend be­deutete dies Kavalleriepferde.

Warlocks Stirn legte sich in Falten. Sein Blick saugte sich am Maul des Canyons fest, der sich drüben öffnete. Der Captain hielt kurz den Atem an. Die Spannung vertiefte die herben Li­nien um seine Mundwinkel und ließ seine Sinne mit doppelter Schärfe arbei­ten.

Das Getrappel kam schnell näher, und bald schlug das Hämmern der Hufe wie eine dumpfe Brandungswelle, die vom vielfältigen Echo verzerrt wurde, zu ihm herüber. Jeden Augenblick mussten die Reiter aus der Canyonöffnung brechen.

Warlock zog sein Pferd herum und hob die Zügel an. Schnell trieb er es zwi­schen die Felsen. Er sprang ab und rannte zu einer Stelle, von der aus er die Vorgänge am anderen Flussufer beob­achten konnte.

Es waren zwei Dutzend Kavalleri­sten, die die Düsternis der Schlucht aus­spuckte. Sie ritten klirrenden Trab. Am Fluss parierten sie die Pferde, einen Steinwurf von Warlock entfernt. Nun stand über allem nur mehr das tosende Dröhnen der herannahenden Herde.

Der Captain zerbiss einen bösen Fluch. Und mit einemmal hatte er gegen die aufsteigende Beklemmung anzu­kämpfen. Er vernahm ihre Stimmen, konnte aber durch das Rauschen des Flusses nicht verstehen, was sie sich zu­riefen. Plötzlich aber stieß der vorder­ste der Reiter den rechten Arm in die Höhe, dann nach vorn und wies über den Fluss. Gleichzeitig spornte er sein Pferd an, trieb es in die Strömung hin­ein. Und zwei Dutzend Reiter in blauen Uniformen, mit dem Emblem der gekreuzten Säbel auf den Mützen, folgten in Zweierreihe.


*


Da kamen sie, zwei Dutzend Yankee­soldaten, die von einem Lieutenant ge­führt wurden.

Fünfundzwanzig Feinde.

Warlock biss die Zähne zusammen, dass der Schmelz knirschte. Und er fragte sich, wo der Scout der Abteilung war. Keine Patrouille bewegte sich im Indianerland ohne einen oder mehrere Scouts. Er dachte nicht weiter darüber nach, sondern glitt geduckt zurück zu seinem Pferd und schwang sich in den Sattel. Mit einem Schenkeldruck trieb er es aus der Deckung.

Die Soldaten befanden sich in der Flussmitte. Das Wasser reichte ihren Gäulen bis zu den Bäuchen und staute sich an ihren Beinen.

In diesem Moment ertönte hinter Warlock eine sonore Stimme. Hart und kalt kam sie: »Rühr dich nicht, Amigo! Ich habe dich genau im Visier. Und wenn du eine Bewegung machst, die mir nicht gefällt, kippst du mit einem Donnerknall aus dem Sattel!«

Warlock wurde steif wie ein Brett. Sein Atem ging unwillkürlich schneller. Damit war seine Frage nach dem Scout der Abteilung beantwortet.

Inzwischen waren auch die Soldaten im Fluss auf ihn aufmerksam geworden. Der rechte Arm des Lieutenants zuckte hoch, und der Trupp kam zum Stehen. Die Hände der Kavalleristen tasteten nach den Waffen.

Der Blick des Lieutenants schnellte in die Runde, suchte nach weiteren Män­nern, die zu dem Reiter gehörten. Da aber bemerkte er, wie der Fremde am Ufer langsam, fast schwerfällig die Hände in Schulterhöhe hob, und im nächsten Augenblick sah er einen Mann in fransenbesetzter Wildlederkleidung mit einem Gewehr am Anschlag hinter dem Reiter auftauchen.

Er gab das Zeichen zum Weiterreiten.

Wenig später platschten die Hufe durch das seichte Ufergewässer, wir­belten Schmutz auf, und dann trieben die Soldaten ihre Pferde die Uferböschung hinauf. Die Tiere hatten Mühe, den Hang zu nehmen. Immer wieder schlitterten die nassen Hufe zurück, und die Tiere brachen in der Hinterhand ein. Es herrschte eine heillose Unordnung.

Warlock wandte langsam den Kopf und äugte über die Schulter auf den Mann, der ihn in Schach hielt.

Ein schiefes Grinsen stand in dessen hohlwangigem Gesicht. Unvermittelt aber schmolz dieses Grinsen wie Schnee in der heißen Sonne aus seiner Miene. Sein Blick drückte ungläubige Überraschung aus, und sein Mund klappte auf. »Amos!« brach es aus dem Mann heraus, »Ich werde verrückt! Amos War­lock, der alte Eisenfresser aus Amarillo.«

Warlock zuckte zusammen, als wäre er von einem glühenden Draht berührt worden. Seine Hände fielen nach unten, zerrten am Zügel. Hart zog er sein Pferd herum. Er beugte sich weit aus dem Sattel und blickte den Scout erstaunt an.

»Farlow! Tex Farlow!«, flüsterte er heiser und das jähe Begreifen, dass er mit Tex Farlow einem Mann begegnet war, der möglicherweise seine wahre Identität kannte, auf jeden Fall aber ah­nen würde, schnürte ihm die Luft ab. Er schluckte würgend.

Warlocks Aufmerksamkeit wurde abgelenkt, als die Kavalleristen ihn ein­kreisten und der Lieutenant sein Pferd so nahe an ihn herantrieb, dass sich ihre Steigbügel fast berührten. Stechende Blicke tasteten ihn ab. In den Augen des jungen Offiziers flackerte der tiefe Arg­wohn.

Der Südstaatencaptain zwang sich gewaltsam zur Ruhe. Aus den Augen­winkeln beobachtete er, dass Tex Far­low sich zwischen zwei Pferden hindurch in den Kreis schob. Die Mündung seines Gewehrs zeigte nun auf den Bo­den. Er starrte Warlock an wie ein We­sen aus einer anderen Welt und zwin­kerte nervös mit den Lidern.

Warlocks Blick kehrte zu dem Lieu­tenant zurück. Der schnarrte: »Wer sind Sie, Stranger, und was pir­schen Sie hier herum?«

»Mein Name ist Amos Warlock«, ant­wortete dieser wahrheitsgemäß. »Ich bin mit fünf Cowboys und einer Herde Longhorns auf dem Weg nach Utah.«

»Die Geräusche der marschierenden Herde sind nicht zu überhören«, kam es wieder in militärisch scharfem Tonfall aus dem Mund des Offiziers. »Texas-Rinder, nehme ich an.«

»Ja, Longhorns. Sie tragen den Brand der Schaukel-S-Ranch. Ein Rancher in Utah hat sie bestellt. Er will auf die Longhornzucht umsteigen.«

Das Misstrauen in den Augen des Lieutenants verstärkte sich. »Sie sind Texaner?«

Warlock nickte.

Die Miene des Offiziers verzerrte sich. »Ein Rebell also!«, schnappte er, und ein hassvoller Unterton schwang in seiner Stimme mit.

»Nein, kein Rebell. Ich bin Cowboy. Der Krieg interessiert mich nicht.«

Details

Seiten
Erscheinungsjahr
2022
ISBN (ePUB)
9783738961669
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2022 (Mai)
Schlagworte
verdammten südens pete hackett western edition

Autor

  • Pete Hackett (Autor:in)

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Titel: ​Die Verdammten des Südens: Pete Hackett Western Edition 41